[287] Rausche durch den Wald

1853.


Rausche durch den Wald, rausche durch das Herz,
Tränenzorn, du frischer Lebenswind!
Schweige nicht das Wort, schweige nicht den Schmerz,
Rausche, du des Muts erstgebornes Kind!
Rausche, brause frisch! Klinge, schalle kühn!
Kühner, weil der Feigheit Pestilenz,
Deutsche Pest, uns leirt Welken und Verblühn,
Winterfrost und Tod vor dem deutschen Lenz.
»Wo ist Babel heut? Wo das alte Rom?
Welche Fahnen wehn heut vom Kapitol?
Wie kein Tropfen fließt je hinauf den Strom,
Find't erloschner Stern nimmer neuen Pol.«
Leiertest du so mit, verschneiter Greis?
Tod und Nacht, die deutsche Greisennacht,
Weil kein Kaiser kommt, welcher weist und weiß,
Was den deutschen Mut stark und fröhlich macht?
Feiger Memmen Klang tönest du so nach,
Weiberhoffen, Weiberzagen nach,
Weil noch immer kein Adlerflügelschlag
Klingt den langen Schlaf Barbarossas wach?
Nicht also mit dir! Nimm dir deutschen Schwung,
Deutscher! Nimm einmal dir den deutschen Stolz
Für dein großes Volk, unter Greisen jung,
Grün wie seines Waldes grünstes Eichenholz.
Nicht also mit dir! Rausche durch den Wald!
Rausche, brause, Zorn, durch Stein und Bein!
Brause, deutscher Mut, Gottes Zorngewalt!
Greif die Adler dir, laß die Krähen schrein.

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TextGrid Repository (2011). Arndt, Ernst Moritz. Gedichte. Gedichte. Rausche durch den Wald. Rausche durch den Wald. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-05CA-A