276. Verunglückte Bräutigamsschau.
Vor etwa achtzig Jahren hörte in der Christnacht Badwirth Kitterer zu Löwenstein im Haus ein starkes Geschrei. Er sprang aus dem Bette, eilte an die Magdkammer, woraus der Lärm kam, fand aber die Thüre verschlossen und erhielt auf sein Rufen keine Antwort. Da schaute er durchs Schlüsselloch und sah die Kammer voll Flammen. Vergebens suchten er und sein herbeigerufener [260] Knecht die Thüre einzusprengen; endlich schlugen sie in der Nebenstube eine Riegelwand ein und drangen in die Kammer. Darin war noch Feuer und Rauch, jedoch nichts verbrannt; auf dem Boden lag die Magd, nackt, und schwarz und blau im Gesicht und am Leibe. Nachdem dieselbe zu sich gebracht war, erzählte sie, ihr sei von einer Frau gesagt worden, sie solle in der Christnacht sich ganz ausziehen, ihre Kammer, von der Thüre an, rückwärts gehend kehren, und dazu einen gewissen Spruch hersagen, dann werde sie ihren künftigen Mann sehen. Sie habe alles so gethan; darauf sei ein Unbekannter gekommen und habe sie entsetzlich gewürgt, daß sie nun sterben müsse. In der nächsten Nacht verschied sie auch. Die Kammer konnte nicht mehr bewohnt werden, weil in einem Eck derselben öfters ein schwarzer Mann sich sehen ließ. In der Folge, als das Haus einen andern Eigenthümer erhielt, ward die Kammer zum Stalle geschlagen; aber kein Stück Vieh wollte auf ihrem Platz seinen Stand behalten. Die Wirthin sah einmal, als sie in den Stall kam, den schwarzen Mann neben ihrer Magd auf dem Melkstuhl sitzen. Diese hatte ihn nicht wahrgenommen, ja, sie läugnete den ganzen Spuk, bis sie einmal, auf derselben Stelle, von unsichtbarer Hand eine Ohrfeige bekam. Seit dieser Zeit ging sie nicht mehr allein in den Stall.