9*Vorwortk.
C den folgenden Blättern wird dem geneigten Leser die Erzählung einer langen Reise durch ferne Länder geboten. Indem die Reisende im ganzen und großen einem Meridian folgte und in der entgegengesetzten Richtung beim
Ausgangspunkt anlangte, vollführte sie das, was man, Cine Reise um die Welt“nennt. Mein Ideal einer Reise um unsern kleinen Planeten wäre folgendes:ich würde von Deutschland nach Norwegen, dann über Spitzbergen und den lordpol nach Alaska gehen; nach langer Schiffahrt über den pazifischen Ozean würde ich Hawaii und Neuseeland besuchen, und dann über Wilkesland und den Südpol das Kap der guten Hoffnung gewinnen; von hier aus wollte ich mitten durch den dunkeln Erdteil nach Cunis gelangen, um dann den Heimweg zu meinen lieben Bergen zu finden. Aber, aber, diese Reise bleibt ein Ideal, für so lange wenigstens, als die Pole dem Menschen verschlossen sind. Doch verzagen wir nicht! Einst wird kommen der Tag, an dem die Polareisenbahn eröffnet wird; denn kein Erdenwinkel darf dem Erdensohne unbekannt bleiben.
Da also die Ingenieure die Cisbänke noch nicht überschient haben, so zog die Verfasserin des vorliegenden Buches es vor, ihre Neugier in westöstlicher
Kichtung zu befriedigen. „Neugierl diese unzarte Anspielung auf den liebenswerten Sehler jeglicher Cvastochter ist wenig galant, Herr Vorrednerl“ Ich bitte tausendmal um Vergebung; denn Neugier ist nichts weniger als ein Sehler. Diese Art Neugier erkläre ich rundweg als eine währschafte Tugend,als den Anfang der Weisheit, als die Philosophie des Ichs durch unbekannte Cänder und Volker. Wie die Cinförmigkeit Cangeweile, so erzeugt die Unbeweglichkeit allzeit trostlose Ode: die Sprache, das Cand, die Umgebung, die Leute, wir selbst erscheinen uns entsetzlich alltäglich, das Gefühl der Leere erfaßt uns; erst wenn wir aus unserer Umgebung in Gedanken uns herausreißen und mannigfaltige Ausblicke uns erschaffen, da weitet sich das Herz, da füllen sich unsere Vorstellungen. Cine Reise gar verwirklicht unsern Traum.Cokomotive und Dampfschraube befriedigen den so menschlichen Drang nach dem Unbekannten, sie stellen in ihrem entfesselten Laufe das Gleichgewicht in
C. von Rodt, Reise um die Welt.[]Vorwort. DDD her. Ein Vogel findet das von ihm erbaute Nest ja immer schön, der Mensch jedoch vergleicht. Wir würden in nationale Engherzigkeit verfallen, in jene wunderliche Selbstbespiegelung des Sakirs, wenn uns nicht die Erforschung der Welt belehrte, daß wir oft von Vorurteilen befangen sind, daß unser Land nicht das erste von allen ist und daß es andernorts uns ebenbürtige Menschen gibt.
Aber nicht jeder, der moöͤchte, kann die Küste verlafsen und hinausfahren in die ersehnte strahlende Serne. Dann nimmt er ein Buch zur Hand, dann bereist er in Gedanken die von andern aufgesuchten Länder, mischt sich unter fremde Volker, beobachtet deren Sitten, deren Tugenden und Sehler, und weltenweit entfernte Zustände werden ihm vertraut. So ist das Lesen von Reisebeschreibungen ebenso bildend wie gesund. Ja gesund! Denn es erweitert unsern Blick in die Wirklichkeit der Dinge, und die Renntnis des Weltalls ist überhaupt doch der schönste Erfolg des Studiums; es gestattet ein geistiges Ausruhen und bildet ohne zu ermüden den Jüngling, den reifen Mann und auch den Greisen, der gerne mit seinen Gedanken in fernen Gegenden weilt,bevor er die Reise in das bekannte unbekannte Land antritt. Und alle legen das Buch befriedigt aus der Hand, geistig bereichert und gestärkt in dem Bewußtsein der großen gemeinsamen Ideen der Menschheit.
Je länger und abwechslungsreicher die Reise ist, um so mehr wird sie unser Interesse wecken. Namentlich wir Schweizer lassen gar gerne unsere Blicke über die Candesgrenze schweifen. Denn gibt es auf Gottes Erdboden ein Cand, wo nicht einige unserer LCandsleute zu treffen sind? Und wie viele hegen nicht den heimlichen Gedanken, sich eines Tages in die weite Welt zu wagen, um das lockende Glück zu suchen? Und wie mancher Vater, der das eine oder andere Kind in die Sremde reisen sah, findet in einer Reisebeschreibung einen Sreund, der ihm von seinen Lieben erzählt und ihm rröstende Nachricht bringt?
Die Verfasserin des vorliegenden Buches ist gewiß nicht die erste Schweizerin, die eine Reise um die Welt unternahm, aber noch keine wagte je, eine solche zu beschreiben. Das war kein leichtes Stück Arbeit, und um so verdienstlicher, als die Reisende nie unser Heimatland aus den Augen verlor; der Hedanke an die Schweiz lenkte oft ihre Schritte und führte ihre Seder. Sräulein von Rodt hätte keine für eine passende Schilderung geeignetere Reiseroute wählen können. Die Vereinigten Staaten, wo die außereuropäische Reise beginnt, sind zwar nicht unbekannt, aber man ermüdet nie bei der Betrachtung []Vorwort.der unvergleichlichen Größe der Menschen und der Dinge dieses Kontinentes,der die unschätzbare Weisheit besaß, seine nationale Kraft nicht in Ranonen und Gewehren zu verbrauchen, der blüht und gedeiht, während das alte, von nationalen Neidereien und militärischen Rivalitäten zerrissene Curopa dem liedergang entgegengeht. Aber dies ungeheure Land ist doch nicht so allgemein bekannt, daß nicht mehr oder weniger neue Cinzelheiten hätten dargestellt werden können. Dem aufmerksamen Beobachter drängen sich im Mormonen lande, wo eine neue Religion entstand, im Park von Pellowstone, der eine geniale Idee darstellt, um welche wir die Amerikaner beneiden, in Kalifornien mit den himmelhohen Waldbäumen, deren Jugend in die Seit des Christoph stolumbus zurückreicht, neue, noch unverbrauchte Eindrücke auf. Darauf gelangen wir auf die Inseln von Hawaii, dem schönsten Erdenwinkel unter dem Himmelsgewölbe, wo unter dem Cinflusse eines Srauenregimentes schon seit alten Seiten eine recht bemerkenswerte heidnische Kultur entstand und sich halten konnte, bis die Chinesen die Lepra und die Curopäer den Alkohol brachten. Dann geht's nach Japan. Cin eigentümliches Volk, das japanische,groß in seiner angeborenen Sußlichkeit, von einer merkwürdig gleichmäßigen Gemütsstimmung, die weder bei Männlein noch Weiblein je einer Spur von Unwillen Raum gibt; und doch steckt etwas Revolutionäres in diesem Volke,das auf den Wink eines beinahe unsichtbaren Herrschers die altnationalen Gebräuche kühn über Bord warf. Und nun Chinal Hier ist entschieden der beste Teil des Buches. Der Cypus eines eingefleischt konservativen Volkes,welches in der Bewunderung seiner uralten Einrichtungen aufgeht sind sie doch beinahe so alt wie die Welt, jedenfalls einige zwanzigtausend Jahre ,marschiert an unserm Auge vorbei, und im Rahmen eines Gebietes von ungemessener Ausdehnung, im Lande der seengroßen Slüfse, werden uns solch einzigartige und zugleich geheimnisvolle Sitten und Gewohnheiten vorgeführt, daß wir uns sozusagen auf einen andern Planeten versetzt glauben. Vom Reich der Mitte, wo der Sohn des Himmels, der Bruder von Sonne und Mond über die Himmlischen regiert, kommen wir nach
Java, der Smaragdinsel, und nach Siam, dem Lande König Tchulalongkorns,der vor einigen Jahren bei der Schweiz zu Gast ging, nachher nach
Birma, nach Britisch-Indien, wo die Reisende zwölf bemerkenswerte Städte befuchte, dann nach dem wundervollen Ceylon, wo man so gerne seine
Tage beschließen möchte. Durch das Rote Meer und das Land der Pyramiden nahm die mutige Schweizerin den Heimweg in die Vaterstadt.[]PVorwort.Sie reiste als aufmerksame Beobachterin, begierig, alles auf ihrem Wege Bemerkenswerte zu sehen; auch als Philosophin, die sich ihre gute Laune weder durch schlechtes Nachtlager, noch durch teure Preise vertreiben ließ, noch, wenn DD sich aufhalten mußte. Die Erzählung, weil nur auf Selbsterlebtem und Selbstgesehenem beruhend, ist wahr, einfach und anspruchslos im besten Sinne des Wortes, belehrend und in hohem Grade interessant, ohne daß überraschende Abenteuer unsere Sinne in Erregung versetzen. Die historischen Mitteilungen fügen sich sehr gut der geographischen Darstellung ein und vervollständigen vorteilhaft das Bild der verschiedenen Länder, durch die das Buch uns führt.
Ein Buch dieser Art würde nur ungenügend seinem Sweck entsprechen,wenn nicht dem Worte das Bild erläuternd zur Seite träte. Die Illustration ist einfach wundervoll. Die Reisende brachte eine ganz bedeutende Sammlung von photographischen Ansichten mit. Ich darf wohl das Geheimnis verraten,meine Candsmännin, die vor allem die Wahrheit liebt, wird mir dies nicht verdenken, daß die Vignetten nicht ausschließlich ihrem Kodak entsprungen sind. Hatte sie doch das Glück, auf ihrer ganzen Reise Sreunde oder Reisegenossen zu finden, die sehr gerne ihre künstlerischen Calente ihr zur Verfügung stellten; kaum bewunderte sie eine malerische Gegend, so richtete sich sofort ein gefälliger Apparat auf dieselbe. Gerade diese Leutseligkeit und einnehmende Herzlichkeit zwei ganz besondere Reisetugenden trugen zum Gelingen der Weltfahrt das ihrige bei; sie verschafften der Reisenden oft Sutritt zu Dingen, die vielen andern sonst verschlossen sind. Die Photographien wurden prachtvoll wiedergegeben.
So bekräftigt auch dieses Buch von neuem den Ruf seines Verlegers,dessen literarische und künstlerische Unternehmungen alle Gebiete umfassen,sich Schlag auf Schlag folgen, und es tritt in die Welt wiederum als ein Dokument seines verdienstvollen Strebens, Bildung und Idealismus im Volke zu pflegen.
Möoge es denn auch gleich seinen Vorgängern bei den Schweizern daheim und in der Sremde, im In- und Auslande, die wohlverdiente freudige
Aufnahme finden.
Bern, im März 1903.Albert Gobat. [] B I 5
Brooklynbrücke be []Nork. S. 8) []
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Der „Große Kurfürst“.
Amerika.
New NVork.Abfahrt von Bern. Paris. Unterwegs nach Cherbourg. Auf dem „Großen Kurfürsten“. Reisegefährten.Meniis. Der Pafen von New Hork. Sollmiseren. Geschichte der Stadt. Aquarium. Fahrt nach Cornwall. Restaurants. Kew Yorks Wachstum. CentralMuseum. Gentral-Park. Die Amerikanerinnen.böflichkeit der Amerikaner gegen Damen. Brooklyn. State EmpireSug. Sahrt nach den Niagarafällen. Meine junge Reisegefährtin.Der 30. Mai 1901 war endlich herangekommen, der längst erwartete, ersehnte und insgeheim gefürchtete Tag meiner Abreise. Galt es doch eine lange weite Sahrt,die mich um die ganze Welt führen sollte, und zwar allein!
Natürlich fehlte es nicht an Ratschlägen, an Abmahnungen und Warnungen. War es ja in meinem Bekanntenkreis etwas ganz Unerhortes, nie Dagewesenes, daß eine Dame, eine wirkliche, leibhaftige Dame, ohne männlichen Schutz, unbegleitet und ungeleitet, sich üuber die gewohnten Grenzen hinaus bis zu den Urwaldstieren oder gar zu den Menschenfressern wagen sollte. Aber des Menschen Wille ist sein Himmelreich und ich reiste ab.
Der Abschied lag hinter mir, der Sug sauste durch die dunkle Nacht.
„Ganz allein gedenken Sie diese lange Reise zu machen, Sräulein von Rodt?“ließ fich eine zaghafte Stimme vernehmen. Mir gegenüber saß ein junges Mädchen, das meiner Obhut bis Paris anvertraut war, wo vorsorglicher Bahnhofempfang es erwartiete.
Schon wieder dieses in letzter Zeit bis zum Überdruß gehörte Wort! Allein?Was alles schließen diese sechs Buchstaben in sich! Gibt es denn überhaupt ein Nichtalleinsein im Leben, im gemütlich so vielfach bewegten des Weibes? Steht man nicht oft allein mit seinem besten Empfinden und Denken und gibt für seine nächste Um[]Reise einer Schweizerin um die Welt.gebung sogar nur kleine Münze aus, weil die Ansichten über die innewohnenden,wertvolleren so sehr sich widersprechen?wie verlockend klang es mir dagegen aus dem Räderwerk: frei! frei! Unbändige Reiselust prickelte mir in den Adern, und in unabsehbarer Weite dehnte sich die Zukunft:Blaue Meere, wehende Palmen, buntgefiederte Vögel braune, schwarze, gelbe Menschenzinder .. O all der Herrlichkeiten, die meiner warteten und deren Genuß kein hastender Cook» oder «Stangen, kein schnippisches Söfchen, keine unsympathische Reisegesellschaft mir schmälern konnten. Srohen Sinnes, leichten Herzens blickte ich ungeachtet des ominösen „allein“ zum nächtlichen Srühlingshimmel empor, aus dem die goldenen Sterne so freundlich und glückverheißend herniederwinkten. Ein unlängst gelesenes Sprüchlein fiel mir ein:
Pilgrim, fragst du: Woher? ich weiß es nicht.
„Sragst du: Wohin? ich weiß es nicht.
Aber den Himmel seh' ich voll Sterne
Und das Menschengeschlecht voll Ahnung des Himmels.“
So machte ich mir's in meiner Coupéecke bequem und schloß die Augen. Schweiz..? Ade!bschon noch Mai, brütete Hundstagshitze über Paris, meiner ersten Station.Die wenigen Tage dort vergingen rasch zwischen Louvresammlung, Musée de Cluny und Bois de Boulogne, lauter alten Bekannten. Neu nur war mir die Sainte Chapelle.In ihren hohen, farbigen Senstern brachen sich die Sonnenstrahlen und malten glühende Sarben in den hehren, feierlichen Raum. Ein unvergeßlicher Anblick!
Wie im Traume fand ich mich den 2. Juni im Cxytrazuge des Norddeutschen Cloyd, der die Amerikafahrenden nach Cherbourg befördern sollte. Die erste Gelegenheit,meine Reisegefährten über den Ozean zu mustern, bot der Lunch im Restaurationswagen.
Am TCischchen mir gegenüber saß eine hübsche Amerikanerin mit schneeweißem daar und jugendlichem Gesichte, aus dem zwei große blaue Augen klug und lebhaft in die Welt blickten. Schnell knüpften wir Bekanntschaft an und befreundeten uns später mehr und mehr auf dem Schiffe.
Durch schön bebautes Seld, aber häuserarmes Land raste der Sug Cherbourg zu,und als wir uns nachmittags dieser Stadt näherten, fuhren wir durch das ganze Jahrmarktstreiben einer wogenden Volksmenge, die uns johlend und schreiend zurief:⁊En route pour 'Amériquel-
Eine kleine weiße « Steamlaunch- wartete unserer. Sie brachte uns hinüber auf den eben so weißen „Großen Kurfürsten“. Laute Musik zum Empfang! Neugierig von den schon in Bremen eingestiegenen Passagieren angestarrt, stiegen wir, gleichsam spießrutenlaufend, die Schiffstreppe empor, und ohne Schwierigkeit vollzog sich die gefürchtete Einschiffung nach dem fremden Weltteil.
Auf die Ermüdungen und Aufregungen der letzten Wochen hin genoß ich voll und ganz die neun Tage auf See, genoß auch mehr als je während meiner Seereise das Susammensein mit der bunt zusammengewürfelten Gesellschaft. Es ist ein eigen Ding um das Leben auf so einem großen schwimmenden Hause. Man steht sich nicht nur räumlich, sondern auch geistig näher. Diefelbe Planke trennt uns ja alle von dem Wasser, das hier den sicheren Cod bedeutet, und von dem einförmigen Einerlei des Wassers und Himmels richtet sich die Aufmerksamkeit gespannter dem Reisegefährten []New PYork.zu. Unwillkürlich nimmt man teil an dem Glück, den Sorgen, Wünschen und hoffnungen,die all diese Menschenkinder in eine neue Welt hinaustreiben. Man wird selber mitteilsam und plaudert in den langen müßigen Stunden auf Deck gar manches aus, das besser im Geheimfach seines Innersten verschlossen bliebe.
Meine Gefährten waren meist Amerikaner oder Deutsche, oder sie gehörten zu jener mir sehr sympathischen Alasse der Deutsch-Amerikaner, welche deutsche Gemütlichsteit und Bildung mit amerikanischer Energie und Ritterlichkeit vereinen. An unserem Tischende, allgemein als die lustige Ecke bekannt, ging's gewohnlich hoch her. An
Ankunft in New Hork.keinem Abende fehlte der Champagner, und des öftern wurde dabei auf das Wohl der „Weltreisenden“ oder weiblichen « globe trotters» getrunken.
Ja, essen und trinken ist die Hauptarbeit auf den CLloyddampfern. „Raubtierfütterung“ nannte jemand unfere fünf Mahlzeiten, und bei der schönen glatten Überfahrt, die uns begünstigte, waren die Raubtiere immer hungrig. Am frühen Morgen schon wurde eine ganze Speisekarte mit Sleisch, Salat, Obst. Käse, Cierspeisen und Süußigkeiten durchgegessen. Um elf Uhr begleitete die Musikkapelle unsere Leistungen in Bouillon und belegten Brötchen, nachmittags erschienen die kunstreichsten Corten zum Cee, und abends gab's großes Diner mit Musik.
Aber auch für den Misanthropen und Kostverächter bietet der ‚Große Kurfürst“Vorzüge. Wie schmuck und fein ist er ausgestattet! Im Gesellschaftssaale herrscht weiß []AReise einer Schweizerin um die Welt.und blau. Weiß sind die zahlreichen Schreibtische, welche in den beiden letzten Cagen förmlich umlagert werden, weiß bemalt ist auch der treffliche Bechsteinflügel. Vom Pinsel geschaffene Amoretten wechseln mit seidenen Blumentapeten, und weiche Polster laden zur Ruhe ein. Im Speisesaal behauptet ein Bild des Großen Kurfürften den Chrenplatz. Städtebilder aus seiner Zeit schmücken die Wände. Das im maurischen Stile gehaltene Rauchzimmer ist mit Wappen verziert. Sriese ziehen sich durch den ganzen Raum. Der Maler hat sich den Spaß gemacht, eine feuchtfröhliche Stimmung hervorzurufen, indem er auf der einen Seite Affen, auf der anderen Kater darstellte. Man zählt zur elektrischen Beleuchtung ungefähr tausend Glühlampen. Der Kurfürst“ kann 300 Paffagiere erster, 250 zweiter Klaffe beherbergen und 2400 Menschen im S3wischendeck. Er läuft durchschnittlich 23 Kilometer die Stunde, ist also kein eigentlicher Schnelldampfer.Unruhig war die letzte Nacht an Bord. Unser „Kurfürst“ schnaubte, pustete und pfiff, als ob er in den letzten Sügen läge, und wirklich, seine Aufgabe sollte bald erfüllt sein. Um zwei Uhr nachts war schon der Cotse an Bord gekommen. Um fünf Uhr früh erschien der Doktor, und als ich gleich darauf auf Deck kam, herrschte reges Leben dort. Welche Überraschungl Statt der unendlichen blauen Släche der letzten neun Tage, lagen grune Hügel, mit villen gekrönt, vor uns. Wir waren gerade daran, an Staaten und CLong Island vorbei durch die sogenannten æ Narrows in die New PYork Bai einzubiegen, und im Morgennebel eingehüllt, liegt die Riesenstadt New Hork vor uns. Ihre zwei nahezu ebenso großen Cöchter, Brooklyn und Jersey City, stehen ihr zur Seitie.
Weit im Hintergrunde spannt sich die Riesenbrücke von Brooklyn, auch FEast River Bridge genannt, die größte und schönste Hangebrücke der Welt, aus. Sie hat eine Länge von 2 Kilometer und eine Breite von 26 Meter. Die riesigen Steinpfeiler erheben sich 41.Meter über der Slut, so daß die größten Schiffe darunter durch
New Hort: Statue der Sreiheit.[]Kew HVork: Broadway. (5. 12.) [] New York.fahren können. Die Entfernung zwischen den Brückenpfeilern beträgt 488 Meter.Die Brücke wurde 1870 begonnen, 1883 dem Verkehr eröffnet und kostete 160, 000, 000 Dollar.
Bei all ihrer Größe genügt die Brooklynbrücke nicht mehr dem riesigen Verkehr,und nicht nur eine, sondern drei sind projektiert, um sie zu entlasten. Der Bau der offiziell als Nummer zwei bekannten ist schon so weit vorgerückt, daß sie Ende dieses Jahres (19083) eingeweiht werden soll. Ihre Kosten betragen dasselbe wie die alte Brooklynbrücke, doch wurde nur sieben statt dreizehn Jahre daran gearbeitet.
Ceider nur in undeutlichen Umrissen ließ sich auf Liberty Island, Amerikas Wahrzeichen und Schutzgöttin, die Statue der Sreiheit unterscheiden. Diesen bronzenen ßKoloß mit der stolzen Aufschrift: „Sreiheit, welche die Welt erleuchtet“, schenkte 1886 die Republik Srankreich der Schwesterrepublik Amerika zur Erinnerung an das hundertjährige Jubiläum ihrer Unabhängigkeitserklärung. Die Sreiheit hält eine Sackel in der Rechten, welche gleich dem Diademe auf ihrem Haupte in elektrischem Lichte weithin erglänzt. Ihr Schöpfer ist der französische Bildhauer Bartholdy.
Einfahrt und shafen von New Vork gewähren einen herrlichen Anblick. Hinter dem Mastenwalde der Schiffe aller Nationen breitet sich, für den fremden Ankömmling beängstigend schier, die Stadt aus, endlos,riesengroß.
Leider kommt man zu keinem ungestörten Genusse, denn drei Sragen bewegen die Gemüter aller. Sunächst, wer wohl von sSreunden und Verwandten bei der CLandung zum Empfang da sein werde. Sweitens die Trinkgelderfrage, welche auf dem Norddeutschen CLloyd eine sehr brennende und sich recht weit erstreckende ist. Drittens wie
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[10]Reise einer Schweizerin um die Welt.man an der Horde der Söllner moöglichst leicht vorbeischlüpfe. Die Sollämter von New York und San Srancisco lassen das Herz eines jeden reisenden Amerikaners und wohl noch mehr jeder Amerikanerin höher schlagen, denn schier unmenschlich hoch sind die Zölle auf Cuxusartikel. Auf Seide z. B. betragen sie 60 0/0. PPehe dem ertappten Schmuggler, er wird schwer bestraft werden. Schon am Tage vorher hatten wir Sormulare ausfüllen müssen, die uns gleichsam bei Cidschwur veranlassen sollten,haarklein alles anzugeben.
Die erste Srage bewegte mich nicht. Mich erwartete ja niemand, und dieser Gedanke stimmte mich ein klein wenig traurig und ängstlich. Anders war mein Cischnachbar, ein alter Junggeselle.
Er kam von einer Orientreise zurück, und seine Reffen und Nichten erwarteten von ihm als gutem Onkel alle möglichen Geschenke aus der Serne.
„Die kauf ich billiger und bequemer in New HPork und entgehe dabei der Ssollschererei“, teilte er mir mit. „Hoffentlich verfällt aber keiner von der Samilie auf den unglücklichen Gedanken, mich am Schiffe abzuholen, sonst bin ich verloren.“
Endlich legte unser „Kurfürst“ in Hoboken an; noch waren die Spuren des großen Brandes, der kurz vorher in den Docks des Norddeutschen Cloyd gewütet, deutlich sichtbar.
Vvon einem deutschamerikanischen Reisegefährten beraten und begleitet, betrat ich zum erstenmal Amerikas Sestland.
Eine große, mehr praktische als elegante Bretterbude nahm uns auf. Hinter einem Gitter erwarteten Verwandte und Sreunde die Ankömmlinge, auf der anderen Seite sind alphabetisch bezeichnete Verschläge. Dorthin wird dem entsprechenden Buchstaben gemäß das Gepäck gebracht. Eine gute Einrichtung, die aber bedingt, daß jeder Passagier seinen Namen auf dem Koffer anbringt.
Als ich gerade mit den Sollbeamten beschäftigt war, raunte mir mein Cischnachbar, der praktische Onkel, ins Ohr: „Gottlob, niemand ist da.“ Dann verschwand auch er und mit ihm das letzte bekannte Gesicht. Die drei und eine halbe Millionenstadt hatte die kleine zusammengewürfelte Gesellschaft des „Großen Kurfürsten“ verschlungen. Ob ich wohl je einen der Genofsen wiedersehen werde?
Mit einem Serryboot (Dampffähre) gelangte ich nach Hew York City und bald darauf mit Omnibus ins Hotel St. Denis, ein kleines, älteres, zentral gelegenes shaus. Ich packte das Notwendigste aus, setzte mich in einen Cramwagen und schwamm mutig mit dem Strome, der unaufhaltsam die Broadway, diese Hauptverkehrsader New VYorks, durchwogt. Unbeschreiblich, beinahe unheimlich ist das Treiben und Hasten in dieser Riesenstadt. Unter keiner Bedingung möchte ich dort wohnen!
New York wird sicherlich niemals den Reiz, welchen das Alter um Athen und Rom gewoben, erhalten, auch wenn es ihm vergönnt sein sollte, ebensoviele Jahrhunderte wie die Hauptstädte der Griechen und Römer zu bestehen. Schon sein Name „New“ Pork verbietet ihm von vornherein, Anspruch auf Alter zu erheben, mehr aber noch sein Mangel an romantischmalerischen, farbig-warmen Elementen. vViel[]Aew HYork: Broad Street.[]Reise einer Schweizerin um die Welt.was innerhalb weniger als dreihundert Jahren in New York geschehen und noch geschieht, zu blenden, aber Statistik, mag sie auch noch so staunenswert sein, kann niemals die Stelle einer alten Cegende oder Geschichte einnehmen.
Die erste Niederlassung auf der langen, schmalen, von Wasser umgebenen Candzunge Manhattan geht ins Jahr 1624 zurück. Cin Westfale namens Peter Minuit kaufte den Landstreifen für die holländische West India Company und gründete einen Slecken darauf, den er „Neu-Amsterdam“ nannte. Er hatte den Ureinwohnern,den Indianern, sechzig Gulden (vierundzwanzig Dollar) dafür zu entrichten. Der wackere Peter Minuit würde es sicherlich für ein Blendwerk des Teufels halten,wenn er jetzt wiederkäme und hörte, daß Bauland in den fashionabeln Euartieren der Stadt 240 Dollar pro Guadratfuß gilt und die heutige Wertschätzung der Candzunge Manhattan die unglaubliche Summe von 3,237, 777, 260 Dollar erreicht hat.
Im JZahre 1650 zählte NeuAmsterdam ungefähr tausend Einwohner, die sich mit Candbau und Pelzhandel mit den Indianern beschäftigten. Durch Vertrag gelangte die kleine Stadt unter englische Regierung und wurde durch Sir Edmund Andros zu Chren des Derzogs von York in New York umgetauft.Erst im Jahre 1786 verließen die englischen Truppen die Stadt, und New York wurde bis 1797 s800uptstadt des nordamerikanischen Staates.
Anfang des neunzehnten Jahrhunderts zählte die Stadt erst 60,000 Einwohner, hundert Jahre später waren's drei und eine halbe mitlion. Im Jahre 1897 hat sich übrigens New VYork auch örtlich sehr erweitert, indem es sich mit den anstoßenden Slecken Che Bronx, Brooklyn. Oueens und Richmond zu einer großen, mächtigen Weltstadt verbunden hat, welche eine Gesamtfläche von 7400 Hektaren einnimmt.
So fuhr ich im Tram die Broadway dahin. Plotzlich hielten wir an. Vor mir sah ich ein an allen Gliedern zitterndes Pferd, einen überfahrenen, schwer verwundeten Mann, die Trümmer eines Wagens. Schnell war alles beseitigt. Einen kurzen Augenblick nur hatte der Verkehr gestockt; jetzt pulsierte das Ceben wieder fieberhafter als je; o über der grausamen Weltstadt!
Die alte Broadwany ist nicht mehr die breiteste, schönste, immer aber noch die wichtigste Straße New Yorks. Sie allein durchkreuzt in einer Länge von 29 Kilometern die Stadt in schräger Linie. Alle übrigen Straßen sind schnurgerade, schachbrettartig mit größter Regelmäßigkeit angelegt, wobei die von Osten nach Westen laufenden IAstreets», die sie von Rorden nach Süden kreuzenden « Avenues» benannt werden.
2 []Am Ppudson, unterhalb West Point.
[4]Reise einer Schweizerin um die Welt.Statt mit Namen sind die Straßen mit Nummern bezeichnet. Man findet sich außerordentlich leicht darin zurecht, was für die langweilige Monotonie dieser Anlage, die alle amerikanischen Städte aufweisen, einigermaßen entschädigt.
Da ich meinen Landsmann in seinem Geschäft noch nicht traf, wanderte ich auf gut Glück einem Gebäude zu, das die Aufschrift Aquarium trug. Jeder New Yorker,den ich bis jetzt gefragt, ob er es gesehen, antwortete verneinend. Er kennt das Ieapler und Berliner Aquarium, im New Vorker war er jedoch niemals gewesen. Und doch lohnt sich's ungemein. Der Cintritt ist frei, die Sahl der Meeresbewohner eine sehr große, abwechslungsreiche. Da gibtis außer den Bermuden Papagei, Mond und Bernsteinfische, jede dieser Arten herrlich in Sorm und Särbung, Ceder- und Spiegelkarpfen,schön geformte Seesterne und prächtige Anemonen, interessante Schlangen und in einem großen Wasserbehälter träge Robben. Ich konnte mich kaum losreißen.sherr H. nahm mich freundlichst auf und ließ nicht nach, bis ich versprach, mit ihm zu seiner Samilie aufs Land zu fahren, 80 Kilometer weit nach Cornwall. Nur ein Bummelzug, der jedoch jeden Schweizerschnellzug beschämt hätte.
Überraschend schön ist die Szenerie am soudson. Sie kann sehr wohl einen vergleich mit den berühmtesten Partien am Rhein aushalten.
Der Hudson entspringt in den Adirondackbergen, 1219 Meter über Meer, und fließt bei New Jork nach einem Cauf von beinahe 466 Kilometern in den Allantischen Ozean. Während der Rhein in Holland ein ruhmlos sandiges Ende nimmt, fließt der shoudson majestätisch in seiner ganzen Vollkraft in die See hin. Den Namen erhielt er von soenry Hudfon, einem britischen Seefahrer in holländischen Diensten, welcher 1609 in feinem Boote „Halbmond“ bis Albany vordrang, in der Koffnung, eine Wasserstraße durch das Sestland zu finden.
Man glaubt, die Mohikaner (roquois) hätten einst das östliche und einen TCeil des westlichen Ufers des Hudson bewohnt, während das Westufer unter den Catskills den Lenni CLenapes (Delawaren) gehörte. So befand ich mich denn schon am ersten Tag in Amerika auf dem Schauplatz meiner einst so geliebten, immer wieder gelesenen Cederstrumpferzählungen.
Ich fühlte all meine Voreingenommenheit gegen Amerika schwinden, als ich dem breiten Strom, der sich oft zum kleinen See ausdehnt, entlang fuhr. Einen besonderen Reiz verleihen ihm die hohen, waldigen, schön geformten Hügelzüge und die allerliebsten Holzhäuschen, wo die New HYorker ihre Sommerfrischen genießen.Nach beinahe zwei Stunden waren wir in Cornwall, und schon dämmerte es, als uns der Wagen vor ein in grumen Wiesen gelegenes Landhaus brachte. Sreundlicher Willkomm wurde mir zu teil. Es war ein schoner erster Abend und eine gute erste Nacht im neuen Weltteile, und gerne nahm ich sie als glückverheißende Vorbedeutung für meine lange, lange Reise. Bis Mitternacht saßen wir plaudernd draußen. Ein stühler Wind bewegte die Gipfel der hohen Koniferen, und Johanniskäfer flogen sternengleich von Sweig zu Sweig. Laut zirpten die Grillen, und als die Morgendämmerung anbrach, tönte leiser Vogelgesang durch die köstliche Stille.
Srüh ging's wieder zurück in den Lärm und die Hitze der Großstadt. Ja, heiß war's, und in dem Restaurant, wo ich mittags gut und billig speiste, wehten elektrische []ew Vort: Sky Scraper („Wolken-Schaber“). (S. 15.) [] New PYork .
15 sächer. Ich wunderte mich über die Ruhe in dem weiten, dicht gefüllten Saale.Kein Mensch sprach ein Wort, sondern schlang mit möglichster dast oft stehenden Sußes einige Bissen hinunter, um sich dann lautlos zu entfernen.
Der Amerikaner genießt dafür zwischen sieben und acht Uhr früh ein sehr reichliches Srühstück, das immer mit GObst beginnt und mit sogenannten « Hot cakes endet. Dazwischen kommen TCee, Sisch, Cier, Sleisch. Das gibt ihm Widerstandskraft für des Tages Mühe und Arbeit, denn nirgends wird so wie in Amerika gehastet und gearbeitet, und alle Kräfte find oft tage- und nächtelang angespannt in der Jagd nach dem Gotte Mammon.
Kew PYork: Fifth Apvenue.Im Tram durchkreuzte ich moglichst viele Straßen und wunderte mich über die Kontraste, die besonders in der Bauart hervortreten. Sogenannte 8ky Scrapers,Mietskasernen und Hotels, die oft fünfzehn Stockwerke zählen, wechseln zuweilen noch mit kleinen alten ein und zweistöckigen Holzhäusern ab, und mitten in der Prosa einer banalen Häuserreihe erhebt sich oft eine zierliche, mit grünem CEfeu umsponnene gotische Kirche.
Sifth Avenue ist die vornehmste, eleganteste Straße New Horks. Keine Hochbahn, kein Cramwany entweiht sie, höchstens rasselt ein Omnibus zuweilen neben den geräuschlos auf Gummiradern sich bewegenden Equipagen der « Swells- vorbei.Privatpaläste reihen sich an elegante efeuumsponnene vVillen. Der Stil ist so vorwiegend englischgotisch, daß das schöne italienische Renaissancepalais einer Mrs. W. ß. vanderbilt und der Prachtbau des Metropolitanklub ordentlich wohl[]Keise einer Schweizerin um die Welt.tätig in ihrer Abwechslung auf mich wirkten. TWegen des Reichtums seiner Mitglieder ist er beinahe bekannter unter dem Namen „Millionärklub“. Die pompöse Wohnung des unlängst verstorbenen Cisenbahnkönigs Cornelius Vanderbilt dagegen lehnt sich wiederum an englisches Vorbild.
Während der obere Teil der Sifth Avenue fern vom Getriebe der profanen PVelt in vornehmer Ruhe daliegt, haben sich Kaufläden, Geschäfte und Gasthsfe des unteren bemächtigt. Von letzteren ist das bekannteste, größte und schönste das Valdorf Astoriahotel, ein Riesendoppelgebäude aus rotem Siegel- und Sandstein, in deutschem Renaifsancestil erbaut.Einen schüchternen Blick nur wagte ich in feine protzig überreich dekorierten Räume.
Eigentlich ist's ein gewagtes Unternehmen, eine Stadt wie Rew Vork auch nur ganz flüchtig schildern zu wollen,eine Stadt, deren Physiognomie sich von einem Jahre zum andern verändert, wo Zäuser wie Pilze entstehen, um gleich diesen oft spurlos wieder zu verschwinden.Jetzt ganz besonders, während das Riesenwerk der unterirdischen Bahn, „RapidTransit“ genannt, im Werden ist, sind die Veränderungen groß und mannigfach.Ende dieses Jahres ((908) soll die Bahn eröffnet werden. Etwas später noch, dann wird sie unter den Wassern der East River nach Brooklyn geführt werden, ein Unternehmen, welches auf die Kleinigkeit von 8,000,000 Dollar veranschlagt ist.Das ganze fieberhafte Leben der Metropole spiegelt sich in ihren Bauunternehmungen wieder. Die Ausführung ihrer fürs Jahr 1901 projektierten Bauanschläge erforderte eine Summe von ungefähr 160, 000, 000 Dollar, und noch scheint aein Stillstand eintreten zu wollen. Demnachst sollen zur Ausführung kommen: eine großartige bischöfliche Kathedrale, eine öffentliche Bibliothek mit zahlreichen Silialen,ein neues Postgebäude, Sollhaus, Handelskammer, Stock Exchange und Gefängnis.Lin zoologischer und ein botanischer Garten mit all ihrem Betrieb, ihren Gebäulichlꝛeiten, Parks, Brücken und biadukten gehören ferner zu den kostspieligen Plänen,während kleinere Parks oder Volksgärten, unentgeltliche Badeanstalten, Kais, Schulhäufer zu den bescheideneren Ausgaben gerechnet werden. Im Jahre 1901 find in den Distrikten Manhattan und The Bronx acht neue Schulhäuser entstanden, welche zusammen über 2,000,000 Dollar kosteten. Bauverträge für sieben weitere wurden m felben Jahre abgeschlossen, und zwei Schulhäufer standen noch im Baue, wovon ew HYork: Waldorfhotel.[]New York.
17 das eine sich eine ganze Straße weit erstreckt und 83400 Schüler aufnehmen soll. Die Hebäude haben alle riesige Höfe und Spielplätze auf dem Dache.
Cange weilte ich im Metropolitanmuseum im Sentralpark und sah dort Bilder im Originale, die mir aus Photographien und Stichen wohl bekannt waren, z. B.ein wunderbarer Meissonier „Napoleon bei Sriedland', den Helden in voller Zugendkraft vorstellend, Rosa Bonheurs Meisterwerk „Der Pferdemarkt“ mit schönen Lichteffekten auf den kräftigen Schimmeln, Pilotys „Thusnelda im Triumphzug des Germanicus“, eine reizende Madonna von CLudwig Knaus im Stile Murillos, eine Märtyrerin von Gabriel Maxr, eine düstere Strandszene von Gustave Courbet.
New NVYork: Metropolitan Club (Alub der Millionäre).Außer Bildern enthält das Museum schöne ethnographische Gegenstände aus China und Japan und eine sehr reichhaltige Sammlung von Musikinstrumenten aller Iationen.
Den Rest des Nachmittags verschlenderte ich im Sentralpark, der mehr als 340 Hektaren bedeckt und zu dem nicht weniger als zwanzig Eingänge führen. Er wurde im Jahre 1858 angelegt und kostete 15,000,000 Dollar. Menschenkunst und Sleiß haben aus einer ursprünglichen Morast- und Steinwüste einen der herrlichsten Parke der Welt geschaffen, an dem sich arm und reich, jung und alt im gleichen Maße erfreuen. Da sind Sahr, Reit und Sußwege. Dichtes Gestrüpp wechselt mit sonnigen Cichtungen ab, Statuen berühmter Männer zieren den Wegesrand, und auf einer Anhoöhe erhebt sich die „Nadel der Kleopatra“, ein ägyptischer Obelisk, welchen der sRihedive Ismail Pascha der Stadt New York im Jahre 1877 zum Geschenk machte.
Da gibt's auch schöne Teiche zum Bootfahren und Schlittschuhlaufen und Waldpartien, wo zahme Eichhörnchen sich in Menge tummeln.
C. von Rodt. Reise um die Welt.[]Reise einer Schweizerin um die Welt.Gleich wie in Italien wird hier von fünf bis sechs Uhr Korso gefahren, und mein Auge entzückte sich an all den hübschen eleganten jungen Damen, welche als gewandte Reiterinnen und Wagenlenkerinnen an mir vorüberschwebten. Eine solche Menge hübscher, fescher Mädchen, wie man sie in Amerika trifft, gibt's nicht in Europa. Sie vereinigen Pariser Schick und Eleganz mit einer Sicherheit des Auftretens und Sreiheit der Bewegung, welche bei unseren jungen Mädchen, namentlich germanischer Rasse, niemals vorkommen könnte.
Das junge Mädchen in Amerika wird nicht ängstlich unter einer Glasglocke gehalten. Bewahre, es wächst auf in freiem Verkehr mit seinen Brüdern und deren Sreunden, interessiert sich für ihre Studien und Geschäfte und liest moöͤglichst viel,um sich auf die Höhe einer Unterhaltung mit Männern zu bringen. Mit Hdaushalt und Handarbeit beschäftigt es sich erst, wenn es verheiratet ist.
Die Amerikanerin nimmt das Leben durchschnittlich von der praktischen Seite,Sentimentalität ist ihr meist fremd. Srühzeitig übt sie sich im „Slirt“ und zeigt viel offener, als ihre europäische Schwester, die im Grunde ganz ebenso kokett ist, wie viel ihr daran liegt, den Männern zu gefallen.
Sie kann dies um so eher, als der Amerikaner niemals dieses Entgegenkommen mißbrauchen oder es falsch deuten wird. Von Kind auf betrachtet er die Srau als etwas Hßöheres, das man verehren darf, und zugleich als etwas Schwächeres, das man beschützen muß. Diese Ritterlichkeit jedem weiblichen Wesen gegenüber bildet einen der liebenswürdigsten Charakterzüge des Amerikaners und ist nicht nur beim Hebildeten, sondern auch beim untersten Arbeiter zu finden. In Gegenwart einer anständigen Srau verstummen alle rohen Reden und zweideutigen Scherze, und allgemeine Verachtung trifft denjenigen, der es wagt, eine Srau grob zu behandeln.
Wenn im Omnibus oder im Tramwagen kein Platz mehr frei ist, so wird jeder Amerikaner selbstverständlich aufstehen und seinen Sitz der Einsteigenden, mag sie nun Lady oder Arbeiterin sein, anbieten. Er wird ihr das Gepäck heraus und hereinreichen, auch sonst auf jede Weise ihr zu dienen suchen, ohne je zudringlich zu werden. Auf meinen nachmaligen amerikanischen Reifegenossen machte es einen geradezu peinlichen Eindruck, im Osten und auch in Europa die Srauen schwere Seldarbeit verrichten zu sehen, ja sogar das leichte Geschäft des Straßenkehrens fand er entwürdigend für das weibliche Geschlecht. Wie oft brauste er unterwegs in hellem zorne auf, wenn ein Cisenbahnangestellter eine arme Kulifrau derb anfaßte oder sie anschrie. Mit Wort und Tat nahm er die Angegriffene in Schutz.
Den dritten Cag in slew York widmete ich einem lieben neuen Sreunde vom Großen Kurfürsten“, der in Brooklyn wohnt und mich in seiner Samilie einzuführen wünschte. Vormittags schon holte er mich ab, und erst am späten Abend brachte er mich ins Hotel zurück. Nach dem Cunch wurde ich im eleganten Candauer durch Brooklyn spazieren geführt. Brooklyn ist eine Vorstadt New Yorks, zählt aber nicht weniger als 1,200,000 Einwohner. Die herrliche Brücke habe ich schon erwähnt.Der Prospektpark, kleiner als Sentralpark, ist, was natürliche Schönheit anbelangt,letzterem vorzuziehen. Durch feine hohe Lage bietet er einen prächtigen Überblick auf Brooklyn, New York und den sdafen. Den Eingang bildet ein Tor mit Quadriga,[]Kew HYork: Palais von Gornelius Vaänderbilt.
[20]Reise einer Schweizerin um die Welt.dem Arc de Triomphe in paris nachgeahmt und zum Andenken an die im Bürgerkrieg Gefallenen errichtet. Der See mit Park soll eine Ausdehnung von 2630 Aren haben.
Vvon da ging's dem Strande entlang nach Coney Island. Kinder und Hunde tummelten sich im Wasser um die Wette, und Segelschiffe ruhten gleich weißen Möwen auf den Wellen. In diesem Vergnügungsbade soll stets reges Leben herrschen, und es soll jeden Sommer mehreren Millionen Menschen Erholung und Abkühlung gewahren. Auch hier bewunderte ich die reizenden Holzvillen, bei welchen vorzugsweise der nordische Stil angewendet wird. Sie sind viel origineller und zierlicher als unsere steinernen, oft allzu massiven Landhäuser. Abends sang mir mein Gast
New Hork: Memorial Arch. Am Cingang des Brooklynparkes.freund mit schöner Stimme und warm empfundenem vVortrag deutsche Lieder vor und schloß mit Schuberts Wanderer. Cange klangen mir noch die Worte im Ohr:„Wo bist du, mein geliebtes Cand?Gesucht, geahnt und nie gekannt!“
Ich summte sie den folgenden Morgen vor mich hin, als der State Empire-Zug mich im schnellsten Tempo aus New Hork entführte. Er macht mit Aufenthalten 80 Kilometer pro Stunde und soll der schnellste Sñug der Welt fein. Da er zugleich der schönste ist, den ich in Amerika benutzte, will ich ihn etwas näher beschreiben. Cine relativ kleine Lokomotive mit großen Rädern zieht den sehr langen Zug, der bei aller Schnelligkeit gleichmäßig und ruhig dahingleitet. Da Bahnwaärter und Barrieren nicht existieren, so hat jede Cokomotive eine große Glocke, die bei Bahnübergängen und Stationen gewaltigen Lärm macht, wenn man selber mit[]Im Seebade von Coney Island bei Kew Hork. (5. 20.) [] New Pork.
21 fährt jedoch wie fernes Glockengeläute tönt. Es gibt nur erste Klasse und Pullmanwagen, in welchen nachts die Betten aufgeschlagen werden. Jeder Wagen, der viel größer und höher ist als die unfrigen in Curopa, hat seinen schwarzen Diener, der für Wohl und Wehe seiner Reisenden sorgt und die Ordnung aufrecht erhält. Eine leichte Aufgabe, denn gleich wie beim Essen im Restaurant, spricht kein Mensch ein Wort. Jeder scheint abgespannt von des Tages Last und Hitze, und nur das monotone Ausrufen von Eßwaren durch Handler, die immerwährend durch die Wagen laufen,unterbricht die Stille. Candy (Suckerzeug) und Pea nuts finden am meisten Absatz.Letztere, eine ölig schmeckende kleine Nuß, ist bei den Sranzosen als arachide bekannt und dient zur Bereitung der Marseillanerseife.
Neben mir saß eine junge Amerikanerin, mit der ich Bekanntschaft anknüpfte,und die bald so lebhaft auf mich einsprach, daß sich unsere Nachbarn erstaunt nach uns umwandten. Die Kleine kommt aus Geneva, und scherzend begrüßte ich sie als Candsmaännin. Sreilich liegt ihr Geneva im Staate HRew Dork und nicht am Genfer,sondern am Senecasee. Sie hat mir seither brieflich eine ganz gründliche Beschreibung hrer Vaterstadt geliefert, auch ihrerseits sich genau uber Bern erkundigt: Lage, Einwohnerzahl, staatliche Cinrichtung, Konfession u. s. w. Es steckt etwas eigentümlich Altkluges, Lernbegieriges in diesem Mägdlein der neuen sPelt. Das niedliche, fiebzehnjährige Köpfchen birgt eine Sülle von Gedanken und Wünschen, allen möglichen Cebensproblemen auf die Spur zu kommen, Philosophin und enthusiastische Patriotin zugleich, eine Amerikanerin durch und durch, aber von der guten Sorte.
Zu früh schlug die Crennungsstunde, und einsam setzte ich meinen Weg weiter fort dem Niagara zu.
Im Städtchen „Niagarafalls“ waren bald Gasthof und Simmer gefunden, und unverweilt eilte ich zu den großen Waffern.
*[2]
Reise einer Schweizerin um die Welt.
Niagarafälle.
Erster Anblick. Entstehung der Sälle. Fahrt auf dem „Kebelmädchen“. Siegeninsel. Tramfahrt nach Lewiston. Whirlpool Rapids. Die Ausnützung der Wasserkräfte des sNiagara. Potel Raltenbach.Abschied. Pan-Amerikanische Ausstellung. Auf dem „Northland“. Die vier großen Seen. Amerikanische Kinder. Volksküche. Machinac. Sault Sainte Marie. Lake Superior. KRin Landemann.
Ich weiß nicht, was ich mir unter dem Niagara vorgestellt hatte.Es war alles so ganz anders, so viel herrlicher, da ich nun zum erstenmal in der Abenddämmerung auf Prospelktpoint stand und hinunterschaute auf die schäumende, tobende Wassermasse.Wahrend vier Tagen habe ich die sliagarafälle gesehen, frühmorgens und beim Sonnenuntergang, bei hellem Sonnenschein und bewölktem Gewitterhimmel, und immer wieder fühlte ich gleich mächtig den Zauber dieses Naturwunders. Beschreiben lassen sich die Niagarafälle so wenig wie eine Sinfonie von Beethoven. Man muß sie eben selbst horen und sehen, und dieser Anblick lohnt schon an und für sich die Reise über den Ozean.Die Niagarafälle werden durch den Sluß Niagara gebildet, welcher der Ausfluß der vier großen Seen des Westens, Erie, Huron, Michigan und LCake Superior ist.Aus all diesen Wassern ist der Ontariosee entstanden, dessen Spiegel um hundert und fünf Meter niedriger liegt als derjenige des Eriesees. Die Strecke zwischen beiden ist zu kurz, als daß ein Strom von der Breite und Tiefe des Niagara mit gleichmäßigem Gefäll ruhig auf ihr herabfließen könnte, und so hat er in ihrer Mitte jenen gewaltigen Salto mortale ausgeführt, der auf der Erde seinesgleichen sucht.Unmittelbar vor den Sällen besitzt der Strom eine Breite von 1454 Metern und wird durch die Siegeninsel in zwei Arme geteilt. Aus dem rechten Arm entsteht der 328 Meter breite und 81 Meter hohe amerikanische Sall, aus dem linken der 917 Meter breite und 48 Meter hohe kanadische Hufeisenfall. Die Wassermasse der Salle beträgt in der Minute ungefähr 425,000 Kubikmeter.[]Amerikanischer und kanadischer Sall. (5. 22.) [] Niagarafälle.
28 Es ist dem Sremden leicht gemacht, die Wunder dieser Wasserwelt nach allen Seiten zu betrachten. Cine steile Sahnradbahn führt hinunter ans Ufer des wilden Stromes, wo ein Miniaturdampfer mit dem poetischen Namen „Nebelmädchen“ auf Passagiere wartet. Sürs erste wird man in einem unteren Raume mit Wachsmantel und Kapuze angetan und erscheint so vermummt auf Deck vom frohlichen Gelächter der Mitreisenden empfangen. Diese sehen übrigens gerade so und durchaus nicht schöner aus. Unbedingt eine notwendige Maßregel, denn es wallet und siedet und brauset und zischt, und ein feiner Sprühregen umhüllt Mensch und Kapuzenmantel,da jetzt das „Nebelmädchen“ sich nahe, ganz nahe an den Sall heranwagt. Wie tausend Diamanten brechen sich die Wassertropfen in den Strahlen der Sonne,schimmernd, leuchtend in allen Sarben des Regenbogens.
Noch Unternehmendere wagen sich in zitronengelbem Wachstuchmantel in die „Höhle der Winde“ und wandern auf schwankem Stege hinter einem Teil der Sälle durch. Das Getöse und Gebrüll von dem „Donnerer der Wasser“, wie der indianische Name Niagara verdeutscht wurde, soll jeder Beschreibung spotten.
Eine Omnibusfahrt, die überall unterbrochen und wieder aufgenommen werden kann, führt durch die am öͤstlichen Ufer des Slusses gelegene parkartige Siegeninfel (Goat Island). Auf ihr gibt's überall herrliche Ausblicke auf die Stromschnellen und lauschige Plätzchen im Grünen.
Dunkle Sypressen, im Winde leife bebende Weidenbaume und rosa blühende
Tamarisken kränzen das Ufer und neigen sich tief herab zu dem unergründlichen Chaos der Rapids. Võsgel mitten in den 5weigen zwitschern und singen, allein kein Con dringt zum Ohr der einsamen Spaziergängerin, ungehört verhallt er im brausenden Liede der Wasser. Ungehört auch verhallt der Schritt des Sußgängers,und unabsichtlich schreckte ich hier und dort ein zärtliches Hochzeitspärchen auf, unterbrach eine feurige Liebeserklärung. Wie bei uns die italienischen Seen, so bilden in Amerika die Niagarafälle das Eldorado aller Hochzeitsreisenden.Cine lange und sehr lohnende Sahrt, die ebenfalls durch Unterbrechungen noch
Amerikanischer Fall von der Siegeninsel aus.
[24]Keise einer Schweizerin um die Welt.verlängert werden kann, führt mit elektrischer Trambahn durch die romantische Niagaraschlucht bis nach
Cewiston, wo der ztrom breit und najestätisch dem
Ontariosee zufließt. Einst war dier der Schauplatz wilder, blutiger Kämpfe mit den alten Herren des Landes, den
Indianern, und
Cooper laßt dort einige seiner Flovellen spielen. Auf dem ganzen Wege drängen sich neben den wildromantischen Naturschönheiten geschichtliche Erinnerungen auf. Die tiefe, Teufelsloch genannte Höhle wurde 1678 von dem Sranzosen Ca Salle entdeckt. Er war der erste Weiße, der hier eindrang.In dieser Höhle mordete eine Indianerbande ungefähr 90 Engländer und warf die Leichen über die Selsen, und im Oktober 1812 kämpften bei Gueenstown Heights Amerikaner gegen Engländer. Auf einer stillen, mit Bäumen umgebenen Wiese steht das Denkmal des damals gefallenen englischen Generals Brook. eine sehr hohe Säule auf etwas barockem Sockel.
Die großartigste Szenerie der Sahrt bieten die Whirlpool Rapids, die beinahe so wunderbar wie die Sälle felber sind. Die Wasfermasse, welche von ihren riesigen Sprüngen, gleichsam erschöpft, eine Seitlang ruhig und glatt dahingeflossen ist,wird hier durch die Schlucht in einen Engpaß von 90 Metern eingezwängt. Sornig äber diese Cinschränkung stürmen die Wasser gleich zügellosen Rossen einher, grüne Vellen mit weißen Schaumkspfen bildend. Und siehe! Nicht erfolglos war ihr Toben. Im Laufe der Jahrhunderte ist es ihnen gelungen, weiter unten die Granitfelsen im wilden Anpralle zurückzudrängen. Ein breites Becken hat sich gebildet,wo die ganze Waffermasse des Slusses in ausgelassenem Wirbeltanze sich ergeht.Welch fesselnder, graufigschoner Anblick, dieses brüllende, schäumende, graugrüne Clement stets neue Kreise bilden zu sehen! Wehe dem lebenden Wesen, das in das Bereich dieser dämonischen Mächte gelangt! Wie ein Sangball wird es hin und her geschleudert werden, stunden tage, wochenlang, in unermüdlichem, grausamem Spiele.
Die Indianer hielten an dem Glauben fest, Niagara der Donnerer“ heische jedes Jahr das Opfer zweier Menschenleben. Unglücksfälle und Selbstmorde, die hier immer OO aufrechthalten zu wollen.
Die Stromschnellen oberhalb der Fälle,[]Die Pöhle der Winde. (5. 28.) [] Niagarafälle.
25 Menschenkunst und Geschick haben es in der Neuzeit verstanden, fich dieses gewaltige Haturwunder dienstbar zu machen. Glüücklicherweise bis jetzt ohne Nachteil für feine Schönheit. Ein 9 Meter tiefer und 5 Meter breiter Tunnel wurde von der Hängebrücke bis 2 Kilometer oberhalb der Sälle gegraben. Er läuft ungefähr 60 Meter tief unter der Stadt Niagarafalls. Ein kurzer Kanal bringt einen Teil des Slusses zum Anfang des Tunnels, wo ein Maximum von 120 150, 00o Pferdekräften durch einen Bruchteil der Saälle erlangt wird, was aber nur ganz unbemerkbar deren Breite und Masse vermindert. Nimmt man die überirdischen Leitungen dazu,so liefern die Niagarafälle ungefähr 400, 000 Pferdekräfte zu industriellen Swecken.
In unwandelbarer, stets gleich bleibender Sulle zeigen sich die Katarakte. steine Dürre vermag ihre unendlichen Wassermassen zu vermindern, kein Wolkenbruch sie anzuschwellen. Nur wenn die Srühlings- und Herbststürme die Sluten des Eriefees in größerer Menge dem Niagaraflusse zuwälzen, verwandelt sich die weiß grünblaue Sarbe der Sälle in ein trübes Gelb.
Die Stadt Niagarafalls zählt zwischen 52 6000 Einwohner. Sie lebt größtenteils von den Couristen, bietet ihnen aber dafür manche vorteile, und Prospektpark wetteifert an Schönheit der Anlagen mit dem kanadischen Queen victoria Niagarafalls Garden des anderen Ufers. Eine Stahlbrücke verbindet Amerika mit England,und während auf einer Seite nur wenige hellbraun uniformierte amerikanische Soldaten sorglos herumschlendern, wachen am anderen Ende zahlreiche englische Rotröcke.
Ein deutsches Hotel beherbergte mich. Der Pensionspreis von drei Dollar fünfzehn Sranken) ist für Amerika ein billiger, und Essen gibt's in Hülle und Sülle.Dagegen machte sich, dem feuchten Namen des Besitzers. Kaltenbach, zum Trotze, Mangel an Sauberkeit schmerzlich füͤhlbar. Besonders die Bestecke und die Sräcke der Kellner klebten förmlich.Dafür entschädigte mich das Rauschen des Niagaraflusses, das mich allabendlich insSchlaf wiegte, und der Ausblick auf einen mit roten Srüchten reich behangenen Kirschbaum machte mein stilles Entzücken.
Ein Losreißen war's, als es
Amerikanischer Fall und die neue 1898 erbaute Brücke.Aufnahme vom kanadischen Ufer aus.
[26]Reise einer Schweizerin um die Welt.galt, Abschied zu nehmen von Niagarafalls. Cange weilte ich den letzten Abend beim Sonnenuntergang auf Prospektpoint, auf der Stelle, wo ich die großen Wasser zum erstenmal erblickt hatte. Von hier aus sieht man beide satarakte ein jeder an und für fich ein Weltwunder den amerikanischen und den ihn um das Doppelte überragenden Hufeisenfall. Dieser heißt auch der kanadische“, da er sich in hufeisenartiger Biegung nach dem kanadischen Ufer zieht. Smaragdgrün schimmert das Wasser, bis es die Selskante überschritten, dann verwandelt es sich in schneeweiße gewaltige CLawinen, die tosend in die Tiefe herunterstürzen. Kein Auge hat je erspäht,wo fie mit den dunkeln Steinen des Abgrunds zusammenprallen, denn silbernes Hewölk legt sich sofort darüber. Aber als sehnten sie sich nach oben, so streben beständig die Milliarden zerschellter Wafserstäubchen wie leichte Schleier empor, und sehnfuchtsvoll klingt ihnen das braufende Lied nach, der jetzt in die Tiefe gebannten Sluten.
Buffalo, die Ausstellungsstadt, ist von Niagarafalls mit der Cisenbahn und beinahe noch angenehmer mit sogenannter Trolly elektrische Cram) in einer Stunde zu erreichen. Ich zog meist letzteres vor, da die Sahrt durch hübsche Villenanlagen und Dorfer mit wohlklingenden indianischen Namen führt. Tonawanda heißt z. B.ein Ort. Wer fühlte sich da nicht mitten in die goldene Kinderzeit und den spannenden Cederstrumpf versetzt? Aber ach, Indianer und Büffel sind auf den Aussterbeetat in Amerika gesetzt, und die beiden ersten der wenigen Indianer, die mir zu Gesicht zamen, sah ich auf der Ausstellung in Buffalo In vollem striegsschmuck, das ssaupt mit Sedern bestecht, den braunen Körper über und üher tätowiert, zog der sdäuptling dahin mit seiner Squaw. Voller Enthufiasmus richtete ich meine Kamera auf das Paar, doch wütend schrien sie: «No,Nos, verhüllten ihre Häupter und liefen davon, als ob der leibhaftige Teufel hinter hnen her wäre.
Die große Pan-Amerikanische Ausstellung, für welche allenthalben mit gewaltigem Lärme die Crommel gerührt wurde, sollte den 1. Mai 1901 eröffnet werden,aber noch am 16. Zuni starrten die meisten Gebäude bis auf die unausgepackten Kisten in trostloser Leere. Der sonst als praktisch und flink bekannte Uncle Sam hlieb also in dieser Beziehung noch hinter den europäischen Ausstellern zurück, denen man bei jeder Ausstellung den Vorwurf der Unpünktlichkeit macht. Nur die Maschinen,vorzüglich die elektrischen, waren aufgeftellt und im Betriebe, und die kalifornische Abteilung mit herrlichen eingemachten Srüchten und Gemüsen bildete ein fertiges Ganzes. Von der Kunstausstellung, auf die ich mich speziell gefreut, war auch nicht die leiseste Spur zu fsehen.
Die Ausstellung hat einen Raum von 140 ektaren inne und liegt teilweise in dem schoöͤnen Delawarepark. Die vielen Gebäude sind alle im spanischen Renaissancestil erbaut und sehen meinem Geschmacke nach zu überladen aus.
Großartig ist die Sülle der Wasserkünste, Becken, Springbrunnen und Sälle,einzig schön abends die Beleuchtung. Sie läßt diejenige der letzten Pariser Ausstellung weit zurück. Dafür ist ja Sauberer Niagara in der Nähe, welcher für die Ausstellung allein 5000 Pferdekräfte Elektrizität abgibt.[]Amerikanischer Sall. (S. 26.) [] Niagarafälle.
27 Den Mittelpunkt der Ausstellung bildet der 119 Meter hohe Elektrizitätsturm.Er ist mit Skulpturen reich geschmückt und feine Kuppel mit einer Göttin des Lichtes geskzrönt. An seiner Basis bilden zwei 28 Meter hohe Kolonnaden halbkreisförmige Slügel. Sie rahmen ein Wasserbassin ein, in welches sich aus einer Nische am Turme ein 21 Meter hoher und 9 Meter breiter Wafsserfall stürzt. Er allein braucht stündlich 7,000. 000 Citer Wasser. In der Slucht, unweit vom Turme, liegt der sogenannte Brunnenhof. Das Becken, welches seine Mitte bildet, deckt 80 Aren,und von allen Seiten springen Wasserstrahlen, sich neigenden Garben gleich, hinein.Ein großer, über 1/2 sRtilometer langer Kanal windet sich durch die Mitte der Ausstellung und sendet nach allen Richtungen Adern ab. Elektrische Boote und Gondeln beleben das Wasser, und überall gibt's Brücken und Statuen in geschmackvoller harmonischer Abwechslung. Abends ist der Turm mit Gluhlampen besetzt, und mächtige Scheinwerfer senden ihr Licht hinaus bis auf die Niagarafälle und die kanadische Grenze.
Buffalo: PanAmerikanische Ausstellung.Millionen von Lichtern umgeben jedes Gebäude, und in strahlendstem Glanze prangt,einem Seenmärchen gleich, die Ausstellungsstadt am Eriesee..
Da ich ein vVorurteil gegen große Städte und insbesondere amerikanische hege,faßte ich den Plan, über die vier großen nordamerikanischen Seen mich allmählich dem Yellowstoneparke zu nähern. Ich bereue es nicht, auf diese Weise Chicago, die Schweinestadt, umgangen zu haben. Anderenteils blieben aber die Seen, von denen die Amerikaner großes Aufheben machen, etwas hinter meinen Erwartungen zurück.
Der Abend des 19. Juni fand mich in Buffalo auf dem Dampfer Northland“,wo mir die Annehmlichkeit einer sehr geräumigen Kabine mit breitem Bette zu teil wurde. Das ganz neue Schiff ist wunderschön eingerichtet und kann 500 Passagiere beherbergen.
Am folgenden vormittag, 8 Uhr (in Bern war es jetzt schon 121/4 Uhr mittags),landeten wir in Cleveland, welches aus dem Rauche seiner Sabrikschlote sich nur verschlafen hervorhob. Die blaugrüne Sarbe des Eriesees ist besonders reizend. Er ist 380 Kilometer lang und 91 Kilometer breit und mit dem Huronsee durch den Detroitfluß verbunden. Als wir in letzterem einfuhren, trafen wir eine Menge Schiffe,und jeder und jede zog die unvermeidliche Kamera hervor.[2]*
Reise einer Schweizerin um die Welt.DDD0 anlegte, nahm uns der kleine blaue St. Clairsee auf. Die Ufer sind hier ganz besonders grüũn und schön. Zuerst der wundervolle Belle Isle Park, dann, nachdem wir im St. Clairfluß angelangt, reihte sich Villa an Villa, grüne friedliche Sommerfrischen für den müden Großstädter. Unvergeßlich ist mir der Sonnenuntergang. Während einer vollen Stunde blieb das Wasser blutrot gefärbt, und schwarz zeichnete fich im grellen Gegensatz das Grün der Ufer ab.
