Prolog
Das erste Wort wird einem tiefen Schmerze
So schwer zu denken, – schwerer noch zu sagen,
Unendlich scheint der Schmerz, kein Wort genügt;
Doch haben Blicke sich erst still besprochen,
Da dringt der Strom, der in dem Busen dränget,
Zum trüben Licht der Welt, die uns verleidet,
Und reißt sie mit in seinen öden Lauf; –
Vergebens sucht der Stärkste sich zu halten,
Umsonst schämt sich der ernste Mann der Thränen,
Die Trauer hat ihr Recht so wie die Liebe,
Der Schmerz macht menschlich schwach und göttlich stark,
Was alle trifft, schlägt keinen ganz darnieder.
[323]
Mitleid'ger Wiederhall der öden Klagen,
Aus jedem Mund, aus jedem Sinn erschollen,
Du lehrest uns, daß unser Schmerz verstanden;
Wir blicken alle zur Vergangenheit,
Und staunen, daß sie neu in uns belebt,
Die Trauer hat sie uns zurück gebracht,
Wir leben neu in der vergangen Lust,
Als hohe Schönheit uns noch froh beherrschte: –
Wir theilen gern, was so zum Trost gewonnen,
Und gleichen Trost giebt jeder uns zurück, –
So wird um uns, noch ehe wir es wissen,
In jeder Trauer eine Trauerfeier,
Wo sich das Herz mit jedem Wort erleichtert.
Doch das genügt noch nicht den treuen Seelen!
Wir suchen schon von Lebenden ein Bild,
Das sie bewahrt in ihres Lebens Blüte,
Doch wie viel mehr ist uns ein Bild der Todten,
Die in des Lebens Blüte uns entrissen! –
Das todte Bild giebt mehr als alle Worte,
Es wird zum Denkmal, heilig ist's dem Schmerz,
Es lebet uns, es scheinet uns zu trösten,
Und nichts ist Schein, was unser Herz gefühlt. –
O seid gesegnet Bilder der Verehrten,
Wir möchten opfernd alle Pracht euch weihen,
Zu eurer Ehre alle Kunst erschöpfen; –
Doch was an Sie uns mahnt, das wird verklärt,
Manch einfach Wort, das aus der Seele dringet
Verherrlicht sich zu einer Todtenfeier,
Ihr liebreich Bild, woran der Blick gewöhnt,
Ist herrlicher als aller Künste Pracht.
Nach diesem Wort, das unsern Sinn gedeutet,
[324]Zu deren Feier wir allhier versammelt,
Es giebt dies Bild uns Zeichen ihrer Nähe,
Sie scheint noch unter uns wie sonst zu wohnen;
Weh uns, daß wir der Hohen Tod hier feiern,
Die noch vor wenig Monden hier in Trauer
Der auch für Sie den frühen Tod gestorben:
Er hörte das Gebet der Frühverstorbnen
In ihrer Krankheit letztem Schmerzensruf,
Womit Sie ihn um Beistand angeflehet,
Er gab Ihr die Geduld und auch den Glauben,
Entführte Sie im sanften Schlaf dem Leiden.
Zum Angedenken ihres schönen Todes,
Steht ihr Geduld und Glauben fest zur Seite,
Des Glaubens Kreuz und das geduld'ge Lamm,
Und über Ihr da glänzt der Sternenkranz:
Der ew'ge Lohn aus unsichtbarer Hand. –
Rings zeigt der dunklen Thränenweide Laub,
Zur Erde wallend wie die Trauerfahne,
Wie unser Blick gesenkt in tiefer Trauer, –
Doch zu dem Himmel flammt das Todtenopfer!
So schaut das kleine Denkmal, das wir schufen,
Ihr Bild ist jedes Denkmals schönste Zierde,
Es mildert aller Trauer scharfe Härte.
Wie ich bei ihrem Anblick mich vertiefe,
So mindern sich die Schrecken dieser Zeit,
So schweben mir im Geist die Trauertage
Wie schwarze Genien, doch zornlos über;
Es bleibt vor allen einer in der Seele,
Der ernste Tag, als diese große Stadt
Der hohen Leiche schwarz entgegen wallte.
[325]Es schien die Stadt erstorben überall
Und alles Leben zu der Leiche hingebannt,
Die, von den Würdigsten so ernst begleitet,
Geheimnißvoll verhüllt vorüberzog.
Der Zug ging langsam unter stillen Thränen,
Und leise hob sich dann des Volkes Rede,
Und jeder rühmte Sie, der Sie gekannt,
Und jeder Arme rühmte ihre Milde.
Es ward die Nacht der Todten schönste Feier. –
Ihr Lob hat unser Herz mit Sang erfüllt,
Mit Wiederhall der allgemeinen Stimme;
So sei die Feier dieser Nacht zur Feier
Der hohen Todten von uns angestimmt: –
Zu aller Armen Trost schallt unser Lied,
Daß Sie auch nach dem Tode Segen spende, –
Es giebt ihr Geist uns dazu Kraft und Muth.