[245] 260. Geist erlös't.
Einem Mann in Dietlingen und seiner Frau träumte drei Nächte nacheinander: sie sollten auf den Krummhellenbuckel gehen und den Geist, der bei dem dortigen Schatz umwandle, dadurch erlösen und diesen sich eigen machen, daß sie kein Wort sprächen, nicht umsähen und überhaupt durch nichts sich stören ließen. Nach dem Traum in der dritten Nacht wachten beide um elf Uhr auf, besprachen sich und gingen dann miteinander hinaus. Am Ende des Dorfs rief aus einem unbewohnten Kelterhaus eine starke Stimme ihnen dreimal halt zu; sie achteten jedoch nicht darauf und gelangten bald nachher auf den rebenbepflanzten Buckel. Dort kam eine weiße Frau zu ihnen, die sie in den benachbarten Weinberg, wo sie viel Geld finden würden, gehen hieß, sich aber, als sie ihr nicht folgten, in eine goldfarbene Schlange verwandelte und auf sie zuschoß, während noch viel andere Thiere von fürchterlicher Gestalt erschienen, und ein Krachen entstand, wie wenn alle Rebpfähle zusammenbrächen.
Trotz alles dessen blieben der Mann und seine Frau in ihrer Ruhe, worauf der Lärm sich legte, die Thiere verschwanden, und die Schlange wieder zur weißen Frau wurde, vor welcher zwei Häfen voll Goldstücke auf dem Boden standen. »Ihr habt mich nun erlös't,« sprach dieselbe, »und den Schatz hier gewonnen, nehmt ihn mit nach Hause, aber bis ihr dort seid, verhaltet euch wie jetzt, sonst wird alles wieder zu nichte!« Auf dieses nahmen die beiden Leute die Häfen und gingen damit fort ohne sich an das Krachen zu kehren, welches [246] hinter ihnen von neuem begann. Aus dem Kelterhaus rief es ihnen wieder dreimal halt zu, die Frau schüttelte darauf verneinend den Kopf und blieb fortan mit diesem Schütteln behaftet. Nachdem sie glücklich zu Haus angelangt waren, sahen sie am Morgen auf dem Krummhellenbuckel nach und fanden alle Rebpfähle unzerbrochen auf ihren Plätzen. Sieben Jahre nachher starben der Mann und die Frau zu derselben Stunde.