60. Der Lindwurm auf Frankenstein
Überm Dorfe Eberstadt, zwei Stunden von Darmstadt, liegen die umfangreichen Trümmer der Burg Frankenstein. Darauf saß ein Ritter, der hieß Hans, nach andern aber Georg, drunten im Dorfe aber floß ein Brunnen, aus dem die Bauern ihr Wasser schöpften, und auch auf die Burg hinauf wurde solches Wasser geholt. Neben dem Brunnen wohnte ein greulicher Lindwurm, der ließ niemand zum Brunnen, es mußte ihm zuvor ein nicht zu kleines Tier geopfert werden, ein Schaf, ein Hund, ein Kalb, ein Schwein – er fraß alles und viel, und solange er fraß, konnte jedermann zum Brunnen – wenn er aber nichts hatte, so fraß er die Leute, die zum Brunnen kamen. Da entschloß sich der Ritter von Frankenstein, das Dorf und die Gegend von dem schädlichen Ungetüm zu befreien, wappnete sich und stritt mit dem Lindwurm, der wehrte sich gar wacker, spie so viel Feuer, als ihm möglich war, aber der Ritter schlug dem Wurm endlich den Kopf glatt ab, aber der spitze Pfeilschweif des Drachen kringelte sich um den Ritter und stach ihn hinterwärts, wo die Rüstung nicht deckte, in die Kniekehle, und da der ganze Wurm über und über, außen und innen giftig war, so mußte der wackere Ritter von Frankenstein am Drachengifte sterben. Danach ist er begraben wor den zu seinen Vätern in die Kirche zu Niederbeerbach (andere sagen Oberbeerbach), wo die Frankensteiner schöne Grabmäler haben, und hat auch ein stattlich Monument erhalten im Harnisch mit Schwert und Streithammer, lebensgroß. Auf den Lindwurm, der seinen Schweif nach der Kniekehle richtet, tritt er, und Engel krönen ihn, ein echtes Bild des christlichen Märtyrers und Heiligen Ritter St. Georg.