1. Was ein Buhlteufel besagen will.
† In nomine Patris, et Filii, et Spiritus Sancti. Amen.
Im Jahre des Herren tausendzweyhunderteinundsiebenzig erschienen vor mir, Hieronymus Hornkraut, Oberpoenitentiarius und Kirchenrichter, ob der Anbringung und Begehrung der Ortsgemeinde, deren Klagschrift anbey folgt: etliche Edelleute, Bürger und Bauersleut des Sprengels, [244] so das folgende kund thaten über des Dämons arges Gebahren, der im Verdachte stehet als Weibsbild seyn Unwesen zu treiben, mannich fromme Seele verwirret und gegenwärtig im Kerker des Capitels eingesperret ist; um die Wahrhafftigkeit solcher Beschwerde zu ergründen, haben wir heute, Montag den eilften Dezember nach dem Hochamte selbiges Verfahren eröffnet, darmit eines jeglichen Bericht dem Dämon zu wissen gethan und selbiger über sein vorgeblichen Missethaten befraget sowie nach den Gesetzen contra Daemonios abgeurteilet werde. Der Untersuchung wohnte bey, um das Ganze aufzuzeichnen des Kapitels gelahrter Aktuarius Wilhelm Wendemund. Zum ersten trat herfür Johann, zubenannt Schiefarm, zu Tours beheymatet und mit obrigkeitlicher Erlaubnis Wirth des Gasthauses ›zum Storchen‹ am Brückenplatze; hat auf die Heiligen Evangelia bei seiner Seele Heyl beeydet nichts zu bekunden, es sey denn, was er selbst gesehen oder gehört. Darauf hat er bekannt, was folgt:
»Ich lege Zeugnis ab, daß etzwan zwei Jahre vor des Heiligen Johannes Freudenfeste ein Edelmann, den ich zuvor nicht gekannt, der aber offenbarlich in unseres Herren Königs Diensten stand und ohnlängst aus den Heiligen Landen heimgekehret war, mit dem Vorschlage an mich herantrat, ihm mein Landhaus ohnweit Saint-Etienne zu vermiethen, welches ich ihm auf neun Jahr für drey Unzen Feingold abließ. Alldorten brachte besagter Edelmann sein schön Weibsbild unter, so mit fremdartigen Gewänder nach Art der Sarrazener angethan war [245] und sich niemandem nicht zeigen noch anschauen lassen wollt. Doch gewahrte ich mit eignen Augen, daß selbige ein bunt Gefieder am Kopfe trug; hatte ein übernatürlich Antlitz und Augen, die gar unbeschreiblich flammten gleich wie höllische Glut.
Weilen der anjetzo verstorbene Ritter jeglichen mit dem Tode bedräute, der um besagtes Haus zu schnüffeln Willens war, so blieb ich aus Angst dem Gebäu fern und hielt all meine Zweifel und Bedenken über der Fremden arg Gebahren in meinem Herzen verschlossen.
Selbige war lebhaft wie ich nie zuvor habe ein Weib gesehen. Wohl heißt es hier und dort, besagter Rittermann sey längst tot gewesen und nur durch allerley Tränke und Zauberey jenes Weibsbildes auf den Beinen geblieben. Wogegen ich kund thue, daß er allezeit bleich war als wie eine Osterkerze; und wurde neun Tage nach seiner Ankunft eingescharrt, wie die Gäste im ›Storchen‹ können bezeugen. Sein Knappe sagte, daß er sich in meinem Hause während sieben ganzer Tage mit der Mohrin in wilder Brunst gepaaret habe, ohn von der Stelle zu weichen, was ich ihn auf seinem Sterbebette unter Schaudern bekennen hörte. Etzliche sagen, jenes Teuffelsweib habe ihn mit ihrem langen Haar an sich gekettet, darinnen heiße Zauber verborgen seyen, so einen Christenmenschen ins Höllenfeuer lockten, gleich als ob es Liebe sey, und ihn Buhlschaft treiben lässet, bis sein Seele von hinnen weichet und dem Herren Satan zufällt. Dergleichen sah ich nicht, wohl aber, daß der Herre Ritter erschöpft und kreuzlahm war, [246] da er starb, und dennoch ohngeachtet aller Worte des Beichtvaters begehrete, wiederum zu seinem Weibsbilde zu gehn. Wurde als der Herre von Bueil erkannt, so zu Damaskus in des Dämons Zauberbande fiel, wie etzliche bekundet haben.
