III.
Erdmuthe.

[119][121]

Gottfried von Hollmaringen

Gottfried von Hollmaringen.

»Der Cyprian hat heute das Sonnenwirthshaus in Leutershofen gekauft,« berichtete der Oberknecht des Schultheißen Gottfried von Hollmaringen, als dieser am Abend mit Kindern und Gesinde bei Tisch saß.

»Woher weißt's,« fragte der Schultheiß.

»Bin beim Weinkauf gewesen. Geht lustig her. Sitzen gewiß noch bei einander.«

»Wie theuer hat er gekauft?«

»Haus und Aecker für siebentausend Gulden und zweihundert Gulden Schlüsselgeld für die Frau. Soll billig sein, sagen alle Leut'.«

Weiter wurde bei Tisch nicht gesprochen. Erst als der Sohn, die beiden Töchter und das Gesinde die Stube verlassen hatten, sagte die Frau:

»Laß dich's nicht zu arg verdrießen, daß dein Schwager dir gar nichts von seinem Vorhaben gesagt hat. –«

»Ist schon lang mein Schwager nicht mehr. Das Kind ist todt: die Gevatterschaft hat ein End'.«

»Deiner Schwesterkind lebt ja noch.«

»Freilich, freilich, das paßt jetzt nicht, aber ich will ihm doch zeigen wer ich bin; bin ich sein Schwager nicht mehr, so bin ich doch noch der Gottfried von[121] Hollmaringen und er soll mir nicht mit Unrecht vorgeworfen haben, mir reißt man nichts aus der Hand, ich halt' fest wie eine Beißzang. Ich hab' jetzt eine Staatsbeißzang, und die ist das Gesetz; das Muttergut von meiner Schwester Kind darf er nicht mit in's Ausland nehmen, morgen am Tag schieb' ich ihm einen Riegel vor.«

Während Gottfried noch sprach, rollte ein Wagen mit lärmenden Insassen die Straße herauf, Gottfried steckte den Kopf zum kleinen Schiebfensterchen hinaus und erkannte trotz der Nacht an den Pferden und an den lärmenden Stimmen den Cyprian mit seinen Schmarotzern, die weiter oben im Dorf vor einem stattlichen Haus anhielten, unter Geschrei und Lachen nach Laternen riefen, und als diese und funkelnde Lichter kamen, erneute sich der Lärm, der doppelt laut durch das stille schlafende Dorf drang.

»Du hast einen Rausch wie ein Haus.«

»Nein, jetzt wie zwei Häuser,« hörte man rufen und ein Mann wurde in den erleuchteten Hausflur getragen.

»Du solltest noch zu ihm hinausgehen, er wird ja zum Kinderspott wie er's treibt,« sagte die Frau, als Gottfried tief aufathmend sich in die Stube zurückwendte.

»Hat bis morgen Zeit,« erwiderte Gottfried, »ihr Weiber meinet immer, der morgige Tag lauft davon.«

»Wenn du dein Schwesterkind in's Haus nehmen willst, mir ist's rechtschaffen recht; das Kind verkommt so in dem Durcheinander und bei der herben Stiefmutter.«

[122] »In Gutem läßt er mir das Muttergut nicht und läßt er mir auch das Kind nicht. Mein' Sach ist jetzt nur, dafür zu sorgen, daß meiner Schwester Kind nicht in Armut kommt; wie es ihm sonst geht, dafür muß Gott sorgen und die Verstorbene wird über es wachen –«

Der feste Ton des gelassenen Mannes hatte bei diesen letzten Worten etwas Bebendes, er fuhr sich mit der Hand über das ganze länglich schmale Antlitz, stand auf und ging mit schweren Schritten nach der dunkeln Kammer, sich zu Bett zu legen.

Cyprian hatte vor Jahren die einzige Schwester Gottfrieds geheirathet, von der ein einziges Kind übrig geblieben war, das den Namen der Verstorbenen, Erdmuthe, trug. Seit der Wiederverheirathung Cyprians lebten die Schwäger in einem lauen Verhältniß, das dadurch noch fremder wurde, weil Cyprian sich einem gewissen unruhigen, Zerstreuung suchenden Leben hingab und mit Menschen umging, die sich nicht zur Gesellschaft eines reichen Bauern schickten; ja er kegelte oft ganze Sonntag Nachmittage mit halbwüchsigen Burschen, denen Geld abzugewinnen noch mehr Schande war, als es an sie zu verlieren. Wenn Gottfried seinem Schwager in dem Marktflecken Leutershofen auf dem Kornmarkt oder im Wirthshaus begegnete, grüßten sie einander und wechselten auch manchmal eine Rede, aber offenbar mehr der Leute wegen; sie saßen dann an gesonderten Tischen, Jeder bei seiner Kameradschaft, und daheim im Dorf wichen sie einander wie auf Verabredung aus. Man sagte, die Frau Cyprians sei an [123] dieser Mißhelligkeit schuld, da sie es nicht dulden wollte, daß Cyprian in der gewohnten Abhängigkeit von Gottfried, keinen Pferdekauf, überhaupt nichts unternahm, ohne die Entscheidung des Schwagers einzuholen. Cyprian haßte aber seinen Schwager von selbst und der Haß wächst auf dem verschiedenartigsten Grund und Boden. Einst war Cyprian stolz darauf gewesen, mit Gottfried verschwägert zu sein, jetzt war er voll Aerger, daß immer nur von Gottfried die Rede war, daß Jeder im Dorf und auswärts nur so viel Geltung hatte, als Gottfried ihm zukommen ließ. Der Hauptgrund des Hasses war aber, daß Gottfried immer reicher wurde, während Cyprian trotz seiner Arbeitsamkeit, so oft er einen außergewöhnlichen Vortheil zu erringen hoffte, fast immer Schaden erlitt; er wollte in Kauf und Verkauf seinen eigenen Weg und nicht Gottfried nachgehen wie die Anderen, meist aber schlug das bös aus. Mit der Wohlhabenheit Gottfrieds wuchs auch Cyprians Haß gegen denselben und während man Gottfried äußerst genau, ja karg nennen konnte, schalt ihn Cyprian geizig, habsüchtig und blutsaugerisch, und es gab gute Leute genug, die diese Aeußerungen Cyprians dem Gescholtenen mit der üblichen Zuthat hinterbrachten. Das stille abgelegene Dorf, in dem noch nach der reichen Bauern Art, ein Jeder abgeschlossen für sich lebte, schien aber auch keine rechte Heimath mehr für Cyprian; er saß oft ohne erkennbaren Grund Tagelang in der diesseitigen Amtsstadt oder in dem Marktflecken des Grenzlandes und wenn er in die Wirthsstuben trat, wußte man bereits, was er zu trinken [124] begehrte und brachte es ihm ungeheißen; besonders ein rother Unterländer, den der Sonnenwirth »Weiberzorn« getauft hatte, schien eigens für Cyprian gewachsen. Man erzählte, daß er einst den Erlös von einem ganzen Wagen voll Bretter in der Sonne vertrunken und verspielt habe und als er Abends heimging, rief er: »Machet das Hofthor auf, es will ein Wagen voll Bretter 'naus.« Ein Andermal ließ er in gleicher Weise den Erlös von einem Kalbe draufgehen, und bei jedem frischen Schoppen, der kam, blöckte er wie ein Kalb: »Mäh, mäh.« Solche Geschichten verbreiteten wohl den Ruhm seines lustigen Witzes, Cyprian war aber noch klug genug, um auch zuerkennen, daß Ehre und Ansehen sich daran verzehren. Noch war es von geringer Bedeutung, was er eingebüßt hatte, denn ein wohlbestelltes Gut vermag Manches auszutragen. Cyprian legte sich oft wochenlang jede Entbehrung auf, arbeitete unablässig und sprach mit Niemand, aber eben diese gewaltsame Zurückhaltung verleitete ihn bei der ersten Veranlassung wieder zu einem Rückfall. Endlich hatte er es herausgebracht, daß nur die Einsamkeit und Abgeschiedenheit des Ortes ihn hinausziehe; hätte er kameradschaftliche Ansprache in der Nähe, wäre er in einem Orte, wo er selber als der Erste gälte und nicht Alles Gottfriedische Unterthanen, und hätte er gar ein eigenes Wirthshaus, so müßte es von selbst kommen, daß er wieder der Alte war, ja noch höher stieg. Darum hatte er die Sonne gekauft und sich beim Weinkauf der unbändigen Trinklust hingegeben, denn er hatte gesagt: »Das soll mein letzter Rausch sein. Es thut [125] doch weh, auf ewig Abschied davon zu nehmen, aber es muß sein; ein Wirth, der allezeit halb duselig 'rumlauft, der ist der Garnichts, einen Schluck für den Durst darf man trinken, aber mehr nicht. Komm her letzter Ueberdurst, allerletzter und allerallerletzter.«

Am frühen Morgen schaute Gottfried zum Fenster oder vielmehr zum Eisengitter hinaus, denn das Haus Gottfrieds war eines der ältesten im Dorfe, und alle seine Fenster waren mit ausgetieften starken Eisengittern versehen. Man hatte ihm oft gerathen, diesen Ueberrest der alten unsichern Zeit doch abzuthun, er ließ sich aber nicht dazu bewegen, er fand in dieser Vergitterung nicht nur eine Zierde des Hauses, sie war ihm selber auch anständig und man kann fast sagen, sie hatte sich seinem Charakter aufgeprägt, sein Ausblick in die Welt hatte etwas Feindseliges, er war allzeit auf räuberische Anfälle gefaßt und dagegen geschützt, und in dieser Sicherung gegen die feindliche Welt war sein Blick auch ohne das faßbare Gitter stets von einer geistigen Schutzwehr durchschnitten. Es konnte sich nie Jemand rühmen, daß er ihn ganz in der Hand gehabt habe.

Jetzt sah Gottfried den Cyprian schon hemdärmelig bei der Arbeit, er richtete sein Bernerwägelein her, spielend hob er es mit der Winde in die Höhe, hängte bald dieses bald jenes Rad aus, salbte die Achsen und brachte mit einem leichten Griffe das Rad in Schwung, daß es noch lange sich um und um drehte. Man sah an seinem ganzen rüstigen Gebaren, daß er entschlossen schien, das Leben frisch und von vorn anzufangen. [126] Cyprian war einer der schönsten Männer der Gegend, groß, stark gebaut, vollen runden Antlitzes mit dunkeln Augen voll stillen Feuers, glatter weißer Stirne und braunen von selbst geringelten Haaren. Wenn er lächelte und die weißen Zähne sichtbar wurden, lag eine feine Anmuth in seinem Ausdrucke, wobei er die »Hundsaugen«, wie sie der alte Gottfried genannt hatte, halb verdeckte, was ihm etwas Schelmisches und doch Gutmüthiges gab.

»Bläsi« (Blasius) rief jetzt der zum Fenster hinausschauende Gottfried seinem kaum der Schule entwachsenen Sohn zu, der im Hofe die Ochsen einjochte, »Bläsi, geh hinauf zum Vetter Cyprian und sag ihm, ich laß ihn fragen, ob er nicht zu mir kommen will.«

Bläsi band den Riemen fest, ließ das andere Halbjoch leer und ging das Dorf hinaus. Er war ein besonders schlanker Bursch, wie er dahinschritt, und in den schwarzen ledernen Hosen und den hohen Stiefeln sah er zwar etwas steif aber knappenhaft aus. Als er Cyprian die Botschaft ausrichtete, sagte dieser lachend und den Kopf zurückwerfend:

»Sag' deinem Vater, er hat grad so weit zu mir wie ich zu ihm.«

Bläsi ballte die Faust und preßte die runden Lippen zusammen, als er das Dorf herab schritt. Er kündigte dem Vater die Antwort und sagte, indem er den zweiten Ochsen einjochte: »Zu dem laß ich mich nicht mehr Boten schicken.«

Gottfried befahl nun, daß auch ihm das Bernerwägelein hergerichtet werde; er hatte die Angelegenheit[127] mit Cyprian gütlich beilegen wollen, jetzt blieb es beim Rechtswege.

Noch wirbelte der Staub auf der Straße vom raschen Bernerwägelein Cyprians, als Gottfried hinter ihm drein fuhr. Ein Jeder hatte leeren Platz neben sich, aber unsichtbar saß neben Jedem der zum Feind gewordene Schwager, denn Einer hegte Zornesgedanken gegen den Andern. Gottfried schämte sich, den Zerfall durch die Dörfer kundzugeben, durch die man fuhr; er ließ Cyprian einen Vorsprung. Erst auf der Treppe des Amtsgerichtes begegneten sie einander, Cyprian kam herab, während Gottfried hinauf stieg; sie gingen stumm an einander vorüber, aber kaum war Gottfried einige Stufen gegangen, als er sich umkehrte und in sanftem Tone sagte:

»Cyprian, laß gut mit dir reden.«

»Ich hab' nie was Böses gezeigt.«

»Komm in's Wirthshaus, da wollen wir's ausmachen.«

»Was hast denn?«

»Gieb mir das Kind. Laß mir die Erdmuthe.«

»Und weiter willst nichts?«

»Nichts für mich.«

»Für wen denn?«

»Für das Kind. Thu's Denen unterm Boden nicht an, daß ich dich vor Gericht zwingen muß, das Muttergut heraus zu geben.«

»So? Du kannst mich zwingen?«

»Ich will ja nicht.«

»Will du nur.«

[128] »Thu's in Gutem, es ist ein' Schand vor Gott und den Menschen. Du wanderst aus, das Kind ist bei uns heimathberechtigt –«

»Du hast auch nicht alle Gesetze im Kopf; das Kind ist des Vaters.«

»Kann sein, aber das Muttergut muß sichergestellt werden bei uns; thu's freiwillig, und ich laß da oben die Thüre zu.«

»Mach' du sie nur auf.«

»Cyprian,« sagte Gottfried mit bewegter Stimme, »es ist das letzte Wort, das ich mit dir red', überleg's zweimal.«

»Du kannst mir dreimal zum Teufel gehen. Was mein ist, hältst du nicht hinter deinem Eisenkrems,« höhnte Cyprian.

»Und Du stirbst noch einmal (als Gefangener) hinter einem andern Eisenkrems,« knirschte Gottfried voll Zorn.

Laut lachend ging Cyprian davon. Er schaute nicht mehr um, und Gottfried öffnete die Thüre der Gerichtsstube.

Der Gottfried von Hollmaringen war der Mann, der das, was er einmal wollte, unablässig ausführte. Er brachte es dahin, daß die Auswanderung Cyprians hinterhalten, sowie die beabsichtigte freiwillige Versteigerung von Cyprians Haus und Hof wieder rückgängig wurde. Ueber dieses letztere war Cyprian besonders ingrimmig. Er hatte die Felder sammt dem stehenden Erträgniß verkaufen wollen, was allerdings zum besseren Erlöse von nicht geringer Bedeutung gewesen wäre, jetzt [129] mußte er ernten und dreschen und pflügen und säen, und wollte doch nichts mehr von alle dem, und dazu hatte er noch ein Wirthshaus und Güter in Leutershofen, das Haus stand leer und um die Ernte wurde er halb betrogen. Immer mußte er auf dem Wege hin und her sein und dazu noch vor Amt. Um all' das Ungemach zu vergessen, mußte jetzt Cyprian den Wein zu Hülfe nehmen, aber beim Glase und am nüchternen Morgen schalt er auf Gottfried, der ihn zu Grunde richte. Gottfried grenzte von je her mit seinen Aeckern an viele Nachbarn, er durfte sich rühmen, daß er nie mit Jemand einen Streit gehabt; in diesem Jahre hatte er, wo er an Cyprian grenzte, immer die ärgsten Händel, die natürlich auch von den beiderseitigen Dienstleuten aufgenommen und gehörig ausgebeutet wurden. So war aus dem anfangs nur abwendigen und störrischen Cyprian ein grimmiger Feind geworden. Gottfried aber ging ruhig seines Weges, er verbot in seinem Hause, daß man der bösen Nachreden Cyprians erwähne, ja er that nichts dagegen, als Cyprian ihn einmal selbst öffentlich beschimpfte; er wollte ihn nicht weiter in's Unglück bringen, er hatte seiner Pflicht genügt und blieb im Uebrigen ruhig und gelassen.

Die Feindeskinder und der Schwester Ehrenschmuck

Die Feindeskinder und der Schwester Ehrenschmuck.

Es giebt ein altes Kinderspiel, das überall und zu allen Zeiten unter den verschiedensten Namen verbreitet [130] ist: man wirft einen flachen Kiesel oder einen Scherben wagrecht über die Oberfläche eines Wassers, daß der Stein das Wasser nur berührend oft und oft weiter hüpft, bis er endlich untersinkt. Das nennt man hier zu Lande: Bräutle lösen, und man hat dafür die Deutung, daß es sinnbildlich die feine, nicht so leicht zu erhaschende, hüpfende und tänzelnde Art der Braut darstelle, die lange neckisch sich verhält, bis sie doch endlich dem Naturgesetz folgend, vom Strom des Lebens bewältigt wird. Mag dies die entsprechende Deutung sein oder nicht, gewiß ist, daß Knaben und Mädchen mancherlei Scherz damit treiben; Bläsi, der am Weiher bei der Hanfbreche mit anderen Kindern dies Spiel oft trieb, verstand es, den Stein am meisten auffliegen zu machen, und Cyprians Erdmuthe, die die Kinder ihm als Braut zugetheilt, mußte oft hören, daß sie lange tanzen müsse. In der That behandelte Bläsi sein Geschwisterkind mit brüderlicher Aufmerksamkeit und hatte nichts dagegen, wenn man sie seine Braut nannte.

Jetzt, da die Väter so feindselig geworden, war das anders.

Es ist eine seltsame aber vielfach bewährte Erfahrung, daß die Kinder verfeindeter Verwandter den Familienzwist in eigenthümlicher Weise aufnehmen und leicht auf die Spielplätze übertragen. Der kleinen zehnjährigen Erdmuthe, die ein derbes braunes Kind mit den dunkeln Augen des Vaters war, hatte man das Haus des Ohms Gottfried strenge verboten, sie durfte es nicht mehr betreten und Niemand aus [131] demselben grüßen, ja sie hörte Tag und Nacht die häßlichsten Worte über den Oheim und wußte nicht anders, als er wolle ihren Vater an den Galgen bringen.

