1. Wie Frau Imperia sich selbst in der Schlinge fing, die sie ansonsten für die andern auszulegen wußte.
Die schöne Frau Imperia, die den Reigen dieser Geschichten eröffnet hatte, maßen sie ja die Ruhmesblüte ihrer Zeit war, mußte nach Beendigung des Konziles nach Rom kommen, weil der Kardinal von Ragusa sie wie närrisch liebte und lieber seinen Kardinalshut darangegeben hätte, ehe er auf sie Verzicht leistete. So nahm er sie mit, und da er ebenso freigiebig wie geil war, so beschenkte er sie mit einem prächtigen Palaste, darinnen sie zu Rom ihre Wohnung aufschlug. Zu jener Zeit widerfuhr ihr auch das Unglück, durch den Kardinal mit einem Kindlein beladen zu werden: Allewelt weiß, daß selbige Schwangerschaft mit der Geburt eines bildschönen Mägdeleins ihr Ende fand. Der Papst machte sogar den niedlichen Scherz: Dies Mägdelein müsse Theodora, das ist ›Gottesgabe‹, Geschenk Gottes, genannt werden. So geschah es denn auch, und das Kind erwuchs zu einer Jungfrau, deren Schönheit keinesgleichen hatte. Ihr verschrieb der Kardinal seine ganze Erbschaft, und sie wohnte fortan mit ihrer Mutter in deren Hause, sintemalen selbige die Stadt Rom wie eine Stätte des Verderbens floh, allwo man einen mit Kindern beschenkte.
Es dürfte allgemein bekannt sein, daß Theodora in ihrem achtzehnten Lebensjahre beschloß in ein Kloster zu gehen [462] und auch ihre ganze Habe dem Kloster zufallen zu lassen, um das Seelenheil ihrer Mutter zu retten, das durch deren lockeres Leben gar gefährdet schien. In dieser Absicht wandte sie sich an einen Kardinal, der sie veranlaßte, ihm zu beichten. Aber der schlimme Hirt fand sein Schäflein so wunderschön, daß er den Versuch machte, Theodora zu vergewaltigen. Da selbige solchen Schimpf nicht dulden wollte, so tötete sie sich mit ihrem Stilet. Auch dieser Fall ist in den Chroniken jener Zeit sorglich verzeichnet, denn ganz Rom war darüber aufs tiefste erschüttert und alle versanken ob der großen Liebe und Achtung, die Frau Imperias Tochter genoß, in wehe Trauer.
So kehrte die edle Buhle tief gebeugt nach Rom zurück, um dorten ihrer Tochter kläglichen Tod zu beweinen. Sie stand damals in ihrem neununddreißigsten Lebensjahre und das war nach allen Berichten der unzweifelhafte Gipfelpunkt ihrer Schönheit, vergleichbar dem satten Sommergrün; und ihre Vollkommenheit glich der Vollkommenheit einer eben völlig gereiften Frucht. Ihr Schmerz gab ihr eine wundersame, hoheitsvolle Strenge; darüber waren alle einig, die ihr liebeheiße Worte zuflüsterten, um solchermaßen ihre Tränen zu trocknen: selbst der Papst kam in ihren Palast, um sie durch tröstende Worte aufzurichten. Aber sie wollte lange Zeit ihre Trauer nicht ablegen. In dieser äußersten Notlage ließ denn der Papst einen spanischen Arzt herbeirufen und ging mit diesem zu Imperia. Und der Arzt setzte der Holden [463] auseinander (und belegte auch seine Behauptungen durch viele logische Deduktionen und griechische und lateinische Zitate): daß ihre Schönheit ob solcher vielen Tränen und Klagen zugrunde gehen würde, maßen Kummer und Gram den Runzeln Tor und Tür öffneten. Diese Erklärung, die auch durch die gelahrten Vertreter des Vatikanischen Ärztekollegiums bestätigt wurde, hatte den glücklichen Erfolg, daß noch am gleichen Abend die Pforten ihres Palastes wieder offen standen. Die jungen Kardinäle, die Gesandten fremder Länder, die großherrlichen Gutsbesitzer und die angesehensten Bewohner der Stadt Rom kamen alsbald herbeigeeilt, drängten sich in den Sälen und veranstalteten ein wahrhaft königliches Fest.
