803. Das Schenkenschloß

Über Zell bei Würzburg, hart überm Wege nach Karlstadt, rechter Hand steht eine alte Turmtrümmer, die Schenkenburg genannt; auf der hauste ein ruheloser Schenk. Nun wurde einst in einer Spinnstube gesagt, droben im Schenkenturme sei ein Hühnernest mit Eiern, und dabei derjenigen ein neuer grüner Rock versprochen, die sich getraue, jetzt in der Nacht und ganz allein die Eier aus dem Nest zu holen. Ein Mädchen war zu dem Unternehmen bereit, wenn man ihr einen Ranken Schwarzbrot, einen Wetzstein und einen schwarzen Kater verschaffen wolle. Nachdem sie diese drei Dinge erhalten, ging sie damit getrost hinauf in den öden Burgturm, fand dort in einer Raufe das Nest und nahm die Eier heraus. Da rief ein grauer Mann ihr zu: Hättest du nicht deinen rinkenden Rank, deinen wetzenden Wetz und deinen schwarzen Kater – so müßt' ich dir den Hals brechen! – Voll Schrecken lief das Mädchen davon und brachte zwar die Eier nach Zell, wurde aber gleich darauf krank und starb nach kurzer Zeit.

Da, wo jetzt noch dieser Schenkenturm steht, stand vormals eine stattliche Burg, die gehörte dem Schenken von Roßberg. Es ist allgemeiner Glaube, daß dort die Geister der Ritter noch spukend umgehen, und daß große Schätze sich zur nächtlichen Zeit durch blaue Flämmchen droben verkünden. – Zu Unterdürrbach, hinterm Schloßberge nach Rimpar zu, lebte ein altes Weib, die hatte aus Gnade und Barmherzigkeit ein armes Waislein, das ihre Verwandte war, zu sich genommen. Sie plagte aber das arme Kind wie ein Teufel, und dabei hatte sie eine ungemein durstige Leber. Als sie einstmals ihren Vorrat ausgezecht, gab sie dem Mädchen den Weinkrug und befahl ihm Wein zu holen, aber Geld gab sie ihm nicht, und da fragte das Kind: Wo soll ich denn Wein holen ohne Geld? – Ei du Teufelsbraten! schrie die Alte, hol ihn doch in des Kuckucks Namen, wo du willst! Meinethalben droben im Schenkenturme! Da muß man doch wohl den Wein geschenkt bekommen! – Das Mädchen stieg in seiner Unschuld den steilen Berg hinauf und betrat die inneren Räume der Burg; da schritt ihm ein kleines eisgraues Männlein entgegen und fragte freundlich: Was willst du, Kleine? – Das Kind erzählte, was ihm von der Alten gesagt und geboten worden war. Das schien dem Männchen zu gefallen, und es nahm den Krug, verschwand in ein Gewölbe und brachte dann das Gefäß gefüllt mit dem köstlichsten Wein wieder. Als er ihn dem erstaunten Kinde übergab, sprach er: Habe Dank, du kleine reine Feine! Du glückselige Magd hast mich erlöst! Denn so lange war ich verdammt, in diesem Gemäuer zu wandern, bis ein rein unschuldig Kind mir etwas von dem geraubten Gut abverlangen werde. Geh hinab und trinke ja nicht von dem Wein, sonst brennt er dir auf der Seele. – Das Mädchen zitterte an allen Gliedern und trug den Korb hinab, der wurde aber mit jedem Schritt schwerer und immer schwerer, und als es endlich den Fuß des Berges erreicht hatte, sank es erschöpft nieder. Schon wollte es einen wackern Zug zur Stärkung tun, aber – da war der Wein verschwunden und hatte sich in eitel Goldstücke verwandelt.

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TextGrid Repository (2011). Bechstein, Ludwig. Sagen. Deutsches Sagenbuch. 803. Das Schenkenschloß. 803. Das Schenkenschloß. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-2555-0