Eine ältere Magd im Hause, die noch bei der verstorbenen Mutter gedient hatte, Traudle (Gertraude) genannt, suchte ihr zu erklären, was eigentlich vorging; aber das Kind begriff natürlich nur die Feindseligkeit im Allgemeinen und liebte über Alles seinen Vater, der jederzeit so gut und liebreich war, und jetzt war noch dazu, ohne daß Erdmuthe den Zeitpunkt merkte, auch die Mutter mild und sanft gegen sie, sie kleidete sie immer besonders sauber an und hieß sie manchmal: »lieb's Erdele.«

Wenn Erdmuthe an dem Hause des Oheims vorüberging, schaute sie zur Erde und schüttelte zornig mit dem Kopfe, als wollte sie damit sagen: ich grüße euch doch nicht. Stundenlang saß sie mit ihrem Strickzeug auf der Steinbank vor dem Hause und schaute nur manchmal hinab nach dem Hause des Oheims, und dann stieß sie mit der Faust vor sich hin und verzog das Gesicht zu eigenthümlichem Trotz, und ihr ganzes Wesen sprach: warum seid ihr so bös? Das ganze Haus erschien ihr so stachelig, starr und finster wie die Eisengitter vor den Fenstern, die auch so trotzig auf die Straße schauten. Des Nachbars Claus, ein lahmer Knabe, der an Krücken ging, saß oft bei Erdmuthe und wußte ihr viel zu erzählen, wie tückisch der Bläsi sei, denn so klein der Claus war, gab ihm doch seine Eifersucht auf Bläsi manchen großen Gedanken ein.

Bläsi ging an Erdmuthe vorüber, als ob sie nicht [132] da wäre. Er hatte ihr einmal heimlich Kirschen geschenkt, sie aber warf sie auf die Straße, daß die Gänse sie aufschnabelten. Bei den Spielen zog sich Bläsi oder Erdmuthe alsbald zurück, wenn Eines sah, daß das Andere unter den Theilnehmenden war. Den Cyprian haßte Bläsi so sehr, daß er einmal wochenlang einen Stein bei sich trug, um ihn dem Cyprian an den Kopf zu werfen, wenn er ihn schlagen wolle.

So war der Familienzwist bis tief in die Kinder gedrungen.

Mit den abfallenden Blättern kam auch ein großer Stempelbogen in's Dorf, der das letzte Erkenntniß in dem Rechtsstreite zwischen Cyprian und Gottfried brachte: es lautete zu Gunsten des Letztern. Die Versteigerung wurde nun anberaumt, aber die Hollmaringer sind stolze wohlhäbige Bauern, sie lassen es nicht leicht dazu kommen, daß sich ein Fremder durch Güterankauf bei ihnen ansäßig mache, sie sind froh, wenn einmal ein Acker bei ihnen käuflich wird, um das eigene Gut zu vergrößern oder ein Kind dadurch im Ort zu behalten. Es fehlt daher in Hollmaringen meist an fremden Käufern, und die Helfershelfer, die Cyprian aufgestellt hatte, brachten nur wenig zu Stande; man ließ ihnen einige Güter zuschlagen, vollkommen sicher, daß sie sie bald wieder verkaufen müßten. Das Haus und den größten Theil der Güter erwarb Gottfried unter dem Namen eines Scheinkäufers, und Cyprian war auf's Neue ergrimmt als er dies merkte. Obgleich er die Sitte des Dorfes kannte, und dabei einen erklecklichen Kaufpreis erzielte, glaubte er sich doch übervortheilt [133] und bei dem Weine, der damals noch während der Güterversteigerung getrunken wurde, machte er seinem Groll auf das ganze Dorf und vor Allem auf Gottfried Luft. Man ließ ihn schimpfen wie er wollte, er war nicht mehr ebenbürtig und man verzieh ihm leicht seinen Unmuth darüber. Ein namhafter Theil des Kaufschillings blieb als unantastbare Hypothek zur Sicherung des Muttergutes für Erdmuthe stehen. Um den nicht aus der Fassung zu bringenden Gottfried zu kränken, kündigte Cyprian an, daß er Tags darauf mit dem Hausrath auch einen vollständigen Hochzeitsanzug und zwar den seiner verstorbenen Frau verkaufe. Alles sah auf Gottfried und nur die gedungenen Steigerer Cyprians tranken noch von seinem Weine, alle Anderen gingen still und ohne den üblichen Johannistrunk davon.

Am andern Tag, bei der Versteigerung des Hausraths, war Gottfried fast das einzige Mannsbild unter den versammelten Frauen, und erst gegen das Ende wurde in der That der Ehrenschmuck der Verstorbenen zum Ausgebot gebracht. Man sah und hörte Gottfried nicht an, was in ihm vorging, als er ein Stück des Gewandes nach dem andern zu hohem Preise erwarb. Er machte sein Anbot immer mit gleicher ruhiger Stimme. Es war noch ein Gewand aus der ehrenfesten Bauernzeit, das sich schon auf das zweite Geschlecht vererbt hatte. Der kleine runde Strohhut mit gewässerten schwarzen Knüpfbändern mit rothen Wollrosen verziert, die rothen Zopfbänder, die schwarzsammtne, auf dem Rücken weit ausgeschnittene Jacke, [134] der sogenannte Schoben, das Scharlachmieder mit den silbernen Nesteln und Kettchen, der aus Silberdraht und Felbelschnüren gedrehte Gürtel, ein besonderer nur an Ehrentagen getragener Schmuck, der blaue faltige Rock mit den verschiedenfarbigen Einfassungen, die feine weiße Schürze, die rothen Strümpfe und Stöckleschuhe, Alles das erwarb Gottfried eines nach dem andern und legte es wieder mit Andacht in die kenntlichen Falten, da es der Ausrufer auseinandergerissen hatte. Er sprach kein übriges Wort und nur den jedesmaligen Kaufpreis. Als aber jetzt wieder ein Stück Hausrath an die Reihe kam, gebot er Stille und fragte den Ausrufer:

»Ist die siebenfache Granatenschnur mit dem Schwedendukaten nicht auch dabei?«

»Den Halsschmuck hab' ich,« lachte Cyprian, »ich hab' mir ihn durch die Gurgel laufen lassen.«

Gottfried knüpfte still das Erstandene in ein weißes Tuch und ging damit fort.

Vor dem Hause traf er die kleine Erdmuthe, sie saß auf der Steinbank und weinte.

»Was ist? hat dir Jemand was than?« fragte er, die Hand auf das Haupt des Kindes legend; das Kind antwortete nicht und er fuhr fort:

»Kann mir's denken, daß dir in dem Durcheinander bang ist; es sieht sich Niemand nach dir um. Hast denn was zu Mittag gessen?« Das Kind nickte bejahend, und abermals sagte Gottfried:

»Möcht' dir gern noch anders helfen, aber ich kann nicht. Sei nur geduldig und folgsam und halt dich[135] brav, und wenn du groß bist, und so brav wie dein Mutter selig, schau, da darin ist ihr schönstes Gewand, aber brav mußt du sein und denk, du hast noch einen Annehmer in der Welt, du verstehst das jetzt noch nicht, aber du wirst's schon kennen lernen. Jetzt heul' nicht mehr und laß dir's nicht verbieten, und komm' auch noch zu mir, eh du fortgehst. Jetzt heul' nicht mehr.«

Gottfried ermahnte das Kind zur Fassung und ihm selber quollen trotz aller Gegenwehr Thränen aus den Augen, und er trocknete sie mit einem Zipfel der Schürze ab, die aus dem Bündel hervorhing; das Ehrengewand der Seligen saugte seine Thränen auf. Er gewann schnell wieder seinen Halt, denn Traudle kam aus dem Garten herbei, sie gab Erdmuthe mehrere Zwetschgen und hier bewährte sich wieder, daß Zukunftsversprechungen bei einem Kinde nichts verschlagen, die gegenwärtigen Zwetschgen wirkten mehr als der versprochene Ehrenschmuck vom Oheim. Erdmuthe war heiter und Gottfried sagte Traudle, daß sie jedes Jahr ein Weihnachtsgeschenk von ihm zu erhalten habe, so lange sie bei Cyprian bleibe und auf das Kind Acht habe. Traudle versprach es, schon um der Verstorbenen willen.

»Ich habe mein Kind meiner Schwester in Lichtenhardt geben müssen,« setzte sie hinzu, »ich will die Erdmuthe für das meinige ansehen.«

Traudle war eigentlich die Schwägerin Cyprians zu nennen, denn sie war mit ihrem Kinde die Hinterlassene seines Bruders. Dieser, ein weit bekannter [136] übermüthiger Geselle, war bei einer Hochzeit in Isenburg ertrunken. Der Wirth hatte vier überzählige Gläser Glühwein an einen Tisch gebracht, da rief der Bruder Cyprians: »nur her, sie sind alle mein,« und als er heimwärts ging, verfehlte er den Weg und ertrank. Als die Schwester Gottfrieds heirathete, nahm sie Traudle zu sich in's Haus und so war sie in demselben verblieben und hatte sogar über Cyprian eine gewisse Gewalt.

Cyprian verbot es streng, daß Erdmuthe noch im Hause des Oheims Ade sagte, er hatte nichts mehr, womit er Gottfried kränken konnte, als dieses und er wollte es ausnutzen. Gottfried hatte ihm die Freude des Umzuges durch den Rechtsstreit und durch die Verluste verdorben, er zwang sich nun zu übertriebener Lustigkeit beim Abschied. Als er aber am Hause Gottfrieds vorüber fuhr und auf der Fensterstange vor den Eisengittern den Ehrenschmuck hängen sah, den man lüftete, wurde er plötzlich still und schaute nach den Kindern, die hinter ihm saßen, unter ihnen Erdmuthe.

Die Sonne geht auf und steht im Mittag

Die Sonne geht auf und steht im Mittag.

In der Sonne zu Leutershofen schien Cyprian erst recht zu blühen und sich zu entfalten. Er hatte trotz aller Verzögerung doch noch immer einen schicklichen Kauf gemacht, die weiten Räume des Hauses thaten ihm wohl und das allzeit rührende Leben darin noch mehr. Die ganze Art des lebhaften gewerbsamen Ortes [137] sagte ihm zu und er betheuerte oft, hier wisse man doch auch, daß man auf der Welt sei; in einem Dorf wie Hollmaringen sei man schon bei lebendigem Leib halb gestorben. Hier bekam man jeden Tag bei mehreren Bäckern frisches Brod. Jeden Abend Schlag acht Uhr und jeden Morgen Punkt halb sechs rollte der Eilwagen durch den Flecken und an Sommerabenden, besonders aber am Samstag Abend, blies der Postillon jedesmal durch den ganzen Ort, denn die Kinder liefen behende neben ihm her und ließen nicht ab, bis das Posthorn ertönte und jauchzten und hüpften bei den Klängen, und die Eltern, die vor dem Hause sitzend Feierabend hielten, schauten fröhlich auf. Leutershofen war nicht nur ein Marktflecken an der Staatsstraße mit einer Schranne von nicht geringer Bedeutung, es war auch glücklich zwischen zwei Bergen gelegen; kamen die Fuhren vom Thal herauf, so mußten sie hier neuen Vorspann nehmen, vor dem Hause standen fast allzeit mehrere mit Blahen überzogene Frachtwagen und während die Pferde an den fliegenden Krippen fraßen und die Sperlinge bei ihnen schmarotzten, saßen die blauhemdigen Fuhrleute in der Wirthsstube und labten sich an Speise und Trank, und Cyprian that ihnen Bescheid; den rothen sogenannten Weiberzorn ließ Cyprian nie ausgehen. Die Frau erwies sich als emsige Wirthin, und Traudle war bald die beliebteste und gesprächsamste Kellnerin, so weit eine dem Fuhrmann beim Eintritt Peitsche und Hut abnimmt und im Aufsagen der vorräthigen Speisen und Getränke dieselben lobend schmackhaft machen kann. [138] Auch Kutschen mit vornehmen Reisenden wurden bisweilen von der Sonne, die Cyprian hatte neu vergolden lassen, angezogen und Cyprian verstand es, die Landeszeitung mit einigen Worten zu bringen, die den Mittheilsamen leicht zu einem Gespräche anregten. Die Haupternte der Woche war aber immer am Tage des Kornmarktes; da war am Tag ein Lärmen und Rufen in der großen Wirthsstube, lauter als auf dem Markte selber, und waren die Kornpreise hoch gestiegen, hörte das Schlemmen bis tief in die Nacht nicht auf, der einfache Landwein galt nichts mehr, warmer Würzwein mußte her und oft sogar Ueberrheiner und Champagner. Cyprian ließ es natürlich nicht fehlen, sich auch bisweilen als uneigennütziger Wirth zu zeigen, und kaum ein Jahr war vergangen, als sein Gesicht so breit war wie die Sonne in seinem Schilde. Er lachte viel und besonders, wenn man ihn wegen seiner Breite neckte und sagte dann oft: das käme nicht vom Essen und Trinken, sondern davon, daß er den Mauskopf – diesen Unnamen hatte Gottfried – nicht mehr vor Augen sehe. In der That kamen die Hollmaringer wenig und was Gottfriedisch war, gar nicht in die Sonne, sondern hielten ihre Einkehr im Ochsen. Cyprian hatte fast allezeit sechs Roß auf der Straße als Vorspann und drei Jahre lang übernahm er die Haberlieferung für die Kavallerie zweier Garnisonsstädte; er mußte aber seine Rechnung nicht dabei gefunden haben, denn er wollte nichts mehr davon wissen.

Erdmuthe war in dieser steten Fürsorge für Andere wenig beachtet der Schule entwachsen, nur Traudle[139] nahm sich ihrer an und tröstete sie oft, wenn sie darüber klagte, daß der Ohm Gottfried und Bläsi ohne Gruß am Hause vorüberfuhren und sich gar nicht um sie kümmerten; sie selber durfte sich ihnen nicht nahen, denn der Vater hatte ihr das Härteste angedroht, wenn er solches erführe und der Vater war doch nächst Traudle ihre einzige Stütze und gab ihr verstohlen manchmal ein gutes Wort. Sonst wurde sie viel gescholten, denn sie sollte jetzt die Gäste bedienen helfen, sie aber war schüchtern und verscheucht, wurde über und über roth bei jedem Wort, das ein Fremder ihr sagte, und doppelt wenn er dann erklärte, daß dieses Erröthen sie noch schöner mache als sie eigentlich schon sei. In der Angst vor den Fremden und vor den eigenen Angehörigen ließ sie oft volle Gläser und Flaschen aus der Hand fallen und hatte darob böse Zeit. Traudle tröstete sie wohl beim Schlafengehen, indem sie ihr alte Mährchen erzählte von Kindern, die viel hätten leiden müssen und dann eine Krone errungen. Erdmuthe wußte zwar nicht, woher die Krone kommen sollte, aber diese Geschichten trösteten, ein unnennbarer Zauber stieg aus diesen Wundermähren in das Herz und wie ein kleines Kind bat sie oft Traudle am Abend, ihr noch mehr solcher Geschichten zu erzählen. Der Vater erlöste sie endlich aus der Wirthsstube und dem unmittelbaren beständigen Verkehr mit der harten Mutter. Eines Sonntags, nachdem Erdmuthe den Weiberzorn zu einer Wahrheit gemacht, da sie eine Flasche des rothen Weines einer fremden Dame über das weiße Kleid schüttete, sagte der Vater am Abend [140] im Familienrathe: »Ich sehe schon, Erdmuthe, du bist Gottfriedisch, was denen nachschlagt, paßt nicht unter Menschen, nur unter Vieh und auf's Feld. Von morgen an hast du nichts mehr in der Stube zu thun, du versorgst mit dem Knecht und der Magd unser Bauernwesen. Ist dir's recht?«

»Ja. Ich dank', Vater.«

Die Frau wollte diese neue Anordnung nicht gestatten, man würde es ihr aufbürden, daß sie das Kind gegen die ihrigen zurücksetze, aber Cyprian blieb fest.

Von nun an war Erdmuthe überaus heiter, der Knecht und die Magd berichteten, man habe gar nicht gewußt, welch ein lustiger Vogel die Erdmuthe sei; sie trällere den ganzen Tag und wisse beim Ausruhen gar wunderbare Geschichten zu erzählen, daß man sich wie in einer andern Welt vorkäme und jede Arbeit gehe ihr so flink von der Hand, als hätte sie schon Jahre lang die schwersten Geschäfte verrichtet.

Erdmuthe wurde sonnverbrannt, aber dabei stark und groß, sie hatte gar nichts vom Vater als die braunen Augen mit dem breiten stillen Feuer, im Uebrigen schien sie ganz der Mutter nachzuarten. Am Markttage, wenn's im Hause lustig herging, war Erdmuthe fast immer betrübt. Es waltete ein eigener Zufall, daß, so wie sie einen Schritt aus dem Hause ging, sie immer Bläsi begegnete, er fuhr, ritt oder ging immer an ihr vorüber, als ob es ihm ein Geist verrathen hätte, daß sie kommen würde. Die Beiden gingen rasch an einander vorüber, ohne zu grüßen; Anfangs war es das strenge Verbot des Vaters, was [141] Erdmuthe davon abhielt, bald aber setzte sich eine selbständige Feindseligkeit in ihr fest und ebenso in Bläsi. In Hollmaringen sagte dann Bläsi am Abend zu seiner Schwester, die einen Sohn des Rodelbauern geheirathet: hatte und im Hause Cyprians wohnte: »Es ist doch unerhört, die Erdmuthe ist doch meine einzige Verwandte und geht an mir vorbei wie an einem Stock; ich sag's ihr aber nächstens einmal, sie geht mich gar nichts an, sie ist meine Verwandte nicht.« Fast ganz dasselbe sagte dann Erdmuthe am Abend dem Traudle und wenn diese dann eine künftige Liebe daraus deuten wollte, wehrte sie sich mit aller Macht dagegen und betheuerte, ihr nie mehr von Bläsi zu sprechen; dennoch konnte sie sich nicht enthalten, ihr oft und oft zu erzählen, wie grimmig sie heute den Bläsi angesehen, daß er die Augen habe niederschlagen müssen. Einmal erzählte sie sogar, daß Bläsi ihr habe zusprechen wollen, sie aber sei davon gelaufen und habe sich nicht an ihn gekehrt.

Cyprian war oft unwirsch, er mußte mancherlei geheimen Kummer haben und nur Einen sprach er laut aus; es ärgerte ihn, daß er sein ältestes Kind, das er innig liebte, aus seiner Nähe hatte verdrängen lassen und manche üble Nachrede sich dadurch zugezogen hatte. Er wollte Erdmuthe wieder im Hause um sich haben, aber sie willfahrte ihm nicht. Hinter dem Schenkgitter suchte er über Mancherlei Vergessenheit zu trinken und brachte dadurch neues Ungemach zu Tage. Das Gelübde, daß der Rausch beim Weinkauf des Hauses der allerletzte sein sollte, war schon längst [142] übertreten und nicht mehr in Erinnerung. Erdmuthe sah den Zerfall im Hause wohl und so wehe es ihr that, den Vater sich allein zu überlassen, sie hielt sich jetzt doppelt gern in Feld und Stall auf und selbst im Winter saß sie meist still in der Stube an der Kunkel. Es kamen manche Freier, die um Erdmuthe anhielten, der Vater wies sie alle ab und wenn sich Einer dem Mädchen selber näherte, wußte der Vater so viel Verdorbenheit und Schlechtigkeit von einem Jeden zu sagen, daß Erdmuthe gern darein willigte, Jeden von sich zu entfernen. Auch Traudle half dem Vater dabei, denn sie nährte unablässig die Hoffnung, daß Erdmuthe den Bläsi heirathen und sie wieder nach Hollmaringen zurückbringen müsse.