Frau Imperia erschien nur noch bei diesem Feste im Trauergewande; dann legte sie es ab. Alle Fürsten, Kardinäle und viele andere versicherten, sie sei der Verehrung des ganzen Erdenrundes würdig, das ja auch durch die Vertreter der verschiedensten Länder, soweit solche wenigstens bekannt waren, hier gegen wärtig sei; und solchermaßen sei unzweideutig zum Ausdruck gebracht, daß auf der ganzen Welt die Schönheit Königin sei. Der Gesandte des Königs von Frankreich, ein jüngerer Sohn des Hauses von l'Isle-Adam, kam etwas später. Und da er noch nie Frau Imperia erschaut hatte, so war er über die Maßen neugierig. Er war ein junger, schmucker Rittersmann, der beim König von Frankreich in hoher Gunst stand. Dorten am Hofe liebte er auch ein Mägdelein gar zärtlich, eine Tochter des Herrn von Montmorency, dessen [464] Güter denen des Hauses von l'Isle-Adam benachbart waren. Diesem Jünglinge, der keinen roten Heller besaß, hatte vordem der König einen Auftrag im Herzogtum Mailand übertragen. Und da er seine Aufgabe mit seltenem Geschick gelöst hatte, so war er nunmehr nach Rom beordert worden, um jene Verhandlungen zu fördern, davon in den Geschichtswerken langes und breites zu lesen steht. Hatte also der zierliche gute l'Isle-Adam auch kein Vermögen, so konnte er doch nach solchem Anfang große Hoffnungen für die Zukunft hegen. Er war schlank, aufrecht wie eine Säule, von dunklem Teint, darin zwei schwarze Augen flammten und sah mit seinem spitzen Bart so verschmitzt aus wie ein richtiger Gesandter, der sich nichts anschmieren läßt. Aber gegenüber dieser Pfiffigkeit besaß er doch wieder die schlichte Art eines unschuldigen Kindleins und das gab ihm die bezaubernde Anmut eines zuckersüßen kleinen kichernden Backfischs. Kaum war aber dieser Jüngling an Frau Imperia vorbeigeschritten, kaum hatte sie ihn erblickt, da fühlte sie sich von einer Erregung gepackt, die sie bis ins tiefste Innerste hinein zwickte und in ihrer Seele Töne auslöste, wie sie dergleichen seit langem nicht mehr vernommen hatte. Seine jugendfrische Schönheit übermannte sie, die wahre Liebe hielt ihren Einzug, und hätte nicht ihre königliche Majestät dem im Wege gestanden, so würde sie die verlockenden Bäckchen, die wie zweifrische Apfel schimmerten, sofort abgeküßt haben. Nun merkt euch einmal: die Damen, die man prüde nennt, haben von der Art der[465] Männer keine Ahnung, denn sie liegen nur einem einzigen allein zu Füßen, und bilden sich ein, die anderen seien Dreckkerle, so etwa wie die Königin von Frankreich dachte, weil der König so einer war; hingegen eine so erfahrene Buhlerin wie Frau Imperia kannte die Männer bis in die geheimsten Winkel hinein, denn sie hatte bei einer hinreichenden Anzahl ihre Erfahrungen gesammelt. In ihrer Kemenate zeigte sich jeder Mann so schamlos wie ein Hund, der über seine Mutter herfällt; jeder gab sich eben so wie er war, denn er sagte sich, daß er nicht ewig mit ihr zu tun habe. Oft hatte sie diese Erniedrigung beklagt, aber manchmal gab sie doch zu, daß die Sache eben ihre zwei Seiten hatte und dies war eben die Kehrseite der Medaille. Denn oft brachte ein Bewerber eine ganze Eselslast von Goldstücken, um eine Nacht bei ihr zu erkaufen, und mancher Wollüstling hatte sich die Kehle abgeschnitten, weil er abgeblitzt war. Die Festtage für sie kamen bloß, wenn sie sich mit so einem jungen Spitzbuben verlustieren konnte, wie das Pfäfflein einer war, von dem in der ersten Geschichte die Rede gewesen ist. Maßen sie aber nun in etwas gesetzterem Alter stand als in jener holden Zeit, so setzte ihr der Liebe Glut bei weitem ärger zu und erwies durch böses Zwicken und Brennen ihre feurige Natur. Sie litt, als ob man ihre Haut sengte und verbrühte, und sie wäre am liebsten dem jungen Edelmann um den Hals gefallen, hätte