283. Hexe entlarvt.
Vor etwa fünfzig Jahren fielen einem Nadler zu Krailsheim in einer Nacht drei Lämmer, die den Abend zuvor noch frisch und gesund gewesen. Da an diesem Abend eine Schäfersfrau, welche im Hinterhause des Nadlers wohnte und im Rufe der Hexerei stand, die Lämmer gestreichelt hatte, so muthmaßte die Nadlerin gleich, daß jene dadurch denselben es angethan habe. Sie ging zu einem Mehlhändler, der wegen seiner geheimen Kenntnisse und Künste bekannt war, erzählte ihm den Vorgang und versprach ihm einen guten Lohn, wenn er ausfindig machte, durch wen ihr der Schaden zugefügt worden sei. Der Mehlhändler sagte: sie solle den Lämmern die Ohren und Schwänze abschneiden, dieselben in der verschlossenen Küche auf glühende Kohlen legen und jede Oeffnung der Küche, selbst das Schlüsselloch und alle Ritze, wohl verstopfen; auch müsse die Stube alsdann rein gekehrt sein, daß kein Abschnitzel auf dem Boden liege; wenn nun die Ohren und Schwänze anfingen zu brennen, werde dasjenige herbeikommen, welches schuld an dem Fallen der Lämmer sei. Nachdem sich die [267] Nadlerin mit ihrem Mann verabredet, that sie alles, was ihr der Mehlhändler gerathen hatte. Kaum glimmten die Ohren und Schwänze, so kam die Schäfersfrau hastig zum Nadler in die Stube, fragte ängstlich nach seiner Frau und verlangte in die Küche. Der Nadler antwortete, seine Frau sei ausgegangen und habe den Schlüssel zur Küche mitgenommen, daß er selbst nicht hinein könne. Da wurde die Schäfersfrau immer ängstlicher, daß sie zuletzt das Wasser nicht mehr halten konnte, und jammerte, sie müsse verbrennen, wenn man das, was in der Küche auf dem Feuer sei, nicht davon nehme. Auf dieses ließ der Nadler die Kohlen sogleich auslöschen, jagte aber die entlarvte Hexe für immer aus seinem Hause.