446. Winfried und Sturmi

Die heiligen Männer Winfried und Sturmi kamen auch in das alte Hessenland, die Heiden zu bekehren. Zu dieser Zeit kriegte Karl der Große im Diemellande und eroberte die Eresburg, auf der die Irminsäule stand, die er zerstörte, und den Desenberg, zwei feste Plätze. Am Desenberge, wo sein Heer im heißen Sommer fast verschmachtete, rief Karls Gebet den Bullerborn hervor, der noch heute fließt. Winfried kam zu einem Berge, darauf ein Heidenheiligtum stand, das brach er und ließ darauf die erste Christenkirche bauen, das ist der Christberg oder Christenberg, da noch heute die Leute einen Fußtritt im Stein zeigen, der von Winfried sich einprägte, als er im heiligen Eifer auf den Boden stampfte. Und am andern Ort, wo lange des großen Kaisers Lagerstatt und Heerstelle war, wird, hoch über der Weser, ein alter grauer Stein gezeigt, auf dem Karl zu Gericht saß und in denselben die Schwere seines ihn stützenden Armes sichtbarlich eindrückte; später entstand dort die Burg und das heutige Amt Herstelle.

Eine Stunde weit von einem Hofe, welcher Geismari hieß, dessen Name der später daraus entstandenen Stadt Hofgeismar blieb, da, wo jetzt das Dorf Eberschütz liegt, ragt eine steile Felswand hoch überm rechten Ufer der Diemel empor; droben der höchste, umwallte Punkt heißt die Klippe. Auf dieser Höhe hielten die Heiden ihren Ding. Da kam [309] zu ihnen ein Greis mit einem Pilgerstabe, den keiner kannte, im Priesterkleid der Christen und predigte ihnen von Christus Geburt, Leben, Leiden und Sterben, Auferstehung, Himmelfahrt und Wiederkunft. Da nun die Heiden diese Reden hörten, dünkte sie ihnen eine Mär und unglaublich, und bedräueten ihn. Er aber stieß seinen Stab in den Boden und sprach: So wahr und wahrhaftig die Botschaft ist, die ich euch verkündet, das ewige Evangelium, so wahr wird dieser Stab durch die Allmacht des einzigen und wahren Gottes Knospen, Blätter und Blüten treiben! Und hob die Hände auf, und es geschahe das Wunder. Der Stab ergrünte, trieb Knospen, Zweige, Blätter, Blüten, und die Heiden glaubten und ließen sich taufen. Solches Wunder tat Sturmi, Winfrieds frommer Schüler.

Eine ganz gleiche Sage geht vom Orte Groß-Vargula, nur daß dort Winfried-Bonifazius selbst es war, der das Stabwunder verrichtete, und dort die Sage noch hinzufügt, daß der Wunderbaum, von fremdländischem Ansehen, einer Palme gleich, lange gestanden habe und verehrt worden sei.

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TextGrid Repository (2011). Bechstein, Ludwig. Sagen. Deutsches Sagenbuch. 446. Winfried und Sturmi. 446. Winfried und Sturmi. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-24DB-C