ihn als holde Beute in ihr Bett davongetragen. Aber sie mußte ruhig bleiben und das schuf ihr arge Pein. Als er zu ihr [466] trat und sie begrüßte, da tat sie gar hoheitsvoll und wappnete sich mit ihrer ganzen Würde, wie alle Frauen, die von der Liebe Pfeil getroffen sind. Ihre steife Begrüßung gegenüber dem jungen Gesandten erregte allgemeines Erstaunen und einige Spaßvögel meinten, sie hätte wohl für ihn einen Auftrag. Und darüber machten sie ihre Scherzlein, wie das dermalen so Sitte war. L'Isle-Adam dachte nur an seine Liebe daheim und zerbrach sich wenig den Kopf darüber, ob Frau Imperia würdig oder würdelos war; ja er machte gar auch einige Witze darüber. Das stach der Huldin in die Nase; sie änderte die Tonart und zog andere Saiten auf. War sie zuvor grämlich gewesen, so wurde sie nun zuckersüß; trat zu ihm hin, belebte ihre Stimme, ihren Blick, wiegte den Kopf, streifte ihn mit dem Ärmel, sagte »edler Herr,« erstickte ihn schier mit umgarnenden Worten, spielte mit ihren Fingern in seiner Hand und lächelte ihm am Ende gar huldvoll zu. Er dachte gar nicht daran, daß sie an solchem Gesellen Gefallen finden könnte, maßen er doch arm wie eine Kirchenmaus war und keine Ahnung hatte, daß seine Schönheit alle Schätze der Welt aufwog. Deshalb steckte er seinen Kopf nicht in diese Schlinge und verhielt sich abwartend, die Hand in die Hüfte gestützt. Diese Verständnislosigkeit verwirrte der Schönen das Herz, und jeder Funke ward zur neuen Flamme. Wenn ihr das nicht glauben wollt, dann kennt ihr den Beruf der schönen Imperia nicht, die so oft den anderen hatte einheizen müssen, daß sie selbst zum Ofen geworden war, darin [467] zahllose, kleine Freudenfeuer glimmten. Die waren jetzt zu einer Riesenflamme entfacht und lohten durch ihr Innerstes und waberten, und brannten sie und setzten ihr gar unerträglich zu. Nur das Wasser der Liebe konnte sie zum Erlöschen bringen; aber der junge l'Isle-Adam ging hinweg, ohne etwas von diesem Feuerbrande zu merken. Die Huldin war über seinen Fortgang ganz verzweifelt. Sie verlor derartig jede Fassung, daß sie ihm Diener nachsandte, die ihn bitten sollten, er möge die Nacht bei ihr verbringen. Niemals in ihrem Leben hätte sie so etwas getan, weder für einen König, noch selbst für den Papst oder den Kaiser, denn gerade weil sie die Männer knechtete, war ihre Schönheit so hoch im Preise gestiegen. Ihre Kammerzofe, die mit allen Hunden gehetzt war, holte also den Edelmann ein und sagte ihm, er würde sicherlich einen köstlichen Empfang erleben, denn offenbar sei die Gnädige geneigt, ihn mit allen nur erdenklichen Zärtlichkeiten zu überhäufen. Solch ein Glücksfall beseligte ihn tief und er kehrte in den Saal zurück. Da nun jeder bemerkt hatte, wie die Gnädige bleich geworden war, als er von hinnen ging, so entfachte sein Zurückkommen eine allgemeine Jubelfreude. Denn jeder sah darin einen Beweis dafür, daß sie ihr schönes, liebevolles Leben wieder aufnehmen würde. Ein englischer Kardinal, der schon aus manchem Humpen getrunken hatte, und auch hier gern mal einen Schluck gekostet hätte, trat zu l'Isle-Adam hin und flüsterte ihm ins Ohr:
»Haltet sie aber auch fest, damit sie Euch nicht entwischt!«
[468] Jener Vorfall wurde auch dem Papste erzählt, als er sich am anderen Morgen erhob, und er erwiderte:
»Laetamini, gentes, quoniam surrexit Dominus.«
Das wurde allerdings von den alten Kardinälen als eine Entweihung des heiligen Textes aufs tiefste verurteilt. Aber der Papst las ihnen darob gehörig die Leviten und sagte ihnen mit strengem Ton: ›vielleicht seien sie gute Christen – gute Politiker seien sie jedenfalls nicht.‹ Denn man muß wissen, daß er sehr auf die schöne Imperia zählte, um den Kaiser einzuwickeln, und von diesem Gesichtspunkt aus überhäufte er sie mit Schmeicheleien.