Solgenden Morgens zeigte sich die Gegend wenig interessant, ich machte daher Menschenstudien und wandte meine Aufmerksamkeit diesmal besonders den vielen stindern zu. Auch sie sind emanzipierter, selbstäͤndiger, gewandter, als unsere kleinen Europäer. Anfangs namentlich klingt das Jwill und J won't, das auch die Kleinsten den Eltern gegenüber im Munde führen, für europaische Ohren recht unangenehm.Dergleichen kommt freilich auch bei uns vor und hört sich noch unangenehmer an,weil die Kinder viel länger als dort in den Kinderschuhen stecken und von der sursorge der Eltern abhängig sind. Ein amerikanischer Aunge muß frühe schon den stampf ums Dasein aufnehmen, für sich selber sorgen und streben. Rascher noch als bei uns sind die Wechsel vom Millionär zum Bettler. Und hier, wo jedermann arbeitet, richtet auch das Kind schon frühzeitig sein Augenmerk auf einen Beruf.einen Erwerb, und eignet sich auf diese Weise etwas Selbständiges im Auftreten an.
Gegen Mittag nahten wir den weißen Selsen der kleinen Insel Mackinac. Diese Insel, eine Art Nationalpark und militärischer Posten, ist eine beliebte Sommerfrische.Das romantische Erdflechchen war vom Jahr 1610-1761 französisches Besitztum,dann englisches, und kam schließlich 1816 in die Hände der Vereinigten Staaten.
Um alles zu erproben, aß ich dort in einer sogenannten Volksküche für 260 Cents
Sr. 1. 25, ein reichliches Mittagsmahl, ja es gab sogar zum Schluß Icecream und
Apple pie, beides amerikanische Nationalgerichte. Da das Eis kein Cuxusartikel, sondern zu den Erfordernissen des Alltagslebens gehört, ist ein Vaaille oder Sruchteis billig herzustellen. Eiswasser dekommt man in allen Cisenbahnen
Amerikanischer Fall.[]Kanadischer Fall. (5. 26.) [] iagarafälle.
29 und Hotels gratis. Weniger entzückten mich die Pies, die, ungefähr nach dem Rezept unserer bstkuchen hergestellt, einen zähen, trockenen Teig zur Grundlage haben. Die Gäste bestanden aus Arbeitern, alle gut gekleidet, ruhig und anständig. Ein Glas Milch diente ihnen als Getränk.Leider mußte ich hier den schönen Northland“ verlassen und ihn mit einem viel kleineren Schiffe, dem „Miami“, vertauschen. Der Wechsel war recht unvorteilhaft. „Miami“ schien nicht vorbereitet auf Reisende, und die Wäsche war auffallend spärlich und schlecht. Erst nachträglich erfuhr ich, daß in Sault Sainte Marie, dem Ausgangs- und Endpunkt unseres neuen Bootes,die Blattern so stark herrschten, daß man nicht gewagt hatte, dort die für diese Sahrt bestimmte
Väsche an Bord zu nehmen.Der Niagarastrom mit dem amerikanischen verspatet fuhren wir ab ünd unsere inSalle im Pintergrund fahrt in Sault Sainte Marie, oder Soo, wie der praktische Amerikaner den langen Namen abkürzt, erfolgte leider erst bei Anbruch der Nacht.shier gerade ist der Glanzpunkt der Reise. Schon die Nachmittagsfahrt war reizvoll gewesen. Wir hatten den Huronsee verlassen und fuhren bei herrlichstem Wetter auf dem Ste. Marieflusse. Rechts und links zeigten die Küsten Meilen und Meilen lang nur Wald; es ist richtiger, unbewohnter, unbetretener Urwald, nur hie und da ein einsames Sischer oder Jagdhäuschen am Strande. Ein eigentümliches Gefühl fürwahr, in ein Land zu kommen, wo noch so viele Menschen Platz fänden.
Auch diesen Abend wiederholte sich die herrliche Beleuchtung und Särbung des Wassers, und als es dunkelte, leuchteten von allen Seiten Lichter auf, die Schiffe wurden zahlreicher, und Kirchenglocken erklangen deutlich und klar über das Wasser hin.
Seenhaft erglänzt plötzlich ein Wasserwerkschloß, und neben uns braust und schäumt es. Eine weiße Mauer hält einen wilden Strom im Banne. Es sind die Rapids. Im Hintergrunde unterscheiden wir die Umrisse eines waldigen Höhenzuges,elektrische Lichter blitzen durch die Bäume. Hier also wohnen wiederum Menschen.
Wir sind am SooSchiffskanal. Sachte geht das Schleusentor auf; der Kanal scheint beinahe wasserlos. Hinter uns schließt sich ebenso geräuschlos die Schleuse,von allen Seiten strömt Wasser herein, in sieben Minuten ist der Kanal voll, und unser Schiff gleitet auf dieser Kunststraße in den Lake Superior.
Zwei Schleusenwerke liegen noch neben dem unserigen, das jedoch die beiden andern an Groöße weit übertrifft. Es wurde 1896 eröffnet, hat eine Länge von 244, eine Breite von 80 und eine Tiefe von 18 Metern. Die Kosten betrugen ungefähr 5,000,000 Dollar.
[30]Reise einer Schweizerin um die Welt.Der Schiffsverkehr auf diesen vier Seen ist ein so riesiger, daß man jährlich bis 13, 440 Schiffe zählt, welche ein Tonnengeld von 12,896, 980 Dollar ungefähr einbringen, also noch den Suezkanal übertreffen.
Das Ganze machte bei Nacht und leichtem Nebel einen traumhaften Eindruck.viele Bewohner des Städtchens hatten sich am Aanal versammelt. Die kommenden und gehenden Schiffe bilden wohl ihre Hauptzerstreuung.
Uns selber war es der Pockenepidemie wegen nicht gestattet, ans Cand zu gehen.
Sault Sainte Marie wurde 1641 durch eine franzsische Mission gegründet.
Die Schleusen des SooRKanales bei Sault Sainte Marie.Den nächsten Morgen schaukelte unser „Miami“ auf den etwas trüben Wogen des Lake Superior, welcher die beste Gelegenheit zur Seekrankheit bietet. Er ist 380 Kilometer lang, 200 Ailometer breit und stellenweise 270 Meter tief, und hat eine Ausdehnung von ungefähr 72,870 sektaren. Sein immer kaltes Wasser nimmt nicht weniger als zweihundert Strsme auf. Kalt war's aber auch auf dem Schiffe, eisig kalt, und dabei brach gegen Abend ein Gewitter los, so grauenvoll, wie ich es selten erlebt. Hoch schlugen die Wellen immer wieder über Deck.
Zufällig machte ich die Bekanntschaft des Obersteward. Er stammt aus dem Aargau und schien erfreut, eine Landsmännin zu treffen. Schweizerinnen, meinte er,verirren sich nicht oft auf dieses Gewässer. Er ließ es sich denn auch nicht nehmen,mich in mitternächtlicher Stunde durch Duluth zu begleiten, und verließ mich erst,als er mich sicher im Pullmanwagen aufgehoben wußte.
* α 3 []
Im Yellowstone⸗Park.
Im YellowstonePark.
41
Im Nellowstone-Park.Hullmanwagen. Der Misjsissippi. Galantes Kisenbahnpersonal. Prattische Gepäckeinrichtung. Prairiefahrt.Indianer. Livingston. Fahrt nach Cinnabar. Mammoth Pot Springs. Die Terrafsen. Meine Wagengefährtinnen. Laurie Matthew. Korris Geyser Bajsin. Geräusche, Gerüche und Sarben. Tiere des Waldes. Fountain Geyserhotel. Bedienung. Paint Pots. Oberes Geyjerbassin. Old Faithful. Blumen.Ralte Nacht im Selt. Yellowstonesee. Schlammpulkan. Das große Cauon. Adler. GrizzlyBären.X war meine erste Bekanntschaft mit einem Pullmanwagen in seinem Heimatlande. Er war ganz gut, aber keineswegs so ideal, wie er mir immer geschildert worden war.
Ein schwarzer Diener verwandelt vier Tagessitze in ein breites,bequemes Nachtlager,wobei zwei Betten
übereinander zu stehen kommen, genau wie in den Schiffskabinen. Männerund
Srauen schlafen im selben Wagen, jeder verschwindet hinter seinem Vorhange, kleidet sich, so gut es in dem etwas beschränkten Raume angeht, aus und knöpft den vVorhang hinter sich zu.
Unser Sug machte viele Stationen, und ich war froh, mich um fünf Uhr früh erheben zu können. Grinsend begrüßte mich mein Schwarzer und bürstete in Erwartung eines Trinkgeldes eifrig an mir herum.
In St. Paul hatte ich mehrstündigen Aufenthalt.
Diese Seit benutzte ich, um dem Mississippi meine Huldigung darzubringen. Pon stanadas Grenze bis zum Golfe von Mexiko läuft er 4800 Kilometer mitten durch das ßerz des amerikanischen Kontinents. Kaum sechzig Jahre sind's her, da waren seine Ufer noch öde Wüsten und Urwaldsland, und die grausamsten aller
[32]Reise einer Schweizerin um die Welt.IndianerStämme hausten dort. An Stelle der blühenden zwei Großstädte St. Paul und Minneapolis standen damals einige Selte,und elende Hütten lagen zerstreut umher. Doch das sind vergangene Seiten,von denen dem Strome nichts geblieben ist, als sein indianischer Name Mifsifsippi, Vater der Slüsfe. In St. Paul stellt er sich noch nicht sehr großartig vor, allein in Anbetracht dessen, daß er als klein winziges Bächlein im selben Staate Minnesota) entspringt, läßt er uns schon hier seine künftige Größe ahnen. Griesgrämig und grau floß er dahin, als ich von hoher Brücke herabschaute in seine lehmigen Sluten. Gerade so trübe war heute der Himmel.
Tausend Meilen trennten mich noch vom Pellowstonepark, allein ungeduldig,seine Wunder zu fehen, beschloß ich, ohne Swischenstation die lange Strecke zurückzulegen, eine etwas starke Cour unmittelbar auf die ziemlich schlaflose Nachtreise hin von Duluth nach St. Paul.
Sicher und schnell trug mich die Northern Pacific Railway durch die fruchtbaren einförmigen Gefilde Dakotas, der Kornkammer der Vereinigten Staaten. Beinahe allzu ereignislos wollte mir schon die Sahrt vorkommen, als eine kleine Episode sich abspielte, deren Solgen recht unangenehm für mich hätten werden können.
Ich habe schon erzählt, daß Schranken und Bahnwärter im Lande der Sreiheit nicht zu existieren pflegen, zuweilen auch die Abfahrt des Suges nicht besonders gemeldet wird. Er saust davon, wenn's Seit ist, ohne Sang und Klang.
Es war auf einer kleinen Station, der Schnellzug hielt hier nur einmal innerhalb zwölf Stunden. Ich hatte Hut und all mein Gepäck im Waggon zurückgelassen und trank draußen eine Tasse Kaffee. Plötzlich ich dachte an nichts Schlimmes setzt sich mein Zug in Bewegung. Erst schaute ich ihm in stummer verzweiflung händeringend nach, dann schrie ich laut auf, und sieh' da, der Northern Pacific hatte Mitleid und stand wahrhaftig still. Dankerfüllt kletterte ich in meinen Wagen.Cinem Mitreisenden war's ebenso ergangen. Er pries meine Unachtsamkeit und meinte, für einen Mann wäre der Sug nie und nimmer angehalten worden, but for à lady, that is quite another thing».
Terrasse bei Mammoth Pot Springs.[]Im VYellowstonePark.
33 In Amerika bemuttert die Cisenbahn die Reisenden nicht wie bei uns. Dort muß eben jeder selber sehen, wie er weiter kommt. Anderseits ist dafür das Reisen viel bequemer, besonders was das Gepäck betrifft. Man hat 150 Pfund frei, und Überfracht wird nur bezahlt, falls die Koffer allzu große Dimensionen haben. Auf der Station wird das Billet vorgezeigt und das Gepack dem Gepäckmeister übergeben.ztatt des zeitraubenden Schreibens eines Scheines, bindet dieser eine kleine Blechplatte an den Koffer und übergibt dem Reisenden eine ebensolche Platte mit derselben summer. Damit ist die Cisenbahngesellschaft für das Gepäck verantwortlich geworden.vor jeder größeren Station kommt ein sogenannter Transfer Agent in den Waggon,dem man die Adresse des Gasthofes oder Hauses, wohin das Gepack gewünscht wird,übergibt. Gegen 25 Cents Sr. 1. 25 nimmt er das Blechplättchen in Empfang und besorgt sicher das Gepack an den gewünschten Ort.
Am folgenden Tage traten an Stelle der fruchtbaren Gefilde Dakotas wilde Prairien. Wir fuhren durch den «Bad Lands» oder Pyramid Park» genannten Distrikt. Cigentümliche Kegel und Selsengrate erheben sich phantastisch durch Seuer oder Wasser geformt,unvermittelt aus der einformig grüngrauen Ebene. Stunde auf Stunde dasselbe einsame Bild. Verlassene Hütten, ein Blockhaus für Bahnbeamte, eine Schafherde, Prairiehunde bieten die einzige Abwechslung.
Vvor einem Stationshause stand als sonderbarer Gegensatz zum Schienenstrange der Sivilisation ein stolzer Indianer.
Der Nimbus (der Rothäute), den Cooper um die edeln Heldengestalten der Mohikaner oder Iroquois gelegt, die Märtyrerpalme, mit welcher er ihre Stirne nach dem hoffnungslosen stampf gegen eine unũberwindliche Macht gekront hat,mußte freilich allmählich anderen Ansichten weichen. Und dennoch Mitleid erfaßte mich mit der einsamen Gestalt,dem Sproß eines mächtigen volkes, welches einst nach Millionen zählte und jetzt im Aussterben begriffen ist. Mag man die Indianer diebisch,unzuverlässig, grausam, lasterhaft schelten, auch die „Bleichgesichter“ haben gegen sie viel gesündigt, viel zu verantworten.
Es war eine schlimme Überraschung für mich, als ich, nach rastloser Eisenbahnfahrt an den Pforten des ersehnten Hellowstoneparks angelangt, keine Möglichkeit sah,vor den nächsten 24 Stunden weiter zu gelangen. Da hieß es gute Miene zu bösem Spiele machen und in dem Städtchen LCivingston, in einem recht elenden Gasthofe,lachmittag und Nacht zubringen.
Civingston ist ein neues Städtchen, pilzartig über Nacht aufgeschossen, wie so viele andere in Amerika. Bergwerke und LCandwirtschaft haben es ins Dasein gerufen, und seine ungefähr 3000 Einwohner sind von überallher zusammengewürfelt.Größtenteils sind es Schweden und Sinnländer. Slachshaarige Kinder spielen vor den kleinen, einstöckigen, bunten Häuschen, die einer Nürnberger Spielschachtel entnommen zu sein scheinen. Sohlen, Lämmer und Sicklein hüpfen herum, würdige
C. von Rodk, Reise um die Welt.
Indianer.
[34]Reise einer Schweizerin um die Welt.Enten und Hennen führen ihre Kleinen spazieren, eine ganze Sülle jungen Lebens, das mit der jungen Stadt aufblühen und erstarken wird.Was die Landschaft betrifft,zönnte Livingston,statt in Montana,ebensogut in einem unserer Schweizeräler liegen. Von grünen Hügeln umgeben, erheben sich dahinter hohe Berge, auf denen Geyser Rrater.Ende Juni noch Schnee liegt. Es sind Ausläufer der Rocky Mountains, die sogenannten Beltberge. Gute Jagd soll's hier geben, und ein Nimrod hat sein Gaärtchen nit einem vollständigen Zaune von Elchhörnern eingefriedigt.
Sremd sfind mir reizende Wiesenblumen, einige Wasservögel, die ich am breiten,alaren Bache entdecke, und ein schwarzer, amselartiger Vogel mit brennend rotgeLeckten Slügeln.
Ein furchtbarer Wind trieb mich früh ins Hotel zurück, und ein ebenso furchtbares Bett und entsprechendes Essen jagten mich am folgenden Morgen daraus hinweg, wenn auch allzufrüh auf den Bahnhof.
Gespannt erwartete ich dort meine Mitreisenden und noch gespannter die Wunder des Yellowstoneparks.
Die Sahl meiner Reisegenossen betrug ungefähr vierzig. Ich wußte, daß wir während der sechs Tage, welche man im Parke herumfährt, ziemlich aufeinander angewiesen sein würden, und hatte mir Anschluß gesucht und bald gefunden. Mein erster Gefährte war ein freundlicher blonder Wiener, der, schon der Sprache wegen,sich zu mir fand; später gesellte sich ein nicht allzu verliebtes Hochzeitspärchen aus Chicago und ein älteres Sräulein aus Washington hinzu, und das fünfblätterige sRleeblatt schloß sehr gute Sreundschaft.
An einem herrlichen Tag traten wir unseren Ausflug an. Die kleine Bahn,welche uns in zwei Stunden nach Cinnabar bringen sollte, lief zunächst durch das Pellowstonetal und eine enge Schlucht, wo, von lichten Bäumen umgeben, der Hellowstonefluß rauscht. Sie bildet den natürlichen Cingang zum Nationalparke.
Es war ein idealer Sug im amerikanischen Volke, der es veranlaßte, dieses ganze große Gebiet von 1,289,700 Hektaren in seinem natürlichen Zustande zu erhalten []Im YellowstonePark.
35 in einer Seit, wo alles, was zum Erwerb und Gewinn dient, ausgenutzt wird. Das Wunderland des Yellowstone soll der Nachwelt zeigen, wie es einstmals in Nordamerika ausgesehen hat, soll «a great pleasure ground for the people» sein.Ich habe es ein Nationalmuseum unter freiem Himmel nennen hören. Nicht mit Unrecht: hier hausen noch die letzten Büffel. Bären, Elche, Rehe, Adler, Biber u. s. w.führen ein friedliches Dasein, und die Bäume sterben ihren natürlichen Cod. Kein Schuß, keine Axrt dürfen ertoönen, kein Haus darf erbaut werden, mit Ausnahme einiger Gasthöfe. Auch der lärmende Schienenstrang ist aus diesem Gebiete verbannt,nur Landstraßen machen dem Reisenden seine Schonheiten zugänglich. Diese find wohl einzig in ihrer Art. Da sehen wir Geyser, siedende Quellen, Terrassen, Krater,Obsidianfelsen, versteinerte Bäume und Schwefelhügel. Das Sentrum des Parkes,welcher größtenteils im Staate Wyoming liegt,besteht aus einer breiten vulkanischen Ebene in einer durchschnittlichen Höhe von 2440 Metern über Meer. Sie ist von Bergzügen umgeben, die eine Höhe von 3000 - 4300 Metern erreichen.
Die erste Entdeckung dieses Gebietes geschah im Jahr 1810, und 1842 veröffentlichte die Mormonenzeitung «The Wasp,e eine Schilderung desselben. Sie wurde als Münchhausiade,als die Ausgeburt einer überreizten Phantasie verlacht, allein die Wirklichkeit übertraf diesmal ausnahmsweise die Erzählung, und im Jahre 1872 wurde der Nationalpark eröffnet.
Unterdessen waren wir in Cinnabar angelangt. Eine Art Omnibus brachte uns in raschem Tempo auf holprigem Wege nach unserer ersten Nachtstation, Mammoth Hot Springs. Der Gasthof ist neu und komfortabel. Man bezahlt, wie in den übrigen Hotels des Parkes, im Tage vier Dollar. Hier ist auch Sort VYellowstone, wo die Soldaten, denen die Aufsicht über den Park obliegt, ihr Standquartier haben.
Mit einem Sührer erkletterten wir die nahen Terrassen, welche durch die kalkartigen Ablagerungen der heißen Cuellen man zählt deren über fünfzig gebildet sind. Die Ablagerungen erstrecken sich über einen Raum von 8100 HBektaren
[36]Reise einer Schweizerin um die Welt.und bilden dreizehn Terrassen. Seitdem die berühmten Rosaterrassen in NeuSeeland zerstört sind, stehen diejenigen in Yellowstonepark einzig da.wie soll ich sie beschreiben? Am besten vergleiche ich sie mit grandiosen Kaskaden, die in ihrem Sturze plötzlich aufgehalten und kristallisirt worden sind. Oben auf ihrer Släche stehen lichtblaue Lachen, aus denen heiße Schwefeldünste emporsteigen und den obern Rand der Cerrasse mit algenartigen, grüngelben Schwefelfasern verzieren. Mehr oder weniger stark träufelt das Wasser, zeitweise auf der einen, zeitweise auf der anderen Seite herunter und malt jene wunderbaren zarten Sarben und Schattierungen, welche vom lichtesten Gelb sich ins feurigste Orange verwandeln.Auch noch andere Sarben haben jene heißen Quellen, deren Wärme von 36-910 Celsius wechselt, auf ihrer Palette. Namentlich Jupiter, Minerva und Kleopatralerrassen schimmern in Weiß, Grün, Salmfarbe, Rot, lichtbraunem und warmem Ockerton.
Zu Süßen dieser Terrassen erhebt sich ein einsamer Kegel, « Liberty cap»zenannt, der Krater eines erloschenen Geysers.
Außerdem gibt's in dieser Region noch Miniaturgeyser, einen blauen See, der keinen sichtbaren Ausfluß hat und dessen Cemperatur Sommer und Winter dieselbe bleiben soll. „Teufelsküche“ heißt eine schmale Spalte, in die man sich auf einer Leiter hinunterzwängen kann. Natürlich überließ ich's anderen und freute mich, von ihnen zu hören nachdem sie sich ausgepustet und ausgekeucht hatten daß dort nichts zu holen wäre als Dampf und der Wunsch, baldigst wieder hinaus zu gelangen.Einen ganz merkwürdigen Anblick gewähren die Bäume, welche um einen vor zwei Jahren ausgebrochenen Geyser stehen. Ihre Stämme sind schneeweiß, und VV
Mũde und erhitzt kamen wir in den Gasthof zurück. Ich war schläfrig,ruhebedürftig,allein eine urkomische Aufführung der schwarzenßoteldienerschaft,welche uns den fogenannten Cake Walkvorführte und ein «Banjo»gitarrenartiges
Instrument)Konzert zum []Im YellowstonePark.
97 besten gab, hielt mich wach und in beständigen CLachkrämpfen.Schon in New HYork hatten die vielen eleganten schwarzen LCadies und Gentlemen, welche jeden Modenwechsel in gesteigertem, jedenfalls was die Sarben betrifft, grellerem Maße mitmachen, meine Sreude erregt).
Den folgenden Morgen standen mehrere bequeme vierspänner vor dem Gasthof, in welche wir je zu sechs bis acht verteilt wurden. Auf der ganzen sechstägigen Sahrt behielt ich dieselben Reisegenossen, dieselben Wagen und Pferde. Eine starke Leistung für letztere,da die Straßen oft steil und schlecht sind. Meinen Wagen zogen vier Schimmel,die ohne Peitsche unverdrossen die stärksten Cagestouren machten. Außer zwei Herren und mir saßen drei Damen im Wagen, Cypen der Klasse Amerikanerinnen, die das Ceben von der leichten Seite nehmen. Die Männer, wovon zwei krank sein sollten,hatten sie zu Pause gelassen. Nichtsdestoweniger oder vielleicht gerade deshalb waren sie entschlossen, «to have à good time». Sie lachten, schnatterten und „flirteten“beinahe unaufhörlich. Im übrigen konnte ich mich nicht über sie beklagen, sie zeigten sich immer artig und zuvorkommend.
Der erste Tag begann mit einer achtstündigen Sahrt, und die erste Steigung betrug gleich 300 Meter. Sie brachte uns in eine düͤstere, unheimliche Selsenwildnis,die soodoos genannt. Woher der Name und welchem Spiele boöser Naturgeister sie ihren Ursprung verdankt, ist mir unbekannt. Einen Glanzpunkt bildet das darauf folgende „Goldene Cor“, wo gelbes Moos die kühnen Selsen dicht bewächst und ein schöner Wasserfall rauscht. Das „Tor“ öffnet uns den Ausblick auf einen blumigen,stillen, von schneebedeckten Bergen umkränzten Wiesengrund. Der schönste und höchste unter ihnen ist der 3390 Meter hohe Electric Peak, dessen Gipfel beim Gewitter einen wunderbaren Anblick bieten soll. Wir fuhren am „Schwan und Bibersee“ vorbei,
Liberty Cap.
) Den · Cake Walke haben die Neger den Indianern abgelauscht. Seinen Namen erhielt er davon, daß der beste Tänzer einen Kuchen als Preis zu bekommen pflegte. Allmählich hat der Cake Walke nun auch seinen Weg nach Europa gefunden und seinen Einzug erst in den Tingeltangels, dann in den Salons der eleganten Pariserwelt gehalten. Eine Art Cancan!
[38]Reise einer Schweizerin um die Welt.im letzteren stand ein Bibernest, ein aus dürren Sweigen kunstlos erbautes Ding.Abermals folgten zwei stille lichtblaue Wasser,„Mineralsee“ und „Bratpfanne“ genannt.Gelbe Wasserlilien schaukeln sich auf ihren Wellen, und Wasservögel empfingen uns mit schrillem Rufe.wWir mochten wohl fünf Stunden gefahren sein, als unser Wagen plötzlich vor einem Zelte hielt. Cin Mann trat heraus,der uns mit einem Redeschwall empfing.
Es war der Wirt Lorenz Matthew, Larri genannt, ein Irländer und ein Original.
Auch das Essen, welches er uns vorlegte, war originell, und nur wirklich gute Kuchen trugen zu seiner Chrenrettung bei. Larri,der so süß ist wie seine Kuchen, befitzt eine
Srau saurer als Essig. Wie die zwei zueinander gekommen, ist ein psychologisches
Rätfel! Larri verabschiedete sich von uns mit der Bitte, doch seiner in unserem Testamente gedenken zu wollen.
Zu Suß ging's nun ein Stück Weges. Wir machten die erste Bekanntschaft mit den wunderbaren Geysern. Die weiße Schlackendecke, die wir betraten, bedeckt eine Ssläche von 1388 Hektaren und heißt nach ihrem Entdecker Norris Geyser Basin.Veiße tote Bäume ragen hie und da gleich stummen Warnern aus diesem trügerischen
Boden empor. Auch der sührer halt ein wachsames Auge auf uns, denn leicht bricht man in eine Spalte,ein Loch ein, und dann istts nicht ein kaltes Bad,sondern siedendes Wafser,das den Unglücklichen empängt.
Es tönt, als wären wir in einer großen Sabrik oder, poetischer ausgedrückt, in Vulkans
Schmiedewerkstatt. Von allen Seiten sausen Springquellen, steigen Geyser, brodelt Wasser und zischen Dämpfe. Die Atmosphäre
Das Goldene Tor.
Grotto Geyser.[]Im YellowstonePark.
39 ist mit betaubenden Dampf:; und Schwefelgerüchen geschwängert. Auch hier gibt's Sarben. Die Natur hat ihren ganzen Malkasten geöffnet, um die kleinen Miniaturteiche und Pfützen zu schmücken, und die Sonne spielt ebensogerne mit den durchsichtigen Wasserstrahlen wie mit den kompakten weißen Dämpfen und verleiht ihnen alle Sarben des Regenbogens. Die Geyser haben alle ihre Namen, Black Growler,Kongreß, Monarch u. s. w.
Als wir im Wagen unseren Weg weiter fortsetzten, war mein Entzücken über
Wald und Wild groß. Ganze Rudel Elche schauten uns mit glänzenden Augen vertrauensvoll an, und niedliche Chipmunks liefen in ungezählter Menge über die Candfstraße. Diese sind eine Art Eichhörnchen mit gelb und schwarzen Strichen über dem Rücken. Auf den Selsblöcken hockten Murmeltiere; auch sie fürchteten uns nicht. Schön ist der WVald in seiner ungepflegten Urwüchsigkeit! Gestrüpp und tote Bäume bilden oft ein fast unentwirrbares Ganzes.Man sieht weiße Sichten, Pech und Rottannen, rote Sedern, SwergAhorn,weiße Pappeln und Weiden.
Der Weg führte zum Teil den Gibbon und Sireholestrom entlang. Ein schöner Punkt löste den andern ab, und doch freute ich mich, endlich mit Sountain Geyserhotel das Siel unserer heutigen Sahrt zu erreichen. Ein gemütliches Seuer und ein gemütliches Haus nahmen uns auf. Hier gab's keine Nigger,amerikanische «young ladiess waren unsere sehr herablafsende Bedienung.
Seit ich in New York in rührender Cinfalt abends meine Schuhe vor die Türe gestellt und sie den folgenden Morgen wieder ungeputzt in Empfang nehmen mußte,hatte ich verschiedene Proben amerikanischer Bedienung oder vielmehr Nichtbedienung erlebt. Wer bei uns allzusehr über „moderne“ Dienstboten klagt, dem möchte ich raten, sich etwas im Lande der Sreiheit umzuschauen. Dort heißt es: „Bediene dich elber, und willst du das nicht, so lebe mit deiner Samilie im Gasthof oder nimm wenigstens deine Mahlzeiten im Restaurant.“ Je weiter man gegen Westen gelangt,um so schlimmer wird die Kalamität, um so weniger kann man sich auch nicht für schweres Geld gute Dienstboten verschaffen.[4]*
Reise einer Schweizerin um die Welt.Bei uns pflegt es hie und da vorzukommen, daß ein dienstbarer Geist Knall und Sall das ßaus verläßt, doch wirft eine solche Katastrophe meist ihre Schatten voraus. Drüben aber muß die Hausfrau jeden Morgen darauf gefaßt sein, wie ein Blitz aus heiternm Himmel das Wort «I go» zu vernehmen. Wenige Stunden später und das «I go ist zur Tat geworden,einerlei, welch bittere Verlegenheit der Herrin dadurch bereitet wird.
Nach dem Essen ging's zum Sountaingeyser, der uns jedoch nicht die Gunst antat, zu springen. Gnädiger waren die Mammoth Paint Pots, prosaischer Mud Puffs, deutsch Schlammbläser genannt.Es sind kleine runde mit Lehm angefüllte Krater, und dieser Lehm, der zur Tünche beim Bau des Gasthofes angewandt wurde, ist rosa, grünlich, gelb und weiß. Unaufhörlich gurgelt's und zischt es in diesen CLöchern und wirft Blasen auf, und aus diesen Blasen bilden sich, wenn in den Krater zurückfallen. ECin wunderbares Schauspiel, dem man stundenlang zuschauen möchte.
Die folgende Tagesfahrt betrug nicht mehr als 14 Kilometer. Sie brachte uns zum oberen Geyserbafssin, wo, da das Hotel abgebrannt, Selte uns für die Nacht beherbergen sollten. Es ist ein schöner von Wald umgebener Platz, und die Zahl der Geyser eine noch viel großere als beim Norrisbassin, nämlich 26, und über 400 warme Guellen.Waldige Berghänge ziehen sich von Südost nach Nordwest, und eine LCinie hoher Koniferen begrenzt den Süden. Die weißgrauen Bodenerhöhungen sind mit Geyserkegeln und heißen Quellen gekrönt. Auch hier hängen überall Dampfwolken gleich Leichentüchern, die Erde zittert und erdröhnt in dumpfem Donner, und schwer ist die Luft von Schwefeldünsten.slahe den Selten ist ein Geyser, Old Faithsul genannt, der durch seine ganz regelmaßigen Ausbrüche der bekannteste und beliebteste geworden ist. Alle 63 Minuten,mit nur ganz geringen Abweichungen, spielt dieses Naturwunder bei Tag und bei Nacht. Ich beobachtete fünf Ausbrüche. Der Krater, ein längliches viereck, liegt auf einem ungefähr 4 Meter hohen Hügel von Geyserit. Auf den terrassenfoörmigen -chichten dieses Hügels sind überall kristallhelle Wasserlachen. Ihre Raänder bilden eine feingezeichnete Perlenschnur, ihr Grund zeigt zarte rosa, weiße, orange und braune Sarben. Der Ausbruch beginnt mit einigen kurzen Stößen, welche schon eine gehörige Wafsermenge auswerfen, dann steigt eine heiße Wassersäule von 60 Centimeter Durchmesser zirka 38 Meter empor. Regenbogen spielen in herrlichen Sarben auf und []HellowstoneSee. (5. 42) [] Im YellowstonePark.
41 nieder in den feinen Sprühregenwolken, während die niederfallenden Tropfen wie ein Diamantenregen gegen die Erde blitzen.
Die Wassersäule bleibt in gleicher Sülle und Höhe wohl drei Minuten lang,dann fällt sie plötzlich zusammen. Den Giantgeyser, den größten, habe ich leider nicht tätig gesehen. Er soll die letzten Jahre sehr selten springen. Caut Geysertabelle steigt er 76 Meter hoch und spielt während 90 Minuten. Vergeblich stellten wir uns immer wieder vor seinen Kegel, hofften, das Gurgeln und Kochen in seinem Krater bedeute einen nahen Ausbruch er wollte es uns nicht zuliebe tun. Wir haben noch viele andere Geyser spielen sehen, haben noch eine weite Wagentour nach anderen Pools, hot Springs und Geysern unternommen, aber immer wieder war's der Old Faithful, der mich anzog. Schöner noch erschien sein wallender Wassermantel spät abends im Mondschein.
Abseits vom
Bereiche der
Schwefeldünste gedeihen herrliche Blumen:gelbe Enzianen in Sorm und
Größe wie die unsrigen. Sehr niedlich ist eine gelbe fünfblätterige Blüte, den botanischen Namen konnte ich nicht erfahren,im Volksmunde heißt sie dog tooth violet.
Dann gab's lichtblaue Cupinen, Rittersporne, Immortellen, Moschusblümchen, kleine Astern, Ringelblumen und eine sehr feurige, mir unbekannte Blüte: Paint Brush, die ich später RD
Unfer Nachtlager war bitter kalt. Je in einem Selt hausten, durch Stoffwände geschieden, sechs Parteien. Man hörte jeden Atemzug, und da ich ahnenden Geistes meinen Nachbarn schon vorher als Schnarcher taxiert, war das Gelächter groß, als sehr bald Sägetöne den Raum füllten. Anfangs klang das LCachen unterdrückt, dann immer lauter von allen Betten und Seiten, so laut, daß es schließlich den unglücklichen Schnarcher weckte. Mich ließ die Kälte zu keinem Schlafe kommen, und als ich früh aufwachte, lag eine Ciskruste auf meiner Waschschüssel.
Den folgenden Tag wurde früh abgefahren. Acht Stunden lang schlechte, steile Wege, ein schweres Stück Arbeit für die armen Pferde. Kurze Seit vor der Mittags[12] deise einer Schweizerin um die Welt.station Chumb genießt man von einem hügel aus den ersten Anblick des Yellowstonesees, dessen Sorm einer sdand mit nach Suũden ausgespreizten Singern gleichfieht. Klar, blau, friedlich,ganz eingebettet in Waldesgrun liegt er da. Im Hintergrunde ragt eine schneebedeckte Bergkette, die Abfaroka Mounts, empor.
Das Ganze erinnert an den
Neuenburgersee, nur fehlt hier jede Spur menschlicher
Wohnungen und menschlichen Lebens. Auch die wilden unterirdischen Geister scheinen zu ruhen. Der See liegt 2370 Meter über Meer, und seine Größe beträgt 34.000 Hektaren, somit gehoöͤrt er zu den höchstgelegenen großen Seen der Welt.
In der Zaltstation wurde ein schlechter CLunch genossen, dann ging's an den See. Einige Schritte vom Strande steht ein Geyserkegel im Wasser. Schnell hatten wir ihn erreicht und fischten eine Sorelle, es gibt davon eine Menge.Ebenso schnell hatten wir sie noch an der Angel in den Krater des Geysers getaucht und zogen fie gekocht aus dem siedenden Wasser.
Cine lange, schöne Sahrt brachte uns meist dem See entlang zum Lakehotel.
Streckenweise hatte ein Brand die Bäume zerstort. Auf einem der toten Stämme hauste ein Sischadlerpaar.
Das Laßkehotel liegt im tiefen Sande. Unser Spaziergang führte daher über einen Holzsteg zum See. Dort wurde gefischt, der einzige erlaubte Sport im Yellowtoneparke. Sast jeder Angelzug brachte einen Sisch herauf. Es waren schon gefleckte einheimische Sorellen (Salmo Myhiss). Mir tat's leid um die unnütz hingemordeten Tiere, da der Verkauf verboten ist und die Gasthöfe immer weit über Bedarf damit versehen sind.Schlammpulkan.[]Im YellowstonePark.
13 Den 28. Juni unterbrachen wir sehr bald die Sahrt, um den Schlammvulkan zu besichtigen. Seine graubraune CLehmmasse ist ein ebenso unangenehmer Anblick fürs Auge wie ein schlimmer Geruch für die Nase. Der von dem ausgeworfenen Schlamm gebildete strater ist 7 Meter tief. Immer wieder stößt er unter dumpftönenden, gurgelnden Lauten bald stärker, bald schwächer seinen bleifarbenen Inhalt aus.
Einen um so lieblicheren Kontrast bildet Haydn Valley, das schönste Tal im HYellowstonegebiet. Es erhielt seinen Namen dem Geologen Dr. S. V. Handn zu Chren, welcher als Erster den Gedanken hatte, dieses Wunderland in einen Nationalpark umzuwandeln.
Noch einmal stiegen wir aus, um einen sehr steilen Sußweg zu betreten,der uns hinunterfuhrte nach den Sällen des PYellowstone.
Doch ich will den Gesamteindruck beschreiben, wie ich ihn empfand, als wir vom Caũonhotel am Rande des Caũon) entlang zu Point Lookout und Inspiration Point wanderten. Wir traten zunächst auf den vorspringenden Selsen von Cookout.
Schwindel erfaßte mich, und froh, festen Boden unter meinen Süßen zu fühlen,zog ich mich einige Schritte zurück. Erst nach ein paar Minuten wagte ich, den Blick in die schauerliche Cinsamkeit da unten zu werfen.zur Rechten von Selsbergen umschlossen,stürzt der große untere Sall 110 Meter tief in die Schlucht. Es ist eine dichte, glänzende Silbermasse, die sich, unten angelangt, in ein veißes Schaumbad verwandelt und so die dunkle Schlucht durcheilt. Man fühlt sein Tosen, ohne es zu hören, denn zu groß ist die Entfernung, welche uns davon trennt, und erst lange nachher vernehmen wir das dumpfe Auffchlagen des Steins, den wir hinunter gevorfen. Die Selswände sind oft beinahe senkrecht. An manchen Stellen haben heiße Quellen ie ausgefressen, Wind und Wellen, Schnee und Srost ihre Gestalt verändert, Kegel und mittelalterliche Burgen. Minarets und Türme hellowstoneSchlucht.
) Spanisches Wort für Schlucht.[]Reise einer Schweizerin um die Welt.aus ihnen geschaffen. Und die Sarben! Die ganze Schlucht scheint stellenweise in Gelb aufzuflammen, vom hellsten zum dunkelsten. Oft liegt's wie Blut auf den Kanten,oft schmiegt sich ein weicher, weißer Staub, einem Leichentuche gleich, in die Spalten.Weiter unten klammert sich dunkles Moos an den nackten Sels und macht die wunderbare Sarbenzusammenstellung noch fremdartiger.
Wer sind die Bewohner dieser Schlucht? Königliche Vögel haben sich in diesem königlichen Prachtbau angesiedelt. Adler, die Vögel Jupiters. Weite sreise sehen wir einen von ihnen ziehen, bis er langsam der Tiefe zuschwebt, wo weit unter uns, auf schroffem Selskegel, sein Horst gebaut ist. Mit dem Glas können wir hineinschauen,können das Weibchen seine Cier verlassen sehen, um mit dem Gemahl gemeinsam der untergehenden Sonne zuzufliegen. Keine frevle Hand wird unterdessen das Nest ausrauben, kein Schuß wird die stolzen Vögel tödlich treffen, hier sind sie Herrscher, hier ist ihr Sreiheitsland.Dieselben Vorrechte genießen die Bären.Ungläubig freilich werden manche meiner Leser bei meiner Baärengeschichte den Kopf schütteln und denken, ich hänge ihnen selber einen
Bären an.Schon am ersten Tage erzählte man uns alle möglichen Geschichten von den GrizzlyBären des PYellowstoneparks und ihrer Zahmheit. Man behauptet, sie ließen sich sogar photographieren, und ein Spaßvogel erzählte, sie übernachteten zur Winterszeit zuweilen in den unteren Räumen des Gasthofes. Ungläubig lachend fragte ich, wie manchen Dollar ihnen der Wirt dafür auf die Rechnung setze. Beim Diner erzählten einige meiner Mitreisenden, sie hätten einen Grizzly-Bären im Walde getroffen und seien entsetzt geflohen. Ich zweifelte noch immer. Da forderte man mich auf, abends zwischen 8/2 und 9 Uhr auf eine Anhohe hinter dem Gasthof zu gehen. Zur festgesetzten Zeit fand ich mich dort ein. Es war eine helle, kalte Mondnacht. Ich legte mich flach hinter einen Salbeibusch und sah hinunter in einen Graben, wo Konservenbüchsen und Gemüseabfälle lagen. Dort sollten sie sich allabendlich ihr Sutter holen. Ich wartete lange, es kam nichts. Schon wollte ich's aufgeben,als es auf dem gegenüberliegenden Bügel lebendig wurde. Aus dem Walde traten einer nach dem andern: drei mächtige Bären. Sie schienen im Mondschein noch gewaltiger, als sie es wirklich sein mochten. Raschen Schrittes, ohne sich umzusehen, liefen sie auf die Grube zu. Sie suchten eifrig Sutter, und ich hörte dabei das Klirren der Blechbüchsen. Cinen Augenblick später erschien ein kleineres Tier, und als die drei ersten eben abzotteln wollten, kamen ihrer drei neue von der andern Seite. Die braungrauen Gesellen brummten sich eine Art Begrüßung zu. Von mir hatten sie nichts
GrizzlyBär.[]HellowstoneSall und -Schlucht. (5. 43.) [] Im PellowstonePark.
45 bemerkt. Ich lag in fast atemloser Spannung in meinem Salbeibusch. Es war dunkel geworden. Cine Art Grauen hatte mich erfaßt, und wie von Surien gepeitscht, eilte ich dem Hotel zu.
Dort hatte sich ein Landsmann, der meinen Namen im Sremdenbuch gelesen, angelegentlich nach mir erkundigt. Als Kind schon nach Indianapolis ausgewandert, war ihm das Schweizerdeutsch nicht mehr mundgerecht, doch die alte Heimat hatte er nicht vergessen. Obschon es zehn Uhr war, wanderten wir noch zusammen zur Schlucht.Unter den Strahlen des Mondes hatten die Sarben der Selsen einen silbernen Schimmer erhalten, und wie Schnee leuchtete der weiße Staub in den Spalten. Es war totenstill; auch die Adler schliefen.
Am folgenden Morgen sah ich noch die Sonne über dem Cañon aufgehen, dann fuhren wir auf kürzeren Wegen zurück, Mammoth Hot Springs und Cinnabar zu.Mich berührte es wie das Verlassen eines Märchenlandes.[]
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Reise einer Schweizerin um die Welt.
Bei sen Mormonen.
Sahrt nach Butte. Ankunft in Salt Lake City. Potel. Brigham Young. Der große Tempel. Tabernalel.Glaubensbekenntnis der Mormonen. Josef Smith, der Gründer der Mormonenjekte. Sein Tod. Polyzamie Brigham Houngs. Prozeß mit einer seiner Srauen. Manifjest gegen die vielweiberei. Brigham toungs Bauten. Sein Grab. Saltair. Bad im großen Salzsee. Salt Lake City. über die Sierra levada nach Ralifornien.Nachdem ich in Livingston wehmütigen Abschied von den vier Reisegefährten genommen,brachte mich die Eisenbahn nach Butte. Beinahe ist's ein slachklang zu den Herrlichkeiten des HYellowstoneparkes, denn der Weg führt über die Beltberge, Ausläufer der Rocky Mountains, und erreicht sehr rasch eine Höhe von 1700 Meter.Eine großartige Bahn, fürwahr! Dabei wetteifert die Kühnheit und Unsicherheit der sdolzbrücken mit der Kühnheit der Berge und Schluchten, und oft dachte ich: „Jetzt müssen wir einstürzen!“
Aber nein! unaufhorlich raste der Zug weiter bergabwärts Butte zu, einer Stadt, die erst von 1864 an ihren Geburtstag rechnet und doch schon über 50,000 Einwohner zählt. Die Stadt machte mir einen greulichen Cindruck, und dabei war ich noch verdammt, fünf Stunden dort abzusitzen. Die umliegenden Berge sind eitel Kupfer und liefern jährlich mehr als 250 Millionen Pfund dieses Metalles. Als ich auf der Post eine 2 Cts.Marke mit Kupfer bezahlen wollte, hieß es: „Behalten Sie Ihr Geld, Kupfer hat für uns nicht den geringsten Wert.“
Spaäter ärgerte ich mich, keinen Versuch gemacht zu haben, ein Kupferbergwerk zu besuchen, allein ich dachte, ich würde sie des Sonntags wegen geschlossen finden.slachträglich erfuhr ich, daß Sonn- und Sesttags, bei Tag und Nacht ununterbrochen gearbeitet wird, so groß ist die Gier nach dem Mammon.[]xc
Butte ist der Sitz der großen Anaconda Kupfer und Silbermine, welche 1898 für 45, 000,000 Dollar verkauft wurde.
Abends fuhr ich Ogden und Salt CLake City zu. Beim Erwachen im Pullmancar warf gerade die Sonne ihre ersten Strahlen auf mein Cager und machte mich munter zum Zugwechsel in Ogden. Von dort führt eine Sweigbahn nach der „Stadt der sdeiligen der letzten Tage“, wie die Mormonen sie nennen, oder Salt Lake City, wie der geographische Name heißt.
Blühende Dörfer und Gärten, üppige Wiesen und gutes Ackerland erquicken das ERim Staate Utah, welcher die fleißige Biene im Wappen führt, befinde.
Das neue, sehr große, sehr elegante Hotel wirft schon alle meine Ideen von der Mormonenwirtschaft über den Haufen. Es ist eines der besten, komfortabelsten, die ich in Amerika getroffen, enthält 300 Zimmer und ist „feuerfest“. Letz teres wird in Amerika, wo die Gasthöfe wie Zunder brennen, mit borliebe auf den Hotelprospekten betont und angepriesen. Überall sieht man an einzelnen Simmern die Aufschrift: „Notausgang im Salle von Seuer.“
Wie verschieden sind doch die Menschen! Mir war's, wenn ich überhaupt daran dachte, eine Art Sicherheitsgefühl; mein Wienergefährte vom Yellowstonepark dagegen fand es ein umheimliches „Memento!.
Eine schone. reinliche, wohlhabende Stadt ist Salt Cake City, und gut wandelt sich's in ihren breiten, luftigen, rechtwinklig sich kreuzenden Straßen. Kommt man aber ein bißchen aus dem Herzen der Stadt, dann erfreut man sich schattiger Alleen,murmelnder Bächlein und schmucker, meist im Grün ihrer Gärten versteckter Häufer.Ringsum ziehen sich die kahlen, großen Wahsatchberge, welche eine ebenso wüste,kahle Gegend umgaben, bevor die Mormonen im Nahre 1847 sich unter Brigham HYoung hier ansiedelten.
Es ist natürlich, daß ich zuerst Brigham Youngs Spuren folge, jenes merkwürdigen Mannes, der als Gouverneur von Utah das Ansehen eines Königs genoß,und vor dem die Regierung in Wafshington eine heilige Scheu hegte. Er war sowohl weltliches als kirchliches Haupt der Mormonen, ihr Gesetzgeber und höchster Richter.
Bei den Mormonen.
Brigham HYoung.[]
Reise einer Schweizerin um die Welt.Alles, was er angriff gedieh, und feine Weisheit galt im Volke für unfehlbar. Salt Lake City und Utah verdanken ihren Wohlstand ausschließlich Brigham Young,der seinen Anhaäͤngern nicht nur Moral predigte, sondern sie auch unterrichtete und ihnen praktische Ratschläge gab, wie ihre Häufer und Garten in Ordnung zu halten seien und ihre Acker reiche Srucht bringen könnten. Nur den Wasserleitungen und Berieselungsnetzen, die er mit großem Geschicke anlegte, schuldet die ehemals dürre Wüste ihre Blüte.Auch die hauptsächlichen Bauwerke hat Brigham Young ins Leben gerufen.Sreilich ist es ihm nicht beschieden gewesen, sein Hauptwerk, den großen Tempel, vollendet zu sehen. Im Jahre 1853 legte er den Grund zu jenem Bau, welcher seinesgleichen an Pracht und Aufwand sucht und dessen Ausführung volle 40 Jahre in Anspruch nahm und über 4,000,000 Dollar kostete.
Stolz erhebt sich das graue Granitgebäude mit Terrasse statt des Daches und je drei Cürmen auf Ost und Westseite. Der höchste Mittelturm auf der Ostfassade ist durch einen 4 Meter hohen vergoldeten Engel, der eine Crompete an den Mund hält,gekrönt. Es ist der Engel Moroni, von welchem ich gelegentlich noch sprechen werde.Die Länge des Cempels beträgt 57 Meter, die Breile 30 Meier. Das Innere soll wundervoll ausgestattet sein, doch ist es den „Heiden“ oder „Gentiles“, wie die Mormonen alle Andersgläubigen nennen, streng verschlossen. Am Sonntag soll man sich leicht in die Reihen der Gläubigen einschmuggeln können und hineingelangen,aber leider traf mein Aufenthalt bei den „Heiligen der letzten Cage“ auf einen Montag.
Ich habe überhaupt herzlich wenig vom Tun und CTreiben jener sonderbaren Heiligen gesehen. Es waren Menschen wie überall in Amerika, gut gekleidet. freundlich,höflich, durch nichts äußerlich sich unterscheidend.
Das einzige, was nimmer seinesgleichen auf der Welt hat, ist das Tabernakel,ein Unikum an ßäßlichkeit und Ungeheuerlichkeit. Es steht von Anlagen umgeben. Von überallher steht man sein gewaltiges, längliches, gewölbtes sdolzdach und denkt unwillkürlich an eine Riesenschildkröte, die in gruner Landfschaft kauert. Erst allmählich []Bei den Mormonen.
49 bemerkte ich, daß dieses durch mächtige Sandsteinpfeiler getragene Dach die Bedeckung eines Raumes bildet, welcher über 12,000 Menschen bequem aufnehmen kann.
Eine der größten Orgeln der Welt ertoönt Sonntags im Tabernakel und begleitet einen als trefflich gerüͤhmten Kirchenchor. Ich konnte von der ausgezeichneten Akßustik leider nur beim Sprechen urteilen.
Ein freundlicher Sührer gibt mir eine rote gedruckte Karte; sie enthält das Glaubensbekenntnis der Mormonen. Auch hier nichts Außerordentliches oder Abstoßendes!
Es sind 13 Paragraphen, von denen ich einige übersetzen will, um einen Begriff davon zu geben.
1. Wir glauben an Gott, den Ewigen Vater, und an seinen Sohn Jesus Christus und den heiligen Geist.
6. Wir glauben an dieselbe Einrichtung, welche in der ursprünglichen Kirche war,d. h. an Apostel, Propheten,Seelsorger, Lehrer, CEvangelisten u. s. w.
7. Wir glauben an die Gabe der Sprachen, die Prophezeiung, die Offenbarung,an Visionen, seilungen, Auslegung der Sprachen u. s. w.
8. Wir halten die Bibel für das Wort Gottes, soweit sie richtig übersetzt ist. Wir glauben auch, daß das Buch Mormon das Wort Gottes sei.
Hier unterbrach ich meine Cektüre und ließ mir erklären,was das Buch Mormon ist. Dazu mußte aber auf die Gründung der Sekte zurückgegriffen werden.
Ein Ujähriger Knabe aus Vermont, Joseph Smith, hatte himmlische Erscheinungen,welche ihn über den Sustand von Abtrünnigkeit in der Chriftenheit in Kenntnis setzten und ihm befahlen, die wahre Kirche Christi aufs neue auf Erden einzusetzen.Zuerst erschien ihm im Jahre 1820 Gott Vater und Sohn. Sie legten ihm neue Glaubenslehren vor und fagten, er dürfe sich keiner der bisher auf Erden verbreiteten anschließen.
Andere himmlische Erscheinungen folgten: Johannes der Cäufer, welcher den 15. Mai 1029 die Priesterschaft des Aaron auf Joseph Smith übertrug und ihn ermächtigte,zu predigen und zu taufen. Im selben Jahre erschienen die Apostel Petrus, Johannes und Jakobus, welche ihn mit der höhern Priesterschaft des Melchisedek begabten, die da Macht gibt, durch Handauflegung den heiligen Geist jemandem einzuflößen.
C. von Rodt, Reise um die Welt.
[50]Reise einer Schweizerin um die Welt.Zuletzt erschien ein Engel namens Moroni, welcher ihm von goldenen Tafeln sprach, die in den Hügeln beim Dorfe Manchester vergraben lägen. Wirklich fanden sich die Cafeln an bezeichneter Stelle dicht mit Hieroglyphen beschrieben. Joseph Smith entzifferte sie mit der Hülfe Gottes oder vielmehr mittelst einer Wunderbrille, die zugleich mit den Cafeln viele Jahre in der Erde gelegen hatten, und so entstand 1830 ⁊ The Book of the Mormonss-. Es behandelt die Geschichte eines Stammes Israels,der Nephiten, welche, 600 Jahre vor Christo von Jerusalem gekommen, Süd und Nordamerika bevolkerten. Su diesen Hachkommen Abrahams kam Christus bald nach seiner Auferstehung und lehrte sie sein Wort, indem er die Lehren der anderen Propheten ergänzte. Der letzte Prophet war Moroni gewesen, der Schutzgeist der
Joseph Smith predigt den Indianern. Mach einem alten Bilde.)goldenen Cafeln und nun auch der Schutzengel des neuen Cempels. Sein Vater Mormon,ein großer Krieger und frommer Christ, hatte die schon Jahrhunderte vorher begonnenen goldenen Tafelaufzeichnungen beendet. Diese wurden nach ihm benannt, und unter diesem Beinamen wurden nach und nach auch die „Heiligen der letzten Cage“ bekannt.
Joseph Smith hatte den Stoff seines «Book of the Mormons- einem vom Presbyterianerprediger Spaulding 1812 verfaßten, im Bibelton gehaltenen Roman entnommen und ihn mit seinen angeblichen Gesichten und Offenbarungen bereichert.
Joseph Smith gründete mit dreißig Anhängern eine neue Kirche. Er begann,offentlich zu predigen, wurde fortan nur Prophet ZJoseph genannt und umgab sich mit zwölf Aposteln. Seine bald sehr zahlreichen Anhänger verehrten ihn wie einen Heiland.Natürlich begannen jetzt Verfolgungen aller Art. Die „Heiligen“ mußten sich grausame Mißhandlungen gefallen lassen, sie wurden von einem Staate zum anderen gehetzt, und []Bei den Mormonen.
51 den 27. Juni 1844 mordete ein wilder Volkshaufen im Städtchen Karthago in Illinois den Joseph Smith und seinen Bruder süyrum, den Patriarchen der Kirche.
Josephs Nachfolger wurde Brigham Young, welcher, sehr talentvoll und mit eiserner Willenskraft begabt, auch hinsichtlich der Polygamie getreulich in die Sußstapfen des Propheten trat, ja ihn noch weit übertraf, denn man redet von nicht weniger als sechsundzwanzig Ehefrauen desselben. Vier davon waren die Witwen Joseph Smiths gewesen.
Ein Scheidungsprozeß, welchen die jüngste seiner Srauen gegen Brigham Young anstrengte, wirft ein wenig günstiges Licht auf das Haupt der Mormonen und zeigt uns, daß die Ehre, Gattin des Propheten zu sein, abgesehen von der Konkurrenz mit fünfundzwanzig anderen Srauen, manches Opfer erforderte.
Anna Elise, nach einigen Mrs. Joung summer 19, nach andern Nummer 16,beschuldigte ihren Gatten, seine Srauen sehr knapp zu halten. Während die Savoritin,welche freilich öfter wechselte, einen glänzenden Palast bewohnte, wo sie im CLuxus und Überfluß lebte, vegetierten die übrigen legitimen Srauen in elenden Hütten und in der tiefsten Armut. Jede von ihnen erhielt monatlich nur fünf Pfund Sucker, ein Pfund Talglichter, ein Stück Seife und eine Streichholzschachtel!
Ungeachtet dieser unwahrscheinlichen, jedenfalls sehr übertriebenen Behauptungen,gewann Anna Elise ihren Prozeß, dessen sehr hohe Kosten der Prophet zu tragen V0 Rente von fünfhundert Dollar auszubezahlen. Dieses eheliche Mißgeschick scheint ihn übrigens nicht entmutigt zu haben, denn vier Jahre darauf er war damals ein siebenundsiebzigiähriger Greis bot Brigham Young einer sechsundzwanzigsten Auserwählten DHerz und Hand an.
Joseph Smith stützte sich bei Crlassung des Gesetzes der Polygamie auf die Patriarchen,auf Abraham, Jakob, Moses. Ihm erschien die Vielweiberei der Schlüssel zum himmlischen Königreiche, die höchste Stufe himmlischen Ruhmes, denn im Jenfeits sollen auf Erden geknüpfte Samilienbande gemäß dem gõttlichen Gesetze fortdauern.
Im Jdahre 1887 wurde der schon früher begonnene Kreuzzug gegen Polygamie vom Kongresfse neu Die Päuser Brigham Youngs und seiner Srauen.
[52]Reise einer Schweizerin um die Welt.aufgenommen, und schlecht erging's den „Heiligen“. So schlecht, daß Wilford Woodruf,ihr damaliges Haupt, 1890 ein Manifest erließ gegen Vielweiberei. Die Mormonen gehorchten, die CEinwanderung der „HZeiden“ wurde immer stärker, und 1896 verwandelte sich das ehemalige Territorium Utah in einen Staat der Union.
Das Mormonentum steht in voller Blüte, es zählt über 300,000 Seelen, und seine Anhänger sind in der ganzen Welt verbreitet. An der Spitze der Kirche stehen drei Hohepriester, zwolf Apostel, sieben Präsidenten, ein Patriarch, ein Bischof u. s. w.
Ich las weiter in dem roten Gesetzesbüchlein. Kein Wort für oder gegen die Polygamie, nichts, absolut nichts Anstößiges.
Doch genug über Mormonentum!
Bei glühender Hitze wanderte ich vorbei an der ehemaligen Residenz Brigham Hhoungs, vor der ein steinerner Löswe Wache hält; daneben steht das sogenannte Bienenstockhhaus GBeehive house), ein Bau aus Siegelsteinen mit einer Sternwarte in Sorm eines Bienenstockes. Dort hauste der Harem des vVielbeweibten. Es sind durchaus keine imposanten Bauten, ebensowenig wie das sogenannte Adlertor. Ein ganz sonderbares Dingl Je zwei, etwas gewölbte Bogen ziehen sich über die Straße und bilden in der Mitte einen Knauf, auf welchem ein steinerner Adler mit weit ausgebreiteten Slügeln steht. Auch das etwas weiter gelegene Grab Brigham Youngs und einiger seiner Srauen zeigt keinen Prunk. Nichts als ein wüster, verwilderter Grasplatz, ohne jedwelchen Blumenschmuck. Slache Steine liegen auf einzelnen der sieben Gräber, und nur dasjenige des „Heiligen“ ist mit Gitterwerk versehen.
Die Hitze war allmählich überwältigend geworden, so daß ich mich gerne in die Arme eines behaglichen elektrischen Crams warf und im Gasthof unermeßliche Mengen Eiswasser vertilgte, die jedoch schnell wieder ausgeschwitzt waren.
So fand ich's denn am besten, mich von einer tramartigen Eisenbahn die Wagen waren offen in das zwölf Meilen entfernte Saltair bringen zu lassen,und wirklich,dort wehte ein kühler Wind.
Das von den Mormonen vor wenigen Jahren erbaute Badeetablissement ist das Großartigste, das ich in dieser Art je gesehen habe. Da gibt's Pavillons,
Galerien, Aussichtstürme, Erfrischungsraume, sowie einen
Der Große Salziee.[]Bei den Mormonen.riesigen Canzsaal, wo ein großes Orchester spielte und sich, der Ditze ungeachtet, eine Anzahl hübscher Mormonchen eifrig im Tanze drehten.Auch an Badezellen fehlte es nicht,und mehrere hundert Menschen tummelten sich in dem merkwürdig durchsichtigen Wasser.stlanweise schwammen ganze Samilien herum. Natürlich mußte ich auch erproben, wie sich's im „Großen Salzsee“ badet. Aber siehe da, meine Süße strebten immer nach oben, und das Stehen war eine Unmöglichkeit. Bald fühlte ich ein unbehagliches Prickeln und Stechen, Salzkrusten setzten sich an meinen Ohren fest, und meine sHaare wurden mit weißen Säden durchzogen. Nleinen Mitbadenden erging's nicht besser.Der Große Salzsee ist 26 Stunden lang und 10 Stunden breit, und obschon mehrere slüsse hineinstrsmen, hat er keinen Abfluß.Sein überflüssiges Wasser verliert er durch Derdünstung.Die kahlen, ihn einschließenden Berge, die steilen Selseninseln, welche aus dem ruhigen Spiegel des Sees aufsteigen, geben ein eigentümlich reizvolles Bild, und wenn noch ein solcher Sonnenuntergang hinzukommt, wie er mir zu teil wurde, kann man wohl gerne an den Strand von Saltair zurückdenken.Es dämmerte schon, als ich der Stadt zufuhr. Ein kühler Wind strich durch die offenen Wagen und spielte mit den Hüten und „Salzhaaren“ all der Kinder, welche vom Bade zurückkehrten. Wie Reif lag auch auf der Erde das Salz.Abends gab's Tafelmusik im eleganten Knutsfordhotel und Hitze. Auch die Nacht
558
[54]Reise einer Schweizerin um die Welt.war so schwül, daß ich beschloß. schon am folgenden Cage San Sranzisko zuzu reisen.
Sruh wanderte ich nochmals durch die schmucke Stadt und sah mir die stattlichen Neubauten an, das Stadthaus, die schwedisch lutheranische und die katholische stirche, die Baptisten· und Methodistenkapelle, denn die Mormonen scheinen auch gerne Andersgläubige bei sich als „Heiden“ zu dulden. Eine neue Universität, Bergmanns-schule, chemisches Caboratorium, Normalschule und Kindergarten sollen Gelegenheit bieten zu einer guten und billigen Erziehung, denn alles ist frei. So hat man durchaus den Eindruck eines kräftig gedeihenden Gemeindewesens.
In langer, über 36 Stunden dauernder, heißer Sahrt brachte mich die Eisenbahn zunächst durch eine staubige Cinöde, wo der Boden stellenweise Salzkrusten bildete und nur spärliches „Sagegebüsch“) gedieh. Über Nacht wechselte das Bild und zauberte uns in der Srühe die Sierra Rewada vor. Da war's kühl und schön,rauschende Bäche, dunkle Tannen, Berge und grüne Wiesen; ich wähnte mich in die sheimat versetzt. Schade nur, daß es da oben einen 61 Kilometer langen und nur auf kurze Strecken unterbrochenen Schutztunnel aus hölzernen Brettern gibt. Er ist gegen die großen Schneemassen im Winter errichtet und vernagelt wirklich im buchstäblichen Sinne die Welt mit Brettern.
Dann ging's talabwärts, und zauberhaft schnell lag plötzlich El-Dorado, das Goldland Kalifornien vor mir.
) Eine Art Salbei.[]San Sranzisko: Marketstreet in östlicher Richtung. (s5. 57.) []
Kalifornien.
Kalifornien.
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Kalifornien.
Oatland. Universität Berkeley. Geschichte San Sranziskos. Golden Gate Part. Cliffhouse. Seelöwen.Laurel Pill Sriedhof. Mount Tamalpais. Monterey. Pötel del Monte. Los Gatos. Weinkultur.Phylloxera. Obstreichtum. Rolibris. Die großen Bäume von Santa Eruz. Ausvotten der Wälder.Ben Lomond. Ausflug nach dem NosemiteTale. Strapazen. Wawona. „Inspiration Point.“ Die Sage vom El Capitan-Berge. Entdeckung des HojemiteTales. Die letzten Indianer. Slora. HosemiteSall. Glazier Point. Die MariposaBäume. Chipmunks. Rückfahrt nach Raymond. Waldbrand. Wieder in San Franzisko. Reklamen. Chinastadt. Woman's Exchange.
Schüsse, Schwärmer und Raketen empfingen mich den 3. Juli abends auf meiner ersten kalifornischen Station. Sie wurden aber nicht zu meinen Chren losgelassen, sondern leiteten den 4. Juli, den großen Nationalfesttag Nordamerikas, ein.Man hatte mich schon auf dem „Kurfürsten“ gewarnt, an diesem Tage auszugehen,nichtsdestoweniger wagte ich mich an die sogenannte Parade, ein ebenso lebensgefährliches Vergnügen für Menschen wie Pferde, denn Böllerschüsse und Seuerwerke nahmen kein Ende.
Auch hier bewillkommten mich Schweizer und zeigten mir Gakland, eine ganz reizende Stadt, reizend besonders durch ihre füdlich üppige Vegetation. Überall erstreckten sich Alleen herrlicher immergrüner Eichen und lichter weidenartiger Pfefferbäume,überall rankt Efeugeranium infast märchenhafter rosiger Blütenfülle an den Mauern,und darüber hinweg nicken grüne Wedel der kanarischen und Chameropspalmen.
Chemiegebäude der Universität Berkeley in Ralifornien.
