230. Verfahrner Schüler.

In dem verfallenen Schlosse Schmalenstein bei Weingarten war vordem viel Geld vergraben, das zu gewissen Zeiten sich aus dem Boden heraushob, jedoch von niemand gewonnen werden konnte. Nun kam in den Ort zu einem Schuhmacher ein verfahrner Schüler, [222] das ist: ein Mensch, der, von seinen Eltern dem Teufel verkauft, sieben Jahre in der Hölle Teufelskünste gelernt hat, alsdann an demselben Platz, wo er hinuntergefahren, auf die Erde zurückgekommen ist, auf welcher er niemals Mangel an Geld hat, jedoch keines für die Zukunft aufheben darf, sondern jeden Tag alles rein ausgeben muß. Dieser Schüler begehrte von dem Schuhmacher eine Sauermilch mit dem Rahm, und da er sie gleich erhielt, forschte er weiter, was der Schuster für ein Mann sei, und ob er nicht einen zuverlässigen Freund habe. Auf die Antwort, daß der Nachbarsmann ein solcher sei, sagte der Schüler: »So ists recht! denn es darf keine Falschheit dabei sein, wenn ich euch das viele Geld verschaffen soll, welches, wie ich vorhin beim Vorbeigehen gesehen, im alten Schloß in zwei Kisten vergraben liegt. Geht also am Abend, wenn die Betglocke läutet, miteinander unbeschrieen in das Schloß und holt dort stillschweigend einen Hafen voll Erde, aber mit dem Aufhören des Läutens muß eure Arbeit gethan sein. An dem Schatz will und darf ich keinen Theil haben; wenn ihr mir aber anderes Geld geben wollt, lasse ich mirs gefallen.« Nachdem der Schuhmacher die Sache seinem Nachbar eröffnet, und dieser in alles gewilligt hatte, gingen beide am Abend, wie es der Schüler vorgeschrieben, die Erde zu holen, waren aber doch ängstlich, besonders da der eine, als sie die Erde einfüllen wollten, an den Haaren in die Höhe gehoben wurde. Sie sahen jedoch nichts, sprachen auch nichts und brachten die Erde glücklich in das Haus des Nachbars, wo dann der Schüler in einer obern Stube ungestört seine Künste begann. In Folge dieser kamen sechs Geister, nämlich vier Männer in scharlachenen[223] Heidenröcken mit weißen Borten und zwei weißgekleidete Frauen, unter großem Getös in die Stube und stritten mit dem Schüler darüber, daß sie den Schatz herausgeben sollten. Dessenungeachtet wurden sie durch seine Beschwörungen in der zweiten Nacht gezwungen, die beiden Kisten voll Geld herzubringen, deren jede vier Handhaben hatte, woran die Männer sie trugen. Sie nahmen zwar die Kisten wieder mit fort, hätten sie aber, bei fortgesetzten Beschwörungen, unfehlbar in der dritten Nacht abermals bringen und dalassen müssen, wenn kein Hinderniß dazwischen gekommen wäre. Nun aber hatte der Nachbar seine alte Mutter bei sich, welche glaubte, sie bekomme nichts von dem Gelde und deßhalb am nächsten Tag ihren Mann, der als Schäfer in Bretten lebte, herbeiholen ließ und ihm alles bisher Geschehene erzählte. Dieser war, wie gewöhnlich, betrunken, fing an zu toben und schrie, der Schüler sei ein Betrüger, den er zum Haus hinaus werfen wolle. Kaum hatte der Schüler in der obern Stube dies gehört, so nahm er den Hafen voll Erde und ging damit hinweg. Der Schuhmacher und der Nachbar liefen ihm zwar bis an den Rhein nach, allein er ging nach Speier in ein Kloster, dem er wahrscheinlich den Schatz verschafft hat; denn seitdem ist dieser im Schlosse Schmalenstein nicht wieder gesehen worden.

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TextGrid Repository (2011). Baader, Bernhard. Sagen. Volkssagen aus dem Lande Baden und den angrenzenden Gegenden. 230. Verfahrner Schüler. 230. Verfahrner Schüler. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-1E35-D