[296] Frühlingsruf an den Greis

1855.


O holder Frühling, lieblicher Mai,
Wie lustig hör' ich noch dein Juchhei!
Die Vögel singen, die Bäche klingen,
Die Kinder und Lämmer zu Felde springen,
Und Kuckuck, Lerch' und Nachtigall
Tönen durcheinander den Freudenschall.
Dein Dreimalschelm doch, der Kucku,
Zählt schon mir kürzeste Zahlen zu:
Wie schrie er zu vierzig und fünfzig Malen
Sonst ungefragt mir die langen Zahlen!
Jetzt ruft mit neckischem zwei und drei
Er mir im Fluge: Vorbei! Vorbei!
Schrei' er sich heiser mit zwei und drei,
Ich schreie dem fröhlichen Mai Juchhei!
Seinen Abendschimmern und Morgenröten
Seinen Stimmen, die Freude und Liebe flöten.
Mich schreckt kein Kuckucksprophetenschrei,
Sein eins, zwei, drei und sein Vorbei.
Drum kling' ich lustig Juchhei! Juchhei!
Auf! Leuchte, Frühling, und jauchze, Mai!
Mich hat vor Gripsgrabbelei und Sorgen
Das fröhliche Sprüchlein vorlängst geborgen:
Auf Leid folgt Freude, auf Winter Mai,
So wandelt Leben und Jahr vorbei.

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TextGrid Repository (2011). Arndt, Ernst Moritz. Gedichte. Gedichte. Frühlingsruf an den Greis. Frühlingsruf an den Greis. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-0466-3