[56]Reise einer Schweizerin um die Welt.Oakland hat eine Cinwohnerzahl von ungefähr 60,000 Seelen und gilt einigermaßen als Vorstadt San Sranziskos.
Ganz in der Nähe liegt Berkeley, ein Hauptzweig der Universität Kaliforniens.Hier werden «Lettres and Sciences gelehrt, die übrigen Wissenschaften hingegen in San Sranzisko.
Diese kalifornische Universität wurde 1868 gegründel und wird ungefaähr von 2400 Studenten, worunter eine große Anzahl Studentinnen, besucht. Der Unterricht ist frei mit wenig Ausnahmen. Das gestiftete Cinkommen der Universität beträgt 8 Mill. Dollar. Besonders schön sind die Gärten, welche eine Ausdehnung von 10 Hektaren haben. Die „Versuchsfelder“ waren namentlich früher den Sarmern von großem Nutzen.
Großartiges bietet die Bibliothek mit 70,000 Bänden, die Museen, worunter eine
Gemãaldegalerie,und die Caboratorien.
Oakland liegt an der Bai von San Sranzisko,und eine riesige Ssähre bringt die
Passagiere in zwanzig Minuten 6 Kilometer weit über das Wasser nach der Hauptstadt Kaliforniens, San Sranzisko.San Sranziskos Geschichte ist in Anbetracht seiner Größe (ungefäͤhr eine halbe Million Cinwohner) eine sehr kurze.
Im Dahre 1776 wurde von den Meyikanern im Süden der jetzigen Stadt die
Mifsion Dolores gegründet, deren Ktirche und alter Sriedhof jetzt noch besteht. Sie bauten 69 Jahre später fünf Kilometer östlich davon ein kleines Dorf, das sie Verba
Buena (spanisch für wohlriechende Münze) nannten, und welches mit der Eroberung staliforniens durch die Amerikaner natürlich ebenfalls unter das Sternenbanner kam und in San Sranzisko umgetauft wurde.
Als im JZahre 1848 in Kalifornien das erste Goldy gefunden wurde, kamen sie
Bibliothet der Universität Berkeley in Ralifornien.
Suür Ans Schweizer ist es von Interesse, zu hören, daß das erste Gold auf dem Grund und Boden eines Landsmanns, des Kapitäns Sutter aus Liestal, 1848 entdeckt worden ist. Ein Schweizer mich war's, der unmittelbar darauf die Echtheit der gefundenen Golotsrner prüfte. Dieser, Heinrich Cienhard aus Glarus, gibt uns in seinem Buche ,Kalifornien unmittelbar vor und nach der Entdeckung des Goldes“ GBuchdruckerei C. Aschmann in Sürich 1898) eine interessante und dabei gewiß wahrheitsgetreue Schilderung der Aufregung, des Goldfiebers, welches jener erste Sund in allen Schichten der Bevölkerung hervorgerufen hat. und der darauf folgenden allgemeinen Sittenverderbnis.[]San Franzisko. (5. 57.) [] sKalifornien.
heran die TCausende und aber Tausende, welche die
Gier nach Gold lockte, deren einziges Dichten und Trachten Gold und abermals Gold war. Da wuchs es heran das Dorfchen San Sranzisko riesengroß, groß aber auch an Lastern, Leidenschaften und Verbrechen aller
Art. Auch jetzt noch hat
San Sranzisko in den übrigen Staaten den Ruf, eine
„böse“ Stadt zu fein. In ihrem Wachstum hat sie noch nicht innegehalten, im Gegenteil, durch ihre Lage am Stillen Ozean, durch Handel und Industrie schwingt sie sich immer mehr auf zur Nebenbuhlerin New Yorks. San Sranzisko gilt ganz besonders für eine Zukunftsstadt, sie ist auch die am meisten kosmopolitische Stadt im kosmopolitischen Amerika.Jede europaische Nation ist vertreten, ich hörte besonders viel Sranzösisch und Spanisch sprechen, außerdem gibt's ganze Kolonien Japaner, Mexikaner und nicht weniger als 15,000 Chinesen hier.
San Sranzisko liegt im 37. Grad 47 Minuten noördlicher Breite am nördlichen Ende einer 48 Kilometer langen Halbinsel, welche den Stillen Ozean von der Bai von San Sranzisko trennt. Diese 16 Stunden lange und 3 Stunden weite Bucht bietet einen der großartigsten Häfen der Welt. Eine Gebirgskette, die Coast Range, zieht sich als fester Wall von Nord nach Süd, nur eine enge öffnung lassend, das sogenannte Goldene Tor (Golden Gate), dessen Schwelle Srancis Drake als erster Europäer überschritten hat.
Die Häuser der Stadt liegen teils am Ufer der Bucht, teils auf den steilen shugeln der Halbinsel, und es hat wohl Unsummen Geldes und Arbeit gekostet, Hügel und Bergrücken abzutragen, Gräben aufzufüllen und angeschwemmten Boden urbar zu machen, um den nõtigen Raum füͤr eine Großstadt zu bekommen.
Mir hat diese Stadt besser als jede andere in Amerika gefallen. Mit vVergnügen denke ich noch an die Sahrten im offenen Tramcar durch ihre hügligen, luftigen Straßen. Das saust zuweilen so jäh abwärts, daß es einem ordentlich den Atem nimmt,wie auf der russischen Rutschbahn, und dabei dieser frische salzige WMind vom Ozean her! Ja, San Sranzisko ist sehr kühl im Juli, oft zu kühl, und doch ist die Vegetation und Blütenfülle erstaunlich. Golden Gate und beinahe noch mehr Sutro Height Park sind wahre Paradiesesgärten. Im über 400 Hektaren weiten Golden Gate Park gibt's zudem schöne Creibhäuser zu bewundern mit wunderbar üppigen Schlingpflanzen. Dort sehe ich zum erstenmal die Aristolochia elegans oder Dutchman's Pipe mit ihren pfeifenartigen riesigen weiß und braunlila punktierten Blüten. Ich finde sie später in viel schöneren Exemplaren noch in Indien und Java, sehe sogar ihr Abbild,
[58]Reise einer Schweizerin um die Welt.was Sarben und Sorm betrifft, als Mützen auf den Köpfen der malaiischen Boys paradieren. Sehr reich blühte auch eine rote brasilianische Passissora Princeps Racemosa.vor den Treibhausern gab's großartige Ceppichbeete mit dem kalifornischen Bärenwappen.
Weiter noch führen die Cramwagen bis zu dem zwei Stunden entfernten Cliff-house, das auf einem steil ins Meer abfallenden Selsen steht. Das Restaurant hat nicht nur den Reiz seiner Aussichtsterrasse, es sind drei wild zerklüftete Klippen,die ganz in der Nähe schwarz aus dem blauen Meere hervorragen, welche immer wieder Besucher anlocken. Auf diesen Selsen hausen in vollkommenster Ungestörtheit Seelswen. Es darf nicht auf sie geschossen werden, und das wissen die klugen Tiere und betrachten die Klippen als ihre festen Burgen. Träge liegen sie in
Seelöwen.dichtem Knäuel da und genießen ihre Siesta im hellen Sonnenschein. Einige dieser Tiere sollen vier bis fünf Meter lang sein und über zehn Sentner wiegen. Hie und da kratzt sich einer von ihnen mit den Slossen, oder ein anderer hebt den langen flachen Kopf empor und stößt ein heiseres Gebell aus. Sind sie hungrig, so sichert ihnen ein Sprung ins Wasser köstliche Beute. Also ein ideales Seelöwendasein!Beinahe ebenso ideal ist unten am Strande das Treiben großer und kleiner Menschen kinder, welche barfuß mit hochgehobenen Röcken den Wellen entgegenwaten, um kreischend wieder zurück zu eilen, wenn eine besonders „hochgetürmte! sie erhascht.
Meine Rückfahrt führte mich einmal über den stimmungsvollen Caurel Hill Sriedhof, welcher schöne, wohlgepflegte Denkmäler mit einer Überfülle von Blumen enthäͤlt. Dazwischen stehen in Sandhügeln fast verwehte Kreuze und ganz vernachlässigte Winkel, wo wilde Lorbeerbüsche wachsen, die der unaufhörlich sausende Wind zerzaust und verkrüppelt hat. Hier gibt's noch im Tode söhen und Tiefen, denn während die einen Gräber auf Hügeln stehen, sind die andern tief unten in Gruben.[]dalifornien.58 Neben dem Sriedhof erhebt sich der 160 Meter hohe sogenannte „einsame Berg“. Oben steht ein großes hoölzernes weithin ins Land sichtbares Kreuz. Der Boden ist dicht mit wohlriechender Münze bewachsen,und die Aussicht auf Stadt, Ozean,
Bai und Golden Gate sucht ihresgleichen.
ßoher hinauf noch sollte mich die Eisenbahn nach dem 850 Meter hohen Mount Tamalpais bringen.
Durch ein schönes schattiges Tal,* Alte Misstonskapelle in Monterey.lorbeerartigen Madronenbäumen abwechseln, führt mich ein gewöhnlicher Sug zur Bergbahn, die in unzähligen langen Sickzacklinien sich langsam durch baumloses sheideland emporarbeitet und herrliche Ausblicke in die Tiefe bietet. Ein steiler Sußpfad führt noch 60 Meter höher hinauf auf die Selsen von Tamalpais. Ich sah die Schneekette der Sierra Nevada, die waldigen Berge von Santa Cruz, den impofanten Mount Diablo, im Tale jedoch lag ein weißes Nebelmeer, aus dem nur das bergige stüstenland der Bai von San Sranzisko wie eine schwarze Inselkette hervorragte.Der schoönste Ausflug von San Sranzisko aus ist der nach dem fashionabeln Kurorte Monteren, wo das Hotel del Monte einen idealen Aufenthalt bietet. Der Gasthof oder vielmehr die drei in Chaletstil erbauten Häuser können 610 Gäste beherbergen und stehen das ganze Jahr über nie leer. Der Preis von drei bis vier Dollar im Tage ist verhältnismäßig ein billiger, denn große Gesellschaftsräume, Spiel und Cesezimmer, eine Musikkapelle sind da, und Gelegenheit, elegante Toiletten zu sehen.
Monterey ist der Sammelplatz der feinen Welt des Westens, ja eigentlich ganz Amerikas. Die Edelsteine der Millionärsfrauen und -töchter flimmern und schimmern abends in hellem Glanze, den oft noch die Schönheit und Anmut ihrer Trägerinnen verdunkelt.
Süur mich war während eines viertägigen Aufenthaltes der herrliche Park das Anziehendste. Die hohen alten Bäume, darunter die spezifischen MontereyPinien und Sypressen, die Büsche und die farbenprächtigen Blumen, zeigen ein Gedeihen und eine Wachsfreudigkeit, wie sie in Curopa niemals vorkommen. Ein Teil des Gartens,Arizona genannt, ist den Kindern der Tropen, Palmen, Aloen und bizarren Kstakteen,eingeräumt, dann gibt's ein Labyrinth aus verschnittenen Sypressen, einen See mit Bambusgängen, Booten, Schwänen und Wasserrosen. An seinen Ufern gedeiht auch eine weiße mohnartige Blume, namens Romneya Culteri, mit gelben Samenkapfeln.
Durch Wald und Sand ist man bald an den Strand gelangt, wo die Wellen rötlichblau, braun und golden sich in ewigem Spiele heranwälzen. In vier großen Bassins wird, mehr noch als in der See, dem Schwimmsport gehuldigt.
Monterey war zur spanischen Seit Hauptstadt Kaliforniens, bis 1846 die Ameri
[60]Reise einer Schweizerin um die Welt.kaner das Cand eroberten. Im Jahre 1602 kamen die Spanier zum erstenmal hin,gründeten jedoch erst 1770 die Mission San Carlo de Monterey.
Jetzt ist's ein ganz stilles Städtchen geworden, an dem nichts mehr spanisch ist als ein Stück alter Sestungsmauern.
Sein wundervolles Klima jedoch hat's behalten, seinen Strand und die schönen Spaziergänge. Das im Winter warme Klima (mittlere Cemperatur im Januar ungefähr 10 Grad Celsius) beträgt im Juni, Juli und August nur ungefähr Nbis 19 Grad Celsius. Mit der Trambahn fuhr ich nach Pacifique Grove, einem originellen kleinen Sischerdorfe mit fensterlosen Hütten und durchdringendem Sischgeruch.Schöne Selsen gibt's am Meere, in welche die Brandung tiefe Locher gefressen, und längs der Straße stehen niedliche Villen, die in Schlingpflanzen und Blumen beinahe begraben sind.
Auch mir war vergönnt, in solch einem blütenumrankten Hauschen eine glückliche Woche verleben zu dürfen. Mein Rückweg von Montereny führte mich ins Santa Clara Tal nach Los Gatos, wohin ich der freundlichen Cinladung von verwandten folgle. Im obstreichen Kalifornien ist Santa Clara County das Paradies der blauen pflaumen, leider waren sie noch nicht reif, doch entschädigten mich dafür Maulbeeren,Seigen und Aprikosen in reicher Sülle. Aber, wie gesagt, Pflaumen sind die Hauptsache auf der Ranch meines Vetters. Jährlich verkauft er ungefähr 30 Tonnen davon.tine Tonne enthält 1000 Kilos und wird mit 80 -36 Dollar bezahlt. Cine Hektare bringt in guten Jahren ungefähr drei Tonnen.
Die Weinberge sind leider auch hier wie in Europa großenteils der schrecklichen Phylloxerakrankheit verfallen. Gerade in den letzten Jahren hatte sich der Weinertrag in Kalifornien ungemein gesteigert. Im Jahre 1877 betrug er ungefähr 170,000 Hektoliter, im Jahre 1897 1,400, 000 sektoliter. Im Santa ClaraCal waren Weinstöcke aus Bordeaux eingeführt worden, und der dortige weiße und rote Bordeauxwein genoß bald eines großen Ruhmes.
Der Weinbau ist in Kalifornien schon seit langer Seit betrieben worden, denn die ersten Missionare, die ins Land kamen, pflanzten schon Reben. Moglicherweise brachten sie die Sprößlinge mit sich von den Balearen, möglicherweise zogen sie diese aus Samen an Ort und Stelle. Wie dem auch sein mag, die Amerikaner fanden bei Besetzung des Landes die Rebe im ganzen Missionsgebiete sehr verbreitet.Die in reicher Sülle wachsende Srucht schmeckte zwar als solche recht gut, gab aber einen schweren Wein, der im shandel wenig Abnehmer fand.
Die Amerikaner wußten dem nicht abzuhelfen, und es war den Deutschen vorbehalten, dem kalifornischen Wein zu seiner Beliebtheit zu verhelfen. Sie brachten pflänzlinge ihrer Lieblingsreben vom Rhein, und die gediehen so gut, daß vorläufig der kalifornische Weißwein im Auslande bekannt wurde. Ein Amerikaner führte darauf die sogenannte Sinfandel und andere europäische Reben ein, die Rotwein hervorbringen, und gerade diese Rebe gab einen riefigen Ertrag, jedoch von mäßiger Güte.Im Aahre 1881 erst wurden Weinstöcke aus den berühmtesten Rebbergen Srankreichs eingeführt, und seither kann man in Kalifornien, freilich nur aus erster Hand,[]Hôtel del Monte in Monterey. (5. 59.)
[32]Reise einer Schweizerin um die Welt.vortrefflichen Wein kaufen. Viele Weinbauer bleiben immer noch lieber bei den schneller und reichlicher produzierenden alten Sorten, da die Ernte der französischen Crauben viel geringer ausfällt und dieser Wein viel längere Seit gebraucht, bis er wirklich ein guter Cropfen genannt werden kann.bon den vier großen Weindistrikten Kaliforniens Napa und Sonoma, Santa Clara Tal, Los Angeles und San Joaquin sind die beiden ersteren leider von der Phylloxera schwer heimgefucht; wie es in den beiden südlicheren Cälern, wo vorzugsweise spanische Reben gezogen werden,damit steht, konnte ich nicht erfahren.In Los Angeles werden jetzt namentlich Orangen in großartigstem Maßstabe gezogen. Im Jahre 1891 wurden von dort allein für 1,280,000 Dollar Apfelsinen exportiert, und diese Summe soll in letzter Seit auf zwei Millionen Dollar gestiegen sein.Daß kalifornisches Dorr und Buchsenobst den Weltmarkt überflutet,ist jedermann bekannt, aber auch Hold, Silber, Wolle, Getreide und Gemüsekonserven werden in alle Welt hinaus versandt, und so kann ElDorado nicht nur seines Goldes, sondern beinahe noch mehr seines Klimas und seiner wunderbaren Sruchtbarkeit wegen eines der reichgesegnetsten Cänder der Welt genannt werden.In dem tropisch schönen Garten meiner Verwandten habe ich zum erstenmal lebende Kolibris, hier « hum-ming birds» genannt, gesehen. Beim Sliegen geben sie einen summenden Ton von sich, der ihnen wohl diesen englifchen Namen verschaffte. Gleich Sechmetterlingen nippen sie mit langen pitzen Schnäbeln an den Blüten, dann schwingen sie sich wohl 30 Meter in die LCuft empor, um in schräger Richtung zurückzukehren auf die eben verlassene Blume. So leicht ist der kleine Geselle, daß diese sich unter seinem Gewichte kaum neigt. Die ganze Länge des zierlichen Vögelchens soll nur 9 Centimeter betragen, sein Hals schimmert wie dunkles Rotgold, die Slügel sind purpurbraun, und sein Koöͤrperchen leuchtet blaugrün in metallischem Glanze.Schone Wagenfahrten in die Umgebung wurden mir durch die Sreundlichkeit meiner Verwandten zu teil. Die längste und schönste führte durch die Wälder von []Los Gatos im Santa GElara-Tal. (5. 60.) [] Kalifornien.
33 Santa Cruz in die Heimat der herrlichen Redwoods (Sequoia semper virens) i. Die schlanken rötlichen Stämme ragen hoch empor in die Lüfte, so hoch, daß man kaum mit den Augen hinaufreicht zur Krone. Halb Blatt,halb Nadel wiegen sich die immergrünen Sweige farnartig im Winde, und so zäh ist ihr Lebensfaden, daß auch halb zersägte,verkohlte und versengte Bäume nach einiger Seit neue Triebe hervorbringen und weiter grünen.
Einem freilich können fie nicht widerstehen: der Geldgier der Menschen. Unaufhörlich schallen die dumpfen Tone der Axt durch die heilige Stille, und wie ein Seufzen geht's durch den Wald jedesmal, wenn solch ein ehrwürdiger Riese krachend niederstürzt. Immer wieder fuhren wir an sogenannten „Cumberplätzen“ vorbei,wo olz gefällt und gesfägt wird. Ungezählt fielen die herrlichen Bäume, es kam mir vor wie ein Morden, wie ein großer Beutezug nach dem kalifornischen Walde.iemand denkt daran, Ersatz zu pflanzen, und so wird vielleicht in nicht allzulanger Zeit die Erinnerung an kalifornische Bäume eine Tradition sein gleich den Büffeln und Indianern.
Cine Ausnahme jedoch wird gemacht. An einzelnen Orten im CLande, da, wo eine Anzahl besonders alter riesiger Bäume nahe beieinander stehen, werden sie gleich heiligen Hainen eingehegt und besucht. Beim Dorfe Selton in den Wäldern von Santa Cruz gibt es in den dreißig solcher «Bigtrees.
Kein Mensch kennt ihr Alter, gleich mächtig, gleich urweltlich standen sie schon da, als die ersten Weißen ins Cand kamen. Schon damals waren viele durch Alter und Seuer ausgehöhlt, und die meisten zeigen Brandmale und Narben. Alle sind Redwoods und tragen Namen. In dem hohlen «Giants» können 20 Menschen D hat einen Umfang von 21 Meter und eine Höhe von zirka 75 Meter. Aus den Wurzeln des General Sherwood- kommt eine Samilie von zehn bis zwölf Bäumen hervor, von denen jeder einzelne in Curopa als ein Wunder angestaunt würde.
Wir fuhren hierauf an einem neuen Cuftkurorte, Rowendenan, vorbei, und da dort alles überfüllt, übernachteten wir in dem nahe gelegenen älteren Ben Lomond.Diese Gasthöfe sind in Cottagesystem erbaut, das heißt eine Menge kleiner Hauschen,
In den Bergen von Santa Eruz.
) Bei uns unter dem Namen Wellingtonia bekannt.
[34]Reise einer Schweizerin um die Welt.gerade groß genug, um eine einzelne Samilie. zu beherbergen, gruppieren sich um ein größeres Gebäude, das den Speisesaal und Gesellschaftsräume enthält. Das Ganze ist aus Redwood erbaut, sogar die Säulen, welche die kleinen Vorhallen und Balkone tragen. Der umliegende Wald und ein kleiner Bade, und Rudersee sind jedenfalls große Anziehungspunkte. Sonderlich gut war's nicht im Gasthofe, auch nicht besonders reinlich, und Bedienung gab's abermals keine. Wir mußten uns selber das Waschwasser holen.
Den Rückweg nach Los Gatos nahmen wir auf anderem Wege, diesmal über den Gipfel des Berges. Es galt, große Steigungen zu überwinden, stellenweise viel Staub, während im ganzen die Landstraße, die sich in den verwickeltsten Schlangenwindungen dem Berge nach zieht, meist besprengt und gut gehalten ist. Die Ausblicke in die Tiefe machten die Sahrt zu einer sehr genußreichen.
Noch ein Ausflug lag in meinem kalifornischen Programm, das vielgepriesene Yosemite Cal. Leider sollte es eine der wenigen Enttäuschungen meiner Reise werden.Waren es die schlechten Wege, der Staub, die Strapazen oder die allzufrische Erinnerung an den herrlichen PYellowstonepark? Ich weiß es nicht. Ich fühlte mich die ganze Seit über so heimwehkrank, daß ich, wenn ich mich nicht geschämt hätte,am liebsten geradeswegs der Heimat zugereist wäre.
5sür diesen Ausflug hatte ich mich leider dem Reisebureau Cook anvertraut. Mit einer der beiden anderen Konkurrenzgesellschaften wäre ich billiger und besser davonzgekommen. Schon der Anfang war schlimm. Wwir reisten nachmittags 4 Uhr mit Bummelzug denn folche gibt es auch in Amerika von San Sranzisko ab.
Die ganze Nacht durch fuhren wir bis Raymond, wo wir um sechs Uhr früh müde und erschöpft ankamen. Ein kurzes Srühstück wartete unser, dann bestiegen wir die Postwagen, richtiger Marterkasten genannt. Unsere Sahrt dauerte mit UnterVV0abends. Also zwolf Stunden! Ich finde in meinem Tagebuch die lakonische Notiz:Die schrecklichste Sahrt meines CLebens.“ Lebhaft erinnere ich mich an den Schmerz,den ich empfand, die folgende Nacht auf dem Rücken zu liegen. Als ich nach der Ursache forschte, lief ein blutroter Streifen von einem Schulterblatt zum anderen. Es war der Abdruck der eisernen Stange, die den ganzen Tag unsere Rücklehne gewesen.
Über die schlechten Straßen und den rötlichen Staub ließe sich auch viel klagen.Letzterer durchdrang die Kleider derart, daß meine Waäsche einen braunroten Con annahm und dieselbe Sarbe meinen Teint einer Indianersquaw täuschend ähnlich machte. Dabei war in Wawona, unserer Nachtstation, das warme Wasser selten, und wir mußten es uns selber herbeischaffen.
Als unsere zahlreiche Gesellschaft sich abgemüdet und erhitzt in die Vorhalle des Gasthofes ergoß, waren nur zwei komische alte Käuze, die Besitzer, wie es nachher hieß, zur Ankunft und zur Versorgung der Gäste vorhanden. Kein Portier, keine Zofe zeigten sich.
·Vou have number 8, you have number 202 u. s. w., damit wurde jedem Haste fein Simmer bestimmt. Wo dasselbe gelegen, wie man sein Gepäck hinauf befördern sollte, dafür zu sorgen, war Aufgabe der Gäste selber.[]Kalifornien.
35 Um fünf Uhr früh wurde geweckt. SZunächst ging's über den MercedSluß, der das ganze Tal durchzieht. Die Sahrt war hier viel schöner als tags zuvor, die Wege aber teilweise so schlecht bestellt, daß wir uns krampfhaft festhalten mußten,um nicht vom Wagen herunter zu fliegen. Je höher hinauf wir kamen, um so großartiger wurde die Szenerie. Gigantische, senkrechte, graue Selswände türmten sich in ungeahnter HBöhe empor.
Bei Inspiration Point hatte auch ich jede Müdigkeit vergessen beim Anblick der großartigen Herrlichkeit dieser wilden, unbezähmten Natur.
Zur Linken tritt die mächtige, rundlichbreite, graue
Granitmauer des 1100 Meter hohen El Capitan.
Senkrecht steigt er aus dem Talgrunde empor.sleben seiner imposanten Gestalt stürzt sich leicht, weiß und poetisch, wie sein Name, der
Jungfrauentränenfall (Virgin tears fall) aus großer Höhe herunter. Ostlich davon erscheinen die phantastischen Hörner der Drei Brüder: zwei Swillinge und ein jüngerer Bruder. Dem Capitan gegenüber wallt von den schroffen Klippen der Kathedral-Selsen, einer weißen, großen Staubwolke gleich,der Brautschleierfall, den die Indianer Pohono, Geist der Bösen Winde, nennen. Die durch die herabstürzenden Wasser stets stark bewegte Cuft erschien ihnen mit bösen Heistern angefüllt, und ängstlich mieden sie die Nähe. Den RD artig wilden Landschaft bildet eine vereinzelte Warte, Sentinel Rock genannt, und die suppe des Süd oder Halbdomes (1615 Meter), der gewaltige Rivale des Capitan.
Die nächsten paar Meilen führten uns unter der nackten Selswand des Capitan auf besserem Sahrwege in das zehn Kilometer lange und vielleicht drei bis vier Kilometer breite Yosemite-Tal. Doch bevor wir dasselbe betreten, möchte ich eine interessante indianische Sage über diesen Berg E. v. HesseWartegg nacherzählen.
Der indianische Name des El Capitan ist Tutokanula. So hieß der Herrscher des Tales. Cange bevor die Bleichgesichter ins Land gedrungen waren, lebten die Rothaäute hier in friedlicher Abgeschiedenheit. Väterlich sorgte Tutokanula für sie. Allein ihr Glück sollte bald ein Ende nehmen. In heißer Liebe war Tutosianula für sein schönes Gegenüber, die liebliche Göttin Tissaak, welche auf dem damals noch nicht gespaltenen Süddom hauste, erglüht. Die Göttin erwiderte seine Gefühle,und so verbrachte Tutokanula fortan all seine Seit in der Nähe der reizenden Tissaak.Tutokanula vergaß darob seine Untertanen und ließ die Ernten aus Mangel an Regen zu grunde gehen. Eine Hungersnot schien unausbleiblich im Tale. In ihrem Elend hatten sich die Indianer an Tissaak hülfeflehend gewandt und das weiche Herz der Gottin gerührt. Sie riß sich aus den Armen Tutokanulas und rief den Großen Geist um Beistand an für ihr Volk. Er zersplitterte den Suüddom und ließ die
C. von Rodt, Reise um die Welt. 5
VBl Capitan.
[86]Reise einer Schweizerin um die Welt.Sluten des shochgebirgs durch das Tal rauschen, Regen strömte vom Himmel, die Ernten waren gerettet und die drohende Hungersnot abgewendet.
Um dieses zu erreichen, hatte sich Tissak dem Großen Geiste zum Opfer dargebracht und war verschwunden. Da verließ auch CTutokanula das TCal, in welchem er ohne die Geliebte nicht länger weilen mochte. Che er fortging, meißelte er noch ihr Antlitz in die Selswand des zerborstenen Süddoms und sein eigenes mächtiges Bildnis in die Granitmauer des El Capitan, von wo es immer noch ernst und traurig nach der ehemaligen Wohnung seiner verschwundenen Göttin hinüberblickt.
Das PYosemiteTal ist im Jahre 1851 durch Soldaten entdeckt worden. Eine Schar Indianer, welche sich des Pferdediebstahls und Mordes an einigen Minern schuldig gemacht,wurde von ihnen bis in ihre Heimat, in das noch unbekannte, herrliche Bergtal, verfolgt.Dort töteten die Soldaten erbarmungslos den ganzen Stamm bis auf einige Überreste.Die Schlucht, wo sie niedergemetzelt wurden, heißt heute noch Indian Cañon. Im Jahre 1864 ist das Tal in einen Nationalpark verwandelt worden, welchen die Vereinigten Staaten dem Staate Kalifornien unter der Bedingung schenkten, daß nie etwas an den dortigen Raturwundern geschädigt werden dürfe. Während ich im Tale weilte, wurde ein Gesuch, die Wafserfälle bengalisch beleuchten zu dürfen, rundweg abgeschlagen. Als Seindin jeder Künstelei in der Natur billige ich diesen Entschluß vollkommen.
Als letzte Urbewohner leben vielleicht noch zwanzig Shoshones-Indianer im Tale.Teils nähren sie sich von Wurzeln und Eicheln, teils von Sischen. Sie sollen zu den Unzivilisiertesten ihrer Raffe gehören.
Um feine ganze Schonheit zu genießen, sollte das Cal im April oder Mai,spätestens Juni besucht werden. Dann tosen die Wafserfälle in ihrer ganzen Sülle zu Tale nieder, und der Boden ist in einen farbigen Blumenteppich verwandelt.
Jetzt brütete die Rulisonne zwischen den Selswänden, zollhoher Staub und unzählige Sliegen machten jeden Spaziergang zur Hual, versengt war das Gras, und von den Blumen zeigten sich nur noch verspätete, spärliche Lxemplare.
An schattigen Stellen, unter großen Bäumen,sah ich vereinzelte, schon etwas verblühte Schneeꝰlumen (Snow plant; Sarcodes sanguinea). So wird eine Orchisart genannt, welche blattlos, gleich einem großen, purpurnen Blütenzapfen, meist ruppweise dicht an den Stämmen der alltlen Baume emporschießt. Ich erinnere mich, im Wüstensande bei Biskra ganz ähnliche Blumen, nur in milderem Sarbenkleide, angestaunt zu haben.
Andere dem Posemite-Tale eigentumliche Blüuten sind die zierlichen MariposaLilien, duftlose, weiße, dreiblättrige Blumen mit purpurnen Slechen. Im Walde standen weiße Azaleen und eine schöne, hohe, weiße Lilie, unserer Gartenlilie hosemiteTal: BrautschleĩerWasserfall.[]HosemiteTal auf dem Wege von Mariposa.
[38]Reise einer Schweizerin um die Welt.ganz ahnlich, nur weniger stark riechend. Sie werden hier WashingtonCilien genannt.
Durch Sand und Staub wanderte ich einige Stunden nach meiner Ankunft dem YosemiteSalle zu. Sast wohltätig empfand ich durch all meine Staubkruste ein Gießbad, welches der Wasserfall der unvorsichtig allzunahe Kommenden spendete.
In drei Absätzen stürzt Yosemite lindianisch,großer GrizzlyBär) aus einer Höhe von 770 Metern herunter. Auch jetzt noch, den 19. Juli, war seine Wasserfülle viel reichlicher, als die irgend eines schweizerischen Salles. An ßöhe kommt ihm der Reichenbach am nächsten, doch ist dieser weit dünner und stürzt zudem in sieben unterbrochenen Kaskaden in die Tiefe.
Der Sonnenaufgang des folgenden Tages fand mich am reizenden Mirrorlake, und dann ging's auf steilem Pfade zu Pferd 1000 Meter hoch nach Glacier Point. Hitze, Sliegen und Strapazen waren groß, so groß, daß ich nicht recht zum Genusse kommen konnte, den der Blick von da oben bietet. Innerlich stimmte ich sogar etwas einer Amerikanerin bei, die meinte:«I would not do that for 100 dollars again.»
Mittags trafen wir den Postwagen, der nach Wawona geht, und als ich abends dort ankam, freute ich mich. für den folgenden Tag etwas Ruhe in Aussicht zu haben.
Dieser Tag wurde denn auch der schönste für mich auf diesem YosemiteAusfluge.Da gerade niemand anders zu den Bigtrees nach Mariposa fuhr. bekam ich einen buggy) für mich allein.
SZunächst kam ich in den unteren Hain, der wohl 100 Riesenbäume enthalten soll. Dazu gehört der Grizzly Giant mit einem Umfang von 37 Metern und einem Durchmesser von 9,6 Metern. Sein Hauptast, der sich 61 Meter von der Erde die Indianer duldeten kein Unterholz entfernt befindet, hat einen Durchmesser von 2 Metern. Auf dem Wege, welcher zum oberen Haine führt, fährt man sogar durch einen Baumtunnel. Vor fünf Jahren wurde in den schon von den Indianern ausgebrannten Stamm des Baumes ‚California“ ein so großes Loch vollends ausgesfägt,daß der vierspännige Postwagen mit Leichtigkeit durchfahren kann. Dabei wächst und grünt der Baum weiter! Der obere Hain soll über 360 Baumkönige enthalten,denen das Volk allerlei zum Teil humoristische Namen gegeben hat. Da sehe ich den Aunggefellen“ ordentlich sehnfüchtig nach der nahen Gruppe der „Drei Grazien“schauend, und das „Treue Chepaar“, deren Aste hoch in der Luft sich liebend verschlingen. Dann kommt Wawona, durch den gleichfalls gefahren wird. Ab und zu 1) Amerikanischer leichter Wagen.[]Riesenbäume in Mariposa.
[70]Reise einer Schweizerin um die Welt.liegen lang hingestreckt entwurzelte Kolosse da, auf die man vermittelst Holztreppen steigen kann. Gefallene Größen freilich,aber auch so noch anstaunenswert. Die durchschnittliche Höhe dieser Mariposa Bigtrees wird auf 76 Meter, der Umfang auf 18 Meter angegeben. Ihr Stamm ist rötlich, das Holz sehr dauerhaft und leicht verarbeitbar. Es sind nicht die Redwood Wel-lingtonia der Santa CruzBerge und des Küstenlandes, sondern die Sequoia gigantea, deutsch Mammutbaum.
Oben auf dem Plateau, umgeben von den altehrwürdigen Baäͤumen, war's so feierlich still wie in einer Kirche. Ja, feierlich, kamen sie mir vor, diese stillen Seugen vergangener Jahrhunderte, die in unverwüstlicher Pracht sich hoch über den kleinen, kurzlebenden Menschlein wölben. Ich freute mich der Stille.Mein Kutscher hatte sich schlafen gelegt, und ich begann mein einsames Srühstück.Bald aber stellten sich Gäste ein: neugierig guckten mir einige meiner kleinen YellowstoneSreunde, die Chipmunks, in scheuer Serne zu. Als ich ihnen etwas Schinken hinwarf,wuchs unsere Intimität zusehends. Brot schienen sie nicht zu lieben, so behielt ichts für mich und trat als höfliche Wirtin den Gästen das Sleisch ab. Da kamen sie von allen Bäumen herunter, aus allen Erdlöchern und Wurzeln hervorgehuscht, einzeln und familienweise. Erwachsene und mausgroße, junge Chipmunkchen, von Papa und Mama zartlich geleitet. Gleich Cichhörnchen hocken sie auf ihre buschigen Schwänze und machen Männchen, wenn sie etwas zu knuspern bekommen. Sie geben einen Caut von sich, der dem Pipsen junger sühnchen gleicht und ihnen wohl den englifchen slamen Chipmunk oder Chipping Squirrel eingetragen hat.
Auch Vogelchen kamen herbei, niedliche, braune, mit schwarzem Kopf und Halse,und etwas größere, scheue, blaue. Die einzigen bösen Geister in dieser Waldidylle waren zahllose Stechmücken, die mir keinen Augenblick Ruhe gönnten.
Als ich nachmittags in Wawona eintraf, hatte ich noch einige Stunden Seit, die schöne Lage und Umgebung des Hotels zu bewundern. Durch eine grüne Wiese kam ich an einen tiefen stillen Quell, berühmt durch die Kälte seines Wassers. Hier scheint man noch nicht von der Bazillenfurcht angehaucht zu sein, denn obschon eine Menge Käfer darin ein beschauliches Dasein führen, schöpft und trinkt doch ein jeder aus dem Wawonaquell.
Die Rückfahrt am folgenden Morgen nach Raymond war insofern angenehmer,als ich einziger Passagier eines kleinen Wagens war, der die Post zu Tale beförderte.
YosemiteTal.[]Kalifornien.
71 Die beiden netten Pferde, Dutch und Addy, liefen flott, und mein sehr junger Kutscher unterhielt mich. Er geht auf eine höhere Schule und studiert Latein, denn «a good education, that is the thing», meinte er mit Nachdruck. Wahrend der langen Serien ist er Kutscher im Yosemite-Cal, « to enjoy the fresh air and to earn an honest cent». Das nenne ich das Angenehme mit dem Nützlichen verbinden.
Am Abend vorher hatte ich schon von Wawona aus in der Serne dicke Rauchwolken emporsteigen sehen. „Ein großer Waldbrand“, hieß es. Ein intensiver Brandgeruch und eine noch großere Hitze zeigten, daß wir uns der Brandstätte näherten.Die Höhen ringsum lagen in Dunst gehüllt, aus dem hie und da eine große Slamme emporloderte. Wohl während drei Stunden führte unser Weg durchs Seuer. Rechts und links von der zum SGlück breiten Candstraße flammten gleich Sackeln die Bäume auf, und prasselnd fielen die verkohlten Sweige herunter. Überall versengte Wiesen, hie und da eine niedergebrannte Hütte! Ängstlich flatterten Vogel herum, ihre lester hatte das Seuer zerstört und auch die kleinen Chipmunks aus ihren Erdhohlen vertrieben. Schon zwei Tage lang wütete das erbarmungslose Element, und wird wohl noch weitergerast haben, bis ihm alles zum Opfer gefallen. Als wir in Raymond ankamen, hatte ich ein Gefühl brennender Hitze. Mund und Haut waren ganz ausgedörrt. Abends vom . Suge aus sahen wir noch stundenlang den blutigen Seuerschein am Horizonte.
San Sranzisko erschien mir ordentlich behaglich nach den Strapazen des HosemiteTales, besonders da meine Verwandten noch die beiden letzten Cage vor der Abfahrt bei mir zubrachten.
Auch das Straßenleben kam mir weniger fieberhaft vor als in New York, und die Menschen schienen nicht so rastlos dem Dollar nachzujagen. In Wirklichkeit wird aber auch hier der Kampf ums Dasein erbittert geführt, das sieht man an all den Reklamen in Wort und Schrift,von deren Aufdringlichkeit und plumper Lügenhaftigkeit man sich in Europa keinen Begriff machen kann. Was mir zudem noch in den Seitungen auffiel, waren die zahllosen Annoncen der „Wahrsagerinnen“. Ganze Spalten waren angefüllt mit Angaben, wo und wann und durch wen der gläubigen Menschheit ihre Zukunft geoffenbart werden könne. Mir 00men kein Ende.
Am letzten Abend, oder vielmehr in der letzten Nacht, besuchte ich mit meinen Verwandten die berüchtigte, Chinastadt“, und zwar Blühende Geranienbecke.
[72]Reise einer Schweizerin um die Welt.ohne Polizei, die Bädeker dabei für unumgänglich notwendig hält. Kein Härchen wurde uns gekrümmt. Vom Teehaus ging's ins Joßhaus (chinesischer Cempel) und zu guter Letzt ins Theater. Daß es dort an CLärm, Mandarinen und bosen Geistern nicht fehlte, wird mir jeder glauben, der je ein chinesisches Cheater besucht hat.Zum Sschlusse meiner amerikanischen Crinnerungen möchte ich noch einer Anstalt erwähnen, die mir auch für Curopa nachahmenswert erschienen ist. Ich meine die Woman's Exchange“. Sie ermöglicht unbemittelten Srauen und Mädchen aus den besseren Ständen, ohne ihre Bäuslichkeit aufzugeben, oder aus ihrer Anonymität heraus zu treten, Geld zu erwerben. Jede wirft sich auf denjenigen Sweig im Kochen,stunstfertigkeit, Handarbeit, Blumen- oder Obstzucht, zu welchem sie am meisten Geschick und Gelegenheit hat, und liefert den betreffenden Artikel der Womans Exchange. Ihr Hame ist nur der Vorsteherin bekannt, für ihre sRunden bleibt sie Nummer eins,zwei oder zwanzig. In ganz Amerika blühen diese Woman Exchange. Jede Anstalt hat ein Restaurant, wo gut und verhältnismäßigbillig Srühstück und Lunch erhältlich ist. Man kann sich auch ganze Essen oder einzelne Gerichte ins Haus bestellen. Natürlich spielt dabei die Suckerbäckerei eine große Rolle, und jede Dame hat ihre Spezialität in „Candy“, Kuchen,Brezeln u. s. w. Ein Blumen; und Obstladen und ein Geschäft für Kunstartikel,feine und gewöhnliche Handarbeiten ist in größeren Städten damit verbunden. Vorzugsweise wird auf Bestellung gearbeitet. Der Betrieb ist ausschließlich in Srauenhänden.Auf meine Einwendung hin, daß gewiß oft Srauen und junge Mädchen, ohne wirklich bedürftig zu sein, für Woman's Exchange arbeiteten, teils als Beschäftigung,teils um ein Taschengeld sich zu verdienen, wurde mir geantwortet, daß man genaue Erkundigungen vorher über die Vermögensverhältnisse jeder Bewerberin einziehe.Groß ist die Sahl wohltätiger Institute im CLande der Union, und wenn im allgemeinen der Amerikaner den Ruf eines nüchternen, egoistischen Geldmenschen genießt,so gibt es auch viele glänzende Ausnahmen. Sür ideale Bestrebungen, für Kunst,wisfenschaft und Wohltätigkeitszwecke findet man in der Neuen Welt immer offene Herzen und Hände.
San Sranzisko aus der Vogelschau.[]Kalifornien.
73 Die Neue Welt hat sich mit Kleinigkeiten und Kleinlichkeiten niemals befaßt.Sie ist auch keine Nachahmerin, sie schafft aus sich selbst heraus. Aber was sie tut und hervorbringt, das geschieht in großem Maßstabe. Und wie die Menschen, so ist auch die Natur. Die Ströme sind breiter, die Berge mächtiger, die Städte wachsen rascher, der Boden ist ergiebiger als in Curopa, ein Land des Sortschrittes und des Werdens.
Übrigens es ist schon so viel anderwärts über Amerika gesagt und geschrieben worden, die Schwesterrepublik ist uns besonders so vertraut, daß Originelles kaum mehr in einem Reisebericht hervorgebracht werden kann.
Und wenn auch nicht jeder sich eines Goldonkels von dort drüben rühmen darf,so besitzt doch auch in der Schweiz landauf, landab wohl dieser und jener einen guten Vetter, einen treuen oder ungetreuen Sreund, der sein Glück in der neuen Welt versucht, vielleicht auch gefunden hat, und von dem Kunde gelangt in die alte Ddeimat.
Von den geschickt über den Bach setzenden flüchtigen Kassenmardern, den leichtsinnigen Samilienvätern, den raffinierten Glücksrittern und als Gegensatz den kühnen ordpolfahrern wollen wir hier nicht sprechen. Jedes Tagesblatt gibt Aufschluß darüber, und was gestern dort sich zutrug an großartigen Spekulationen und erschütternden Katastrophen, das lesen wir dank Kabel und drahtloser Telegraphie des anderen Tages am Srühstückstisch.
Immer das nämliche, sich drehende Rad. bald im Licht, bald im Schatten! Gilt's aber, eine richtige Abwechslung in dieses Einerlei zu bringen, eine verblüffende Erfindung, eine welterschütternde Entdeckung, dann ist es wieder Amerika mit seiner Energie, seinem Wissensdurst, seiner zähen Beharrlichkeit und seinen unerschöpflichen Millionen, welches das Wunderbare, längst Erstrebte vollbringt und als leuchtende Errungenschaft der Menschheit darbietet.
Nichts erscheint dieser findigen Rasse ein Ding der Unmöglichkeit, und so wollen wir denn bewundernd den lieben « uncle Sam» bitten, daß er uns recht bald den Slug zu den Planeten lehren und auf Erden die Sriedenspalme stiften möge. [] Dafen von Ponolulu. (5. 75.) [] Im Reiche einer entthronten Königin.
70 hawaii.
Rapitel 6.* * * *Im Reiche einer enllhronken Königin.Abfahrt nach Ponolulu. Seekrankheit. Meine Reisegejährten. Molokai, die Injel der Aussätzigen. Geschichte der Inseln. Klima. Tropenbäume. Honolulus Umgebung. Queens-Pospital. Waialua. Die Ranatken.Aberglauben. Die Schöpfung der Welt.Ein buntes Menschengewühl begrüßte uns, als ich, begleitet von meinen Verwandten, die „Peru“ betrat. Wie klein und armselig kam mir nach dem herrlichen „Kurfürsten“ dieses Schiff der Pacific Mail Steamship Company vor. Mitleidig lächelte ich über die halbkreisförmige sogenannte Social Hall mit ihren paar harten Sammetsitzen und dem abgespielten Klavier.
Drei Monate später bestimmte mir das Geschick eine nochmalige Sahrt auf der „Peru“. Ich hatte unterdessen die kleinen Schiffe, die zwischen den hawaiischen Inseln fahren, und die englischen 400 TonnenBoote auf dem Gelben Meere kennen gelernt, und siehe da, zum zweitenmal erschien mir die „Peru“ als ein Palast und die Verkorperung alles Komfortes. So ändern sich zuweilen die Begriffe im Leben.
Die „Peru“ ist übrigens nur ein Ersatzschiff für die im Sebruar 1901 untergegangene „Rio de Janeiro“, welche angesichts der Stadt San Sranzisko mit Mann und Maus versank, und von der man ungeachtet eifrigen Suchens und japanischer Taucher bis jetzt keine Spur aufgefunden.
5u den paar bei diesem furchtbaren Schiffbruch Geretteten gehörten zwei Personen auf der „Peru“:ein chinesischer Aufwärter und ein Passagier, ein lahmer Journalist. Letzterer war zur Candung bereit auf Deck gestanden,plötzlich begann das Schiff zu sinken. Was
Alte Pawaiierin.
[76]Reise einer Schweizerin um die Welt.weiter geschah,wußte der Mann nicht zu erzählen. Er kam erst auf einem
Rettungsboote wieder zur Besinnung,wo er mit gebrohenem Beine lag.
Toch war das
Einladen nicht fertig. In San Sranzisko streikten die
Arbeiter, und wer es wagte, Hand anzulegen und Ladung zu bringen, mußte es unter dem Schutze der Polizei tun. Dadurch erklärte sich mir der Mangel an Lebensmitteln und Obst, den wir auf der Sahrt nach Honolulu schmerzlich empfinden sollten. Vorläufig waren Deck und Speisesaal mit
Blumen überfüllt. Vor meiner Abreise hatte ich im Simmer einen herrlichen Blumenkorb mit der Karte des Hotelbesitzers gefunden: « With kindest regards and best wishes for the voyage», und meine Cousine hatte mir den entzückendsten Nelkenstrauß zebracht. Ähnlicherweise mit Blumen beladen erschienen die übrigen Damen.
Das sehr überfüllte Schiff führte namentlich amerikanische Missionäre und Missionärinnen Manila zu, dem Schoß und Schmerzenskinde Amerikas. Wie viele Menschenleben,wie viele Dollar haben wohl schon die Philippinen verschlungen, und wie viele Jahrzehnte werden noch vergehen, bis die neue Kolonie ihren Eroberern etwas abwerfen wird! Es gibt Amerikaner, welche keineswegs einverstanden sind mit der Art und Weise, wie die Insel Spanien weggenommen wurde, die den ganzen Krieg einen ungerechten nennen.Alle aber haben Sehnsucht danach, Manila zu sehen, «to see what we do there ».
Eine ganze Schar Seitungsschreiber, die sich dorthin begeben wollten, hatte sich auch miteingeschifft. Unter ihnen gewährte mir ein von oben bis unten ganz in Brün Gekleideter durch seine dumme Naivität viel Vergnügen. Der große Napoleon war fein Held und vVorbild, und als ich ihm einmal erzählt, ich wäre in Ajaccio gewefsen, ließ er mir mit Sragen keine Ruhe mehr. So galt er denn bald auf dem Schiffe als Sräulein von Rodts grüner Sreund. Ein anderer Sreund, ein hübscher Junge, wollte als Bibelverkäufer nach Manila. Sein großer Wunsch war, Deutsch zu lernen, „denn ich bin gefallen in Liebe mit eine deutsche Mädchen“, erzählte er mir.
HHawaiier als Passagiere und Chinesen als Bedienung bildeten die fremden Elemente der „Peru“. Letztere, ohne Unterschied ‚Boy“ gerufen, auch wenn sie alt und grau sind,haben für mich alle dieselbe Physiognomie, so daß es mir anfangs besonders schwer wurde, meinen Spezialboy von den anderen zu unterscheiden. Allen hängt der Zopf
Die ersten Chinesen.[]Im Reiche einer entthronten Königin.
77 länger oder kürzer hinten, alle erscheinen sie über Cag in langen, blauen, hemdartigen Gewändern, abends in weißen. Drollig kam mir vor, daß auch ich mit „Sir“von ihnen angeredet wurde.
Die Hawaiier bilden ein komisches Gemisch von Sivilisation und roher Ursprünglichkeit. Am feinsten ist das Haupt der Samilie Mr. Sam Parker, ehemaliger Minister der Königin Liliuokalani. Er ist ein ganzer Hawaiier, und nur der lebhafte Gesichtsausdruck deutet auf seinen amerikanischen Großvater. Viel apathischer sind seine Kinder und Anverwandten, die den ganzen Tag in unbeschreiblichem Negligé in den untern Schiffsräumen lagen und sich erst abends zum Dinner aufrafften. Alle aber leisteten Erstaunliches im Essen und Trinken und in geräuschvoller Lustigkeit,letztere um so auffallender, als Mr. Parker die Leiche seiner verstorbenen Srau mit sich an Bord hatte. Die Söhne Parker waren wahre Kolosse, ebenso eine Verwandte,Mrs. Keohoßkalole, die sich „Prinzessin“ nennen ließ.
Und jetzt Sreundestrio, tauche auf in der Erinnerung! Taucht auf, ihr oft bis weil in die Nächte sich ausdehnenden Plauderstunden auf Deck der „Peru“!
Drei junge Leute waren es, die sich der Weltfahrerin angeschlossen, und als die einzigen Europäer auf dem Schiffe, bildeten wir schnell einen warmen Sreundfchaftsbund. Der Älteste, Herr wW., ist Advokat in Brüssel und Globetrotter mit fünfmonatlichem Urlaub. Der s5weite, ein junger Sorschungsreisender aus Köln, Dr. L. reifte im Auftrage des naturhistorischen Museums in New NYork auf drei Jahre nach Cibet.Unser Jüngster aber, Herr E., ist ein Deutsch-Rufse, der mich durch seine vielen seckereien abwechselnd belustigte und ärgerte, und den ich doch nicht gern mißte.
Unsere Reise fing schlimm an. Gleich hinter „Golden Gate“ wurde die See unruhig, die Menschen verschwanden vom Deck,. einer nach dem anderen. Cang ausgestreckt lagen die Hawaiier auf den Polstern der Social Hall. Noch hielten wir Curopäer uns standhaft.Das Schiff krachte in allen Sugen,wild heulte der Wind, und plotzlicher tönte gewaltiger Lärm in der Social Hall. Sämtliche Hawaiier waren von ihren Sofas heruntergepurzelt und lagen zu unförmlichen Klumpen geballt auf der Erde.Als ich mich eine halbe Stunde spater in den Speisesaal begab, reichte die Gnadenfrist noch zur Suppe, dann lag ich 38 Stunden lang im stillen Kammerlein, die See, meine Reiselust, mein Dasein verwünschend. Hie und da sah mein bezopfter Boy nach mir, sonst niemand, und ich fühlte mich unendlich verlafsen.
Die vier Sreunde.[]*
Reise einer Schweizerin um die Welt.Den Gefährten war's nicht besser ergangen,aber die schwersten Solgen der Seekrankheit trug doch mein „grüner Sreund“. Wehmütig wies er mir eine Zahnlücke. „Der flog hinaus während eines Anfalls von Seekrankheit, ohne daß ich es merkte, und dann kam der Boy und trug alles weg. Ich würde fünfzig Dollar drum geben,wenn es nicht geschehen wäre.“
So lautete seine Klage, und mit Mühe heuchelte ich eine teilnehmende Miene.
Es folgte eine Reihe schöner, warmer Cage.Tage des dolce far niente, des Ausruhens nach der beschwerlichen Reise durch Amerika. Abends ertönten im Swischendeck melancholische, sizilianische Weisen von Palermitanern gesungen, die als Arbeiter in den Suckerpflanzungen Hawaiis besseren Erwerb suchen wollten. In der ersten Klasse sang die schmachtäugige Prinzessin Keohokalole todestraurige Lieder zur Mandoline, in welche ihre Landsleute zuweilen leise im Chor einfielen.
Den letzten Abend braute uns der Schiffskoch ein leidliches Abschiedsessen zusammen, Kapitäns-Dinner genannt. Da stiegen die TCoaste in unerschöpflicher Sülle,gute und schlechte, und die Stimmung unseres braven Sam Parker erreichte so weit den Höhepunkt, daß er erklärte: « This has been the most pleasant trip in my life.
Wir schauten uns an und dachten an die tote Srau unten im Schiffe. Den anderen Morgen freilich erschien er in tiefer Trauer und stürzte sich weinend in die Arme seiner Verwandten und Sreunde, die ihn wehklagend an der Werft erwarteten.
Parker soll der getreue Typus der dawaiier sein, leicht gerührt, leicht getröstet,unzuverlässig, verschwenderisch, apathisch,dabei aber herzensgut. Das bewies er unseren Missionären, denen er Wagen und Pferde zu einer Sahrt durch Honolulu und Umgebung zur Verfügung stellte.
Einige Stunden vor unserer Ankunfk zeigten sich erst wie Wolken, dann in bestimmteren Linien und Sormen Berge. In schattenhaften Umrissen tauchte zunächst die Insel Molokai auf. Sie bildet den dunkeln A []Im Reiche einer entthronten Königin.
79 Sleck in dieser sonnigen Inselreihe. Mit Scheu blickt der Hawaiier auf sie hin, und der Suß lꝛeines Curopäers betritt sie, denn dort leben seit 1806 ausschließlich nur Ausfätzige, die Ärmsten unter den Armen. Sobals sich die bei den Kanaken so häufige strankheit zeigt,wird der davon Befallene unter furchtbarem Jammergeschrei von seinen Lieben getrennt und entschwindet auf immer den Augen der Seinen.Da spielen sich oft tragische Szenen ab. Einst soll einer der Unglücklichen sich mit feiner Samilie in eine Hütte zurückgezogen und jeden niedergeschossen haben, der sich nahte. Die schrechliche Krankheit hielt ihren Einzug erst 1848 auf den Hawaiischen Inseln. Bis dahin war der Aussatz dort völlig unbekannt gewesen.Die Hawaiier haben ihm den Namen maĩ pak«é, chinesische Krankheit, gegeben.
Bald darauf erschien die Sonnen und Blumeninsel Oahu, und langsam lenkte unsere „Peru“ in den bergumkränzten Hafen ein.
Nach den üblichen langen Verzögerungen, die jeder Candung vorangehen, betraten wir nach achttägiger Meeresfahrt Honolulus Boden. Dr. C. blieb der „Peru“ getreu,die nachts ihren Weg weiternehmen sollte, Herr W. dagegen, der Belgier, der DeutschKusse und ich gedachten, zusammen etwas auf der Insel zu bleiben. J
Bevor ich unsere weiteren Erlebnisse erzähle, möchte ich kurz die Geschichte der Hawaiischen oder SandwichInseln berühren. Entdeckt wurden sie schon im dreizehnten Jahrhundert durch die Japaner. Im sechzehnten Jahrhundert wurden Spanier dorthin verschlagen.
Als Cook das erste Mal im WaimeaTale auf der Insel Kauai landete, fand er Cisenstücke, welche durch Curopäer hierher gebracht worden sein mußten. Noch erzählt uns die Überlieferung der Inseln, daß einst ein „fgschwimmender Wald“ als ein solcher erschien das große spanische Schiff den einfachen Inselbewohnern an ihrer Küste scheiterte.
Nur der Kapitän und seine Schwester entgingen dem Cod in den Wellen.
Junge Pawaiierinnen.
Donolulu: Im RapiolaniPark.
[80]Reise einer Schweizerin um die Welt.Sreundlich nahmen die Eingeborenen die Schiffbrüchigen auf, sie blieben bei ihnen und heirateten Hawaiier, und ihre Kinder wurden mächtige Haãuptlinge. Noch gibt es Cingeborene mit hellerem Haar und hellerer Hautfarbe, welche sich Abkoõmmlinge jenes spanischen Geschwisterpaares nennen.
Im Jahre 1778 erschien Cook, der die Inseln nach seinem Gönner, dem Grafen Sandwich, benannte. Auf Cook folgte Vancouver zur Seit, wo der Häuptling KameD00 Inseln zu einem Königreiche vereinigte und unter dem Titel Kamehameha J. von 1789- 1819 weise regierte.bpancouver unterstützte dabei den König mit Rat und Tat, und bereitete namentlich die Saat des Christentums vor; mit solchem Erfolge, daß, als im folgenden Jahre die ersten protestantischen Missionäre aus Amerika kamen, sie mit offenen Armen empfangen wurden. Wohl kein Volk hat das Christentum schneller und lieber angenommen als die Kanaken, die Bewohner jener fernen Inseln im Stillen Ozean.Sie waren dabei gute Protestanten geworden, denn als die französischen Jesuiten später ins Land kamen, erklärte die damalige Regentin: „Ihr habt auch Götzenbilder, wie wir sie hatten, geht, wir wollen nichts von euch wissen.“ Darauf sandte Srankreich ein Kriegsschiff und zwang die Kanaken,die Jesuiten bei sich aufzunehmen, was auch im Jahre 1837 geschah.
Das Christentum bereitete dem auf Hawaii herrschenden Tabugebrauch ein Ende.Ursprünglich war das Tabu eine religiöse Satzung. Die Priester erklärten für tabu,d. h. unantastbar, was den Göttern oder besonders hoch angesehenen Menschen gehörte,welch letztere ihrerseits das Recht hatten, diese Vergünstigung auf beliebige Personen oder Gegenstände zu übertragen und sie dadurch vor jedem Angriff zu bewahren. Der König war tabu, heilig und unverletzlich, und ebenso alles, was er berührte. Kamehameha J. machte besonders häufigen Gebrauch vom Tabu. Man erzählt, daß er es uüber einen Berg aussprach, den er mit Diamanten angefüllt glaubte, und daß er auch während fünf Jahren das Tabu über die Ochsen verhängte, als sich deren Sahl einst bedeutend vermindert hatte. In den Bänden der Priester und Sürsten wuchs
Der ehemalige königliche Palast in Ponolulu, jetzt Executive Building.[]Im Reiche einer entthronten Königin.
81 das Tabu zu einer furchtbaren Macht an, die schließlich immer mehr ausartete und Tausenden von unschuldigen Menschen das Leben kostete.
Mit dem großen Kamehameha, der noch als Heide starb, fand auch die alte Sñeit auf Hawaii ihr Ende.
Sein Sohn,
Kamehameha II.
1819- 1824), dessen Unfähigkeit sein bVater erkannt hatte, erhielt nach Bestimmung des alten Konigs als Ratgeberin und Mitregentin seine LCieblingsgattin, die kluge staahumanu. Ihrem Einfluß war die Abschaffung des Götzendienstes und des Tabusystems zu verdanksen.
Kaahumanu blieb auch Regentin, als nach dem frühen in England erfolgten Tode Kamehamehas II. und dessen Gemahlin, der noch unmündige Prinz Kanikeaouli als Kamehameha III. (825-1854) zum Herrscher proklamiert wurde.
Die energische Srau beförderte nach Kräften Kultur und Bildung auf Oahu und tat auch ihr Bestes für die übrigen Inseln. Einen schweren Kampf hätte sie gegen die Laster zu bestehen, welche die „kultivierten Weißen“, freilich meist entlaufene Seeleute niedrigster Klasse, auf den schoönen Inseln verbreiteten und welche die Rasse der Cingebornen zu zerstören drohten. Mit Sreuden bediente sie sich der protestantischen Missionäre als Helfer, während die Jesuiten ihr verhaßt waren. Vor ihrem Tode wurde Kaahumanu durch das erste Exemplar des in der LCandessprache gedruckten sleuen Testamentes beglückt.
Als ihre Nachfolgerin trat eine andere kluge und tatkräftige Srau als Regentin auf: Kinau. Im Jahre 18833 erklärte sich der junge König, der in schlechte, zügellose Gesellschaft geraten war, für volljährig und übernahm die Kegierung, allein er behielt Kinau als „ersten Minister“ und prohklamierte ihren Sohn Liholilo Ramehameha IV.) zum Thronfolger. Als Kinau schon 1839 starb,wurde Auhea die erste Ratgeberin des Königs, eine viel unbedeutendere Srau als hre Vorgängerinnen.
Im Jahre 1840 wurde die erste, in hawaiischer Sprache abgefaßte Konstitution veröffentlicht. Sie enthielt u. a. die Bestimmungen, daß jedem, der den Landesgesetzen
C. von Rodt, Reise um die Welt.
Ponolulu: Der Gerichtshof. Zur Zeit des Rönigreiches Regierungsgebäude.
[82]Reise einer Schweizerin um die Welt.gemäß lebe, Schutz für seine Person und sein Besitztum zugesichert sei, und daß jede Religionsgemeinde, die Gott anbete, geschützt werde.
Hinsichtlich der Regierungsform wurde u. a. festgesetzt, daß das Amt einer Kuhina nui, das heißt ersten Ratgeberin des Koönigs, wie bisher fortbestehen solle; die Kammern haben vier Richter zu ernennen, die mit dem Könige und der Kuhina nui den obersten Gerichtshof bilden.
Interessant ist fürwahr die Tatsache, daß in dem fernen Infelreiche des Stillen Ozeans die Srau bei der vVerwaltung des Staates und deren Rat im Gerichtshof für wünschenswert und notwendig erachtet wurden. Wie anders ist es in unseren europäischen Staaten, wo jeder weibliche Cinfluß in öffentlichen Angelegenheiten angstlich fern gehalten wird, und wo jeder Schritt zur sogenannten Srauenemanzipation mühsam erkämpft und errungen werden muß!
Mit Riesenschritten ging der junge Staat vorwaärts, Kirchen und Schulen wurden gegründet,Seitungen gedruckt, Plantagen angelegt. Nordamerika und mehr noch Srankreich und England schauten mit wachsenden Eroberungsgelüsten auf das blühende, herrliche Inselreich und brachten bald eine Menge Konflikte in das friedliche Cand.Die Jesuiten waren zudem wieder eingezogen, und heiß entbrannte der Kampf zwischen Katholiken und Protestanten. So sah sich die hawaiische Regierung genotigt, die Unabhängigkeit des Königreichs von den großen Mächten anerkennen zu lassen.
Auf Kamehameha III. folgten der begabte,liebenswurdige Prinz Alexander Liholiho als Kamehameha IV. (8855 1863) und darauf deffen älterer, tatkräftigerer Bruder Kamehameha V.berief die ersten Japaner und Chinesen als Landarbeiter, da seit 1833 die Einwohnerzahl der Inseln eine erschreckende Abnahme zeigte. Damals zählte sie noch 180.313 Eingeborene, im Zahre 1896 39,504.
Kamehameha V. starb plötzlich kinderlos, und mit ihm erlosch die Linie der Kamehamehas.
Als sein Nachfolger wurde ein von mütterlicher Seite mit dem Geschlecht verwandter, Prinz Lunalila, gewählt (8738 - 1874). Er starb schon nach einem Jahre.
Nach heftigem Wahlkampfe zwischen den Anhängern der Königin Cmma, Witwe Kamehamehas IV., einer Halbweißen, und dem Obersten stalakaua wurde letzterer gewählt.
David Kalakaua (1874 -1891) ließz Hawaii zu Blüte und Reichtum gelangen und schloß einen Gegenseitigkeitsvertrag mit Amerika.
Oie Exr-RKönigin Liliuokalani.[]Im Reiche einer entthronten Königin.
838 Seine ebenfalls kinderlose Schwester, Prinzeß Liliuokalani, folgte ihm 1891 als zweiundfünfzigjährige kinderlose Srau auf dem Throne, eine leidenschaftliche, rachsüchtige und dabei nicht besonders kluge Vollblutkanakin. Ihr versuch, die verfassung abzuändern, rief eine Revolution hervor, und schutzsuchend flüchtete sie sich nach Amerika.dätte Liliuokalani damals Amnestie versprochen, so wäre sie bestimmt wieder eingesetzt worden, allein eigensinnig und übelberaten beharrte sie darauf, die einen enthaupten, die anderen hängen, die dritten wenigstens des Landes verweisen zu lassen.So wurde denn 1894 504waii zur Republik erklärt.
In Amerika war unterdessen auf Präsident Cleveland, der sich der Annexion der Inseln widersetzte, Mac Kinley gefolgt. Die hawaiische Srage wurde aufs neue aufgenommen, und nach Abschluß des spanisch-amerikanischen Krieges kamen auch die dawaiischen Inseln unter das Sternenbanner.
Sehr viele Vorteile sind dadurch den ßawaiiern nicht zu teil geworden. Sie salagen über die Unzuverlässigkeit der amerikanischen Beamten, über hohe Eingangszölle, große Schwierigkeiten, um für die Pflanzungen Arbeitskräfte zu bekommen,und Verteuerung der schon früher nicht billigen Lebensmittel.