Die Sonne geht nieder

Die Sonne geht nieder.

Ein lustig grünender Baum, dem plötzlich und auf immer der Bach abgegraben wird, der seine Wurzeln tränkte, kann von seinem Schmerze nichts kundgeben und er verdorret still; der Mensch aber, auch der an die Scholle gebundene, kann doch klagen und schelten wenn er verkümmert und kann einen Versuch machen, ob er neuen Boden gewinne.

Die Eisenbahn, die durch das Schwabenland gezogen wurde, beschäftigte alle Gemüther landauf und landab; man schalt darüber, man stritt hin und her und die Klügeren lachten ob der neuen Mode, die auch wieder aufhören würde, wie viele andere. Die[143] Eisenbahn wurde vollendet, allerlei Fabelhaftes ward erzählt und es zeigte sich, daß sie einen guten Theil des Verkehrs auch der weit abgelegenen, durch Leutershofen führenden Landstraße entzog. Der Vorspann wurde geringer, aber Cyprian fand ein neues Mittel, er kaufte einen im Ort nie gesehenen Stellwagen und ließ ihn jede Woche zweimal regelmäßig nach der Hauptstadt gehen; er sicherte sich dadurch einen stetigen Verdienst und eine nicht unergiebige Einkehr in seinem Wirthshause; aber kaum ein Jahr war vorüber, als neues Mißgeschick sich an ihn herangrub. Die ganze neue Straßenbaukunst gewann durch die Erfahrungen bei der Eisenbahn eine veränderte Gestalt; hatte man ehemals die Straßen über Berge geführt, so scheute man jetzt einen Umweg nicht, wenn man nur die Straße möglichst eben legen konnte. Die neue Welt will im Trabe fahren und nicht mühselig über Berge kriechen. Die Jahrhunderte alte Heerstraße wurde brach und eine neue im Thale gelegt und durch Dämme geschützt. Ganz Leutershofen, besonders aber der Sonnenwirth, empfand die unausweichliche Brache, und doch mußte man noch Alles in Stand halten, um plötzlich aufzuhören. An den Tagen des Kornmarktes äußerte sich die neue Gestaltung der Verhältnisse besonders in hässigen Neckereien mit den Einwohnern von Bieringen, Isenburg u.s.w.; das waren Dörfer, die man ehemals gar nicht oder nur mit Spott über ihre Abgelegenheit genannt hatte, aber die neuen Weltmänner ließen es an überhebenden Anzüglichkeiten gegen die vormals stolzen Dörfer an der Landstraße nicht fehlen. [144] Cyprian suchte aus seinem Mißgeschick den letzten Vortheil zu ziehen, er übernahm mehrere hundert Klafter Steinfuhren in Accord für den Straßenbau und rüstete dazu Knechte, Roß und Wagen; aber es scheint oft, als ob sich eine Tücke des Schicksals, wenn es sich einmal feindlich gestellt, in Allem erweise; Cyprian erlitt so viel Schaden an Pferden, Wagen und Geschirr, daß er sich einen namhaften Verlust zuzog. Nun dachte er daran, sein Anwesen zu verkaufen und sich im Thale anzusiedeln, aber es wollte sich für Beides kein sogenannter Schick finden. Endlich wollte er wieder ganz Bauer werden und ging mit Eifer in's Feld, aber er war, wie er sonst oft neckend eingestanden hatte, »zu mast« geworden; bei der kleinsten Handthierung versetzte es ihm den Athem und rann ihm der Schweiß von der Stirne. Nun ließ er endlich Alles kommen wie es kommen mag.

Die Thalstraße war fertig und in dem Sonnenwirthshause mit den weiten, zur Aufnahme vieler Menschen hergerichteten Räumen war es doppelt öde. Das Sprüchwort sagt, daß man sich ob der leeren Krippe leicht zankt; das bewährte sich nun. Der Sonnenwirth hatte aber manchen Tröster im unterirdischen Dunkel, der ihm die Zeit kürzen und vergessen half. Stunden, ja Tage lang lag er im offenen Fenster, das rothe Taschentuch als Polster untergeschoben, und schaute träumend hinaus in's Freie, er hoffte, es müsse endlich ein schicklicher Käufer kommen, denn er hatte das Anwesen wiederholt in den Zeitungen ausgeboten, um es aus freier Hand zu verkaufen. Was[145] er dann beginnen wollte, das überließ er der Zukunft. Wie öde und leer war jetzt der große freie Platz vor dem Hause! Man hörte nichts als das Plätschern des allzeit rinnenden großen Röhrbrunnens, die fliegenden Krippen, ehedem den Fuhrleuten zur schnellen Fütterung bereit, lagen wie müde und mancher Beine beraubt bei zerbrochenen Flaschen in einem Winkel, und das ganze Dorf war still, am hellen Tag wie eingeschlafen. Jetzt gab es keinen Kornmarkt mehr, jetzt bekam man nicht mehr täglich frisches Brod, kein Posthorn schallte mehr unter jauchzenden und springenden Kindern durch die Gassen.

Cyprian sah dem Zerfall des ganzen Hauswesens mit einer Gleichgültigkeit entgegen, wie sie Uebertäubung und das dämmernde Bewußtsein des unabänderlichen Einsturzes so oft erzeugt. Die Frau, von je her leichtfertigen Sinnes, machte sich von den guten Tagen noch zu Nutze, so viel man vermochte, und da Schelten und Zanken mit ihrem Manne nichts half, wollte sie noch mit genießen, solange sich Etwas vorfand; von Fässern und Bütten waren die Reifen gesprungen, und sie kochte mit den bequemen Brettern. Zwei Aecker waren verkauft, andere verpfändet, man zehrte sich auf, so lange Etwas da war. Cyprian redete sich noch ein, daß er freiwillig verkaufen wolle, während er täglich mehr dem Schicksal entgegen ging, von Haus und Hof gesetzt zu werden. Er gab die Gastwirthschaft nicht aus und bezahlte die Steuern dafür, ohne so viel einzunehmen als diese betrugen; er glaubte des künftigen Verkaufes wegen das Gewerbe,[146] wenn auch nur nothdürftig aufrecht erhalten zu müssen. Mitunter bekam er noch ein Fäßchen Branntwein oder halbsauren Wein zu hohen Preisen geborgt, in der Regel aber war der Keller leer, und wenn ein Handwerksbursche, der ab der Straße durch die Dörfer zog, in der Sonne einkehrte, wurde Traudle zu dem Ochsenwirth geschickt, um von dort unter der Schürze verborgen das Verlangte zu holen, und Cyprian sagte dem Harrenden wie sich selbst verhöhnend: »Mein Keller ist ein bisle weit weg.«

Nach und nach ging Cyprian weiter und verkaufte was nicht niet- und nagelfest im Hause war: gestern verspeiste man einige Stühle, heute einen Tisch, morgen Gläser, Pfannen, Pferdegeschirr u.s.w. Oft mußte Traudle, meist aber Erdmuthe, wenn es Nacht war, vom Vater begleitet, kleinere Gegenstände und Bettstücke nach der Stadt tragen. Das waren schwere Gänge, der Vater jammerte allezeit und wünschte sich den Tod, und war er auch auf dem Heimwege nach der Einkehr im Wirthshause wohlgemuther, bei der geringsten Anregung konnte er über sein Schicksal weinen und ließ sich nur mit Mühe beruhigen.

Seltsamerweise, aber nicht ohne Grund, hatte Erdmuthe seit dem Zerfalle des Hauses lauter gute Tage, selbst die Mutter schalt sie selten und war oft freundlich gegen sie. Diese Frau war immer wieder heiter wenn zeitweilig Fülle in das Haus einzog. Erdmuthe empfand die ökonomische Auszehrung im Hause oft schwer und es war ihr, als müßte die Decke über ihr einstürzen; aber das Gefühl, daß sie nun liebreich [147] gehegt und die Erste im Hause war, ließ sie manchmal wieder Alles vergessen.

An dem Tage, als von Obrigkeitswegen das goldglänzende Schild am Hause eingezogen und die Gant verkündet wurde, weinte Alles, Groß und Klein, und ließ sich den ganzen Tag nicht am Fenster und nicht auf der Gasse sehen, und zum Erstenmal hörte Erdmuthe, daß sie allein die Stütze und Hoffnung des Hauses sei. Am Abend erklärte ihr Traudle, was das zu bedeuten habe, und warnte sie, sich auch zu Grunde zu richten, sie könne doch den Anderen nicht helfen.

Schon bevor die Ganterklärung eingetreten war, hatte Erdmuthe sich dazu verstehen müssen, zur Nachtzeit viele Habseligkeiten aus dem Hause zu schaffen und bei Bekannten unterzubringen; jetzt, nach dem Ganterkenntniß, ging es im Hause erst recht an ein Ausrauben desselben, als wäre es ein fremdes und feindliches. Die Behörde hatte zwar aufgeschrieben was sich vorfand, aber es gab doch noch Manches bei Seite zu schaffen, und endlich wurden sogar auf dem Speicher die Böden ausgehoben und die Bretter verkauft. Cyprian hatte es klug dahin gebracht, daß sich die Gant in die Länge zog, und er schien nie glücklicher gelebt zu haben als eben jetzt, seine Gläubiger mußten ihn erhalten, er zehrte, wie man es nennt, von der Masse, er lebte fast wie ein Beamter von seiner Besoldung; aber auch dies nahm ein Ende und im Frühling, als Erdmuthe zwanzig Jahre alt wurde, mußte sie mit den Eltern und Geschwistern in eine kleine Leibgedingwohnung ziehen.

[148] Cyprian wollte Traudle aus dem Dienst entlassen, aber auf die Bitten Erdmuthe's behielt er sie; er sprach es aus und zeigte es auch, daß er Erdmuthe zulieb Alles thue.

Man rieth Cyprian, er möge sich doch mit Gottfried in Hollmaringen aussöhnen und nachgeben; wenn man Feuer wolle, müsse man es in der Asche suchen; aber Cyprian wollte davon nichts wissen, er sagte, daß er über's Jahr in die neue Welt auswandere.

Der Ohm Gottfried von Hollmaringen kam einmal und ließ Erdmuthe zu sich in's Wirthshaus rufen. Cyprian stellte ihr jetzt frei, ob sie einen Mann besuchen wollte, der ihren Vater keines Wortes würdige und eigentlich an seinem Unglück Schuld sei, wobei er den Verlust, den er bei seinem Umzug gehabt, noch sehr vergrößerte. Erdmuthe verneinte, und nun kam Gottfried zu Cyprian in seine Stube; er schaute sich hin und her um und sagte zu Erdmuthe, ohne Cyprian zu grüßen, er habe kein Geheimniß vor dem Vater, und wolle sie nur fragen, ob sie zu ihm ziehen wolle, seine zweite Tochter verlasse nun auch das Haus. Erdmuthe erklärte, daß sie bei ihrem Vater bleibe, und als Gottfried sie zur Hochzeit seiner jüngsten Tochter einlud, lehnte sie auch dies ab; sie war dem Manne gram, der ihrem Vater kein Wort gönnte, weil er jetzt in Armuth war.

Ein geschmücktes Opfer

Ein geschmücktes Opfer.

Das war ja wie aus den alten glücklichen Märchen, als Erdmuthe an ihrem einundzwanzigsten Geburtstage [149] in ihrer Dachkammer erwachte und ein blinkendes Geschmeide vor ihren Augen schweben sah, aber der es ihr darreichte, war kein Zauberer und kein Geist, sondern der Vater, der es ihr selber um den Hals nestelte und stumm weinend sie küßte.

»Was ist denn? was ist denn?« fragte Erdmuthe noch halb träumend. Der Vater setzte sich zu ihr auf den Rand des Bettes und tief athmend begann er:

»Das ist das Geschmeide deiner Mutter selig, das hab' ich nicht hergegeben, in keiner Noth, das ist so bestimmt gewesen, das sollst du heut haben. Heut vor einundzwanzig Jahren –«

In Erinnerungen verloren konnte der starke Mann nicht mehr weiter reden und weinte laut.

»Habt Ihr nicht den Ehrenschmuck meiner Mutter verkauft? Deswegen ist Euch ja der Ohm Gottfried so feind?« fragte Erdmuthe.

»Ich hab' die Kleider verkauft, um den Mauskopf zu ärgern, und sie wären doch vermodert, aber den ächten Ehrenschmuck hab' ich doch behalten. Schau Erdmuthe,« und Cyprian faßte ihre Hand, »du bist mein liebes Kind, du bist mein einziges Kind, mein einziges ... du bist mir an's Herz gewachsen wie keines sonst ... du weißt's, wenn ich dir's auch nicht oft sag' –«

»Ja, ja, Vater, das weiß ich.«

»Schau, du kannst aus mir machen was du willst, einen Bettelmann oder einen Ehrenmann, oder Einen, der sich selbst um's Leben bringt.«

»Was kann Ich denn thun?«

[150] »Hör' ruhig zu, hör' nur. Schau, du wirst heute großjährig und du kannst dir den Himmel auf Erden verdienen, du ziehst dein Vermögen an dich, es bleibt dir, ich nehm' dir keinen Groschen davon, als was wir zur Reise brauchen, drüben können wir uns schon selber helfen. Verstehst mich? Verstehst, was ich mein'?«

»Ja, ja, das thu ich von Herzen gern, das Traudle hat das schon lang geahnt und hat mich bereden wollen, ich soll's nicht thun, aber ich thu's doch, da habt Ihr mein' Hand drauf. Machet nur, daß Niemand was davon erfährt –«

»Nicht so, liebes Kind, das geht nicht. Du mußt vor Gericht dein' Sach verlangen, du kannst's jetzt –«

»Könnet Ihr nicht das für mich?«

»Nein, du mußt selber und es hat gar kein' Gefahr dabei, du brauchst kein' Angst haben. Nur mußt fest bleiben. Wirst sehen, sie werden Alle kommen und werden sagen, dein Vater ist ein Lump und er verputelt dein Vermögen auch noch, und so und so. Da mußt dich nicht abspenstig machen lassen, von Gutem und von Bösem nicht. Kannst das? Du kannst wenn du willst und wenn du daran denkst, daß du deinen Vater und die Deinigen von Schand' und Tod errettest –«

»Ja, ich kann's, Ihr werdet sehen, ich kann's, ich thu den Ehrenschmuck an und halt' ihn in der Hand, und da wird mir kein Wort im Hals stecken bleiben. Verlasset Euch darauf.«

»Schwör' mir: so wahr wie dir dein' Mutter im Himmel beistehen soll, daß du fest bleiben willst.«

[151] »Ich brauch' nicht schwören. Lasset mich's so ausführen, es ist mir leichter. Trauet Ihr denn Eurem Kind nicht?«

Cyprian verbarg sich mit der Hand rasch die Augen und sagte schnell: »Alles, Alles, du liebes gutes Kind.« Er sagte ihr noch, daß sie das Halsgeschmeide verborgen halten müsse, da sonst Niemand etwas davon wisse und er seinen Stolz darein setze, für schlechter zu gelten als er sei.

Als Cyprian zu seiner Frau in die Stube kam, sagte er zu ihr:

»Das ist ein Kind, das ist ein wahrer Engel, ich bin's nicht werth, daß ich so ein Kind habe.«

Die Frau lachte in sich hinein.

An diesem Tag ging es festlich und vollauf bei Cyprian her, fast wie in seinen besten Zeiten, und Erdmuthe war der gefeierte Mittelpunkt von Allem, selbst ihre Geschwister, die sonst nur Boshaftigkeiten an ihr ausübten, waren heute freundlich und dankbar ob des Kuchens, den sie durch die Schwester erhielten.

Tags darauf geleitete der Vater selber Erdmuthe bis gen Hollmaringen, er sprach wenig, nur manchmal schärfte er der Tochter noch ein, wie sie sich seinen abwendig machenden Feinden gegenüber zu benehmen habe. Er wollte Erdmuthe wiederholt die Anleitung geben, daß sie sagen möge, der ganze Plan ginge von ihr aus, und es habe ihr Niemand einen Gedanken davon eingeflößt, aber Erdmuthe sagte:

»Vater, das geht nicht, ich komm' viel besser durch, wenn ich bei der Wahrheit bleib'. Und was brauchen [152] wir denn da läugnen und verhehlen? Es ist ja in der Ordnung, daß das Kind dem Vater folgt; da kann kein Mensch was davon loshauen.«

Wenn der Vater den Blick zur Erde geheftet, gramvollen Antlitzes so dahin schritt, betrachtete ihn Erdmuthe oft mit stillem Mitleid und sie freute sich wieder, daß es ihr gegeben sei, Alles wieder gut zu machen, und sie gedachte mitten in ihrem praktischen Vorhaben der Märchen, wo die Kinder ausziehen, um das Lebenskraut für den kranken Vater zu holen, und mit Muth allerlei Fährlichkeiten bestehen.

Als man Hollmaringen auf der breiten Ebene vor sich sah, und der Weg von der alten Hauptstraße nach dem Dorfe abbog, stand der Vater still und sagte, daß er wieder umkehre und in Seebrunn im Rößle, dem ersten Hause des Dorfes gegen Hollmaringen, auf die Rückkehr Erdmuthes warten wolle. »Du weißt alles,« sagte er, »und geh in Gottes Namen.« Er setzte sich an den Wegrain und preßte die gefalteten Hände auf den Schlehdornstock zwischen seinen Knieen. Als er nach geraumer Zeit wieder aufschaute, sah er Erdmuthe dem Dorfe zugehen, sie wendete sich nicht mehr um und schritt ruhig fürbaß, und plötzlich wurde dem Vater schwer bange: dort ging sein Kind, und was es unternahm, entschied für ihn über Leben und Tod; wenn die Verwandten das Mädchen überredeten und gleich zurückbehielten, war er verloren – es war jetzt großjährig und konnte über sich schalten wie es wollte. Wankenden Schrittes und oft stille stehend, kehrte Cyprian um, die Welt war frühlingsgrün, voll[153] Sonne und Lerchensang, aber der von schweren Sorgen Bedrückte ist in ihr wie in einem Kerker, Kummer und Qual durchschneiden jeden Ausblick wie Eisenstäbe am Kerkerfenster.