Als die Lichter in ihrem Palaste erloschen, die güldenen Gefäße am Boden lagen und zwischen ihnen die Trunkenen auf dem Teppich schlummerten, da faßte die Gnädige ihren erkorenen Freund bei der Hand und wandelte mit ihm in ihr Schlafgemach. Sie strahlte vor Seligkeit und gestand ihm: sie sei von so wildem Verlangen ergriffen, daß sie drauf und dran gewesen wäre, sich wie ein Tier auf den Boden niederzuwerfen und ihn dort zu umfangen; und daß sie ihn wohl zerquetschen würde, wenn das ginge. L'Isle-Adam legte seine Kleider ab und schlüpfte ins Bett, als sei er daheim. Als die Gnädige das sah, da riß und trampelte sie ihre Röcke zu Boden und warf sich mit einem Ungestüm auf ihn, das all ihre Zofen in Verwunderung setzte. Denn sie wußten, daß Imperia im Bette von einer seltenen, schamhaften Zurückhaltung war. Und dies Staunen ergriff bald das ganze Land; denn das Pärlein blieb neun volle Tage im Bett [469] liegen, aß, trank dort und ließ es sich gar meisterlich und unübertrefflich wohl sein. Die Gnädige versicherte ihren Zofen, daß sie einen Liebesphönix erwischt habe, der immer wieder neu aus seiner Asche erstünde. Dieser Sieg, den ein Mann über Imperia davongetragen hatte, war bald zu Rom und ganz Italien in aller Munde. Denn sie konnte sich bisher rühmen, keinem Manne untertan gewesen zu sein, alle, selbst die Fürsten, angespieen zu haben – was die Burggrafen und Markgrafen betraf, so erlaubte sie ihnen kaum, ihre Schleppe zu tragen, und sagte, wenn sie nicht auf ihnen herumtrampele, dann würden jene bald auf ihr herumtrampeln. Die Gnädige gestand ihren Zofen auch, daß sie in dem gleichen Maße, wie sie die anderen Männer schlecht behandelt habe, deren Liebe sie hätte ertragen müssen, nun dies holde Kind bezärtele, so gut sie es nur verstünde; daß sie ohne ihn nicht leben könne, noch ohne seine schönen Äuglein, die sie blendeten, noch ohne seinen korallenroten Mund, danach sie immer dürfte. Weiter sagte sie: wenn es ihm beifiele, ihr Blut zu trinken, ihre Brust zu essen (es waren die schönsten Brüste der Welt!), oder ihr Haar abzuschneiden (davon sie nur ein winziges Härlein dem edlen römischen Kaiser gegönnt habe, der es jetzt als unschätzbare Reliquie am Halse trage), so würde sie ihm von Herzen gern all diese Wünsche erfüllen. Als diese Worte bekannt wurden, da sank eine Wolke der Unzufriedenheit auf alle Männerherzen nieder. Aber Frau Imperia erzählte gleich am ersten Tage, da sie wieder ausging, allen Damen in Rom, [470] sie würde eines gar kläglichen Todes sterben, wenn dieser Edelmann sie verließe; sie würde sich dann gleich der Frau Cleopatra von einer giftigen Schlange stechen lassen oder einem Skorpion; kurz und gut: sie erklärte frank und frei, daß sie ihrem lockeren Leben für ewig Lebewohl sagen wolle und der Welt bald zeigen würde, was wahre Tugend sei. Sie wolle ihren herrlichen Königsthron mit Villiers de l'Isle-Adam vertauschen, bei dem sie lieber Magd sei, als Herrin über die ganze Christenheit. Der englische Kardinal machte alsbald dem Papste die lebhaftesten Vorstellungen: solche wahre Liebe zu einem einzigen Manne sei doch bei einer Frau, die für alle eine Quelle des Glückes bilde, geradezu eine nichtswürdige Verderbtheit, und er müsse eine solche Ehe, die der Welt Schönheit verschandele, durch ein ›in partitus‹ kurzerhand und in jeder Beziehung für nichtig und ungültig erklären. Aber die Liebe dieses armen Wesens, das nunmehr den ganzen Jammer seines Lebens eingestand und dabei so schön war, daß selbst dem boshaftesten Kerl der Spott im Halse