Nach den Klauseln der Miethsurkunde habe ich der unbekannten Dame mein Haus belassen, gieng aber nach des Herren von Bueil Tode dorthin, um die Fremde zu befragen, ob sie dorten verbleiben wolle; ward in Ängsten von einem halbnackten fremdartigen Manne vor sie geleitet, der war schwarz und hatte weiße Augen. Sah alldorten besagte Mohrin inmitten güldner Pracht, so im Kerzenlichte von Edelgestein blitzte; auf einem asiatischen Teppich saß sie in leichtem Gewande mit einem anderen Edelmanne, der seyn Seel' bereits hingab. Hatte nicht das Herz hinzuschauen, auf daß ihre Augen mich nit verlockten, mich ihr allsogleich hinzugeben, maßen schon ihre Stimme mir am Bauch kitzelte und Hirn und Seele verwirrete. Um Gottes Willen und in Bangen vor der Höllen floh ich unversehens von dannen, so gefährlich war der Mohrin Anblick mit seynen teuflischen Gluten und fürnehmlich das Füßlein, kleyner denn ein Weib solches besitzen darf, und die Stimme, so zum Herzen girrte. Und in Höllenangst habe ich fortan nimmermehr gewagt, in dies Haus zu gehen. So wahr mir Gott helfe!«
Gemeldetem Schiefarm ward alsdann ein Mann aus Aethiopien oder Nubierland gegenübergestellt, schwarz von Kopf bis zu Füßen und seiner Mannheyt beraubt, [247] welchselbige Christenmenschen zumeist zu eigen haben. Der ward in peinlicher Frage und bey wiederholentlicher Folter unter argem Wimmern überführet, daß er unseres Landes Sprache nicht mächtig sei. Besagter Schiefarm hat selbigen abessynischen Ketzer als jenen erkannt, so in dem Hause des fraglichen Dämon wohnete und verdächtig ist, bei dessen Zauberey geholfen zu haben.
Trat zum anderen herfür Mathias, genannt Faulhuber, Taglöhner zu Saint-Etienne auf dem Landgute, der bei den Heiligen Evangeliis beeydet, die Wahrheit zu sagen und sodann bekannte: er habe allezeit helles Licht im Gemache des angedeuteten fremden Weibes gesehen und lautes, seltsam-teuflisch Lachen vernommen an Feyertagen und des Nachts um Fasten, sonderlich in der Charwoche und der Weyhenacht, als seynd dort viel Menschen zu Gaste gewest. Auch habe er hinter den Fenstern allerley Gewächs im Winter blühen gesehen, fürnehmlich Rosen, so durch Teuffelskunst trieben, was ihm aber nicht verwunderlich erschienen sey, maßen besagtes Weib so voller Gluten wäre, daß allenthalben das Kraut ergrünte, wenn sie Tags zuvor dorten gewandelt sey. Zum Ende bekannte der genannte Faulhuber nichts weiter zu wissen. – Sein Weib hingegen widerstand hartnäckig, anderes zu bekennen, denn Lobsprüche auf besagte Fremde, darum daß ihr Mann sie ob der Nachbarschaft selbiger guten Dame, so die Luft mit Liebesgluten erfülle, viel besser behandele. Und solcherley ungereimt Zeug mehr, das wir fortgelassen haben.