Erdmuthe ging indeß ihres Weges wie in einer Verzückung, die Menschen auf den Feldern und auf dem Wege kannten sie nicht, aber jeder Baum, jede Hecke, jeder Graben grüßte sie mit tausend halbvergessenen Kindeserinnerungen, und sie selbst schaute umher mit großen, verwundert dreinblickenden Augen, wie ein Kind, das aus dem Schlaf erwacht; die Lerchen jubelten, die Bäume blühten, die Sonne schien so hell, und im Herzen des Mädchens lebte, ihr selbst unbewußt, der beglückende Gedanke, daß sie einer rechtschaffenen That entgegen ging, und ihr ganzes Sein war von Freude übervoll. Sie ging dahin, als würde sie von einem unsichtbaren Wesen an der Hand geführt, und plötzlich stand sie still und eine tiefe Trauer schlich sich in ihr Herz, daß sie nicht hier bleiben sollte, wo sie so ganz, wo sie allein daheim war. »Und du bleibst ewig da,« sagte sie fast laut vor sich hin, sie wußte nicht woher es kam. Da sah sie den von einem Buchenzaune umfriedeten Gottesacker. Jetzt wußte sie was hier so wunderbar zu ihr sprach; sie ging in den Friedhof, sie las die Inschriften vieler Kreuze, und es wurde ihr ganz wirr von dem endlosen Sterben der Menschen, das hier von Schritt zu Schritt zu ihr sprach. Da las sie im Tiefsten erschreckt auf einem halb eingesunkenen Kreuz ihren eigenen Namen: es war das Grab ihrer Mutter, sie sank vor ihm nieder[154] und lag lange, das Haupt in das frische Gras gedrückt. Endlich richtete sie sich starren Blickes auf, sie konnte nicht weinen, und doch war ihr ganzes Herz voll tiefer Trauer, sie legte die Hand auf das Grab, als faßte sie die Hand der Mutter und schaute in die weite Welt. Die Lerchen über ihr jubelten, ein Buchfink schmetterte seinen hellen Sang von einer Trauerweide, deren junges Laub im Sonnenschein glitzerte, ein Säuseln zog durch die einsamen Föhren, die da und dort standen und Schmetterlinge flogen hin und her. – Sie raufte einige Grashalme und wilden Thymian vom Grabe, steckte sie in ihren Busen und schritt fest davon. Durch das Dorf ging sie ohne umzuschauen und ohne Jemand zu grüßen. Mittag war vorüber und die Leute gingen wieder ins Feld; nur vor ihrem elterlichen Hause hemmte sie ihren Schritt und sah lange an dem Hause hinauf und auf die Steinbank, wo sie als Kind so oft gesessen. Es war Alles im alten Stand, und nur des Nachbars Klaus, der an Krücken ging, war in den zehn Jahren ein großer Bursche geworden und strickte eine wollene Jacke auf der Steinbank, und in dem Garten war eine neue Scheune gebaut. Eben als Erdmuthe den Klaus grüßen wollte, trat Bläsi mit einem Pferdekummet auf der Schulter aus der Hausthüre; er erkannte Erdmute trotz des großen weißen Tuches, mit dem sie ihr Gesicht fast verhüllt hatte und sagte:

»So? Bist auch hiesig? Willst jetzt bei uns bleiben?«

»Nein,« antwortete Erdmuthe und ging weiter, es kränkte sie, daß Bläsi ihr weder die Hand reichte noch [155] eigentlich ein freundlich Wort sagte. Als sie die Treppe im Hause des Oheims Gottfried hinan ging, war es ihr, als müßten ihr die Kniee brechen, aber sie faßte sich, denn sie ahnte, daß sie sich ihr Vorhaben leichter gedacht als es war. Der Oheim Gottfried, der in Papieren lesend am Tische saß, stand nicht auf, aber er streckte ihr die Hand entgegen zum Willkomm und sagte:

»Das ist brav, daß du doch zur Einsicht kommen bist! du bist bei uns so gut und besser aufgehoben als bei deinem Vater. Du mußt in diesen Tagen großjährig werden, halt, heut haben wir den zwölften Mai, gestern ist's gewesen wo du's geworden bist, du kannst jetzt mit dir machen was du willst.«

»Ja, deswegen bin ich da und ich hab' Euch sagen wollen –«

Erdmuthe konnte nicht ausreden, denn die Frau, die ebenfalls die Hand gereicht hatte, schnitt ihr das Wort ab indem sie sagte:

»Du kannst hernach erzählen. Zuerst mußt was essen. Wärst ein' halbe Stund' früher kommen, hättest's gleich mithalten können. Rosel!« rief sie laut, ein schlankes Mädchen kam in die Stube, das nach Vorstellung der Mutter Erdmuthe herzlich bewillkommte, aber auch hier unterbrach die Mutter jedes weitere Reden und sagte: »Rosel, wärme schnell die Leberspatzen, die von heut Mittag überblieben sind, thu' noch einen Löffel Schmalz daran und schlag der Base ein paar Eier ein.«

Erdmuthe wollte danken, aber man hörte nicht [156] darauf und trotz der Ermüdung und des unleugbaren Hungers fühlte sie plötzlich eine Sättigung und es war ihr, als müßte sie auf und davon rennen. Diese zutrauliche, herzinnige Weise der Menschen, die sie bisher für Feinde und Unholde gehalten, dieses Entgegenkommen von Menschen, bei denen sie sich vergessen geglaubt, das Gefühl bei Verwandten zu sein, die jede Liebe und Güte als selbstverständliche Sache hinnehmen und dazu der Gedanke, daß sie mit einem Vorhaben gekommen, das ihnen entgegen war, alles Das preßte ihr die Kehle zusammen.

Der Oheim raffte die Papiere zusammen und sagte, daß er in einer Stunde wiederkomme, er müsse in die Gemeinderathssitzung. Erdmuthe stand auf und grüßte demüthig, als er wegging, reden konnte sie nicht.

Als die Rosel, von der die Mutter erzählte, daß sie in acht Tagen Hochzeit mache, das Essen brachte, wollte Erdmuthe durchaus nichts davon annehmen.

Es giebt eine alte Sage, daß man von verführenden Geistern nicht Speise noch Trank genießen darf, sonst ist man in ihrem Bann. Erdmuthe kannte diese Sage und sie kam sich wie in einem Zaubrekreis vor; aber hier waren gute Geister und sie wollte nur nichts annehmen, weil sie dann bei der ausbrechenden Feindseligkeit undankbar war. Die Frau ließ indeß nicht nach und wiederholte ihr, sie müsse ihr verscheuchtes Wesen ablegen, sie sei hier unter Menschen, die es gut mit ihr meinen und staunend hörte Erdmuthe, daß man hier Alles von ihrem Leben wußte und erröthend hörte sie ihr Lob, daß sie eine so tüchtige Bäuerin [157] geworden und sich nicht auch dem »Wirtheln« ergeben habe, das der schweren Arbeit entwöhne. Jetzt weinte Erdmuthe, die sonst nie Thränen vergoß, übermäßig; Alles, was sie heute erlebt, drängte sich plötzlich überquellend zusammen. Die Frau suchte sie mit den besten Worten zu beruhigen und die Rosel sagte, sie müsse ihre Kranzjungfer bei der Hochzeit sein. Erdmuthe erklärte, daß sie nur dem Oheim sagen könne, was ihr das Herz bedrücke.

Als der Oheim Gottfried, der im Gemeinderath auch das Amt des Waisenpflegers hatte, zurückkam, öffnete er einen Schrank, nahm mehrere mit Stempeln versehene Papiere heraus und sagte: »Du wirst auch wissen wollen, wie es mit deinem Vermögen steht; das sind die Hypotheken, dreitausend vierhundert Gulden ist's gewesen und so ist's geblieben, dein Vater hat jedes Jahr, auch wie's ihm noch gut gangen ist, die Zinsen erhoben. Wenn du einen rechtschaffenen Mann kriegst, der was hat, so ist das ein guter Zuschuß, daß ihr gut hausen könnet.«

»Ich denk' nicht daran, Vetter.«

»Wird schon kommen.«

»Nein, höret mich gut an, Vetter.«

»Ja, ja, red' du nur.«

»Schaut Vetter, ich bin ... ich soll.. ich will ... ja, ich soll mein Vermögen holen.«

»So? Das glaub' ich, daß das dein Vater will.«

»Und ich auch.«

»Aber Ich nicht.«

Gottfried that die Papiere wieder in den Schrank,[158] ließ den Riegel zweimal in die Schließe fallen und knüpfte das Lederband, daran der Schlüssel befestigt war, wieder in das Westenknopfloch. Erdmuthe saß still da.

»Was möchtest denn mit dem Geld machen?« fragte Gottfried.

»Meinem Vater damit aufhelfen.«

»Daß es der Lump auch noch verfressen und versaufen kann?«

Erdmuthe erhob sich, sie hielt das Halsgeschmeide in der Tasche fest in der Hand, und mit starker Stimme sagte sie:

»Vetter, das leid' ich nicht. Mein Vater ist so gut wie Einer, und Die, wo ihn verschimpfen, die haben's verschuldet, wenn was nicht recht an ihm ist.«

»Ich seh' schon, dein Vater hat dich auch verdorben.«

»Und wenn's so ist und wenn's wahr war', wer ist dran schuld? Mein Vater nicht allein. Ihr, ja Ihr seid daran schuld. Ihr hättet die Feindschaft aufgeben und dafür sorgen müssen, daß Euer Schwester Kind nicht verdorben wird; aber mit dem großen Wagen vorbeifahren, wo der Schwester Kind der Pudel im Haus ist, da hat man sich auch nichts zu berühmen.«

Gottfried stand starr, er sah zum Erstenmal in seinem Leben seine Rechtschaffenheit angegriffen, er konnte eine gewisse innere Stimme nicht verleugnen, welche die Berechtigung dazu anerkannte, aber doch war er dem gram, wer das aussprach. Er war nahe daran, seine Gelassenheit aufzugeben, aber schnell fand er wieder die Fassung und sagte bitter lächelnd: »Das hat dir dein Vater auch eingeblasen.«

[159] »Nein, nein, was ich red' das sind meine Gedanken, die ich tausendmal im Stillen gehabt hab'. Aber ich will Euch keinen Vorwurf machen und machet Ihr mir auch keine. Ich hab' heut Gutes in Eurem Haus gehabt, ich möcht' gern wenn ich fortgeh', in Gutem an meine Verwandten zurückdenken.«

»Wo willst denn hin?«

»Nach Amerika, mit meinem Vater und meinen Geschwistern. Ihr saget, ich hätt' ein schönes Vermögen; ich will nicht im Reichthum leben, wenn mein Vater ein Bettelmann ist –«

»Und noch einmal wird, wenn er das Deinige auch noch verthan hat. Ich seh', man kann gescheit mit dir reden und du hast ein gutes Herz, du verleugnest dein' Mutter selig nicht, die hat mich für brav gehalten, du denkst anders, ich will dir nichts darüber sagen, aber besinn' dich nur, laß dich dünken, es redet ein Anderer zu dir: wie soll denn ein Mann, der mit einem größeren Vermögen in seinen besten Jahren Alles durchgebracht hat und keinen Unglücksfall gehabt hat, er mag sagen was er will, wie soll der jetzt auf Einmal fleißig und haushälterisch werden? Du bist noch in jungen Jahren, du hast das Leben erst vor dir, du darfst dich nicht in's Unglück stürzen für Einen, der schon mit fertig ist. Besinne dich wenigstens noch, ein Jahr oder so lang du willst, du kannst bei mir bleiben oder wo du magst.«

Es war zum Verwundern, mit welcher Festigkeit und raschen Entgegnung Erdmuthe allen Einwänden Stand hielt, und endlich brachte Gottfried das Ehrengewand [160] der Verstorbenen und erklärte mit bebender Stimme, wie Cyprian das verkauft und wie er es erworben habe, um es einst Erdmuthe zu ihrem Ehrentage zu geben, und als Erdmuthe bestritt, daß der Vater den Ehrenschmuck verkauft, stampfte Gottfried auf den Boden ob dieser Starrheit, aber noch einmal faßte er sich und beschwor sie beim Andenken an die Selige, ihm und nicht dem Vater zu Willen zu sein. Und als Erdmuthe noch immer standhaft blieb, veränderten sich plötzlich seine Mienen, mit heiserer Stimme schrie er:

»Gut, so geh', so geh'; aber das schwör' ich dir, du verleugnest mich, ich verleugne dich auch, auf ewig, auf ewig. Du bist todt für mich, begraben und Gras drüber. Geh' –«

Plötzlich brach sich seine Stimme, er konnte nicht weiter reden; die Frau, die mit Bläsi und den beiden Töchtern in der Küche zugehört hatte, kam herbei und klagte, daß das Uebel, das Gottfried schon einmal gehabt, wiedergekehrt sei, aber Gottfried winkte mit der Hand, daß Erdmuthe hinaus solle, und sie verließ das Haus. Niemand grüßte, Niemand geleitete sie. Als ginge sie schon auf schwankendem Schiffe, so schritt Erdmuthe das Dorf hinaus, sie schaute sich nicht um und ging unaufhaltsam, bis sie da wo der Weg auf die Hauptstraße geht, unter dem blühenden Apfelbaum am Wegweiser sich niedersetzte. Sie schaute nicht auf und antwortete nicht dem Gruße der Weiber, die mit Bündeln Unkraut aus den Saatfeldern kamen.

[161]

Es blüht ein der Baum wo der Weg sich trennt

Es blüht ein der Baum wo der Weg sich trennt.

»Das ist gut, daß ich dich da noch find',« sagte plötzlich eine Stimme, Erdmuthe schaute auf, es war Bläsi, der vor ihr stand, hochglühenden Antlitzes und mit einem seltsamen Ausdruck in den Mienen.

»Schickt dich dein Vater und hast du mir von ihm was zu sagen?« erwiderte Erdmuthe und wollte aufstehen; es durchschauerte sie aber, als Bläsi jetzt zum Erstenmal sie berührte, indem er sie am Arm faßte und sie sitzen bleiben hieß mit den Worten:

»Bleib' du nur, es schickt mich Niemand, ich komm aus mir allein und hab' aus mir allein mit dir zu reden. Willst du mich ordentlich und geduldig anhören und mich ausreden lassen?«

»Du hast noch kein' Prob', daß ich nicht Alles mit Ruhe anhöre, was man mit Ruhe anhören kann.«

»Magst meinetwegen Recht haben,« sagte Bläsi, sich neben sie setzend, »laß jetzt die alten Sachen vorbei sein, ich hab' Anderes mit dir zu reden. Guck, hundertmal hab' ich mir gewünscht, wenn ich nur auch so ruhig wie jetzt mit dir reden könnt', hundertmal hab' ich gedenkt, unser Herrgott muß barmherzig und übergut sein, daß er uns nicht dafür straft, weil die nächsten Anverwandten so in Feindschaft mit einander leben, hundertmal wenn ich dir begegnet bin, hab' ich dich anhalten wollen, aber du bist immer so trutzig und stolz gewesen –«

»Ich? stolz?« schaltete Erdmuthe mit bitterm Lächeln ein. Bläsi fuhr fort:

[162] »Du bist von Vaters Seite mein' einzige Anverwandte und es hat mir das Herz im Leib herumgedreht, wenn ich dich gesehen hab' und dich nicht hab' anreden dürfen. Und mein Vater auch, er red't nicht viel, aber er ist grundgut, du kennst ihn nicht und dein Vater –«

»Sag' nichts, es ist recht, daß du deinen Vater lobst und ich will dir Alles glauben, aber mein Vater ist auch mein Vater und ich laß nichts auf ihn kommen –«

»Eben das, wie ich das gehört hab', hab' ich noch mehr Respekt vor dir kriegt. Aber das haben wir jetzt nicht auszumachen. Wir sitzen jetzt da bei einander, wie wenn wir Beide keine Eltern hätten und ganz allein auf der Welt wären, so ist mir's, wie's dir ist –«

Bläsi hielt inne und trocknete sich den Schweiß von der Stirn; vor sich niederschauend, fragte Erdmuthe:

»Warum hast mir denn kein gut Wort geben, wie ich in's Dorf kommen bin?«

»Weil ich gemeint hab', du bleibst bei uns und da hätt' sich schon schickliche Zeit gefunden, und ich hab' dir auch nichts im Voraus geben wollen ... Du hast mich dein Leben lang geplagt genug, von damals an wo du mir die Kirschen nachgeworfen hast, ich hab' dir's eintränken wollen –«

Die gekrümmte linke Hand auf Kinn und Unterlippe gedrückt schaute Erdmuthe den Bläsi mit flüchtigem Lächeln an, dann fragte sie:

»Warum bist denn jetzt anders?«

[163] »Weil du jetzt Alles wieder auseinander sprengst, weil du in Feindschaft davon gehen willst. Das ist nicht recht, das ist nicht brav, das ... das leid' ich nicht. Du gehörst zu uns und nicht zu denen in Leutershofen und du sollst uns nicht nachsagen, wir hätten dich verstoßen –«

»Das sag' ich nicht, und es wär' ja auch gelogen.«

»Das mein' ich auch nicht, du verwirrst mir ganz meine Worte, du redest mir so drein, daß ich nimmer weiß wo ich steh' –«

»Gut, ich will ganz still sein, so red' du allein.«

Sich die Hände reibend und eine gewaltsame Bedächtigkeit erraffend begann Bläsi wieder:

»Du sollst dich eben an uns halten, ich will nichts von den Deinigen sagen, so viel siehst aber doch, daß wir ganz andere Leute sind und du solltest dich freuen, daß du so einen Anhang hast. Sag', hab' ich nicht Recht?«

»Freilich, aber wenn mein Vater im Zuchthaus säß', ich möcht' doch bei Niemand in Gnade sein, ich thät dienen und behielt' mein' Ehr für mich.«

»Das ist in Ordnung, den Stolz, den hast du doch nur von unserer Familie, du gehörst doch zu uns, aber du brauchst nicht dienen, im Gegentheil. Wenn man nur wüßt', ob du ... ich hab' dich von Herzen lieb und ich laß dich nimmer davon –« Er umschlang ihren Hals und drückte einen Kuß auf ihre Lippen, aber sie entwand sich ihm.

»Hast du mich denn nicht auch lieb? Warum weinst denn jetzt? Warum weinst?« fragte Bläsi mit bebender Stimme.