stecken blieb, brachte alles Gerede zum Schweigen, und alle verziehen der guten Imperia ihr Glück. An einem Fastentage befahl sie ihrem Gesinde, am Fasten teilzunehmen, zu beichten und fortan streng nach den Geboten Gottes zu leben. Sie selbst warf sich dem Papst zu Füßen und zeigte soviel Reue, daß sie Vergebung für all ihre Sünden erhielt. Ihr war, als gäbe diese Absolution ihrer Seele die ganze Jungfräulichkeit wieder, die sie ihrem Liebsten leider nicht in voller Pracht hatte darbringen [471] können. Immerhin dürfte aber der Fischteich des Papstes doch nicht so überaus wundertätig sein, denn der arme Jüngling saß gar fest im Netze, glaubte sich im siebenten Himmel, ließ alle Aufträge des Königs von Frankreich fahren, gleichermaßen auch seine Liebe zu dem Fräulein von Montmorency, kurz alles, um nur Frau Imperia zu heiraten, mit ihr zu leben und mit ihr zu sterben. Das war die Wirkung der weisen Erfahrungen, die selbige Meisterin der Liebe im Lande der Wonnen gesammelt hatte. Nunmehro konnte sie ihr Wissen für eine lautere Liebe gar profitlich verwenden. Sie nahm von ihren Freunden und Freudengefährten bei dem prächtigen Festmahle Abschied, das sie anläßlich der Hochzeit veranstaltete und bei welchem es über die Maßen hoch herging. Alle italienischen Fürstlichkeiten waren zugegen, und man sagt, das ganze Fest habe sie eine volle Million Gülden gekostet. Angesichts solcher Summe wird wahrscheinlich jeder den Herrn d'Isle-Adam beglückwünschen und ihn keineswegs schelten, denn sie beweist, daß weder er noch Frau Imperia auf Geld Wert legten, und sie ihr riesiges Vermögen über zartere Dinge völlig vergaßen. Der Papst segnete ihre Ehe und sagte, es sei gar schön und erbaulich, solchen Entschluß einer Buhlerin zu erleben, die durch diesen Schritt über die Ehe zu Gott zurückgekehrt sei. In jener Nacht aber, da alle zum letzten Male die Königin der Schönheit anschauen durften, die fortan als schlichte Schloßherrin in Frankreich leben wollte, hub gar mancher an, die vergangenen Nächte zu [472] beklagen, wo fröhliches Lachen erklang, wo Ausgelassenheit herrschte, Maskeraden, tolle Streiche und holde Süßigkeiten, die einem das Herz leicht machten, an der Tagesordnung waren; zu klagen über all den Zauber, den dies holde Wesen ausströmte, das schier verlockender ausschaute, als im Lenze seines Lebens, maßen die Glut der Liebe seine Schönheit mit einem Strahlenkranze umfunkelte und sie der Sonne gleichmachte. Gar viele jammerten über ihren betrüblichen Einfall, so ehrsam zu enden. Aber Frau l'Isle-Adam rief ihnen scherzend zu: nach vierundzwanzigjährigem öffentlichen Dienst habe sie wohl einen friedlichen Ruheposten verdient. Zwar warfen etliche ein, solange die Sonne noch Strahlen aussende, sei jeder berechtigt, sich daran zu wärmen, und sie wolle sich nun nicht mehr sehen lassen. Aber darauf gab sie zur Antwort: sie wüßte alle gar freundlich anzulächeln, die sie besuchen würden, um sie in ihrer Rolle als Hausfrau zu bewundern. Und hier fand der engelländische Gesandte das rechte Wort, als er sagte: sie sei wahrhaft zu allem fähig und würde es wohl gar fertig bekommen, auch die Tugend bis zur höchsten Vollendung zu bringen. – Allen ihren Freunden machte sie ein Abschiedsgeschenk und den Armen und Kranken in Rom stiftete sie riesige Summen. Endlich verteilte sie alles, was sie aus dem Nachlaß des Kardinals von Ragusa durch ihre Tochter Theodora geerbt hatte, an das Kloster, darin ihre Tochter sich hatte aufnehmen lassen wollen, und an die Kirche, die sie für sie erbauen ließ.