Oahu mit seiner Hauptstadt Bonolulu erfreut sich eines ausgezeichneten Klimas.Wwinter kennt diese glückliche Insel keinen. Auguft gilt für den heißesten Monat.Wir schwitzten auch redlich, aber kein Mensch gebrauchte einen Sonnenschirm, denn Sonnenstiche kommen hier niemals vor. Mückenstiche dagegen ach ja die waren zahllos, und nahte die Nacht, so wußte ich zuweilen kaum, wohin fliehen.
Tropisch traumhaft ist die Vegetation, staunend liefen wir den ganzen Cag herum und konnten uns nicht satt schauen an all der Blüten und Sruchtpracht. Die Sorm der Bäume ist eine besondere, sie streben nicht zu einem Gipfel empor, sondern flachen sich schirmartig oben sanft ab. Der König der Bäume und gerade damals in vollster Blütenpracht prangend ist Pon-tiana regia, ein herrlicher, großer Baum mit feinen, gefiederten Mimofenblättern und schoönen, flammend roten Blüten,die wie Trauben an einem Stiele hängen und in Sorm und Größe Orchideen gleicht. Neu war mir der schone, stattliche Brotfruchtbaum (Artocarpus incisa) mit großen,tief eingeschnittenen,Dawaiian Potel.[]Reise einer Schweizerin um die Welt.
Weg nach Nuanu Ppali.saftiggrünen Blättern und grünen, runden Srüchten. Diese enthalten ein weißes,mehliges Mark,werden geschält, in Blättern auf heißen Steinen gebacken und schmecken bananenartig. Auch die öligen Kerne find genießbar. Sie bilden das vorzüglichste Nahrungsmittel der Infulaner des Stillen Ozeans. Das gelbe Holz dient als Bauholz, aus dem Milchsaft der Rinde wird Kautschuk und PVogelleim bereitet.
Das gutgehaltene shawaiian Hotel liegt in einem schönen Cropengarten. Um das Haus laufen Balkone, und üppige Schlingpflanzen ranken daran empor. In der Eingangshalle trieben sich Miniaturchineschen als dienstbare Geister herum, die sich in der Solge als arge Schlingel entpuppten, und doch hätte ich mir am liebsten gleich einen mitgenommen und nach Zause gebracht, so niedlich fand ich sie.
Noch vor dem Tafelfrühstück zog's uns hinauf zum PunchbowlsHügel, einem erloschenen Krater, der sich unvermittelt aus der Ebene ungefähr 150 Meter hoch emportürmt. Von oben blickten wir hinunter auf das Gewirr der Schiffe und Segel im Hafen, auf die Stadt Honolulu mit ihren flachen Dächern, Holztürmen und weißen vVillen, hinein in das Chaos fremdartiger Pflanzen. Ich pflückte mir voller Begeisterung einen mächtigen farbigen Strauß rot und gelbblühender Blumen, aber als ich triumphierend damit ins sHotel kam, hieß es: „Das sind Lantanen und unsere ärgste Plage auf den Inseln, da man sie nicht ausrotten kann.“
Unser Gefährte, Dr. C., hatte sich ebenfalls zum Essen im Hawaiian Hotel eingefunden. Wir hatten uns einen Wagen bestellt und fuhren durch Honolulu nach Pali hinauf.
Nach der langen Seereise, auf der wir nur Wasser und Himmel gesehen, waren wir noch empfänglicher für die Blütenpracht, die herrlichen, bunten Krotonbüsche, die Sibiseushecken, die dornigen Sträucher des Cereus, einer nachts blühenden, herrlichen staktuspflanze, und die Teiche mit roten und bläulichen Wasserrosen. Auch die Söhne und Cöchter soawaiis scheinen der Blumen nie müde zu werden. HBaar und Hüte schmücken sie mit Blumen, und um den hals schlingen sie oft drei bis vier Girlanden.Dim Spital steht an jedem Bette ein großer Blumenstrauß. Blumen und immer wieder []Auanu Pali bei Honolulsu (885] [] Im Reiche einer entthronten Königin.
85 Blumen für Sreud' und Leid. Besonders beliebt sind die gelben Kränze der Royal llima und die fast betäubend duftenden der gelblichweißen Plumeria acutifolia-Blumen, die ineinander gesteckt werden, so wie unsere Kinder zuweilen Kränzchen von Slieder zusammenfügen. Nelken werden auch gerne verwendet, und die wohlriechenden, grünen Blätterranken der in den Bergen wachsenden Meils. „Leis“ nennt der Hawaiier solch einen Kranz.
Unsere Sahrt brachte uns in die Berge. Durch ein farren und baumreiches Cal,an Bananen und Königspalmen vorbei, führt eine schöͤne Straße zum Nuanu paliPasse, wo sich zu beiden Seiten bizarr geformte, rötliche Selswände von ungefähr 000 Metern erheben. Cin gewaltiger Wind umbrauste uns, so daß wir kaum hinunterschauen konnten auf all die Ansiedlungen, die lichtgrünen Sucker- und Reisfelder,die schönen Taropflanzen, eine Aroideenart, aus deren Wurzeln der Kanake seine slationalspeise, den Poi, bereitet. Swischen den wilden, dunkeln Bergen blickten wir auf den unermeßlichen Ozean, dessen schwere Wellen sich in flochigem Schaume an den dunkeln Riffen brechen. Dann rollen sie zurück und legen sich zur Ruhe in der Bucht,welche auf ihrer Släche die CLichter der Sonne und die Schatten der Wolken widerspiegelt.
Den Abend beschlossen wir am sandigen Strande von Waikiki, wo abends die Bewohner Honolulus hinausfahren zum erquickenden Bade, und wo auch wir die nächsten Mondscheinabende zubrachten. Unbeschreiblich schön sind diese hellen Tropennächte, wenn die Sterne flimmern, die Blumen noch intensiver duften und zuweilen bei ganz hellem Himmel ein leiser Regenschauer die Natur erquickt.
Honolulu hat neben hübschen villen und Privathäusern alle möglichen, meist noch von den Königen errichteten gemeinnützigen Institute: verschiedene Schulen, das sehr interessante Bernice Pauahi Bishop Museum mit Gegenständen aus alter und neuer Zeit, Baum und Pflanzenschule. Bibliothek und das sehr schöne, wohleingerichtete Queens·Hospital. Da eine der Pflegerinnen aus dem Kanton Aargau stammt und somit meine Landsmännin ist, hatte ich Gelegenheit, das Spital gründlich kennen zu lernen. Srüh nach Amerika verpflanzt,st Sräulein W. mehr Amerikanerin als Schweizerin. Sie und fünf andere Nurses bewohnen eine reizende Villa neben dem Spital. Jede hat ein allerliebstes ZSimmer,
ãAX
[36]Reise einer Schweizerin um die Welt.zudem einen gemeinschaftlichen Salon mit Klavier, ein Cßzimmer und einen japanischen „Boy!. Sie erhält wöchentlich vierzig Dollar nebst freier Wasche, Kost und Wohnung.Alle sechs Monate muß jede Pflegerin einen ganzen Monat durch die Hachtwache übernehmen. Über tags schläft sie und bekommt außerdem eine volle Serienwoche zur Erholung. Queenssdospital liegt in einem herrlichen Parke.
Eine Allee hoher Palmen führt zum Hause, und knorrige Kakteen erreichen hier die Größe eines mittleren Apfelbaumes. Königin Emma gründete das Spital zunächst für Hawaiier, die dort freie Verpflegung finden, aber auch Japaner, Chinesen und Europäer aller Nationen und Religionen werden aufgenommen. Sur bezahlende Kranke gibt's Cinzelnzimmer, sonst stehen meist zwölf bis vierzehn Betten in einem Saale. Operations wie Eßzimmer und Küche sind luftig und reinlich.
Pferde und elektrische Crams durchkreuzen die Stadt. Der elektrische führt in langen Windungen hoch hinauf zu Pacific Height. Die charakteristische Punchbowlstette bleibt tief unten, und wundervoll zeigt fich von hier Honolulu in der Vogelperspektive. Vorläufig ist die Anlage noch neu, aber gewiß werden sich bald auch hier Häuser und Gaärten an die rötliche Bergeswand lehnen.
Cine Eisenbahnfahrt um die Insel gibt's auch, und so fuhren wir nach Waialua.Halbwegs liegt EvaMill, eine der größten Suckerplantagen der Welt, sie beschäftigt an 5000 Arbeiter, vorzugsweise Chinesen und Japaner. Sur rechten Seite der Bahnlinie streben starre, steile Selsen empor, welche von wilden Siegen bevölkert sein sollen und Hoöhlen enthalten, wo einst die alten Kanaken bestattet wurden. Sur LCinken schimmert die blaue See, deren Rauschen bis zu uns drang.
Die Leichen wurden meist) heimlich bei Nacht in sitzender Stellung und in Matten zehüllt nach einsamen Höhlen gebracht und ein Krug Wasser, Poi und Suckerrohr daneben gestellt. Am folgenden Morgen mußten die Angehorigen sich durch ein Bad reinigen und in Reih' und Glied vor der Hütte aufgestellt warten,bis ein Priester kam,um fie mit heiligem
Wasser zu besprengen.
Große Seremonien fanden bei dem TCode des Königs statt. Suerst pflegte ein Kahuna,ein Mittelding zwischen Sauberer, Medizinmann und modernem Medium,geholt zu werden, um den Menschen ausfindig zu machen, dessen
Am Strande von Waititi bei Ponolulu.i) Nach Dr. A. Mareusen,„Die Hawaiischen AInseln“.[]Dattelpalmenallee im Parke des Königin EmmaGSpitals in Honolulu. (S5. 86.) [] Im Reiche einer entthronten Konigin.
87 Zauberkünste den Tod des önigs verursacht, dann wurde ein Mensch geopfert, damit der König in Begleitung den Weg in die andere Welt antreten könne.Hierauf wurde die CLeiche in Caround Bananenblätter gehüllt,dicht unter der Erdoberfläche verscharrt und unter beständigen Gebeten ein gelindes Seuer darüber brennend erhalten, um die Verwesung schneller zu foördern.
Nach zehn Tagen streifte man das Sleisch von den Knochen und band diese in ein Bündel. Von den Priestern für göttlich erklärt, wurden die Überreste von Sreundes-hand in eine Höhle gebracht, das Herz meist als Opfer für die Göttin Pele in den Krater des Kilauea-Vulkans geworfen. Hierauf wurde unter wilden Orgien die Candestrauer gefeiert.
Der Baum, den wir auf der ganzen Sahrt am häufigsten antrafen, ist der Algeroba. Im Zahre 1837 durch einen franzöõsischen Missionär eingeführt, ist er seitdem ein Segen für Mensch und vVieh geworden. Auf trockenem und feuchtem Boden gleich fruchtbar, trägt er eine Unmasse zuckerreicher Bohnen, die namentlich den Pferden vortrefflich bekommen. Schon ein sechsjähriger Baum bringt reiche Ernte und spendet schönen Schatten. Waialuas ßotel Haleiwa, ein hübsches, neues Haus mit gut gelegenem Garten, liegt am Meere, doch scheinen wenige Gäste sich dorthin zu verirren.
Auf der Rückfahrt bekamen wir die zwei umfangreichsten Kanakinnen zu Mitreisenden, die ich jemals gesehen. Meine Gefährten hegten den lebhaftesten Wunsch, sie heimlich photographisch zu verewigen, wurden aber auf dem Versuche ertappt und von den Schönen mit einer Slut Schimpfwörtern überschüttet, bei welchen damned Dutchmen noch die bescheidenste Rolle spielte.
Die Kanaken sind ein schwerer, im ganzen wenig schöner Menschenschlag mit dicken Lippen, groben Zügen und unförmlichen Körpern. Sast komisch wirkt bei dieser Beleibtheit die Kleidung der Srauen: ein meist weißes, hinten zugeknöpftes, gürtelloses Kleid aus einem Stück, von den Eingebornen ßoloku genannt.
Venn man diese unformlichen, menschlichen Massen sich schwerfällig und mühsam bewegen sieht, ist es schwer, zu glauben, daß einst ein gesundes, schönes, stolzes Volk die sawaiischen Inseln bewohnt hat. Wie überall im Stillen Ozean, vollbringen auch
Wasserrosenteich bei Honolulu.
[88]Reise einer Schweizerin um die Welt.hier die Weißen, diese „großenRassenmörder“,allmaählich ihr Serstörungswerk. Der Alkoholismus, Krankheiten,die vormals auf diesen Inseln unbekannt, die Vermischung des Blutes,werden bald eine ganze Menschenrasse vernichtet haben, und die Kanaken werden demnächst vollig in der kolonisierenden Slut der amerikanischen und europäischen Elemente untergehen.
Als Dienstbote und Arbeiter kann der Kanake nicht verwendet werden. Unzuverlässig, träge und arbeitsscheu, sind Männer wie Srauen gleich unbrauchbar, letztere zudem leichtsinnig und treulos. Hat der Kanake nichts zu essen, so geht er zu einem gastlichen Nachbar, der ihn stets gerne aufnimmt,und hat er sich selber einmal etwas verdient, so bekränzt er sein Haus, richtet ein Mahl her und ladet Verwandte und Sreunde.
Über die Maßen abergläubisch und leicht beeinflußt ist der Kawaiier, und heute noch scheinen die ebenerwãͤhnten RKahunas im vVolke zu spuken. Unter den Kahunas befand sich eine Klasse, deren Aufgabe darin bestand, Personen zu Tode zu beten.Dazu wußten sie sich ein Stück Nagel, Haar oder auch Speichel der betreffenden Person zu verschaffen und dieses unter besonderen Sauberformeln zu verbrennen oder zu vergraben. Von nun an hielt sich der betreffende Kahuna stets in der Nähe seines Opfers auf, das, von abergläubischer Surcht geplagt, weder essen noch schlafen konnte und langsam dahinsiechte.
Offenbar unter dem Einfluß ähnlicher Wahnideen starb kürzlich ein Mann in Kekaha auf Kauai. Es wurde ihm gesagt: „Du mußt in einer Woche sterben.“ Da gab der kräftige, gesunde, junge Mensch jede Lebenshoffnung auf, legte sich hin und starb innerhalb der prophezeiten Srist.
Die „Kahunas) wußten übrigens vortrefflich vVorteil aus dem Aberglauben der sKanaken zu ziehen. Nach althawaiischer Vorstellung besaß jeder Mensch zwei Seelen,von denen die eine erst nach dem Code, die andere dagegen gelegentlich ihren Besitzer verließ. Zuweilen pflegte dann ein gelogieriger Kahuna einem reichen Nachbarn zu sagen, er hätte soeben dessen zweite Seele fortwandern sehen, und zwar wahrscheinlich auf Nimmerwiederkehr, da eine mächtige Gottheit ihm zürne. Der erschrockene Eigentümer jener flüchtigen Seele beeilte sich meist, dem schlauen Kahuna eine Geldsumme
WailuaWasse i) Dr. Marcusen erzählt folgendes in seinem Buche über Hawaii.[]Rauai. (5. 93.)
Im Reiche einer entthronten Königin.
89 einzuhändigen, um damit die Gottheit zu besänftigen und die Seele zur Rückkehr in ihre
Wohnung zu bewegen.
Die Kahunas teilten sich in zwei Klafsen, in die oben erwähnte niedrige Stufe der Sauberer und Schwindler und in die höhere der Priester and Träger der eigentichen religiösen Sormen. Diese verrichteten den Tempeldienst, waren in Medizin und Astronomie wohl bewandert und bewahrten die heiligen Bücher. Ihnen ist es zu verdanken, daß diese viele Jahrhunderte lang bis auf die Neuzeit erhalten geblieben sind.
Wunderbar, freilich nur teilweise übereinstimmend mit dem Alten Testament,klingt daraus die polynesische Vorstellung von der Erschaffung der Welt, dem Sündenfall, der Sündflut u. s. w.vor Erschaffung der Welt gab es drei mächtige Götter, Kane, Ku und LCono.Durch ihr gemeinsames Wirken wurde Licht in das Chaos gebracht. Dann erschufen die Götter die drei himmlischen Sphären, in denen sie wohnten, und Erde, Sonne,Mond und Sterne. Aus ihrem Speichel bildeten sie darauf eine Schar von Engeln,die den drei Urgöttern Dienste zu leisten hatten. Schließlich kam die Erschaffung des Menschen. Aus roter Erde wurde der Leib, aus weißem Ton der Kopf geformt, und der oberste der Götter, Kane, blies diesem hawaiischen Adam den belebenden Odem ein. Aus einer seiner Rippen wurde die hawaiische Eva geschaffen. Das neue Paar,Kumuhonua und Keolakuhonua, wurde in ein schönes Paradies, Paliuli, gesetzt,das von den drei Strömen des Lebens durchflossen und mit zahlreichen herrlichen Bäumen, darunter der heilige Brotbaum, bepflanzt war. Der mächtigste unter den Engeln, Kanaloa, der hawaiische Cuzifer, verlangte, daß das neugeschaffene Menschenpaar ihn anbeten sollte, was aber von Gottvater, Kane, verboten wurde. Nach vergeblichen Versuchen, einen neuen, ihm ergebenen Menschen zu erschaffen, beschloß Kanaloa aus Rache, das erste von den Göttern gebildete Menschenpaar zu verderben.In Gestalt einer großen Eidechse schlich er sich in das Paradies und verleitete die beiden Bewohner desselben zur Suünde, worauf sie durch einen gewaltigen, von Kane gesandten Vogel aus dem Paradiese vertrieben wurden.“
So lautet die Geschichte von dem hawaiischen Sündenfall.e 0 [30]
Reise einer Schweizerin um die Welt.
Ausslug nach der Insel Kanaiĩ.
Dder vulkan Rilauea. Meeresfahrt nach Kauai. Waimea Tal. Coot, der Entdecker der Inseln. Der Berner Maler Wäber. Rekaha. Zuckermühle und-felder. Papaya. Pawaiische Musiker und Musikinsirumente.cieder und Sagen. Die Legende von der schönen Puupehe. Pawaiisches Landhaus. Zurück nach Ponolulu.Zu Wasser sind die Verbindungen zwischen den Sandwich-Inseln wenig lobenswert. „Selten und schlecht“ lautet die Parole. Wir mußten auf den Besuch des berühmten KilaueaVulkans, welcher nebst dem 1270 Meter hohen Mauna LCoa und dem noch höheren erloschenen Mauna Kea auf Hawaii, der größten der acht bewohnten Inseln, steht, verzichten. Das Schiff wurde im Dock geflickt, und das Ersatzboot war noch übler dran, es hatte ein Leck.
Seit einiger Zeit schon ruht der Kilauea-Vulkan, der zu den schönsten und merkwürdigsten der Welt gehört, birgt doch sein Krater einen gewaltigen Seuersee, dessen rote, geschmolzene CLavamassen gleich Wellen ans graue Ufer branden, während flüssige, feurige Lavaströme bis achtzehn Meter hoch als Springbrunnen auf der Oberfläche des Sees spielen sollen. Glücklich fürwahr, wer das großartige Schauspiel genießen kann, das sich oft jahrelang nicht bietet.
Ranalische Grashütte.[]Kanakisches Damenreitkleid (pa-u).
[45]Reise einer Schweizerin um die Welt.Obschon man mir von allen Seiten sagte, der Besuch des KilaueaVulkans, ohne den BalemaumauSee in Tätigkeit zu sehen, lohne sich durchaus nicht, habe ich doch fehr bedauert, diesen interessanten Ausflug nicht ausführen zu können.
Um so willkommener war mir daher die freundliche Einladung meiner Candsleute H., sie auf der Insel Kauai zu besuchen.
Es sollte eine Sahrt von ungefähr sechzehn Stunden sein, und ich wunderte mich,daß meine Wirtsleute im Hawaiian Hotel so sonderbar lächelten, als ich ihnen von meinem Plan, auf einige Tage dorthin zu reisen, Mitteilung machte. « For pleasure?riefen sie immer wieder zweifelnd.
For pleasure- wiederholten seufzend meine beiden Kabinengefährtinnen auf dem Ivalani. Längst vor der Abfahrt hatten sie sich niedergelegt und standen auch nicht mehr auf, bis wir unser Siel Makaweli erreicht. Ich wußte noch nicht, wie stürmisch diese Sahrten zwischen den Inseln zu sein pflegen und wie mangelhaft und elend die Schiffe, und ahnungslos nahm ich Abschied von den lieben Gefährten, die am folgenden Tage sich nach Japan einschiffen wollten.
Es war eine ziemlich stürmische Nacht, doch ging's bei mir ohne Sischfütterung ab,und in der Srühe des folgenden Morgens fuhren wir schon den kahlen Bergen Kauais.der Garteninsel, entlang.sdochauf brandete der Gischt, die niedrigen Ufer bedeckend, und die Morgensonne beleuchtete lange, lichtgrüne Strecken von Suckerrohranpflanzungen. Hie und da eine Ansiedelung von Arbeiterwohnungen, hie und da eine Suckermühle mit gewaltigem Schornstein, das ist alles, was an Menschendasein erinnert.
Mit Maßkaweli erreichte ich das Siel meiner Sahrt. An einer aus Seilen improvisierten Leiter kletterte ich ins Boot hinunter und fand beim Landen meine Candsmännin Srau H.
WaimeaTal auf der Insel Rauai.[]Ausflug nach der Insel Kauai.
33 Mit dem Wagen fuhren wir durchs WaimeaTal über den WailuaSluß. Hier landete Cook im Jahre 1778.
Mit Enthusiasmus von den Infelbewohnern empfangen und gleich einem Gotte geehrt, wurde er ein Jahr später, den 14. Sebruar 1779, auf der größten Insel des Archipels erschlagen. Ein ihm von den Cingeborenen geraubtes Boot, das er dadurch wieder zu erlangen suchte, daß er das Oberhaupt der Insel als Geisel mit auf sein Schiff nehmen wollte, war die Ursache des tragischen Endes des großen Entdeckers. Am Suße des vVulkanes Mauna Loa, auf einem schwarzen, vom Meer umspülten Lavafels, fielen Cook und vier seiner Leute im Handgemenge,Kaawaloa heißt die Stelle. Die Engländer haben im Jahr 1874 ihrem berühmten Candsmann in der Nähe jenes Selsens einen einfachen Obelisk errichtet.
Auf jener letzten Entdeckungsreise Cooks es galt, eine noördliche Durchfahrt aus der Südsee in das Atlantische Meer aufzufinden gehörte ein Schweizer zu seinen Gefährten: Johann Wäber aus Bern. Die englische Regierung hatte diesen dem großen Seefahrer als Maler beigegeben, er sollte die Bewohner und landschaftlichen Ansichten jener zu entdeckenden Gegenden bildlich aufnehmen. Cook hat seine Aufgabe nicht vollführen können. In der Beringstraße, wo er schon das Siel seiner Wünsche erreicht zu haben glaubte, sah er sich plötzlich vom Eise umgeben und mußte wieder nach Süden zurücksegeln, wo er abermals auf den Sandwich-Inseln landete,die er ein Jahr zuvor entdeckt. Hier erreichte Cook sein Schicksal.
Wäber und die übrigen Teilnehmer der Expedition hatten sich schon eingeschifft und mußten vom Deck des Bootes aus die machtlosen und entsetzten Suschauer des schrecklichen Dramas, das am Strande vor sich ging, abgeben.
Die Seichnungen, welche Wäber von dieser Reise nach Haufe brachte er lebte in CLondon wurden daselbst veröffentlicht. Seine Kunstleistungen erwarben ihm das Diplom eines Mitglieds der königlichen Malerakademie, und eines seiner Landschaftsbilder galt bei der Gemäldeausstellung in Condon 1788 für eines der vorzüglichsten derselben. Als angesehener, berühmter Mann starb Wäber im Jahre 1793 in London.
Seine Vaterstadt, die er noch sehr jung verließ, hat er nicht vergessen. Dankbar für die in seiner Jugend von der bernischen Regierung und seiner städtischen Sunft zu Kaufleuten genossene Unterstützung, die ihm das Studium der Malerei zuerst bei vollblutRanakin.
[94]Reise einer Schweizerin um die Welt.Aberli in Bern, dann während fünf Jahren in Paris ermöglicht, schenkte er seiner Vaterstadt eine bedeutende Sammlung merkwürdiger Gegenstände aus den Inseln des Stillen Ozeans. Seiner Zunft zu Kaufleuten vermachte er hundert Pfund Sterling,wertvolle Kupferstiche und sein Selbstportrait.
Unter den im historischen Museum in Bern aufgestellten ethnographischen Gegenständen sind einige sehr seltene Cxemplare. Sedermantel und helm eines hawaiischen SñSürsten bilden die beiden Hauptstücke. Die roten Sederchen, aus welchem sie zusammengefetzt sind, stammen von einem ganz kleinen Vogel der SandwichInfeln,dem Lerthia coccinea, während die gelben, welche die Helmraupe ünd den Besatz des Mantels bilden, vom Drepanis pacifica oder Oo herrũhren. Der jetzt auch auf Hawaii, seiner Heimat, sehr selten gewordene Oo ist ein kleinèer, schwarzer Vogel, der nur einige gelbe Sedern unter den Slügeln besitzt. Welch einen Massenmord hat z. B. der im Bishopmuseum in Honolulu ausgestellte gelbe Königsmantel Kamehamehas J. unter der niedlichen, gefiederten Schar verursacht! Der koönigliche Mamo, der nur bei feierlichen Anlässen getragene Sedermantel, bestand ausschließlich aus Oofedern und reichte bis zum Knöchel. Die rot und gelben Mäntel der Sürsten waren kürzer. Die Priester trugen rote Sedermäntel. Die Sedern wurden auf einem engmaschigen Gewebe befestigt.
Wäber hat Mantel und Helm jedenfalls von den Eingebornen zum Geschenke erhalten, welche die vermeintlich überirdischen Wesen, als welche sie Cook und seine Genossen betrachteten, mit Gaben überschütteten.
Leider benahmen sich die weißen Seeleute nichts weniger als überirdisch, und Cook selber reizte den Sorn der Eingebornen, indem er aus Mangel an Brennholz den Saun des heiligen Göttertempels und Götzenbilder verbrannte. So büßte der kzühne Sorschungsreisende nicht ganz ohne eigene Schuld das Leben ein.
Auf Europa machte das tragische Ereignis einen so tiefen Cindruck, daß während langer Jahre kein Schiff an jenen Inseln landete, deren harmlose Bewohner in den Ruf gekommen waren, wilde Kannibalen zu sein.
Doch nun zurück ins WaimeaCal, dessen lichtgrüne Reispflanzungen, hohe Kokospalmen, TCeiche.Eingebornenhütten den Anblick ungemein farbenfroh und malerisch machen.
Auf der Plantage Kekaha steht das Haus meiner Landsleute, einstöckig mit gemütlichen Zimmern und herumlaufender Veranda mitten in einer grünen Wiese, wo Guava und Algoravabäume stehen. Ich wohnte in einer, niedlichen Cottage dicht dabei, die während einigen Tagen mein ganz eigenes Reich sein sollte. Meine Nachbarn waren eine Unzahl Meinavögel, die ihr geschwätziges Dasein in den hohen Algorava führten. Die „Meina“ (acridotheros tristis)[]Iut ypks hulaTänzerinnen. (5. 102.)
[96]Reise einer Schweizerin um die Welt.kommen aus Indien, sie gehören zur Samilie der Stare, und es paßt ihr lateinischer Beiname »tristis durchaus weder auf ihr Gewand noch auf ihren Charakter, den man mir übrigens sehr schwarz schildert. Gefräßig und unverträglich sollen sie sein und sich in die Nester anderer Vögel setzen und diese vertreiben. Dies konnte ich nicht beurteilen, nur ihre Geschwätzigkeit fiel mir auf. Abends besonders und nachts beim leisesten Geräusch wollten die Gespräche kein Ende nehmen.
Unweit des Hauses braust das Meer, und am Strande tummelt sich die kosmopolitische Bevöolkerung Kekahas. Auf der Pflanzung arbeiten Portugiesen, Portorikaner, Chinesen, Japaner und einige wenige Kanaken, letztere nur, wenn die äußerste Not sie treibt. Offen liegen aller Heimstätten da, so daß jeder hineinblicken kann in ihr intimstes, urwüchsigstes Samilienleben.
Sehr interessierte mich ein Besuch der Suckermühle. Ich fah riesige Lasten Suckerrohr herbeischleppen und durch eine Walze treiben. Der daraus erzielte Saft wird in Pfannen erhitzt und mit Kalk und kohlensaurem Gase geklärt. Darauf wird er in einer großen Vakuumpfanne drei bis vier Stunden gekocht, kommt, zur dicken Melasse geworden, in ein längliches Gefäß und von da in Sentrifugen-Maschinen, die sich mit fabelhafter Geschwindigkeit drehen. Der gute SZucker bleibt trocken am Rande, während die dünne Melasse ablaäuft und später wieder aufgekocht wird, um eine schlechte Qualität Sucker zu liefern. Der gute Sucker, der eine hellgelbe Sarbe hat, wird in Connen verladen nach San Sranzisko geschickt und erst dort raffiniert. Die Mühlen werden mit Dampf getrieben. Als Brennmaterial dienen die Abfälle des ausgepreßten Suckerrohres, das, nachdem es durch die Walzen getrieben, wie Stroh aussieht.
Damit ich an diesem Tage so recht im Süßen schwelgen konnte, wanderten wir noch durch ein hohes, wogendes Zuckerfeld, wo tiefe Gräben dem Wasser freien Durchpaß gewährten. Artesische Brunnen werden überall gebohrt,denn Wasser gebraucht das sñuckerrohr und immer wieder Wasser. Sonst hat es keine Bedürfnisse. Die rote Erde Kauais behagt ihm so vortrefflich,daß, einmal angepflanzt, immer wieder neue Schosse emporsprießen.Der Ertrag des SZuckerrohrs
Blühen des Zuckerrohrs in einem Garten auf Rauai.[]Ausflug nach der Insel Kauai.
97 ist die wichtigste Crwerbsquelle im Lande. Als Arbeiter auf den Zuckerfeldern werden besonders Japaner und Chinesen verwandt, da die Temperatur in dem Dickicht der Rohre eine viel höhere ist, als draußen im freien Seld, und der feuchte Boden, den die Pflanzung erfordert, die Europäer leicht krank macht. Weiße werden dagegen gerne als Aufseher, Mechaniker und Chemiker verwandt und können sich durch Intelligenz und Energie sogar zu Direktoren aufschwingen.
Gegenwärtig freilich machen infolge der niedrigen Suckerpreise und hohen Arbeitslöhne die Suckerpflanzungen eine schlimme Arisis durch 9.
Was Obst anbetrifft, lernte ich hier Guava, Mango und Papaya kennen und Ananas in großen Mengen essen. Der Papaya carica Melonenbaum) schießt rasch und
Rauai: Wagenfahrt durch einen Sluß.astlos empor. Er hat handformige Blätter und trägt das ganze Jahr melonenartige, gelbliche Srüchte, die in großer Zahl unmittelbar am Stamme sitzen. Sie sind wohlschmeckend, süß.etwas fade und enthalten eine Menge Samen. Der Milchfaft des Holzes hat die Cigens chaft,das zäheste Sleisch mürbe zu machen, aber dabei den Nachteil, es sehr schnell zu zersetzen.
Der Mangofrucht (mangifera indica) habe ich niemals großen Geschmack abgewinnen konnen. Sie enthält einen s chwerlösbaren Kern und hat Terpentingeschmack.
Um mir Sreude zu bereiten, bestellten meine freundlichen Gastgeber auf einen Abend einheimische Musikanten, und als wir draußen auf der beranda durch ein feines Drahtgeflecht vor Moskitobissen wohl geborgen saßen, meldete sich die Gesellschaft. Wir bekamen drei Instrumente zu hören, den fünfsaitigen Taropatch, eine kleine, viersaitige Gitarre Ukulele. beide ursprünglich von Madeira eingeführt, und eine größere Gitarre.i) Seit Hawaii amerikanisch geworden, dürfen keine Chinesen mehr einwandern, und nur diejenigen, die vor der Annexion da waren, ferner als Arbeiter in den Plantagen verwendet werden.Auch mit den japanischen Kulis einen Kontrakt zu schließen, ist untersagt.
C. von Rodt, Reife um die Welt.
[48]Reise einer Schweizerin um die Welt.Solgendes sind echt hawaiische Instrumente, die aber wenig mehr gebraucht werden: Ohe, eine mit der Nase zu spielende Bambusflöte, Ukeke, eine Mundharfe,deren vier Saiten aus Menschenhaar gemacht wurden, Pahu Kani, eine große, mit Haifischhaut überzogene Crommel aus Kokosnußholz, HulaUlaUli, eine mit Steinchen gefüllte Kokosnuß, die in der Hand gehalten und wãhrend des Tanzes geschüttelt wurde.
Wunderbar, musikalisch und rhythmisch spielten und sangen unsere Künstler eine Weise nach der anderen, alles auswendig und teilweise improvisiert, und leicht paßten sich die Worte der Melodie an. Musik und Poesie lieben die sawaiier ebensosehr wie die Blumen.
Daß man auch am königlichen Hofe musikalisch war, bezeugt folgende Komposition der Königin Liliuokalani.Aloha Oe.Moderato. * * 3 8* 2 5 * 5
Komponiert von der Königin Liliuokalani.p Solo ü 1. Ha -a- heo ka u-a i-na pa li Ke e ⏑[ 0 C r 1
W nihi a- e-la ka-na he-- le Eha-ha- i a-na i-Ka g TT 5 5 7
2*[]Ausflug nach der Insel Kauai.
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[00]Reise einer Schweizerin um die Welt.
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Die Gedichte, Mele genannt, haben kein versmaß, sondern bestehen aus kurzen,halb gesungen vorgetragenen Sätzen; in mundlicher Überlieferung kommen sie von einer Generation auf die andere und teilen sich in religiöse Cieder, Heldengesänge,Ciebeslieder und Totenklagen.
Auch alte Legenden sind auf diese Weise durch Barden und Märchenerzähler,die stets am Königshofe willkommen waren, erhalten geblieben. König Kalakaua hat einen Teil derselben in die englische Sprache übersetzen lassen. Ich will eine davon in der deutschen Bearbeitung und Übersetzung Markusens in etwas verkürzter Sorm hier bringen.
Brücke auf Rauai.[]Ausflug nach der Insel Kauai.
8 „An der Südküste der Insel dawaii ragt ein gewaltiger Selsblock von roter CLava aus der See empor, dessen steile Klippen kein menschlicher Suß betreten kann.
Nur die Vögel des Meeres bauen ihre Nester in die vom Wind und Wetter gerissenen Spalten jenes Selsen, gegen welchen die wilde Brandung schlägt. Von der gegenüberliegenden Küste aus sieht man auf dem Gipfel der einsamen Selsensäule einen niedrigen Steinwall. Das ist das Grab der schönen Puupehe, die von ihrem Hatten Makakehau dort begraben worden ist. Wie er mit seiner traurigen Last jenen Selsen erreicht, wer kann es sagen? Die Götter werden ihm übermenschliche Kräfte verliehen haben!
Puupehe war die Tochter eines angesehenen Häuptlings der Insel Maui, und Makakehau gewann ihre Hdand als Siegespreis im heldenmütigen Kampfe.
Die Maid war von berauschender Schönheit; ihr glänzend brauner Körper strahlte wie die Sonne, die über dem gewaltigen Krater Haleakala aufging, und uüppiges, tiefschwarzes Haar, mit gelben Blumen bekränzt, umwallte ihre geschmeidige Gestalt. Ihre dunkeln Augen, die wie Sterne leuchteten, hatten den jungen Helden so bezaubert, daß er nur noch seiner Liebe zu leben vermochte.
Eines Tages sprach er zu ihr: „Wir lieben einander von ganzer Seele. Laß uns an der Küste von CLanai im verborgenen leben und uns in die Selsenhöhle von Malauea zurückziehen. Dort wollen wir zusammen Sische und Schildkröten fangen,zufrieden unseren Caro in duftenden TiBlättern backen und uns an den Beeren des OheloStrauches erfrischen. Innig wollen wir einander lieben, bis die Sterne erloöschen.“
So lebten sie lange Seit in glückseliger Abgeschlossenheit, und ihre Liebe wuchs von Tag zu Tag.
Eines Tages ließ Makakehau die Gattin in der Selsenhöhle zurück, um die aus Kürbis verfertigten Slaschen mit frischem Quellwasser auf den Bergen zu füllen.Es war zur Winterszeit, wo die „Konas“, gefürchtete Sandstürme, auftreten, welche die Wogen des aufgeregten Ozeans mit schonungsloser Gewalt gegen die südlichen Küsten der sawaiischen Inseln antreiben.
Von den Bergen aus erblickte Makakehau die Seichen des herannahenden Sturmes,er sah die finster drohenden Regenwolken und wußte nun, daß die durch den Sturm erregte Brandung die Selsenhöhle, in der seine Geliebte verborgen war, mit Wasser fuüͤllen und das Leben der schönen Puupehe vernichten würde.
In den Bergen Rauais.
[07]Reise einer Schweizerin um die Welt.In rasender Cile jagte er den Berg hinunter und traf unten schon den Sturm in seiner ganzen Macht und Stärke. Mit gewaltiger Wucht donnerten die Wellen gegen die Lavafelsen, die See kochte; in das Heulen des Sturmwindes mischte sich das Getöse der gegen die Küste rasenden Wasser. Eine himmelhohe Woge füllte die Selsenhöhle und sandte ihren Schaum in das Antlitz des zu Code erschrockenen Kriegers.
Einen Augenblick später tauchte er in das wild erregte Meer, und schon nach wenigen Minuten brachte er den Leichnam seiner Geliebten an das Ufer.
Am nächsten Tage hörten die Sischer die Klagelieder des trauernden Gatten, und die Srauen aus dem benachbarten Tale eilten herzu, um an der Ceiche Puupehes zu trauern. Sie hüllten den Körper in ein glänzend neues Gewand und bedeckten ihn mit duftenden Blumen.
Als die Srauen den folgenden Morgen zurückkehrten, fanden sie weder den Ceichnam noch den wehhlagenden Gatten. Erst als ihr Blick zufällig auf den einsamen roten Lavafelsen draußen im Meere fiel, sahen fie auf der Spitze desselben Makakehau. Er war damit beschäftigt, ein Grab in den Selsen zu graben.voll Staunen beobachtete ihn das Volk, und mancher segelte im Boot an den Selsen heran, um zu entdecken, wie ein menschlicher Suß die steilen Klippen hatte erklimmen können.
Makakehau war mit der Arbeit zu Ende; er legte die Leiche in das mit seinen D und hob die Totenklage an.
Noch einmal sah Makakehau mit einem Blick voll unendlicher Trauer auf die Stätte, wo die Leuchte und der Stolz seines Cebens begraben lag. Dann sprang er von dem hohen Selsen in das schäumende Meer, wo sein zerschellter Leichnam am nächsten Tage von Sischern gefunden und feierlich an der Küste gegenüber dem Selsen von Puupehe beigesetzt wurde.“
Die berühmten Hulatänze, wo die Cänzerinnen mit Blumen und einem Strohröckchen geschmückt erschienen, sind von den Missionären verboten worden, daher bekommen Sremde sie niemals zu sehen, höchstens einmal eine zweifelhafte Nachahmung,D locken.wie behaglich und luxuriös die Plantagenbesitzer auf Hawaii leben, sah ich in einer Samilie, wo der Mann Schottländer, die Srau Halbbluthawaiierin ist,und wo hawaiische Industrie, hauptsächlich reizend geflochtene Matten, mit europäischem Kunstgewerbe abwechselt. Der große Musiksaal enthielt nicht nur einen schönen Slügel, sondern auch das sogenannte Pianola, eine amerikanische Erfindung,die im Osten reißenden Absatz und nun auch in letzter Seit in Curopa Cingang findet.
Schön angelegt ist der Garten. Bächlein durchkreuzen ihn nach allen Richtungen,denn Hawaii leidet keinen Wassermangel. Nicht weniger als dreizehn Strsme besitzt diese kleine Insel von 1418 Quadratkilometer, und eine weise Verwaltung sorgt dafür,daß immer wieder Wald angepflanzt wird. Unter den Bäumen nimmt der schöne,dunkelbelaubte Koa, ein echtes Kind Hawaiis, den ersten Rang ein. Er gehört in die Klasse der Akazien, und sein ßolz ist dem Mahagoni sehr ähnlich.
Nach wenigen Tagen bei den lieben Landsleuten hieß es für mich abermals Vorwärts“. Noch einmal nahm mich das Dampferchen „Iwalani“ auf, Gott Neptun []Ausflug nach der Insel Kauai.
103 erwies sich gnädig, und ohne weitere Abenteuer kam ich glücklich nach Honolulu zurück.
SZwei Tage später nahm ich Abschied von der Blumeninsel Oahu, und wenn ich jetzt fern im Norden des schönen Eilandes gedenke, bewegen mich dieselben Gefühle,die Mark Cwain in seinen Reiseskizzen so hübsch und treffend ausspricht:
„In der Erinnerung umwehen mich noch immer die balsamischen Cüfte Hawaiis,das Geräusch der Brandung vom Stillen Ozean schlägt noch an mein Ohr. Ich fehe die zierlichen Palmen an der Küste und die hohen Bergesgipfel wie Inseln über den Wolken schwimmend. Noch wähne ich, den Duft seiner Blumen zu atmen, und ihr Aroma bestrickt meine Sinne.“
Im Fischerdorfe bei Ponolulu. [] Unter blühenden Iris. (8 105.) [] Die ersten Eindrücke im Lande der aufgehenden Sonne.
Japan.
Fapitel 8.Die ersten Einorücke im Lanöe öer aufgehenden Sonne.
Ankunft in Hokohama. Jinrikisha. Risenbahnen in Japan. Der Daibutsu in Ramakura. Rwanon, die Gnadengöttin. Chinesijche Wäscher und Schneider. Abfahrt nach Kikko. Geschichte Japans. Tempel in Kikto. Grab Iyeyasus. Japanische Kinder. Gammangajuchi. DainichidoGarten. Chuzenii.
Die lange Sahrt zwischen Honolulu und Yokohama ging auf der schmucken „Amerika Maru“ ohne jeden Zwischenfall ruhig von statten.Etwas Merkwürdiges freilich ereignete sich. Wir schliefen den 22. August ein und wachten erst den 24.wieder auf. Also einen Tag im Leben verloren, unrettbar verloren! Seit Bern war ich unaufhörlich in westlicher Richtung gefahren, und da ich mit der Sonne ging, war's immer später Mittag geworden. Die Uhr in slew NPork zeigt Zi/2 Stunden später als in Bern und 8 Stunden später in San Sranzisko. Swischen San Sranzisko und HBonolulu passiert das Schiff den 180. Meridian, und da st es allgemein üblich, eine Korrektur im Schiffskalender vorzunehmen, weil man sonst einen Tag zu spät in Curopa ankäme. Wäre ich umgekehrt von Japan nach Amerika, also der von Osten nach Westen gehenden Sonne entgegengereist, so hätte ich zwei Tage hintereinander dasselbe Datum gehabt, sonst wäre ich einen Cag zu
[106]Reise einer Schweizerin um die Welt.früh in Curopa angekommen. Um diesen Punkt dreht sich die einst vielgelesene Erzählung Jules Vernes: „Die Reise um die Welt in achtzig Cagen.“
Als ich am neunten Tage frühmorgens aufwachte, hatten Himmel und Wafser eine rosig blaugoldene Särbung angenommen, und dunkle Berge zeigten mir die Nähe Japans.
Cangsam fuhren wir in den Hafen ein.Da gab's die ersten japanischen Sampans Ruderbarken) mit ihrer flinken Bemannung, die ersten gefältelten, großen Segel der Dschunken 9) zu bewundern, und am Ufer ja wahrhaftig, da zeichneten sich die Silhouetten der ersten DNinrikishas ab.Meine lieben deutsch-hawaiischen Reisegenossen der „Amerika Maru“ und ich hatten sich unterwegs ofter unsere erste NinrikishaSahrt ausgemalt. Jetzt standen sie vor uns jene Kuruma oder DinrikishaWägelchen?), ohne die man sich Japan nicht vorstellen kann.
„Nein, in dieses Wägelchen bringt mich vorläufig kein Mensch“, rief ich aus.Pastor J. stimmte mir lebhaft bei. Auch er fand es entwürdigend, sich von einem Menschen ziehen zu lassen. Die beiden Damen sahen sich den langen, heißen Weg zum Gasthofe stillschweigend an. Ein bißchen Sureden der Rurumaya, hier häufiger RikshaBoys genannt, und sie sausten davon. Wir schauten uns ganz verblüfft an. „Wollen wir?“ Swei Wägelchen waren uns gefolgt. Offenbar bauten die zweibeinigen Pferde auf Veränderung unserer Gesinnung. Plötzlich wie auf Kommando schwangen wir uns gleichzeitig in unsere Rikshas und fuhren lachend dem Bund?)entlang ins Grand ßotel Yokohama.
Cine Stunde später waren wir schon in der Eisenbahn unterwegs nach Kamakura. Wie alles im Lande Nippon diminutiv ist, so sind auch die Waggons klein und niedrig, schmal sind Senster und Türen, aber Ordnung und Reinlichkeit herrscht überall.
Durchs ganze LCand läuft der Schienenstrang, und zwar sind es japanische Hände,die ihn erbaut haben. Japaner verfertigen die Waggons und Schienen, entwerfen neue Linien, dienen als Cokomotivführer und Schaffner, seit im Jahre 1870 die erste Cisenbahn zwischen Tokio und Yokohama durch europäische Ingenieure erstellt worden ist. Die klugen, schlauen Bewohner Nippons schauten dabei zu, wie man's macht,m Chinesisches Schiff.) Man kuürzt meist Jinrikisha in Riksha ab.) Boulevard oder Kai Jokohamas.[]Japanische Dichunke. (S. 106.)
[108]Reise einer Schweizerin um die Welt.schickten dann die Curopäͤer fort und begannen selber, ihre Bahnen zu bauen. Wartsäle gibt's auch, ins Kleine, Niedliche, nach europäischem Muster übersetzt, und zwar für alle drei Klassen, ja, die wichtigsten Tagesblätter liegen sogar dort auf. Sahrkarten werden am Schalter gelöst, und nur auf ein bestimmtes Glockensignal hin darf man den SZug besteigen. Dies bietet nahezu die einzige Gelegenheit, wo die Japaner zuweilen ihre große Höflichkeit vergessen. Jeder drängt und stößt und trachtet, der erste zu sein, wünscht er doch beileibe nicht, den Sug zu verfehlen, denn dieser wartet nicht. Letzterer CTatsache ist der Sohn Nippons sicherlich erst nach mancher harten Erfahrung inne geworden, denn im Osten pflegt sonst die Seit keine Rolle zu spielen. Anders machen's die Indier. Ohne sich um einen Sahrtenplan zu kümmern,begeben sie sich mit ihrem Hab und Gut zur Seit, die ihnen paßt, auf den Bahnhof,schlagen dort ihr Lager auf und warten geduldig drei bis vier Stunden lang, oft sogar einen ganzen Tag auf den gewünschten Sug.
Restaurationssäle dagegen sind in Japans Bahnhöfen noch unbekannt. Auf den Stationen werden appetitliche, kleine, weiße Holzschachteln fuür wenige Sen (1 Sen Centimes) verkauft, in denen zunächst eine Papierserviette, zwei hölzerne Eßstäbchen und ein Loffel aus demselben Material sich befinden. Diese Instrumente dienen zum Verzehren folgender Dinge: eingemachte Srüchte, gesalzene Sische, irgend ein Wurzelgemüse und eine Portion blendend weißer Reis. Bier in Slaschen nach deutschem Rezepte, billig und gut, Limonade, Eiswasser und besonders Tee sind überall erhältlich.Lieblich ist die Landschaft, durch die man fährt, und dabei zeugt alles von fleißigen Menschenhaänden. Lichtgrüne Reisfelder wechseln mit den violetten, windenartigen Blättern der füßen Kartoffeln, mit Bohnen, Mais und Erbsen ab. Kein Winkelchen
JinritishaFahrt bei schlechtem Wetter.[]
Ein schläfriger Reiter. (Kapitel 8.)
[] Die ersten Cindrücke im Cande der aufgehenden Sonne.liegt brach. Der Japaner versteht es meisterhaft,den Boden auszunützen, freilich kargt er nicht,ihm die gehörige Nahrung zuzuführen. Immer wieder tauchen mächtige Sässer auf, und eine Srühfahrt mit Jinrikisha aufs Land ist meist für die Nase ein empfindliches Vergnügen.
Von der Station Kamakura brachten uns RikshaBoys wir fühlten uns in den Wägelchen nun schon ganz behaglich zum Daibutsu, dem berühmten, bronzenen Riesenbilde Buddhas.
Ich habe im Osten noch unzählige Daibutsu gesehen, aber keiner machte mir einen so tiefen Eindruck wie das Götterbild in Kamakura. Es ist ein echt orientalisches weiches Gesicht. Die langen halbgeschlossenen Augen mit den goldenen Sternen scheinen sich jeden Augenblick oöͤffnen zu wollen; der feingeschwungene leidvolle Mund,die nachlässig im Schoße gefalteten Hände tragen den Ausdruck des erlangten vollkommenen Sriedens, der Dahingabe jeder irdischen Ceidenschaft, jedes Wunsches.
„Ist einer Welt Besitz für dich zerronnen, sei nicht in Leid darüber; es ist nichts.Und hast du einer Welt Besitz gewonnen, sei nicht erfreut darüber; es ist nichts.“
Den Sockel des Daibutsu bildet eine geöffnete Lotosblume. Bei den Buddhisten gilt der Lotos als das Symbol der reinigenden göttlichen Kraft im Menschen: „denn wie die CLotosblume sich rein aus dem Schlamm erhebt, so schwingt sich des Menschen Seele über allen Erdenschmutz durch eigenes Wollen und Streben in höhere Sphären,bis sie dereinst als Buddha in Nirwana eingeht. Um diesen Gedanken einen sinnlichen Ausdruck zu verleihen, ruhen auch alle Buddhastatuen im Kelch einer geöffneten Cotosblume.“ (A. Sischer, Bilder aus Japan).
Der Daibutsu soll aus dem Jahre 1252 stammen und sein Gewicht 9000 Sentner betragen. Seine Höhe ist 10 Meter, die Länge eines Ohres 2 Meter. Die Beule der Weisheit mitten auf der Stirne hat einen Durchmesser von 72 Centimeter, und die 830 silbernen Cocken, die sein Haupt schmücken. haben je einen Durchmesser von 30 Centimeter.
Der gräulich silberne Ton des Riesenbildes wird durch einen dahinterliegenden dunkeln Sichtenhain herrlich gehoben. Dieselben Bäume, in Japan Matsu genännt,beschatten den breiten Weg, der an die Stufen des Daibutsu führt. Ein schrilles,lautes Zirpen tönte von den Zweigen, unaufhörlich vibrierte es durch die Luft, und jedesmal, wenn ich später die japanische Riesengrille ihr Lied anstimmen hörte. sah ich den Daibutsu von Kamakura vor mir.
Der Tempel der Gottin der Barmherzigkeit, Kwanon, ist ganz in der Nähe. Rechts und links in der Tempelhalle sitzen zwei gräßliche rote Götterbilder. Nio genannt,suo.
[10]Reise einer Schweizerin um die Welt.über und über mit Papierkügelchen beworfen.zu meinem Erstaunen spuckten einige Beter ebensolche Papierchen dem Nio ins Gesicht oder wo's gerade hintraf. Sie enthalten Wünsche und Bitten, bleibt das Kügelchen am Gotte haften, so zieht der Beter vergnügt von dannen, ist er doch sicher, daß der Nio ihn erhören wird.dinten in einer dunkeln Nische erhebt sich Kwanon golden, riesengroß. Ein Heiligenschein umstrahlt sie, wie Maria, die dimmelskönigin. Mit dämmrigem CLichte beleuchten zwei an Seilen emporgezogene Caternen die Gnadengsttin, die im flackernden Scheine immer höher aus dem Dunkel herauszuwachsen scheint. Und groß ist auch das sHerz der Rwanon, denn als sie rein genug war, um in Nirwana, den Ort des seligen Vergessens, einzugehen, verschmähte sie es. Cieber wollte sie da weilen, wo das Slehen und Klagen der leidenden Menschheit an ihr Ohr dringen und sie ihnen eine hülfreiche Hand reichen konnte. Deshalb wird in schöner Symbolik Kwanon, die Göttin der Gnade und Barmherzigkeit, meist mit tausend Händen dargestellt.
Unfser Sührer drängte vorwärts. Bald eilten wir der Meeresküste entlang in ftattlichem Suge dem Dorfe Enoshima zu. Unsere JinrikishaBoys hatten sich in Anhetracht der Länge des Weges jeder einen «Pusher») zugelegt. Voran fuhr Pastor J. den die Boys seines stattlichen Körperbaues wegen schnell „Daibutsu“ tauften.Im Gänsemarsch folgten seine fünf Srauen, wie er uns scherzend nannte: Srau Pastor J. deren Sreundin Srl. G. eine Englanderin mit ihrer Cochter und ich. Mit borliebe laufen die Jinrikisha-BVoys hintereinander, was eine Unterhaltung beinahe unmoglich macht. Wir schrien uns zuweilen etwas zu, das regelmäßig im Tosen des Meeres, im Knirschen des Sandes unter den Rädern und dem Geschnatter der Bons ungehört verhallte. Die Boys erfreuen sich trefflicher Lungen und bringen es fertig, im Galopp zu laufen und dabei unaufhörlich miteinander zu plaudern.
Nichtsdestoweniger genossen wir unsere erste lange RikshaSahrt gründlich. Alles war neu, interessant: die niedlichen Kinder, die zierlich aufgeputzten Japanerinnen,die sauberen Dörfer mit ihren durchsichtigen Häusern, wo man direkt ins „Herz“der Samilie Cinblick hat. O, solch ein erster Tag in Japan ist wie ein Märchen,das man immer festhalten möchte, besonders dann auch, wenn man zuweilen die weniger sonnigen Seiten von Land und Leuten kennen zu lernen Gelegenheit hat.
Allzu schnell erreichten wir das Sischerdorf Kashigae. Nackte Kinder sonnten sich am Strande, oder sie liefen abwechfelnd im selben paradiesischen Kostüm durch die
1) Mann, der den Wagen stößt.[]Daibutsu in Kamakura. (S. 109.)
[2]Reise einer Schweizerin um die Welt.engen Dorfstraßen, unsere Ankunft im ersten „Teahouse“ mit lautem Gebrülle anmeldend. Nachdem wir den ersten „cha“) genossen, blieben unsere „Wagenpferde“zurück, und wir wateten im tiefen Sande einer wackligen Holzbrücke zu, welche das Selfeneiland Cnoshima zur Slutzeit mit dem Sestlande verbindet.
Es war schon spät, die Brucke endlos lang, und so ging's im Trabe an Muschelbuden jeder Art vorbei, eine steile Straße empor zu einem in Bäumen versteckten feierlich poetischen hölzernen Bogen, einer Torii, die immer in Japan gleichsam die Vorbereitung, der Aüter jedes ShintoCempels zu sein pflegt.
Die Sonne nahte ihrem Untergange zum erstenmal für uns in Japan. Schon legte sich Dämmerung auf die schöne Meeresbucht, die durch das Grün der Matsu blau zu uns emporschimmerte, und als wir nach langer Sahrt ins Grand Hotel in Yokohama zurückkehrten, lag tiefe Nacht über der Erde.
Yokohama ist die am meisten europäische Stadt Japans, aber für den Ankömmling bildet sie doch einen Quell des Staunens und Interesses. Immer wieder ließ ich mich durch die Stadt fahren, oder wanderte auf dem Bluff, dem waldigen sdügel bei Yokohama herum, wo alle Europäer ihre Villen haben; dort freute ich mich an dem Leben und Treiben, den schönen Blumen und Bäumen, den großen Schmetterlingen und dem melodischen Sirpen der Grillen, dieser japanischen Nachtigallen.
Seit dem Jahre 1859 ist Yokohama vVertragshafen und Sremdemiederlassung und besteht aus dem europäischen Settlement, Chinesenviertel und Japanerstadt. Ein Kanal umzieht die europäische Niederlassung, die hübsche, wenig charakteristische Straßen und der Bund, ein schöner, breiter Kai, schmücken. Yokohama bildet neben Kobe und Nagasaki den bedeutendsten Hafen Japans.
Das von einem Deutschen geführte Grand Hotel ist das beste im Lande. Man würde sich in einem europaischen Gasthofe ersten Ranges wähnen,wenn nicht die chinesischen Wäscher und Schneider wären. Beiden kann man so wenig entgehen wie seinem Schicksal, sind sie doch notwendige Übel. Der „Sendakuya“ malträtiert die Wäsche um den billigen Preis von vier mexikanischen Dollar (10 Sranken) das Hundert, wobei ein ganzes Aleid dasselbe kostet wie ein Kragen.
Die Schneider überfluten mit ihren Reklamen nach amerikanischem Vorbilde den neuen Ankömmling im Lande der auf
Tee.
Landliche Wohnung.[]Torii und Dorf Enoshima. (5. 42.) [] Die ersten Eindrücke im Cande der aufgehenden Sonne.
113 gehenden Sonne. Beim Verkafsen des Schiffes schon drückten sie mir mit höflicher Verbeugung ihre „Sirmen“ in die Hand, warfen sie in die Riksha, und kaum stand ich im Hotelzimmer, so klopfte es. Ein langzöpfiger,schlitzaäugiger „Outfitter“, wie sich die Kleiderkünstler im fernen Osten nennen, erschien auf der Türschwelle, vorsichtig sich umschauend,ob nicht schon ein Kollege ihm den Rang abgelaufen. Befriedigt ließ er einen Wortschwall los, der an Länge nur noch durch seine Musterkarte übertroffen wurde. Etwas später klopfte es wieder. Ein zweiter Schneider! Wie zwei wütende Kampfhähne musterten sich die beiden edeln Sunftgenossen.No good, me sabe Ech weiß, der taugt nichts), murmelten die schmalen Lippen des ersten, und leisen Schrittes räumte der zweite das Seld.
Ihren europaischen Kollegen und Kolleginnen möchte ich die chinesischen Schneider insofern zum Vorbilde hinstellen, als sie stets Wort halten, sehr billig arbeiten und fich genau den Wünschen des Kunden fügen. Gibt man ein Kleid als Muster und fagt dabei: „Ganz so gemacht will ich's haben“, so ist man sicher, eine treue Kopie zu erhalten, so treu, daß es einmal einer Bekannten pafsierte, den gestopften Riß im alten Kleide im neuen tadellos nachgeahmt vorzufinden. Auch eine Überraschung!
Ceider reisten meine Sreunde J. nach zwei Tagen mit der „Amerika Maru“weiter nach Nagasaki, und ich wandte mich Nikko, der Perle Japans, zu.
„Hast du Nikko nicht gesehen,So darfst du nicht von „prächtig“ sprechen!“
So sagt ein in ganz Japan bekanntes Sprichwort, und diesmal spricht es Wahrheit.
Ja, ein Sauberland ist jenes, etwa hundert Kilometer noördlich von Tokio gelegene Bergrevier, wo Bäche rauschen und Wasserfälle tosen, wo stille, blaue Seen.von schönen, waldumkränzten Bergen eingefaßt, gleich kostbaren Saphiren leuchten,und hundertjährige Waldriesen ihr grünes Dach über Tempel und Gräber wölben.
Es war einmal in den nNikkobergen ..., so sollen viele japanische Märchen beginnen. Auch die Geschichte Japans wird sich unter den schattigen Kryptomerien gut erzäͤhlen lassen, klingen doch ihr Anfang und noch mehr die Veränderungen, welche die letzten fünfundvierzig Jahre dem Reiche des Mikado gebracht, wie ein Märchen.
Also. es waren einmal unsere Geschichte reicht schon in die Seit vor der Schöpfung sieben himmlische Gottheiten, welche die Regierung über Himmel und Erde führten. Der siebente dieser Götter, IsanaginoMikoto mit Namen, ehelichte die Göttin IsanaminoMikoto, mit der er viele Kinder zeugte, welche als die eigentlichen
C. von Rodt, Reise um die Wwelt.
A
[94]Reise einer Schweizerin um die Welt.Schöpfer des japanischen Reiches angesehen werden müssen. Der Gott sagte zu seiner Srau: „Es muß irgendwo ein festes Cand geben, laß uns dieses fuchen.“Nun warf er ein mit Edelsteinen verziertes Schwert in die Luft, an dem sich Wassertropfen absetzten. So bildete sich der erste feste Punkt im Weltenraum, eine Insel, die den Namen „von fselbst zusammengeströmt“ (Ono-Korosima) erhielt. Dort ließ der Gott mit seinem Weibe sich nieder, und um das Eiland herum entstanden allmählich die übrigen Inseln. Nachdem diese geschaffen, berief Isanagi acht Millionen Menschen dorthin; die Krone setzte er seinem Werke durch die Schöpfung der Pflanzenwelt auf.Der Anteil, den seine Srau an der Schöpfung nahm, bestand in der ßervorbringung des Seuergottes, der Vulkane und der Wassergötter; auch schuf sie das fruchtbare Erdreich. Nachdem die beiden ihr Werk angeschaut, und gesehen, daß es gut war,setzten sie noch die Sonne an den Himmel, als höchste Macht über alles Geschaffene.
Seit uralten Seiten ist diese Schspfungslegende unter dem japanischen Volke verbreitet.
Auf Isanagi und seine Srau folgten fünf irdische Götter, mit deren Absterben das Reich eine dritte Periode begann. Es wurde nun von Menschen regiert, und damit beginnt die eigentliche Geschichte des Landes.
Die Vorfahren der Bewohner des heutigen Japan sind vermutlich vom Süden hergekommene Mongolenstämme gewesen, die sich anfangs mit den Ureinwohnern,den Ainos, vermischten, diese später aber nach Norden verdrängten.
Nippon nannten sie ihr neues Reich, und Nippon oder Nihon entspricht den Worten: nitsu Sonne und hon Ursprung. Also Ursprung oder Aufgang der Sonne.Von Amaterasu, der Sonnengöttin, leitet der Mikado seinen Stammbaum ab, deshalb wurde ihm bis NMitte des letzten Jahrhunderts eine fast göttliche Verehrung zu teil. Japans Kaiserhaus weist schon ein Alter von 2600 Jahren, ist also die älteste Dynastie auf der Welt.
Jimmu Tenno (660-685 v. Chr.) ist der erste authentische Kaiser von Japan.„Cenno“ heißt „König des Himmels“, und heute noch wird der Mikado vom volke so genannt.
Bei Hhokohama.[]Die ersten Eindrüche im Cande der aufgehenden Sonne. 115 Anfang des dritten Jahrhunderts wurde durch die Kaiserin JinguKogo Korea erobert, und dieses Ereignis war insofern von großer Wichtigkeit, als dadurch mit China eine Verbindung geschaffen und mit den nach Japan verpflanzten Koreanern chinesische Sivilisation, Seremoniell, Citeratur und Kunst ins CLand kamen. Vvor allem hielt auch der Buddhismus seinen Cinzug in Japan, und bald entbrannte ein erbitlerter Kampf zwischen dem neuen Glauben und dem althergebrachten Shintoismus.Erst Ende des achten Jahrhunderts wurde dieser dadurch geschlichtet, daß man die Heldengestalten der Shinto für Verkörperungen des Buddha erklärte.
Inzwischen war die Person des Mikado immer mehr von seinem Volke abgeschlossen worden und dabei seine Macht so gesunken, daß er nur noch nominell herrschte,während einige vornehme Samilien nach und nach die Herrschaft an sich gerissen hatten und Japan regierten. Dabei lagen sie in steter Seindschaft miteinander und machten während fünf Jahrhunderten das CLand zum Schauplatz blutiger Kämpfe.
Um diesem Sustand ein Ende zu bereiten, ernannte der Mikado einen Sproß des mächtigen alten Geschlechtes der Minamoto, Noritomo, zum Krongeneral oder Shogun und stattete ihn mit unbeschränkter Vollmacht aus. Horitomo nutzte die ihm übertragene Gewalt zu seinem persönlichen Vorteile aus. Sein Einfluß wuchs immer mehr und wurde schließlich so groß, daß er, der erste Vasall des Kaisers, in Wirklichkeit der Herrscher wurde. Er wußte es so einzurichten, daß der Titel und die Würde eines Shogun auf seine Nachkommenschaft vererbt wurde. Im Jahre 1199 starb er zu Kamakura, nachdem er die letzten zehn Jahre seines Lebens dazu verwandt, dem Reiche Srieden und geordnete Verhältnisse zu verschaffen.
Seine Nachfolger, die Shogune, beherrschten von jetzt an von stamakura aus das Cand, während der zum geistlichen Herrscher erklärte Mikado in Kioto residierte.
Nippon hatte von nun an zwei Regenten, den Mikado als Papst, den Shogun als Kaiser. Der Mikado lebte frei von allen Regierungsgeschäften. Su heilig, um mit anderen Sterblichen in Berührung zu kommen, zu heilig, um mit seinen Sußen die Erde zu berühren, erteilte er seine seltenen Audienzen hinter einem Vorhange und wurde auf Menschenschultern überallhin getragen. Außer seinen Srauen und höchsten Ministern sah nie ein Untertan die geheiligte Person des Mikado.