[248] Zum dritten trat der Herre Harduin von Netzen herfür der sein Ritterwort zum Pfande gab, dem Glauben der Kirche die Ehre zu geben und bekannte: er habe den fraglichen Dämon beim Kreutzzuge kennen gelernt, als zu Damaskus der entschlafene Herre von Bueil um ihren alleinigen Besitz die Waffen kreuzte. Damals habe sie dem Herren Gottfried von Roche-Pozay zugehört, der sie aus dem Tourer Lande hergebracht zu haben behauptete. Besagte Unholdin habe ob ihrer Schönheit unterschiedliche Mordtaten verschuldet, zuletzt aber habe Bueil den Herren Gottfried erschlagen und selbige dann in ein Kloster oder, wie man dorten sagt, Harem getan. Weiter hat uns der Herre Harduin bekennet, daß er mit ihr keinerley Buhlschaft getrieben habe, nicht aus Furcht oder Gleichmut, sondern weil ihn wohl ein Splitter vom Heiligen Kreuze mochte errettet haben und des weiteren ein griechische Edelfrau, so ihn mit ihrer Liebe Tag und Nacht ausplünderte und weder in seinem Herzen noch sonstwo etwas für ein ander Weib übrigließ. Ferners auch versicherte er, daß jenes Weib in Schiefarms Haus wahrhaftig die besagte Sarazenin sei. Befragt, was er als ehrengeachteter Mann über selbige denke, entgegnete er: Etliche Kreuzfahrer hätten erzählet, dies Teuffelsweib sey Jungfer für jeglichen, der sie gatte, indem gewißlich Mammon in ihr stecke und ihr für jeden Liebsten ein neue Jungfernschaft bescheere, und was es solcher trunkener Phantaseyen mehr gäbe. Er aber habe einmal bei ihr mit Kreutzlach (welchselbiger nach sieben Tagen an ihr[249] zu Grunde gegangen sey) zu Abend gespeist, und habe sich darob wie ein Jüngling gefühlt: so sey des Dämons Stimme ihm stracks zu Herzen gedrungen und habe seynen Leib mit glühender Liebe erfüllet, dardurch alles Leben an den Ort geströmet sey, von wannen es entsteht. Und hätte ihn nicht am Ende der Cypernwein untern Tisch geworffen, sodaß er ihre teufflisch Flammenblicke nicht mehr gewahren konnte, so hätte er sicherlich den jungen Kreutzlach erschlagen, um an diesem Wunderweib einmal seine Lust zu büßen. Und ob er gleich gebeichtet und jene Heilige Reliquie an sich genommen habe, so umgirre ihm noch unterweylen diese Zauberstimme das Hirn, und oft gedächte er morgens dieses Teufelsweibes, das wie Zunder so glimmend-heißbrünstig war. Dieserthalben auch bäte er, ihm die Unholdin nit gegenüberzustellen, welcher, so nicht der Teufel, dann Gott selbst gar seltsam Macht über der Männer Liebeswaffen verliehen habe.
Zum vierten und nachdem wir unser Wort gegeben, keinerley peinlich Verhör anzustellen noch weitere Vorladungen ergehen zu lassen, vielmehr ihn unbehindert von dannen ziehen zu lassen, kam ein Jud mit Namen Salomon al Rastschild, der trotz seynes ehrlosen Standes und seyner Judenschaft von uns angehört wurde, einzig um des angedeuteten Dämons Gebahren ausführlich zu kennen. Doch wurde besagtem Salomon ein Eyd nicht abgefordert, weilen er der Kirche nicht angehöret und durch des Erlösers Blut von uns geschieden ist (trucidatus Salvator inter nos). Derselbe bekennet mit genannter [250] Dame unterschiedlichen Handel mit ciseliereten Leuchtern, silbernem Schmuckgerät, Edelgesteyn und orientalischen Stoffen getrieben und dafür dreyhunderttausend taurische Pfund erhalten zu haben. Da wir ihn befragten, ob er ihr Zuthaten für magische Beschwörungen, das