521. Der Mönch auf Blankenburg
Auf dem Burghofe der alten Blankenburg läßt sich in der Dämmerstunde oft ein Mönch mit grauem Haare und Barte sehen, der den Leuten winkt, sie möchten ihm folgen. Das hat aber bis jetzt noch niemand gewagt als ein Schäferknabe, der auf dem mit Gras bewachsenen Hofe seine Lämmer weidete. Den führte der Mann mit langer grauer Kutte, die mit einem Stricke umgürtet war, an ein eisernes Tor. Der Mönch berührte es mit dem Finger, und im Nu sprangen die Flügeltüren auf und eröffneten den Blick in unterirdische Säle, wo das Licht der Lampen, die von der Decke schimmerten, sich in tausend goldenen Geräten spiegelte. Der Saal war mit harten Talern gepflastert, und in den Winkeln lagen Haufen Goldstücke. Obgleich der Mönch winkte, hineinzutreten und zuzulangen, so traute sich doch der Bube nicht, und als er dem vor Staunen fast an die Stelle gebannten Knaben lange zugewinkt, verschwand er plötzlich, und es war keine Spur von Tor und Saal mehr zu sehen.
Das soll der Arzt Freidank sein, welcher den Kaiser Günther, der hier auf dieser Blankenburg geboren wurde, vergiftete und so lange hier umgehen muß, bis ihm, dem treulosen Verräter, ein Mensch Zutrauen geschenkt hat.
Sonst mußte jedes Kind, welches zum ersten Male den Greifenstein besuchte, ein Stücklein Brot mitnehmen, womit es den Mönch begütigen könne, wenn er erschiene. Dabei wurde dem Kinde, das sich aus Furcht vor dem Mönche scheu an die Eltern schmiegte, der tiefe, jetzt leider fast ganz verschüttete Brunnen gezeigt, welcher ehemals so tief gewesen sein soll, daß ihm das Wasser aus der Schwarza zufloß, und aus dem der Storch die kleinen Kinder holt und sie den Müttern, den Geschwistern aber große Zuckertüten mitbringt.