Dr. Kämpfer, ein deutscher Arzt in holländischen Diensten, der im 17. Jahrhundert nach Japan kam, sagte von ihm: „Es wird allen Teilen seines Leibes eine solche szeiligkeit zugeschrieben, daß er weder sein Haar, noch seinen Bart, noch feine Nägel sich jemals abzuschneiden erkühnt. Dem ungeachtet, damit diese Dinge nicht so schändlich und unanständig wachsen, schneidet man dieselben des Nachts ab, da er im Schlafe ist; denn so sagen die Japaner, was um diese Seit von seinem Leibe genommen wird, sei ihm gestohlen, und ein solcher Diebstahl sei seiner Würde und Heiligkeit nicht nachteilig.“
Aber auch die herrschaft der Shogune war allmählich in Verfall gekommen, und wiederum verheerten Bürgerkriege das Land.
Da trat ein Mann auf, den Japan seinen größten Seldherrn und Herrscher nennt:
Ineyasu (1542 1616), ein Sproß der alten Samilie Tokugawa. Als Erster erlangte er die Shogunwürde und vererbte sie auf eine lange Reihe von Nachfolgern.
[16]Reise einer Schweizerin um die Welt.von 16601868 blieb der Samilie Tokugawa der Shoguntitel und die damit verbundene Macht und Gewalt, Iyeyasu und seine Nachfolger sicherten dem Lande eine lange Reihe von Sriedensjahren, trieben aber dabei das Seudalwesen auf den Gipfelpunkt, und der verkehr mit dem Auslande, der in den letzten Jahrhunderten ein zienilich reger gewesen, wurde abgebrochen und nur auf die in Nagasaki lebenden solländer und Chinesen beschränkt.
Einkünfte und Macht des Mikado fanken immer mehr, ebenso die Ansprüche seines sßofadels, der Kuge. Diese Kuge waren vornehmer als der Shogun selber.In ihren Adern wallte Mikadoblut, und sie hatten das vorrecht, aus ihren Samilien dem Mikado die rechtmäßige Chegattin und feine zwölf Nebenfrauen zu liefern. Die suge wohnten neben dem Palaste des Kaisers in Kioto.
Ihnen gegenüber standen die Seudalherren, die Daimio, deren Lehnsherr der Shogun und deren Gefolge die Samurai (erbliche Soldaten) waren. Jeder Daimio besaß sein kleines mit Soldaten und Ministern bevoölkertes Seudalreich. Der Shogun aber war ßserr über Leben und Tod der 266 Daimio.
Schon 1605 dankte Iyeyasu zu gunsten seines Sohnes ab, zog fich nach Shizuoka zurück und lebte der Kunst und den wissenschaften. Es war das Seitalter der Renaissance für Japan.
So blieben die Zustände in Nippon bis zum Jahre 1854. Im tiefster Abgeschlossenheit von der übrigen Welt war die Seit vergangen. Auf den tatkräftigen Iyeyasu und seinen Enkel waren schwache, untüchtige Menschen gefolgt.Die Kuge fingen an, sich aufzurichten und den Mikado zu unterstützen, in der soffnung, daß durch ihn auch sie wieder zu Macht und Ansehen gelangen würden.Im Jahre 1854 traf der amerikanische Commodore Perry mit einer Slotte vor Yokohama ein. Seinem klugen, taktvollen Benehmen war es namentlich zu verdanken,daß allmählich die Schranken fielen, die das Wunderland Japan gegen alle übrigen Länder aufgestellt hatte.
Dies insbesondere gab dem Shogunat den Todesstreich. Es fiel und mit ihm der ganze Bau mittelalterlicher Institutionen, der Japan so lange im Banne gehalten hatte. Der Mikado wurde wieder in alle Rechte eingesetzt, die seine Vorfahren vor uralten Seiten besessen. Er hat freilich seine Heiligkeit insoweit eingebüßt, daß das gesamte Volk sein Antlitz jetzt schauen darf. Im Jahre 18609/1870 wurden Handelsverträge abgeschlossen und verschiedene Häfen eröffnet, auch die Daimios ließen sich überreden, ihr Land samt Einkünften, Regierungs- und Gerichtsgerechtsamen dem Staate freiwillig zurückzugeben. Serner wurde eine von europaischen Instruktoren gedrillte Armee von 60,000 Mann errichtet. Der Staat konfiszierte den großen Reichtum der Buddhistischen Kirche und wies diese auf milde Gaben und Beiträge an.
Von überallher wurden Ingenieure und Lehrer berufen, und europäischeamerikanische Sitten, Gebräuche und Cinrichtungen beherrschten bald das Cand. Ja, so groß ist jetzt die Sucht nach Heuerung und Sivilisation, daß es den Sreunden und verehrern des alten, originellen Japan weh ums Herz wird.[]Die ersten Eindrücke im Cande der aufgehenden Sonne.
117 Seit 1889 hat das Land seine Konstitution nach Vorbild der preußischen und seinen Landtag. Im JZahre 1890 ist Japan als gleichberechtigter Staat in den Kreis der zivilisierten Nationen des Westens eingetreten. Japan, das CLand „der aufgehenden Sonne“ oder, wie es sich gerne nennen läßt,das Cand „der aufgegangenen Sonne“, hat in einem Seitraum von fünfundvierzig Jahren eine Entwicklung genommen, wie sie in der Kulturgeschichte aller Seiten beispiellos dasteht.
Japan besitzt jetzt seine Eisenbahnen,
Post, Celegraph, CTelephon, elektrisches Licht und elektrischen Betrieb, Straßenbahnen,eine vortreffliche Marine, ein wohldiszipliniertes Heer.
Europa, das stolz war, dem jüngsten Kulturstaate Mentoren und Ratschläge in jeder Gestalt zu liefern, fängt an, das Pflegekind etwas zu selbständig geworden zu finden. „Der Mohr hat seine Schuldigkeit getan, der Mohr kann gehen“, heißt's auch hier. Japan hat den Sremden abgelernt, was es zu lernen wünschte, nun braucht es fie nicht mehr. Immer weniger wird vom Auslande bezogen, immer mehr im Lande produziert, fabriziert und ausgeführt. Dies verstimmt, aber mit Unrecht, denn jedes Cand würde es im selben Salle ebenso machen, und Japan besitzt alle Bedingungen zur Unabhängigkeit: vortreffliche Cransportmittel zu Wasser und zu Lande, große Abfatzgebiete in der Nähe, äußerst billige Arbeitskräfte und eine Menge wertvoller Produkte. Unter diesen sind vor allem Reis, Kohle, Kupfer, Sucker, Tee, Kampfer,Seide, Baumwolle, Bambus, Petroleum zu nennen.
Japan hat, einschließlich Sormosa, eine Bevölkerung von 45 Millionen. Man rechnet ungefähr 108 Einwohner auf einen Quadratkilometer, ein Verhältnis, das nur von wenigen Staaten übertroffen wird.
Die ersten Nachrichten, die man in Europa über DNapan erhielt, brachte der Venetianer Marco Polo 1295 von seinen langen Reisen in Asien mit. Er erzählte von einem Lande östlich von China, das er nicht selbst gesehen habe, von dem er aber wisse, daß die Chinesen viel mit ihm handelten und Gold, Perlen und Gewürze von dort holten. Das Land bestehe aus einer großen Insel, Sipanqu genannt, erzählte er weiter, und einer Menge kleinerer, und sein Reichtum sei ein so unermeßlicher, daß der staiser in einem mit Goldplatten gedeckten Palaste wohne.
Diese Erzählung Marco Polos nahm nicht nur den Sinn seiner Seitgenossen gefangen, sie erhielt sich vielmehr im Gedächtnis der Menschen zwei Jahrhunderte lang.
Um den westlichen Weg zu diesem Märchenlande und seinen 7456 Gewürzinseln
[18]Reise einer Schweizerin um die Welt.aufzufinden, lief Christoph Kolumbus am 3. August 1492 von Palas aus, allein das an „Pfeffer und Gold reiche“ Sipangu sollte er nicht finden.
Erst siebenunddreißig Jahre nach dem Tode des großen Entdeckers gelangten die ersten Curopäer nach Japan, indem widrige Winde ein portugiesisches Schiff an die bis dahin unbekannte Küste der Insel Kiusu verschlugen. Den Japanern war dieses Ereignis ein so merkwürdiges und das Außere der Sremden ein so auffallendes,daß sie beide durch Schrift und Bild verewigten. Während letzteres anscheinend verloren ging, ist der Bericht in den japanischen Jahresbüchern erhalten geblieben, sogar die Namen der Portugiesen sind in verstümmelter Sorm darin wiedergegeben.
Graue Wolken hingen drohend am Himmel, als ich auf der Station Nikko das JinrikishaWägelchen bestieg, das mich nach dem NikkoBotel hinaufbringen sollte.Eine lange, teilweise steile Strecke! Sie führt durch herrliche Baumalleen, durch eine lange, mit Kaufläden dicht besetzte Dorfstraße, weiter über den rauschenden Dayagawasluß und endet am Suße des Tempelberges. Swei Brücken führen über den breiten Strom, eine für gewöhnliche Sterbliche bestimmte, die andere, Mi Hashi genannt,heilige, einst für die Shogune erbaut, jetzt nur dem Mikado geöoffnet. Ihre leuchtend rote Sarbe sticht schön ab von dem tiefen Grün der Landschaft. Der tosende, weißgrüne, steinige Daya-ga-wa, die hohen, kühn emporstrebenden Berge, die dunkeln,schönen Wälder versetzten mich in die Heimat, ohne Ninrikisha wäre die Täuschung eine vollstäändige gewesen.
Im Nikkosdotel fand ich die erste Nacht kein Simmer, ich mußte in einem japanischen Nebenhause schlafen. Der Alte, der mich empfing, warf sich nahezu lach vor mir auf die Erde hin. Seremoniell und Tiefe einer japanischen Verbeugung müssen gesehen werden, eine Beschreibung klingt unglaublich. Jedenfalls bedarf es dazu einer außergewöhnlichen Gliedergelenkigkeit, die ich auch sonst stets zu bewundern
Gelegenheit hatte.Männer und Srauen ruhen oft stundenlang aus, indem sie ohne Sitzgelegenheit einfach niederkauern und ihr ganzes Körpergewicht durch die Sußspitzen tragen lassen.Mein Simmer hatte zwar keine japanischen Schiebwaände, fogenannte Smudsuma, aber sie waren doch so dünn,daß ich zur Rechten
MihashiBrücke in Nikko.[]NJomeimon-CTor. Shinto-Tempel in Nikko. (5. 119.) [] Die ersten Cindrücke im Cande der aufgehenden Sonne.
119 unwillkürlich die verworrenen Phantasien eines fieberkranken, jungen Amerikaners belauschen und zur Linken das ßerumrascheln der Mäuse und noch mehr der kleinen Nesans) hören konnte. Dazwischen klopfte der Alte beinahe ununterbrochen sein Pfeifchen aus, denn die Japaner sind schlechte Schläfer und pflegen einen Teil der Nacht mit Rauchen, Teetrinken und sderumlaufen zuzubringen.
Nikkos Ruhm sind seine schone Umgebung und die Tempel. Weit entfernt von der hehren Pracht eines griechischen Cempels oder eines gotischen Domes, sehen wir hier eine Anzahl zierlicher Holzhäuser mit phantastisch geschweiften Dächern, wo Sarbenpracht und Holzschnitzerei wahre Triumphe der Kunst feiern. Eine köstliche Safsung dieser Kleinodien bilden die Jahrhunderte alten Kryptomerien, und die moosigen,tiefgrünen Wiesengründe, sie verleihen ihnen eine feierlich poetische Weihe, einen unbeschreiblichen SZauber, der mich immer wieder dorthin zog.
Es sind sogenannte ShintoCempel, der Religion geweiht, die neben der später eingeführten buddhistischen in Japan Hand in Hand geht, so daß sich beide oft verschmelzen. Der Shintoismus ist eine Mischung von Tatur- und Ahnenkultus. Er hat Wind, Wasser, Seuer, Berg, Sluß und Baumgötter und göttinnen. Unter diesen wird Amacterasu, die strahlende Sonnengöttin, am meisten verehrt.
Nikkos Tempel liegen an einem waldigen Bergeshang. Breite, von Kryptomerien beschattete Granitstufen führen zunächst zur steinernen Corii. Was ihr Ursprung, ihre Bedeutung, konnte mir niemand sagen. Es sind galgenförmige, hölzerne oder steinerne Bogen, die den Eingang zum Tempelbezirk bilden und überall, entweder einzeln oder zu mehreren, gefunden werden. Sur Linken steht mitten im Waldesgrün eine dunkelrote, fünfstöchkige Pagode. Sie ist zur Sierde, nicht zum Gebrauch, aufgestellt,ebensowenig wie die zahllosen bronzenen und steinernen CLaternen am Wege. Eine zweite Treppenflucht führt zu einem Core, Niomon genannt, das mit künstlerisch geschnitzten Tieren: Capier, Elefanten, Lswen und Tigern, mit Päonien und Bambus überreich geschmückt ist. Unter den drei Gebäuden, welche hinter dem Core stehen, nimmt der Stall für das weiße, den Göttern geweihte Pony den ersten Rang ein. Weit berühmt sind die geschnitzten Affen, die den Sries über der Eingangstüre bilden.Von diesem Affentrio verstopft sich der eine die Ohren, der. zweite die Augen, der dritte den Mund, was symbolisch ausdrücken soll, daß sie Übles weder hören, noch sehen, noch sprechen wollen.
Die Glocken haben, ähnlich dem italienischen Campanile, ihr besonderes Haus.
1) Dienerinnen.
Pagode in Niktko.
[20]Reise einer Schweizerin um die Welt.Sie hängen nur wenige Suß über der Erde und werden mittelst eines schwebenden ßBolzbalkens angeschlagen. Ihr Klang ist meist voll und rein,und nur in vereinzelten unregelmäßigen Cönen durchzittert er zuweilen die Luft.DD gaben fehlt es nicht, auch ein besonderes Bühnenhaus zur Aufführung des alten Kaguratanzes ist da. Als ich vorbeiging, winkte mir die Tempelpriesterin, und nachdem ich meinen Obolus auf die Strohmatte zu ihren Süßen gelegt, erhob sie sich, verneigte sich anmutig und begann ihre Pantomime. Sie trug eine lose weiße Jacke und einen roten Rock, in der einen Hand hielt sie den Sächer,in der andern bunte Bänder und eine Art Glockenspiel. Jung war sie nicht, aber sympathisch und graziös. Sachte schwang sie den Sächer hin und her und hielt abwechselnd das Glockenspiel, das sie zuweilen leise schüttelte, gegen die Stirne. Diese einfachen Bewegungen wurden unendlich würdig und dabei anmutig ausgeführt. Sum Schluß eine tiefe Verbeugung, ein Berühren der Erde mit der Stirn, und das Schauspiel war zu Ende. Kagura-Priesterinnen und Shinto-Priester sind an kein Gelübde gebunden, sie können ihr Amt aufgeben oder sich verheiraten, wann immer es ihnen paßt. Der Dienst besteht bei ersteren im vorerwähnten Tanze, bei letzteren in Darbringung von Opfergaben und kurzen Gebeten.
Die Haupttempel flimmern in Gold und Sarben, auf den kassettierten Decken strahlen goldene Drachen, die Wandbekleidungen erglänzen in Blumensträußen.Herrlich eingelegte Türen und prächtige Säulen entzücken das Auge. Immer weiter hinauf ziehen sich die moosigen Granitstufen, immer neue Core, Schreine, Tempelchen erscheinen, und riesige Kryptomerien breiten ihren mächtigen Schatten über das Ganze.
Ceise flüstert es in ihren Wipfeln. Erzählen sie sich wohl von Japans berühmtestem Manne, dem großen Shogun Iyeyasu, der hier seine letzte Ruhestätte gefunden? Im Jahre 1610 fand dem Wunsche des Verstorbenen gemäß in Nikko seine feierliche Beisetzung statt. Von der Seit an erst stammt Nikkos Ruhm als Wallfahrtsort. Wurde doch der große Shogun unter dem Namen Gongen sama zu den Göttern erhoben, und göttliche Verehrung erwies ihm auch der Mikado. Alljährlich einmal schickte er einen Abgesandten, den vornehmsten, den er hatte, nach Nikko, um dem neuen Gotte zu opfern. J
Als ich nachmittags zur roten heiligen Brücke gehen wollte, fand ich unterwegs beim offentlichen Park eine große Volksmenge. Der Kronprinz und die Kronprinzessin wurden erwartet, da sie ihre Anwesenheit bei einem Foot-ball mateh zugesagt. Während des langen Harrens betrachtete ich mir das Volk, das sich hier
Treppe zu den oberen Tempeln in Lilko.[]Frühe Mutterpflichten. (S. 121.) [] Die ersten Eindrücke im CLande der aufgehenden Sonne. 121 viel urwüchsiger und liebenswürdiger gibt als in dem europäisierten Yokohama.Die alten Srauen haben noch geschwärzte Sähne und abrasierte Augenbrauen, ein nach unsern Begriffen fragwürdiges Opfer, das sie bei der Verheiratung ihrem sderrn und Gebieter bringen. Sie wünschen, ihm damit zu beweisen, daß sie künftig keinem andern Manne zu gefallen trachten werden. Die jungen Japanerinnen, obschon noch immer die fanftesten, gehorsamsten Chefrauen der Welt, scheinen diese Sitte allmählich ablegen zu wollen.
Allerliebst sind die Kinder, appetitlich, zierlich, hübsch gekleidet, gehorfam, artig!staum geboren, wird das Kleine auf den Rücken der Mutter oder eines der älteren Geschwister gebunden, und von dem Tage an scheinen die beiden zusammengewachsen zu sein. Von früh bis spät reitet das Kindchen sein geduldiges zweibeiniges Pferd,es teilt seine Arbeit, sein Spiel, seine Sreuden und Leiden, und zwar so lange, bis es selber im stande ist, eine jüngere Nummer herumzuschleppen. Jedenfalls bildet dieses beständig Aneinandergebundensein ein sehr festes Band zwischen Mutter und stind, zwischen Bruder und Schwester.
Aber auch sonst ist Japan das Cand der kindlichen Pietät, und das ist wohl eine der liebenswürdigsten Eigenschaften dieses Volkes. Die Lehre des Confucius: „Du sollst deinen Vater und deine Mutter ehren“, die wörtlich mit dem Gebote Moses übereinstimmt, wird dem Kinde in frühester Jugend ans Herz gelegt, und ein Buch mit Erzählungen aufopfernder Kindesliebe bildet seine erste Lektüre. Wenn ein Kind herangewachsen ist, versteht es sich ganz von selber, daß es seine Eltern erhält, ehrt und auf ßsänden trägt.
Die Kinder werden ihrerseits von den Eltern mit der zärtlichsten Liebe groß-gezogen und bewacht. Strafe und Schelte kommen selten vor. Lügt ein Kind, so sagt
Tor bei den Tempeln von Nikko.
[22]Reise einer Schweizerin um die Welt.
Spielende Mädchen.man ihm, der Oni, ein roter Ceufel, werde kommen und ihm die SZunge ausreißen.Aber auch der Papa ist nicht frei von Geisterfurcht. Herrscht eine epidemische Kinderkrankheit im Dorfe, so pflegt er, an die Türe zu schreiben: „Lieber Geist,bemühe dich nicht vergeblich, meine Kinder sind nicht zu Hause.“
Dem Knaben wird weit größere Sreiheit gestattet als dem Mädchen, das schon frühzeitig lernen muß, den anderen Menschen das Leben angenehm und behaglich zu machen. Es darf keinen eigenen Willen haben, nicht schmollen und grollen.Dafür ist es bei seiner Geburt den Eltern ebenso willkommen und erwünscht wie ein Knabe, vorausgesetzt, daß es noch Brüder hat, und meist wird es der Liebling des ganzen Hauses.
Im ganzen sind die japanischen Kinder gesund und kräftig, und die Sterblichkeit ist unter ihnen weniger groß als in Europa. Das viele „Reiten“ auf Mutters und Geschwisters Rücken und tägliche heiße Bäder scheinen den Babies gut zu bekommen.
Es war ein langes Warten. Ich hatte mich auf einen Erdwall gestellt. Sofort bedeutete mir ein Polizist, mich hinunter zu begeben, durfte doch unter keinen Umständen der Sohn des Mikado an Länge überragt und auf ihn heruntergesehen werden. Im Gegenteil, jeder muß das Haupt ganz tief geneigt halten, wenn ein Glied des kaiserlichen Hauses vorübergeht. Dieses sollte heute nicht geschehen. Der erwartete Kronprinz blieb aus, dafür kam ein unerwarteter sündflutartiger Regen, der uns alle auseinandertrieb. Zauberschnell offneten sich Tausende von großen gelben ölpapierenen Regenschirmen,mit den für mich hieroglyphischen schwarzen Namenszügen der Besitzer bezeichnet.Die Jinrikisha-Boys zogen ihre Mino, aus Binsenstroh geflochtene Regenmäntelchen,hervor oder legten sich ein großes Stück olpapier um die Schultern, und Männlein und Weiblein banden stelzenartige Brettchen unter die Sandalen.[]ChuzenjiiSee. (5. 125.)
[24]Reise einer Schweizerin um die Welt.Cin reizender Spaziergang ist nach Gammangafuchi. Mit soülfe eines Planes boon Nikko war ich bald in einem schmalen, von grünen, schön gezackten Bergen eingeschlossenen Tale. Bläulichweiß braust der wilde Bergfluß uüber die Steine, von welchen ein maächtiger Block das Sanskritwort HBammam trägt. Kleine Brücken sind darüber geworfen, die zu leichten luftigen Teehäufern führen. Liebliche Blumen blühen am Rande des Wafsers, und verwiiterte bemooste Steinbilder lehnen fich in langer Reihe an den Suß des Berges. Sie stellen alle den Amida, einen mit dem Daibutsu identischen Gott, dar, und so groß ist ihre Sahl, daß, wie die Sage geht,niemand sie jemals zählen konnte. Ich habe es nicht versucht. Mir genügte die wunderbare Gesamtwirkung dieser stillen Götterversammlung.
Gegenüber dem Gammangafuchi, am rechten Ufer des Dai yagawaSlusses,ist der zierliche DainichidoGarten, der CTypus eines echt japanischen Gartens mit Bruüͤckchen, kleinen Ceichen, Pagödchen, Teehäusern, verschnittenen Hecken und herrlichen Bäumchen. Alles niedlich und anmutig. Allerliebst sind auch die kleinen, Cee kredenzenden Nesans. An den Garten stößt ein Sriedhof, und graue, verwitterte, bemooste Steine in allen Sormen bezeichnen die Stätte, wo unter dem Rauschen des slusses und dem Geplauder der Nesans entschlafene Japaner Nirwana entgegenharren.
Nikkos schönster Ausflug führt hinauf nach dem ChuzenjiSee und den heißen Quellen von Yumoto. Da die Steigung eine bedeutende ist der See liegt ungefähr 1400 Meter über Meer hatte ich diesmal drei Jinrikisha-Boys mitgenommen. Der eine schob den Wagen, die beiden andern liefen Candem, wobei der Vordermann wie ein ausgelassenes Pony den Kopf mit dem riesigen Pilzhute hin und herwiegte. Vorerst ging's am DainichidoGarten vorbei dem braufenden Slusse entlang, dann bogen wir in einen steilen Pfad ein, begrenzt von hohen Azaleenbüschen, die leider jetzt nicht blüͤhten.
Ich war nicht allein. Ein Amerikaner aus Philadelphia hatte sich zu diesem Ausflug mir angeschlossen. Unsere Boys schwitzten, denn immer steiler wurde der Weg. Plotzlich standen sie still: „Ceahouse!“ So weit reichen ihre Kenntnisse der englischen Sprache, und an einem ländlichen Teehaufe geht kein japanischer Boy vorbei,ohne einzukehren. „Cha“ lautet das japanische Wort für Tee, „o cha“ nennt ihn der förmliche Japaner. Die Partikel „o“ bedeutet „ehrenwert“ und wird einer Menge Hauptwoörter vorgefetzt. Den Quantitäten nach zu schließen, in welchen der „o cha“ getrunken wird, muß er allerdings sehr „ehrenwert“ sein. Ich selber habe auch „Ehrenwertes“ in seinem Konfum geleistet. Einst kam ich bei einer fünfstündigen sußtour auf sechzehn TCassen, freilich diese sind klein und die Hitze war groß. Der Tee hat eine strohgelbe Sarbe und wird ohne Sucker und Milch genossen. Auf einzelnen Eisenbahnstrecken steht in den Waggons ein Tischchen mit Tassen und einem Kohlenbecken, auf welchem heißer Tee brodelt. Eine andere Eisenbahngesellschaft läßt von Zeit zu SZeit ihren Reifenden gratis Tee verabfolgen. Wo das nicht ist, kann man auf jeder Station ein niedliches Teekännchen mit Tasse und angebrühtem Cee für drei Sen 71/2 Centimes kaufen und jeweilen nach Bedarf wieder heißes Wasser aufgießen lassen.
Wir setzten uns auf die Strohmatten und ließen Tee und kleine, zierliche Süßigkeiten bringen, und das wiederholte sich noch drei oder viermal bis Chuzenji. Die []7*7*w **a
Japanerinnen. (5. 124.) [] Die ersten Cindrücke im Cande der aufgehenden Sonne.
125 Boys blieben stehen und die Japanerinnen kredenzten Tee, anders ging's nicht. Dabei stehen die Ceehäuschen gerade da, wo's am schönsten ist, wo Ausblicke ins Tal sich bieten und glänzende Wasserfälle hinunterrauschen.
Mittags lag der ChuzenjiSee vor uns.Die tiefblaue Sarbe seines Wassers, die schönen bergigen Ufer erinnerten lebhaft an einen unserer stillen Alpenseen. Einen sehr schönen Abschluß bildet die Ppramide des waldigen Pilgerberges Nantaizan.
Drohende Wolken hatten den bisher blauen Himmel umzogen. Das noch viel höher gelegene Yumoto mußten wir aufgeben,und um doch etwas zu sehen von der reizenden Gegend, brachen wir gleich nach Tische zu einem Spaziergang auf. An einem Tempel, an lauschigen Winkeln, Ahornalleen See entlang. Wir bemerkten es erst, wie dunkel der Himmel geworden, als ein wolkenbruchartiger Regen auf uns niederströmte. Bald war die Straße in einen See verwandelt. Der Regenschirm hielt nicht mehr den Wassersegen ab, der Regen lief stromweise an mir herunter, und meine Schuhe hatten sich mit Wasser gefüllt. Erst nach zehn Minuten gelangten wir zu einem einfachen Hause. Es schien ganz verlassen,war aber zu unserem Glüͤcke nach japanischer Art unverschlossen. CEine schöne Vase mit einem frischen, rötlichen Ahornzweig, einige Kissen, eine Samise ) und ein Lacktischchen zeigten, daß das Haus bewohnt war. In beneidenswerter Bedüurfnislofigkeit plagt sich der Japaner mit keinen anderen Mobelanschaffungen.
Bis auf die Knochen naß, kamen wir nach Chuzenji zurück, krochen sofort in unsere Jinrikishas, und durch Bäche und Schlamm wateten unsere Boys zu Tale.Erst nachdem sie uns glücklich im Nikkosgotel abgeliefert, schien wieder die Sonne zu spät für uns!
Ceider hat Nikko, was häufiges Regenwetter anbetrifft, einen ebenso schlechten Ruf wie Salzburg. Darauf bauen die zahlreichen Holzschnitzerei Photographien und Pelzhaändler. Gar mancher macht Einkäufe aus Langeweile und kehrt, wie ich, mit Otter- Biber- und Affenfellen beladen zurück, nur weil der Regen zur rechten Zeit nicht nachließ.
In den Bergen Rikkos.
) Gitarrenähnliches Musikinstrument.[126]
Reise einer Schweizerin um die Welt.
Das moderne Japan.berlegenheit auf dem Bahnhof in Tokio. Geschichte Tolios. Seuersbrünste. Erdbeben. Die Befestigungs-mauern des alten Heddo. Der Mikado. Raiserin Paruko. Reformen am Pofe. Die siebenundvierzig Ronins. AsakusaTempel. Theater. Kisenbahnpublikum. Die Srauen in Japan. Nach Miyanojhita.Kiga. Dogashima. Die kleine Ehrysanthemum.
Wenn einmal mich Sprachunkenntnis und SsSührermangel in Verlegenheit setzen sollten, war's sicher der Sall bei der Ankunft in Tokio, der Hauptstadt Japans. Ein furchtbares Gewitter hatte unseren Zug um zwei Stunden verspätet, und als ich gegen Mitternacht auf dem Bahnhof endlich eintraf,umschwärmten mich nur gelbe Menschen, die gar nicht begreifen wollten, daß ich und mein Gepäck im Hotel Impérial einzukehren wünschten. Endlich erwischte ich einen RikshaBoy, und fort ging's bei Nacht und Nebel beinahe eine Stunde lang durch eine Stadt, die mir mit ihren einstöckigen Häͤusern mehr wie ein endloses Dorf vorkam. Dieser Eindruck von Tokio machte sich auch die folgenden Tage geltend, und doch ist es eine Stadt von beinahe zwei Millionen Cinwohnern. Sonderbar war mir dabei auch,daß ich oft den ganzen Cag herumfahren konnte,ohne mehr als drei oder vier Europäer anzutreffen.
Die Geschichte Jeddos, wie bis zum Jahre 1868 der Name TCokios lautete, beginnt erst 1690, als der Shogun Iyeyasu seine Residenz daselbst aufschlug. Bis dahin waren dort einige elende Dörfer in sumpfigem CLagunenlande gestanden. Kein glücklicher Stern scheint über der neuen Stadt gewaltet zu haben, denn immer wieder erzählen uns ihre Annalen von Epidemien, Seuersbrünsten und Erdbeben. Ein japanischer Ausspruch über Tokio lautet: „Das Seuer ist HYeddos Blume.“ nNicht weniger als fünfmal wurde die Stadt ein Raub der Slammen, zum letztenmal im Jahr 1845.wobei mehrere hundert Menschen ihr Leben verloren.
Daß die aus Papier und Holz gefügten japanischen Häuser leicht brennen, und das Seuer sich gewaltig ausdehnt, ist leicht verständlich. Bis 1888 verbrannten durchschnittlich in Cokio jaährlich 5500 Häuser. Seither sind ganze Straßen aus Backsteinen aufgeführt worden, und die Seuerwehr verbessert sich immer mehr.[]Tokio aus der Vogelperspektive. (5. 126.) [] Das moderne Japan.
Viel machtloser noch steht der Mensch den Erdbeben gegenüber, die sich oft, zuweilen täglich, in stärkeren oder schwächeren Stößen kund geben und als etwas Gewohntes den Japaner und Japanresidenten weiter nicht beunruhigen. Ich erinnere mich zweier, meiner Meinung nach heftiger Stöße,die mich und übrigens noch andere Sremde eiligst aus dem Speisesaal ins Sreie entweichen ließen, während die Eingeborenen ruhig lächelnd fitzen blieben.
Der Volksglaube schreibt die häufigen Erdbeben einem riesigen Sische zu, der unter der Insel Nippon hausfen soll.
Jedesmal, wenn er seinen Kopf, seine Slossen oder gar seinen langen Schwanz bewegt, erzittert die Erde. Um die Macht des Erdbebenfisches etwas zu vermindern,sitzt Gott Kashima auf ihm und belastet zudem seinen Rücken mit gewaltigen Selsblöcken.
Das größte Erdbeben, welches Tokio heimsuchte, war im Jahr 1856. Damals DD Opfer. Bedeutende Erderschütterungen fanden auch 1891 und 1894 statt.
Im September 1868 wurde der Name HYeddo in Cokio umgewandelt, und 1869,nach der Wiederherstellung der Mikadoherrschaft, Cokio zur Hauptstadt Japans gemacht, zugleich wurde die Stadt dem fremden Handel freigegeben.
Tokio befitzt jetzt moderne europaische Hochschulen, Kasernen, Arsenale, Hospitäler und Sabriken, so daß die herrliche alte Kunst und Eigenart, die zur Seit der Shogune so reiche Blüte hervorbrachte, sich schüchtern in den Schatten der Jahrhunderte alten Kryptomerien flüchten mußte.
Eins noch erinnert an die alte Seudalzeit Yeddos: die gewaltige Syklopenmauer,die ein stäͤrkeres Geschlecht als das heutige vor 8650 Jahren erbaute und schützend damit die 1524 angelegte kleine Sestung Yeddo umgab. Heute noch zieht sich ein fünfzig bis sechzig Meter breiter Graben um die hohe Mauer. Alte phantastisch geformte Matsu beschatten den Wall, und hohe rote Cotos-Blüten träumen in den trüben Wassern des Grabens.
Verschwunden sind jetzt die zahlreichen Daimioschlösser, Jashiki genannt, die sich einst um den Kanal lagerten. Sie dienten den alten Seudalherren, die alljährlich dem Shogun ihre Aufwartung in Yeddo machen mußten, zum Wohnsitz. Sogen sie auf Geheiß der Shogune in den Krieg, so mußten sie ihre Samilien dort als Geisfeln zurücklassen.
An Stelle der kleinen Sestung Yeddo, die den alten Shogunen zur Residenz diente, steht jetzt das 1889 bezogene, völlig europäisch eingerichtete Schloß des Mikado.
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Stxaße in Tokio, im Pintergrunde Slagge mit dem Ehryjanthemum Wappen.
[128]Reise einer Schweizerin um die Welt.bei dessen Persönlichkeit es sich wohl lohnt, einige Augenblicke zu verweilen. Spielt doch in dem gewaltigen Umschwung der letzten Jahrzehnte in Japan der Mikado Mutsu Hito eine nicht wenig bedeutende Rolle. Wie dem alten Kaiser Wilhelm, ist ihm die Gabe zu teil geworden, mit richtigem Blicke die richtigen Leute zu wählen und festzuhalten, und sie auch da gewähren zu lassen, wo es anscheinend gegen seine persönliche Ansicht und seinen Vorteil geschieht.
Der Mikado wurde am 3. November 1852 geboren und gelangte nach dem Tode seines Vaters am 18. Sebruar 1866 auf den Chron. Seine Jugend verbrachte er nach alter Sitte vollständig hinter den Palastmauern, und wenn er einmal herauskam,war's nur im festverschlossenen, verhängten Wagen. Man erzählt, daß Mutsu Hito bis zu seinem sechzehnten Lebensjahre nur ganz wenige fremde Menschen zu Gesichte bekommen hat, und dem Siebzehnjährigen zum erstenmal der Anblick grüner Reisfelder, bewaldeter Berge, Dörfer und Städte zu teil wurde.
Im Jahre 1871 empfing Kaiser Mutsu Hito den amerikanischen Staatsmann Seward noch in altjapanischer Kaisertracht, in langem steifen Seidengewand, das den Koörper mit Ausnahme der Hände vollständig einhüllte. Auf dem Kopfe thronte eine schwarze Roßhaarkappe mit einem Aufsatz, der sich etwa einen halben Meter über dem soaupt erhob. Der Mikado sprach kein Wort, wuürdigte Seward überhaupt keines Blickes.
Einige Monate später vertauschte der Mikado diese kaiserliche Seremonientracht mit einer militärischen Uniform nach französischem Schnitt und befahl dem ganzen Hofe, moderne europäische Kleider zu tragen. Von der Kaiserin bis zum untersten dofbediensteten darf niemand mehr in der so reizenden Landestracht erscheinen.
Der Mikado wird ungefähr folgendermaßen beschrieben: Groß und schlank, hält er sich sehr gerade und bezeigt eine vornehme Würde. Sein Gesicht besitzt den Typus
Teehaus in Tokio zur Blütezeit der Glycinen.[]Das moderne Japan.
129 der reingehaltenen japanischen Rasse. Er hat schwarze, stechende, scharfe Augen,schwarzes, starres sdaar und trägt einen dünnen Balken und Schnurrbart. Seine Gesichtszüge sind von einem fahlen Gelb, sein Ausdruck ist klug und energisch.
Die Kaiserin,ihr Name ist Haruko, was deutsch Srühling bedeutet, und wie der „Srühling“ soll sie trotz ihrer zweiundfünfzig Jahre einen noch anmuten, hat ein schmales, feines Gesicht, zierliche Iase, kirschroten Mund und dunkle Augen mit einem wahrhaft liebreizenden Ausdruck. Ihr Anzug ist leider ganz modern französisch, und ein kleines Hütchen sitzt, wenn sie ausfährt, auf ihrem nach neuester Pariser Mode frisierten BSaar.
Seit wenigen JNahren erst zeigt sich der Mikado öffentlich mit seiner Gemahlin zusammen. Dies wäre in früherer Seit ein Ding der Unmöglichkeit gewesen,besonders da Haruko ihrem Gemahl keine Kinder geschenkt hat, und früher nur die Mutter des Erbprinzen als wirkliche Kaiserin galt. Haruko wohnt neben ihrem Gemahl in dem Kaiserpalast, und kaiserliche Chren werden ihr erwiesen, gleich wie ihm.
Das Kaiserpaar spricht nur Japanisch. Um so rührender ist daher die Geduld,mit welcher Kaiserin Haruko stundenlange Prüfungen der Schulkinder in französischer und englischer Sprache anhört. Sie ist eine eifrige Sörderin und Schöpferin wohltätiger Anstalten, und es erfreut sich namentlich das Hospital des Roten Kreuzes und die Adelsschule ihrer Hülfe und ihres häufigen Besuches.
Haruko ist eine leidenschaftliche Reiterin, und unter ihrem Protektorate ist eine Damenreitschule in Tokio entstanden. Überhaupt hat sie sich, nachdem einmal das ihr schwerfallende Aufgeben der japanischen Tracht überwunden, mit der größeren Elastizität des Weibes schneller noch als der Kaiser die Sitten des Westens zu eigen gemacht und auch ihren Hofstaat völlig metamorphosiert. Die vornehmen Daimios-Töchter, welche bis vor kurzem auf ihren abgelegenen Schlossern still vegetierten und nur die vielerlei Sormen einer aufs äußerste getriebenen Etikette und die Kunst des sich Schmückens und Putzens erlernt, tragen jetzt europäische Toiletten, plaudern C. von Rodt. Reise um die Welt.[17]**
Reise einer Schweizerin um die Welt.
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⁊
AsakusaTempel in Tokio.Englisch, Sranzösisch und Deutsch, tanzen, reiten, spielen Tennis, radeln und flirten ganz wie ihre graziösen Schwestern in Paris.
Damit hat sich auch in den vornehmsten Kreisen das Verhältnis der Srau ihrem Gatten gegenüber vollständig verändert, und immer mehr tritt unbedingte Gleichstellung der Gatten, dieselben Rechte bei denselben Pflichten ein.
Im Mittelstande und volk wird dagegen vorläufig dieser Umschwung noch nicht Platz greifen.
Die Kuge und Daimio des alten Japan sind verschwunden, ihre Paläste in Tokio niedergerissen. Jetzt bewohnen sie moderne Villen im englischen Stile und lassen sich Prinz, Marquis, Graf, Vicomte und Baron ganz nach europäischem Muster titulieren.Auch einigen Samurai (erbliche Soldaten) ist vom Mikado der Adel geschenkt worden,was namentlich unter den Kuge viel mitleidigen Spott hervorrief. Rang-, Ehren- und Citelsucht soll eine hervorragende Leidenschaft der Japaner bilden. Auch Orden nach europaischem Muster erfreuen das Herz der Sohne Nippons. Unter diesen wird der Chryfanthemumorden nur an Mitglieder von Herrscherfamilien verteilt, ebensohoch steht der Sonnenorden. Um eine Stufe niedriger, erreichbar für gewöhnliche Sterbliche, ist der in acht Klassen eingeteilte Orden der aufgehenden Sonne.
Tokio und seine Sehenswürdigkeiten habe ich, wie der englische Ausdruck edoneziemlich bezeichnend lautet, im Schweiße meines Angefichts.
In jenen Septembertagen herrschte eine furchtbare Hitze, und dabei strebte ich in möglichst kurzer Seit möglichst viel zu sehen. Wenn ich jetzt daran zurückdenke,bilden Shibatempel, Shogunengräber und UenoMuseum ein farbenprächtiges Kaleidoskop, aus dem mir kühl erfrischend das Bild des großen LCotosteiches mit seinen rosa Blüten im UenoPark und friedlich weihevoll der Sriedhof von Sengakuji entgegenleuchtet.[]Totio: Paupteingangstor zu den Grabtempeln der Shogune im ShibaPart. (5. 130.) [] Das moderne Japan.
131 Unmittelbar auf die Beschreibung von Nikkos herrlichen Heiligtümern will ich hier keine lange Schilderung von Tempeln und prunkvollen Grabkapellen bringen,sondern lieber etwas länger bei den schlichten grauen Grabsteinen der siebenundvierzig Ronins in Sengakuji verweilen.
Ihre Geschichte, ein Stück aus Japans Vergangenheit, ein Lied hoher Vasallentreue, lautet kurz folgendermaßen:
Im Jahre U erwartete der damalige Shogun in Yeddo den Besuch des Gesandten des Mikado. Ein feierlicher Empfang wurde vorbereitet und eine Anzahl junger Daimios auserwählt, um bei den Seierlichkeiten mitzuwirken. Unter den Auserwählten befand sich ein junger Adliger, namens Takumimo- stami. Der damalige Großwürdenträger Kotsuke-noSuke, ein gemeiner, bestechlicher, habgieriger Mensch,hatte die Aufgabe, die vom Cande vor kurzem nach Yeddo gekommenen jungen Daimios in der feinen Hofetikette zu unterweisen. Takumi, der unglücklicherweise nicht wußte, daß es üblich war, mit Geschenken die Gunst des Großwürdenträgers zu erkaufen, versäumte dies und wurde deshalb von Kotsuke unablässig gequält und verfolgt. Schließlich reizte er den jungen Mann so sehr, daß dieser im Sorne auf seinen Beleidiger eindrang und ihn leicht verwundete. Takumi wurde zum TCode verurteilt und tötete sich selbst der Landessitte gemäß durch harakiri GBauchaufschlitzen).Seine Dienstmannen waren nun Ronin, das heißt „herrenlos“ geworden und schlossen einen Bund, um den Cod ihres unglücklichen Herrn an Kotsuke zu rächen.In einer kalten, finstern Winternacht schritten die siebenundvierzig Verschwornen ans Werk, drangen in den Palast Kotsukes ein und hieben ihm den Kopf mit demselben Schwerte ab, womit Cakumi sich getötet. Sie legten die blutige Crophäe auf das Grab ihres geliebten Herrn und erwarteten mit Ergebung die Beschlüsse der Behörde HYeddos. Der Urteilsspruch lautete, sie müßten als Edelleute durch harakiri sterben.Dies geschah, und die Leichen der Getreuen wurden nach Sengakuji gebracht und neben ihrem Herrn beigesetzt.
Bald find zweihundert Jahre seit ihrem tragischen Ende verstrichen, aber immer noch lebt das Andenken der treuen Ronins im Volke fort. Der stille, von hohen Bäumen beschattete Platz ist zur Wallfahrtsstätte geworden. Väter bringen ihre kleinen Knaben hierher und erzählen ihnen die Geschichte des unglücklichen Cokumi und seiner treuen Knappen, die für ihn gestorben. Dann schmücken sie mit grünen Sweigen die einzelnen Gräber und lassen hohe Weihrauchwolken aufsteigen zu Ehren der Coten.
In TCokio traf ich mit dem jungen DeutschRussen von der ‚Peru“ zusammen. Die Sreude war groß, und gemeinschaftlich zogen wir eines Sonntagnachmittags zusammen aus nach TCokios populärstem Tempel, „Asakufa“. Schon sein Vorhof bietet täuschende Ähnlichkeit mit einem Jahrmarkte. Da werden Tauben und Spatzen gefüttert,Zähne ausgerissen und Quacksalbermittel angepriesen. CLachend und scherzend läuft das Volk im Tempel aus und ein und reibt sich den Körperteil, der gerade schmerzt,an dem entsprechenden des Gottes Binzuru.
Binzuru war ein großer Verehrer des ewig Weiblichen“ und sitzt daher gewöhnlich zur Strafe außerhalb der Altarumfriedung. Nichtsdestoweniger genießt er als „Heiler
[18]Neise einer Schweizerin um die Welt.
Theaterfassade in Tolio.aller Übel“ eines besonderen Rufes und ist von all dem Reiben beinahe zum unförmlichen Klotze geworden. Die Nase besonders zieht sich nicht mehr nach außen,sondern nach inwärts. Die vVorhalle des Cempels ist so mit Laternen, Sahnen,Götzenbildern, chinesischen Crommeln angefüllt, daß man im Hintergrunde kaum die Statue der Gnadengöttin Kwanon, welcher der Tempel geweiht ist, unterscheiden kann.
Außerhalb des Tempels reiht sich Bude an Bude, Theater an Theater. Die Sassaden letzterer sind mit bunten, eingerahmten Bildern geschmückt, die Szenen aus den gegebenen Stücken darstellen. Der ganze Bau ist natürlich aus Holz, und die Dekorationen sind so einfach, wie es ein japanisches Haus eben ist.
Ceider habe ich weder Danjuro, Japans berühmten Mimen, noch eines der großen Theater in Tokio gesehen, da Anfang September noch alles geschlossen war.Was ich daher vom japanischen Cheater erzähle, bezieht sich auf kleine Vorstadtbühnen. Es gibt Männer- und Srauentheater. Damit sind nicht die Suschauer, sondern die Schauspieler gemeint. Im Männertheater spielen junge Männer die Liebhaberinnen und im Srauentheater Srauen alle Männerrollen. In neuester Seit macht sich übrigens auch hier der Cinfluß des Abendlandes geltend, und auf den großen Bühnen treten zuweilen schon Männer und Srauen gemeinschaftlich auf.
Mich führte der Sufall in ein Srauentheater. Am Eingang kauerte der Billetverkäufer auf einem Tischchen und händigte uns hölzerne Brettchen als Eintrittskarten ein. Wir wurden auf eine Sitzreihe gebracht, die sich unmittelbar an die CLogen lehnte,und eroberten vermittelst einiger ‚Sen“ den Vorteil, auf Kissen zu sitzen.
Der sZuschauerraum ist durch einen langen Gang, der von der Buhne ausgeht,in zwei Hälften geteilt. Auf diesem „Steg“ werden zuweilen ganze Szenen abgespielt,und er bildet gleichsam ein Bindeglied zwischen Zuschauern und Schauspielern. Wenn []Im UenoPark zur Rirschblüttenzeit. (8. 130.) [] Das moderne Japan.
133 man bedenkt, daß ein japanisches Stück sich zwölf Stunden und länger ausdehnt, muß auch der Leistungsfähigkeit des Publikums alle Anerkennung gezollt werden. Mit dem Ausdrucke der intensivsten Spannung kauert die ganze Samilie vom Greise bis zum Säugling auf den Strohmatten. Hie und da nur hört man das Ausklopfen eines Pfeifchens,das leise Klirren der Ceetassen, das Kratzen der Eßstäbchen in den flachen Holzschachteln,wo Reis, Cierspeisen und Süßigkeiten zierlich abgeteilt nebeneinander liegen. Suweilen unterbricht ein klägliches Kinderstimmchen einen hochtragischen Monolog, dann führt Papa oder Mama Kleinchen einen Augenblick heraus oder stopft ihm das Mäulchen mit Süßigkeiten. Sonst herrscht andächtige Stille.
Hatürlich kamen wir mitten in die Aufführung. In herrlichem, goldgesticktem stimono) stand regungslos eine Sigur auf der Bühne. Das Orchester strich die
O cha, ein ehrenwerter Tee.Samisen, und der Hiofhige schlug mit Todesverachtung mit Holzschlägern auf ein hölzernes Brett. Nach langer Pause kam eine zweite Gestalt in lang hinschleppendem sKimono. Sie trat an die „Unbewegliche“ und klopfte mit Meißel nnd Hammer an ihr herum. War es ein ins JNapanische übersetzter Ppgmalion? Jedenfalls wurde ihm der Liebesdienst schlecht belohnt, denn die plötzlich aus einer Statue in Sleisch und Blut Verwandelte wandte sich keifend und scheltend gegen ihre Bildnerin. Eine ganz sonderbare schwarzverschleierte Gestalt huschte auf der Bühne herum und machte sich häufig bei der Hauptschauspielerin nützlich, zupfte deren Gewand zurecht oder flüsterte ihr leise etwas zu, so daß ich eine „Souffleuse“ oder „Garderobiere“ in ihr vermutete.Sogar einen „ehrenwerten cha“, der nicht zum Stück zu gehören schien, brachte sie nach einer besonders anstrengenden Szene. Ich habe seither gelesen, daß dieses
1) Schlafrockähnliches Gewand.[]!
Keise einer Schweizerin um die Welt.
In einem japanischen Paufsfe.Mädchen für alles“ der japanischen Bühne „Kuromba“ heißt. Der Dialog spann sich entsetzlich in die Länge, die Mimik war etwas übertrieben, im ganzen aber gut,die Stimmen dagegen klangen schrill und unangenehm. Ein heißes Gefecht folgte unmittelbar darauf. Die Amazonen hieben sich, daß die Sunken stoben und das Blut stromweise herunterrann. Im Orchester surrten die Samisen und drohnten die Kioshigen als Begleitung, und entsetzt flohen wir diese Stätte des Lärms und der Hitze.Letztere vertrieb mich auch nach dreitagigem Aufenthalt aus Tokio, und ich wandte mich wieder den Bergen zu, nach denen, seit ich Nikko verlassen, meine Sehnsucht ging.
Ein Tag in Yokohama ging unter Packen und Einkaufen hin, dann war ich reisefertig und machte mich abermals auf den Weg nach Kamakura.
Diesmal fuhr ich zweiter stlasse. Man lernt dabei etwas mehr das volk, oder was man bei uns die bessere bürgerliche Klasse nennen würde, kennen. In der ersten Klasse fährt JungJapan in europaischer Tracht, die ihre Träger noch häßlicher macht, als sie es schon sind, und allein ohne Srau und Kind. In der zweiten wird der Kimono getragen, die Sandalen werden abgestreift und Weib und Kind zuweilen mitgenommen.
Sreilich geht die Ungeniertheit bei der Bitze zuweilen über die Grenze europaischen Anstandes. Ländlich fittlich werden die Kimonos einfach ausgezogen, aus irgend einem Bündel eine Art leinenes Hemd hervorgeholt, und ruhig, vor aller Augen, geht die Wandlung vor sich. Als ich einst wieder erster Klafse fuhr, stürzten zwei ältliche englische Damen wie von Surien gepeitscht atemlos aus der zweiten Klasse zu mir herüber. „Shocking! Horrid! Shocking! Sragen Sie uns nicht, was wir gesehen,erlebt haben.“ Ich fragte auch nicht, konnte aber aus dem darauf folgenden aufgeregten Gespräch entnehmen, daß es einem Japaner offenbar zu warm geworden war.[]Drei Freundinnen. (5. 135.) [] Das moderne Japan.
So tritt immer noch der natürliche „Wilde! unter dem allzu schnell sich angeeigneten europäischen Sirnis hervor. Solgendes Wort eines Chinesen einem Japaner gegenüber ist gar nicht übel: „Ihr habt Dampfschiffe und Cisenbahnen, und allerlei Seines und Abendländisches ist bei euch zu finden, aber wenn man euch kratzt, so kommt dieselbe gelbe Haut wie bei uns hervor.“ IJ
Wie gehorsam und sanft sind doch die japanischen Chefrauen! Das fiel mir um so mehr auf, da ich gerade aus dem Lande kam, wo die Srau herrscht, der Mann dient, wo die Srau in Coiletten und Vergnügungen die Dollars auswirft, welchen der Mann im Schweiße seines Angesichts nachjagt.
Es war ein ungleiches Chepaar, das mir gegenüber saß, er alt, grämlich, haäͤßlich,sie jung, freundlich, niedlich, und doch, wie liebend war sie um ihn besorgt! Sie wehrte ihm die Sliegen, stopfte sein Pfeifchen, fächelte ihn. Er, offenbar gelangweilt,aahm seinen Stock zur sand, ein Prachtstück! Er musterte ihn mit kritischem Blicke, und da er ihm wohl nicht glänzend genug schien, fing er an, ihn zu belecken und abzureiben. Als ihm Speichel und Geduld ausgingen, mußte die kleine Srau die Arbeit fortsetzen. Das Paar nahte feinem Siele, eifrig sammelte sie all das Gepäck, er rührte sich nicht. Schwer beladen wankte sie hinaus, er trug nur seine Person.Alles dies geschah ihrerseits mit der freundlichsten, geduldigsten Miene der Welt.
Die einzige große, lebenslängliche Pflicht der Japanerin ist Gehorsam. Als kleines Mäadchen dient sie dem vVater, dann dem Manne, und da sie diesem stets in sein väterliches Haus zu folgen hat, muß sie nach konfuzianischer Lehre auch ihrem Schwiegervater und besonders ihrer Schwiegermutter untertan sein. Auch später,wenn fie alt und grau und verwitwet ist, hat sie noch immer nicht ausgedient; dann muß sie erst recht ihrem ältesten Sohne gehorchen. Es gibt ein Büchlein über japa
Straße im Festgewande.
[136]Reise einer Schweizerin um die Welt.nische Srauenerziehung, welches B. sß. Chamberlain ins CEnglische übersetzt hat, in dem es unter anderm heißt:
„Die einzigen Eigenschaften, welche einer Srau gut anstehen, sind Sanftmut,Gehorsam, Keuschheit, Milde und Ruhe. Wenn ihr Gatte ungehorig oder schlecht handelt, so soll sie mit ruhigem Gesicht vor ihn hintreten und mit sanfter und freundlicher Stimme ihm Vorstellungen machen. Wenn er ärgerlich wird und auf die Mahnungen nicht hören will, soll sie eine Seitlang warten, um erst dann wieder die Sache zur Sprache zu bringen, wenn sich sein Kerz beruhigt hat. Niemals trete die Srau mit bösem Gesicht und kreischender Stimme gegen den Mann auf. Wie ärmlich auch immer des Gatten Haushalt ist, sie soll ihn nie darüber zur Rede stellen. Cine srau sollte stets auf den Süßen sein. Morgens muß sie früh aufstehen und abends pät zu Bette gehen; über Mittag soll sie nicht ruhen. Sie soll auch nicht viel Saké)trinken ·“··
Bei solchen Vorschriften wird Srauenemanzipation noch lange nicht auf Japans Programme stehen, so rasch und begierig dieses Land sonst auch nach allen Neuerungen hascht. Eines nur hat europäischer Cinfluß veranlaßt, daß der Japaner der oberen Klassen weniger leicht feine Ehefrau verstößt als früher.
Immerhin ist die Stellung der Srau, wenn auch sehr untergeordnet, nicht so traurig wie bei den Mohammedanern.
Die Japanerin bewegt sich frei in Straße und Haus und zeigt eine harmlose,zutrauliche Sreundlichkeit den Sremden gegenüber, die himmelweit entfernt ist von der ängstlichen Abgeschlossenheit der Töchter des Islam. Überall trifft man sie, die kleinen, niedlichen Nesan oder Musmis, die Geschwätzigen, Neugierigen. Ist man m Simmer, flugs geht die Tur oder die Schiebewand auf, und drin steht Mamsell Aprikofenblüte“ oder „Srühling“), beguckt sich alles, faßt alles an und denkt gar nicht an baldigen Rückzug, sondern richtet sich häuslich ein. Gewöhnlich kommt noch eine Sreundin dazu, und dann geht das Lachen und Kichern erst recht los, wohl auf Kosten der dummen Sremden, die auf all die vielen Sragen nur ein stummes Kopfschütteln hat.
In Kamakura wurde ich bei strömendem Regen von Herrn M. erwartet, einem seit vielen Jahren in Japan lebenden Deutschen, der unmittelbar am Meeresufer eine japanische Villa mit europaischem Komfort vereint besitzt. Nach einem fröhlichen Mahle machten wir uns mit Ainrikishas auf den Weg zur nächsten Eisenbahnstation,wobei Herr M. die Sreundlichkeit hatte, mich bis nach Miyanoshita, meinem nächsten Reiseziel, zu begleiten. Von Kozu ging's mit langsamem, elektrischem Tram nach dem höher gelegenen Humoto. Es gibt nicht weniger als sechs Yumoto in Japan. Das Wort bedeutet wörtlich „heiß Wasserquell“. Das vulkanische Japan besitzt eine große Zahl heißer Quellen, die vorwiegend Eisen und Schwefel enthalten. Bei der Leidenschaft der Japaner für heiße Bäder ist es natürlich, daß dort überall Badeeinrichtungen bestehen, freilich meist auf sehr primitivem, naiv urwüchstigem Suße. Gebadet
) Reiswein, ein in Japan vielgetrunkener Likör.) Die Japanerinnen tragen oft Blumennamen.[]Jakotsu-gawaFluß bei Mipanoshita. (5.137) [] Das moderne Japan.
137 wird allgemein bei 45246 Grad Celsius. Dies soll dem Klima besser entsprechen als kühleres Wasser, soll abhärten und unempfindlich gegen Erkältungen machen.Mir selber bekamen kurze Bäder in dieser Temperatur vortrefflich, besonders nach Ermüdung und Strapazen.
Da es gegen Abend ging und eine sehr gute Sahr- oder vielmehr Jinrikishastraße in das 450 Meter hoch gelegene Miyanoshita hinaufführt, beschlossen wir, die luz Stunden zu Suß zurückzulegen. Heiß war's aber bei alledem, und in Schweiß gebadet kamen wir nach eingebrochener Dunkelheit ins Hotel Sujipa. Sofort stürzte ich mich ins heiße, sodaprickelnde, leicht salzige Bad. Ich glaube, es war das köst
EKin Bad.lichste Bad meines Lebens, und ebenso genoß ich daraufhin einen Trunk von leichtem Bier und Soda, ein Gemisch, das ich hiermit wärmstens zum vVersuch empfehle.Minanoshita, das Interlaken Japans genannt, hat das beste Gasthaus im Lande,ausgezeichnete heiße Mineralbäder, die jedermann bekommen, und wird deshalb als Sommerfrische sehr viel besucht. Es liegt in einem von Bergen ganz eingeschlosfenen Talkessel, ist wunderbar grün und friedlich, hat aber für mich lange nicht den Reiz slikkos. Auch die Sahl der Spaziergänge ist viel beschränkter, da sie notwendigerweise alle in die Höhe oder in die Tiefe führen, Kiga ist ein naher Ausflugspunkt Der Weg führt zunächst auf eine Brücke, die sich über eine tiefe Schlucht spannt,in welcher der JakotsugawaSluß rauscht. Er verdankt seinen Namen „Schlangenanochenfluß“ den weißen Steinen im Wasser, welche das volk für Schlangenknochen hält. Hohe, lichte Bambussträucher wachsen an seinen Ufern und neigen sich leicht im Winde. Kiga ist ein Ceehaus mit Springbrunnen, wo die größten Goldfische, die ich je gesehen, hausen, einem aus der Hand fressen und sich den ganzen Tag mit [2268]25
Reise einer Schweizerin um die Welt.einer für sie gebackenen Brotsorte futtern lassen. Cin anderer Spaziergang führt auf steilem Pfade nach dem Doörfchen Dogashima, eigenartig in der Cage und Bauart. Brücken ohne Geländer führen über rauschendes Wasser zu einem Wasserfall, und an Teehäusern ist, wie hier zu Cande überall, kein Mangel.
In Miyanofhita ist die Bedienung ausschließlich weiblich. In geschmackvoll bunten Kimonos und breiten seidenen Gürteln, Obi genannt, huschen die kleinen Hesans geschäftig umher. Schmuck tragen sie keinen; ihr einziger Cuxus ist der Obi, und durch ihn wäre ich beinahe zu einer kleinen japanischen Dienerin gekommen. „Chryfanthemum“ hieß die fünfzehnjährige niedliche Nesan, die uns das Essen brachte. Herr M., der vortrefflich Japanisch spricht,sagte scherzend: „Chrysanthemum“, die Dame will dich in ihre Heimat mitnehmen, weit weg in ein
Cand, wo's nicht nur einen, sondern viele Sujimomama) gibt! Die Kleine schüttelte energisch den Kopf.
„Und sie will dir dann einen Obi schenken, einen wunderschonen, der mindestens hundert yen?) kostet.“
Chryfanthemum wurde sehr nachdenklich, ihre Augen fingen an zu glänzen, sie sprach eifrig mit ihren Gefährtinnen, und all die Mädchen steckten die Köpfe zufammen. Offenbar aber traute Chrysanthemum der Sache nicht recht, denn als Herr M. sie abends fragte:
Nun, Kleine, hast du deinen Koffer schon gepackt?“ meinte sie:
„Erst muß ich das versprechen eines Obi schriftlich, schwarz auf weiß haben,sonst wird nichts daraus.“
Und es wurde nichts daraus. Ich reiste den folgenden Cag ohne meine Chrysanthemumblume ab, der das Verpflanzen in ein fremdes Cand wohl kaum ersprießlich gewesen wäre.
) Der bekannte vulkan in Japan.
) 1yen Sr. 2. 50.
„Ehrysanthemum.“[]Hotel Sujipa in Miyanoshita. (5. 137.) []
In den Bergen.
In den Bergen.
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In den Bergen.
Kago. Fujinoyvama, der heilige Berg. Pakone. Ein japanisches Wirtshaus. Mein Zimmer. Tempel Gongen. SehnProvinzen-Paß. Atami. Geyser. vöfliche Begrüßungen. Ruli-Tram. Tokaido.zug der Daimios nach HYeddo. FufiPilger. Missionen. Protestanten. Ratholiken. Die Legende vom Federgewand. RKunozan-Tempel. Postbote. Lackbäume. Gewinnung des Lackes. Pohe Preijse der leinen Lackarbeiten. Ankunst in Nagoya. CEloisonné. O Shiro. Pigashi xX
Hakone liegt 930 Meter höher als Miyanoshita. Man gelangt zu Suß, zu Pferd oder im Tragstuhl, dem sogenannten Kago, dorthin.
Es gibt zweierlei Kago: der einheimische, für die biegsamen Knochen der Japaner berechnete, und der europäischamerikanische, wo für die ungelenken Beine der Sremden Sürsorge getragen wird. Letzterer ist unseren Tragstühlen in den Bergen ähnlich und wird von vier Mann an Bambusstangen auf den Schuldern getragen. Ich wählte natürlich den europaischen Kago, da aber die kleinen Japanerkuli fehr unter meiner Last seufzten, stieg ich beim ersten steilen Stück ab, was zur Solge hatte, daß sie mich künftig beim sanftesten Auffstieg einfach abstellten. So wanderte ich wohl oder übel den 221/2stündigen Weg meist zu Suß. Von Ashinoyu, einem sehr beliebten japanischen Schwefelbade, ging's teilweise bergab, und herrliche Ausblicke auf See und Gebirg taten sich auf.
Schon war ich an drei Wochen in Japan gewesen, und immer noch hatte ich oergeblich nach dem heiligen Berge Sujinopama ausgespäht. Nun zeigte sich plötzlich seine charakteristische Ppramide. Ich erkannte sie sofort, denn beinahe kein japanischer Gegenstand wird verfertigt, auf dem sein Bild nicht erscheint. Sreilich, der Schnee fehlte auf seinem breiten Haupte, noch waren wir ja Anfang September, und schwüle Hitze brütete über Japan. Die Héhe des Suji beträgt 3730 Meter. „Sengen“,
Tragstuhl und Rago. Unterwegs nach Pakone.
[140]Reise einer Schweizerin um die Welt.die Gottin, welche die ‚Blumen auf die Bäume bringt“, ist die Göttin des Berges,und groß ist die Sahl der Pilger und Pilgerinnen, welche alljährlich ihr und dem Suji ihre Verehrung darbringen. Bis im Jahre 1867 durfte allerdings kein weiblicher Suß den Gipfel betreten, und bedenklich schüttelten die Japaner den Kopf und prophezeiten einen neuen Ausbruch, als die Gattin des damaligen englischen Gesandten den Bann brach und kühn die oberste Spitze erklomm. Doch der Berg grollte nicht der fürwitzigen Dame, und still blieb er, wie er es seit 708 gewesen. Damals freilich war er 836 Tage nacheinander tätig, und die Asche lag 1.80 Meter hoch auf der Tokaido, der großen Landstraße Japans.
Ceider brachte ich es nicht auf den Suji, das unbeständige Wetter hielt mich hauptsächlich davon ab. Swei Tage lang aber war er in Hakone mein entschieden
Rüche.launisches Gegenüber, das sich sehr oft hinter Wolken empfahl. In der Srühe nur strahlte Sujimo-pama in seiner ganzen, stolzen, einsamen Größe und spiegelte sein breites Haupt in den blauen durchsichtigen Sluten des Hakone-Sees. Des Abends umwand ihn wohl die Blumengöttin Sengen mit einem rosigen Blütenkranz.
Das Gasthaus Tsujiya steht auf einer Mauer unmittelbar am See. Eine meilen lange herrliche Allee dunkler Kryptomerien führt links an einer kaiserlichen Residenz vorbei nach dem stattlichen Slecken Hakone. Rechts vom Gasthaus führt der Weg den See entlang nach dem kleinen Dorf MotoHakone.
Die Yadoya), deren einziger Gast ich augenblicklich war, hatte etwas amerikkanischeuropäische Kultur angenommen. Immerhin war sie noch echt japanisch genug, um mir im Laufe der Tage einige sonderbare, nicht alle zu veröffentlichende LÜberraschungen zu bringen.1) CLändliches Wirtshaus.[]In den Bergen.
