Beichte

Der Sonntag winkt mit stillen Blicken
Und schmückt ein jedes Blumenbeet,
Der Gärtner will ein Sträußlein pflücken,
Weil seine Frau zur Kirche geht.
Und kann sich immer nicht entschließen,
Wo er sein Messer brauchen soll,
Die Blumen sich im Thau noch küssen
Und Herz am Herzen hängt so voll.
Da kommt sein junges Weib gegangen,
Ihr schwarz Gebetbuch in der Hand,
Ihr Blick gesenkt im frommen Bangen,
Zur Laube hat sie sich gewandt;
Wie heimlich glüht die Geisblattlaube,
Ihr Schatten ist ein duftig Bad,
Und drinnen girrt die Turteltaube
Und Nelken glänzen an dem Pfad.
Da spricht die Frau mit bangen Sorgen:
Vergessen ist die Sündenschuld,
Was wollt ich beichten heute Morgen,
Ach Gott, hab nur mit mir Geduld.
[174]
Ach hätte ich nur eine Stunde,
Mir fielen wieder Sünden ein,
Aus welchem bösen Sündengrunde
Mag ich wohl so vergeßlich sein.
Der Gärtner hat sich nicht verstecket,
Doch ist er nicht von ihr gesehn,
Die Reben haben ihn gedecket,
Er staunet still, wie sie so schön;
Es kniet sein Weib am Bänklein nieder
Und deckt das holde Angesicht,
Und steht dann auf und saget wieder:
Was ich gesündigt, weiß ich nicht.
Der Mann will eben zu ihr springen,
Und ihr in Kraft von Lieb und Lust,
Vergebung für die Sünde bringen,
Die ihrem Herzen unbewußt,
Da hört er eine Harfe klingen,
Sieht eine Frau mit grünem Hut,
Die ihr will süße Früchte bringen,
Die Frau sagt wahr und ist ihr gut.
Sie küßt die Hand des schönen Weibes
Und rufet mit Verwundrung aus;
»Du bist gesegnet Deines Leibes,
Und Segen kommt nun in Dein Haus!«
Beschämt will es die Frau nicht glauben,
Und klagt wie schwer zu Muthe ihr,
Tyrola spricht: »Eh reif die Trauben,
Die jetzt so hart, dann glaubst Du mir.«
Ihr glaubt die Frau und heil'ge Blicke
Wie Perlen sie umkränzen schön,
Tyrola singt von ihrem Glücke
Zu ihrer Harfe Vollgetön;
Was sie gedrückt war keine Sünde,
Es war die ungewohnte Lust,
Daß sie den Dank zu Gott verkünde,
Erhebt Gesang die freud'ge Brust.
[175]
In wessen Herz die Sünde schweiget,
Da klingt des Herren Lobgesang,
Das Dasein sich so freundlich zeiget,
Wenn neue Hoffnung es durchdrang,
Sie fleht, daß sie der Herr durchdringe
Mit seines Geistes Gegenwart,
Daß früh ihr Kind den Geist empfinge,
Wenn es noch bildsam, rein und zart.
Da kann der Gärtner sich nicht halten,
Er stimmt in's fromme Lied mit ein,
Und muß die Hände betend falten:
So muß sich eine Kirche weihn!
Und er gelobt, an dieser Stelle,
Zum Angedenken dieser Gunst,
Will er erbauen die Kapelle
Mit hocherfahrner Bildner Kunst.
Es steht die Frau in Scham betroffen,
Woher er ihr Geheimniß weiß?
Er spricht: »Ich sah den Himmel offen,
Ein Engel sagte es mir leis:
Und alles Geld, was Du gesparet,
Den Armen gieb zum Freudenmahl,
Daß Gott, der Herr, Dein Kind bewahret
Und führt es leicht zum Sonnenstrahl.«

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TextGrid Repository (2011). Arnim, Ludwig Achim von. Gedichte. Nachlese. Beichte. Beichte. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-12AC-7