[164] »O Bläsi,« begann Erdmuthe endlich, »das ist nicht recht, das ist gefrevelt, wir müssen scheiden, auf ewig scheiden, das darf nicht sein.«

»Was darf nicht sein?«

»Ich hab' mir's nie gestehen wollen und jetzt darf ich's auch nicht, denk du lieber, ich sei schon lang gestorben.«

»Das will ich aber nicht. Sag's frei, magst mich oder nicht?«

»Ach Gott, ich kann dir's nicht sagen, wie lieb –« Sie umhalste ihn und lange hielten sie sich fest in den Armen, die ganze Welt war vergessen und sie hörten nichts als das Klopfen ihrer Herzen und sahen nichts als das Eine in das Auge des Andern. Bläsi gewann zuerst wieder das Wort:

»Willst du jetzt noch einmal heim?«

»Ich muß ja, ich muß.«

»Es ist auch gut. Mein Vater ist grimmig gegen dich, wie ich ihn noch nie gesehen hab', aber das wird sich schon geben. Hast denn gar nichts geahnt, wie du zu uns kommen bist?«

»Ich weiß nicht, wie ich gegen das Dorf kommen bin, ist mir's gewesen, wie wenn mich der Boden festhalten thät' und dann bin ich da drüben gewesen auf dem Grab meiner Mutter, und in deinem Haus ist mir's so heimelig gewesen und es ist mir Allerlei durch den Kopf gangen, aber wie ich gehört hab', daß man auf meinen Vater schimpft, da ist mir wieder alle Gelust vergangen; ich bleib' in keinem Haus, wo man so über meinen Vater redet, er hat das beste Herz von[165] der Welt, freilich schwach ist er, aber er muß selber am meisten darunter leiden und es hat Keiner das Recht darüber zu schimpfen. Jetzt Bläsi, jetzt mußt du mir helfen, ich weiß nicht mehr wo ich bin und was ich zu thun hab'.«

Mit stolzem Selbstgefühl seiner Männlichkeit erklärte Bläsi, daß er sich das schon ausgedacht habe. Erdmuthe solle ihrem Vater das Geld für die Ueberfahrtskosten geben und mit dem Uebrigen nach Hollmaringen kommen, dann sei beiden Theilen geholfen. Statt diesen Vorschlag, wie Bläsi erwartet hatte, als klug zu loben, sagte Erdmuthe:

»Ich möcht' ihm lieber Alles lassen, ich will gar nichts mehr mit Geld zu thun haben, es graust mir davor; andere Mädle haben gar nichts damit zu schaffen und ich muß mich so viel mit 'rumplagen.«

Bläsi fand das Letztere richtig, wenn er auch nur halb den Widerwillen Erdmuthe's anerkannte; er wiederholte ihr, daß sie großjährig sei und daß es eine Sünde wäre, das Geld an Cyprian zu verschleudern.

Mitten im sonnigen Erleuchten der Liebe Erdmuthe's zog plötzlich eine verfinsternde Wolke darüber; sie hatte zu oft und Jahre lang von dem Geize der Gottfriedischen reden hören und sie sah auch Bläsi davon befangen. Wenn es nicht wäre, warum will er nicht dem Vater Alles geben, um sie zu retten? Bläsi deutete die Veränderung ihres Antlitzes und ihr Verstummen anders. Er rieth Erdmuthe, da sie sich vor dem Austrage der Sache fürchte, wieder in's Dorf zu seiner verheirateten Schwester zurückzukehren und ihm [166] allein oder seinem Schwager Alles zu überlassen. Das wollte und konnte Erdmuthe nicht, sie mußte mit ihrem Vater allein zurecht kommen, sie durfte auch sein Vertrauen auf ihre Rückkehr nicht getäuscht haben; mußte er nicht an der Welt verzweifeln, wenn sie, seine letzte Hoffnung, ihn hinterlistig verließ? Oder wollte sie auch Bläsi beweisen, daß sie für sich allein Kraft genug besaß?

Noch einmal siegte die überströmende Macht jugendlicher Liebe und mit dem Rufe: »Es gibt gar kein Geld in der Welt, horch wie der Fink da über uns lustig ist und hat keinen Kreuzer im Sack,« umhalste sie abermals den Bläsi und tausend Erinnerungen und Begegnungen wurden ausgetauscht und gelacht und gejubelt und sie erfanden verschiedene Küsse, der eine war für den Vetter, der andere war für den Bräutigam, der eine war für die Base, der andere für die Braut. Bald mußte Bläsi aufstehen, des Weges daherkommen, grüßen und ein Gespräch anknüpfen, wie es früher hätte sein sollen, bald mußte Erdmuthe die gleiche Rolle spielen und sie verstand es noch viel scherzhafter und dann saßen sie wieder beisammen und hielten sich umschlungen und dann hieß es: »Jetzt ist wieder ein Jahr vorbei,« und noch eines wurde gespielt und immer wieder. Die Sonne sank nieder als Bläsi sagte:

»Sieben und siebenzig Jahr möcht' ich so leben.«

»Und hernach laß ich mir noch was dreingeben,« lachte Erdmuthe. Bläsi bedauerte, daß er nichts habe, das er ihr als Liebesangedenken geben könne, aber er versprach ihr, wenn sie zur Hochzeit der Rosel komme, ihr einen goldenen Ring zu geben.

[167] »Silber oder Gold ist mir eins,« scherzte Erdmuthe.

»Das Wort gilt,« bestätigte Bläsi und wie erschreckt fuhr sie zusammen vor diesem Zusatz; hatte sie nicht ihrem Vater auch das Wort gegeben, fest und standhaft zu bleiben? Durfte sie auf das Wort eines Andern, durfte man auf ihr Wort mehr trauen?

Wie das immer nach gewaltigen Erregungen der Fall ist, hielten sich Bläsi und Erdmuthe still Hand in Hand. Sie gingen die verödete Landstraße und Bläsi betrat gern die spitzen zerschlagenen Steine und ließ ihrem Fuß das glatte Geleise. Erdmuthe hatte ihm gesagt, daß ihr Vater in Seebronn auf sie warte. Bläsi wollte mitgehen, er wollte ihr Beistand sein, aber sie wehrte ab und Bläsi mußte ihr sogar heilig geloben, sich nicht drein zu mischen und nicht nach Leutershofen zu senden oder zu kommen; sie fürchtete durch die Einmischung der Gottfriedischen von ihrem Vater das Härteste und wollte auch Alles selbst vollenden. Dagegen mußte sie Bläsi versprechen, nicht mehr zu Fuß, sondern in einem Bernerwägelein, wie es sich für sie schickte, nach Hollmaringen zu kommen. Erst vor dem Dorf schieden sie, es war als könnten sie sich nicht trennen und immer auf's Neue sagten sie einander Lebewohl und hielten doch die Hand fest. Es schien als ob Bläsi noch Etwas zu sagen hätte, das er nicht auf die Lippen bringen konnte; er wollte Erdmuthe nicht von sich lassen, diese aber hörte am ersten Hause des Dorfes, welches das Wirthshaus war, die laute Stimme ihres Vaters; sie drängte Bläsi fort und ging hinauf. Bläsi kehrte heim, denn auch er hatte einen Vater zu fürchten.

[168]

Ein Seelenlicht

Ein Seelenlicht.

Tag um Tag verging, man hörte nichts von Erdmuthe. Am Abend vor der Hochzeit seiner Schwester, als die ganze Familie sich im Hause Gottfrieds versammelte und jene stille Lust alle Herzen belebte, die auf der Schwelle eines freudigen Ereignisses so still wonnig macht, da war auch Bläsi nicht unter den Versammelten zu sehen, er war allein und gedankenvoll den Weg gegen Seebronn hinausgegangen, er saß unter dem Apfelbaum am Wegweiser, von dem jetzt die Blüthenblätter abfielen und die Straße und den Rain wie zum Einzug einer Freude schmückten. Bläsi ging weiter bis gegen Seebronn, er hielt den Ring in der Hand, mit dem er Erdmuthe schmücken wollte, aber sie kam nicht und doch hatte er sie für heute so sicher erwartet; er wollte weiter und immer weiter wandern bis nach Leutershofen, ein unendliches Verlangen trieb ihn und doch kehrte er wieder um, er wollte die Freude im Elternhause durch sein Ausbleiben nicht stören. Er fand noch Alles, was anverwandt war, versammelt, man labte sich jetzt an der kommenden Freude wie an dem Dufte der frischen Kuchen, der das ganze Haus durchdrang; der Genuß selber gehörte dem morgenden Tage. Bläsi erwiderte kein Wort, als seine Schwester ihm sagte, daß sie ihm zum Letztenmal sein Sonntagsgewand herrichte und wie er sie nun oft vermissen werde, denn sie heirathete einen Holzhändler im Enzthale. Bläsi war seiner ganzen Umgebung entrückt, er musterte die Anwesenden Alle nach einander, nur [169] um auf's Neue zu sehen, daß Erdmuthe nicht unter ihnen war und Niemand sie vermißte als er allein. Als man ihn damit neckte, daß nun das Heirathen an ihn käme und daß er sich umschauen müsse, antwortete er Nichts und mancher strahlende Mädchenblick, der sich auf ihn heftete, wendete sich unerwidert wieder ab.

Am Morgen, als Wagen an Wagen den Bräutigam und seine Familie, sowie die auswärtigen Anverwandten des eigenen Hauses brachte, ging Bläsi wie verloren hin und her und hatte für Niemand einen rechten Gruß. Er zwang sich beim Tanze zur Lustigkeit, aber man sah, daß es ihm nicht Ernst damit war und doch ahnte Niemand außer der verheiratheten Schwester im Dorf, was mit ihm vorging. Beim Abschiede der Rosel weinte Bläsi am meisten.

Wenn er im Dorf oder auf dem Felde war und ein Wagen die Straße daherrollte, rannte er ihm aus dem Hause oder vom Acker mit pochendem Herzen entgegen; es konnte nicht anders sein, Erdmuthe mußte kommen, aber immer waren es fremde Menschen, die des Weges kamen und staunend auf den Burschen sahen, der bei ihrem Anblick wieder zurück rannte. Oft und oft nahm sich Bläsi vor, sich um kein Wagengeräusch mehr zu kümmern, aber sobald er wieder ein rasches Rennen hörte, ließ es ihn nicht an der Stelle und nur noch diesmal und diesmal wollte er sich's gestatten, bis er auch endlich davon abließ.

Da brachte eines Morgens die Landeszeitung, die Gottfried als Schultheiß – oder wie der neue Kanzleistyl heißt, als »Gemeindevorstand« – halten mußte,[170] eine erschreckende Kunde in's Haus, denn eine gerichtliche Anzeige forderte alle Gläubiger Cyprians auf, sich zu melden, da er nach Amerika auswandern wolle, fügte aber sogleich bei, daß Niemand auf Zahlung hoffen dürfe, da Cyprian auf Kosten seines Kindes erster Ehe auswandere. Während Gottfried dies in der Stube las, war Traudle zu Bläsi in den Stall gekommen und brachte ihm den letzten Abschiedsgruß von Erdmuthe, sie war mit dem Vater nach dem Seehafen vorausgeeilt, die übrige Familie sollte erst nach der gesetzlichen Frist nachkommen. Traudle erzählte viel, wie schwer Erdmuthe der Abschied geworden sei, und doch wußte sie, die allzeit die Vertraute gewesen, nicht anzugeben, warum sich Erdmuthe doch noch zur Auswanderung bewegen lassen. Traudle war nun auch verlassen in der Welt, sie bat, bei Gottfried bleiben zu dürfen, aber dieser wollte nichts mehr von Jemand wissen, der ihn an Erdmuthe erinnerte. Traudle ging zu ihrer Tochter nach Lichtenhardt, sie hatte sich's nie gedacht, daß sie wieder nach dem Dorf zurückkehren müsse, das so arm und abgeschieden war, daß man sich überall scheute, sich als von dort gebürtig zu nennen. Draußen in der Bauernwelt, die man von Lichtenhardt aus bewundernd ansah, galt nun Traudle auch nichts mehr, seitdem Erdmuthe verschwunden war.

Cyprian mußte seinen Plan schon lange vorbereitet haben. Auf Grund einer gerichtlich anerkannten Vollmacht Erdmuthe's hatte er die Hypotheken an einen Unterhändler verkauft, der nicht ohne namhafte Abzüge [171] baares Geld dafür gegeben. Der Tag, an dem Gottfried die zweimal verschlossenen Hypotheken herausgab, war ein trauriger. Aber nicht nur um den Verlust des Geldes, sondern auch um das verlorne Schwesterkind mußte eine tiefe Wehmuth im Herzen Gottfrieds wohnen. Er legte zur Verwunderung Aller, die es bemerkten, Trauerflor um die Abgeschiedene an und sprach wochenlang von Erdmuthe nie anders als von einer Verstorbenen. Gottfried war ein Mann von zäher Selbständigkeit, der keinerlei fremden Einfluß kannte; man schalt ihn ob dieser seltsamen und selbst auferlegten Trauerzeichen, man warnte ihn, daß er damit Gott versuche, der um ihn zu strafen Ernst machen und ihm ein wirkliches Leid, einen Trauerfall zuschicken werde; er beharrte und ließ sich nur zu der Erklärung herbei: entweder sei ihm Eines todt oder lebendig, er wolle nichts davon, daß noch eines für ihn da sei, von dem er nichts wisse, Erdmuthe sei für ihn todt, ob sie auch noch in Amerika lebe, das gehe ihn nichts an, für ihn sei sie todt, und in seinem Hause durfte sie Keiner mehr anders nennen.

Vielleicht wollte Gottfried mit diesem eigenartigen Starrsinn doch noch etwas Anderes.

Nach einigen Wochen legte er den Trauerflor ab, aber eine gedrückte Stimmung im Hause blieb und wollte nicht schwinden. Rosel, die das Haus erheitert hatte, war nicht mehr da und Bläsi wurde von Tag zu Tag stiller und in sich gekehrter. Er hatte um Erdmuthe kein äußeres Trauerzeichen angethan und keines abgelegt, ja er vor Allen war dem Vater über Beides [172] am meisten gram, denn er ahnte, daß diese gewaltsame That ihm besonders galt.

Gottfried hatte seinem Sohn allmählig das ganze Bauernwesen in die Hand geben wollen, aber Bläsi fragte ihn jetzt um jedes Vorhaben und wußte sich nicht zu rathen und zu helfen. Er war im eigenen elterlichen Hause wie ein Knecht, der erst an diesem Tag in Dienst getreten war. Sonst hatte Bläsi die meisten Amtsschreibereien für den Vater gemacht und dieser war zufrieden mit der runden Fassung des Sohnes; jetzt mußte der Vater ihm jedes Wort in die Feder diktiren, und dabei schrieb er oft noch Verkehrtes. Die Eltern sprachen über das veränderte Wesen ihres Sohnes, der es nicht in Abrede stellte, als man ihm laut vorwarf, daß er bei Erdmuthe am Wegweiser gesessen und sie geküßt habe. Der Vater drohte ihm das Härteste, wenn er nur noch mit einem Gedanken an Erdmuthe denke, ja, er steigerte seinen Haß gegen »die Verstorbene« zu den höchsten Verwünschungen und jetzt zeigte sich, daß er mehr um Bläsi's willen Trauer um Erdmuthe angelegt hatte. Er ging sogar noch weiter und zündete am Tage Allerseelen zwei Lichter auf dem Grabe seiner Schwester an. Endlich fand er das beste Mittel, jeden Funken in Bläsi zu tödten, er faßte einen festen Entschluß und Bläsi mußte gehorchen; er verlobte ihn mit der schmucken Tochter des Kirchengutsverwalters, des sogenannten Heiligenpflegers von Seebronn. Bläsi hatte ehedem eine Neigung zu dem Mädchen gezeigt, das aber für Gottfried weit unter seinen Anforderungen stand; jetzt [173] drang er selbst auf die Verlobung und Alles sagte, der Gottfried habe seine alte Art ganz verändert und das Lob, das er jetzt hören mußte, war weit mehr ein Tadel, denn er vernahm dabei, was man ehedem von ihm gehalten.

Es gab wohl nie einen weniger aufgeweckten Bräutigam als Bläsi. Er that Alles was Vater und Mutter ihm sagten, mehr aber auch nicht. Denselben Weg, den er mit Erdmuthe gegangen, ging er nun zu seiner Braut und wenn er zu ihr kam, mußte er sich immer erst erinnern, was er sei und was er hier zu thun habe. Die Leute schüttelten oft den Kopf über sein seltsames Wesen. Als ihn einst seine Braut eine große Strecke Wegs heim geleitete und unter dem Apfelbaum am Wegweiser sich niedersetzen wollte, schrie er mit entsetztem Angesichte:

»Nicht, nicht, nicht, da sitzt ein Geist,« und fort rannte er.

Andern Tages kam der Heiligenpfleger von Seebronn, brachte die Brautgeschenke wieder zurück und löste das geschlossene Band, da Bläsi irrsinnig sei.

Eine tiefere Kränkung hätte Gottfried nicht erfahren können, als daß man seinen Sohn abwies und ihm solches nachsagte. Er redete fortan kein übriges Wort mehr mit Bläsi, der die Auflösung seines Bräutigamstandes aufnahm, als ob das ihn gar nichts anginge, er blieb still und schaute immer träumend drein. Sein Schwager war der einzige, dem er sich anschloß, er arbeitete lieber für ihn als im elterlichen Hause und wenn man nach dem Kornmarkt fuhr, der jetzt [174] nach der Stadt verlegt war, leistete er am liebsten Knechtesdienste und blieb bei den Pferden. Dabei sah er in gleicher Weise wie vordem frisch und jugendlich aus, nur hatte er die seltsame Angewohnheit, daß er auf manche Anrede nichts antwortete, sondern nur still wehmüthig lächelte.

So vergingen drei Jahre.

Als einst in der Zeit der beginnenden Heuernte Bläsi seine Pferde auf dem Marktplatz in der Stadt tränkte, da kam Traudle zu ihm und winkte ihm schon von fern, er sah sie kommen, aber er rührte kein Glied und dankte nicht ihrem Gruße.

»Gottlob, daß du da bist,« rief Traudle. Bläsi sah, daß seine Pferde die triefenden Mäuler aus dem Troge hoben, er pfiff ihnen, aber sie soffen nicht mehr und er führte sie in das Wirthshaus zurück. Traudle konnte vor raschem Athem nicht sprechen, sie ging neben ihm her und sagte:

»Bläsi, wach auf, Schlafenszeit ist vorbei.«

Er sah sie kaum an und band die Pferde wieder an die Krippe.

»Hörst mich denn gar nicht? Ich hab' dir was Gutes zu sagen, an das kein Mensch denkt. Um Gottes willen, bist denn wirklich hintersinnt?« fragte Traudle mit steigender Angst und prallte scheu zurück, als Bläsi sie durchbohrend anschaute.

»Was willst von mir? Was hast?« fragte er endlich.

»Hinter der obern Mühle am Bachsteg wartet ein Mädle auf dich und hat mich zu dir geschickt. Sag, thut dir's nichts, wenn ich dir sag' wer's ist? Sag's[175] doch. Es ist ein Mädle, es bringt dir Botschaft von der Erdmuthe.«

Als ginge plötzlich die Sonne auf, so hell wurde das Antlitz Bläsi's, er faßte Traudle am Arm, daß sie laut aufschrie.