1 Mein Simmer bestand aus drei Abteilungen. Die vorderste ist eine Art Veranda,die beinahe in den See hinausgebaut ist und eine entzückende Aussicht bietet. Die Moblierung ist einfach genug: ein Stuhl und ein Tisch, beides europäische Mobel. Letzterer stellte je nach den Tageszeiten meinen Schreib,Eß und Waschtisch vor. Eine möbellose Abteilung folgt, wenn man nicht eine schone Blumenvase und eine Art Ofenschirm als solche rechnen will. Den Boden bedeckt eine hübsche,zierlich geflochtene Strohmatte, die ich nur in Strümpfen betreten durfte. Cine mit stilvollen Kranichen bemalte Papierwand trennte mich von meinen Nachbarn. Natürlich läßt sie sich nicht abschließen, nur auseinanderschieben, so daß ich von dieser Seite stets Besuch gewärtigen konnte. In der dritten Abteilung endlich steht eine niedrige Holzpritsche, ebenfalls ein Sugeständnis für die Ansprüche der Sremden, denn die Japaner pflegen sich in Decken gewickelt auf ihre Strohmatten zu legen. Die Srauen nehmen zur Schonung ihrer meist sehr hübschen Srisur, die jedoch nur einmal wochentlich gemacht wird, einen kleinen Kopfschemel, „Makura“ genannt, unter den Nacken.Mein Lager wäre insoweit ganz befriedigend gewesen, wenn nicht die bunten Kissen und Decken einen so sonderbaren Geruch gehabt hätten, der mich nachts oft aufweckte. Dann horte ich draußen trapp, trapp, Trepp auf und ab gehen mit klappernden ßolzschuhen oder im Nachbarzimmer auf bloßen Süßen herumhuschen.Als ich früh aufwachte, stand der Boy vor meinem Bette. Ohne weitere Anmeldung hatte er sachte die Wände auseinandergeschoben, grinste und redete eifrig auf mich ein, wobei er immer wieder das Wort „Suro“ wiederholte. Erschrocken starrte ich ihn an, meine Phantasie hatte Suro schon in das lateinische fur, Dieb, verwandelt.Doch nein, jetzt wußte ich es ja: „furo“ bedeutet japanisch „Bad oder Badewanne“.Da tags zuvor die kleinen Hesans meine ausschließliche Bedienung gebildet hatten,so war ich eigentlich überrascht, gerade den Boy als Begleitung zum Bade zu bekommen.Vielleicht hatte sich O take-san) (Sräulein Bambus) verschlafen. Ich folgte Boy-fan.Unten stand mein Bad, ein großer Suber mit so heißem Wasser, daß man leicht V O ist die Partikel, welche als Höflichkeitsform vor viele Kauptwörter gesetzt wird. Cake ist das japanische Wort für Bambus. San bedeutet: Herr, Srau oder Sräulein und wird allen Eigennamen angehänagt.
[42]Keise einer Schweizerin um die Welt.sKrebse darin hätte sieden können. Den Boy san schob ich hinaus und eine papierene Ture zu. Letztere ist auch ein Sugeständnis an europäische Prüderie, denn als ich abends zuvor durch Moto Hakone gegangen,hatten Männlein und Weiblein vor aller Augen in ihren Badewannen gesessen.Dakone besitzt einen Cempel, der mir einen ganz besonderen Cindruck machte,obschon er sich nicht entfernt mit den kunstvollen Heiligtümern in Nikko messen darf.„Gongen“ ist sein Name. Jedesmal, wenn ich durch die graue, verwitterte, bemooste Torii den Tempelbezirk betrat und die Zweige des alten Kryptomerienhaines mich in grüne Dämmerung hüllten, mußte ich an Böcklin denken. Ähnlich wie Schiller, der die Schweiz nie gesehen und doch den Wilhelm Cell schuf, müssen ihm Japans heilige Haine bei seinen Schöpfungen vorgeschwebt sein. Am 5uß der langen Granittreppe steht ein Brunnenhäuschen, an dessen Dache mit japanischer Schrift bemalte Handtücher hängen. Es sind Stiftungen frommer Japaner, denn laut Religionsvorschrift muß jeder sich vor dem Gebete die Hände waschen. Oben an der vielstufigen Treppe steht eine zweite Corii, und überraschend liegt nun der weite grüme Tempelgrund, in eine tiefe Bergmulde gebettet, vor dem Besucher. Bäume stehen als stille Wächter rings herum, Baäume ziehen sich amphitheatralisch den ganzen Berg hinan, japanische Cichen, Kastanien, Söhren, Pinien, Kryptomerien, auch Ahorn,der schon sich herbstlich gelb und rot zu färben begann. So uralt und mächtig ist hier der Wald, wie man ihn sonst außer in Kalifornien nirgends auf der Welt findet.sarren und weiches Moos bilden einen feuchten Teppich, alles ist tief grun, bis auf das satte Rot des Tempels, um den sich eine bemooste Graniteinzäunung zieht. Totenstille herrschte, hie und da zwitscherte ein Vogel, zirpte eine Grille, hie und da auch stand ein einsamer Beter plotzlich vor mir, dessen Tritt im weichen Moose ungehört verhallt war. Ein Schlag auf den Gong am Tempel, um der Gottheit seine Anwesenheit zu melden, ein kurzes Gebet, dann schritt er ebenso leise wieder den Berg hinunter, und abermals blieb ich einsam im Tempel Gongen.
Ich hatte beschlossen, den fünfstündigen Marsch über den SehnProvinzenpaß nach Atami zu Suß zu machen, und mir einen Kuli als Sührer und zugleich Träger meines kleinen Gepäckes bestellt. Srüh um sechs Uhr marschierten wir ab, zunächst durch die herrliche Kryptomerienallee nach dem Stadtchen Hakone, wo ich wie ein wildes Tier begafft wurde, da die Japaner sehr schlechte Sußgänger sind und nicht begreifen,daß man ohne Notwendigkeit mars chiert, wenn man sich tragen lassen kann. Swischen zwei Hecken ging's zunächst ziemlich steil aufwärts bis zu einem Bergrücken, wo man hinunterblickte auf die See, auf Enoshima und die Insel Vriesland. Vor allem []Eingang zum Tempel Gongen mit Torii. (s5. 142.) [] In den Bergen.winkt die schöne stolze Pyramide des Suji in strahlender Klarheit hinüber. Es war ein göttlicher Cag! Bald schon mußten wir uns auf schmalem Pfade durch taunafses Bambusgebüsch winden, das oft hoch über unseren Häuptern zusammenschlug. Hie und da schlüpfte eine Schlange hervor oder lag quer vor unsern Sußen, was jedesmal bei meinem Kuli einen Schreckensschrei und einen gewaltigen Sprung nach rückwärts zur Solge hatte. Ein Tapferer war er entschieden nicht. Lang dehnte sich der Weg bis zur Paßhöhe aus, die durch einen großen Stein markiert wird.Es sind darauf die zehn Provinzen bezeichnet, auf die man von hier aus blicken kann. Daher der Name SehnProvinzenpaß, japanisch JAikkokutoge. Ich habe sie nicht gezählt, mir genügte die wundervolle Aussicht aufs Meer und die Buchten,Inseln, Halbinseln und Bergreihen, eine Aussicht, die man sich einprägen möchte auf Cebenszeit. Schade, daß man so menschlich ist! Mich quälte der Durst entsetzlich und ließ mich schneller, als ich es eigentlich gewünscht hätte, abwärts dem nächsten und einzigen Ceehause auf dem langen Marsche zueilen. Der schmeckte! Ich zählte nicht mehr nach Tassen, sondern nach Kannen!
Bis dahin war der ganze Marsch nur Genuß und Sreude gewesen, nun aber begann ein steiniger, halsbrechender Abstieg, der sich endlos ausdehnte und wobei meine glatten, ungenagelten Schuhe mich immer wieder ins Gleiten brachten.
Kurz vor Atami kamen wir abermals an einen heiligen Hain, dessen Hauptbestand diesmal riesige Kampferbäume bilden. Ein klarer Bach durcheilt den an Sarren reichen Tempelgrund, an dessen Wasser eine hohe, leuchtend rote, mir bis jetzt völlig fremde Blume blühte. Ich sah sie später gleich Unkraut in der Umgebung von sioto, wo sie gepflückt, getrocknet und glaub' ich zu Tee verwandt wird. Ihr Name ist: Cichoria radiata. Sie ist eine Knollenpflanze, treibt einen fleischigen, dicken und hohen Stengel, an dem acht bis neun schöne feurig rote Blüten mit langen Staubfäden doldenförmig fitzen. Größe, Blumenzahl und Sorm erinnerten mich lebhaft an unsere bekannten blauen Agapanthus. Blätter habe ich keine gesehen,sie erscheinen wohl erst nach der Blüte. Als ich eine Blume schnitt, schlüpfte mir eine schöne Schlange unter der Hand hervor, sie schillerte braungolden und hatte einen grünen Kopf.
Müde und sonnenverbrannt kam ich mittags in Atami, im europaäischen Bedürfnissen entsprechenden otel Higuchi an.
Atami ist ein beliebter Winteraufenthalt, da es durch einen Kranz grüner Berge vor Nordwinden geschützt ist. Das Städtchen liegt an der sichelförmigen Meeresbucht. Es hat eine große Naturmerkwürdigkeit,einen Geyfer, der ganz regelmäßig alle vier Stunden ausbricht und jedesmal, wenn ich nicht irre, 40 bis 50 Minuten „spielt“. Sein Dampf enthält heilsame Salz und Schwefelelemente, und das hat die Behoörde
Am Strande von Atami
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[144]Reise einer Schweizerin um die Welt.von Atami weise benützt, um einen Teil des Geysers in ein Inhalationshaus zu bannen. Um den Geyser zieht sich eine Wand mit daran auf bequemer Hßoöhe angebrachten runden Löchern, aus denen der Dampf strömt. Vor diefen sieht man jeweilen zur bestimmten Seit hals- und lungenkranke Menschen mit offenem Munde stehen.Jedenfalls eine einfache und billige Kuranstalt!
Ein Spaziergang am Strande zeigte mir, daß Atami hauptfächlich vom Sischfang sich ernährt. Ganze Selder getrockneter Sische waren überall ausgebreitet, und an hohen Gestellen baumelte, zu grausen Rlumpen geballt, das unappetitliche Geschlecht der Tintenfische. Abends und nachts wird hauptsächlich gefischt, und all die mit hunten Laternen beleuchteten Sampans nehmen sich vom Hotel wie eine festlich illuminierte Wasserstadt aus.
Um wieder ins Bereich des Schienenstranges zu gelangen, mußte ich ein ganz neues Verkehrsmittel benutzen, einen sogenannten KuliTram. Man wollte ihn mir in Atami nicht besonders rühmen, behauptete, er wäre lebensgefährlich und würde demnäͤchst polizeilich verboten werden u. s. w. Ich mußte aber meines Gepäckes wegen,das ich dort gelassen, nach Kozu zurück, wollte auch nicht abermals den SehnProvinzenpaß nach Miyanoshita benutzen, und so vertraute ich mich dem KuliTram“ an.
Als ich frühmorgens den sogenannt vierplätzigen Miniaturomnibus zu Gesichte bekam, kaufte ich mir wohlweislich zwei Plätze. Meine Wagengefährten waren eine alte Japanerin, ihre kleine Enkelin und. ein jüungerer Mann. vorläufig machten sich die beiden noch ihre zeremoniellen, tiefen Verbeugungen, mit denen sie bei jedem europaischen Hofe Ehre eingelegt hätten, und welche die festgesetzte Abfahrtszeit noch etwas mehr hinausschob. Als nec plus ultra aller Hoflichkeit ziehen bei solchen Begrußungen die Japaner die Luft kräftig in die Nase hinauf, was einen seufzend pfeifenden, eigentümlichen Ton gibt.
Unsere Sahrt dauerte vier Stunden. Anfangs führte sie steil den Berg hinan, und anfsere Kulis, 628 an der Sahl, mußten aus Leibeskräften den sich auf Schienen bewegenden Wagen schieben. Die Straße bot einen schonen Aussichtspunkt nach dem anderen, da die See immer tiefer zu unseren Sußen blau schimmerte,immer wieder neue Inseln und Buchten sich zeigten. Oben angelangt, begann der aufregende Teil der Reise. Die Kulis kletterten alle auf den Wagen, der schwerbeladen, führer und bremsenlos in rasendem Tempo um die Ecken der steilen Bergstraße hinuntersauste, wobei uns Zoren und Sehen verging. Nerven darf man im DDDDO wo wir endlich heil abgeliefert wurden. Wir waren fünf Wagen voll angekommen, doch
Anter getrockneten Sischen.[]Pöfliche Begrüßung. (5. 144.) [] In den Bergen.außer mir keine
Europäer, und so erfreute ich mich in Odawara leider einer ungeteilten
Au fmerksamkeit seitens der Bevölkerung. Sie drängte sich mir nach ins Teehaus,nahm regen Anteil an meinem
„cha“, begleitete mich zum Billetschalter und verließ mich erst, als mich der elektrische Tram nach
Kozu entführte. Dort war ich wieder auf der sogenannten Tokaido, der großen Verkehrsader.
Das Wort Toßaido bedeutet „öͤstlicher Seeweg“. Den Namen bekam er in alter Seit, weil er östlich von Kioto, der damaligen Hauptstadt und deshalb als Ausgangspunkt des Reiches betrachtet, dem Meere entlang lief.
Sweimal jährlich bewegten sich die altjapanischen Seudalherren, „Daimios“genannt, in glänzendem Aufzuge durch die Tokaido nach Yeddo, um dem Shogun ihre Aufwartung zu machen und Geschenke zu überbringen. Damals reihte sich längs der Straße Dorf an Dorf, Teehaus an Teehaus, und herrliche Bäume beschatteten den Weg auf beiden Seiten. Es gab 255 Daimios, und groß war die Sahl ihres bewaffneten Gefolges. Die StraßenEtikette wurde streng gehandhabt. Wenn zwei Prinzen mit ihrem Gefolge sich begegneten, mußte der ärmere das Vermögen des einzelnen wurde durch die Regierung kontrolliert und veröffentlicht seinen Tragfessel verlassen und sich bescheiden mit seinem Trosse zur Seite ziehen, um dem andern freien Raum zu geben.
Seit 1889 führt die Cisenbahn von Tokio nach Kioto, und wozu ehemals 12 bis 13 Tage zu Suß erforderlich waren, das wird jetzt in N Stunden zurückgelegt.
Ich reiste einige Stunden lang mit einem deutschamerikanischen Misfsionar, der mir manches erzählte, was mich interessterte und ich seither in Büchern über die evangelische Mission in Japan bestätigt fand. Im HNahre 1872 erst wurde in Yokohama die erste evangelischchristliche Gemeinde gegründet. Sie zählte anfangs nur 9 Mitglieder. Bei der für alles Neue leicht begeisterten Gemütsart der Japaner war es aber begreiflich, daß sie schnell die neue Lehre erfaßten, besonders auch, weil fie glaubten, durch Annahme des (Christentums leichter in dem Verband der zivilisterten Nationen Aufnahme zu finden. Es wurden Missionsgesellschaften gegründet, namentlich
C. von Rodt, Reise um die Wwelt. 20 [12]*
Reise einer Schweizerin um die Welt.
Reisanpflanzung.amerikanische. Eine theologische sochschule, die Doshisha, entstand in stioto auf Anregung eines japanischen Christen J. s0. Nishima, die Bibel wurde ins Japanische Ende der Achtzigerjahre erreichte die wohlwollende Stimmung für das evangelische Christentum ihren Gipfelpunkt. Die neue Religion wurde Mode in Japan, ja, es gehörte zum guten Con, daß vornehme Samilien ihre Töchter in die Missionsschulen schickten. Da fand im Jahre 1889 1890 ein Umschwung statt. Die fremdenfeindliche Stimmung, die in Japan infolge politischer Ereignisse eingetreten war, wandte sich auch gegen die Evangelischen. Die japanischen Missionare gaben sich völlig ihren ein und entzweiten sich namentlich mit den amerikanischen Brüdern.
Die Geschichte der Verbreitung des Katholizismus in Japan ist eng mit dem Schicksal der seit 1343 ins Land gekommenen Portugiesen verknüpft. Jenem ersten Schiffe, von dem ich erzählt, waren bald Ansiedler gefolgt, denen die Japaner die gastfreundlichste Aufnahme gewährten. Der Handel kam mächtig in Schwung.und die Portugiesen verdienten dabei hundert Prozent.
Umnmittelbar nach den Kaufleuten kamen die Glaubensboten, als erster Sranz Xavier, der Mitbegründer des Jesuitenordens. Dieser wahrhaft bedeutende Mann gewann durch seine Demut, sein tugendhaftes Leben, seine Uneigennützigkeit und seine Sreigebigkeit die Herzen der Japaner. Die Bekehrungen erfolgten zu Tausenden,drei mächtige Süürsten ließen sich zum Christentum bekehren, und binnen wenigen Jahren zählte der neue Glauben bei 600,000 Anhänger. Als Sranz Xavier Japan verließ, um schon im nächsten Jahre am Perlflusse unweit von Macao zu sterben,schien das Werk der Bekehrung gesichert zu sein.[]Fujinopama. (S. 139.)
[5]Reise einer Schweizerin um die Welt.Diese günstigen Verhältnisse änderten sich bald, und zwar durch die Schuld der Glaubensboten selber. Den klugen Jesuiten drängten sich ungestümere Orden nach,Dominikaner, Augustiner und Sranziskaner. Nicht genug, daß diese roheren Monche wie Sanatiker bekehrten, gaben sie durch ihren ßochmut, ihre Prachtliebe und ihre Goldgier täglichen Anstoß. Sie und die portugiestschen Kaufleute machten sich zudem durch ihre Cinmischung in die inneren Angelegenheiten des Candes verhaßt. Als daher 16598 der kräftige Iheyasu auf den Chron der Shogune gelangte, richtete er seine Macht gegen die Christen. Su Tausenden wurden sie während der nun folgenden vierzig Jahre gefoltert, enthauptet, gehängt, gekreuzigt, in siedende Teiche gestürzt.Sreudig gingen fie alle in den Tod und erregten durch ihre Standhaftigkeit selbst bei ihren Henkern Bewunderung und Mitgefühl. Nur in der Umgegend von Nagasaki halten sich von der damaligen großen Schar katholischer Chriften einige Samilien erhalten, die im Schutze unzugänglicher Berge ihrem Glauben heimlich weiter lebten.
Während der Christenverfolgungen war ein verbot an alle Japaner ergangen,mit dem Auslande fernerhin vdandel zu treiben. Auf allen Bergen baute man Wachthäuser und besetzte sie mit Soldaten. Segelte ein fremdes Schiff gegen die fzüste heran, so loderten auf allen Höhen Alarmfeuer, und jede Landung war verboten.von dieser Seit an war Japan ruhig und in gewisser Beziehung glücklich. Die Abschließung des Landes zwang die Eingebornen, die Mehrzahl der Gegenstände,die ihnen früher die fremde Industrie geliefert hatte, selbst herzustellen. Indem es sich in den Künsten vervollkommnete und den Boden seines Vaterlandes durchfuchte, fand dieses verständige Volk bald genügend Erfatz für die hauptsächlichsten Erzeugnisse des Auslandes.
Als im Jahre 1876 volle Religionsfreiheit eintrat, blühte auch die römischkatholische Mission bald wieder auf. Sie hat jetzt einen Erzbischof in Tokio und Bischöfe in Ofaka, Nagasaki und Hakodate und zählt ungefähr 54,000 Anhänger. Die Arbeit liegt in den sßänden der Pariser Missionsgesellschaft, die Missionare sind meist Sranzosen.
Da es mir auf meiner Bergtour so ausgezeichnet ergangen, wollte ich mich noch etwas länger abseits von der großen TouristenHeerestraße halten, reist sich's doch in Japan ebenso sicher, beinahe sicherer als in Curopa. So stieg ich denn in Okitsu, einem kleinen Nest an der See, aus und sah mir zunächst die mit Matsu deschattete Landzunge MionoMatsubara an. Cines der hübschesten poetischen Werke der Japaner,„Das Sedergewand“ betitelt, spielt sich dort ab:
„Ein Sischer, der am Strande von Mionoe Matsubara landet, findet an einem Matsu Posibote der Daimios.[]In den Bergen.
149 hängend ein Sedergewand. Erfreut über den kostbaren Schatz, ist er im Begriff,ihn davonzutragen, als eine schöne See plötzlich erscheint und ihn bittet, ihr das Kleid zurückzugeben. „Es ist mein Eigentum und ohne dasselbe kann ich nicht mehr in den Mond zurückfliegen, wo ich zu der Dienerinnenschar der dreißig Sursten gehöre,welche diesen Himmelskörper beherrschen.“
Zuerst weigerte sich der Sischer. Die See weinte und flehte und versprach schließlich,ihm einen der Reigen vorzutanzen, die nur die Unsterblichen kennen. Da gab der Sischer nach. Die See aber hüllte sich in ihr Sederkleid und tanzte unter den Matsubäumen am Strande, und himmlische Musik und köstliche Wohlgerüche erfüllten die LCuft. Dann erfaßte ein sanfter Sephir ihre Slügel, und sie schwang sich gen Himmel empor, vorbei am Berg Afhitaka, vorbei am Suji, bis sie den Blicken des Sischers auf ewig entschwand.“
Swei NAinrikishaBoys brachten mich in schnellem Trabe am Seikenji Tempel und an Cjiri vorbei nach Shizuoka. Cjiri ist der CTypus eines jener Provinzialstädtchen,die blühten, als die Tokaido noch zu Pferde und zu Suß begangen wurde. Sie teilt das Geschick unserer früher zur Seit der Postwagen vielbesuchten, jetzt abseits des Schienenstranges liegen gelassenen Ortschaften.
In Shizuoka fand ich einen Gasthof europäischen Stiles, aber schlecht und teurer als das Grand Hotel in Yokohama.
Interessant dagegen war am folgenden Morgen die lange RikshaSahrt nach dem KunozanCempel. Es war ein herrlicher Tag, und Sujino-pama strahlte wãhrend des ganzen Ausfluges in vollster Glorie. Die Straße war sehr belebt; Gemüse und Sische wurden massenhaft zur Stadt gebracht. Die Srauen trugen meist eine lange Stange auf der Schulter, an deren beiden Enden zwei wohlgefüllte Rörbe balancierten.Dazwischen mußten wir uns an vom Exerzieren heimkehrenden Soldaten vorbeidrängen. Die kleinen, gelben Burschen in blendend weißen Uniformen mit gelbem Band an der Mütze sehen stramm und wohlgedrillt aus.
Auf leichten Strohsandalen holte uns immer wieder der Postbote ein. Er war zwar etwas mehr gehleidet, als jener Bote der alten Daimios, dessen Bild ich hier bringe, trug auch eine regelrechte Posttasche, aber er schritt ebenso kräftig aus, wie sein Vorgänger, und auch in den Städten fiel mir der rasche Schritt der japanischen Postboten stets auf. Die Post in Japan ist ausgezeichnet. Mit wahrhaft ruhrender Pümktlichkeit erhielt ich Briefe und Karten nachgeschickt, alle mit kleinen beschriebenen hettelchen beklebt, die vermutlich angeben sollten, durch welche Postämter sie schon gelaufen waren.
Auch hier fielen mir die schön bebauten Selder wieder auf, diesmal war's besonders Reis und SZuckerrohr. In Japan blüht noch die Landwirtschaft, weil die Arbeitslöhne sehr gering find. Vierzig Prozent Landwirte bewirtschaften ihre eigenen Selder,die selten größer sind als ein halber ‚„Morgen“. Sür den Staat ist die Candwirtschaft von größter Bedeutung, denn sie liefert ihm bis achtzig Prozent der Cinnahmen.Sorgfältige Bearbeitung des Bodens und künstliche Bewässerung und Entwässerung bringen diese glänzenden Resultate hervor. Obschon es häufig regnet, sind überall Reservoirs,wo das in der Regenzeit fallende Wasser gesammelt wird. Dadurch verhindert man [15]2
2
Reise einer sschweizerin um die Welt.einigermaßen die Überschwemmung des Tieflandes und hat genügend Wasser für die trockenen Monate.
Endlich war ich am Suße des Berges stunozan angelangt, und einer Sestung gleich schauten die Cempelgebäude auf mich nieder.Mir graute vor den tausend hohen Stufen, die mich zum Heiligtume bringen sollten, aber da half kein Sögern. Einen JAinrikishaBoy nahm ich mit, der andere hütete das Wägelchen.
Schöne Bäume wuchsen am Bergeshang.Teilweise waren's Lackbäume. Man hatte soeben bogenförmige Einschnitte in ihre Stämme gemacht.
Der Lackbaum (Rhus vernicifera), japanisch Urufshimoki, erreicht eine Höhe von acht bis zehn Meter und ein Alter von vierzig Jahren, einen Umfang von über einem Meter.Er trägt eine schöne Krone mit mehr als meterlangen, prachtvollen gefiederten Blättern. Im Juni erscheinen die schlaffen, gelbgrünen Blütentrauben, im Oktober reifen die ebenfalls gelbgrünen Srüchte. Der Baum wird gewohnlich im achten oder zehnten Lebensjahre angeritzt zur Gewinnung des Lacks.
Japanische Lackwaren sind auch in der Schweiz nahezu in jedem Haushalte vertreten, und so möchte vielleicht etwas Näheres über Lack und seine Gewinnung die einen oder andern interessieren.
Wenn der Baum zum erstenmal, und zwar im Hochsommer, da das Material zu dieser Seit das beste ist, seinen Lack hergeben muß, so werden am unteren Ende des Stammes mehrere etwa zwei Miillimeter breite Einschnitte mit einem besonderen Messer gemacht. Einige Tage später erweitert und kratzt man diese Ritze etwas aus, und eine graugrüne Masse kommt aus dem Baume D so 165 bis 20mal im LCaufe des Sommers. Man kann auch die Aste ritzen,doch geben diese eine schlechte Lackqualität. Ein einzelner Baum liefert während seiner Cebensdauer, die durch diese Behandlung eine beschränkte wird, nicht mehr als höchstens 650 Gramm Rohlack. Dieser muß geklärt, filtriert und zerrieben werden,und Sinnober, Perillaöl, Eisenvitriol u. s. w. werden ihm beigefügt. Sur Verarbeitung des Lacks sind zwei Arbeiter erforderlich. Der eine macht die Grundierungen und liefert die gewöhnlichen Lackarbeiten, der andere malt mittelst Gold- und Silberstaub die Bilder und Verzierungen auf den schwarzen oder roten Grund. Unter diesen Malern gibt es Künstler, die oft eine acht- bis zehnjährige Lehrzeit durchzumachen haben. Im 17. Jahrhundert war die Blütezeit der Cackkunst, aus dieser Seit stammen Arbeiten, die jetzt einen unbezahlbaren Wert haben. Später, namentlich gegen Ende des XEX. Jahrhunderts, war die Nachfrage in Europa so groß, daß die billige []Bauern beim Regenwetter.
[152]Reise einer Schweizerin um die Welt.Dutzendarbeit begann. Wie billig diese Cackwaren sind, wissen wir alle, wie teuer sie in Japan sein können, erfuhr ich dort. Wie erstaunte ich, als ich einmal nach dem Preise eines niedlichen Cackdöschens fragte. „Sweihundert Yen“lautete die Antwort. Es war ein kleines Kunstwerk, wie tadellos in der Qualität des Lacks und der Ausführung, fsah ich erst recht, als ich ein minderwertiges Ding daneben stellte. Der Japaner zieht Cackkunstwerke allen andern vor und gibt große Summen dafür aus. Gegenwärtig hat sich die Kunst der feinen GoldCackmalerei wieder sehr gehoben und erzielt hohe Preise.sHäufig die Aussicht bewundernd, die sich zu meinen Suüßen immer weiter und großartiger ausbreitete, war ich allmählich die in Sels eingehauenen Stufen zur ersten Torii und einer Terrasse emporgeklommen,wo ein heiliger Matsu seine ÄAste weithin ausbreitet. Tief unter mir lag jetzt das Dorfchen Nekoya mit seinen lichtgrünen Sucker- und Reisfeldern, und etwas weiter schimmerte die See und eine Reihe Vorgebirge.
Abermals begannen neue Stufen, steiler, höher als die vorherigen. Sie führen zu den Tempeln, welche die Vorbilder derjenigen von Nikko bilden. Auf Kunozan war zuerst der große Shogun Iyeyasu beerdigt worden, hier ist auch noch sein steinernes Grab. Viele glauben, sein Körper ruhe noch darin, und nur ein einziges sdaar sei nach Nikko gebracht worden.
Das erste Gebäude ist der Stall des heiligen Pferdes, welches hier ein hölzernes ist. Ein heiliger Brunnen steht davor, aus welchem mir ein Bonze) mit hölzerner Kelle Wasser in die hohle sand schöpfte, worauf ein Obolus erwartet wurde. Der Tempelbesuch in Japan ist überhaupt kein ganz billiges Vergnügen, da vor jedem einzelnen Gebäude etwas Besonderes gezeigt wird, und jedesmal ein trinkgeldheischender Priester oder Laie davorsteht. Auch das beständige Schuhe-Ausziehen und Anziehen ist besonders beim Regenwetter eine sehr lästige Arbeit. Nochmals eine Treppenflucht!Jetzt bin ich bei dem „Crommelturm“ und der ursprünglich fünfstöckigen Pagode,welche der Shintoismus zu einer einstöckigen vereinfachte. In der Nähe steht das Schatzhaus mit kostbaren Rüstungen und Priestergewändern, ein Gebäude, wo die heiligen Speisen zubereitet werden, und der eigentliche Tempel, ein rotbemaltes Haus,inwendig in Gold und Schwarz verziert. Ein Priester drückte mir zwei in Papier gewickelte, zierlich dekorierte Bonbons in die Hand, das eine weiß, das andere rosa.
Priester.
R Priester.[]In den Bergen.
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Wandernder Gemüsehändler. (5. 148.)zu Chren der Tokugawa-Shogune, und insbesondere des großen Iyeyasu, tragen sie deren Wappen, die drei Asarum-Blätter.
Daß dafür ein Extratrinkgeld erwartet wurde, ist selbstverständlich.
Auf der Rückfahrt überredeten mich meine Boys zu einem Umwege, der mich in den Tempel der Blumen- und Sujigöttin Sengen brachte. Dort feiert die Holzschneidekunst wahre Triumphe. Jedenfalls ist der Cempel ein sehr populärer, der Tempelgrund ist ein offentlicher Lustgarten mit Teehäusern, Verkaufsbuden und Kinderspielpläßzen. Auch hier werden wie in Asakusa TCauben gefüttert.
Nachmittags fuhr ich weiter, Nagoya zu. Die Eisenbahn läuft meist der See entlang und gewährt entzückende Ausblicke auf die blaue Meeresfläche und die kleinen,grünen Inselchen, die allenthalben daraus emporsteigen. Leider begann es bald zu regnen, und bis zur Nase verhüllt trat ich die Sahrt vom Bahnhof zum Hotel an.Die JAinrikishaBoys lassen bei solchen Gelegenheiten ein Halbverdeck an ihren Wägelchen hinunter und knüpfen eine Gummidecke bis unter das Dach vor. So vermeint man,in Abrahams Schoß zu sitzen, und doch findet bei alledem ein japanischer Platzregen Mittel und Wege, einzudringen.
Da es so heftig regnete, ging ich zu einem CloisonnéKünstler und Verkäufer in der Nachbarschaft. Jene Kunst, die ursprünglich den Byzantinern zugeschrieben wurde,fand in China ihren Eingang im vierzehnten, in Japan im sechzehnten Jahrhundert.Japan leistet namentlich in der Neuzeit Großes in Cloisonne. Das Auge kann sich nicht satt sehen an den zarten Abtönungen der Deckfarben und Lazuren, an der Schönheit der Seichnung, die vorzugsweise Blumen und Tiere zum Vorwurfe nimmt.Aus einfachen Holzkästen brachte der Mann eine vase nach der anderen hervor, wickelte sie sorgfältig aus ihren Seidenpapierhüllen und stellte sie vor mich auf den Cisch.[]O Shiro in Nagoya. (S. 1656.)[]In den Bergen.
155 „Wie viel kostet das?“ Ich denke an den Effekt, den diese Vase mit den wunderbar schimmernden Goldfischen auf blauem Meeresgrund in meinen vier Wänden machen würde. „Achtzig Hen!“ Ich greife nach einem anderen, anscheinend bescheideneren Stücke. „õSweihundert Hen!“ Seufzend gebe ich den Handel auf. Nachträglich bereue ich, nicht wenigstens ein kleines Stück gekauft zu haben.
Den folgenden Morgen fuhr ich mit einem Empfehlungsschreiben, das Herr M.mir in Cokio erwirkt, nach dem Schloß O Shiro lautet der japanische Name einem der bizarrsten Gebäude, das ich jemals gesehen. Es sind fünf Häuser aufeinander, die sich nach oben verjüngen und eine unerhörte Verschwendung von geschweiften Dächern aufweisen. Dazwischen kommen weiße Mauerstreifen, in denen eine Menge kleiner Sensteröffnungen angebracht sind. Das oberste Dach schmücken zwei goldene Delphine, von denen der eine ein sonderbares Abenteuer erlebt hat.Er wurde im Jahre 1878 an die Wiener Ausstellung gesandt und erlitt auf der Rückreise mit dem Dampfer „Nil“, welcher der Messagerie maritime angehöorte,Schiffbruch. Mit großer Mühe nur konnte er aus dem, einem goldenen Delphin durchaus nicht zuträglichen, nassen Clemente gehoben werden, und thront nun zur Sreude aller wieder mit seinem Bruder vereint auf der Sinne des Schlosses zu Nagoya.Jeder der beiden Delphine hat eine sHöhe von 2,60 Metern.
Das Schloß wurde im Jahre 1610 durch zwanzig Daimios als Residenz für den Sohn des Shogun Iyeyasu erbaut. Als die Herrschaft der Shogune und Daimios zu Ende ging, wurde Schloß Nagoya Sitz des Militärdepartementes und litt sehr unter der Behandlung unkunstsinniger Offiziere und Soldaten.
Ein schoner Tempel ist der buddhistische Higashi sbongwanji, von vornehmem Aussehen durch seine stolze Abgeschlossenheit innerhalb hoher Mauern, durch seine ruhige Sarbe und die ehrwürdigen, schönen Matsu, die seinen Hof beschatten.Vornehm einfach ist auch die innere Ausstattung der Cempelgebäude.
Von Nagoya ging's nach Kioto, der alten Hauptstadt Japans, wo ich ein fröhliches Wiedersehen mit meinen lieben Sreunden 3. feierte, die unterdessen den Süden des Candes bereist hatten.[156]
Reise einer Schweizerin um die Welt.
Kioto, die alle Hauplslaöt.
RatsuragawaStromschnellen. Unser Sührer. Geschichte Kiotos. Bei den Geishas. Musikinstrumente.In der GeijhaSchule. Rekruten. Mikado-Palast. Amaterasu's-Spiegel. Blumenliebe der Japaner.KatjuraGarten. NijoPalast. Industrie in Kioto. Japanische Rünstler. Buddhisten-Begräbnis.
Schon früh am nächsten Morgen zog ich mit der Samilie J. und deren sSührer nach dem Dorfe Hozu, wo die Stromschnellen von Katsuragawa beginnen. Ein vorherbestelltes, großes, aus biegsamen Brettern gefügtes Boot wartete unser, und nun ging's hinein in die Strömung. Unser Sahrzeug hob und neigte sich in wellenförmiger Bewegung,so oft es den felsigen Grund des Slußbettes berührte. Überall, von allen Seiten starrten dunkle Selsblöcke, gegen die unsere behenden Bootsleute lange Haken stemmten, um jeden verderblichen Anprall zu vermeiden. Ungefähr U/ Stunde lang dauert die Sahrt über Strudel und Stromschnellen. Sehr steile Selswände schließen den Sluß ein, an dessen Ufern hoher Bambus seine geschmeidigen Rohre neigt. Genügsame, lebensfreudige Matsu und Buchen wachsen aus allen Selsspalten, ihren Schatten auf das Wasser werfend, das bald grün, bald lichtblau schimmert, zuweilen auch in weißem Gischte gegen die dunkeln Steine prallt. Es war eine aufregende und dabei gefahrlose Sahrt, welche nur allzufrüh in Arashichama am Suße der Stromschnellen endete. Dort erquickte uns im Teehaufe ein kalter mitgebrachter „Tiffin“, wie im Osten das zweite Srühstück genannt wird. Wir begossen ihn mit o cha, bei dem uns die Samilie des Wirtes treulich Eesellschaft leistete. Ein darauf folgendes Mittagsschläfchen, wobei wir die vorzüge der schon erwähnten ‚Makura“, des Kopfschemels, erprobten, wurde durch den Süuhrer vorzeitig unterbrochen. Dieser unermüdliche, besorgte, getreue Eckehart, eine Perle in seiner Art, war ein Cyrann reinsten Wassers. Wir beide wären jedenfalls nimmer zusammen []Tiffin. (8. 156.) [] Kioto, die alte Kauptstadt.
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Geishas.ausgekommen. von früh bis spät kommandierte und bestimmte er alles und ließ die MWünsche meiner Sreunde nur in Betracht kommen, wenn sie mit den seinigen übereinstimmten. Srau 3. hatte ihm den Übernamen „Allmächtiger“ gegeben und unterzog sich, seufzend zuweilen, aber doch immer gehorsam, seinen Anordnungen. Jedenfalls war er ein gewissenhafter Suhrer, der keine Mühe scheute, möglichst vieles zu zeigen.Dabei gefiel mir sein Patriotismus, der ihn als Cicerone unentwegt alles vermeiden ließ, was irgend ein ungünstiges Licht auf sein Land und seine Landsleute hätte werfen können. Er hielt es dabei genau mit den drei Tempel-Affen in sükko, welche weder Übles sehen, hören noch sprechen wollen.
Unter dieser kundigen Sührerschaft verlebte ich mit den Sreunden die ersten vier Tage in Kioto.
Diefe alte Mikadostadt ist eine gefallene Größe und zählt jetzt kaum mehr als die Haälfte der Cinwohner, die sie im Mittelalter gehabt, wo ihre Sahl sich auf 800,000 erhob. Im Jahre 798 wurde sie vom Mikado zur Residenz erkoren und aufs großartigste angelegt, die Stadt erhielt eine Ausdehnung von beinahe 4,8 Kilometer von Osten nach Westen und 5,6 Kilometer von Norden nach Süden.stioto war so recht das Rom des Buddhismus und Shintoismus. Alle religiösen Sekten trachteten eifrig danach, ihre Vertreter in der Residenz zu haben und ihre Tempel dort zu errichten. Su Ende des 1N. Jahrhunderts standen in Kioto und der nächsten Umgebung nicht weniger als 2127 Mias (Tempel und Kapellen) der Shintoreligion.Die Buddhisten aber zählten 8898 Tempel und Pagoden. In der Stadt lebten 52,170 Priester und 20 Sekten. Vermöge seiner goöͤttlichen Abstammung war der Mikado Oberhaupt der alten volkstümlichen Shintoreligion, die jedoch keine organisierte Geistlichkeit hatte. Nun schuf der Mikado eine Hierarchie von Beamten, denen priester
[1658]Reife einer Schweizerin um die Welt.licher Charakter beigelegt wurde und die für den Kultus und alles, was damit zusammenhing, zu sorgen hatten.
Ist Kioto eine gefallene Größe, so hat sie sich wenigstens mehr Originalität bewahrt als die übrigen Städte, und vor allem gelten hier die Geishas, diese Sirenen Japans, für die Besten im CLande. Sünfundsiebenzig Sranken, um während einer Stunde Geishatänze zu sehen, schien mir freilich ein teures Vergnügen, aber Japan verlassen ohne Geishas, das ging nicht an. So fuhr ich denn eines Abends mit meinen Sreunden und deren Sührer in ein Ceehaus, wo alles zu unserem Empfange bereit war, sogar Pantoffeln, die wir über unsere Schuhe zu streifen hatten. Mit vielen Verbeugungen wurden wir in ein Obergemach geführt. Bunte Papierlampen erleuchteten festlich den Raum, der gegen den Sluß zu einen Balkon hatte. Der Sußboden war mit feinen Strohmatten bedeckt. Aus zarter Rücksicht auf unsere europaischen Gliedmaßen standen auf dem Balkon ein TCisch und einige Stühle.vorläufig taten wir unser Bestes, uns nach japanischem Beispiel und landläufiger Sitte auf niederen Kissen auf der Strohmatte zu lagern. Kleine schwarze, etwa 15 Centimeter hohe Tischchen wurden vor uns gesetzt. Auf jedem fanden wir ein niedliches Koörbchen mit Chrysanthemum, LCotos-Knospen und Blättern, alles aus Zucker und reizend in Sorm und Sarbe. Drei ältliche Japanerinnen brachten uns in Puppennäpfchen warmen Saké, das Nationalgetränk der Japaner, und in Butter Gebackenes,das wir mit Eßstäbchen bewältigen sollten.
Plötzlich flattern acht oder neun Geishas herein, so bunt, so leicht wie farbige Salter, und flügelgleich erscheinen die breiten Schleifen der Obi. Seurig rote Blumen leuchten und wiegen sich in dem tiefschwarzen Haar, und rot sind auch die Lippen der Cänzerinnen gemalt. Sie scheinen kaum den Kinderschuhen entwachsen, die beiden stleinsten sind wohl erst 12 Jahre alt. Vorläufig lassen sie sich neben uns nieder und erfreuen sich an unseren Süßigkeiten. Dann beginnt der Tanz.
Tanz? Nein, so kann ich es nicht nennen, denn die Süße spielen kaum eine Rolle dabei. Die Hände, die abwechselnd den Sächer und den Sonnenschirm halten und in rhythmische Bewegung bringen, sind es, die das meiste leisten. Die Gesichter bleiben ernst, traurig, ja oft liegt ein leifer Zug des Schmerzes darauf. Der Körper wiegt sich in gemessener, rhythmisch pantomimischer Bewegung nahezu auf die gleiche Stelle gebannt.
Diese pantomimischen Tänze sind unzweifelhaft sehr alt. Man behauptet, es gäbe deren wohl an 400, und eine gute Tänzerin sei verpflichtet, wenigstens 100 davon darstellen zu können. Jeder Tanz veranschaulicht eine gewisse Handlung, und unser Sührer, der strahlend da hockt, bemüht sich in seinem oft mangelhaften Englisch, uns jeden einzelnen zu erklären. Da erscheint zum Beispiel eine Geisha, die einen Steuermann darstellen soll. Mit ihrem Sächer, den sie mit seltener Grazie handhabt,beschwichtigt sie die Wellen und lenkt ihr Schiff. Oft neigt sie sich dabei zur Erde nieder, oft springt sie plötzlich auf. Eine andere Pantomime soll Aprikosenblüte und Srühlingsregen vorstellen. Der dritte Tanz ist eine Befteigung des heiligen Sujinohama. Offenbar muß sie schwierig und lang sein, denn die kleine Geisha ist darüber alt und grau geworden und bindet sich zuletzt die Maske eines runzligen Mütterchens []* ⏑ ⏑
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Musizierende Geishas (Flöte, Koto, Samise). G. 160.)
[160]Reise einer Schweizerin um die Welt.vors Gesicht. Nach jedem Tanze berühren die Geishas zum Dank für unseren Applaus mit der Stirn die Erde. Jedes Stück wird durch die drei ältlichen Japanerinnen mit Musik begleitet. Eine schreckliche, nervenerschütternde Leistung. Die drei Parzen pauken und fiedeln drauflos sonder Melodie und Takt, mitleidslos für unsere Ohren.
Ein Orchesterstück wird eingeschoben, interessant der Instrumente wegen, nervenerschütternd in der Wirkung! Da ist das Koto, ein langes, großes Holzinstrument mit vielen Saiten, die einen harfenartigen Ton von sich geben. Sweitens die Samise,welche an die Mandoline erinnert, wohl das beliebteste Instrument in Japan. Sie wird mit einer Art Kamm aus Elfenbein oder Schildpatt gespielt. Dann die Taico genannte Crommel, flacher und kleiner als die unfrige. Die Schlegel werden nie zusammen, sondern einzeln gerührt. viertens eine sehr einfache Bambusflöte und fünftens zwei kleine Trommeln, Czudsumi genannt, von denen die eine auf der rechten Schulter,die andere auf dem linken Knie mit der flachen Hand bearbeitet wird. Hie und da stößt die Spielerin dazwischen einen scharfen Con aus, „iau“ heißt er, und klingt dem Miau einer Katze täuschend ähnlich.
In der darauffolgenden Paufe werden Erfrischungen herumgereicht. Auf den warmen blaßgelben, einschläfernden Saké ist strohgelber Tee und Reis gefolgt,alles in kleinsten Schälchen und Portionen. Weiter wird das Verzehren einer mit schwarzer Sischhaut umsponnenen Sußigkeit und der Gebrauch der Eßstäbchen von uns erwartet. Beides keine leichte Aufgabe! Unsere kleinen Geishas dagegen leisten Großes darin! Wie eine Schar hungriger Spatzen haben sie sich auf einen Reisteller geworfen, und einen Augenblick später ist kein Körnchen mehr sichtbar.Ein hübscher Anblick diese bunten aneinandergeschmiegten Mädchengestalten im etwas gedämpften Lichte der farbigen Lämpchen!
Den Schluß bildet ein Tanz, an dem alle Geishas teilnehmen. Er scheint für europaischen Geschmack zugestutzt und gefällt mir am wenigsten. Die langen, schleppenden Gewänder werden etwas in die Hohe gerafft, und ein Teil des Süßchens ist sichtbar. Die japanische Slagge flattert an ihren Schultern, und die bis jetzt so ernsten Gesichter erhellt ein schwaches Lächeln.
Nach Beendigung des Tanzes kauern die Mädchen zutraulich, aber nicht zudringlich neben uns auf die Matte. Sie zeigen uns mit Vvergnügen ihre schönen seidenen Kleider und prächtigen Obis und untersuchen ihrerseits unsere Gewänder. Eine kleine Weile vergeht noch unter Lächeln, Sächeln, Knixen und Kichern, dann trippeln die Kleinen zum Simmer hinaus, und mit tiefen Verbeugungen verlassen auch wir den Schauplatz des Geifhafestes.
Nun verlangte uns auch, die Geishas an der Arbeit zu sehen, denn es gibt in Kioto wirkliche Geishaschulen. wo die Kleinen nicht nur tanzen, singen und spielen,sondern auch schreiben, lesen und nähen lernen. So koönnen sie auch gute Hausfrauen abgeben, wenns mal mit dem TCanzen vorbei ist. Geishas will man in Japan nur ganz junge sehen. Einmal über die erste Jugendblüte hinaus, werden sie Sängerinnen oder spielen eines der ebengenannlen Instrumente. In Japan selbst nennt man die jungen Cänzerinnen Maikos. Unter Geishas versteht man die Sängerinnen.[]Japanische Bänkelsängerin. (s. 1656.) [] Kioto, die alte Hauptstadt.
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Musizierende Geishas.Arme Eltern verkaufen gerne ihre hübschen kleinen Mädchen an einen Unternehmer, dessen Eigentum sie bis zum 18. Lebensjahre werden. Der Unternehmer sorgt für Unterhalt, Kleider und Bildung des Kindes, welches gewöhnlich fschon mit dem 12. Jahre auftreten kann. Die Einnahmen fließen in die Kasse der Schule;heiratet das junge Mädchen vor Ablauf des 18. Jahres, so muß der Bräutigam sie loskaufen. Hat sie einmal dieses Alter erreicht, so fließt der Ertrag in ihre eigene Tasche.Weir gingen von einem Gemach ins andere. Überall wurde tüchtig und ernstlich gearbeitet. In der Ecke jedes Simmers hockt eine Lehrerin. Pfeifchen und Teetopf bilden ihre Erholung bei der sehr anstrengenden Arbeit, denn keinen Augenblick läßt sie ihre tanzenden Schülerinnen außer acht. Mit dem Taßktstock begleitet sie jede Bewegung und brummt und fummt dazu die Melodie. Eine halbe Stunde gespannlester Aufmerksamkeit für Lehrerin und Schülerin, dann entfernt sich diese mit tiefer berbeugung und freundlichem Danke. Ein anderes junges Mädchen, das unterdessen schon gewartet hat, kommt an die Reihe. Die Lektion nimmt ihren Sortgang. Kein ungeduldiges Wort, keine unmutige Bewegung, kein Seichen der Ermüdung unterbricht die Cektion! Niemals ist mir eine solche Übereinstimmung zwischen Geben und Empfangen, zwischen Lehren und Lernen vorgekommen. Mir erscheint sie wie die Erfüllung eines Traumes, eines unerreichbaren Ideales, das wohl jedem Lehrer,jeder Lehrerin bei Beginn ihrer dornenvollen Laufbahn vorschwebt.
Dasselbe finde ich in anderen Schulen. Blickt man in einen an der Straße gelegenen Schulraum, es mag Stadt oder Land sein, so sitzen die kleinen Japaner artig und still auf ihren Bänken. Aufmerksam lauschen sie den Worten des Lehrers und freuen sich, wenn sie, einmal gefragt, antworten dürfen.
Diese unbedingte Unterwürfigkeit kommt dem zukünftigen Soldaten, dem Vaterlande selber zu gute. Deutsche Offiziere habe ich mit Begeisterung von dem Gehor
C. von Rodt, Reife um die Welt.[77]4
Reijse einer sschweizerin um die Welt.sam, der strammen Disziplin im japanischen
Heere sprechen hören. Niemals vernimmt man da ein aufgeregtes Wort, niemals Schimpfen und Sluchen. Und woran liegt das? Wohl vor allem an der Erziehung der Kinder, die von ganz klein auf zur Chrerbietung, zum
Gehorsam gegen die Eltern angehalten werden.
Schwerer noch als einem unserer Bauernjungen, fallen sicherlich die ersten Dienstwochen dem japanischen Rekruten. Bis dahin
D schlafrockähnlichen Gewand, dem Kimono,hestanden, an den Süßen hat er Strohsandalen, auf dem Kopf ein Cuch, sonst nichts,gar nichts getragen. Bis zu seiner Einstellung saß das Männchen auf seinen Waden oder lag zusammengekauert wie ein Igel auf einer Strohmatte. Sum Essen bediente es sich zweier Stäbchen, mit Hülfe deren es seine ausschließliche Nahrung, Reis, in den Mund schob. Nun drückt den Burschen eine enge Uniform, er muß zum erstenmal den Gebrauch von Knöpfen und Haken kennen lernen, seine Süße stecken jetzt den ganzen Cag in Lederschuhen und hohen
Gamaschen, seinen Hals schnürt eine steife Binde. Er muß lernen, an und auf ihm ganz unbekannten Tischen und Stühlen zu sitzen, in einem Bette zu schlafen,darf nicht mehr feine übliche Verbeugung machen, nicht mehr freundlich grinfen,wenn er den Befehl eines Vorgesetzten entgegennimmt.
Mit zwanzig oder dreißig Genofsen schläft er in einem hellen, luftigen, holländisch reinlichen Saale. Jede Kaserne hat ihr Krankenzimmer und große Badeeinrichtungen mit heißem und kaltem Wasser, wo die Soldaten nach Belieben zwei bis dreimal im Tage baden können. Arrestlokale sind keine vorhanden, da Insubordination zu den seltensten Sällen gehört. Die Kost besteht dreimal des Tags aus gekochtem Reis mit Gemüse, großen weißen Rettichen, Bohnen oder getrockneten Sischen. Der Sold beträgt nach allen Abzügen etwa zwei Yen (fünf Sranken) monatlich.
Das Offizierskorps soll alles Cob verdienen; viele Offiziere haben in europäischen Armeen gedient und sprechen Sranzösisch, Deutsch oder Englisch.
Auf sehr hoher Stufe steht die Krankenpflege im seere. Die Militärärzte haben ausnahmslos ihre Diplome auf europäischen Universitäten erworben, und seit 1877 wirkt die Gesellschaft vom Roten Areuz aufs segensreichfte in Japan. Das noch junge Unternehmen zahlte schon im Jahre 1807 über 28,000 Mitglieder und befaß damals ein Jahreseinkommen von ungefähr 200,000 Sranken und einen Reservefonds von 11/4 Millionen Sranken. Das Kaiserpaar zeigt ein warmes OInteresse für
Rekruten.
H Beifolgendes über Heerwesen und Krankenpflege habe ich dem werke E. v. HesseWarteggs,„China und Japan“, entnommen.[]Bambuswald bei Rioto. (5. 156.) [] Kioto, die alte Hauptstadt.
163 das Rote Kreuz und trägt reichlich zu seinem Gedeihen bei. Die Krankenpflege beschränkt sich nicht nur auf den Krieg, sondern wird auch in Sriedenszeiten beansprucht, dafür sorgen schon die vielen Erdbeben in Japan. Sudem hat das Rote Kreuz im Jahre 1891 ein großes Hospital in Tokio gegründet.
Eine besondere Erlaubnis, die mir den Besuch der kaiserlichen Schlösfer in Kioto gestattete, benutzte ich zunächst, um den großen Palast des Mikado zu sehen. Geheimnisvoll liegen die Holzhäuser, aus denen der Palast besteht, hinter einer hohen Mauer.Der mehrmals durch Seuer zerstörte Häuferkomplex, einfach und schlicht nach außen und innen, stammt erst aus dem Jahre 1854. Die Wohnungen des höchsten Adels, der Kuge, die einst zwischen Palast und Mauer lagen, sind verschwunden, einen Eindruck der Verödung macht das Ganze.
Ich wurde in den Chronsaal, Shishineden genannt, was in der Übersetzung „geheimnisvolle Purpurhalle“ heißt, geführt. Dieser Saal diente zu Neujahrsempfängen und Audienzen. Nur den Kuge und Daimios war es gestattet, einzutreten, doch mußten sie sich am entgegengefetzten Ende vom Thron mit dem Geficht auf den Boden niederlegen, während der Mikado auf dem zeltartigen Chrone hinter einem Vorhang verborgen saß. Keinem Sterblichen war es vergoönnt, sein heiliges Antlitz zu schauen.
Wer an Rang tiefer stand als die Daimios, durfte nicht daran denken, den Saal zu betreten. Sur ihn führten achtzehn Stufen in den Hof hinunter, sie entsprachen den einstigen achtzehn Rangklassen, in welche die Beamten des Mikado eingeteilt waren. Es gab aber auch solche, denen es nicht einmal gestattet war, auf der untersten Stufe zu stehen, und diese hießen Jige, d. h. „Nieder in den Staub“.
Unweit davon ist ein Gebäude, Kashiko-dokoro, Ort des Schreckens genannt,wo früher der heilige Spiegel der Sonnengöttin Amaterasu aufbewahrt wurde. Jetzt
Zutünftige Vaterlandsverteidiger.
[164]Reise einer Schweizerin um die Welt.steht er im Heiliglum zu Ise. Dieser Spiegel spielt eine wichtige Rolle in der Geschichte der Mikado und bildet mit einer Kette von Bergkriftallen und einem Schwert die Insignien des Reiches. Menschlich naiv lautet die Sage dieses Spiegels:
Amaterasu), die schöne Sonnengöttin, hatte einen bsen, grämlichen Bruder. Cinmal entzweiten sich die Geschwister so sehr, daß Amaterafu sich grollend in eine tiefe Selsenhöhle des Himmels zurückzog und das schwere, große Cor fest hinter sich abschloß.Tiefe Sinsternis bedeckte von nun an das Weltall, und ratlos irrten die Götter alle hin und her. Eine vVersammlung wurde auf die Milchstraße einberufen und endlich nach langem Kopfzerbrechen beschlossen, die Neugier der Göttin zu reizen und sie dadurch aus ihrer Höhle zu locken. Ein Metallspiegel, so groß wie die Sonne, wurde verfertigt und an einen Baum gehängt, der sich vor der Selsenhöhle befand. Die Götter veranstalteten ein großes Sest und spielten auf allen moglichen Instrumenten,die Göttinnen tanzten, und des Scherzens und Lachens war kein Ende. Amaterasu,die sich in ihrer Selsenhöhle langweilte, konnte bald ihre Neugier nicht mehr im Zaume halten. Sie öffnete ein klein wenig das Tor. Ihr Blick fiel auf den Spiegel,aus dem ihr das eigene Bild entgegenstrahlte. Erstaunt tat fie die Cüre noch etwas weiter auf und trat einen Schritt vor. Da schlich sich unversehens Gott Cajikarao,der Stärkste im Himmel und auf Erden, hinter sie, hob das gewaltige Tor aus den Angeln, zog die noch Widerstrebende vollends hinaus, und hell und leuchtend schien wieder die Sonne. Die übrigen Götter spannten unterdefsen ein Seil vor den Cingang der Höhle, um Amaterafu zu verhindern, je wieder sich darin zu verbergen. Den Spiegel aber schenkte Amaterasu ihrem Nachkommen JAimmu Tenno, dem ersten Mikado,mit den Worten:
„Behalte diesen Spiegel, mein Ebenbild, und deine Dynastie wird dauern;bewahre ihn treu, und wenn du ihn ansiehst, so denke, du sähest mich selbst.“
Im O Gakumonjo, d. h. den kaiserlichen Studierzimmern, wurden Vorlesungen gehalten und Poesie und Musik gepflegt. Die Schiebwände sind mit Tier- und Pflanzenbildern geschmückt, nach denen die einzelnen Gemächer benannt werden. Da ist das Zimmer der wilden Gänse, der Chrysanthemen u. s. w. Wie fein, poetisch und wahr zugleich sind diese einfachen Gegenstände aufgefaßt, und welch liebevolles Sichversenken in die Wunder der Natur tut sich kund!
Die Liebe zur Natur ist eine der charakteristischen und liebenswürdigen Eigenschaften des Japaners. Wenn die JIris im Slore stehen und im Srühjahr die Kirschbäume blühen, wenn später Lotos, Glycinen und Chryfanthemen ihre Sarbenpracht entfalten, dann eilt der Japaner mit Kind und Kegel hinaus und veranstaltet ein Sest zu Ehren seiner Blumen.
„Sind erst die Blüten dahin,Die Sehnsucht bringt sie nicht wieder.Willst du fie brechen, tus heute,Sonst ach! ist es zu spät.“Rokin wakafhu, japanische Ciedersammlung.)) Diese und die später folgenden Sagen der Seidenraupe und der Miidera Glocke find A. H. Exner nacherzählt.[]RatsuragawaStromschnellen. (5. 156) [] Kioto, die alte Hauptstadt.
165 Ein Besuch des kaiferlichen Gartens Katsura, den ich unmittelbar auf den Mikadopalast folgen ließ, zeigte mir so recht das Ideal eines japanischen Parkes, das von unseren Begriffen ebenso abweicht, wie die Aufstellung der Blumen im Simmer.Während wir uns bestreben, verschiedene Blumensorten in möglichst harmonischer Sarbenzusammenstellung in einen festeren oder loseren Strauß zu binden, wird die Japanerin nur einen einzelnen Sweig, eine einzelne Blume mit langem Stengel und Blättern möglichst zierlich und geschmackvoll in eine Vase stellen. An Blumen im Zimmer darf's nicht fehlen, und eine schöne Blume sendet man in Japan gern seinen Sreunden.
„Sagte den andern ich nur, wie prächtige Blumen ich schaute,Nutzen hätte es nicht, bräch' ich sie nicht zum Geschenk.“In einer japanischen Parkanlage fehlen die Blumen; Bäume in ihren mannigfachen Blatt- und Nadelformen, in ihren Schattierungen, wobei der im HBerbst rotgefärbte Ahorn ein Liebling ist, nehmen deren Stelle ein. Im Katsuragarten gibt es steile RSügel und Wege, künstliche Teiche mit Goldfischen, steinerne, gewölbte Brücken und Holzstege, kunstvoll in Sorm von Schiffen, Affen und Papageien verschnittene Matsu, steinerne Laternen und zahlreiche Pavillons, die jetzt veroödet und verwaist dastehen. Mit künstlerischem Sinn ist die Cage dieser Häuschen, wo einst fröhliche Teefeste gefeiert wurden, gewählt. Von jedem genießt man einen schönen Ausblick,ein einheitliches, harmonisches Bild. Am Rande des Ceiches liegt ein großes Brett aus Bambus, es ist Tsukimidai getauft, was „Mondscheinbrett“ heißen soll. Dort pflegte Prinzessin Katsura mit ihrem Hofe zu stehen und den Aufgang des Mondes hinter den hohen Pinien zu betrachten.
Der Mond) bildet einen der häufigsten und beliebtesten Gegenstände japanischer Poesie, ist jedoch einer literarischen Schonzeit unterworfen. Kein Dichter von Geschmack würde es wagen, ausgenommen im September, ihn anzusingen.
Hohen Schwung charaßkterisieren diese Mondscheingedichte keineswegs, z. B.:
Das Anstaunen des Perbstmondes.
O silberner Herbstmond, du bist mein schöner Sreund! Letzte Nacht sah ich im grünen Selde nach dir. doch heute werde ich dich vom Sluß aus bewundern.Ein Boot im Mondschein.
Das Boot schwamm, getragen von der strömenden Slut; wir ruderten der offenen See zu. Doch sieh, da erhob sich auf einmal in weiter Serne der herrliche Mond hinter der Insel.
Gosfutsuji Masaos, Poet der Gegenwart in Kioto.)
Sonderbar, daß die neuerungswütigen Japaner im Gebiet der Poesie starr beim Alten beharren und sich noch jetzt zum ausschließlichen Vorbilde die Man-powakafhu und Kokinwakashu, zwei Anthologien aus dem achten und zehnten Jahrhundert,nehmen. Originalität wird weder geschätzt noch verlangt und alles, nicht nur der Mond, in bestimmte Schablone gepreßt.
Die sogenannten WakaGedichte des Poeten Hosutsuji Masaos bestehen alle aus i) Beifolgenden Abschnitt über japanische Dichter und Dichtungen habe ich dem Werke Adolf Sischers, „Bilder aus Japan“, entnommen.
[36]Keise einer Schweizerin um die Welt.einunddreißig Silben; ausnahmsweise sind eine oder zwei darüber erlaubt, aber niemals weniger.
Solgende Motive etwa schreibt der lyrische Ralender vor: Sür den Januar:Teujahr, Nebel, Sturm; im Sebruar:Weiden, Pflaumenblüte; im März: Die Berge im Sruhling, Liebesglück; im April:sirschblüte, Schmetterlinge, Spaziergänge;im Mai: Azaleen, Glycinen, Vergleiche zwischen Liebe und Wasser; im Juni:Wolken, Abendstern; im Juli: Der Sluß,Regen, Sächer; im August: Johannis-käfer; im September: Mondschein, nachtschwärmende Insekten; im Obktober:Ahorn, fallendes Laub, Vögel, Rehe, Hirsche; im November: Chrysanthemen, Pinien, Sreundschaftswünsche auf ein tausendjähriges Leben; im Dezember: Schnee,Jahreswende.
Was die Dahreszeit betrifft, so ist der Herbst die weitaus beliebteste Seit bei den japanischen Poeten; im heißen Sommer dagegen unterläßt, wer es irgendwie sich leisten kann, das Dichten, dann haben auch die abgehetzten Redaktoren „Schonzeit“.
Eine wichtige Rolle spielen Papier und Sormat, auf welchem die Gedichte geschrieben werden: Kaishi heißt das sogenannte Taschenpapier, welches die Poeten fruher gefaltet im Gürtel stecken hatten; noch jetzt steht es bei feierlichen Anlässen für zeremonielle Gedichte im Gebrauch. Shikishi heißt das farbige, Tanjaku das kurze, aus schmalen, langen Streifen bestehende Papier, beide Sorten werden verwandt.
Doch genug von der japanischen Sunft der Versemacher, deren in starre Sormen gepreßte poetische Ergüsse so gar nicht Schritt halten mit dem feinen Natursinne des Volkes. stehren wir zurück in den schönen Katsuragarten!Uralte Bäume und ein dichter, hoher Bambuswald hegen und spinnen den Garten ein, so daß kein unberufenes Auge von draußen hineinschauen kann in dieses friedliche, poesiereiche Paradies.
Nach diesem Muster ungefähr legt sich jeder Japaner, auch wenn er nur einige Meter Land sein eigen nennen darf, sein Gärtchen an, alles en miniature natürlich.Besitzt er keinen Grund und Boden, so hält er sich wenigstens ein paar Matsu, Kirfchund Pflaumenbaäumchen in kleinen Topfchen.
Diese Swergbaumchen sind eine japanische Eigenheit, die uns Europäern unbegreiflich erscheint. Während wir das mögliche tun, um unsere CTopfpflanzen groß und kräftig zu ziehen, wendet der Japaner alle Kunst an, sie im Wachstum zurückzuhalten. Er beseitigt jeden kräftigen Schößling, biegt und dreht den Stamm in alle möglichen widernatürlichen Sormen, zwängt die Pflanze in den kleinsten Topf, gibt []Zeidenweberei. (5. 169.)[]X
Reise einer Schweizerin um die Welt.ihr so gut wie keine Erde, kurz, quält sie auf jede Art und Weise. Schließlich bringt er es so weit,daß ein dreißig bis vierzigjähriger Baum ein krüppelhafter Swerg von einem halben Meter soöhe ist und bis hundert und noch mehr NVen kostet.Viel schöner als das Schloß des Mikado ist der NijoPalast, eine Schopfung des Shogun Iyeyasu und im Jahre 1601 erbaut. Leider litt er sehr zur Seit, wo die Präfektur ihren Sitz darin hatte. In den Jahren 18851886 wurde er einigermaßen restauriert. Hier feiert abermals die Holzschneidekunst ihre schönsten Triumphe. Schon die beiden Eingangstore zeigen eine herrliche Vereinigung von Metallwerk und vergoldeter und bemalter Schnitzerei. Auf dem einen sind Kraniche, Schmetterlinge, Drachen,auf dem anderen Phönixe und Päonien. Hohe dunkle Pinien beschatten die zwei schönen Tore. In dem Palast sind es die Ramma, eine Art Sries, welches Seitenwände und Decke verbindet, die meine ganze Bewunderung erregten. Aufs reichste und durchsichtigste geschnitzt, zeigen sie auf der einen Seite eine Pfauengruppe, auf der andern einen Päonienzweig, und das ohne die eine oder andere Seichnung im mindesten zu beinträchtigen oder zu verwirren.