[473] Als das Pärlein abreiste, ward es einen großen Teil des Weges von Edelleuten in Trauergewändern und einer Masse Volkes begleitet, das die zwei mit tausend Glückwünschen überschüttete, sintemalen sich Frau Imperia ja nur den Großen gegenüber hart gezeigt, an den Armen aber tausend Wohltaten geübt hatte. Die Königin der Schönheit wurde in allen Städten Italiens gefeiert, die sie auf der Reise berühren mußte, denn das Gerücht ihrer Bekehrung war überall hingedrungen und alle waren neugierig, das Ehepar zu sehen, das sich in so seltsamer Liebe zugetan war. Gar mancher Fürst lud die zwei an seinen Hof, sintemalen es ja für sie ein Herzensbedürfnis war, diese Frau mit Ehren zu überhäufen, die den Mut gehabt hatte, auf ihren Liebesthron zu verzichten, um schlichte Hausfrau zu werden. Aber ein Lästermaul, der Herr Herzog von Ferrara, wagte es doch, dem Herrn von l'Isle-Adam ins Gesicht zu sagen, dies Riesenvermögen habe er nicht sehr teuer erkauft. Gegenüber dieser Beleidigung, der ersten, die ihr widerfuhr, zeigte Frau Imperia ihr hochgemutes edles Herz; denn sie stiftete das ganze Geld, das ihre Liebeständeleien ihr zugetragen hatten, für die Ausschmückung des Domes Santa-Maria-del-Fiore zu Florenz. So blieb ihr am Ende nur ihr Gutsbesitz und alles, was der Kaiser ihr aus reiner Herzensgüte nach seinem Scheiden zum Geschenk gemacht hatte. Aber das war immer noch eine gehörige Menge. Der Herr von l'Isle-Adam aber focht mit dem Herzog einen Zweikampf aus und verwundete ihn dabei. Und solchermaßen[474] blieb weder an ihm noch an seiner Gemahlin der geringste Vorwurf haften. Vielleicht wurden die zwei fortan nur um so feierlicher begrüßt, wenn sie in eine Stadt kamen, zumal in Piemont, wo man großartige Feste feierte. Die Lieder, Sonette, Oden und Trinksprüche, die für diese Gelegenheit verfaßt wurden, sind auch sorglich gesammelt worden. Aber jedes Lied mußte neben ihr verblassen, die nach einem Ausspruche Boccaccios die Poesie selber war. Den Vogel schoß allerdings der römische Kaiser ab, der kaum die dumme Bemerkung des Herzogs von Ferrara vernahm, als er schon seiner liebe Freundin durch Eilboten einen Brief sandte, der in wohlgesetzten lateinischen Worten zum Ausdruck brachte, wie sehr er ihr von Herzen zugetan und erfreut sei, sie glücklich zu wissen, und doch wieder betrübt, daß er es nicht sei, der ihr dies Glück habe bieten können; leider verlöre er nunmehr das Recht, sie zu beschenken; sollte aber der König von Frankreich ihnen nicht hold sein, so würde er es sich zur Ehre anrechnen, einen Villiers an seinen Thron zu fesseln, und er würde ihm dann jedes Fürstentum zur Verfügung stellen, das ihm von all seinen Domänen am meisten zusage.
Die Frau Imperia gab ihm zur Antwort: sie wisse, wie großherzig der Kaisersei; aber müsse sie auch tausend Kränkungen in Frankreich erleiden, so wolle sie doch dorten ihre Tage beschließen.