539. Die wilde Bertha
In der Gegend um Saalfeld, im Saaltale, auf der Heide, in den Bergwerken von Kamsdorf, im Orlagau und nach dem Vogtlande hinüber, wie in diesem selbst, läßt die Sage des Volkes zahlreiche mythische Wesen in abgesonderten Gruppen bestehen; diese bilden das Volk der Riesen, der Zwerge, letztere als Bergmännchen, der Haus- und Hülfsgeister als Heimchen, der Wichtlein, Moosmänner, Holz- und Moosweibel als scheue Waldzwerge, die der wilde Jäger fast beständig in der Hurre hält, jagt und tötet, wie der Wode im Dithmarschenlande die Unterirdischen; sodann die Drachen, die Saalnixen und endlich der wilde Jäger selbst mit seiner Jagdfrau, der wilden Bertha. Er hat keinen bestimmten Namen, nur einmal halb verbürgt begegnet er unter dem Namen Berndietrich; sie aber heißt auch die eiserne Bertha, die Bildabertha, Hildabertha (Hulde-Bertha?) und im südlicheren Deutschland Perchta und Prechta. Bertha, Jäger und Moosleute erscheinen zottelig, ungekämmt, struppig, und die Hildabertha hat ganz die Eigenschaft der Hulda, die um den Hörseelenberg jagt, faulen Mägden den Flachs zu verwirren und den Rocken zu zerzausen, besonders am letzten Tage im Jahre. Manche Leute sollen deshalb an diesem Tage Klöße und Hering essen, der Thüringer Heringsnasen Lieblingskost, und den Kindern, die sie ohnehin viel mit Bertha zu fürchten machen, sagen, wenn sie das nicht äßen, komme die wilde Bertha, schneide ihnen den Bauch auf, nähme heraus, was darinnen, und nähe den Bauch wieder zu, wobei sie sich statt der Nähnadel einer Pflugschar und statt des Heftfadens einer Hemmkette bediene. Es hat aber das Heringsessen am letzten Tag des Jahres noch einen weit verbreiteteren Grund, indem die Leute den Glauben haben, der Rogen des Herings, an diesem Tage genossen, bringe im nächsten Jahre Geld; aus gleichem Grunde werden mittags am selben Tage Linsen gegessen.