Der unterirdische Pilger

Aus Bruckmanns Beschreibung aller Gebirge.


Ein Pilger wollt ausspüren
Der Erd' Metallen-Geist,
Da hieß man ihn spaziren,
Ins Bergwerk man ihn weist,
Da führten ihre Schicht
Vier Männer mit zwei Weibern,
Die trügen in den Leibern,
Worauf sein Herz gericht.
Er glaubts und fuhr in Stollen,
Da fand er einen Held,
Deß Faust vom Stahl geschwollen,
Zum Schlegel sich wohl stellt,
An Kleidung war er roth:
Nachdem der Krieg geendet,
Zur Arbeit er sich wendet,
Wollt er nicht leiden Noth.
[247]
Der fuhr mit harten Worten,
Den fremden Landsmann an,
Sprach: »Wer zeigt dir die Pforten,
Die keiner treffen kann?
Wer stählet deinen Muth,
Dich so ohn Furcht zu wagen?
Wen suchst du wegzutragen,
Hat deine Brust auch Blut?«
Der Gast erschrack darüber,
Doch gab er Antwort drauf,
Sprach freundlich zu ihm: »Lieber!
Mein Held, halt mich nicht auf:
In den Berg soll ich gehen;
Vier Männer stark von Leibern
Die sollen mit zwei Weibern
Allhier in Arbeit stehn.
Die Stuffen die sie puchen,
Die sollen der Zeuch seyn,
Den alle Weisen suchen,
Aus dem der Weisen Stein
Wird künstlich zugericht,
Drum bin ich hergezogen;
Werd ich auch seyn betrogen?
Krieg ich ihn, oder nicht?«
»Du hast wohl recht vernommen,«
Sagt ihm der erste klar:
»Vier Männer sind herkommen
Mit dem Fraun-Zimmer-Paar,
Und haben, was du willt
Besonders und zusammen,
[248]
Weil wir von einem Stammen:
Doch merke, was es gilt.
Ich zweifle noch am Kriegen,
Wir habens tief versteckt,
Den kannst du zwar besiegen
Ders leichtlich dir entdeckt,
Ich geb es warlich nicht,
Es sey denn daß im Kämpfen,
Du meine Macht kannst dämpfen
Und mich dein Schwerdt hinricht.
Hier, hier in der Herzkammer
Trag ich den edlen Schatz:
Kannst du mit deinem Hammer
Dir dazu machen Platz,
So büß ich leider ein:
Denn dieses muß mir geben,
Kraft, Nahrung, Stärk und Leben,
Und allen, die hier seyn.«
»Du bist ein harter Knorren,«
Hub drauf der Pilger an,
»Ich bleib itzt unverworren
Mit dir, du Krieges-Mann,
Wiewohl ich könnte thun,
Wie David mit der Schleuder,
Doch ich schon' unser beider,
Und will dich lassen ruhn.«
»Ich rath dirs,« sprach der Hauer,
»Tritt mir nicht auf den Fuß,
Mein Liebchen sieht auch sauer,
[249]
Im Fall sie kämpfen muß;
Reiz ihre Waffen nicht,
Ist mein Zorn Leuen-Werke,
So thut sie Leuin-Werke,
Wenn man auf sie loß sticht.
Laß unsern Hauptmann sitzen,
Laß seine Frau zu Ruh:
Was kann ein König nützen?
Die Königin dazu?
Ihr Pralen ist zu groß,
Kannst du gleich was erheben,
So must du viel ausgeben,
Eh dein Gewinn steht bloß.
Doch wirst du weiter gehen,
Ins innerste Gemach,
Wirst du sehn andre stehen,
Die füllen Dach und Fach:
Bewältigest du sie,
So kannst du fröhlich leben,
Und deinem Nächsten geben,
Was er darf spät und früh!«
Der Fremde fuhr bald weiter,
Und lief den Strecken nach,
Kein Mensch war sein Begleiter,
Er fand ein neues Dach;
Da stand ein glänzend Mann,
Mit Kleidung wohl versehen,
Den sprach der Gast mit Flehen,
Gleich wie den ersten an.
[250]
Der Knappe gab ihm wieder,
Mit Nein! Nein! nur Bescheid:
»Sollt ich und meine Brüder,
Uns tödten vor der Zeit,
Das ist zu viel begehrt:
Der König selbst muß sterben,
Die Königin verderben,
Wird dir dein Wunsch gewährt.«
Dem Fremden stach das Fünkeln
Des Mannes ins Gesicht,
Daß er zu allen Winkeln,
Im Augenblicke richt,
Ob jemand zu der Hand,
Der seinen Sinn möcht merken,
Und ihn von seinen Werken,
Abtreiben mit Bestand.
Er dacht ihn umzubringen,
Zu rauben seinen Schatz,
Meint, es würd ihm gelingen,
