97.
Spatzier-Gedanken.

1.
Ihr Hügel/ die ihr mich noch kennet/
Erinnert euch der grossen Lust/
die jenesmahl mir war bewust/
Als ich das Paradiß euch nennet.
Ihr Auen die ihr kont ergetzen/
Vergönnet mir/ daß ich die Freud/
Die mir der Herr bey euch bereit/
Dem Edens-Platz mag ähnlich schätzen/
Da spielte der Einfalt vollkommene Treue/
Und knüpffte die Bande der Hertzen auffs neue.
2.
Es musten frohe Lieder schallen/
Die Vögel musten Zeugen seyn/
Der schnelle Bach der stimmte ein/
Gott könt der Umbgang wol gefallen.
Die Creatur must uns bedienen/
Es lacht uns alles lieblich an/
Wir traten auff der Liebe Bahn/
Und lobten unsern Gott im grünen/
Man hatte der Städte Getümmel vergessen/
Und ware den Sorgen und Kummer entsessen.
[274] 3.
Ihr Zweige/ laßt die Blätter fallen/
Die ihr damahls so schön geblüht/
Und nun die Kräffte einwärts zieht.
Doch soll bey euch noch wieder schallen/
Nach dem ihr lang betrübt gesehen/
Was der und jener liebes weiß/
Und was er weiß von Gottes Preiß.
Ihr sollt bald wieder grünend stehen/
Wenn euch die erhöhete Sonne anblicket/
Und unsere Sonne die Hertzen erquicket.
4.
Die Hoffnung soll mir nimmer fehlen/
Daß mir ein Frühling wieder grünt/
Und mir mit frischen Rosen dient.
Ich will nicht mehr die Stadt erwehlen/
Und überall gebunden stehen;
Ich weiß noch endlich frey zu seyn/
Und in das freye Feld hinein
Mit dem/ was ich erwehlt zu gehen.
Ich gehe zur Freyheit auff guldenen Stuffen/
Das Echo soll itzo entgegen mir ruffen.

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TextGrid Repository (2011). Arnold, Gottfried. Gedichte. Dichtungen und spekulativ-mystische Schrift. Aus: Göttliche Liebesfunken, Erster Teil. 97. Spatzier-Gedanken. 97. Spatzier-Gedanken. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0001-FCE8-6