667. Das steinerne Brautbette
Auf einer andern Burg im Riesengebirge hat auch ein Schloß gestanden, darinnen hauste die Witwe des Ritters mit einer einzigen Tochter. Diese Tochter liebte einen nachbarlichen jungen Ritter, möglich, daß es ein Helfensteiner war. Aber er versah es, dem Sprüchwort zu folgen, welches lehrt: Wer die Tochter haben will, muß es gut mit der Mutter meinen, und da meinte die Mutter es auch nicht gut mit ihm und schwur, daß er bei ihrem Leben nimmermehr ihr Eidam werden solle. Die Tochter aber, die den jungen Ritter heftig und feurig liebte, verlobte sich ihm dennoch und schwur, ihn zu heiraten, sobald die Alte die Augen schließe, diese werde ja nicht ewig leben. Solches erfuhr die Mutter und warf sich vor Gott nieder und betete und fluchte in leidenschaftlicher Wut, und Gott solle der Tochter, die sich so sehr an ihr versündige, ihr Brautbette zu Stein verwandeln. Und gleich nach diesem Fluche starb die Alte, gleich jener Mutter, die ihre fleißige Tochter, die Spinnerin, in den Mond verwünschte, denn solche Flüche sind keine Lebensverlängerungselixire. Aber wie die Mutter, so hielt auch die Tochter ihr Wort und heiratete ihren Bräutigam und hielt keine Trauerzeit. Die Hochzeit wurde festlich begangen, aber in der Mitternachtsstunde, als die Tochter das Brautbette bestiegen, erfüllte sich der Mutter Fluch. Unter furchtbarem Donnergetöse brach das Schloß in Trümmer und sank in die Abgründe, die es umgaben; nur eine Felsenzacke blieb stehen, die war das Fundament der Brautkammer, und das Brautbette war in Stein verwandelt und stand hoch oben auf der Zacke, und war keine Feder mehr darin und weder Stroh noch Floh. Aber die Tochter war noch darin – ohne Bräutigam – allein auf schwindelnder unnahbarer Höhe, von Gott verlassen und von aller Welt, nur nicht von ihrer Pein und Qual und nicht von den Raben und Geiern, die um den Felsengipfel kreischend flogen und sie endlich auffraßen. Der Felsenzacken steht noch immer.