Blut neugeborener Kindleyn, Gespenstbüchlin oder wessen die Hexen sonsten Bedarf hätten geliefert habe, und wurde ihm zugesichert, daß er bei offenem Geständnis keinerley Beschwerden noch Nachstellung brauche befürchten, hat genannter al Rastschild bey seinem hebräischen Glauben beeydet, daß er solcherley Handel niemals nicht getrieben habe. Wo er doch ein großer Handelsmann sey und mächtige Herrn bediene; ferners noch, daß er gemeldete Dame vor ehrbar und durchaus natürlich halte, wohlgestalt und anmutsvoll, wie er nie ein Weib gesehen. Daß er ob ihres teufflischen Rufes und weilen er gar vernarrt in sie sey, ihr eines Tages, als sie Wittib war, vorgeschlagen habe, ihr Liebster zu werden, und wäre sie des wohl gewillt gewesen. Ohngeachtet ihm von dieser Nacht sein Gebein ganz verkrummet und verlahmet geschienen sey, so habe er doch nicht verspüret, wie etliche behaupten, daß wer einmal in dies Netze fiele, nimmer herauskäme oder wie Bley im Tiegel zerschmölze. Hernachens hat angedeuteter Salomon, den wir ob des gegebenen Geleytbriefes in Freiheyt ließen ohngeachtet seines Bekänntnisses: daß er mit dem Teuffel Beyschlaf gehalten und heyl davonkommen, wo jeder Christenmensch zu Grunde gieng, uns ein Vertrag unterbreitet, [251] zu wissen: er böte dem Capitel für den Fall, daß dieser Dämon verdammt würde lebend verbrennet zu werden, ein solches Lösegeld, daß darvon der höchste Thurm der gegenwärtig in Bau befindlichen Mauritiuskirche könne fertig gestellet werden. Was wir sorglich aufgezeichnet haben, um in thunlicher Zeit vor versammeltem Capitel darüber zu beraten. Und hat genannter Jud sich davon gemacht ohne sein Wohnort zu vermelden und uns gesagt, der Beschluß des Capitels könne dem Mitglied der Judenschaft zu Tours mit Namen Tobias Nathaneus zu wissen gethan werden. Und ist ihm noch der Afrikaner vorgestellt worden, den er als den Knecht des Dämons erkannte. Und hat gesagt, die Sarrazener pflegten solchermaßen ihre Diener zu verstümmeln, darmit sie könnten über die Weiber Wache halten.
Tags darauf nach dem Hochamte ist vor uns getreten zum Fünften die wohledle ehrengeachtete Frau von Kreutzlach. Hat bei den Heiligen Evangeliis geeydet und unter Thränen gesagt: sie hätte ihren ältesten Sohn, so ob seiner seltsamlichen Liebe zu einem weiblichen Dämon verschieden sey, zu Grabe getragen. Gemeldeter Edelmann sey im Alter von dreyundzwanzig Jahr gestanden und sey gar kräfftig, mannesstark und bärtig gleich seinem seligen Vater gewest. Ohngeachtet seiner gewaltigen Complexion sey er nach neunzig Tagen jämmerlich bleich worden, verdorret durch die Buhlschaft mit der Unholdin in der ›heißen Straßen‹, wie solche gemeiniglich genannt sey. Habe endlich in seynen letzten Lebenstagen als wie [252] ein arm verdörret Wümlein gewest, und immer, wo er nur Kraft gehabt zu gehn, sey er zu der verdammt Teuffelin gangen um dorten sein Leben auszuhauchen, wie seyn Erspartes für sie hingieng. Wie darnach sein letzt Stündlein kommen sey, habe er auf seynem Sterbebett geflucht und gedreuet und die Seynen grausamlich verwunschen; habe Gott verlästert, und als Verdammter sterben gewöllt. Darob das Hausgesindt herzlich betrübet und zwo Messen alljährlich gestift hab, um sein Seel aus der Höllen zu retten. Und ist angedeutete wohledle Dame mit vielem Gram wieder hinweggegangen.
