166. Betrügerische Walderwerbung.
Die Gemeinden Rothenfels und Michelbach hatten miteinander einen Rechtsstreit wegen des großen Waldes, den jede als ihr Eigenthum ansprach. Noch während des Streites hieben die Rothenfelser, überzeugt [149] von ihrem Recht, in dem Walde Holz, wobei die Weiber die Bäume fällten, die dann die Männer auf Wägen in die Sägmühlen zogen. Nachdem beide Gemeinden auf dem strittigen Gebiet lange vergebens nach einem Markstein gesucht hatten, gelang es endlich dem Waldhüter und dem Holzsetzer von Michelbach, einen solchen aufzufinden. Derselbe war zwar stark bemoost und etwas verwittert, doch das Wappen von Rothenfels, ein Rost, noch daran kenntlich. Diese Entdeckung theilten beide Männer allein dem Anwalt ihrer Gemeinde mit, der ihnen sagte: sie sollten das Zeichen auf dem Stein erneuen und dann die Rothenfelser beschuldigen, es neuerlich eingehauen zu haben, um den Wald sich zuzuwenden. In der folgenden Nacht gingen demnach die zwei zu dem Markstein; der Holzsetzer erneute mit einem Spitzhammer das Wappen, wozu der Waldhüter ihm leuchtete, und am Morgen machten sie die abgeredete Anzeige. Auf dieses wurden die Rothenfelser, trotz aller Gegenvorstellungen, des Betrugs für überwiesen erklärt, und der Rechtsstreit zu Gunsten der Michelbacher entschieden. Nicht lange darauf starben die beiden Männer, und zur Strafe für ihr Verbrechen müssen sie bis heute nachts in dem Wald umgehen. Der Holzsetzer haut mit dem Spitzhammer in den Stein, und der Waldhüter leuchtet ihm dazu mit einer Laterne. Zuweilen läßt sich auch nur das Picken des Hammers hören, ohne daß die Gespenster sichtbar sind.