Buß-Gedancken/
Als er sich unterweges verirret

Mein Gang verirret sich/ doch noch vielmehr mein Leben/
Mein ungewisser Schluß wählt nicht den rechten Pfad/
Der wanckelhaffte Sinn erkiest nicht gutten Rath:
Das schwache Wollen folgt des Fleisches Widerstreben/
[89]
Ich fühle die Vernunfft mit meiner Regung streiten/
Ich weiß fast/ was ich thun und was ich meiden soll.
Doch jenes fällt mir schwer/ und diß gefällt mir wohl/
Des Geisters Krafft entsinckt/ der Fuß beginnt zu gleiten.
Das Aug' erlustigt sich an fremd-verbotner Wahre/
Das Ohre nimmt mit Lust die süsse Reitzung ein/
Das Hertze giebet nach/ berückt durch gutten Schein/
Die matte Tugend liegt erstorben auff der Bahre.
Wo aber will ich hin? Des dicken Waldes Schatten
Vermehrt der langen Nacht betrübte Dunckelheit.
Ich seh und höre nichts/ als wie die Eule schreyt/
Wie Kröt und Otter pfeifft/ wo bin ich hingerathen?
Der erst-gebahnte Weg will nach und nach verschwinden/
Ich halte voller Furcht auff unbetretner Bahn/
In Hecken und Morast die müden Zügel an/
Weiß weder vor mich hin/noch hinter mich zu finden/
Die Freude geht vorbey/ die Wollust ist verschwunden/
Gelegenheit entflieht/ die schnelle Zeit fließt hin/
Furcht und Betrübnis bleibt der leidige Gewinn
Von aller Fröligkeit/ die ich zuvor empfunden.
Was Rath ist/ blödes Hertz! kanst du nicht mehr zurücke?
So brich zur Seiten aus/ halt dich zur rechten Hand/
Vermeide falschen Grund und suche festes Land/
Der Pusch und Himmel ist nicht aller Orten dicke.
Die braune Nacht entweicht/ die Mehrerin der Sorgen/
Der Monde weiset mir sein erstgebornes Licht/
Ich lerne wiederum erkennen Weg und Pflicht/
Mein frohes Hertze grüßt den nunmehr nahen Morgen.
Mein Urtheil weckt nun auff die eingeschläfften Sinnen/
Der Geist erholet sich/ gestärcket durch den Geist/
Der das verirrte Volck zu rechtem Wege weist.
HERR/ richte meinen Fuß/ und fördre mein Beginnen.

Der annotierte Datenbestand der Digitalen Bibliothek inklusive Metadaten sowie davon einzeln zugängliche Teile sind eine Abwandlung des Datenbestandes von www.editura.de durch TextGrid und werden unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz (by-Nennung TextGrid, www.editura.de) veröffentlicht. Die Lizenz bezieht sich nicht auf die der Annotation zu Grunde liegenden allgemeinfreien Texte (Siehe auch Punkt 2 der Lizenzbestimmungen).

Lizenzvertrag

Eine vereinfachte Zusammenfassung des rechtsverbindlichen Lizenzvertrages in allgemeinverständlicher Sprache

Hinweise zur Lizenz und zur Digitalen Bibliothek


Holder of rights
TextGrid

Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2011). Abschatz, Hans Aßmann von. Gedichte. Gedichte. Himmelschlüssel oder Geistliche Gedichte. Buß-Gedancken- Als er sich unterweges verirret. Buß-Gedancken- Als er sich unterweges verirret. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0001-D41C-3