Die Wände leuchten teilweise in Goldgrund. Tiger stürzen aus hohen Bambusbüfchen hervor, lebensgroße Adler thronen auf weitästigen Matsu, Palmen scheinen ihre Sederkronen leise zu neigen, Reiher gravitätisch einherzuwandeln, Alles ist in kühnen, großen Sügen entworfen, ganz verschieden von der gewohnten japanischen Miniaturmalerei. Simmer reiht sich an Simmer, Saal an Saal, überall Goldmalerei,überall vergoldete Beschläge, denen meistens noch die drei Asarum-Blätter, das Wappen der Tokugawa-Shogune, eingraviert sind. Die Decken sind alle kassettiert und aus dem dunkeln schönen ßsolze der Kryptomerien gefügt.sioto hat den Beinamen „Tempelstadt“. Da ist der San-jusangendoTempel mit seinen 33, 338 vergoldeten RwanonStatuen, dem riesigen hölzernen Daibutsu und der größten „Daibutsu“Glocke, welche beinahe 5 Meter hoch, 27 Centimeter dick, 2, Meter im Durchmesser hat und über 68 Tonnen) schwer ist. Der NishiHongwanji-Tempel mit
9341 Tonne IOIG as xg.
Japanische Topfpflanzen.[]Blumenpflege. (5. 164.) [] Kioto, die alte Hauptstadt.
169 herrlichen Prunkgemächern ist in der Art des NijoPalastes. Er gehört einer weit verzweigten buddhistischen Sekte an, die freieren Ansichten huldigt. Dann die Chioninund KurodaniKlöster, die verschiedenen Tempel der Jodo und SenSekte, der Buddhisten und Shintoisten, schöne, interessante Bauten mit herrlichen Tempelgärten und Hainen, deren Einzelbeschreibung mich aber viel zu weit führen würde.
Cieber will ich noch etwas von Kiotos industriellem und Straßenleben erzählen.In Kioto, heißt's, ließen fich die besten Cinkäufe machen. Ich glaube ja, aber auch hier ist alles Schöne teuer, sehr teuer. Was Dutzendware ist, bekommt man in Europa ebenso billig, wenn man noch Verpackung, Porto und Soll hinzurechnet. Die billigen heiten Japans sind vorbei. Su viele Sremde, besonders Amerikaner, bereisen das LCand, die jeden Preis bezahlen, sobald ihnen etwas gefällt.
Und doch zu welch billigen Preisen wird hier noch bei sechzehnstündiger Arbeitszeit gearbeitet. Die besten Maler und Mechaniker erhalten täglich etwa zwei und einen halben Sranken, Sticker, Aufseher, solzschnitzer die sHälfte, Arbeiter gewöhnlichen -zchlages etwa sechzig oder siebzig Centimes im Tage. viel schlechter sind noch die armen Arbeiterinnen bezahlt. Am gesuchtesten sind Malerinnen und Stickerinnen, die aber mit fünfzig Centimes zufrieden sein müssen. In anderen Industriezweigen erhalten die Tüchtigsten vierzig Centimes, weniger geschickte dreißig und Lehrmädchen gar nur fünfzehn.
Sür spezifisch japanische Artikel gibt es keine Sabriken in europäischem Stile,sie sind noch Kleinindustrie geblieben. Cin bescheidenes Stübchen im Bause wird ihr eingeräumt, alle Glieder der Samilie beteiligen sich von Kind auf daran, und die suziehung eines, höchstens zweier Arbeiter genügt in den meisten Sällen, um Tüchtiges zu liefern.
In kleinen ärmlichen säuschen ohne Sirmatafel und Schilder muß man die japanischen Künstler suchen. Halbnackt auf dem Bauche liegend oder auf den Waden hockend, pinseln sie wahre Kunstwerke an Seinheit und Geschmack auf Seide oder auf Porzellan. Hier auch entstehen die herrlichen Cloisonné und Bronzen, welche einen Weltruf erlangt haben.
In Kioto blüht besonders die Seidenindustrie. Herrliche Stoffe gibt es hier zu kaufen, vom dünnsten Seidenkrepp bis zum schwersten Damast, aber teuer!
Die Seidenzucht ist von China im 83. Jahrhundert durch die befiegten Koreaner nach Japan gekommen. Anders freilich lautet die japanische Sage hierüber:
„Eine indische Königstochter wurde von ihrer Stiefmutter schlecht behandelt.Einst, als diese sehr erzürnt war, legte sie das arme Kind in einen hohlen Baumstamm,den fie ins Meer hinaus schwimmen ließ. Lange trieb die kleine Prinzessin auf dem Wasser umher, bis sie endlich an die Küste RNippons verschlagen wurde. Dort hob man sie aus dem Baumstamme und behandelte sie aufs liebevollste Hum Dank verwandelten sie die Götter nach ihrem Tode in eine Seidenraupe, von welcher die Japaner die Seide kennen lernten.“
Caden drängt sich an Caden, Porzellan, Cloisonné-, Bronze- und Kupferwaren wvechfeln miteinander ab. Dazwischen wogt eine bunte Volksmenge, und immer gibt's etwas zu schauen.
Eines Tages sahen wir einen langen Sug, ein buddhistisches Leichenbegängnis.boran fuhren in Ninrikisha ein halbes Dutzend kahl geschorene, weißgekleidete Bonzen
[470]Reise einer Schweizerin um die Welt.
Beim Seidenwarenhändler.mit offenen Sonnenschirmen. Dann kamen weißgekleidete Männer zu Suß. Sie trugen rote Sonnenschirme, violette Sahnen, grüne Copfpflanzen, kleine schwarze Koffer und weiße Lanzen. Nun erschien an zwei langen Stangen hängend eine zierlich geflochtene große weiße viereckige Kiste, welche den Sarg enthielt. In sitzender Stellung ist darin die Leiche aufgebahrt. Man hat sie in weiße priesterliche Kleider gehüllt und ihr den Kopf wie einem Bonzen glatt geschoren. Die Süße sind bloß, denn so wie es in Japan Sitte ist, vor jedem Hause, jedem Tempel die Schuhe auszuziehen, so darf man auch nur unbeschuht die Schwelle des Jenseits übertreten. Der Sarg ist aus Kiefernholz, denn er soll schnell verfaulen, damit auch der Sersetzungsprozeß der Leiche schnell vor sich gehe. Erst wenn dieser zu Ende,kann die Seele, welche noch neunundvierzig Tage nach dem Tode im Körper weilt,die Reise ins Jenseits antreten. Der Sarg wird mit Sinnober, Weihrauchpulver,bei den Armen mit Teeblättern oder Reiskleie ausgefüllt. Die Trauerzeit waährt für Eltern fünfzig Tage, für andere Verwandte kürzer. Während dieser Seit müssen die Ceidtragenden alle Geschäfte ruhen lassen, ihr Haar soll nicht geschoren und weder Sake noch andere Nahrung als Pflanzenkost genossen werden. Während der ersten fieben Wochen besuchen die Leidtragenden den Tempel und das Grab jeden siebenten Tag. Am hundertsten Tag wird eine abermalige Trauerandacht gehalten und gewohnlich bei dieser Gelegenheit der Grabstein gesetzt. Leichenverbrennungen finden häufig statt.
»Dies alles hatte uns der Sührer mitgeteilt. Sräulein G., die Sreundin der Samilie J., und ich beschlossen, dem Suge zum Tempel zu folgen. Unsere NinrikishaBoys nahmen im Übereifer unseren Befehl nur allzu buchstäblich. Immer wieder wußten sie uns zwischen Sarg und Bonzen zu schieben, da half kein Abwehren.[]Kioto: Tempeleingang von Ripomizu. (5. 170.)
[172]Reise einer Schweizerin um die Welt.LCängst hatten wir die Brücke, die über den wasserarmen KRamogawaSluß führt,hinter uns gelassen und waren in die Nähe der Hügel gekommen, die Kioto einschließen. Unterwegs waren an die Teilnehmer des Leichenzuges flache Kuchen und Zuckerzeug verteilt worden, und immer größer wurde die Menschenmenge. Auch Babies marschierten munter mit. Babies mit kleineren Geschwistern auf dem Rücken, diese ihrerseits auf dieselbe Weise mit einer Puppe bepackt wohl zum Cingewöhnen!
Plötzlich stand der ganze Sug still. Die Träger stellten ihre Last ab, und alles verschwand im nächsten Teehaus. Einsam und verlassen saß die Leiche in ihrer weißen Kiste mitten auf der Straße. Schon wollte es Abend werden. Die fröhliche Ceegesellschaft schien an keinen Aufbruch zu denken, und der Tempel, das Siel des Leichenzuges, lag noch eine Meile weiter im Gebirge. So mußten wir die Cempelfeier aufgeben und unverrichteter Dinge nach dem Kiotosootel zurückfahren.
Beim Polzsammeln,[]Malerin. (5. 169.) [] Unterwegs nach China.stapitel 12.Anlkerwegs nach China.
MiyakoPotel in Rioto. Ausflug an den Biwa-See. Mii-deraGlocke. Rarasali. Der französische Doktor.Teebau. Nara. Ragura-Tanz. Daibutsu. Rinkakuji. Kobe. Tempel. Wasserfälle. Kosai Maru. Chinesijche Gesandtschaft. Ankunft in Nagasaki. SuwaTempel. Abschied von Japan.
Meine Sreunde hatten Kioto verlassen. Ich fühlte mich einsam, müde, und da ich noch mehrere Ausflüge auf dem Programm hatte und dazwischen Ruhetage wünschte, vertauschte ich das lärmende KiotoHotel mit dem neuen, auf einer Höhe außerhalb der Stadt gelegenen MiyakoGasthofe. Der Tausch war gut. Ich bekam ein reizendes, halb japanisch, halb europäisch eingerichtetes Eckzimmer mit Veranda nach zwei Seiten hin. Mein Boy war die Aufmerksamkeit selber und brachte jeden Morgen und jeden Abend eine frische Blume.
Ich schwelgte in schoner Aussicht. Tief unter mir dehnte sich das weite, bergumkraäͤnzte Tal,in welchem die Stadt sehr zerstreut liegt, und abends beim Sonnenuntergang waren die Särbungen des Himmels und die Wirkungen des scheidenden Lichtes auf den grünen Bergen von unbeschreiblicher Pracht. Suweilen tönte ein vereinzelter tiefer Klang vom Tale herauf. Die Daibutsu-Glocke oder ihre ebenso große Schwester im ChioninKloster kündeten einen Andächtigen, der unten den Tag mit Gebet schloß.
Am folgenden Morgen war der Wagen bereit. Ich fuhr diesmal zweispännig,denn weit ist der Weg und mit Steinen besäet. Meine Pferde waren zwei stämmige JinrikishaBoys, der eine zog, der andere schob. Sie trugen riesige weiße Hüte und Strohsandalen, grinsten beide und knickten wie Taschenmesser zusammen. LCos ging's im Galopp mit wildem „Hail“ „Hai!“ durch Kiotos enge, dichtbevölkerte Straßen.Auch hier wimmelte es von Kindern, von zierlich in langen Kimono gekleideten und in paradisischer Nacktheit prangenden. „Hai!“ „Hai!“ Alles stob auseinander.[]Reise einer Schweizerin um die Welt.Endlich waren wir auf die friedliche Landstraße gelangt. Ein steiler, steiniger Aufstieg, die Pferde standen still: „O cha!“ Nach einem dem TCee geweihten viertelstündchen ging's weiter. Eine gute Stunde noch, und Ozu, ein stattlicher Slecken, lag vor uns.
Zu Suß stieg ich empor zum Tempel von Miidera: Malerisch sieht er aus mit seinen verschiedenen Gebäuden, malerisch sind auch die betenden Japaner und Japanerinnen, die hier weiß und blaue Kopftücher und weiße Gamaschen tragen,die am Knie, wohl zur größeren Bequemlichkeit, aufgeschlitzt sind.stöstlich ist die Aussicht. Unter mir liegt der BiwaSee in der weichen Durchsichtigkeit eines schönen Herbsttages. Er hat genau die Sorm einer japanischen Laute,der Biwa, deshalb der Name. An Größe kommt er wohl dem Genfersee gleich. Seine friedliche Bläue umkränzt das Gebirge, das östlich in langgeftrecktem Selsrücken steil ins Wasser fällt. Alles ist in blauen Dunst gehüllt und doch wiederum in scharfen ßonturen sichtbar.
Abermals verfolgt mich ein Tee, dann steige ich auf anderem Wege durch den heiligen Hain hinunter an der großen MiideraGlocke vorbei. Auch sie wird nicht durch einen Klöppel, sondern von außen durch einen an zwei Seilen wagrecht aufgehängten Balken geschlagen.
Verschiedene Sagen knüpfen sich an die Mii-deraGlocke. Einst entführte sie Benkei,ein gewaltiger Heros des altjapanischen Mythus, auf starkem Arm in sein Kloster siesan. Craurig verstummte die Glocke, kein Mensch hörte mehr ihren sußen, melodischen Klang, nur hie und da gab sie den dumpf klagenden CLaut „Mii-dera, Mii-dera“ von sich. Da erschrak Benkei der Held gewaltig und trug sie zurück an den BiwaSee in ihre Heimat.
Srüher soll die Glocke spiegelblank gewesen sein. Da kam einst eine vornehme Dame ins Kloster. Statt fromm zu beten, benutzte sie die ehrwürdige Glocke zum Spiegel, um ihren Haarputz zu ordnen. Darob ergrimmt, verwandelte die Glocke hre glänzend glatte Oberfläche in tausend kleine Runzeln, und ihr Erz nahm eine häßliche Bleifarbe an.
Über die Entstehung des BiwaSees gibt es auch eine Sage.
In alter Seit waren hier Berge und Wald und eine große Ebene. Einst, im Jahre 376 nach der Gründung des japanischen Reiches, wurden die Menschen nachts durch einen gewaltigen Lärm heftig erschreckt. Als sie in der Srühe aufwachten,waren Ebene und Berge verschwunden, und ein See lag vor ihnen. In derselben lacht aber war unweit Yokohama aus einer Ebene ein Berg bis zu den Wolken emporgewachsen, der Seuer und Steine spie, und das war der heilige Berg, der Sujinopama.
Unser nächstes Siel war Karasaki. Auf schöner Landstraße eilten wir dem See entlang. Die Reisernte war überall in vollem Gange, und dazwischen sah ich zum erstenmal die runden, dunkelgrünen Büsche der Teefelder.
Karafakis Glanzpunkt ist ein riestger Matsu. Er ist wohl der älteste, größte in Japan. Sächerartig dehnt er seine 380 Sweige über 90 Meter weit auf einem Holzgerust aus. Er ist heilig, und fleißig halten die Landleute ihre Andacht vor dem []Rammas im PongwanjiCempel zu Rioto. (5. 169.)
[76]Reise einer Schweizerin um die Welt.kleinen Schrein, der sich an seinen Stamm lehnt. Natürlich brachten meine Boys mich ins naheliegende Teehaus, und dann ging's zurück nach Ozu, wo der schwierige Ceil meines Ausfluges begann.
Wie schon gesagt, ist für Menschen, die in Japan bequem reisen wollen, ein sührer unumgänglich notwendig. Ich hatte mich emanzipiert und versucht führerlos durchzukommen, was aber wegen Mangel an Sprachkenntnis zuweilen nicht leicht war.
Ich beabsichtigte, mit dem Boote durch den neuen BiwaSee-Kanal nach ioto zurückzukehren, wünschte aber kein Boot für mich allein, sondern einfach einen Platz auf einem Paffsagierschiffe. Sorgfältig hatte ich aus meinem japanischen Woörterbuche die Ausdrücke herausgesucht, um diesen Wunsch auszusprechen, im kritischen
Moment aber vor dem Billetschalter ging mir mein Wortschatz hoffnungslos aus. Hülflos auch grinsten mich meine Boys an. Ein Menschenkranz hatte sich um uns gesammelt, aber „unter Larven keine fühlende Brust“,kein Mensch verstand mich.Endlich hatte ich's wieder: «iye hiteri boto» (nicht Boot allein)! Damit warf ich einen halben Yen hin, den ich bis auf zwei Kupferstücke zurückerhielt. Bequemlichkeiten erster Klasse konnte ich somit nicht beanspruchen. Ich wußte nicht, wie gegen diesen billigen Platz protestieren, und wandte mich still ergeben dem Kanale zu. Meine Bons schnitten Gesichter, das Volk lachte. Vorwärts mußte ich. Da lag ein Boot,es hatte Strohmatten, und Schuhausziehen wurde daher erwartet. Gleich einer venetianischen Gondel hatte es ein Dach, und ach, einen so engen Eingang! Prüfend maß ich ihn, zur Not konnte ich mich durchzwängen. Ich zog meine Schuhe aus, setzte sie neben die andern und kroch auf allen vieren in Noahs Arche, wo schon ein Dutzend Japaner und Japanerinnen auf dem Boden kauerten. Sitze gab's natürlich keine. Gelächter empfing mich, Sragen umschwirrten mich.
Der Biwa-Kanal ist im Jahre 1890 eröffnet worden. Es war ein bedeutendes Werk für die japanischen Ingenieure, einen großen Gebirgswall zu durchbrechen und drei Tunnels zu bohren, von denen der größte 2600 Meter lang ist und die Niveaudifferenz 40 Meter beträgt. Der Kanal ist beinahe 14 Kilometer lang. Sein
Im BiwaRanal.[]LUnterwegs nach China.
77 Bau kostete 1/. Millionen Yen, also über drei Millionen Sranken. Er verbindet die Bai von Ofaka mit dem BiwaSee.Durch ihn gelangt jetzt die reiche Ernte der Provinz Omi auf die Stadtmärkte. Er bewässert den oberen Teil des KiotoTales,ermöglicht eine Ausdehnung des Reisanbaues und versorgt die zahlreichen Mühlen und Sabriken iotos mit Wasser.
Unfere Sahrt begann mit einem Tunnel. Über eine viertelstunde stechkten wir in einer Sinsternis, die nur sehr matt durch eine rote Papierlaterne, welche von der Decke des Bootes herunterhing, beleuchtet wurde. Hie und da hörten wir Ruderschlag, das Plätschern des Wassers und das Vorbeistreichen eines Bootes dicht neben uns. Die Japaner begannen zu fingen. Meine Nachbarin wurde seekrank, ob von der schaukelnden Bewegung, der Dunkelheit oder der Angst, ob gar wegen des Gesanges ihrer Candsleute, ich weiß es nicht.
Erleichtert atmete auch ich auf, als wir endlich zurück ins rosige Licht des Tages gelangten, und die liebliche, grune Candschaft, die Japan so reizend macht, vor uns ausgebreitet lag. Bald kamen wir an ein Teehaus. Der „gelbe Tröster“ beruhigte schnell die Gemüter aller, und in einer guten Stunde erreichten wir Kioto.
Sreudig und beruhigt schlug auch mein Herz beim Anblick meiner beiden Boys.die am Landungsplatz auf mich warteten. Wir lachten uns an, und „Oheio“) schallte es von hüben und drüben. Meine Glieder schmerzten von der unbequemen Cage, in der fie so lange gewesen, und meine Jinrikisha kam mir als ein Ruhehafen nach der Aufregung des Tages, als die Quintessenz alles Komfortes vor.
Als ich den nächsten Abend behaglich auf meiner Veranda lag, hörte ich lautes Gepolter im Nebenzimmer. „O weh, ein Nachbar!“ Cine unangenehme Beigabe, unangenehmer noch in Japan, wo die Wände so dünn, so über die Maßen dünn sind. Eine halb zornige, halb verzweifelte Stimme ließ sich vernehmen. «N'y a-t-il done personne qui parle le français dans ce maudit Japon?» Mit diesen Worten trat ein älterer Sranzose zu mir auf die Veranda. Ich dolmetschte, und bald war alles in Ordnung.i) Sei gegrüßt!C. von Rodt, Reise um die Welt.[]
Reise einer Schweizerin um die Welt.Das Sranzosische ist nicht mehr Weltsprache. An seine Stelle ist das Englische getreten und beherrscht den ganzen Osten. Überall hat es sich neben dem Candesidiom zur Umgangs- und noch mehr zur Handelssprache gemacht. Wer sich da drüben eine Existenz schaffen will, muß vor allem gehörig Englisch verstehen, und auch für den Weltreisenden ist dies unumgänglich notwendig.
Dr. D. gehörte zu den globe trotters, die per Dampf um die Welt reisen. Sein Programm lautete auf vier Monate, und so blieb ihm für Kioto nur ein einziger Tag,den er freilich gehörig ausnützte.
Am übernächsten Tag begleitete ich ihn nach Nara, das wir nach zweistundiger Lisenbahnfahrt an zahlreichen Ceefeldern vorbei erreichten.
Die Teeernte findet in Japan nur zweimal im Jahre statt, im Mai und im Juli,und es werden dabei mit vorliebe Srauen zum Pflücken der zarten Blätter verwandt.Die Prozesse, die das frische Blatt durchzumachen hat, sind wesentlich verschieden von denjenigen in Indien und Ceylon. Hier in Japan werden die Blätter zunächst in eisernen Pfannen über Kohlenfeuer unter fortwährendem Mischen etwa 40 Minuten lang gedämpft, dann auf Matten ausgebreitet und mit den Händen gerollt und getrocknet. Alsdann wird das getrocknete Blatt auf Rahmen, die Papierboden haben, über glimmenden Holzkohlen gedörrt und schließlich sortiert. Der japanische Tee ist ausschließlich grün, stark und weniger gut als der chinesische. Er wird namentlich und zwar massenhaft im eigenen Lande konsumiert und beinahe nur nach Nordamerika eyportiert. Tee wird in Japan vom 33. bis 86. Grad nördlicher Breite zebaut. Uji gilt als der beste Distrikt. Mit Vorliebe werden die Teegärten an lehmund sandreichen Hügelabhängen angelegt. Die erste Blatternte beginnt im dritten oder vierten Altersjahre der Büsche und steigert sich bis zum fünfzehnten Jahre, um dann wieder abzunehmen. Als Durchschnittsernte kann man auf die Hektare 1900- 2000 Kilo rrische Blätter annehmen, von denen zwei Kilo zur Herstellung eines halben Kilo zedörrter Blätter gerechnet werden.
Tee wird seit 1100 Jahren in Japan getrunken. Der Bonze Denkio Daishi bhrachte ums Jahr 805 n. Chr. den ersten Teesamen aus China, allein nur sehr langsam bürgerte sich das neue Getränk ein und wurde erst im 14. Jahrhundert das Nationalgetränk des CLandes. Jetzt kann man sich Japan ohne seinen „aller Ehren werten CTee!, ohne „o cha! nicht vorstellen. Kaffee scheint im Volke ganz unbekannt.
In Nara setzten wir uns sofort in Rikshas, bestellten unterwegs im Teehaufe Musashino, das auf europäische Mägen eingerichtet ist, den Tiffin und fuhren dem Tempelbezirke zu.
Nara, vom Jahre 709-784 Hauptstadt des japanischen Reiches, ist auf den zehnten Teil seiner damaligen Größe geschmolzen und hat nur noch den Ruhm und die Schönheit der Cempel und wohl noch mehr der Haine.
An einem großen Teiche vorbei, wo die hervorragenden Steine von mächtigen Schildkroten dicht besetzt waren, gelangten wir in den Kryptomerien-Wald. Sahme,gefleckte Hirsche nahmen uns in Empfang. Es sind heilige Hirsche, denen kein Leid geschehen darf, für die im Gegenteil eine Art flacher Kuchen gebacken wird, welche sie von jedem Besucher als schuldigen Cribut erwarten. Bereitwilligst wurde er ihnen []Teepflückerinnen. (5. 178.) [] Unterwegs nach China.von mir in reichem Maße gespendet, und bis an die Schwelle des Tempels folgten uns die schonen Tiere.Immer zahlreicher wurden die Bronze und Steinlaternen auf unserem Wege, es follen ihrer so viele sein, daß niemand sie zählen kann. Srüher wurden fie abends alle angezündet, jetzt brennen nur noch wenige, denn spärlicher fließen die Spenden dazu, und Bronze und Steinlaternen scheint NeuJapan nicht mehr viele den Göttern zu weihen. Srüher tat es ein jeder, der begütert war. Man erzählt, die herrliche KryptomerienAllee, die nach Nikko führt, sei vor 250 Jahren zu Chren des großen Shogun Iyeyasu von einem frommen Mann gepflanzt worden, weil er zu arm gewesen, eine Bronzelaterne für den Tempel zu stiften.
Die Tempel sind alle rot. Rechts vom ßauptgebaude steht der Wakami wa Tempel mit den Priesterwohnungen. CEine Anzahl junger Mädchen führen auf Wunsch und Bezahlung der Sremden hin den heiligen alten Kaguratanz auf. Die Taxe für dieses Schauspiel ist sogar in aller Sorm bestimmt und schwankt zwischen einem halben und zehn Yen, je nach der Länge und Kunstfertigkeit der Aufführung. Wir begnügten uns mit dem Opfer eines Hen und bekamen natürlich die niedrigste Stufe der Kunst zu schauen, jedenfalls die schmutzigste. In dem so reinlichen Japan fielen die ungewaschenen, befleckten Gewänder der Tänzerinnen doppelt unangenehm auf. Sie trugen weite rote Beinkleider, ein einstmals weißes Gewand und einen mit einem Wistaria5weige) geschmückten langen Gazeschleier. Auch auf dem Kopf hatten sie abgeblaßte, zerknitterte PapierWistaria-Rränze. Das Haar hing in langem unordentlichem Sopfe herunter, die Lippen waren dunkelrot gefärbt und das Gesicht mit Puder und Pomade so dick weiß bestrichen, daß es wie eine Maske schien. Die Hände hielten ein Glockenspiel und grüne SZweige. Drei in weiß und blau gekleidete Priester mit hohen Mützen verbrachen mit HBülfe einer Trommel, Slöte und menschlicher Stimme eine schauerliche Musikbegleitung.
Etwas weiter steht der schöne Buddha Tempel Nogwatsudo, hart am SMuße eines steilen Hüͤgels erbaut. Der ganzen vorhalle entlang hängen Metalllaternen. Eine große Menschenmenge drängte sich zu dem Tempel, und unaufhörlich fielen Kupfermünzen in den vorn aufgestellten Geldkasten. Geschäftig liefen Priester mit Speisen hin und her, alles ist sorgfaäͤltig mit Drahtgeflecht gegen die Sliegen geschützt. Es war eine Auswahl an Kuchen, Srüchten und Reis, die mir den Mund beinahe wasserig machte. Immer neue Speisen wurden aufgetragen und Buddha oder Kwanon präsenij wistaria, die auch bei uns wohlbekannte Glycine chinensis.
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Tempelhain von Nara.[]*
Reise einer Schweizerin um die Welt.tiert. Dann verschwanden all die schönen Sachen im Priesterhause, um vermutlich dort verzehrt zu werden. Das kleine Kupferbild der stwanon, zu welchem in diesem Tempel gebetet wird, soll die Cigenschaft besitzen, sich so warm anzufühlen wie ein Wesen von Sleisch und Blut.
An allen möglichen heiligen Gebäuden vorbei auch hier gibt's ein Glockenhaus mit großer
Glocke kamen wir zum Daibutsu, der noch weit riesiger, aber lange nicht so schön ist wie sein Rivale in Kamakura. Sein Alter dagegen ist auch ein sehr ehrwürdiges. Schon im Jahre
736 n. Chr. faßte Kaiser Shomu den Plan,ein Buddhabild aus Kupfer und Gold von i8 Meter Höhe zu schaffen. Amaterasu, die
Sonnengöttin, die hohe Ahnfrau des Mikado,gab persönlich ihre Beistimmung, und Shomu erließ einen Aufruf an sein Volk, Gold und
Kupfer herbeizuschaffen. Ersteres war damals in Zapan noch nicht zu finden, und so schien es geradezu eine Gabe der Goöͤttin zu sein, als im Jahre 749 in Oshu Gold entdeckt wurde. Nun ging die Arbeit schnell vorwärts. Im Laufe der Jahre hat das Bild mehrmals den Kopf verloren, schnell aber wurde er immer wieder ersetzt, und feit 1067 ist der Gott unverändert geblieben.
Seit Beginn des 18. Jahrhunderts schützt ihn eine Salle vor den Unbilden der Witterung.
Auch hier sitzt Buddha in einer Cotosblume, doch ruht nur die linke Hand im Schoße, die rechte ist in die Höhe gehoben. Der Körper besteht aus zusammengelöteten kleinen Bronzeplättchen. Der moderne viel dunklere Kopf dagegen ist aus einem Stück gegossen.
Eine besondere Art des Gufses ist bei diesem Bilde angewandt worden. Seine Sorm entstand nicht aus einem Gusse, sondern man baute, sowie der untere Teil des Gusses sich abkühlte, gleichsam stufenweise die Wände der Sorm auf. Hie und da sind Spuren einer sehr massiven Vergoldung sichtbar, welche vermuten lassen, daß einst der ganze Gott golden strahlte. Der häßliche moderne Kopf mit der geschwollenen Nase und den dicken Backen wird durch einen vergoldeten hölzernen Heiligenschein noch viel auffallender. Cine Treppe führt bis zum Kopfe des Buddha.
Erschoöpft von allem Gesehenen fuhren wir ins Teehaus, wo uns leidliches Essen und aufmerksame Nesans erwarteten. Dann nahm ich Abschied vom französischen Doktor. Er fuhr Osaka zu, und ich kehrte nochmals nach Kioto zurück, um mich reisefertig zu machen für Kobe.
Cine letzte Ausfahrt brachte mich nach Kinkakuji zum „Goldenen Pavillon“, wo ich schon den zweiten Tag mit meinen Sreunden J. gewesen. Stiller noch wenn möglich lag jetzt der See mit seinen pinienbewachsenen Inselchen vor mir. Die letzten September[]NaraPark. (5. 178.) [] Unterwegs nach China.
181 tage hatten die Ahornbäume in ein Slammengewirr farbiger Blätter verwandelt.„Truggold“, das noch vergänglicher sein wird, als dasjenige des „Goldenen Pavillons“,dem von der alten Pracht nur der Name geblieben. Auch den goldenen Phonix auf dem Dache hat die Seit in einen bronzenen umgewandelt.
Von dem im Jahre 1897 durch den ExShogun erbauten Palast ist nur dieser Pavillon geblieben. Später kam er in Besitz des Mikado, und folgende Anekdote knüpft sich an den großen Berg, den man vom obersten Stockwerk aus sieht:
An einem Zulitage wurde es dem Mikado sehr heiß. Er befahl daher, weiße Seide über den Berg zu breiten, damit er dadurch ein Gefühl von kaltem Schnee empfände. Auch eine Herrscherlaune! Der Berg heißt seither: Kinukasapama,SeidenhutBerg.
In Robe traf ich den 2. Oktober ein. Die Stadt fiel mir durch ihr europäischzivilisiertes Aussehen auf. Während namentlich in TCokio sich immer ein ganzer Volksauflauf vor den Läden bildete, wo ich oder andere Curopäer Einkäufe machten,ging man hier unangestaunt seiner Wege. Die schön gelegene Stadt hat hübsche zäuser und Gärten und eine reizende Umgebung. Sie ist nach Yokohama der bedeutendste Handelsplatz Japans und soll beinahe 1580,000 Einwohner zählen. An Kobe grenzt im Südwesten, nur durch den MinatogawaSluß getrennt, Hyogo, so daß beide Städte nur eine bilden. Kyogo, früher Buko genannt, war schon im grauen Altertume Seehafen.
Mein erster Gang in Kobe galt der japanischen Schiffsagentur Nippon Yusen Kaisha, um mich einer Kabine nach Korea zu versichern. Su meinem Leidwesen erfuhr ich, das Schiff nach Korea sei tags zuvor abgefahren! Ich war in Yokohama falsch unterrichtet worden. Da vor zwei Wochen keine andere Gelegenheit sich bot,mußte ich es schweren Herzens aufgeben, über Korea nach Peking zu gelangen.
Kobe war mir dadurch von vornherein entleidet, und auch im Gasthof wollte es mir nicht gefallen. Ich studierte die Schiffslisten.
Eine einzige Gelegenheit leuchtete mir für den nächsten Tag nach Nagasaki-Shanghai entgegen. Die „Kosai Maru“. Sofort machte ich mich auf den Weg nach dem Hafen, und siehe, da lag das eben angekommene S«Schiff.stlein, aber blitzblanßk von oben bis unten,war mein Eindruck. Neben der rotweißen Sonnenflagge Japans flatterte das rote Kreuz im weißen Selde. „Kosai Maru“ ist ursprünglich ein Hospitalschiff und gehört der Gesellschaft des Roten Kreuzes an. Da es augenblicklich keine Verwendung hat, wird es als Pafsagierdampfer benutzt. Meine Stimmungschwankte hin und her. Noch konnte ich mich nicht entschließen.
Bronzelaterne.
[327]Keise einer Schweizerin um die Welt.So fah ich mir vorläufig Kobe an. Nahe vom Gasthof ist ein in Kampferbäumen und seryptomerien versteckter Cempel. Es ging dort hoch her. Offenbar wurde ein Gott gefeiert.viel Volk, besonders viel kleines Volk, tummelte sich auf dem Tempelplatze, und Verkaufsbuden aller Art waren aufgeschlagen. Der Tempel wurde schon im dritten Jahrhundert durch die tapfere Kaiserin Ringu Kogo erbaut. Als ihr Mann unmittelbar vor dem gegen Korea vorbereiteten Seldzuge starb, übernahm sie selber den Oberbefehl der Kriegsflotte und zog gewappnet und gepanzert wie ein Mann zum stampfe aus. Nach drei Jahren hatte sie Korea gewonnen, und zum Danke für den sichtlichen Beistand der Götter errichtete die Kaiserin den IkutaTempel.
Von einem der Berge, an dessen Suß Kobe liegt, rauscht ein oder rauschen vielmehr zwei Wasserfälle, und ein schmaler, romantischer Pfad schlängelt sich längs des Wassers den Berg hinan. Auch hier haben sich Teehäuser angesiedelt, offenbar mit vorwiegend deutscher Kundschaft. Cinige Hesans sprechen etwas Deutsch, und eine junge Schöne wagte sich gar an ein deutsches Trinklied nach japanischer Melodie.
Deutsche Offizier von deutsche Schiff, mein Sreund“, erklärte sie mir diese packende Überraschung.
Auch nach Hyogo brachte mich mein Ninrikisha-Boy. Dort gibt's einen ganz modernen, kolossalen Buddha, den ein reichgewordener Papierhändler nach frommer vaterfitte vor wenigen Jahren stiftete. Cine hübsche, fünfstöckige Pagode ist dicht dabei. Über verschiedene Brücken näherten wir uns dem Meer, aber der Himmel sah so drohend aus, daß ich meinen NinrikishaBoy eilends umwenden ließ.
Auf eine glühend heiße Nacht folgte ein sonnenloser, heißer Cag. Sturm lag in der Luft. „Teifun“ prophezeite jedermann, und die Seitungen meldeten von Manila her einen Teifun, der sich Japan zuwende. Teifun sind Wirbelstürme in den chinesischen und japanischen Meeren, die vom Zuni bis November, am häufigsten im September und Oktober, vorkommen. Sie sind für die Schiffe äußerst gefährlich und ein Schreck für Kapitän und Passagiere.
„Sie wollen doch nicht unter diefsen Umständen auf der „Kosai Maru“ fahren?“Warten Sie lieber auf die deutsche „Hamburg“, riet man mir von allen Seiten.
Ich war eigensinnig. Die „Kosai Maru“ ich hatte sie in Gedanken schon in «cosy Mary» umgetauft hatte mir's angetan. Also Billet nach Shanghai!apans Schiffe durchkreuzen jetzt schon alle Meere und genießen eines trefflichen Rufes. Die japanische Linie mit ihren drei Dampfern „Hongkong“, „Nippon“ und AmerikaMaru“, welche von San Sranzisko nach Hongkong fährt, ist immer am
Wafferfälle in Kobe.[]agasaki. (S. 185.)
[84]Reise einer Schweizerin um die Welt.meislen besetzt. Die beiden amerikanischen Gesellschaften, welche dieselbe Linie befahren, ärgern sich darüber und behaupten,die Japaner verdankten diese Beliebtheit hrer Schiffe nur ihren englischen und amerikanischen Kapitänen. Kein Passagier würde sich einem japanischen anvertrauen. Jedenfalls ist die ganze Mannchaft und ein Teil der Offiziere japanisch.Auf der „Kosai Maru“ aber befehligte ein Japaner das Schiff, und zwar ein sehr schneidiger, ehrgeiziger.
Als ich an Bord kam, wurde ich freundlich empfangen. Ich freute mich über meine große, luftige Kabine und die breite, weiche Koje, die ich wohl dem RotkreuzSchiff verdankte. Auch die japanische Stewardess war eine angenehme Überraschung nach der ausschließlichen Bedienung von japanischen und chinesischen Boys.
Mit Ausnahme eines deutschamerikanischen Musikerpaares war meine Reisegesellschaft durchwegs „gelb!. Unsere „Maru“ hatte die gelbe, chinesische Slagge mit dem blauen Drachen gehißt. Sie wehte zu Chren meines chinesischen Mitpassagieres,des außerordentlichen Gesandten und Mandarinen Na T'ung, der nach Erfüllung seiner sriedens- und Sühnemission beim Mikado nach Peking zurückkehrte. Im Hotel Imperial in Tohkio hatten er und sein zahlreiches Gefolge an einem Nebentisch gesessen.Na T'ung erkannte mich sogleich und überreichte mir seine leider europäische visitenkarte. Auf der einen Seite stehen chinesische Seichen, auf der anderen ist geschrieben:Na T'ung, Envoyé extraordinaire de S. M. Empereur de Chine. Sein Sekretär,ein intelligent aussehender Mann, bringt mir ebenfalls seine Karte. Dieser spricht nehrere Sprachen, auch ein ganz gutes Deutsch, das er in Berlin gelernt hat.
Der Gesandte, ein großer, kräftiger Mann, befand sich noch in der Galakleidung,in welcher er an BVord in Kobe Empfang gehalten hatte. Auf dem Kopfe trug er eine hohe, rundliche, rote Mütze mit breitem, schwarzem Rande. Sie ist mit einer Pfauenfeder geschmuckt, welche von einer grünen Jadeagraffe gehalten ist. Nur ein hoher Mandarin darf sich diese Kopfzier gestatten. Cine lose, pflaumenfarbene Jacke,ein weiter, blauer, kurzer Rock, unter dem weite, gelbe sofen hervorguckten, bildeten seine Coilette. Alles war aus schönstem, dickstem Damast gearbeitet. Von seinem Gürtel hingen nach allen Seiten Kettchen und seidene Schnüre herunter. Kleine,niedliche Toilettengegenstände waren an ihnen festgebunden, Sächer, Pomadedéschen,ein SchnupftabakSläschchen, Brille, Riechfläschchen u. s. w.sa Tiung sieht sehr majestätisch aus, jeder Soll ein großer Herr! Die böse Sama auf dem Schiffe erzählte zwar, vor nicht allzu langer Zeit hätte sein Kopf []Tempelhain in Nara mit Priesterinnen und Steinlaternen. (S. 179.) [] Unterwegs nach China.
XV sehr lose gesessen, und nur besonders hohem Einflusse sei es möglich gewesen, den ‚Boxer“ Na Cung wieder zu rehabilitieren.
Sein Gefolge, das aus ungefähr zwanzig Personen besteht,trägt lange, blauseidene Gewänder.
Nur die weiten Jakken sind zuweilen andersfarbig, sonst herrscht blau in allen
Schattierungen, vom lichtesten zum dunkelsten, vor. Der ganzen
Hesellschaft hängt der Sopf hinten, und zwar zuweilen ein so dicker, langer, daß manches junge Dämchen darüber neidisch werden könnte. Das vorderhaupt ist meist rasiert,und erst in der Mitte des Kopfes fangen die langen Haare an.
Der Gesandte hatte seine Kabine neben mir, und wenn ich in der Srühe heraustrat, war meist sein Boy dabei, ihm den Sopf zu flechten. Diesen Ciebesdienst erwies sich auch das Gefolge gegenseitig, wie man es durch die beständig geöffneten Cüren sehen konnte. Sowohl diese verstohlenen Hinblicke als auch die gutturalen CTöne der hinefischen Sprache, welche von früh bis spät mein Ohr trafen, bildeten für mich eine stets neue Quelle des Vergnügens.
Ceider war das Wetter sehr griesgrämig, die berühmten Schönheiten der Inland Sea blieben den ganzen ersten Tag in Regen und Nebel gehüllt. Den zweiten war's noch schlimmer. „China“ lag in allen Stadien der Seekrankheit und in den denkbar mbequemsten Stellungen auf Deck. Verwirrt waren die stolzen und glatten Söpfe,zerknittert die schönen blauen Gewänder!
Als wir nachts in Nagasaki landeten, war der Teifun richtig losgebrochen, doch unsere kleine „Kosai Maru“ saß fest und sicher im Hafen. Hie und da nur ließ der Sturm die Ankerkette erklirren oder fegte über das Deck hin.
Ich mußte zur Bank und zur Post. So blieb mir keine andere Wahl, als einen Sampan zu mieten und bei Regen und Wind ans LCand zu fahren. Über eine halbe Stunde rang das Boot mit den Wellen, und glücklich fühlte ich mich erst, als ich nach Abwicklung der Geschäfte wieder sicher und geborgen auf der «cosy Marys» saß.
Dort hatten unterdessen kohlschwarze Erdmännlein oder vielmehr Erdfräulein ihren Einzug gehalten und luden mit zauberhafter Schnelligkeit stohlen ins Schiff.Es waren DJapanerinnen, die diese schwarze Arbeit verrichteten und sich so flink und gewandt in die Hand arbeiteten, daß es eine Lust war, zuzuschauen. Nagafaki
22
Inland Sea.
[86]Reise einer Schweizerin um die Welt.ist eine sehr wichtige Kohlentation und ihr Export eine große Cinnahme für den Staat.
Nachmittags wagten sich dändler an Bord, und ich bekam Gelegenheit, meine owieso beträchtliche Photozraphiensammlung um einige Dutzend zu vermehren.Wer kann ihnen widertehen, diesen reizenden, leicht und duftig kolorierten japanischen Bildern? Meist mit künstlerischem Geschmack aufgenommen, verbinden sie damit noch den Vorteil großer Billigkeit.
Abends erhielt der Kapitaän Befehl, den Teifun vierundzwanzig Stunden länger im fichern Hafen von Hagasaki abzuwarten. So war es mir noch einmal vergönnt,eine japanische Stadt zu besuchen. In Begleitung eines baumlangen Japaner Studenten, eines Riesen unter dem kleinen Geschlechte seiner Nation, fuhr ich ans Land.
Bis zum fechzehnten Jahrhundert war Nagasaki ein unbedeutendes Sischerdorf,das erst zur Stadt heranwuchs, als der Sürst von Omura den Portugiesen gestattete,sich daselbst anzusiedeln. Sie fanden hier einen ausgezeichnet günstigen Platz zum sdandel mit China und Indien. Auch christliche Missionare und holländische Kaufleute fühlten sich hier geborgen. Bald aber begannen die Christenverfolgungen und die Vertreibung aller Sremden, besonders der Portugiesen. Nur einige ßolländer und Chinesen durften in Nagasaki bleiben. Ersteren wurde die Insel Deshima, eine 185 Meter lange und 74 Meter breite künstliche Meerabdämmung im Südwesten der Japanerstadt, angewiesen und um hohen Preis verpachtet. Während zweihundert Jahren, von 1639-1859, war der Warenaustausch zwischen Japan, Indien und Luropa ausschließlich in holländischen Händen, d. h. in denjenigen der Ostindischen stompagnie. Diese machte glänzende Geschäfte und bezahlte ihren Angestellten auf Deshima hohe Gehälter. Dafür mußten sie sich von Japan die demütigendste Behandlung gefallen lafsen. Gefangenen gleich wurden sie gehalten. Der direkte Verkehr mit den Cingebornen war ihnen verboten, alles ging durch japanische Kontrolle. Der Angesehenste unter ihnen führte den Titel eines holländischen Residenten und hatte den Befehl, alljährlich dem Shogun in Yeddo Geschenke zu bringen und vor ihm auf allen vieren zu kriechen.
Dr. Kämpfer, der Arzt der Hollaänder, welcher im Jahre 1691 eine Gesandtschaft nach HYeddo begleitete, erzählt uns ungefähr folgendes darüber: Etwa ein Jahrhundert lang war es Sitte, mit Geschenken alljährlich zum Shogun zu reisen; die Gesandt
Landhaus bei Nagasati.[]Dafen von KNagasaki. (S. 191.)
[2]Keise einer Schweizerin um die Welt.schaft bestand in späterer Seit nur aus drei Personen, dem Residenten, seinem
Sekretär und seinem Arzte, und die
Reise dauerte ungefähr fünfzig Tage.zünfunddreißig japanische Beamte aller
Hrade gingen mit und eine Menge Lasträger, so daß die Reisegesellschaft aus über zweihundert Personen zu bestehen oflegte. Die Holländer versahen sich mit
Tischen, Stühlen, Tafel- und Küchengeschirr, Wein, Käse und Butter, mit den
Geschenken für den Shogun und dessen höchste Beamte, und mit einer Unmasse zuckerwerk, Gebackenem und Likören, womit sie vornehme Besucher bewirten mußten.
Auf dem Wege von Osaka nach Yeddo berührte man Kioto, die Residenz des Mikado. Ein Ruhetag war hier gestattet,damit die Geschenke für den Mikado aiedergelegt werden könnten, die auf der Rückreise übergeben werden sollten. Die
Hesandtschaft gelangte jedoch niemals in den Chronsaal, geschweige, daß sie gewürdigt wurde, das heilige Antlitz des Mikado zu sehen.
Die größte Angelegenheit des Aufenthalts in Yeddo war die Vorstellung bei Hofe. Während die Geschenke in den Palast getragen wurden, wies man der Gesandtschaft eine Wohnung an, bei deren Auswahl keine andere Berücksichtigung als die Leichtigkeit der Aufsicht maßgebend war. In der Regel lag sie im Oberstock eines sdintergebäudes, dessen sehr kleine Senster auf einen dunkeln Hof hinausgingen, und hatte unten und oben an der Treppe Cüren. Hier sollten die Holländer den Tag ihrer Vorstellung fern von jedem Verkehr mit Sremden erwarten.
Kam endlich der große Tag, so war alles ängstlich darauf bedacht, nicht etwa einen Verstoß gegen eine der hundert Regeln zu begehen, die das Seremoniell bis zur kleinsten Einzelheit hinab festsftellte.
Die Audienz selbst dauerte nicht länger als eine Minute. Nlan führte die dolländer in den Saal der hundert Matten, wo der ganze shof des Shogun versammelt war.
Den Shogun selbst sah man nicht, weil man dem Saal eine solche Einrichtung gegeben hatte, daß auf die Stelle, wo er saß, kein Licht fiel. Man ahnte aber den Ort an den holländischen Geschenken, die dem Thron gegenüber aufgestapelt waren.Zobald ein KHofbeamter „Kapitän ßoranda“ (dies ist das japanische Wort für sdolländer) rief, mußte der Resident sich auf Händen und Süüßen gegen den unsichtbaren Shogun hin bewegen, vor ihm den Boden mit der Stirn berühren und auf dieselbe Art, wie er gekommen, zurückkriechen. Während dieser minutenlangen Szene wurde kein Wort gesprochen.[]Götterwagen. (S. 190.) [] Unterwegs nach China.
59 Die solländer durften anfangs drei bis vier Schiffe jährlich nach Japan bringen. Später wurde die Sahl auf zwei herabgefetzt, deren Ausgangspunßkt stets Batavia bildete. Kupfer, Kampfer, Porzellan waren die Hauptartikel ihrer Ausfuhr aus Zapan. Ihre Arzte, Engelbrecht stämpfer (1690 1697), C. P. Thunberg ((775 1776) und von Siebold ( 828 bis 1829), waren die ersten Naturforscher und Geschichtsschreiber des schönen, interessanten Landes.
Von den alten holländischen Häusern in Deshima ist nichts mehr zu sehen, ein großer Brand hat sie alle vernichtet.
Auch die Saktorei der Chinesen aus jener Seit ist verschwunden.
Terrassenformig ziehen sich die Straßen dem Hafen entlang, und über Terrafssen und viele Stufen steigt man empor zum o SuwaTempel. Je höher man gelangt, desto herrlicher wird der Ausblick über das Häusermeer und den bergumkränzten Hsafen, den man für einen Binnensee halten könnte. Alte Matsu beschatten den Weg, und noch ältere Kampferbäume flüstern geheimnisvoll melancholisch über den ehrwürdigen ShintoPBeiligtümern. Auch hier halten grimmige Nio Tempelwache, rote und grüne. In der Mitte des Haupthofes steht ein großes bronzenes Pferd, das Roß Buddhas, welches er besteigen soll,wenn er nachts zu den Sternen emporreitet. Aus demfelben Metalle ist auch am Eingange eine neue gewaltige Torii, das Wahrzeichen der ShintoTempel.
Ungewohntes Leben herrschte im Tempelbezirk. Slaggen und Laternen, Matsu und Bambuszweige waren überall aufgestellt. Priester liefen scharenweise umher und kleine weiß und rot gekleidete Mädchen. Drei große Kasten auf Gestellen standen bereit; die Götter sollten morgen darin in der Stadt herumgefahren werden. Leider jäͤhrlich Anfang Oktober stattfindet, unterbrochen. Man hoffte auf den folgenden Tag.
Der Rückweg führte uns durch die Stadt, deren sehr belebte Straßen und kosmopolitische Bevölkerung von viel Handel und Wandel erzählen. In letzter Seit soll sich eine große Russenkolonie hier angesiedelt haben, und auf manchem Sirmenschilde stehen statt japanischer Schriftzeichen die für mich ebenso unverständlichen russischen Buchstaben.
Die Hauptindustrie Nagafakis besteht in Schildpattwaren, die man jedoch viel teurer kauft als in Atalien, dann Seide und Porzellan. Arita, eine der Hauptporzellanmanufakturen, liegt in der Nähe. Ihre Produkte gehen unter dem Ilamen „Imari“. Die Masse ist rein weiß, mit Blumen, menschlichen Siguren und Land
Die letzten Kesans.[]Nadasati-Friedbhof. (8 191)][]Großer Tempel in Kagasaki. (5. 190.) [] Unterwegs nach China.
191 schaften geschmückt. Noch höher im Preise steht die Satsuma-Sayence. Ihre Grundfarbe ist dunkel cremegelb. Die Glasur voller Sprünge craquelé würden's die Sran-zosen nennen ist von großer Wirkung. Die Dekoration, meist Blumen und vogel,wird vorwiegend in Gold, Rot und Grün gehalten.
Als wir auf die „Kosai Maru“ zurückkehrten, hatte sich die Sonne Bahn gebrochen,und erst jetzt konnte ich die Reize des Hafens von Nagasaki bewundern. Er besitzt eine Breite von 4500 und eine Länge von 4800 Meter, und Schiffe jeder Größe finden sichere Unterkunft in seinem nach allen Seiten von CLand umgebenen Gewässer. Links,bei der Hafeneinfahrt, erhebt sich eine malerische, dicht mit Matfu bewachsene Insel,Takaboko ist ihr Name, die sholländer nannten sie Papenberg. Taufende zum Christentum übergetretene Japaner sollen im Jahre 1637, über ihre Klippen geworfen,in der See den Märtyrertod gefunden haben. Die neueste Geschichtsforschung erklärt freilich diese Tatsache für erfunden.
Unsere „Kosai Maru“ hatte die Anker gelichtet. CLangsam, vorsichtig steuerte sie ihren Kurs durch all die Inseln und Buchten dem offenen Meere zu. Noch einmal vergoldete die Sonne die herrlichen Berge, das tiefe Waldesgrün, die Cempel, Grabsteine und Häuser, die charakteristisch liebliche Landschaft Japans.
Es war ein wehmütig, freundliches Scheiden. Unwillkürlich drängte sich das japanische Abschiedswort auf meine Lippen: „Sayonara“, und flüsternd ließ ich ein zweifelnd hoffendes, deutsches Wort darauf folgen: „Auf Wiedersehen!“ [] Morgentoilette. (5. 193.) []
Im blumigen Reiche der Mitte.
Im blumigen Reiche der Mitte.
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China.
Im blumigen Reiche der Mitte.
Ankunft in Shanghai. Schubkarren. Luxus. Geschichte Shanghais. Die Legende der Seidenraupe.Franzosenstadt. Sikawei. Reise nach Taku. Barre. Ankunft in Taku. Tientsin. Abreise nach Peting.Woch hielt der Teifun das Meer im Banne. Wie schüttelte er die Masten der ‚„Kosai Maru“! verwaist waren Deck und Speisesaal. Unparteiisch schwang Gott Neptun sein zorniges Zepter über gelbe und weiße Rasse.
Der einzige Unterschied war, daß die einen deutsch, die andern chinesisch stöhnten. Das Resultat blieb dasselbe!
Erst um 10 Uhr wagte ich mich den nächsten vormittag ans rosige Licht. Das blaue Meer hatte sich beruhigt. Slache, kaum merklich bewegte Wellenzüge durchzogen es in dunkeln Streifen, als ob die Slut nach dem vertobten Sturme ihr Gleichgewicht suchen wollte.
Vom leichten Ostwind zart überkräuselt, strebten sie dem schon fernen Strande Japans zu.
Nach und nach kamen auch die anderen Passagiere hervor. Die Gesandischaft hatte uns in Nagasaki verlassen. Eine chinesische Samilie aus Kobe und ein alter chinesischer Kaufmann aus Shanghai traten dafür in den Vordergrund. Der noch junge Chemann trug den stattlichsten Zopf, den ich bis jetzt gesehen, und seine Srau war mit Juwelen behangen. Als Seichen ihres Reichtums und Ansehens waren ihre armen Sußchen zu 10 Centimeter langen Hufen verkrüppelt, die ihr nur ein mühsames Gehen am Stock gestatteten. Der Haken des Schuhes war 56 Centimeter hoch. Sie trippelte auf den Sehenspitzen, und die Serse ragte oben aus dem Schuh hinaus. Im Alter von fünf Jahren ungefähr werden den kleinen Mädchen mit baumwollenen
C. von Rodt, Reise um die Welt. 3
Chinesin.
[494]Reise einer Schweizerin um die Welt.Binden die Sehen seitwärts unter die Sohlen gebunden und jeden Morgen neu und fester bandagiert, bis daß die Süße die vorschriftsmäßige Größe haben. Natürlich geschieht dies nur in den wohlhabenden Klassen. Die Mandschufrauen halten sich frei von dieser barbarischen Sitte.
Als Zeichen ihres Ranges hatte zudem die junge Chinesenfrau auffallend lange Singernägel, die namentlich bei dem dritten und vierten Singer der linken Hand zu förmlichen Klauen ausarteten. Das junge Chepaar, welches freundlich und herzlich miteinander verkehrte, besaß zwei niedliche, drollige Bübchen. Woo HYung Chuen, das ältere, trug schon ein Zöpfchen mit rotem, eingeflochtenem Band, während das jüngere,Woo Yung Chong, ein Baby von acht Monaten, nur auf dem Scheitel und am Nacken des sonst glattrasierten Köpfchens einen schwarzen Haarfleck hatte. Den kleinen Kahlkopf schützte morgens und abends eine rote Mütze, an der nicht weniger als neun silbervergoldete Buddha und alle möglichen glück- und segenspendenden Sprüche hingen.
Seit die Gesandtschaft uns verlassen, aßen auch die Srau und der größere Zunge mit uns bei Tisch, und zwar höchst manierlich mit Messer und Gabel. Hie und da nur wurde ein Con behaglicher Sattheit laut, der in Europa für unfein gilt, sonst hätte man sich im Westen wähnen können.
Mein Tischnachbar war der alte Shanghaier Kaufmann TshangTshau, ein höchst gemuüͤtlicher Chinaman. Das dünnste Rattenschwänzchen hing ihm hinten, noch etwas dünner, wären es nicht einmal drei saare, sondern ein Saden gewesen. Sein Englisch war fließend, sein Appetit tadellos. Er aß jedesmal die ganze Speisekarte durch.
Den Haß seiner Candsleute gegen die Japaner schien er nicht zu teilen, wenigstens nicht, was die Japanerinnen anbetrifft. Seine Enkelin freilich hätte ihn, erzählte er,vor den Geishas gewarnt, aber nichtsdestoweniger sei während sechs Wochen sein allabendliches Vergnügen ein Geishatanz gewesen.
Ich sehe noch jetzt sein betrübtes Gesicht in Nagasaki. Reisebereit, fein gekleidet und frisch „gezöpft“, eine europäische Handtasche in der Rechten, stand er auf Deck.Unschlüfsig, ob er sich auf das wildbewegte Meer zu den Sirenen Nagasakis wagen oder im sicheren Schutze der „Kosai Maru“ bleiben wollte, wählte er notgedrungen das letztere. Gute Laune aber und Appetit waren diesen Abend dahin. Sollten doch die Geishas von Nagasaki sich besonders auszeichnen, und zudem war's der letzte Abend.
Noch eine Nacht auf See, und ich wachte in China auf.
Das blaue, klare, japanische Meer hatte sich in ein trübes, gelbes, chinesisches verwandelt. Bei strömendem Regen lenkten wir langsam in den WongPuSluß ein.Bunt angestrichene Dschunken mit gelbbraunen, flügelartigen Segeln kamen uns entgegen. Vorn hatten sie alle große, gemalte Augen, denn „das Schiff muß ja sehen,sonst findet es seinen Weg nicht“, meint der schlaue Chinese. Auch die gelben Kanonenboote sind mit Augen bedacht. Am Ufer wechselten Signalstationen mit großen Sischereianstalten ab: Ein Chinese hockt unter einem Strohdach. Von da aus hebt und senkt er ein Netz, das an einem Gestelle ziemlich weit draußen im Wasser festgemacht ist. Der Kapitän zeigte uns eine große, grüne Insel. Eine vor fünfunddreißig Jahren hier untergegangene Dschunke hat sie gebildet. So viel Schlamm treibt dieser Wong[]Im blumigen Reiche der Mitte.Pu. Allmaählich wurde der Sluß schmäler. An den flachen, grünen Ufern bewegten sich plumpe, graue,langgehörnte Tiere. Es sind chinesische Wasserbüffel, die im ganzen Osten zu den nützlichsten Arbeitstieren gehören.
Doörfer erschienen mit kleinen sHäusern und großen, phantastisch geschweiften Daächern, chinesische Dörfer! Ich war wirklich an die Pforte des geheimnisvollen Reiches der Mitte gelangt.
Meine Sreunde aus Kobe hatten sich in Gala gestürzt, die unge Srau erglänzte noch mehr in Juwelen. Woo Yung Chuen trug eine Mütze mit wunderbarer Perlenagraffe, und Woo Yung Chong, der sleine, hatte einen großen Sleck auf der Nase. Ich wollte ihn abwischen. Das wehrten aber die Eltern. War er doch mit vorbedacht angemalt worden gegen den Teufel!
Immer zahlreichere englische Schiffe begegneten uns, und bald nahten wir dem dafen von Shanghai und seinem Mastenwald. Stattliche große Haäuser zeigten sich,auf denen das amerikanische Sternenbanner, die rote Sonne des MikadoCandes und das deutsche Reichsbanner flatterten. Diese drei Konsulate find die ersten Gebäude,welche den Ankommling begrüßen.
In stroömendem Regen betrat ich Chinas Boden. Schnell brachte mich eine Ainrikisha ins nahe AstorHaus, das beste Hotel des Ostens. Mir machte es einen feuchtfinstern ersten Cindruck. Später freilich sollte ich schlimmere Unterkünfte kennen lernen.
Nicht lange hielt es mich im Simmer. Ich mußte mich überzeugen, wie es in China aussah. Sreilich vorläufig höchst europäisch! Ich schritt über die schöne Brücke nach dem „Bund“. Auch hier trägt die breite Quaistraße diesen Namen.Links unmittelbar am Wasser läuft eine Strecke weit eine Parkanlage mit herrlichen Blumenbeeten, Schattenbäumen, Ruhebänken und Musikpavillons. Die Benutzung dieser Anlagen, sowie der Bänke längs des Bundes sind den Chinesen verboten. Auf der rechten Seite reiht sich Palast an Palast, die großen Banken, Klubs, Reederfirmen,die fürstlichen Wohnungen der Geldaristokratie stehen hier. So geht es eine lange Strecke fort bis zu einer Brücke, welche das Bindeglied mit der franzosischen Stadt bildet. Doch hiervon später. Cinstweilen suchte ich China.
Halt, da fährt etwas noch nie Gefehenes. Eine chinesische vierkopfige Samilie läßt sich auf einem Schubkarren durch die Stadt ziehen. Hier wird man also per
195
Fischer auf dem WangPu.
[196]Reise einer Schweizerin um die Welt.Schub transportiert ohne jeden
Nebengedanken.
Ein plumpes,schweres Ding,das Modell hat wohl seit vielen
Jahrhunderten keine Veränderung erfahren! In der Mitte eines breiten horizontalen Rahmens befindet sich ein Rad,dessen obere zwischen dem Rahmen hervorragende Eingang zu AstorhoufePotel. Hälfte von einem kastenartigen Holzgestell überdeckt ist. Auf jeder Seite des Rades kann eine Person gesetzt werden. Der Passagier stemmt einen Suß gegen die Sprofsen des horizontalen Rahmenwerkes, den andern steckt er in einen Steigbügel aus Hanf. Hinten ist die Deichsel, in welcher der Kuli laäuft. Natürlich ist seine Aufgabe leichter, wenn zwei Passagiere einander Gegengewicht halten. In der Wahl seines vis-a-vis ist der Chinese oder die Chinesin nicht eben heikel. Es kann ein riesiges Gepäckstück, es können ein paar fette Gänse sein. Cinmal fah ich sogar eine wohlgekleidete Chinesin,die ein schwarzes Schwein zum Schubkarrengefährten hatte.
Als zweite urweltliche Beforderungsart erschienen mir die geschlossenen Sanften oder Palankine, in welchen vornehme Chinesen durch zwei bis vier und mehr Männer getragen werden. In dem europäisch angehauchten Shanghai scheinen jedoch reiche Chinesen Reitpferde, bequeme CLandauer und elegante Viktoria zu bevorzugen. Ob Europäer, ob Chinese, auf dem Bocke sitzt ein Kutscher, hier Mahfu genannt, neben ihm ein Unterkutscher, und hinten auf dem Wagen ein oder zwei Boys. Alle sind gleich gekleidet, weiß mit rot, oder weiß mit blau, alle haben spitze Strohhüte mit zweifarbigen Sederbüschen. Viel Luxus wird zudem auf Pferde und Wagen verwendet.
Der Aufwand, welchen die Europäer im allgemeinen im Osten treiben, bildet oft die Klippe, an welcher die Wohlfahrt und das Vorwärtskommen des jungen europäischen Anfängers Schiffbruch leidet. Der von Hause meist anspruchslos und einfach gewöhnte junge Mensch wird bei seiner Ankunft förmlich durch den ihn hier umgebenden Cuxus geblendet. Dazu die höhere Besoldung, und blindlings wirft er sich in all das Treiben. Gleich andern wird er Mitglied eines Klubs, geht hohe Wetten ein, hält eigenes Pferd und Dienerschaft, wenn möglich auch ein Hausboot. Dies alles kann er um so leichter, als er überall Kredit findet. Eine kurze Bleistiftnotiz über den Betrag des Einkaufes, mit seiner Unterschrift, wird bereitwilligst an Sah[]Per Schub. (S. 196.) [] Im blumigen Reiche der Mitte.lungsstatt genommen. Mehrere Europäer und Curopäerinnen, die hier leben, erzählten mir, sie trügen niemals Geld in der Tasche, da der Komprador der Sirma alle kleinen und großen Rechnungen zu bezahlen pflege. Jedes shandelshaus hat einen sogenannten somprador, einen englisch sprechenden Chinesen, der die Gelder sür seine Sirma empfängt und auszahlt und den Verkehr zwischen seinem europäischen Herrn und den Eingebornen vermittelt. Es ist dies ein Vertrauensposten, und da möchte ich gleich für die vielgeschmähten Chinesen meine erste Canze brechen und erwähnen, wie ehrlich und zuverläffig im allgemeinen ein chinesischer Kaufmann ist. Wenn er sagt: „J will do“,so ist dies so gut wie jede Unterschrift. Auf allen Banken in Japan sind Chinesen als Kafsie e angestellt.
Doch zurück zu unserm jungen Mann. Der Komprador bezahlt, bis die Summe beträchtlich angeschwollen ist. Kann jetzt der junge Angestellte seine Schulden nicht bezahlen, so wird der Chef benachrichtigt, und das Unheil ist da. Jedenfalls sollten nur charakterfeste Leute ihr Glück im Osten suchen, dann aber können sie schnell vorwärts kommen. Shanghai bietet dazu besonders gute Gelegenheit.