Weil er so kriegte Platz,
Den König auf die Bahr,
Sammt dem Gemahl zu legen,
Dieweil durch jenes Regen,
Auch lebte dieses Paar.
Weil er nun ganz alleine,
Greift er den Knappen an,
Der mit dem klaren Scheine,
Die Fremden reizen kann;
Stößt nach der Gurgel frei,
Der schreit, Gewalt zu sparen,
[251]
Er will ihm offenbahren,
Was ihm annehmlich sey.
Der Gast ließ sich erbitten,
Und fragte: Was er sey?
Der sprach: »Hinein geschritten!
Da sitzet an der Reih
Ein alt kißgrauer Mann,
Der hat mehr von den Schätzen,
Der kann dich baß ergötzen,
Als ich dir zeigen kann.
Es wird dir frei gelingen,
Die vorgesetzte Sach,
Und kannst ihn leicht bezwingen,
Weil er von Alter schwach:
Der ists, der Hüter ist
An königlicher Pforten,
Dem man ein zu antworten,
Den Schlüssel hat erkießt.«
Der Fremde ging von dannen,
Fand endlich einen Greiß,
Der leicht zu übermannen,
Ohn alles Blut und Schweiß,
Sein Kittel war gering,
Er sah beschmutzt, elende,
Und lehnt sich an die Wände,
Betrübt, weils ihm so ging.
Der Pilger sprach ingleichen,
Ihn um den Handstein an,
Er möcht ihm den doch reichen;
[252]
Der Geist sprach: »Lieber Mann,
Gehst du dem Zeuge nach,
Nach dem die Herrn und Fürsten,
Unmenschlich brennend dürsten,
Wie Tantalus am Bach?
In mir kannst du ihn haben,
Ich bin schwach! sonder Müh,
Weil ich die theuren Gaben,
Im Magen trag allhie,
Davon mir Nahrung kömmt,
Und aller andrer Leibe;
Nicht, wie der mit dem Weibe,
Der über dich ergrimmt.
Derselbe trägts im Herzen,
Und schleußts inwendig ein,
Doch macht es mir viel Schmerzen,
Soll ich Gewährs-Mann seyn?
Mein Grab ist ja dein Stoß,
Ach schone meines Lebens!
Was würgst du mich vergebens?
Ich bin alt, arm und bloß.
Ich bin der Kinder-Fresser,
Was Noth, daß du viel lochst?
Mein Nachbar hat viel besser,
Was du so emsig suchst;
Drum prahlt er also sehr,
Er ist, schau nur ein Lager,
Der Königin Herr Schwager,
Was willt du ferner mehr?
[253]
Hast du den übertäubet,
So hast du mehr Gewinn,
Wie sehr er sich auch sträubet,
Nimmst du sein Reichthum hin,
Viel eher, als bei mir,
Mir Armen und Verachten,
Ich geb es zu betrachten,
Was meines Stands-Gebühr.«
Der Pilger trug Erbarmen,
Ließ sich dies machen weiß,
Dacht heimlich: Von dem Armen,
Erhalt ich keinen Preiß,
Eh will ich mit Gewalt
Durch ritterliches Kämpfen,
Den nächsten Nachbar dämpfen,
Giebt ers nicht alsobald.
Gesegnet so den Alten,
Und geht von ihm hinweg:
Der mocht sich nicht enthalten,
Weil jener von dem Zweck
In Eil verführet war,
Daß er nicht in der Stille,
Sich in der grauen Hülle,
Zulachte, gut und gar.
Bei so gestalten Sachen,
Sah unser Gast zurück,
Und sah den Schmutzbart lachen,
Rief lachend: »Altes Stück,
Was lachst du mich viel aus?
Sieh da! Bist du der Schleicher,
[254]
Der manchen armen Streicher
Gebracht um Hof und Haus?
Kannst du den Jäcken stechen,
So stech ich dir ihn auch,
Den Hals will ich dir brechen,
Wie hart auch dir der Bauch,
Treib denn mit andern Spott:
Den Schatz must du mir geben,
Wie lieb dir auch dein Leben«:
Und stieß ihn also todt.
Dis war des Reisens Ende,
Der Pilger kam anheim,
Und grub in eine Blende,
Den jetzt gesungnen Reim.
Wer sich mit dieser Sach,
Einmahl auch will besachen,
Schau auf des Alten Lachen,
Natur die spricht: Mir nach!

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TextGrid Repository (2011). Arnim, Ludwig Achim von. Gedichte. Des Knaben Wunderhorn. Band 1. Der unterirdische Pilger. Der unterirdische Pilger. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-0B13-0