Des Dichters Freundin
Er lernte sie in einem Garten kennen.
Der Abend sog den feuchten Duft von überall her ein. Hie und da kam starker Blütenduft, man wusste nicht von welcher Stelle und von welchen Blumen. Plötzlich ein Duft und vorüber. Dann ging irgend jemand im Parke irgendwohin, verspätete Gärtnergehilfen, Wanderer.
Der Dichter dachte: »Schrecklich plaudert sie in mich hinein. Störe doch nicht diesen Abend, welcher Schweigsamkeit verkündet!« Sie erzählte von ihrem Bräutigam, erzählte, erzählte – – –.
Nach einem Concerte kam dieser nämlich an sie heran, welche ganz müde dasass und berührte unerhört liebevoll ihre Geige. Dann drückte er die Schnecke der Geige an seine Lippen, trotzdem er nur ein Kaufmann war.
»Wenn er die Schnecke nicht an seine Lippen gedrückt hätte!? So aber gewann er mich für immer. Wie ein Dichter war er damals.«
Der Dichter geleitete sie nach Hause. Er empfand, dass eine gute Seele, eine zarte treuherzige, sich aussprechen wollte mit ihm, wie das Dienstmädchen mit dem Beichtvater.
[225] Sie sagte: »Darf ich wieder kommen in den Garten?!«
»Kommen Sie.«
Jener, welcher die Schnecke der Geige an seine Lippen gedrückt hatte, schrieb: »Ich freue mich, dass Du einen Dichter, einen ›Adeligen der Seele‹, wie Du Dich ausdrückst, gefunden hast, welcher unsere Beziehung versteht und wie alles hat so kommen müssen und nicht anders hat sein können. Halte Dich an ihn, meine Geliebte.«
Eines Tages kam sie in den Garten zu dem Dichter, setzte sich auf die Bank bei der Bärenburg und weinte.
Er kaufte Brot und fütterte die Bären, von welchen einer blind war und schrecklich bemitleidet wurde vom Publicum. Er war aber am gemästetsten, weil alle nur diesen berücksichtigten und die anderen hatten von ihrem Sehen gar nichts.
Dann wandte sich der Dichter um und sah die Weinende.
Er drehte sich wieder herum zu den Bären und verscheuchte den gemästeten Blinden und begünstigte die mageren Sehenden.
Zwei Tage lang blieb das junge Mädchen aus. Am dritten Tage erschien sie wieder. »Was machen unsere Bären?!« sagte sie. Eines Tages aber sagte sie: »Mein Bräutigam hat mir abgeschrieben. Es ist aus.« Dann fütterten sie die Bären. »Weshalb?!« sagte der Dichter.
[226] »Ihrethalben.«
Der Dichter fütterte die Bären und verstand gar nichts. Auch das junge Mädchen verstand nicht viel und sah hinunter in den Bärenzwinger.
Eines Tages schrieb der Bräutigam an den Dichter: »Sie haben ein gefährliches Spiel getrieben mit Menschenherzen.«
Die junge Dame wurde krank und ging in eine Heilanstalt. Dort besuchte sie der Dichter.
Ein junger Arzt, welcher sie elektrisierte, schien rasend in sie verliebt zu sein.
Sie sagte zu dem Dichter: »Was machen unsere Bären?!«
Der Dichter sah, dass sie ziemlich heruntergekommen war.
»Wir sind schon wieder ausgesöhnt,« sagte sie zu ihm, »Gott sei Dank. Er hat Alles eingesehen.«
»So?!« sagte er und sah, dass sie ganz heruntergekommen war.
»Sie müssen viel schlafen und rohe Eidotter trinken.«
»Pardon,« sagte der junge Arzt, »das wäre nicht ganz am Platze. Eine verfehlte Methode. Sie muss elektrisiert werden.«
Der Dichter ging.
»Grüssen Sie unsere Bären,« sagte Sie.
Nach einem Monate schrieb sie dem Dichter: »Er hat mir endgültig abgeschrieben, heute. Ich habe meine Geige genommen und habe eine Stunde lang Beethoven gespielt und an diejenigen gedacht, [227] welche stehen gelassen werden und nicht Beethoven spielen könnten – – –.«
Der Dichter ging gleich zu ihr. Eigentlich nahm er einen Wagen und fuhr hin.
Da sagte sie: »Wenn er nur die Schnecke meiner Geige nicht geküsst hätte damals, ich hätte wirklich leichter los kommen können – – –.«
»Wann machen Sie Ihre Tournée nach Russland?!«
»In einigen Tagen.«
»Wie lange bleiben Sie aus?!«
»Sechs Monate.«
Da sagte der Dichter: »Nehmen Sie warme gestrickte Handschuhe mit für Ihre Geigenhände und warme Unterkleider. Schicken Sie mir Ansichtskarten von überall!«
»Sammeln Sie denn?!«
»Ja, ich sammle,« sagte der Dichter sanft.
[228]