Zum Sechsten erschien vor uns Jakobine, genannt Schmeeröl, so sich als Scheuerfrau verdingt und am Fischmarkt wohnhaft ist, die bey Eyd und Gelöbnis bekennet: sie sey eines Tages in die Küchen des erstgemeldeten Dämon kommen, ohn Bangen, weilen die Unholdin nur an Mannsvolk Freude habe, und habe diese im Garten können sehen, wie sie gar prächtig angethan am Arme eines Rittermannes einherwandelte und mit ihm wie ein natürlich Weib lachte. Habe in diesem Dämon das wahrhafftige Ebenbild der Mohrin erkennet, die von weyland dem Seneschall Bruyn in das Kloster von Eguignolles gethan sey, was wohl die achtzehen Jahr zurückläge. Zu jener Zeit sey sie Wäscherin in vermeldetem Kloster gewest und erinnere sich wohl der Flucht der angedeuteten Aegypterin, so zwanzig Monde nach deren Eintritt ins Kloster so wunderbarlich vor sich gegangen sey, daß niemand nicht gewußt hätt, wie solches möglich war, und [253] man vermeynet habe, sie sey mit Hilfe eines Dämons durch die Luft entflogen, darumb daß sich doch keinerley Spur noch Anhalt habe finden lassen. Wurde diesem Weibe der Afrikaner vorgestellt, worob sie bekennet, ihn nit gesehn zu haben, ob sie gleich neugierig gewesen sey, weilen er Wache hielt, allwo die Mohrin sich mit denen verlustieret, die sie durch ihre Brunst aussauge.
Zum Siebenten ward vor uns geführt Hugo, Sohn des Herren von Güldenmoos, dem er auf Ritterwort anvertrauet ist darum, daß er, der zwanzig Jahr alt ist, gebürlich bezüchtigt und überführt worden, mit etlichen unbekannten Missethätern den Kerker des Capitels bestürmt zu haben, um den vielgemeldeten Dämon aus kirchlicher Macht entweichen zu lassen. Haben genannten Hugo trotz seines Übelwollens ermahnet die Wahrheit zu bekennen, und er hat bei seynem Eide zu wissen getan: »Ich schwöre bey meiner Seele Heyl und den Heiligen Evangeliis, daß ich das Weib, so in Ansehung stehet, ein Dämon zu seyn, für einen Engel halte, für ein vollkommenes Weib, mehr noch an Seele denn an Leib. Ist gar ehrenhafft, voll Zartheyt und wunderbarlicher Lieblichkeyt, mit nichten boshaft; hochgemut und mildthätig. Ich bekenne, daß ich sie heiße, wahrhaffte Thränen beim Tode meines Freundes Kreutzlach weinen sah. Hat am selbigen Tage Unserer Lieben Fraue ein Gelübde gethan, nimmer fortan dergleichen junge Edelleut zum Liebesopfer zu empfahen, weilen sie für ihre Liebe zu schwach seynd; hat mir standhafft und muthvoll ihres Leibes Genuß verweigert und [254] mir einzig ihres Herzens Besitz verstattet. Und ohnangesehen daß meine Liebesglut wuchs, bin ich seit diesem holden Geschenk den großen Teil meiner Tage bey ihr geweylt, glücklich, sie zu sehn und zu hören; war darob seliger denn im Paradiese und habe niemals nicht auf die Zukunft ein Abschlagszahlung erhalten, es sey denn tugendsame Rathschläge wie ich ein edler Rittersmann könne werden, niemand denn Gott allein solle fürchten, die Damen ehren, nur einer dienen. Und erst wenn ich in Schlachten erprobt und erstarkt noch immer an ihr Gefallen fände, dann erst wolle sie mir angehören, darumb daß sie mich über die Maßen liebe.«
Hier hat der Herr Hugo geweinet und unter Thränen gesagt: daß nur ob des schmählichen Verdachtes wider dies arme, zarte Weib sein Aufruhr entstanden sey und er ob seiner innigen Liebe würde sterben, wenn ihr ein Leids geschähe. Und hat tausend Lobesworte über den Dämon gesagt, was nur die Gewalt ihres Zaubers bezeugt und ein schändlich unflätig Leben und die Teuffelskünste, darvon er fälschlich betrogen und geblendt ist. Das mag der Herr Erzbischof justifizieren, um durch Beschwörungen und Kirchenbußen des Jünglings Seel aus der Hölle Schlingen zu reißen, wenn der Satan nit schon zuviel Vorsprung erlanget hat. Dann ward der Jung-Edelmann den Händen seines wohledlen Vater zurückgegeben.