»Wo ist das Mädle? Wo?« fragte er.

»Komm mit.«

Er ging raschen Schrittes neben Traudle, und als sie über den Steg kamen, sah er eine verhüllte Frauengestalt mit einem weißen Kopftuche und einem Bündel auf dem Rücken, ähnlich wie sie aus der Umgegend auf Wallfahrten ziehen. Die Gestalt saß unter dem Weidenbaum in sich zusammengekauert, jetzt richtete sie das Haupt empor, ein braunes Auge leuchtete, die Gestalt richtete sich auf und Bläsi rief:

»Bist du nicht? ... Heiliger Gott im Himmel, du bist's.«

Ein Freudenschrei ertönte, den das gewaltige Rauschen des Stromes nicht verdecken konnte. Erdmuthe und Bläsi lagen einander in den Armen.

An den rauschenden Wellen

An den rauschenden Wellen.

»Glaub' nicht, daß ich kein rechter Mann bin, ich kann nicht anders, ich muß weinen, du glaubst nicht wie viel tausend Thränen mir in's Herz gesunken sind. Es wird mir so leichter. Laß nur.« So beruhigte Bläsi, da Erdmuthe seine in's Unfaßliche gehende Erregung beschwichtigen wollte, »ich freu' mich nur, daß [176] ich dich gleich erkannt habe, du hast dich ganz verändert, aber deine Augen, die sind's noch. Jetzt sag, wie ist's denn möglich? Ist's denn wahr, daß du da bist? Wie hat's denn nur sein können? Sind's denn schon drei Jahr, seit du fort bist oder ist's erst seit gestern?«

So oft auch Erdmuthe beginnen wollte, ihre Geschichte zu erzählen, sie wurde immer wieder unterbrochen von Ausrufungen der Liebe und Verwunderung. Endlich verbot sie jede Zwischenrede und begann:

»Da an dem Platz wo wir jetzt sind, da hat mein großes Unglück angefangen, da hat sich mein Vater in's Wasser stürzen wollen, wenn ich nicht mit ihm geh', und wahr bleibt's, wie's auch kommen ist, ich bin doch seine einzige Freud' auf der Welt und unterwegs hat er mir all' Stund gedankt, daß ich ihn nicht verlassen habe. O Bläsi, glaub' mir und thu' mir die Liebe und zweifle nicht daran, ich will dir's zeitlebens vergelten, er ist an dem was mir geschehen ist, so unschuldig wie du; nur das ist sein Unrecht: er hat mir die Höll' vorgestellt wenn ich zu euch komm' und wie dein Vater dich zu todt plagt, und dir zulieb und ich kann's jetzt selber nimmer begreifen, wie mir's gewesen ist, und ich hab' auch gedenkt, du nimmst's vielleicht doch leichter und mein Vater hat sonst Niemand, der ihm ein gutes Wort gönnt, die Großen und die Kleinen fahren Alle auf ihn hinein, wenn er ein Wort sagt, und da bin ich halt fort und es ist mir immer gewesen, wie wenn das doch nicht Ernst wär' und ich käm' morgen wieder heim und doch sind [177] wir immer weiter gefahren, hundert und hundert Meilen Wegs, bis wir an dem großmächtigen Meer Halt gemacht haben, man heißt den Ort Antwerpen. Wir haben lang da bleiben müssen, bis die Anderen nachkommen sind und mein Vater hat mir jeden Kreuzer verrechnet, den er ausgeben hat, und ich hab' unser Geld immer bei mir tragen müssen, der Vater hat's nicht zugeben, daß ich's in einen Schrank verschließ' und er selber hat's auch nicht genommen; da bin ich dir immer herumgelaufen, so geplagt und ich hab' fast gar nicht gehen können und mein Herz ist mir noch viel tausendmal schwerer gewesen und ich hab' mich oft fast hintersinnt und ich hab' herausbringen wollen, warum gerad ich das Alles durchmachen muß und hab's doch nicht gefunden. Unter dem Durcheinander von den Schiffen und den Menschen ist mir so sterbensbang gewesen und wenn's kein' Sünd' gewesen wär', ich wär' in's Wasser gesprungen und wenn ich alles Geld von der Welt hätt' mit mir nehmen und in's Meer versenken können, ich wär' doch und noch viel lieber hineingesprungen. Das Geld ist doch an allem Unglück in der Welt schuld.«

Bläsi schüttelte nur abwehrend den Kopf und Erdmuthe fuhr fort:

»Wie die Frau mit den Geschwistern kommen ist, da hab' ich mein Geld in meine Truhe thun dürfen und es ist immer Eines als Wache dabei blieben. Einmal komm' ich dazu, wie der Vater mit der Frau fürchterliche Händel hat, wie ich dazu komm', sind sie plötzlich still und der Vater hat mich nachher, wie wir [178] allein gewesen sind, gewiß eine Stunde bei der Hand gehalten und mir alles Liebe und Gute gesagt und geweint. Damals ist mir das nicht besonders aufgefallen, aber nachher hab' ich dran denken müssen, was das Alles zu bedeuten gehabt hat. Am Morgen vor der Abfahrt, wie wir Alle auf dem Schiff sind, schickt mich mein' ... mein Mutter noch einmal in die Stadt, ich soll einen Sack Erbsen holen, den wir im Wirthshaus haben liegen lassen; mein Vater will gehen, aber sie leidet's nicht und er ist leider Gottes auch nicht ganz bei sich gewesen; auf das Schiff zu gehen ist ihm doch gar hart geworden und er hat sich durch den Wein den Jammer vertreiben wollen. Wie ich vom Schiff absteig', welscht Einer mit mir, aber ich versteh' ihn nicht. Ich geh' in die Stadt, ich find' den Sack nicht, es will Niemand was davon wissen, daß er liegen blieben sei; ich geh' wieder in's Schiff – Bläsi, ich hab' in's Wasser springen wollen, das Schiff ist fort und ich bin allein da, allein, ausgesetzt, verlassen und verstoßen. Bläsi, kannst dir denken wie mir's da gewesen ist ... Die Leute haben gemerkt, was mit mir geschehen ist und sie haben mich vom Boden aufgerichtet wo ich hingefallen bin und da war auch ein Deutscher und der hat mich getröstet und hat mir versprochen, er will mir helfen, daß ich den Meinigen nachreisen kann. Da bin ich gesessen am Boden und hab' nicht reden können und nicht gehen und die Leute haben mir Silber- und Kupfermünzen in den Schooß geworfen. Noch einmal Geld und immer Geld! Was will denn ich noch davon? Ich will sterben. Sie haben mich in die Stadt geführt; [179] wie ich erwacht bin, haben sie mir gesagt, daß ich lang geschlafen hätt'. Das Traudle hat mir oft Geschichten erzählt von Kindern, die von ihren harten Eltern im wilden Wald im tiefen Schnee ausgesetzt worden sind; aber schwerer als mir ist's gewiß Keinem geworden, und ich bin dir so verlassen und unbeholfen gewesen wie ein kleines Kind, das kaum sagen kann, wie sein Vater heißt. Der Deutsche, ist es ein Jud' gewesen, der selber Auswanderer hinüberschickt, hat mich umsonst über's Meer bringen wollen, ich hab' aber nicht gewollt, ich hab' bei ihm im Haus ein Jahr gedient und er und die Frau, sie ist auch eine Schwäbin, sind gut gegen mich gewesen, aber ich bin doch fort und bei Köln bin ich krank worden, und da bin ich wieder in Dienst gangen zu einem Bauer und jetzt bin ich da. Ich hab' geglaubt, du bist schon lang verheirathet, Bläsi, und ich hab' bei dir dienen wollen, und da bin ich zuerst zum Traudle, das hat auch Trauer, sein' Tochter ist ihm gestorben und wir haben einander getröstet, so gut wir haben können und sie hat gesagt: du hättest dir mein Weggehen so arg zu Herzen genommen, daß du hintersinnt seist und da hab ich dir helfen wollen –«

»Und du hast mir geholfen und ich weiß gewiß, ich wär' gestorben, wenn du nicht kommen wärst –«

»Jetzt sag' aber, Bläsi, was soll ich jetzt anfangen?«

»Du gehst mit in mein Elternhaus.«

»Nein, so nicht, das geht nicht.«

»Hast auch Recht, ich weiß schon einen Ausweg,[180] ja, das ist gescheiter. Du hast ja im Feld schaffen können. Kannst's noch ordentlich?«

»Freilich, ich hab' mich ja mit dem Traudle über die Sommerzeit verdingen wollen. Ach! ich hab' nicht glaubt, daß ich mit dir wieder zusammen komm', und doch, wenn ich sagen soll –«

»Was? Was thätest du sagen?«

»Daß das Traudle Recht gehabt hat. Ich bin wieder heimezu und hab' doch kein' Heimat, und da bin ich zum Traudle und bin grad recht kommen, ihm in seiner Noth beizustehen, seine Tochter ist ihm gestorben und da haben wir Eines über das Andere weinen können. Aber davon hat man nicht gessen, im Gegentheil, mich macht das Weinen viel hungriger –«

»Hast denn heut schon was gessen?«

»Jawohl, schau, da hab' ich noch Brod im Sack. Du hast doch ein gutes, gutes Herz, das hab' ich immer gewußt und ich hab' denkt du wärst schon lang verheirathet; am selben Abend, wo ich von dir geschieden bin, hab' ich gehört, daß du mit des Heiligenpflegers Tochter von Seebronn dich versprechen wirst –«

»Und warum bist denn doch wieder kommen?«

»Hundertmal hab' ich mir das auch auf Wege gesagt: du kannst euch Beide noch unglücklicher machen. Und doch bin ich mit dem Gedanken immer weiter gangen und ich hätt' gern dir Gutes gethan und dir gedient und deinem Vater auch, er hat es doch auch gut mit mir gemeint –«

»Ja, das hat er und er hat Trauerflor um dich angelegt und hat gesagt: du seist gestorben, und man [181] darf nicht anders von dir reden als von einer Verstorbenen.«

Erdmuthe weinte laut als sie dies hörte, Traudle aber trat herzu und schalt Bläsi, daß er der Verlassenen das Herz noch schwerer mache, das Reden solle jetzt einmal ein Ende haben, er solle sich als Mann zeigen und fest auftreten.

Mit einer Heiterkeit des Antlitzes, die gar nicht zu seinem Vorschlage paßte, die ihm aber die Freude über seinen Einfall aufprägte, erklärte nun Bläsi:

»Ich glaub' nicht, daß dich Jemand im Ort kennt, Erdmuthe, und so mit dem Tuch nun gar nicht und du mußt dich nicht kennen lassen, von Keinem. Traudle, wie hat dein' Tochter geheißen.«

»Regele« (Regina), antwortete die Gefragte mit einem tiefen Seufzer.

»Gut. Kennt man dein' Tochter in Hollmaringen?«

»Nein, sie ist nie in Hollmaringen gewesen, mein' Schwester hat sie angenommen gehabt, weil sie selber kein Kind hat. Wenn ich die Erdmuthe anseh', mein' ich noch immer mein Regele lebt und sie haben's in Lichtenhardt auch gesagt, daß sie sich gleich sehen. Warum sollen sie auch nicht? Sie sind ja Bruderskinder.«

»Um so besser,« sagte Bläsi, »Erdmuthe, du heißt jetzt Regele und bist des Traudle's Tochter.«

»Ja, ich hab' sie so lieb wie mein Kind und sie ist's auch mehr als mein eigenes gewesen,« sagte Traudle sich die Augen reibend, und Bläsi fuhr fort:

»Schon recht. Ich nehm' euch also als Taglöhner und du Regele machst, daß sich mein Vater an dich[182] gewöhnt. Nehmet euch ja in Acht, daß ihr euch in Nichts verrathet, bis es Zeit ist, bis Ich's euch sag', es wird sich schon finden.«

»Ja, beim Auskehren findet sich Alles wieder,« scherzte Erdmuthe, und wehmüthig lächelnd sagte Traudle:

»So ist's recht. Wenn du mein Regele sein willst, mußt du lustig sein, lustiger ist kein Geschöpf auf der Welt gewesen.«

»Ich glaub', daß ich die Kunst auch kann,« bestätigte Erdmuthe. Bläsi trug den beiden Frauen noch auf, zu Fuß nach Hollmaringen zu gehen, er könne sie nicht mit auf den Wagen nehmen, weil er sich zu verrathen fürchte. Leise in's Ohr sagte er Erdmuthe:

»Grab' ein bisle am Apfelbaum beim Wegweiser auf der Ackerseit', du wirst was finden, nimm es zu dir.«

Ein eigener schelmischer Zug schwebte auf seinem Antlitz als er dann laut »Regele« bat, ihn nicht zu verkennen, wenn er auch manchmal barsch und grob gegen sie sei und als eben ein Hollmaringer vorüber ging, übte er das sogleich und wiederholte in polterndem Ton die Bedingungen unter denen er die beiden Taglöhnerinnen in Dienst nahm, und ging davon.

Der Heimgang der Verhüllten

Der Heimgang der Verhüllten.

Erschien Bläsi seinem Schwager, mit dem er heimwärts fuhr, als ein Wunder, so erschien ihm die ganze Welt und er selber sich noch mehr als ein solches. War's denn möglich, war's nicht ein Traum, daß Erdmuthe [183] wieder da war? Er schrak zusammen als er diesen Namen in sich hineindachte, als hätte er sich verrathen, und leise vor sich hin sagte er: »Regele.«

Die beiden Frauen gingen barfuß den Weg neben der Straße und trugen ihre Schuhe auf den Rückenbündel geknüpft; Bläsi deutete schon von fern mit der Peitsche nach ihnen und fragte seinen Schwager:

»Was meinst, daß mein Vater dazu sagen wird, daß ich sie gedingt habe?«

»Der wird sich freuen, daß du wieder so hellauf bist und dich auch wieder von selbst um etwas annimmst und Muth hast.«

Bläsi knallte mit der Peitsche als er an den beiden Frauen vorüber fuhr, die still grüßten, er knallte fort und fort hin und her, das war ja das einzige Freudenzeichen, das er, ihnen allein verständlich, kundgeben konnte und Erdmuthe verstand die innere Musik, die aus diesem unmelodischen Knallen heraustönte. Sie ging den stundenlangen Weg still mit Traudle und nur manchmal klagte sie über die Beschwerlichkeit des Gehens:

»Ich bin die halbe Welt ausgewandert, und jetzt ist mir's als ob mir bei jedem Schritt die Kniee brechen.«

Sie hatte heute schon zu viel erlebt, um noch bei rüstiger Kraft zu sein. Traudle wollte auf Bläsi schelten, daß er sie nicht mit auf den Wagen genommen, aber sie mußte auf die Einreden ihrer Begleiterin bald schweigen.

Als man am Wegweiser beim Apfelbaum anlangte, rannte Erdmuthe ihrer Begleiterin vorauf, grub nach Anweisung Bläsi's an dem Baume und fand einen [184] silbernen Ring von jener Art, wie sie ein Bursche seinem Mädchen als Verlobungsring giebt. Sie steckte ihn an den Finger und küßte ihn, und Traudle war die Erste, die ihr glückwünschte: sie hatte bis jetzt doch noch an Bläsi gezweifelt, nun war auch sie bekehrt. Erdmuthe erzählte, wie sie hier einst mit Bläsi gesessen und lichte Freude durchströmte sie; als sie wieder aufstand war sie voll frischer Kraft, daß sie fliegen zu können glaubte. Noch einmal mußte sie von der Wehmuth sich bewältigen lassen; sie schaute hinüber nach jener Buchenumhegung, daraus die schwarzen Kreuze schauen, sie durfte jetzt nicht dort sich niederwerfen, sie war eine Andere, und sie war eine Bettlerin, die barfuß und demüthig in ihre Heimath einzog. Sie hatte sich vor dem Dorf die Schuhe anziehen wollen, aber Traudle hatte sie bedeutet, daß sich das für eine Taglöhnerin nicht schicke und ihr übel ausgedeutet würde. Sie schaute kaum auf als sie durch die Gassen ging, und wendete gewaltsam den Blick ab als sie zum Elternhause kam. Der lahme Klaus saß wieder auf der Steinbank und strickte, er stierte sie an, der Knäuel unter dem Arme entfiel ihm, er erkannte sie nicht, und doch wäre das Gegentheil Erdmuthe jetzt lieb gewesen, denn sie zitterte im Herzen vor all der Verstellung, die sie üben sollte; sie sollte den Menschen nahen, die ihr allein auf Erden geblieben waren, und doch keine Hand nach ihnen ausstrecken, kein Liebeswort ihnen sagen.

Die Schultheißin hieß Traudle und deren Tochter willkommen und gab ihnen auf der Hausflur zu essen; [185] aus der Stube hörte man die laute Stimme Gottfrieds, der den Streit zweier Männer zu schlichten suchte.

Bläsi ging an den beiden Frauen, die aus dem Schooße aßen, vorüber und sagte: »Gsegn' es Gott. Traudle, ich glaub' dein' Tochter ist ein bisle heikel, red ihr zu, daß sie essen soll, ihr krieget nichts mehr bis auf den Abend und ihr könnet gleich mit mir hinausfahren und helfen Heu einthun.«

Erdmuthe aß mit gutem Appetit und die Schultheißin lobte sie nachher besonders, weil sie so schnell Bescheid im Hause wußte, das Geschirr spülte und an seinen Platz stellte, ehe man sich's versah.

Bläsi stand aufrecht im Wagen und Traudle und Erdmuthe fuhren mit ihm hinaus auf die Wiese, er schalt Erdmuthe bei der Arbeit ob ihrer Langsamkeit und sagte: »Du sollst Lahmele heißen, nicht Regele.« Er fand sich besser in seine Rolle als Erdmuthe, er hatte es freilich auch leichter.

Man brachte das Heu rösch und unverregnet unter Dach und als plötzlich zwei Mäher krank wurden, hatte Erdmuthe noch einen besondern Triumph: sie mähte mit Bläsi und dem Knechte in gleicher Linie und blieb nie zurück. Gottfried, der, wie der Schwager voraus gesagt hatte, sich an der entschlossenen Thätigkeit Bläsi's freute, ließ auch einen Theil dieses Gefühls auf die neuen Taglöhnerinnen übergehen und ermahnte Bläsi, nicht zu strenge gegen sie zu sein. Er lachte, da ihm die Mutter sagte, die Tochter Traudle's sei Bläsi nicht gleichgültig, eben weil er so viel mit ihr zanke: er kannte seinen stolzen Sohn viel besser. Die ganze Woche [186] und selbst am Sonntag kam man nicht zu Ruhe und Besinnung, man war immer in Bedrängniß vor dem drohenden Wetter und nur beim Essen im Felde wechselte man einige Worte. Da sagte der Knecht einmal:

»Das Vieh geht doch in Allem voraus, das kriegt das Erste vom Feld und nachher kommen erst die Menschen mit ihrem Futter dran.«

»Das gehört sich auch,« sagte Erdmuthe, »wenn man zuerst für Andere gesorgt hat, dann kommt man erst an sich selber und die Kühe und Ochsen fressen das Heu für uns, wir kriegen's nachher als Milch und Butter und Fleisch.«

»Und die Gäul?« sagte Bläsi.

