719. Poltergeist zu Schwickershausen

Im Amte Heldburg liegt ein Dorf des Namens Schwickers-, vulgo Schweickershausen, darinnen wohnte ein Bauer, Hans oder Heinrich Kegel genannt, der hörte in der Woche vor Ostern des Jahres 1666 unter einem in der Kammer stehenden Bette etwas klopfen und ward eines Geistes ansichtig, der war geartet gleich dem Hinzelmann, hatte Kindesgestalt, trug aber eine güldne Krone auf dem Haupt, sagte erst, er sei ein Engel, und nachher, er sei der Geist einer kurz zuvor verstorbenen Frau. Einige Beherzte reichten ihm die Hand, da fühlten sie, daß sein Händchen eisigkalt war, und schauderten. Es verhieß aber einem jeglichen, der ihm die Hand reiche, einen Schatz von neunzigtausend Dukaten, das machte die Leute so beherzt, denn um solche erkleckliche Summe hätten sie dem Teufel und seiner Großmutter die Hand gereicht mit Freuden. Darauf ging das Rumoren und Poltern im Hause los, daß es niemand mehr darin aushalten konnte, und vom Hause verbreitete sich der Rumor und das greuliche Spuken im ganzen Dorfe, daß die Bäuerlein ihres Leibes und ihrer Seele keinen Rat wußten, liefen zu den Pfarrern von Hellingen und nach Heldburg, die gingen mitsammen, der Heldburger hieß Magister Buchenröder und der Hellinger Johann Hase. Die sagten den Schwickershäuser Bäuerlein, daß sie sich mit ihrem Handreichen um schnöden Geldes willen dem lebendigen Teufel zu eigen gegeben, des erschraken sich die Bäuerlein schier zum Tode. Nun hielten die Pastoren redlich an mit Beten und Predigen, was dem Geist nicht im mindesten zusagte; er rief: Gebt mir ein Kind, so will ich weichen! – Einen Dreck sollst du haben, aber kein Kind! rief der Pfarrer von Hellingen, und da sagte ihm hinwiederum der Geist auch [473] keine Süßigkeit, katzbalgeten sich mit Worten ein langes und breites. Da der Geist nicht wich, so blieb auch der Hellinger Pfarrer, bis dessen äußerste Beharrlichkeit nach der Montagsnacht auf den Trinitatissonntag den Geist zum Weichen brachte. Hat also geklopft und gepocht, gepoltert und gelästert dreimal drei Wochen lang, dennoch überwand ihn endlich das Beten, dieweil die Prediger dem Schriftwort gehorchten: Wir aber wollen anhalten am Gebet und Amte des Wortes, und so mußte der Spukgeist aus Schwickershausen weichen; der Geist des Aberglaubens aber, dieser wahrhaft vielgestaltige Hinzelmann, wich nicht zugleich, denn noch in der allerjüngsten Zeit war und ist nach selbem Ort viel Zulauf zu einem Wunderdoktor und weisen Mann, der mehr kann als Brotessen.

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TextGrid Repository (2011). Bechstein, Ludwig. Sagen. Deutsches Sagenbuch. 719. Poltergeist zu Schwickershausen. 719. Poltergeist zu Schwickershausen. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-24F9-A