619. Schneeberger Teufelsbanner

Als das Teufelsbannwesen und die Schätzehebesucht wie eine Krankheit grassierte und die Jenaische Christnachttragödie aufgeführt worden war, kamen auch zu Schneeberg am sächsischen Erzgebirge verschiedene Leute auf den Gedanken, Geister zu zitieren und durch deren Hülfe Schätze zu finden. Der Anstifter war ein Mann namens Bauer-Schnurr, er gewann noch einige Gefährten. Das große Werk wurde auf dem geräumigen Boden eines Malzhauses [413] vorgenommen; ein dreifacher Kreis, vierunddreißig Ellen im Umfang, ward mit Kreide gezogen, Kreuze, Bibelsprüche, Planetenzeichen und Charaktere wurden hineingemalt. In die Mitte wurde ein mit einem weißen, mit Blut besprengten Tuche gedeckter Tisch gestellt, darauf stand ein Kruzifix und lagen Bibel, Psalter und Evangelienbuch; unter demselben stand eine Räucherpfanne mit Kohlen und Rauchwerk, am Eingange des Kreises war eine Öffnung von neun Ellen, diese schlossen die Bilder der Evangelisten und Apostel und eine Bibel. Außerhalb stand eine hölzerne Bank, höflichkeitshalber, damit der Hauptgeist sich setzen könne, da man in ihm einen gesetzten Geist erwartete. Außerdem war noch die Hirnschale eines vor einiger Zeit verlorengegangenen Kindes vorhanden. Die Beschwörung wurde vorgenommen, sie war furchtbar; die Kunst war groß, die Hexenmeister konnten ganz vortrefflich Geister zitieren, aber – es kamen keine. Immer schrecklichere Bannsprüche folgten, fast erzitterten Balken und Sparrwerk des Malzbodens – endlich schien etwas erscheinen zu wollen, es polterte die Treppen herauf, es klirrte wie Pallasche und Sporen – dem Hauptzauberer und Geisterbeschwörer Bauer-Schnurr ward nicht wohl beim Herannahen dieser Geister, er schnurrte durch eine Dachluke und flüchtete über die Dächer wie eine Katze, ein zweiter folgte ihm auf gleichem Wege. Die übrigen Genossen waren standhafter – sie blieben und wurden alsobald von den heraufkommenden dienstbaren Geistern hochlöblicher Polizei der guten Stadt Schneeberg verstrickt und in Haft genommen. Einer war ein Ingenieur aus Eisenach, dessen Ingenium nicht weiter als auf den Schneeberger Malzboden gereicht, ein zweiter war ein Müller aus Wildenfels, dessen Mühle mutmaßlich die drei Gänge nach Wasser, Korn und Brot hatte, der dritte war ein Schmiedegeselle, der seines Glückes Schmied werden und das Eisen schmieden wollte, weil es warm war, ward aber in die kalten Eisen gelegt, und der glückliche Flüchtling hieß Hans Tietze und war ein Sangerhäuser, der die Geschichte Ludwig des Ent-Springers gut inne hatte. So wurde das Gegenstück der Jenaischen Christnachttragödie allhier zu Schneeberg als eine Tragikomödie abgespielt.

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TextGrid Repository (2011). Bechstein, Ludwig. Sagen. Deutsches Sagenbuch. 619. Schneeberger Teufelsbanner. 619. Schneeberger Teufelsbanner. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-2054-9