Zum Achten ward unter großen Ehren durch das Gesindt des Herrn Erzbischofs vor uns geleitet die gar verehrliche [255] und hochgestellte Frau Jakobine von Zickenfeld, Äbtissin des Klosters Unserer Lieben Fraue, welcher dermalen die obengemeldete Ägypterin unterstellet worden, nachdem sie auf den Namen Blanche Bruyn getauft war. Haben der Frau Äbtissin die Sache summarisch explizieret und sie über benannten Dämon und das Leben eines Geschöpfes, so möglicherweise ganz schuldlos sey, befragt: was ihr über das magische Verschwinden der Magd Gottes Blanche Bruyn bekannt sey, so Unserm Lieben Heylande als Schwester Clara vermählet worden. Worob die sehr edle, hochgestellte und machtvolle Frau Äbtissin das folgende bekennet:
Die Schwester Clara, unbekannter Herkunft und verdächtig, von ketzerischen, gottfeindlichen Heydeneltern zu entstammen, sey wahrhafftig in das Kloster gethan worden, das ihrer unwürdigen Persona unterstehe. Habe in Züchten ihr Noviziat bestanden und ihr Gelübde gethan, sey hernachens in tiefe Trübsal verfallen und stettig dahingewelkt. Habe auf ihre, der Äbtissin, Frage unter Thränen entgegnet, daß ihr der Grund ihres Leidens nicht bekannt sey; außer daß sie nach freier Luft gehre und wie früher klettern, springen und hüpfen möchte; nachts von den Wäldern träume, darinnen sie auf Blättern genächtigt; daß die Luft des Klosters sie bedrücke und arge Grillen in ihr unterweilen aufstiegen und ihr Gedanken unziemlich und unwiderstehlich ablenkten. »Darob habe ich die Ärmste mit den Heiligen Lehren ermuntert und ihr das ewige Glück des Paradeyses vor Augen gehalten, [256] dessen sündlose Frauen theilhaftig werden. Ohngeachtet dieses mütterlichen Zuspruches ist der arge Geist nicht von ihr gewichen. Allerwegens schaute sie während der Gebete und Offizien durch die Kirchenfenster auf die Bäume und Wiesen und ward aus Bosheit bleicher denn Linnen, um das Bett hüten zu müssen, hüpfete aber zu unterschiedlichen Malen wie ein Zicklein durch das Kloster. Endlich war sie schier verdorrt, ihr Schönheit entschwunden und aus Sorge, daß sie möchte sterben, ist sie in den Krankensaal gebracht worden. Und eines Wintermorgens war sie entschwunden, ohn ein Spur zu lassen, noch Thüren zu erbrechen, Fenster zu öffnen oder was sonst ihr Entweichen hätte bezeugt. Welch grauslicher Vorfall erzeugte, daß er mit jenes Dämons Hilfe ist zustande kommen, so sie heimgesucht; und ward von den Autoritäten der Kirche dahin erkannt, daß dies Höllenweib sey bestimmt gewest, die Nonnen von dem Heiligen Wege fortzulocken, und solche von deren reinen Leben geblendt durch die Luft zu der Hexen Sabbath zurückgekehret sey.« Nach diesem Bekenntnis ward die Frau Äbtissin unter vielen Ehren zum Kloster Mont-Carmel zurückgeleitet.