»Die sind unsere Arme, die müssen für uns Pflug und Wagen ziehen.«

»Dein Maul braucht keinen Wetzstein,« lachte der Knecht und Bläsi nickte still zu Erdmuthe.

Am zweiten Sonntag sprach Gottfried das erste Wort mit Erdmuthe:

»Mädle, ich hab' heut dein Stimm' in der Kirche aus Allen herausgehört, du hast was besonderes, ich weiß nicht was.« Erdmuthe sah ihn groß an, hatte sie die Stimme ihrer Mutter und hatte diese den Bruder so angesprochen? Wie gern hätte sie alle Vermummung abgelegt, aber sie durfte nicht, und immer mußte sie denken, daß dieser Mann Trauer um sie wie um eine Todte angelegt; sie hatte schon einmal durch die Erregung seiner Heftigkeit ihn an den Rand des Grabes gebracht, sie durfte Nichts mehr wagen.

[187] Am Abend in der Dämmerung ging Erdmuthe mit Traudle durch das Dorf, diese kannte Jedermann und hatte überall eine Ansprache, und Erdmuthe stand dabei so verlassen und es schnitt ihr durch die Seele, wenn sie hören mußte, daß sie die Tochter Traudle's sei. Verläugnete sie ihre Mutter? Sie kam sich beständig wie eine Diebin vor und gab nur wenig Antwort, und die Spielplätze ihrer Kindheit betrachtete sie mit verstohlenem Blick. Bläsi hatte ihr doch Schweres auferlegt, aber sie vertraute ihm und wollte ausharren. An ihrem elterlichen Hause stand sie lange bei der Schwester Bläsi's und konnte sich kaum enthalten, sie nicht als Base zu begrüßen. War denn diese ganze Mummerei nicht unnöthig und grausam? Aber Bläsi sollte sehen, daß sie ihm unbedingt gehorchte. Die jungen Burschen und Mädchen zogen singend durch das Dorf, die Schwester Bläsi's verkündete mit Jubel, daß dieser seit Jahren zum Erstenmal wieder unter ihnen war. Erdmuthe seufzte still, und immer wieder kam die unlösliche Frage, warum gerade ihr allein ein so schweres Loos beschieden war. Der Dorfschütz klingelte und verkündete, daß am morgenden Tage die Ernte beginne und ein Jeder vor Allem Wege schneiden müsse, damit der Nachbar seine Frucht ohne Schaden des Andern heimbringen könne.

Das Dorf schlief bald, denn mit der Morgensonne mußte Alles wach sein.

»Man sollte eigentlich gar keinen Menschen lieb haben,« sagte Erdmuthe beim Schlafengehen zu Traudle, »wenn man so sieht, wie sie weiter leben, wenn man [188] fort ist, und gar nicht mehr an Einen denken, als wär' man nicht da gewesen.«

»Das kannst von deinem Bläsi nicht sagen.«

»Nein, gottlob nicht, aber sprich nicht so laut. Gut Nacht.«

Erdmuthe war die Erste im Hause und schlich unhörbar wie ein Geist umher, Alles ordnend und zurechtlegend, und hier zum Erstenmal, seit sie in das Haus gekommen war, überraschte sie Bläsi beim Brunnen, als sie Wasser holte. Sie klagte ihm leise, wie schwer ihr die Verläugnung ihres Namens und Lebens werde; aber Bläsi getröstete sie, daß das der einzige Weg sei, seinen Vater zu gewinnen, der sie auf ewig aus seinem Herzen verstoßen; wenn auch alles sich wieder ausgleichen ließe, so werde er doch nur durch das äußerste Mittel ihr verzeihen, daß sie ihr Muttergut verschleudert habe. Noch heute könne er in mächtigen Zorn gerathen, wenn er auf einen Acker komme, der Erdmuthe gehören sollte, und der nun in fremdem Besitze sei. Erdmuthe wagte es kaum, leise ein Wort über diese zähe Habsucht zu äußern, da faßte sie Bläsi mit starker Hand und sagte, daß er nie an den verschwenderischen Leichtsinn ihres Vaters gedenken wolle, daß sie dafür aber auch seinem Vater nichts Böses nachtragen und ihn ehren und hochhalten müsse. Erdmuthe versprach das gern und bat nur, daß sie sich der Mutter oder der Schwester zu erkennen geben dürfe, es drücke ihr das Herz ab, daß sie mit Niemand von sich selber reden könne. Auch hiegegen bestand Bläsi darauf, daß es ihr genügen solle, wenn er allein [189] wisse, wer sie sei, sie brauche sonst Niemand; und hingegeben in treuer Liebe sagte Erdmuthe, daß sie gern Buße thue, weil sie ihn verlassen hatte, daß sie ihm allein angehöre und ihn fortan um nichts mehr bitten wolle, bis er selber finde, daß es Zeit sei.

In stiller Umarmung hielten sich die beiden Liebenden, bis daß der Morgenstern am Himmel erblich.

Die neue Ruth

Die neue Ruth.

Das ganze Jahr ist der Feldbau eine in gleichmäßigem Schritt gehaltene stetige Arbeit. In der Heuet, noch mehr aber in der Ernte wird sie plötzlich zur Leidenschaft, es ist ein gehetztes Treiben, jede Stunde, jede Arbeitskraft, jedes Fahrzeug ist unersetzlich, man jagt im Galopp auf klapperndem Wagen die Straße hinauf, biegt feldein, wo die Räder sich still umdrehen, fährt knallend mit geladenem Wagen in's Haus zurück, um dann auf's Neue hinaus zu eilen, wo die gebundenen Garben harren. Selbst die Essenszeit, der sonst so gewissenhaft eingehaltene Ruhepunkt, ist draußen im Felde von Hast nicht frei, so sehr man sich auch gegenseitig ermahnt, die Hast nicht aufkommen zu lassen.

Das aber ist ein schönes Kennzeichen der Menschennatur, daß das Herz sich um so freudiger bewegt inmitten aller Arbeitsmühen, daß ein gutes und heiteres Wort nie erfrischender in die Seele fällt, daß ein Bissen nie besser mundet, daß man nie mehr zu einer, wenn [190] auch flüchtigen doch innigen Begegnung mit den Nebenmenschen aufgelegt ist, als bei solcher angespannten Thätigkeit. Alle Tugenden und Lebensfreuden sprießen frei in ihr auf, und jener uralte Fluch ist zum Segen verwandelt, erst durch die Arbeit ist der Mensch zum Menschen geworden.

Wie der Morgenthau erfrischend auf Busch und Halm lag, so ruhte auch ein erquickliches Gefühl im Herzen Aller, die vom Hause Gottfrieds mit den Sicheln hinausschritten in das Feld. Bläsi ging voran mit den Männern, die Frauen hinter ihnen drein mit Körben und Krügen an der Hand. Man ging eine geraume Strecke wortlos, da machte ein Scherz Traudle's Alles lachen. Sie sagte: »Wann sind die Bauern am stärksten?« Niemand wußte eine Antwort und Traudle erklärte: »Vor der Ernt', da können sie all' ihre (wenige) Frucht auf dem Buckel in die Mühle tragen.« Es bedurfte nur dieses leisen Anstoßes, um die Allen inwohnende Heiterkeit Schlag auf Schlag zur Offenbarung zu bringen. Andere schlossen sich der Gruppe eine Strecke Weges an, und das Lachen und Necken tönte hell über die schnittreifen Feldbreiten. Als die Gottfriedischen in die Nähe des Gerstenackers kamen, der zuerst angeschnitten werden sollte, schimpfte der Knecht, weil der Anwänder (Nachbar), es war der Vater des lahmen Klaus, keine Anstalt getroffen, daß man durch seinen Acker auf den eigenen kommen konnte.

»Wir machen Luft,« sagte Erdmuthe und legte zuerst ihre Sichel an die Aehren, und Bläsi bestätigte:

[191] »Sie hat Recht; zuerst für einen Andern arbeiten, das bringt Segen.«

Es konnte kein besseres Liebeswort Bläsi's geben, als daß er das, was Erdmuthe früher ausgesprochen, hier sogleich anwendete. Fast nur in langsamerem Schritte weiter schreitend, legte man nun einen breiten Weg durch den Acker des Anwänders nieder, bis man zu dem eigenen kam. Die Frauen schnitten immer zwischen den Männern drein den schrägen etwas schmäleren Streifen, den sie zwischen einander stehen ließen, sie selber mit ihrer stärkeren Kraft nahmen größere Breiten, oder wie man hier zu Lande den Ausschnitt nennt, den ein Jeder macht, einen größeren Jaun. Erdmuthe, die zwischen Bläsi und dem Knechte war, legte mit einer Leichtigkeit und Behendigkeit die Aehren nieder, daß es schien, als habe sie eine Zaubersichel, sie kam den andern vorauf, vollendete zuerst den Jaun und rief, die Sichel hoch hebend: Juchhe! daß es weithin schallte und von anderen Feldern erwidert wurde. Traudle erhob sich auch und sagte: »Duss (draußen) ist's, hat seller (jener) Pfarrer gesagt, und hat das Amen vergessen.« Alles lachte und nun ging es rückwärts, und so oft man an das Ende eines Jauns kam, ging das Schneiden viel schneller, weil Alles zusammenrückt, und es wurde gearbeitet als würde geraubt, und das Sprechen der Genossen, die durch keine Scheidewand getrennt waren, nahm einen frischen Anlauf, bis es allmählig wieder verstummte und man nichts hörte, als das Schneiden der Sichel, und manchmal einen Seufzer über Rückenweh.

[192] Man spottete einmal über Erdmuthe, die die Stoppeln höher stehen ließ als die Anderen, sie aber sagte:

»Wenn man dem Acker die Halme nicht zu kurz nimmt, dann ist er halb gefüttert und trägt das Nächstemal um so besser.«

Dieses Wort vernahm der ungehört herbeigekommene Gottfried und sah bitter drein. Deutete er dies vielleicht als Anwendung auf seine Genauigkeit?

Man setzte sich zum Morgenimbiß, den eine Magd herbeigebracht hatte. Traudle konnte sich nicht enthalten, über das schlechtgebackene Brod die spöttische Bemerkung zu machen:

»Es giebt verschimmelte Bauern, die verderben die Gottesgabe und lassen schlechtes Brod backen, damit es Einem wie ein Kieselstein im Magen liegt.«

Alles schwieg, aber Erdmuthe schnitt sich ein gutes Stück ab und sagte dabei halb singend:


»Laible, du mußt Rübele heißen,

Rübele, du mußt gessen sein.«


Gottfried betrachtete genau die Spalten an den Aehren des benachbarten Kornackers, denn es gilt als alte Regel: je mehr Spalten da wo der Strohhalm beginnt, taub sind, um so theurer wird das Korn. Er nickte zufrieden.

Ein Storch flog über die Schnitter weg, und sich zurücklegend und in den Himmel schauend sagte Erdmuthe:

»Ich möcht' nur wissen, wie der Vogel da oben auf uns 'runterguckt, wie sich da Alles tummelt; es [193] muß ihm doch sein, wie wenn wir in einen Ameisenhaufen schauen.«

Gottfried ging brummend davon, er kam wenig auf's Feld, er hatte meist mit seinen Amtsgeschäften zu thun und überließ Bläsi gern die Meisterschaft, und die jungen Leute waren doppelt lustig, wenn er wegging.

Am Mittag kam der wohlausgerüstete Korb. Man saß am Raine, die Sonne im Rücken, und Erdmuthe mußte allzeit den Obstmost in den zinnernen Becher einschenken, der von Hand zu Hand ging.

Man kam den ganzen Tag nicht in's Dorf und schnitt unaufhörlich, bis der Abendtau auf die Felder sank und nur noch der Goldammer von den Obstbäumen pfiff, und die Staare in Haufen aufflogen. Der Vollmond kam mit röthlichem Scheine hinter den Bergen hervor und im Heimgehen sagte Erdmuthe:

»Mir ist's immer wunderig, daß man gar nichts davon hört, wenn der Mond kommt, daß er auf Einmal so still da ist.«

Es lebte ein eigener regsamer Geist in dem Mädchen und Bläsi pries im Stillen doppelt sein Geschick, daß es ihm so wunderbar wiedergegeben war.

Tag um Tag verging und die Heiterkeit blieb sich gleich wie das ständige Wetter. Am Abend hörte man im Dorfe nichts als Futterschneiden und Dengeln. Erdmuthe half das Vieh versorgen, auf das man jetzt doppelt Acht haben mußte, und war ebenso behend in der Küche und in der Stube. Gottfried betrachtete sie oft mit freundlichem Blick und einmal sagte er ihr sogar:

[194] »Wenn mein Bläsi geheirathet hat, kannst du als Magd bei uns bleiben. Du bist anstellig.«

Erdmuthe antwortete nichts.

Zum Garbeneinführen kam Gottfried immer in's Feld, und die Sammelten betrachtend schätzte er immer richtig, wie viel Garben es gebe, damit man wisse, wie viel Wagen man nehmen solle und keine Zeit verliere.

Die Mädchen sammelten den Männern die Aehren in die Wieden, Erdmuthe hatte immer das beste Augenmaß, sie durfte nie etwas ab- oder zuthun, und ihre Garben lagen immer wie nach der Schnur gemessen in gradlinigen Gassen. Erdmuthe sah schön aus, wenn sie das Korn in ihren beiden Armen hoch hielt und die Aehren über ihrem Haupte wallten, ihr Kopf war allzeit verhüllt, sie war nur mit dem rothen Leibrocke bekleidet, und von den Hüften bis zum Hals geschlossen, bedeckte das Hemd die anmuthigsten Formen, die sich beim Heben und Beugen leicht und frei ausprägten. Das bemerkte sogar der alte Gottfried. Trotz seiner vorgerückten Jahre hob Gottfried mit Leichtigkeit die Garben auf den Wagen, nur beim Einstemmen und Aufheben sah man ihm eine Mühe an; hatte er die Garbe hoch, so trug er sie leicht, wenn aber Bläsi die Garben aufnahm, war es als ob sie sich von selbst vor ihm erhöben.

Das war ein Leben auf dem Felde! Es war als ob die zahllosen Fuhrwerke aus dem Boden wüchsen, die Mädchen glühten, die Bursche knallten mit den Peitschen, man lieh einander Wieden, man rief einander an beim [195] Ein- und Ausfahren, lobte, Gott dankend, die Schwere der Garben und trank einander zu.

In solcher Zeit ist alles Leid und alle Sorge eine Weile vergessen, und die Menschen sind zu einander wie Brüder auf der Mutter Schooß.

Der Besitzer großer Ackerbreiten und der Taglöhner, der nur einen kärglichen Lohn davonträgt, sind eine Weile gleich, denn die Arbeit macht gleich, und das Mahl auf dem Boden und der Trunk aus demselben Becher wird zum selbstgeheiligten Liebesmahle. Der alte Gottfried that seinen Arbeitern manche Handreichung, er saß bei ihnen, sprach mit ihnen und kannte keinen Stolz mehr. Er scherzte sogar mit Traudle von alten Zeiten, da sie Beide noch jung waren, und Traudle war mehrmals nahe daran, ihm Alles zu sagen; aber sie wollte doch Bläsi nicht vorgreifen, und am Abend drängte sie diesen oft, daß er dem gefährlichen Spiel ein Ende mache, da gerade jetzt die entsprechende Weichheit und ein gewisses gesättigtes Wohlwollen in Gottfried war, aber Bläsi war weit entfernt, inmitten der Ernte solch eine Bewegung zu veranlassen, und so mußte man sich still gedulden.

Bläsi war überhaupt wie Einer, der in gewaltiger Anstrengung eine Thüre aufgedrückt hat, und nun fast rathlos dasteht und nicht weiß, was und wie er beginnen soll. Er wollte ruhig abwarten, und er hatte dabei ein gut Theil von jener Angewöhnung des Bauernlebens, die in allen Dingen gern Wachsthum und Reife abwartet und sich nicht leicht überstürzt.

Es kamen Regentage und man drosch einstweilen[196] in den Scheunen und die Hühner gackerten dazu und erhaschten manches aufspritzende Körnlein. Bläsi drosch immer in dem Trupp mit Erdmuthe. Es kamen schwere sorgenvolle Tage und Nächte, man hörte von Hagel im Unterland, und ein säuselnder Regen, der nur manchmal in starkes Platzen überging, wollte nicht enden. Man hat Vieles geschnitten draußen liegen, und bangte darum, daß es auswachse, und auch wenn die Sonne wiederkommt, trocknete es nicht so leicht als das Stehende. Gottfried ging immer brummend umher und auch Bläsi war betrübt; Erdmuthe wollte ihn durch Scherz erheitern, aber er verwies ihr das und es schnitt ihr tief durch die Seele als er sagte: »Es scheint, du weißt nicht, wie weh es thut, wenn das Sach vor der Thüre zu Grunde geht.« Hielt sie Bläsi für nicht haushälterisch, und mußte sie immerdar darunter leiden, daß sie aus einem verkommenen Hause kam? Das wollte sie nicht, lieber wollte sie Alles wieder verlassen.

Schön ist ein Sommermorgen nach ausgeregneten Tagen, ein leichter schwüler Dampf steigt auf von der reichgetränkten Erde, die Berge, die lange verhüllt waren, steigen in bläulichem Duft hervor, die Vögel singen und jubeln, die Sonne zeigt auf's Neue ihre nie versiegende Kraft, und die Menschen athmen wieder frei auf!

Die Kümmerniß war verschwunden, es ging auf's Neue an die rüstige fröhliche Arbeit, und es zeigte sich, daß die Sorge übertrieben war. Als Erdmuthe einmal abgesondert von den Uebrigen dem Bläsi die Aehren in die Wieden trug, sagte sie:

[197] »Ich kann nichts lange nachtragen, ich muß dir sagen, ich bin dir noch bös, weil du mir beim Dreschen das böse Wort gesagt.«

»Weiß schon, aber du darfst das nicht übel aufnehmen, du mußt auf Alles bedachter sein, du hast ein bisle einen leichten Sinn, du kannst nichts dafür, du bist's gewohnt –«

»Aber solche Vorwürfe bin ich nicht gewohnt. Ich will's nicht läugnen, ich mach' mir vielleicht zu wenig Sorgen, ich will das gern annehmen, aber du übertreibst's auch, siehst ja jetzt, daß es nicht so arg ist. Ich will gern von dir lernen, aber du mußt auch von mir, glaub mir, das ist auch nöthig.«

»Gieb noch einen Armvoll her, es geht noch in die Wiede,« endete Bläsi, und der Friede war abgeschlossen. Im weiteren stillen Arbeiten wollte er zwar Anfangs die Mahnung Erdmuthe's verwerfen, aber er war ehrlich genug, ihr doch Recht zu geben, und es war ihm eine Freude, ihr Recht geben zu können.

