66. Die heilige Bilhilde

Zu Hochheim am Main saß ein Geschlecht edler Franken, und noch gewahrte man in neuern Zeiten beim Ziehbrunnen allda Reste ihres Burgsitzes. Das war zu den Zeiten Chlodowigs, des Frankenkönigs. Dieses Geschlechtes einer hieß Iberich, dem ward ein Töchterlein geboren, das wurde Bilhilde geheißen, aber es empfing nicht die heilige Taufe, weil durch Feindesverheerung alle Priester gemordet oder entwichen waren. Doch sendeten die Eltern das junge Töchterlein in seinem dritten Jahre gen Würzburg zu Kunegunde, einer Verwandten, und dort empfing es Lehre und wurde unter die Zahl junger Katechumenen von den Priestern aufgenommen. Zur Taufe gelangte das Kind aber dennoch nicht, denn man hielt es für getauft, und es selbst wußte nicht, daß es noch nicht der Taufe Sakrament empfangen. Das Mägdlein wuchs und blühte heran in Tugend und Gottesfurcht. Bilhilde blieb frei von Heidengreueln, die dazumal noch neben dem Christentum im Frankenlande heimisch waren, und der Ruf ihrer Schönheit, Frömmigkeit und Sitte drang weit umher in alle Gauen. Davon vernahm auch Hetan, des Thüringer Herzogs Ratulf Sohn, der war schon einmal vermählt gewesen und hatte zwei Söhne, und warb um die junge Bilhilde; Hetan aber war noch ein Heide, und Bilhilde nahm ihn nur auf den dringenden Wunsch ihrer Eltern zum Gemahl, und in der Hoffnung, es werde ihr gelingen, ihn zum milden Christentum samt den Seinen zu bewegen. Solches gelang ihr aber mitnichten, zu ihrer großen Kümmernis, daher lebte sie sehr still und schmucklos, in den Übungen strenger Kasteiung und Buße. Hetan fand den Tod in der Schlacht, und seine Witwe empfand ein Sehnen nach ihrer Mutter, auch ward ihr von dem Thüringervolke mit Undank gelohnt, daß sie die Christuslehre unter ihm auszubreiten bemüht gewesen, sie wurde verfolgt und zur Flucht genötigt und stieg mit ihren Jungfrauen zur Nacht in ein Schiff ohne Steuer und Fährmann. Aber Engel erschienen, die lenkten das [60] Schifflein an allen Untiefen und an allen Klippen glücklich vorüber auf der langen weiten Stromfahrt, von der fränkischen Saale in den Main und vom Main an Hochheim vorüber, und landete in Mainz an, wo Siegbert, Bilhildens Ohm, Bischof geworden war, der empfing die fromme Jungfrau gar liebevoll, gab ihr Wohnung und half ihr zum Besitz ihres Erbes in Hochheim, denn ihre Eltern waren indes verstorben. Darauf stiftete die fromme Bilhilde ein Kloster, Altenmünster zu Mainz, von ihrem Erbgut, lebte gottergeben, züchtig, mildtätig, bis ihr Lebensziel fast erreicht war. Da träumte dreien Nonnen im selben Kloster, dem Bilhilde als Äbtissin vor stand, daß ihre Mutter und Oberin noch gar nicht getauft sei, und offenbarten es ihr, aber sie wollte und konnte das gar nicht glauben, bis es durch ein anderweites Gesicht oder durch die Stimme eines Engels auch ihrem Ohm offenbart wurde, der dann die fromme Christin in den Christenbund aufnahm. Nachher hat Bilhilde sich dem Weltleben völlig abgetan, und als sie verstarb, erschien ein Lichtglanz um ihre irdische Hülle, und Wohlgeruch erfüllte ihre Zelle. Kranke genasen in ihrer Nähe, Blinde wurden sehend, und Tote wandelten. Bilhilde wurde die erste Heilige des Frankenlandes.

Viele sagten, Bilhilde sei noch beim Leben ihres Gemahls Hetan auf so wunderbar geleitetem Schifflein nach Mainz gekommen. Auch liegt eine Meile unterhalb Würzburg am Mainstrom ein Ort, heißt Veitshöchheim, der hat sich auch, gleich Hochheim, Bilhildens Herkunft, und daß sie ihm entstamme, angenommen, hat ihr einen eigenen Festtag gestiftet und bewahrt und verehrt von ihr Reliquien.

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TextGrid Repository (2011). Bechstein, Ludwig. Sagen. Deutsches Sagenbuch. 66. Die heilige Bilhilde. 66. Die heilige Bilhilde. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-23A1-3