[261] Aus: Göttliche Liebesfunken,
Erster Teil

1698.

Vorrede

1.

Wofern es auff einigerley Weise möglich gewesen wäre/ so hätte man diese Blätter gerne nur einigen solchen Liebhabern durch den druck gemein gemachet/ welche sie mit so unpartheyischen Augen angesehen/ daß es keiner Entschuldigung bedürfft hätte. Nachdem es aber dergestalt auch unter andere gerathen wird/ hat man zuförderst eins und das andere ungegründete Vorurtheil nach Vermögen hinweg räumen wollen. Es ist der Autor hiermit keines Weges gemeinet die Anzahl derer Teutschen Gedichte zu vermehren/ oder den Namen einer jetzo gebräuchlichen Poetischen Schreib-Art zu verdienen. Beydes erfordert mehr Übung und Fertigkeit/ ist auch nach der Weise/in welcher es zur Zeit gegebrauchet wird/ mit nicht geringer Eitelkeit verknüpffet.

2.

Sondern die Gelegenheit zur gantzen Sache ist folgende: Es hat zum öfftern durch Veranlassung guter Freunde sich gefüget/ daß er auff ihr Erinnern über diese und jene Sinn- oder andere Bilder einige kurtze Verse entwerffen müssen. Nicht selten hat ihn selber diese und jene Begebenheit oder eigne Angelegenheit zu dem Außdruck seiner Betrachtungen gebracht. Bißweilen ist ihm unvermuthet etwa eine kurtze Aria oder ein ander Lied in die Feder oder nur in die Schreib-Tafel geflossen/ wenn er auff dem Lande spatzieren gangen/ und in Gott ruhig und frölich gewesen/ oder wenn sich auch sonst ein Antrieb zum Lobe Gottes ereignet hat.

[261] Das meiste/ ja fast alles ist unter andern häuffigen, und zwar ernsthafften Verrichtungen gleichsam gebohren/ und kan dahero dem Leser keine grosse Künste versprechen. So wird er auch viel weniger hochtrabende Worte/ weit gesuchte verblümte Redens-Arten/oder sonsten viel affectirte Manieren drinnen finden. Ja man hat manchmal gemeint das Recht zu haben/daß man nicht allezeit denen gemeinen Kunst-Regeln unterworffen wäre/ wo die Sache selbst und der Nachdruck etwas besonders erforderte. Man war gemeiniglich vergnügt/ wann ein Verß von sich selber ungezwungen dahin floß/ daß es keines Flickens und Kopffbrechens bedurffte; angesehen die Verständigen allezeit die gezwungene Reimerey unn das affectirte großsprecherische Phantasieren einiger Gern-Poeten in gleichem oder keinem Werth gehalten haben.

Und ob man wol an denen vortrefflichen dichtern/dergleichen Opitz/ Buchner/ Francke/ Hoffmannswaldau/ Lohenstein/ Johannes Angeluss, Rosenroth und andere gewesen/ viel grosse und recht göttliche Gaben auffrichtig bewundert und verehret; so ist doch die Zeit und Kräffte am besten und verantwortlichsten angewendet/ die sie auff Betrachtung beständiger göttlicher und ewiger dinge gerichtet. Zum wenigsten ist einem Christen seine übrige Lebens-Zeit so kostbar/daß er sie mit nichtigen Grillen oder solchen Übungen/ die sich nur auff diese wenige Jahre erstrecken/nicht verderben darff. Die Heydnischen Poeten/ und nach ihnen viel ihrer Nachfolger unter den sogenannten Christen/ machen viel Wesens von der Ewigkeit ihrer Gedichte und Wercke. Wie viel hundert haben dem thörichten Horatio sein Exegi monumentum aere perennius nachgelernet/ und müssen doch in der That erfahren/ daß allein das lebendige Wort des Schöpffers in Ewigkeit bleibe? O daß doch ein jeder unsterblicher Geist einmal recht klug würde/ die Nichtigkeit aller dinge/ und die immerwährende Liebe seines Schöpffers zu erkennen!

Hoffentlich soll der Leser hier keinen Anlaß zu eitelen Einfällen finden/ weniger unnütze und faule Worte/ die sonst fast das Wesen der gemeinen Poesie außmachen. Ich halte alles Dichten und Singen vor unnütze/ das nicht auß dem Geist Gottes fleusset. Und wer sich hiebey auff eigne Kunst und Hurtigkeit seines Kopffs verlässet/ der verfällt gemeiniglich im Meditiren auff ungereimte/ ärgerliche und unverantwortliche Sachen. Und hierinn bedörffte auch unsere Teutsche Poesie wol einmal eine [262] merckliche Verbesserung/ wollen wir uns anders auch vor denen Ausländern nicht ferner prostituiren. Dann welches redliche Gemüth kan doch wol die schändlichen und unflätigen Gedichte billigen/ die doch mitten unter denen/die sich rechtgläubig nennen/ ungescheuet geheget werden? Zu geschweigen/ daß man im Gegentheil leichtlich nichts leiden kan/ was sich von Gott nennet/oder von seinem höhern Ursprung zeuget. Ungeacht auch so gar die Heydnischen dichter von sich gesagt haben/ daß Gott in ihnen wäre/ und daß er sie triebe/wann sie feurig und geschickt wären/ Verse zu machen? Was solte dann nun ein wahrer Christ nicht von diesem ewigen Licht erwarten und geniessen/ welches er kennet/ und mit dem er genau vereiniget ist?

Vielmehr ist gewiß/ und dem offenbaren Willen Gottes gemäß/ daß ein Gemüthe desto besser von Gott und dessen Lieblichkeit zu singen und zu sagen wisse/ je genauer es mit ihm in Gebett und Gehorsam des Glaubens umbgehet. Es redet/ was es weiß/ und zeuget/ was es gesehen hat/ gesetzt/ daß die wenigsten das Zeugnis annehmen? Müssen wir/ wie jedermann zugibt/ Gott vor dem Ursprung aller Wissenschafften und Gaben erkennen und verehren: so wird ja vielmehr das von ihm kommen/ was ihn besinget und beschreibet. Und warum solte auch der Schöpffer nicht so mächtig und frey seyn/ eine Creatur nach seinem Wolgefallen zustimmen/ die ja ohne ihm keinen Finger regen darff! Wird ihm nun diese über diß getreu/und lässet die alte Unart außschaffen/ so füllet er sie mit sich selbsten/ d.i. mit allem ersinnlichen Gute/und sonderlich mit seiner empfindlichen Süssigkeit. Warum solte so dann der Mund nicht übergehen/ da das Hertz biß oben an voll ist? Oder wie kan ein Gefäß vor sich behalten/ wann ein Freund Gottes hier und da daran rüttelt und die Gabe durch sein Verlangen und Gebett erwecket?

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TextGrid Repository (2011). Arnold, Gottfried. Gedichte. Dichtungen und spekulativ-mystische Schrift. Aus: Göttliche Liebesfunken, Erster Teil. Vorrede. Vorrede. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0001-FD0B-0