Diesseits der Regentage war Emsigkeit und Heiterkeit auf dem Felde noch eine verdoppelte. Selbst der allzeit finstere Gottfried sagte einmal seiner Frau, so lustig sei noch nie eine Sommerszeit gewesen, und er befahl ihr, daß sie bei der Sichelhenkete auch nicht sparen solle.

Mit der hohen Erntezeit hörte das Bedrängen der Arbeit nicht mehr auf. Es ging an's neue Einbauen der kaum befreiten Aecker. Männer und Frauen hielten sich an verschiedene Arbeit, diese mußten Hanf jäten, den Samen ausklopfen, spreiten und im Weiher [198] einweichen und dazwischen die Ernte unter dem Boden halten, Kartoffeln und Rüben einthun, und der hundertfältigen kleinen Thätigkeit obliegen, die ein ausgebreitetes Feldgeschäft mit sich bringt. Bläsi hatte meist mit dem Einsäen zu thun und kam müde nach Haus, denn das Säen gehört zu den beschwerlichsten Arbeiten: ein bis zwei Simri Saatfrucht vor sich hertragen, in dem schweren Boden, wo man kaum die Füße heben kann, sich in gleichmäßigem Schritt und gerader Linie halten und dabei allzeit einen gleichmäßigen Wurf thun – wenn Bläsi Abends heim kam, schlief er bald ein, und es war nicht abzusehen, wann die Angelegenheit mit Erdmuthe enden sollte.

Man schnitt eines Tages wieder gemeinsam den Späthaber an dem Hubelberg, die Blätter an den Bäumen fingen schon an zu vergilben, an den Bergen hingen Wolkenflocken und ein leiser Herbstduft wob über den Feldern; da kam Gottfried mit einem fremden Herrn zu den Schnittern auf das Feld. Erdmuthe mußte ihn auf den Wunsch der Genossen nach altem Brauche »in's Weisch fangen«. Sie nahm eine Handvoll Aehren, wand sie dem Fremden um den Arm, legte ihm die Sichel auf die Schulter und sprach:


Den Weg bin ich gegangen,

Den Herrn hab' ich gefangen,

Das Brod wird sich gesegnen,

Der Herr wird sich auslösen.


»Wenn du mich in's Weisch fangst, kriegst du auch was,« sagte Gottfried in ungewohnter Leutseligkeit.[199] Als ihm nun Erdmuthe die Hand auf die Schulter legte, bebte er zusammen. Spürte er vielleicht die Blutsverwandtschaft? Er war wenigstens so verwirrt, daß er dem Theilungskommissar – denn dies war der fremde Herr – nur ordnungslose Auskunft geben konnte über die Art, wie der Zerstückelung der Güter ein Ende gemacht und durch Tausch u.s.w. wieder abgerundete Ackerflächen zusammengelegt werden sollten.

Auf den Abend war die Sichelhenkete anberaumt und Gottfried sagte dem Bläsi, daß er die fremden Taglöhner ablohnen und fortschicken wolle. Bläsi widersprach und sagte, daß man die Lichtenhardter noch behalten müsse.

»Hast denn was mit dem Mädle?« fragte der Vater.

»Ich geb' Euch mein heilig Wort, ich hab' nichts mit des Traudle's Tochter,« erwiderte Bläsi und der Vater willfahrte ihm gern, er hatte ja Freude genug, daß sein verdüsterter Sohn ihm so heiter und frisch wieder erstanden war.

Bräutle lösen und Allerseelen

Bräutle lösen und Allerseelen.

Warum zögerte nur Bläsi mit der Offenbarung des Geheimnisses? Ihm bangte doch davor, denn er kannte die eiserne Härte des Vaters, er hatte auf irgend einen begünstigenden Zufall gehofft, aber der war nicht eingetreten, und wie das so geht, allmälig erwuchs ihm ein neuer Gedanke.

Viele Menschen sind oft am stolzesten auf Ereignisse [200] und Gedanken, die ihnen im Laufe der Zeit erwuchsen und bereden dann sich und Andere, daß dies ihre ursprüngliche, genau berechnete Absicht war. So beredete sich auch Bläsi, daß er die lange Verborgenheit erzielte, um den haushälterischen Sinn Erdmuthe's zu prüfen und in ihr zu pflanzen; denn so tief und innig auch seine Liebe zu Erdmuthe war, er war doch noch Gottfriedisch genug, um jede leichtfertige Vergeudung, ja sogar die bloße Sorglosigkeit als das ärgste Uebel zu fürchten, und man konnte nicht wissen, was noch Erdmuthe von der Gewohnheit ihres elterlichen Hauses anhange.

Erdmuthe hatte ihn nur das Einemal am Morgen vor der Ernte um Lösung des Geheimnisses gebeten, sie schwieg fortan und harrte geduldig. Um so drängender war Traudle. Sie schilderte die Gefahr, daß Jemand von Lichtenhardt komme und sage, daß ihre Tochter todt sei, sie schilderte ihre Qual und die Erdmuthe's in den grellsten Farben und wollte keinen Zweck der Zögerung anerkennen. Ja seit einigen Wochen wuchs die Sorge, daß das Geheimniß auf ungeschickte Weise offenbar würde, das sich so wunderbar lange erhalten hatte; der lahme Klaus mußte Erdmuthe halb erkannt haben, denn er lauerte ihr oft auf und lief an seinen Krücken ihr nach und fragte sie, ob sie nichts von Erdmuthe wisse; diese wies ihn barsch ab, aber sie weinte darüber im Stillen. Das Unglück kennt einander, nur Klaus hatte sie erkannt, und sie wich ihm nun aus und verbarg sich vor ihm; aber erst als Traudle ihn bat, ihr Kind in Ruhe zu lassen, ließ er ab, sie zu verfolgen.

[201] Die Sichelhenkete war in Lustigkeit vorüber. Gottfried hatte die Taglöhner für die bisherige Arbeit abgelohnt, und Erdmuthe als »Weischgefangener« noch ein besonderes Geschenk gemacht. Jetzt kam Traudle mit erneuertem Drängen, aber Bläsi ging zu Erdmuthe, die im Keller Kraut einschnitt, und fragte sie, was sie mit ihrem Gelde mache.

»Ich hab's bis auf zwei Gulden dem Traudle geschenkt,« erwiderte sie, und Bläsi gerieth darob in gewaltigen Zorn und schalt über Verschwendungssucht und böse Gewohnheiten. Erdmuthe ließ ihn austoben, dann erklärte sie ihm, daß sie ebenso gern arm sein möchte als in Reichthum kommen, und dieses sei ihr nur darum erwünscht, damit sie Anderen ohne Schmälerung des Besitzthumes Gutes thun könne; dürfe sie das nicht und vertraue ihr Bläsi nicht, daß sie haushälterisch sei, so verließe sie lieber in dieser Stunde das Haus und zöge wieder in die weite Welt, und wolle Niemand sagen wer sie sei. Nun ging es an ein abermaliges und gründliches Erörtern der beiderseitigen Geldschätzung, und Bläsi, der Erdmuthe hatte bekehren wollen, mußte selber bekennen, daß bei der Art, wie man in seinem elterlichen Hause allzeit in Angst und Sorge sei, man kein Vermögen besitze, sondern davon besessen sei, und daß es ein Taglöhner besser habe als ein Reicher, der immer den Geldschlüssel an's Herz gebunden habe. Bläsi verstand diese letzte Wendung wohl und er bat Erdmuthe nur, seinen Vater nichts merken zu lassen, daß er und sie andern Sinnes seien. Mit Freude gab ihm Erdmuthe die [202] Hand darauf und versöhnte ihn zuletzt noch völlig, indem sie sagte:

»Ich will dir's nur gestehen, ich hab' mein Geld noch, und hab' dem Traudle nur zwei Gulden geschenkt; aber weil du mich so mißtrauisch gefragt hast, hab' ich grad' umgekehrt gesagt; du mußt an mich glauben, ungefragt, wie ich an dich; ich mein', ich hab' dir's bewiesen.«

»Ja, und jetzt ist Alles gut und schön und am Allerseelentag kommt's erst recht. Meiner Schwester hab' ich zur Vorsorge Alles gesagt, und du sollst, wenn's Abend wird, zu ihr kommen. Es geht was vor. Sei gefaßt.«

Im eigenen elterlichen Hause fand sich Erdmuthe zuerst wieder daheim und erkannt, und es war das größte Lob, das ein Gottfriedisches aussprechen konnte, als die Schwester sagte:

»Mein Bruder macht ein größer Glück an dir, als wenn du dein Vermögen doppelt und dreifach noch hättest.«

Als andern Tages Erdmuthe mit vielen andern Frauen beim Hanfbrechen am Weiher war, kam auch Bläsi und bezahlte gern das übliche Lösegeld, das ein Mann geben muß, der den Frauen bei dieser Arbeit in den Weg kommt. Viele Knaben sprangen hier umher, die sich Peitschen flochten und das Bräutlelösen am Weiher spielten; als wäre er selber noch ein Kind, nahm auch Bläsi dieses Spiel auf, und Alles staunte und jubelte über seine Geschicklichkeit. Im Uebermuthe seines beseligenden Geheimnisses und in der kecken Lust es zu verrathen, rief er:

[203] »Das hab' ich vor vielen Jahren mit der Erdmuthe gespielt, sie hat lang auf dem Wasser getanzt, endlich ist sie doch untergeplumpst.«

Niemand verstand ihn als Erdmuthe und die Schwester, die Anderen sahen einander staunend an und ihre Blicke sagten: jetzt hat man gemeint, er wär' geheilt, und jetzt ist er doch wieder nicht recht im Kopf. –

Ein stiller sonnenloser Tag brach an, der Himmel war weißlichgrau und die Erde auch, denn ein Winterreif lag auf Gras und Scholle und auf den Spitzen der Wintersaat. In jener Buchenumzäunung vor dem Dorfe brannten hunderte von Lichtern auf den schwarzen Kreuzen, kein Windhauch wehte und die Lichter brannten unbewegt; auf einem Kreuze flammten zwei Lichter und darunter stand der Name: Erdmuthe. Die Lebenden gingen zwischen den Gräbern der Abgeschiedenen umher, Niemand sprach ein lautes Wort, nur leise Gebete wurden gemurmelt, die Lebenden selber glichen umwandelnden Geistern und Mancher mußte denken, daß er über's Jahr vielleicht auch hier unter dem bereiften Boden liege und ein Licht brennt zu seinen Häupten. Auch Gottfried wandelte hin und her, er hatte Gräber von Eltern und Kindern und von der Schwester hier. Als er sich diesem wieder nahte, lag eine Frauengestalt auf demselben ausgestreckt und schluchzte, daß es ihr den ganzen Körper zusammenschütterte. War das nicht die Tochter Traudle's, zum Erstenmal barhäuptig?

»Was hast du da? Was geht dich das Grab an?«[204] fragte Gottfried. Dringt das Antlitz der Verstorbenen aus der Erde? Mit bleichen Lippen fragte Gottfried noch einmal?:

»Du bist –«

»Ja, ich bin die Erdmuthe, Eurer Schwester –«

Lautlos sank Gottfried auf den Boden, Alles sprang herbei, man trug ihn erstarrt davon, eine Leiche vom Kirchhofe.

Weinend ging Erdmuthe hinter drein, ihr entgegen kam Bläsi mit seiner Schwester, und sie sahen mit Entsetzen, was geschehen war. Bläsi hatte heute dem Vater auf dem Kirchhof Alles sagen wollen, nur so glaubte er ihn erweichen zu können; Erdmuthe arbeitete auf dem Kartoffelfelde beim Wegweiser und sollte warten, bis man sie holt, aber es duldete sie nicht, sie lief vorzeitig hin und so geschah, was wir erfahren.

Inmitten des Jammers um Gottfried, den jetzt wieder Alles lobte, erfuhr man, daß die vermeintliche Tochter Traudle's des Cyprians Erdmuthe sei, an die Niemand mehr gedacht. Man wollte es nicht glauben, daß sie schon einen ganzen Sommer im Dorf war, das schien unmöglich, und die Gruppen der Neugierigen und Theilnehmenden wechselten zwischen dem Hause Gottfrieds und dem Cyprians, wo die Rodelbäuerin Erdmuthe zu sich genommen und in die Kammer eingeschlossen hatte.

Nach einer Stunde, in der Erdmuthe die höchsten Qualen ihres Lebens durchmachte, kam die Rodelbäuerin zu ihr und verkündete, daß man den Vater wieder zum Leben gebracht habe, daß ihm aber die Stimme [205] versage. Bald darauf kam auch Bläsi mit der Nachricht, daß der Vater spreche, nur sage er, er müsse sterben, weil seine Schwester ihm erschienen sei. Erdmuthe war trostlos, weil sie nicht aus dem Hause durfte und nichts thun konnte zur Abwendung des großen Leids, das sie über die Familie gebracht, aber Bläsi tröstete sie und sagte:

»Wir haben's verschuldet, ich besonders, es ist sündlich gewesen, dich so lang hinzuhalten. Mach dir nur keine Vorwürfe und Niemand soll sie dir machen.«

Die Rodelbäuerin ging wieder hinab in's Elternhaus, und bald kam an ihrer Stelle die Schultheißin und umarmte Erdmuthe innig, und seltsam äußerte sich ihr Herz, indem sie Erdmuthe schalt, daß sie sich nicht schon lang zu erkennen gegeben; sie könne nichts dafür, daß sie sie als Taglöhnerin behandelt habe.

Das Erste, das wieder Heiterkeit gewann, die Ohnmacht Gottfrieds für vorübergegangen ansah und sich an der Wichtigkeit seiner Bedeutung freute, war Traudle, und sie wiederholte oft, ihr wäre jetzt so leicht als wenn eine schwere Last von ihr genommen wäre. Der lahme Klaus saß auf der Steinbank vor dem Hause und rühmte sich seiner Klugheit, daß er allein Erdmuthe erkannt habe. Er beklagte sich bitter, daß man nie genug anerkenne, wie er gescheiter sei als Alle im Dorfe; aber als der erste Schreck vorüber war, neckte und hänselte man ihn nur über seine Weisheit. Erdmuthe indeß ließ ihn zuerst vor Allen zu sich heraufrufen und reichte ihm die Hand, und nun hatte er doch noch seinen Lohn.

[206] Man konnte dem alten Gottfried nur schwer begreiflich machen, daß die er gesehen, die lebendige Erdmuthe sei. Er schüttelte immer mit dem Kopfe, endlich schien er es doch zu fassen, denn er sagte:

»Ich hätt' eher geglaubt, daß die Todte wieder aufersteht, als daß die aus Amerika kommt.«

Er verlangte Erdmuthe zu sehen, aber man willfahrte ihm erst andern Tages, und er selber befahl, daß man ihr das alte Ehrenkleid bringe, sie solle in diesem zu ihm kommen. Das ganze Dorf lief zusammen, als Erdmuthe mit dem Ehrenkleid ihrer Mutter angethan und mit dem Halsgeschmeide geziert, das sie treulich bewahrt hatte, nach dem Hause Gottfrieds ging. Sie küßte die zitternden Hände des Oheims, der lange nichts reden konnte, endlich sagte er, auf die siebenfache Granatenschnur mit dem Schwedendukaten deutend:

»Wer hat dir das geben?«

»Mein Vater.«

»Hast du sonst noch was von deinem Muttergut gerettet?«

»Nein.«

Gottfried legte die Augen zu und schwieg, da trat Bläsi vor und sagte:

»Sie braucht jetzt nichts mehr, sie hat wieder Vater und Mutter am Leben, es fehlt ihr nichts mehr –«

»Als ein Mann,« ergänzte Traudle.

»Und den hat sie auch,« begann Bläsi wieder, »den Ring da an der Hand trägt sie von mir, der ist auch aus dem Grab auferstanden.«

[207] Er erzählte, wie er den Ring vergraben gehabt, Gottfried nickte still ...

Sobald der Dispens eingetroffen war, noch vor der Fastenzeit, wurde die Hochzeit Erdmuthe's und Bläsi's gefeiert, und Gottfried, der viel daheim sitzen mußte, hatte es am liebsten, wenn Erdmuthe bei ihm blieb; er sprach wenig, aber ihre Nähe that ihm wohl.

Im Frühling wurde das Haus neu verputzt und wenigstens ein Eisengitter abgethan. Gottfried gab Erdmuthe Recht, daß er so besser auf die Straße sehen könne.

Ein Brief an Gottfried aus der neuen Welt von Cyprian, vollendete noch im zweiten Sommer die Sühne. Cyprian klagte bitterlich um das verlorene Kind, betheuerte seine Unschuld und zwar, wie er oft wiederholte, im Angesicht des Todes. Er mußte im Innersten zerbrochen sein, denn er bat Gottfried um Verzeihung für all die Unbill, die er ihm angethan, und immer wieder sprach er von seinem nahen Tode. Gottfried schrieb selbst einige Worte zu dem Brief Erdmuthe's, worin sie alles Geschehene erzählte. Es ist aber nicht bekannt worden, ob der Brief Cyprian noch am Leben traf.

Am Wegweiser unter dem Apfelbaum errichtete Bläsi eine Steinbank und ließ den Namen Erdmuthe darauf eingraben, und an sommerlichen Sonntagsnachmittagen erschallt es allzeit hier von Lachen und Singen der jungen fröhlichen Welt.

[208]

Der annotierte Datenbestand der Digitalen Bibliothek inklusive Metadaten sowie davon einzeln zugängliche Teile sind eine Abwandlung des Datenbestandes von www.editura.de durch TextGrid und werden unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz (by-Nennung TextGrid, www.editura.de) veröffentlicht. Die Lizenz bezieht sich nicht auf die der Annotation zu Grunde liegenden allgemeinfreien Texte (Siehe auch Punkt 2 der Lizenzbestimmungen).

Lizenzvertrag

Eine vereinfachte Zusammenfassung des rechtsverbindlichen Lizenzvertrages in allgemeinverständlicher Sprache

Hinweise zur Lizenz und zur Digitalen Bibliothek


Holder of rights
TextGrid

Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2011). Auerbach, Berthold. Erzählungen. Schwarzwälder Dorfgeschichten. Achter Band. 3. Erdmuthe. 3. Erdmuthe. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-1427-1