Zum Neunten ward vorgeladen und erschien vor uns Joseph, genannt Schmutzfink, der Geldwechsler, so an der Ostseiten der Brücke im Hause ›zum güldenen Batzen‹ wohnhaft ist, der bey seinem Eide also bekennet: »Ich bin ein armer Vater und durch Gottes Ratschluß schwergeschlagener Mann. Bevor der Buhlteuffel der Heißen [257] Straße ins Land kam, hatte ich als einzig Gut ein Sohn, schön wie ein Edelmann und gelehrt wie ein Priester; war die Freude meines Daches und ein unermeßlicher Schatz, darumb daß ich allein in der Welt steh und bin zu alt um mein Geschäft allein zu besorgen. Und dieser Edelstein ward mir von dem Dämon entrissen und in die Höllen geschmissen. Ja, edler Herr Richter, als er diese Teuffelinne, so ein Werkstatt des Verderbens ist, diese Wollustspalte, dies unersättliche Brunstverlangen erschaute, da stürzte er sich in die Netze ihrer Liebeskünste und hat fortan nur mehr in der Venus Tempel gelebt, aber nicht gar lange, wie denn dorten ein solche Gluth herrschet, daß nichts dieses Schlundes Dürsten stillt, und gösse man selbst der ganzen Welt zeugendes Quellgeström hinein. Wehe, mein armer Sohn, sein Gut, sein mannlichen Kräfte und Hoffnungen, sein Seligkeit, er selbsten, alles ward in diesem Abgrund verloren, wie ein Hirsekorn in eines Stieres Maul. Und nur die eine Hoffnung bleibt mir verwaistem Greise, diesen Dämon, der von Blut und Golde lebt, diese Giftspinne, so mehr Familien im Keime vernichtete, mehr Herzen, mehr Christenmenschen aussaugte und fraß, denn in allen Spitteln der Welt der Aussatz frißt, des Feuertodes sterben zu sehen. Verbrennet, martert diese Menschenfresserin, diesen Vampyr, der die Seelen aussaugt, dies Tiegervieh, das Blut säuft, diese Liebeslampe, so von Viperngift gespeiset wird. Schließet diesen Abgrund, darinnen jeder Mann verkommen muß, und ich will dem Capitel mein Geld für [258] den Scheyterhaufen opfern, meinen Arm leihen, um ihn zu entflammen!«
Folgen siebenundzwanzig andere Aussagen, deren Niederschrift in aller wahrhaftiger Ausführlichkeit zu lang und beschwerlich wäre und die deshalb hier knapp zusammengefaßt werden sollen: Eine große Zahl guter Christen und Bürgersleute gab an, daß der Dämon Tag und Nacht königliche Feste gefeiert, nie eine Kirche besucht, Gott gelästert, die Priester verhöhnt, alle Sprachen der Welt gesprochen habe, was doch nur die Apostel gedurft hätten; daß man ihn oftmals auf seltsamem Getier durch die Wolken reiten sah; daß er nicht gealtert, sich am gleichen Tage dem Vater und seinem Sohn in Unzucht ergeben und derart böse Kräfte ausgeströmt habe, daß ein Bäcker, der eines Abends vor seiner Tür saß und sie erblickte, von höllischer Liebesglut durchtobt ins Bett eilte und in furchtbarer Wildheit sein Weib begattet habe; und daß selbiger fleißige Arbeiter tags darauf tot gefunden wurde. Daß die Greise der Stadt den Rest ihres Lebens und ihr Geld bei ihr vergeudeten, wie die Fliegen dahinstarben und gar schwarz wie Mohren geworden seien. Daß der Dämon in aller Heimlichkeit äße, maßen er von Menschenhirn lebte; daß etliche ihn auch auf dem Totenacker gesehen hätten, wie er Jungverstorbene zerfleischte, weil er anders nicht den Teufel in seinen Eingeweiden füttern könne, der dort tobe und zwicke, weshalb auch manche Männer aus ihren Wollustumschlingungen [259] ganz zerstoßen und blaugeschlagen wiederkehrten. Und solchermaßen erwiesen tausend Aussagen sonnenklar, daß selbiges Weib die Tochter, Schwester, Großmutter, Ehefrau, Hure oder der Bruder des leibhaftigen Satan sein müsse, und welch Unheil und Mißgeschick allen Familien durch sie zuteil geworden sei. Auch hat dieser Prozeß dem Herrn Wilhelm Wendemund viel Ehre angetan, da er alles das so wohl aufgezeichnet hat. In der zehnten Sitzung wurde die Vernehmung abgeschlossen, da die Beweise, Zeugnisse, Belege, Klagen und sonstigen Ausweisstücke in Fülle vorhanden waren, gegen welche der Dämon sich verantworten sollte. Und darum sagten alle, wenn sie wirklich eine Teufelin sei mit natürlichen Hörnern, mit denen sie die Männer einsauge und zerstieße, so müsse sie lange Zeit durch dies Meer von Schriftstücken schwimmen, um am Ende heil und gesund in der Hölle zu landen.