Wie keine andere Stadt im Osten entwickelt und vergrößert sich Shanghai. Viel mag dazu ihre Lage am Wusung oder WangPo, einem Suflusse des PYangtsekiang,beitragen, welcher für Seeschiffe tief genug ist. bon Shanghai aus werden die wichtigsten Provinzen Chinas mittelst des Yangtsekiang mit Curopa verbunden. Shanghai ist der Ausgangspunkt des Kabels nach Europa wie nach Japan.
Shanghai lautet übersetzt Nahe an der See! und ist ursprünglich eine sehr alte chinesische Stadt. Erst im Jahre 1848 nahmen Sranzosen, Engländer und Amerikaner Besitz von derselben, eigneten sich je ein Stück Land an, bildeten Ansiedlungen, sogenannte settlements, und eröffneten den Hafen dem Handel. Von 18831855 fiel Shanghai in die Dände der TaipingRebellen,die vom Dahre 1849 1863 in China gegen die regierende Dynastie wüteten und erst durch die vereinigten Westmächte unterdrückt werden konnten. Damals flüchteten fich eine Menge angesehener Chinesen unter den Schutz der europäischen Ansied
Sänfte und Gefolge eines Mandarin.
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[198]Reise einer Schweizerin um die Welt.lung in Shanghai und verhalfen mit zum Aufschwung der jungen Stadt. Shanghai zählt ungefähr 450,000 chinesische Cinwohner und zwischen 9-10,000 Ausländer,worunter ein gut Teil Engländer sind. In DDDDnommen.
Einer meiner ersten Wünsche in Shanghai war, meine Briefe auf der Post abzuholen. Mit der Ausführung hatte es aber seine Schwierigkeiten. Erstens konnte ich mich mit meinem chinesischen JinrikishaBon nicht verständigen, der mich überallhin brachte, nur gerade nicht dahin, wo ich wollte. Zweitens hat hier jede Nation ihre Post. Ideal für Briefmarkenfammler, aber durchaus unbequem für jemand, der seine Briefe abwechselnd: Miss, Mademoiselle und Sräulein poste restante adressiert bekam und sie dann entsprechend auf der englischen, amerikanischen, französischen oder deutschen Post zusammensuchen mußte. Daneben haben Japan, Rußland und China ihre Post. Letztere gilt für unzuverlässtg. Dennoch klebte ich gerade mit Vorliebe die hübschen Drachenmarken auf meine Briefe, und sie kamen alle an.
Bei diesen Irrfahrten und Irrgängen lernte ich auch die nicht ausschließlich europäischen Quartiere kennen und erfreute mich namentlich an den hübschen chinesischen Häusern weiter draußen an der Nanking Road. Sowohl Hduser wie Kaufläden sind oft mit den feinsten Holzschnitzereien und Steinskulpturen geschmückt, und verlockend genug ist zuweilen der Inhalt der Läden. Alte Brokate, wunderbare Seidenstickereien, moderne Seidenstoffe, Herz, was willst du mehr?
Da Seide in Shanghai eine besonders große Rolle spielt, will ich nun auch die chinesische Geschichte von der Seidenraupe erzählen). Sie klingt phantastisch genug.
Ursprünglich war der Seidenwurm eine hübsche junge Dame, die um das Jahr 2450 v. Chr. in China lebte. Ihren Vater liebte sie über die Maßen. Einst wurde dieser Vater auf der Reise von Wegelagerern angefallen und fortgeschleppt, und sein Pferd kam allein zurück. Ein ganzes Jahr verging. Die Cochter konnte sich nicht trösten und aß und trank nichts mehr. Da gelobte die Mutter, demjenigen, der ihr den Gemahl zurückbrächte, die Tochter zur Srau zu geben. Diesen Schwur hörte das pferd. Heftig riß es sich vom Halfter los, stürmte davon und brachte nach einigen Tagen den Verlorenen zurück. Von da an wieherte das Pferd unaufhörlich. Der Vater fragte, weshalb es dies täte. Da erzählte die Mutter ihren Schwur. „Nur Menschen braucht man Schwüre zu halten, nicht Tieren“, meinte der Vater, „und niemals ist ein Mädchen einem Pferde vermählt worden. Ich will ihm zur Belohnung
) A. H. CExner nacherzählt.
Ehinesisches Dausdach.[]Im blumigen Reiche der Mitte.täͤglich eine doppelte Ration Sutter geben.“ Das Pferd ließ sich aber dadurch nicht beruhigen, sondern wieherte fort. Voller Sorn ergriff der Vvater Pfeil und Bogen und erschoß es. Hierauf zog er ihm die Haut ab und hing sie zum Trocknen im Hofe auf. Da schritt einmal die Tochter vorbei, und siehe da, die Pferdehaut flog auf das Mädchen zu, umhüllte es und erhob sich mit ihm in die Lüfte.llach einigen Cagen hing die Pferdehaut wieder in einem Baum im Hofe, die Cochter aber war in eine schneeweiße Seidenraupe verwandelt, die Blätter fraß und feidene Kokons von sich gab, aus denen das Volk sich Kleider wob.
Man kann sich die Trauer der Eltern vorstellen! Da kam eines TCages ein Wolkenwagen vom Himmel herunter, welcher von dem getöteten Pferde gezogen wurde.In ihm saß die Göttin der Seidenraupe, umgeben von einer Schar glänzend gekleideter Dienerinnen. Cine derselben sprach: „Grämt euch nicht, liebe Eltern, die Gottin hat mich zu einer ihrer Dienerinnen gemacht und mir Unsterblichkeit verliehen.“ Darauf schwebte der Wagen wieder gen Himmel empor.
So unwahrscheinlich diese Legende lautet, gibt es doch einfältige Gemüter im blumigen Reiche der Mitte, welche an die Seidenwurmgöttin glauben und ihr an einem bestimmten Tage opfern. Sie hoffen dann auf eine recht gute Seidenraupen und Maulbeersaison.
Ich hatte auf der „Amerika Maru“ die Bekanntschaft einer englischen Dame aus Honolulu, Schwägerin des französischen Konsuls in Shanghai, gemacht. Sie war auf der Reise dorthin und bat um meinen Besuch, sobald auch ich dort ankäme.
Die französische Anfiedlung liegt am Südende des „Bund“ und bildet einen kleinen Staat für sich. Sie hat ihre eigene Verfassung, Rechte und Gesetze, ihre eigene Kirche, ihren eigenen Gasthof, ja, ihre eigenen JinrikishaBoys. Jedesmal. wenn ich in die französische Stadt fuhr, mußte ich mich erst erkundigen, ob der Boy das Recht hätte, nach ‚Srankreich“ hinüber zu kommen.Geistig und räumlich halten sich die Sranzosen in Shanghai ganz abgeschloffen, während Englaänder, Amerikaner und Deutsche ohne Unterschied ihre Wohnungen nebeneinander aufstellen.
Mrs. so. empfing mich aufs freundlichste, und auch der Konsul, Mr. Ratard,erbot sich zu jedem Dienste, «car vous savez, je suis votre consul». Da die Schweizer in Shanghai keinen Konsul haben,ist sowohl der deutsche, als auch der franzoösische verpflichtet, ihnen im Notfalle mit Rat und Tat beizustehen. Vorläufig zeigte mir Mr. Ratard feinen guten Willen durch die Cinladung zu einem sehr splendiden Tiffin.
Sßopfträger in den Straßen Shanghais bei festlicher Gelegenbeit.
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Reise einer Schweizerin um die Weli.Das französische Konsulat ist ein wunderschönes Gebäude in bester Lage am WusungSlusse. Ein Empfangssaal reiht sich an den andern, einer immer eleganter als der andere. Der französische Konsul und seine liebenswürdige Gemahlin scheinen hier im großen Stile zu leben.
Nach dem Tiffin fuhr ich mit Mrs. so. und deren Cöchterchen nach Si-kawei,der berühmten Jesuitenmission. Es war eine stündige Sahrt durch eine flache, einförmige Gegend, denn die CLage Shanghais ist wenig anziehend. Und doch genoß ich den Ausflug unendlich. Pfeilschnell eilten die Pferde dahin, und die langen Söpfe und bunten Sederbüsche unserer Mahfu flogen lustig im Winde. Ihre Kleidung war rot, weiß und blau, die franzsische Trikolore.
Gleich hinter der Stadt begannen die chinesischen Sriedhöfe. Etwas Oderes, Trostloseres kann man sich nicht denken, und dabei halten die Chinesen den Totenkultus so unendlich hoch! Swischen aufgeschütteten Erdhügeln steht frei im Selde zuweilen ein riesiger, hölzerner, meist roter Sarg. In entlegeneren Gegenden sollen sie auch wohl in die Bäume gehängt werden. Hie und da steht mitten im Reissfelde ein verfallener, roh zusammengemauerter, viereckiger Steinkasten, in dem ein Sarg untergebracht ist. Manchmal nimmt diese letzte Behausung auch die Sorm eines niedrigen Turmes an.
Nach Sikawei hatten sich schon im XVII. Jahrhundert zahlreiche chinesische Christen zurückgezogen. Vielleicht hat aus diesem Grunde der Jesuitenorden dort im Jahre 1842 seine großartigen Misstonsbauten errichtet, wo er heute noch aufs segensreichste wirkt. Mir war es nur vergönnt, die viel unbedeutendere Sweiganstalt, das Erziehungshaus für Mädchen und das Sindelhaus, zu besuchen, aber auch dies bot des Interessanten in Menge.
Von der Oberin aufs freundlichste empfangen, wurde uns eine junge Schwester als Sührerin mitgegeben, deren wundervolle, dunkelbraune Augen wohl manches Männerherz entflammt hätten. Hier leuchten sie nur armen, kleinen Mädchen, elenden,alten Srauen, den Verstoßenen und Lebensmüden. Aber auch diese empfinden den Zauber, alt und jung, sogar die armen Blodfinnigen lächeln der jungen Schwester entgegen ünd drängen sich an die sonnige Gestalt in der ernsten Nonnentracht. Selten habe ich eine süßere Stimme, ein gütigeres Lächeln, eine weichere Hand kennen gelernt,als Sœur Marie sie hatte. Dabei spricht sie das hübsche, an Bildern reiche Sranzösisch der Provence.
Bei den Kleinsten im Sindelhaufse fingen wir an. Es sind entweder ausgesetzte oder gleich nach der Geburt den guten Schwestern gebrachte Mädchen, denn kleine Chinesinnen sind ein wenig geschätzter Artikel, vollends bei armen Leuten und wenn gar noch ein körperliches Gebrechen an ihnen entdeckt wird. In letzterem Salle kommt es zuweilen vor, daß man fich auf gewaltsame Weise der kleinen Geschöpfe zu entledigen sucht. Dies zu verhindern, halten die Schwestern fleißig Nachforschung, freuen sich über jedes gefundene und gerettete Seelchen, sorgen zunachst für sein geistiges Heil, indem sie es taufen lassen, und geben es dann einer , Amme in Pflege.
Unter dreißig und mehr Mädchen befand sich ein einziger Knabe, das Kind eines Curopäers und einer Chinesin. Die Mutter war nach der Geburt des Kleinen gestorben,[]Im blumigen Reiche der Mitte.
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Die Samilie Chang: Die alte Mutter mit ihrem einzigen Sohn, ihren Töchtern,Schwiegertochter und Enkel.der Vater verschollen. Ein kinderloses Chinesenpaar wollte den JZungen in einigen Tagen abholen und adoptieren.
So fehr kleine Mädchen verachtet werden, um so mehr freut man sich in China über Söhne. Je mehr Knaben, desto reicher und angesehener fühlt sich die Samilie.Vater und Mutter können dereinst durch sie zu hohen Chren und Reichtum kommen,und sind sie einmal gestorben, so werden die Söhne ihren Manen opfern, denn die Tochter sind von dem Totenkultus ausgeschlossen.
Wir besuchten die verschiedenen Schulklassen. Die guten Schülerinnen tragen zur Auszeichnung blaue Bändchen um den Hals und schreiben ganz fix ihre krausen,chinesischen Seichen auf die große Cafel. Die Kinder sehen alle wohlgenährt, ordentlich gekleidet und zufrieden aus. Einen rührenden Cindruck machten einige krüppelhafte blödsinnige und blinde Mädchen, die gemeinsam nach besten Kräften unterhalten und beschäftigt wurden. Im oberen Stock sitzen die großen Mädchen, eifrig mit Slicken und Sticken beschäftigt. Die Arbeit geht ihnen nie aus. Sie haben die Slickereien für beide Missionsanstalten zu besorgen, und die herrlichen, feinen Stickereien, die oft einer Malerei täuschend ähnlich sehen, finden so raschen Absatz bei den Damen in Shanghai, daß lange zum voraus Bestellungen notwendig sind, um etwas zu erhalten. So wie die jungen Leute in der Holzschnitzerei, gelangen die Mädchen zu einer in Curopa ungeahnten Sertigkeit im Sticken. Kein Wort wird im Arbeitsraum gesprochen, die Regel des Hauses verbietet das Plaudern während der Arbeit. Eine
[202]Reise einer Schweizerin um die Welt.weise Vorschrift, denn auch die Chinesinnen besitzen die Gabe des Redens in ausgiebigem Maße, wenn sie einmal loskommen.
Unter den jungen Mädchen sind verschiedene Srauen, frühere Zöglinge der Mission,welche tagsüber zur Arbeit ins alte Heim kommen. Die Mission behält gerne Sühlung mit ihren ehemaligen Pflegebefohlenen. Wenn die Knaben ihre Lehrzeit bei den vätern vollendet haben, werden sie als Gesellen mit täglichem CLohne behalten. Siehen fie es vor, auswärts ihrem Lebensunterhalte nachzugehen, so müssen sie sich verpflichten, jährlich drei oder viermal nach Si-kawei zu kommen, um an einigen Religionsstunden teilzunehmen.
Die Arbeiter der Missionsanstalt genießen allgemein eines vortrefflichen und weitverbreiteten Rufes. Ihre olzschnitzereien schmücken sogar die Kirchen in Korea und der fernen Mongolei. Aber auch in allen anderen Industriezweigen sollen sie Cüchtiges leisten, besonders gilt die damit verbundene Druckerei für musterhaft.
Die frommen Schwestern pfuschen mit vorliebe ins Amt der Heiratsstifterinnen,und große Sreude herrscht jedesmal unter ihnen, wenn sie eines ihrer Mädchen mit einem SZögling der «peres unter die Haube gebracht haben.
Unser letzte Besuch galt den alten, verlassenen Mütterchen, welche hier ein friedliches Heim und einen ruhigen Sterbewinkel finden. Sie sind auch reinlich gehalten,das sieht man an der Reihe von weißen. Betten, von welchen jedes seinen Vorhang hat. Wie alte, gelbe, runzlige Pagoden nicken sie mit den Koöͤpfen oder schnurren mit einem vorfündflutlichen, knarrenden Spinnrad. Sœur Marie scheint auch hier der besondere Liebling zu sein.
Küche und Apotheke besorgen Chinesinnen. Erstere ist einfach, denn Reis und abermals Reis bildet die Nahrung. Letztere dagegen hat ihre Schwierigkeiten. Mit europaäischen Heilmitteln kommt man bei den Chinesen nicht weit. Um so mehr halten sie auf Pflastern, Tisanen und Salben. Serstampfte Kröten, Drachenzähne, geheimnisvolle Kraäuter und Sauberformeln spielen eine große Rolle, und der chinesische Aberglaube treibt dabei üppige Blüten.
Einen Blick in die etwas bunte, blumengeschmückte Kirche, einen herzlichen Abschied von Sœur Marie und der Oberin, dann fuhren wir Shanghai zu. Es dämmerte schon, als wir in rasendem Galopp unsern Einzug in der französischen Stadt hielten.Hier fühlten fich unsere Mahfu als ßsHerren und Gebieter. Stolz fuhren sie in der Mitte der Straße, alles andere mußte vor ihnen sich zur Seite drücken. Lieber jemand überfahren, als einen Soll breit nachgeben!
Mein Schiffsplatz nach Taku war bestellt. Allem Abraten zum Trotze, wollte ich Peking nicht aufgeben.
Den Tag vor der Abreise benutzte ich zu Vorbereitungen. Auch einen Schneider enumber one hatte mir mein Simmer-Boy verschafft. «Number one- ist ein Cieblingsausdruck des Chinesen, wenn er etwas besonders empfehlen will dabei geschieht's zuweilen, daß er auch etwas Mittelmäßiges mit «number one- anpreist.Das sogenannte «pidgin»-Englisch machte mir so viel Spaß, daß ich mich schließlich auch dabei ertappte, «one piecy man» und «one piecy woman zu sagen. Der Chinese kann das „r! nicht aussprechen und verwandelt es daher in „l“, was zu [] 4** EßS. X M 8 FBXAXBF
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Binnahme von Tientsin.Mach eine
[1]J
Juni 1900. apitel 13.)chen Bilde.) [] Im blumigen Reiche der Mitte.
203 weilen komische Mißverständniffe gibt. So meldete 3. B. ein Komprador seiner Sirma eine Cadung Reis statt rice (Reis) mit lice Cäuse) an.
Mein Schneider war,wie die andern seiner Zunft, ganz zuverlässig.ach dem ersten gehörigen deruntermarkten hatte ich gewonnen Spiel und konnte unbedingt auf fein Wort bauen. Bei aller sonstigen Ehrlichkeit ist die orientalische Sitte, dreimal mehr,als die Sache wert ist, zu verlangen, auch in China üblich. Ob man damit dem gewandten Käufer eine kleine sreude oder Genugtuung bereiten will, ob die Hoffnung, einen dummen Gimpel zu sangen, dabei der Beweggrund ist, konnte ich mir nicht erklären. « Thlee piecy dolla», sagt mein Schneider, aber in seinem Herzensgrund weiß er, daß feine Ware nur einen Dollar wert ist und er auch nicht mehr dafür erhalten wird.
Der 18. Oktober fand mich in der Srühe auf dem „Wuchang“, einer kleinen flachen Nußschale, die, wenn ich nicht irre, einer englischen Schiffsgesellschaft angehört.Da mehrere Tage des stürmischen Wetters wegen keine Dampfer fahren konnten,war unser Boot übervoll. Ich teilte die Kabine mit einer Engländerin und ihrem Töchterchen.
Vorläufig ging alles gut. Wir hatten zuerst Slußfahrt bis Wusung auf dem Wang Po. dann nahm uns der majestätische Yangtsekiang, der „Sohn des Weltmeeres“, wie die Chinesen ihn nennen, auf. Ein kleines Meer kann er seiner Breite wegen genannt werden. Seine Länge beträgt 6300 Kilometer, seine Breite stellenweife 7 Kilometer.
ECiskalt wehte der Wind. Als ich den nächsten Morgen auf Deck kam, waren die schönen Blumen, welche unser Boot für eine Hochzeit in Tschifu abliefern sollte,erfroren. Im Gelben Meere fing es an, ungemütlich zu werden, sehr ungemütlich.sliemand entging der Seekrankheit. Wir hatten uns alle gefreut, in CTschifu ans Land zu gehen, aber als wir sahen, wie sehr die kleinen Boote mit den Wellen nämpften, verging uns die Cust. Da war's immer noch besser auf dem verankerten „Wuchang“. LCabsal waren uns die ausgezeichneten MuskatellerTrauben, die aufs Schiff gebracht wurden. Ein Missionar hat sie vor einigen Jahren in Cschifu angepflanzt; sie gedeihen dort vortrefflich und sind schon weithin bekannt.
Im Golfe von Petschili wurde das Wasser wieder ruhiger, und den 16. Oktober,mittags 1 Uhr, standen wir vor der Barre, einem Damme von Schlamm, den der
Extrapost von Tschifu nach Peking.
[204]Reise einer Schweizerin um die Welt.Peiho an seiner Mündung im Caufe der Jahre gebildet. Nur bei hohem Wasserstande und ohne jegliche Ladung kommt ein kleiner Dampfer darüber hinaus. Ein Tender pflegt deshalb zur Slutzeit von Caku an die Barre zu kommen, um die Passagiere und einen CTeil der Sracht zu holen.Als um 2 Uhr noch kein Cender da war, sagte der Kapitän:Nun tritt Ebbe ein, vor Morgen früh um sieben Uhr müssen Sie sich gefaßt machen, nicht von hier weg zu kommen.“ Etwas murrend ergaben wir uns in das Unvermeidliche und lagen still vor Anker.
Meine Leidensgefährten waren drei amerikanische Damen, welche eine Wagenladung Koffer und drei Boys mit sich hatten, ein liebenswürdiger amerikanischer Missionar mit unliebenswürdiger Gattin,und das deutschamerikanische Ehepaar, welches ich auf der „Kosai Maru“ getroffen.Mit Harfe und violine schweifte es durch die Welt und verstand es dabei gute Geschäfte zu machen. Einige Passagiere hatten uns in Tschifu verlassen, andere waren dazu gekommen.
Abends entließ uns der Kapitän mit der Bitte, um sieben Uhr zum Srühstück bereit zu sein. Um fünf AUhr früh, es war noch finstere Nacht, hörten wir Ruderschläge und laute Stimmen. Die Elektrizität war ausgegangen, ich konnte daher kein Licht machen. Plotzlich wurde an meine Türe geklopft.
„Der Tender fährt in zehn Minuten ab, nachher tritt Ebbe ein, und Sie kommen nicht mehr fort.“
Im Dunkeln ging nun das Packen, Anziehen und Schimpfen los. Jedermann krachtete, von der Barre wegzukommen, und wirklich, wir wurden alle fertig. Sehn Minuten später hatten wir den wenig verlockenden Tender bestiegen. Ohne Srühstück,ungewaschen, fröstelnd, kauerte jeder so nahe er konnte beim Schornstein. Man hatte uns zwei Schleppfchiffe angehängt, und der Tender lief so langsam, daß wir von vornherein jede Hoffnung auf den 8 UhrSug nach Cientfin aufgeben mußten.
Trũbe wälzt der Peiho, „der weiße Sluß“, seine braunen Sluten, und kaum heben sich die lehmigen chinesischen Dörfer vom Cehmufer ab. Aus Lehm sind auch die Sorts von Taku, die allmählich wie große Maulwurfshügel sich vom Herbsthimmel abzeichnen. Cinen Monat später, und Eis und Schnee werden die trüben Sluten des Peiho in starrem Banne halten, dann werden Tientsin und Peking wieder bis März gleich Dornröschen im Schlafe liegen.
Shinesijche Barke auf dem Peiho.[]Im blumigen Reiche der Mitie.
205 Kleine Tender und große Kriegsschiffe treiben auf dem Peiho. Noch starrt Curopa in Waffen gegen das altersschwache China. An der flachen, baum und graslosen Küste, auf den braunen Sorts von Taku, auf Wällen und Baracken wehen die bunten Slaggen von Amerika, Deutschland, Srankreich, Italien, Japan, England, österreich und Rußland. Sie werfen die einzige Sarbe in das trostlose Gelb-Grau-Braun der Candschaft. Jede Nation hat ihre abgegrenzte Niederlassung. Deutschland scheint, was Cage, Größe und Bequemlichkeit der Baracken anbetrifft, sich am besten vorgesehen zu haben. Auch jetzt werden auf den langen Winter hin Vorbereitungen getroffen,allenthalben wird gebaut und am Alten geflickt.lNoch zeugen Breschen und Löcher in den Mauern der Sorts von dem hartnäckigen sampfe vor Taku den 17. Juni 1900. Eine französische Kugel war in die riefige,chinesische Pulvermühle gefallen und hatte sie in die CLuft gesprengt. Die verwirrung,welche dadurch unter den Chinesen entstand, hatten die Japaner benutzt und sich des Sorts bemächtigt. Ohne diesen Swischenfall wäre es mit den am Peiho verankerten,europaischen Kanonenbooten übel bestellt gewesen. Die verbündeten hätten nicht landen können, und Peking wäre nicht gefallen.
Der vielgewundene Sluß war mit einer Menge Dschunken und schwer mit Holz heladenen Böoten belebt. Nach vierstündiger Sahrt landeten wir endlich unter ziemlichen Schwierigkeiten eine viertelstunde weit von der Bahnstation Caku. Heiß brannte die Oktobersonne, als wir in der Hauptstraße einzogen, einer elenden Cehmgasse, die auf beiden Seiten von internationalen Bretterbuden, pompös Hotel benannt, umgeben ist. Ihre Aufschriften lauten: Family house, Tivoli, Buvette, Locanda, Belle Jardinière, Deutsche Bierhalle, dazwischen gibt's Wittshausschilder mit rufsischen und chinesischen Hieroglyphen. Ebenso international ist die Bevölkerung, die sich in dieser Straße bewegt: Blonde deutsche Soldaten, englische Rotroöͤcke, kleine gelbe Japaner in feiner europäischer Uniform, italienische Bersaglieri, russische Matrosen und dunkelfarbige Sikhs mit hohen weißen oder buntgestreiften Curbanen. Diese Sikhs,ursprünglich eine religiöse Sekte im Pandshab, gehören zu den besten und schönsten indischen Cruppen und werden vorzugsweise als Holizisten verwendet, z. B. in Shanghai. Dort
Chinesische Gräber
[206]Reise einer Schweizerin um die Welt.wie hier fallen ihre Schläge wuchtig auf die Rücken der armen chinesischen Kulis,die übrigens an Prügel gewohnt sind.wir, der Missionar, seine Srau und ich, hatten uns das wenigst abschreckende Costal, ich glaube, es war ein deutsches, zum Essen ausgesucht. Dann setzte ich mich in den sogenannten Wartesaal, bis der Zug kam. Unmittelbar nach mir folgte eine Sänfte, der eine alte Chinesin mit Enkeltöchterchen entstieg. Die kleine schiefäugige Maid machte mir fortwährend TschinTschin mit ihren dicken sändchen, darauf beschränkte sich notgedrungen unsere Unterhaltung.
Endlich hatte sich unser Zug gebildet. Er steht unter englischer Verwaltung.Die dritte Klasse ist ein offener, jeder Witterung preisgegebener Wagen, in welchem die Chinesen haufenweise eingezwängt werden. Die erste Klasse hat schmutzige Holzbänke, und jeder Komfort fehlt.
Die Gegend ist öéde, flach und nordisch. Die einzigen Erhöhungen bilden die Grabhügel, die bald klein wie Maulwurfshaufen, bald wie große Kegel mitten in den kultivierten Seldern sich zeigen. Suweilen fuhren wir durch Sumpfland, auch hier Gräber im Wasser und große, rote Slecken, wie vergossenes Blut: Eine Art kleiner Sumpfblumen, die im Herbste blühen.
Peking warf seine Schatten im voraus! Dabei erzählte der amerikanische Missionar mit bewegter Stimme von der Schreckenszeit, die er im Sommer 1900 in Peking durchlebt. Noch klang ihm das Wutgeheul der Boxer, ihr cha cha (xste, töte), das jedem, der es einmal gehoört, Unvergeßlich sein soll, in den Ohren, noch blutete sein sderz in Crinnerung an all die heldenmütigen christlichen Chinesen, die für ihren Gott und ihre weißen Herren den Märtyrertod erlitten. Die Greuel, welche von Boxern und Europäern damals verübt worden sind, sollen jeder Beschreibung spotten.
Nach zwei Stunden erst waren wir in Tientsin. Eine lange JinrikishaSahrt brachte mich endlich ins Astorhaus, wo ich ziemlich komfortable, aber teure und kalte Unterkunft fand. Ich mußte im Tag acht Dollar bezahlen, der Dollar à Sr. 2. 60.
Bei dieser Gelegenheit will ich erwähnen, daß seit 1890 in China die Münze nicht mehr gegossen, sondern geprägt wird. Stücke von einem Silberdollar Gleich Sr. 2. 60), 60, 20, 10 und 5 Cents sind im Handel. Auf der einen Seite zeigen die Münzen einen Drachen, auf der anderen eine Inschrift in Mandschu und Chinesisch.bon dem früheren Gelde Tael und Käsch sieht man noch letzteres. Es ist aus Kupfer und bis 1120 Stück sollen auf einen Dollar gehen.
Die Stadt Tientsin machte mir bei aller Große, 950, o0o0 Einwohner, und teilweisen Eleganz ihrer Häuser, es wohnen hier sehr reiche englische, französische, deutsche und rufsische Kaufleute, einen düstern, häßlichen Eindruck. Die Stadt liegt am Peiho, ist seit 1858 Verkehrshafen und sowohl als Eingangstor für Peking von der Seeseite her von Wichtigkeit, als auch großer Stapelplatz für den russischchinesischen Handel zu Lande.
Tientsin hat im Jahre 1900 furchtbar gelitten, überall sah ich Spuren der Zerstörung, überall wurde gebaut. Auch hier fand ich diefelbe internationale Uniformenund Slaggenschau wie in Taku. Erst im August 1902 ist Tientsin den Chinefen zurückgegeben worden, nachdem es am 24. Juni durch den russischen General Stoeßel eingenommen worden war.[]Im blumigen Reiche der Mitte.
207
TaknTor in Tientsin.
Am folgenden Morgen fuhr ich mit Ninrikisha in die dreiviertel Stunde entfernte Chinesenstadt, zunächst ins Hamen, die frühere Residenz CLi HungChangs, Vizekönigs von Petschili. Jetzt ist sie europäisches Verwaltungsgebäude und Sitz der französischen «Santé». Ich fand ein großes, fensterloses Gebäude, ein Gewirr von Abteilungen und mehreren Höofen in zerstörtem, verwüstetem Sustande. Swischen schön skulptierten Saulen und fratzenschneidenden, stilisierten Lowen exerzierten junge, französische Soldaten.
Interessant war die Sahrt durch die engen Straßen der chinesischen Stadt, die sich in einem unbeschreiblichen Chaos von Gäßchen dahinwindet. Nur die eine lange Straße hat eine leidliche Breite. Überall hängen an den besseren Verkaufsbuden schöne Selle, besonders Ciger- und Leopardenhäute, herunter. Tientsin ist ein berühmter Platz für Pelzhandel. An LCust zum Kaufen fehlte es mir nicht, aber an der nötigen ZSeit, die hier zum Markten unumgäͤnglich gehört, und an Sprachkenntnis. Die fremde Dame wäare ein guter Sang, sie wird überall dringend aufgefordert, sich die Ware näher anzusehen, aber schließlich unterläßt sie lieber den ganzen Handel und kauft sich einmal ganz prosaisch ein Pardelfell in Europa.
Unendlich viel Leben herrschte in den Straßen. Hier gab's rote, grüne, blaue Sänften, und eine neue Erscheinung, die mich nicht wenig belustigte: Ernste, langbezopfte Chinesen trugen in liebender Sorgfalt ihre Kanarienvögel an Stäbchen oder in Käfigen spazieren, gerade wie man bei uns einen Lieblingshund auf die Promenade mitnimmt. Ob die kleinen, gefiederten Sänger dafür ebenso dankbar sind wie unfere vierbeinigen Sreunde? Ich bezweifle es, denn das Geschrei und Gedränge, die Bettler und übeln Gerüche können den zarten Vögelchen sicher keine Sreude machen! Die Rückkehr dem Peiho entlang führte durch Sand, Löcher und Bettler. Dschunke lag an Dschunke, die meisten mit Holz beladen, sie alle schienen noch schnell ihre Sahrten abmachen zu wollen, bevor der Sluß zufror.
Auf dem Bahnhofe fand ich nach dem Tiffin ein so wildes Gewühl, daß ich alle Boxer los wähnte. Grausam hieben die Sikhs auf die Menge ein. Sehr würdig benahm sich dagegen der chinesische Bahnvorstand mit langem Stock und noch längerem
[208]Reise einer Schweizerin um die Welt.Zopfe. Durch seine Bemüuhungen kam ich glücklich mit einem alten Chinesen in einem Wagen erster Klafsse unter. Die hubschen Holzschnitzereien über den Cüren stachen feltsam ab von der armseligen sonstigen Waggoneinrichtung.
Auch diese Bahnlinie steht unter englischer Verwaltung.Auf den ôden Stationen fanden sich Militãrs aus aller
Herren Länder. Dazwischen trieben sich chinesische Händler mit CLebensmitteln herum,und Jungens, welche Dollars in kleine Münze umzutauschen wünschten, ein Geschäft,das ihnen pro Dollar fünf Cents eintragen soll. Mein alter Chinese teilte seinen Vorrat gebratener Kastanien mit mir, und das Knabbern derselben trug zu unserer gegenseitigen Unterhaltung und Sreundschaft bei. *
Cangsam fuhr der Zug, unbeschreiblich langsam. Ode und melancholisch war die Candschaft. Nach vier Stunden näherten wir uns Bergen, die sich in duftiger Serne scharf abzeichneten.
„Peking“, fagte plötzlich mein Gefährte und deutete mit der Hand auf eine dunkle CLehmmasse. Peking? Noch immer entdeckte mein Auge nichts von einer Stadt. [] wie die Seeschlacht beĩ Taku sich nach []* 83 7*23 * * h 5 XX C F3777 * 25 8 * J 8 EIR,
α nung der Ehinesen abspielte. (5. 205.) []
Geschichte Chinas.
Geschichte Chinas.
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Gesehichte Ehinas.
Cage Chinas. Schreibkunst. Alte Staatsverfassfung. Große Mauer. Ming-Dynastie. Die Mandschu. Die RaiserinRegentin. Die Erziehung Rwang-Süs, des jetzigen Raisers. Brautschau. Geschenke. Pochzeit. Thronbesteigung. Fortschrittliche Gesinnung des Kaisers. Audienz der Gesandten. LiPungChang.Derfassung. Militär und Slotte. Religion. Peking. Ueuestes. Empfang bei der Raiserin
Kevor ich meine Erlebnisse in Peking erzähle, möchte ich die Geschichte dieser Stadt und vorher noch diejenige des chinesischen Reiches in großen Zügen skizzieren.
China umfaßt ein Gebiet, das größer ist als ganz Europa. Man schätzt es auf U, O81.100 uadratkilometer mit seinen Nebenländern,während Europa nur 9,923,734 einnimmt. Die in diesem Gebiete wohnenden vVolker bilden ungefähr den dritten Teil des ganzen Menschengeschlechts.
Die Chinesen nennen ihr Land Csin. Davon kommt der Name Cschina, welchen die Portugiesen in China umänderten. Die Cataren nennen es Katai. Der traditionelle Name bei den Chinesen für ihr Land ist: Tschanghua GBlume der Mitte) oder auch Tschungkuo Weich der Mitte).
China erstreckt sich durch mehr als vierunddreißig Breitengrade. Also starke Kälte und tropische Hitzel Und wie das stlima,so bilden auch Nord- und Südchinesen einen großen Gegensatz. Sogar die Sprache trennt fie. Cin Chinese aus dem Volke kann sich in Peking nicht verständlich machen,wenn er aus Kanton kommt. Hierin liegt eine der Ursachen der Schwäche dieses Candes, das vierhundert Millionen Einwohner zählt.
China, das älteste Reich der Erde, wurde schon seit uralten Seiten von einem sehr fleißigen und friedfertigen Volke bewohnt, das jedoch ängstlich jede Gemeinschaft mit andern Völkern vermied.
Cander, welche jetzt die kultiviertesten der Erde sind, waren entweder noch gar nicht, oder von Volkern bewohnt, die wie die Wilden lebten, als in China schon
C. von Rodt, Reise um die Welt. 14
Borer.
[210]Reise einer Schweizerin um die Welt.ein vollkommen geordneter Staat und eine Kultur bestand, die jetzt noch unsere Bewunderung erregt. So wurde der Ackerbau schon 2600 p. Chr. durch die ersten Herrscher Chinas, Sohi und Hao, eingeführt und Kanäle angelegt. So-hi soll auch die Kunst des Schreibens erfunden haben. Sie ist aus einer Bilderschrift, d. h. aus der unmittelbaren Wiedergabe der Anschauung der Gegenstände selbst, hervorgegangen. In der ältesten Seit schrieb man mit einem Bambusgriffel und Sirnis, seit 220 n. Chr.begann man, Tusche anzufertigen, und der Pinsel ersetzte den Bambus. Die Wörter werden noch jetzt nicht in wagrechten, sondern in senkrechten Linien aneinandergefügt,wobei man von rechts nach links schreibt. Der Seidenbau soll schon von einer staiserin eingeführt worden sein, die 2000 v. Chr. lebte.
Jahrhundertelang scheinen die Chinesen ihre Sürsten gewählt zu haben, bis sich im Jahre 2207 v. Chr. Hia, Sohn des Yu, zum erblichen Herrscher erhob und die Dynastie Hia gründete, die bis 1767 v. Chr. regierte. Hierauf folgten die Dynastien Schang und Wuwang. Unter letzterer wurde Konfutse (Confucius) geboren.
Die alte chinesische Staatsverfassung war gleichsam die Ausdehnung der väterlichen Gewalt über das ganze Volk. Der Kaiser bildete den Mittelpunkt des ganzen Staatslebens. Er war der Sohn des simmels, und man erwies ihm eine fast abgöttische Verehrung. Dafür verlangte man aber, daß er sich durch sein Leben und Betragen derselben würdig erweise. Handelte der Kaiser gegen die althergebrachten Gesetze und Gebräuche, so wurde er abgesetzt. Nach den alten Gesetzen war der Staat Cigentümer alles Grund und Bodens, und jeder Samilienvater hatte das Anrecht auf einen bestimmten Teil desselben, von dessen Ertrag er wiederum dem Staate den neunten Teil abgeben mußte.
Im Jahre 247 v. Chr. kam eine neue Dynastie, deren Gründer TsinSchiZwangeti hieß, nach ihm wurde das Land Tsina genannt. Er unterdrückte nach Kräften die Lehre des Konfutse und ließ alle Schriftwerke aus früherer Seit verbrennen.
Gegen die Einfälle der Tataren erbaute dieser Kaiser die „große Mauer“ (chinesisch WangCiSchang Tschöng), eines der Weltwunder. Sie ist noch jetzt verhältnismäßig in gutem Zustande und hat eine Länge von 2450 Kilometer. In Sickzackwindungen über Slüsse, Berge von gegen 1880 Meter höhe, Abgründe und Schluchten iäuft diese Mauer von der Wüste Gobi bis zum Meerbusfen von Petschili. Sie ist,mit Cinschluß der 1.0 Meter hohen Brustwehr, 16.28 Meter hoch und 5ã8 Meter dick. Ihr Unterbau ist von Granit, die Wände sind aus ungebrannten Siegelsteinen und mit Erdreich ausgefüllt. An manchen Stellen ist sie doppelt und dreifach mit Brustwehren und Schießscharten versehen. In Swischenräumen von je 50 100 Meter erheben sich 10 Meter hohe Wachttürme.
Nach Tsins Code spaltete sich das Reich, Nebendynastien kamen auf, mehrere Kaiser wurden ermordet. Auf glänzende Zeiten, wie z. B. unter der CThang Dynastie,folgten schlimme Tage. Die Cataren und Araber kamen ins Land, im Jahre 1206 die Mongolen. Die neunzehnte Dynastie Juan (1280 1367) war eine mongolische,ihre Residenz: Chanbaligh, das heutige Peking. Die Eroberer eigneten sich die Institutionen des unterjochten Vvolkes an. Erst gegen Ende ihrer Herrschaft kamen auch Chinesen wieder zu Amtern und Würden.[]Steinerner Elefant bei den Ming-Gräbern in KNanking. (5. 212.)
[312]Reise einer Schweizerin um die Welt.Im Jahre 1355 trat der buddhistische Priester Tschujüantschang gegen die Mongolenherrschaft auf, nahm Peking ein, vertrieb die Mongolen nach der Tatarei und wurde so allgemein beliebt, daß er Kaiser wurde. Als solcher nahm er den Namen Hung wu an und wurde Gründer der zwanzigsten Dynastie, der Ming 1368 -1644. Unter dieser Dynastie olühte das Reich. Die Portugiesen kamen nach Macao, katholische Missionare erlangten Zutritt, und das Land erhielt seine im wesentlichen noch geltende Regierungsform.
Ihre Gräber sind der Nachwelt erhalten und legen Seugnis ab von der hohen sultur, die zur Seit der Ming in China herrschte. Dreizehn Glieder dieser Dynastie liegen zehn Stunden von Peking entfernt begraben, drei bei Nanking in Südchina.Einzig in ihrer Art sind an beiden Orten die sogenannten „Straßen der Steinbilder“.In bestimmten Entfernungen stehen gewaltige Statuen aus grauem Sandstein, je zwei gleicher Art einander immer gegenübergestellt: Pferde, Elefanten, Löwen, Krieger und Staatsminister. In dem einsamen Tale sollen diese dreimal lebensgroßen Bilder eine gewaltige Wirkung ausüben nicht nur auf die Menschen, sondern auf die Reitpferde. Sitternd, scheu weichen diese zurück, kein Sureden, keine Peitsche kann sie bewegen, hier vorüberzugehen.
Im Jahre 1644 eroberten die MandschuTataren Peking, der Kaiser suchte freiwillig den Cod, und damit erreichte die MingDynastie ihr Ende.
Als die einundzwanzigste Dynastie traten die Mandschu oder Tsing 1644 auf,die noch jetzt den Thron von China innehaben.
Khanghi und Khienlung waren die ausgezeichnetsten Herrscher dieser Dynastie.Unter ihnen erhob sich China zu großer Macht nach außen und innen. Sie beförderten die Wissenschaften, legten Bibliotheken an und waren selber Gelehrte.
Nun zu der Regierung des Kaisers KwangSü und der KaiserinMutter, somit zu der neuesten Geschichte Chinas. Durch die Ereignisse von 1900 ist das „Reich der Mitte“ sehr in den Vordergrund getreten, es möchte daher nicht uninteressant sein,e über das moderne China und die Menschen, welche darin eine Rolle spielen,zu hören.
Die große Mauer.[]Steinbild bei den MingGräbern in Kanking. (5. 212.)[]*2.
Reise einer Schweizerin um die Welt.KwangSil war drei Jahre alt, als sein Vorgänger und Oheim, Tung Chih, im Alter von neunzehn Jahren kinderlos starb. Die Wahl des neuen Kaisers lag in den Haänden der Kaiserin-Witwe und der Kaiserin-Mutter. Letztere hatte die Regentschaft für den Kaiser Cung Chih geführt, als er noch unmündig war. Die KaiserinPitwe starb inzwischen, und die Kaiserin-Mutter wurde die Seele der ganzen Regierung.M. von Brandt, der langjährige deutsche Gesandte in Peking, gibt folgendes Urteil ab über die gegenwärtig so berüchtigte KaiserinMutter Si-tai-hau: „Sie hat den Ruf einer klugen und energischen Srau in vollstem Maße gerechtfertigt. Ihr ist es gelungen,nach jahrelangen Kämpfen die Ruhe im Lande in höherem Maße wieder herzustellen,als je zuvor, und China, soweit es an ihr lag, auf die Bahn des Sortschritts zu lenken. Jedesmal, wenn es möglich war, eine Sache zur Entscheidung an die KaiserinMutter zu bringen, konnte man sicher fein, daß dieselbe in der praktischsten und verständigsten Weise erfolgte; die hohe Srau ist unbedingt eine der fähigsten und erfolgreichsten Herrscherinnen gewesen, die je auf einem Chrone der Erde gesessen haben;das günstige Urteil über sie ist mir von allen chinesischen Staatsmännern bestätigt worden, deren Ansichten ich zu hören Gelegenheit gehabt habe.
Bei dem Code ihres Sohnes im Srühjahr 18765 nahm sie Veranlassung, diese Tatkraft aufs neue zu beweisen. Verlegenheit und Bestürzung herrschten in den Regierungskreisen, denn kein Nachfolger war vorhanden. Da begab sich die KaiserinMutter in den Palast ihres Schwagers, des Prinzen von Chun, und holte aus demselben den ältesten Sohn ihrer Schwester, den kleinen Kwang-Sü, und setzte ihn auf den verwaisten Chron.
Wahrend der Minderjährigkeit zweier Kaiser ist die merkwürdige Srau Regentin des Reichs gewesen, und man wird wohl nicht fehl gehen, wenn man annimmt, daß sie auch seit der Mündigkeitserklärung ihres Neffen fortfährt, einen maßgebenden Cinfluß auf den Gang der Geschäfte auszuüben. Wie groß die Rolle gewesen, die sie gespielt, wird man wohl nie mit Sicherheit erfahren, denn die Regentinnen sitzen „hinter dem Vorhang“, d. h. man nimmt an, daß sie, ohne selbst gesehen zu werden,den vom Kaiser erteilten Audienzen beiwohnen und demselben dann ihren Rat erteilen, aber jedenfalls sind ihr China und das Ausland zu großem Dank verpflichtet,und es kann nur als durchaus erwünscht bezeichnet werden, wenn ihre große Erfahrung und Tatkraft auch ferner dem jungen Kaiser ratend und helfend zur Seite stehen.“
So lautete im Jahre 1894 Brandts Arteil über die KaiferinMutter.
Ich lasse nun einen kurzen Auszug der Schilderungen A. B. Exners über Erziehung und Verheiratung des Kaisers KwangSü folgen.
Als das kaiserliche Baby vier Jahre alt geworden, begann seine sogenannte klafsische Erziehung, die der Chinese als die Quintessenz des irdischen Lebens betrachtet.Die Astronomen erklärten einen bestimmten Cag im Mai 1876 für günstig, um den Schulunterricht des „Sohns des Himmels“ anzufangen. Swei hochgelehrte Literaten waren als Lehrer erkoren und empfingen kniend den Thronerben. Ein „Hahachutsze“,zu deutsch Prügeljunge, wurde zugleich ernannt und angestellt. Die beiden Lehrer waren nämlich angewiesen worden, dem kleinen „Himmelssohn“, dem „Bruder der []Gefschichte Chinas.
215 Sonne und des Mondes“ allmorgens und allabends angemessene und passende Mahnreden zu halten, ja ein Bambusröhrchen war sogar vorgesehen worden. Da es jedoch wider allen Respekt gewesen wäre, das Bambusröhrchen mit dem geweihten störper des „Himmelsföhnchens“ in Berührung zu bringen, so wurde ihm ein Ersatzmann gestellt, welcher im gegebenen Salle die Seiner Majestät zugedachte Prügelstrafe zu erdulden hatte. Da der kleine Kaiser diesen Exekutionen jeweilen beiwohnen mußte, werden sie jedenfalls ihren moralischen Einfluß nicht verfehlt haben.
Die Erziehung der MandschuKaiser ist von zartester Kindheit an eine sehr strenge.RwangeSü mußte täglich um vier Uhr morgens aufstehen und erhielt sofort eine erste CLektion in chinesischer Literatur. Sobald diese gelernt war, hatte der Schüler
Paus in Peking.sein Unterrichtsbuch niederzulegen und die Aufgabe auswendig herzusagen. Auf diese chinesische CLektion, die zwei Stunden beanspruchte, folgten mandschurische und mongolische Auffätze. Dann kam Sprachunterricht an die Reihe in Mandschurisch, Mongolisch und in lokalen, chinesischen Dialekten. Zur Erholung wurde Bogenschießen zu Suß und zu Pferde geübt, Sechten, Curnen. Eine Anzahl besonderer Lehrer waren dazu angestellt. Den ganzen Tag über müfsen sich die jungen Prinzen entweder geistig oder körperlich beschäftigen, dürfen aber sehr früh zu Bett gehen. Im fünfzehnten Cebensjahre sollen sie heiraten.
Als KwangSü vierzehn Jahre alt war, erließ die KaiserinRegentin ein Cdikt,laut welchem alle im Alter zwischen zwölf und sechzehn Jahren stehenden Töchter der PaChiChiPenSamilien, d. h. Nachkommen der AKrieger. die an der Tatareninvasion von China teilgenommen, zur Brautschau nach Peking eingeladen wurden.Die jungen Heiratskandidatinnen, deren Sahl sich auf mehrere Hundert belief, wurden
[216]Reise einer Schweizerin um die Welt.in Begleitung ihrer Väter in den inneren sofraum des kaiferlichen Palastes geführt.sturz darauf erschienen der junge Kaiser und die Regentin und traten an den Tisch, wo eine Menge kleiner Holztafeln lagen. Auf jeder derselben waren RHame, Alter und Samilie der jungen Damen verzeichnet. Die V0 auf das betreffende kleine Sräulein vortrat:Diejenigen, welche ihr nicht gefielen, erhielten ihre Cäfelchen zurück, was einem Korbe gleichkam. Die Cäfelchen derjenigen, welche der staiserin Wohlgefallen erregten, wurden beiseite gelegt. Cinige Tage später mußten die Auserwählten nochmals bei Hof erscheinen,und nochmals schmolz ihre Sahl in der genaueren Wahl. 5wei DNahre später geschah die letzte ‚„Auslese“, wo die Kaiserin ihre endgültige Entscheidung traf. Das Resultat derselben wurde folgendermaßen dem Volke bekannt gemacht:
„Seit der Kaiser in aller Ehrfurcht sein väterliches, großes Erbe angetreten hat,ist er allmählich zum Mann gereift, und es ist daher geziemend, daß eine Person von hohen Charaktereigenschaften zu seiner Gemahlin auserwählt werde, um ihm in den pflichten des Palastes beizustehen, damit die hohe Stellung einer Kaiserin geziemend ausgefüllt und der Kaiser in seinen tugendhaften Bestrebungen unterstützt werde. Die Wahl ist gefallen auf Yeh-honala, die Tochter des stellvertretenden GeneralCeutnants Kweisosiang, eine Maid von tügendhaftem Charakter, von ansehnlichem Außern und würdigem Benehmen. Wir befehlen, daß sie zur Kaiserin ernannt wird.“
Die auserwählte Braut war die Nichte der KaiserinMutter. Die Gesamtkosten der Hochzeit beliefen sich auf 71/4 Millionen Taels 39 Millionen Sranken. Die einzelnen Provinzen, Sabriken, Gouverneure mußten dabei gehörig schwitzen.
Es würde mich zu weit führen, die bei der Hochzeit stattgefundenen Seremonien hier zu schildern. Eine Beschreibung der Toilette der Braut und eine Aufzählung der von ihr erhaltenen Geschenke genügen. Der Hut war dabei die Bauptsache, so zu sagen die RKrone. Er bestand aus rotem Samt, einem Rande aus Sobelfell und war mit einem dreiteiligen Knopf geschmückt. Diese einzelnen Teile waren je mit drei herrlichen und siebzehn gewöhnlicheren Perlen verziert. Den Mittelpunkt bildete eine große, in Gold gefaßte Perle, über welcher sich ein goldener Phonix erhob. Hinten auf dem Hut saß unterhalb des Knopfes ein goldener Sasan mit sechzehn eingelegten Perlen. Der sich in fünf Sedern abteilende Schweif des Vogels war mit 325 Perlen besetzt.
Das Brautkostüm bestand aus einem Kragen von Zobelpelz, inwendig mit hellgelber Seide gefüttert und mit Samtbändern garniert, auf welchen Diamanten funkelten.
Junge chinesische Damen.[]Eingang zur Verbotenen Stadt. (5. 220)
[218]Reise einer Schweizerin um die Welt.Das Kleid war von dunkelblauer Seide mit Goldborten und über und über mit gewaltigen Drachen bestickt.Ebenfalls in Gold gestickt waren die Worte Wanfu (ewiges Glück) und Wansheu (ewiges Leben) zu lesen. Die Hals und Armbänder bestanden aus Perlen, Türkisen,storallen und Diamanten.Das im Gürtel zu tragende Taschentuch war von grüner Sarbe, reich gestickt und mit gelben Bändern und Quasten aus Juwelen versehen.
Die vVerlobungsgeschenke der Braut, die vom Ministerium des kaiserlichen aushalts besorgt wurden, waren: vier vollstãndig gefattelte und gezäumte Pferde,zehn Helme und Panzer, hundert Stück Atlas und zweihundert Stück Baumwollenstoff.Die Hochzeitsgeschenke waren noch viel gröͤßer: Sweihundert Unzen Gold und 10,000 Tael Silber, ein goldenes Teeservice, bestehend aus Kanne und TCasse mit Deckel,zwei silberne Waschbecken, tausend Stück schönstes Seidenzeug, zwanzig mongolische Reitpferde mit Ausrüstung, vierzig Packpferde ohne Ausrustung und zwanzig Sättel für Packtiere.
Die bei der Vermählung verbundenen Seierlichkeiten bestanden darin, daß zwei Tage vor der Hochzeit je ein hoher Würdenträger, ein Prinz des kaiserlichen Haufes,abgesandt wurde, um auf dem „Altar des Himmels“, auf dem „Altar der Erde“,in dem „Tempel der kaiserlichen Ahnen“ in der „verbotenen Stadt“ und in „Senghsientien“, einem kleinen Tempel der „verbotenen Stadt“, woselbst nur die Tafeln der verstorbenen Kaiser aufbewahrt werden, die am 26. Sebruar 1889 stattfindende dermählung des Kaisers zu verkünden. Die Seremonien dabei bestanden hauptfächlich im Darbringen von Speise- und Trankopfern; außerdem wurde Weihrauch geopfert und eine Altlasrolle verbrannt, auf welcher die Ankündung der bevorstehenden Hochzeit geschrieben stand. Diese Opfer wurden von dem Absingen ritueller Gesänge der Priester, sowie von dem obligaten „Kotau“ der opfernden Prinzen begleitet.
Am Cage nach der Vermählung fand die offizielle Thronbesteigung des Kaisers statt, welche unter ähnlichen religiösen Seremonien, wie bei der Vermählung, gefeiert wurde. Außerdem fand ein Hsuldigungsbesuch des Kaisers bei der KaiserinWitwe statt, wobei er vor ihr kniete und mit seinem saupte neunmal den Sußboden berührte.
In den ersten Jahren seiner Regierung lauteten die Berichte über Charakter und Ansichten des jungen Kaisers, soweit man etwas von ihm hörte, ganz anders, als er sich im Jahre 1900 zeigte. Man nannte ihn energisch, zu jedem Sortschritt geneigt,ja, er wäre sogar drauf und dran gewesen, ein Telephon in seinem Palaste anzulegen,
Ein Pochzeitszug.[]Geschichte Chinas.
219 ein Unterfangen, von dem ihn Wahrsager und Sterndeuter nur mit Mühe hatten abbringen können. Es hieß, er spreche geläufig englisch und ließe sich oft durch englische Seitungen über Ereignisse und Sustände in seinem Reiche belehren. Im JZahre 1894 empfing der Kaiser die fremden Gesandten in Peking in Audienz in einem Palast innerhalb der gelben kaiserlichen Stadt. Seitdem der englische Gesandte vor mehr als hundert Jahren (1793) sich geweigert hatte, den Kotau auszuführen, d. h.vor dem Kaiser niederzuknien und neunmal mit der Stirne den Sußboden zu berühren,waren nur ein einziges Mal die fremden Gesandten einiger Machte bei Gelegenheit einer Krönung im Jahre 1873 vom Kaiser empfangen worden, und zwar in einer dalle außerhalb der eigentlichen Kaiserstadt.
Von 1894 -1900 fanden regelmäßige Empfänge des gesamten diplomatischen storps seitens des Kaisers am chinesischen Neujahr statt, auch überreichten von da an alle neu ernannten Gesandten ihre Beglaubigungsschreiben dem Kaiser, ebenso wie bei der Versetzung ihre Abberufungsschreiben. Augenzeugen schildern diese Audienzen ungefähr folgendermaßen:
Der Kaiser sitzt auf einer breiten Estrade, zu welcher nebeneinander drei getrennte Treppen emporführen. Sein Chronsessel ist geschnitzt und mit gelbseidenem Brokat überzogen. Der „Sohn des simmels“ trägt eine lange, indigoblaue Seidenrobe mit goldgestickten Drachenmedaillons auf Brust, Rücken und Oberärmeln, dazu die Amts-kette, im Sommer einen weißen Hut mit roter Troddel, im Winter ein schwarzes zwillingspagoden im Winterpalast in Peking.
[220]Reise einer Schweizerin um die Welt.Barett. Sein Gesicht ist hübsch, intelligent, seine Süge regelmäßig, aber blaß Ind kränklich, und ein trauriger Sug spielt um den Mund.Die Empfangenen in hoher GalaUniform begrüßen den Kaiser mit drei berbeugungen, die erste am Mitteltor heim Eintritt, die zweite fünfzehn Schritt veiter im Saale, die dritte etwa zwoölf Schritte von der Thronestrade, wo der Kaiser, umgeben von einer Schar Palastbeamter, sitzt. Mit leichtem Kopfnicken erwidert er den Gruß, und der Doyen,der älteste des diplomatischen Korps,hält eine englische Ansprache. Der Prinz,welcher gerade Präsident des Tsungli HYamen (auswärtiges Amt) ist, besteigt hiera uf die Cstrade, übersetzt kniend dem Kaiser die Rede des Doyen, worauf der Kaifer dem Prinzen chinesisch antwortet. Der Prinz verläßt die Estrade und wiederholt die Antwort des Kaisers, welcher also nur mit dem Prinzen, nicht mit dem Gesandten redet. Dies ist die einzige Gelegenheit, wo der ‚Sohn des simmels“ mit der Außenwelt in Berührung kommt. In Peking kannte der Kaiser nur seinen Palast, einige Cempel und zwei Lustschlösser, sonst wurde er fern von allen irdischen Angelegenheiten einem Gefangenen gleich in der „Purpur oder verbotenen Stadt“ gehalten. Kwang Sü hat zeine Kinder, deshalb gilt er bei seinen Untergebenen für einen von den Göttern Ungeliebten.
Bis zum 10. August 1900 schwebte ein geheimnisvolles Dunkel über der „verbotenen Stadt“, wo der „Sohn des shimmels“, der „Bruder der Sonne und des Mondes“ auf seinem Drachensitze in unnahbarer Majestät thronte. Weder Mandschu noch Chinese, am allerwenigsten ein „rotborstiger Barbar“, durfte sich den Mauern der „verbotenen Stadt“ auch nur nähern. Da fiel Peking. Kaiser und Kaiserin lohen, das Heiligtum wurde profanen Augen preisgegeben, durch profane Haände entweiht.pierre Loti schildert uns in seinem Buche, «Les derniers jours de Pékin», wie aur er es versteht, das finstere, düstere Schlafgemach, das dunkelblaue Lager, die schwarzen CEbenholzschnitzereien, den feinen Tee- und Rosengeruch, der diese rätselhafte saiserexiftenz umschwebt.
Neben den unbestimmten Umrissen Kwang-Süs, des Schattenkaisers von China,zeichnet sich scharf und mächtig die Hünengestalt Ci-shung Changs, des Bismarcks des Hstens. Was an modernen Errungenschaften China in den letzten Jahren gemacht,ist Li-Hung Changs Werk. Er eroffnete den Sremden die Verkehrshafen, begann,moderne Seuerwaffen einzuführen, gründete eine Kriegsflotte, ließ Telegraphennetze
Eingang zum Paufe eines hohen Beamten.[]Geschichte Chinas.
221 nach allen Provinzen ausdehnen und beförderte nach Kräften den Cisenbahnbau.Alle Handels und Sriedensverträge Chinas mit auswärtigen Mächten wurden jahrzehntelang durch Ci abgeschlossen und im Namen des Kaisers unterzeichnet. Wenn man den starren Konservatismus, den Aberglauben der Chinesen kennt, bedeutet jede dieser einzelnen Errungenschaften eine Herkulesarbeit. In dieser langen staatsmännischen Karriere hat es weder an Neidern noch an Mißerfolgen gefehlt. Ein solcher war der unglückliche Ausgang des Krieges mit Japan (894 1895). Sehr trübe auch gestalteten sich die letzten Lebensmonate des greisen Mannes, mußte er doch noch die Cinnahme und die Besetzung Pekings durch die verbündeten Mächte miterleben. LiHung Chang ist neunundsiebzig Jahre alt Anfang November 1901 in Peking gestorben.Drei Wochen vor seinem Tode hatte er noch meinen amerikanischen Sreund und Reisegenossen empfangen, und so ließ ich mir unmittelbar darauf von ihm alle Einzelheiten dieses Besuches erzählen. Er beschrieb mir die mehr als einfache Wohnung des reichsten Mannes in China, seinen schäbigen, fast schmutzigen Anzug, die ungewöhnlich hohe Gestalt, das kluge Auge in einem Antlitz, das damals schon den Stempel des Codes trug. Auch die unsern Begriffen nach verblüffend intimen Sragen,welche Lisoung Chang an ihn richtete. So fragte er u. a.:: „Sind Sie reich? Auf wie hoch beläuft sich Ihr Vermögen? Sind Sie verheiratet? Warum haben Sie sich nicht verheiratet? Werden Sie es noch tun? Wie alt sind Sie?“ u. s. w.Mein Sreund versuchte seinerseits, einige Bemerkungen über Pehing einzuflechten,wie sehr man die Stadt heben und verschönern könnte. CisHungChang brach darauf in einen wahren Jammer über die Armut Chinas, der Stadt Peking und seiner eigenen Person aus, seit den Kriegswirren von 1900. Dabei füllte ihm ein besonderer Pfeifenanzünder, der zu seinen Suüßen hockte, immer wieder die Pfeife und klopfte die Asche aus.Die Staatsverfassung Chinas ist monarchisch und den Staatsgrundgesetzen nach patriarchalisch.Der Kaiser sollte demnach als Vater seines Volkes, als geistliches Oberhaupt, höchster Richter und Anführer im Kriege betrachtet werden.In Wirklichkeit regieren aber, und zwar auf höchst willkürliche Weise, die acht Generalgouverneure oder Vizekönige, während die Macht DDD geworden ist. Das Staatshandbuch Tatsing sduitien besteht aus 920 Bänden, ist somit ziemlich komplizierter Ratur. Seit Beginn des XVIII. Jahrhunderts werden die wichtigsten Staatsangelegenheiten von einem Ministerkabinett in Gegenwart des Kaisers meist von fünf bis sechs Uhr früh verhandelt. Nächst diesem amtet eine innere Ratskammer und seit 1860 das Tsungli Yamen, das Ministerium der
Lin Mandarin.
[222]Reise einer Schweizerin um die Welt.„Auswärtigen Angelegenheiten“, dem die von den Curopäern geleiteten Anstalten,wie z. B. das fremde Seezollwesen, unterstellt sind. Von großem Einfluß ist eine vierte Institution, „der Rat der offentlichen Zensoren“, welcher sechzig Mitglieder mit einem chinefischen und einem tatarischen Präsidenten zählt. INhre Mitglieder besitzen das Vorrecht, gegen jede Regierungsmaßregel, auf politischem wie wissenschaftlichem Gebiete, zu remonstrieren und dem Kaiser Gegenvorstellungen zu machen.Diefer Rat hat seine Vertreter in jeder Provinz, die teils den Sitzungen beiwohnen,teils die achtzehn Provinzen bereisen und darüber an den Rat berichten. Diese altchinesische Cinrichtung, ausgezeichnet in der Theorie, ist es weniger in der Praxis,denn die Derren Sensoren und Beamten in China sind sehr käuflich. Da sie lächerlich niedrige Besoldungen haben, sind Erpressungen und Betrug an der Tagesordnung.Mandarine, ein aus dem Indischen entlehntes Wort (mantrin, Ratgeber), heißt man DD
Daß das Militär in China zu wünschen übrig läßt, haben die letzten Jahre zur Genüge bewiesen. Der Soldatenstand ist nicht geachtet, und von jeher hat den Chinesen der Ktrrieg als ein Unglück, als eine Schmach für die Menschheit gegolten.Weder europäische moderne Waffen, noch deutsche Instruktoren, noch die modernsten Neuerungen im Slottenwesen haben China in den letzten Jahrzehnten zum Sieg geführt. Die konservativen Söhne des Sopfes haben sogar Li Hung Chang angeschuldigt,er sei durch die Einführung neuer Waffen Schuld an ihren Mißerfolgen, und sie wünschten wieder die Waffen zurück, mit welchen im Jahre 1644 die Mandfchu gesiegt. Curopaisch gedrillt und bewaffnet sind etwa neunzigtausend Mann, der Rest, anzeblich eine Million, bedient sich der Bogen, Speere, FsHellebarden und alter Cuntenflinten.viel größeres Ansehen genießen die „Literaten“. Alle höheren Amter sind mit ihnen besetzt. Das „Wissen“ gibt den Ausschlag für die Stellung der Staatsbürger und hebt den Studierten hoch über den adelig Geborenen. Von der Landbevölkerung können etwa zehn Prozent lesen und schreiben, was in Anbetracht der Unzahl chinesischer Schriftzeichen fünf Jahre Lernens mindestens erfordert.
Herrschende Religionen in China sind die Morallehre des Konfutse (Confucius),der Buddhismus und Taoismus. Von fremden Religionen nimmt der Mohammedanismus den ersten Rang mit zwanzig Millionen Anhängern ein. Dieser wurde etwa im Jahre 628 in Kanton eingeführt. Die ersten Mohammedaner, die sich im Reiche der Mitte niederließen, waren ungefähr viertausend arabische Soldaten, die sich mit Chinesinnen verheirateten.
Nach einer Sählung vom Jahre 1894 betrugen die Katholiken eine Million, die Protestanten 38, 000. Die ersten evangelischen Missionare kamen erst 1807 ins Land.Schon im VII. Jahrhundert war das Christentum durch die Nestorianer in China eingeführt worden. Im XIV. Jahrhundert errichtete der Papst ein Erzbistum in Peking, welches aber schon 1363 wieder einging. Durch die Missionare Ruggieri und Ricci faßten die Jesuiten 1680 und 1601 festen Suß in Kanton und Peking,um so festeren, als sie sich gewandt den Sormen des Buddhismus anschmiegten.Ein deutscher Jesuit, Adam Schaal, erfreute sich eines großen Einflusses beim ersten Kaiser der MandschuDynastie um 1644.[]Geschichte Chinas.
228 Die Ende des XVII. Jahr-hunderts erschienenen Dominikaner und Sranziskaner hatten bei weitem nicht den Erfolg. Cifersüchtig darüber, klagten sie beim Papste,die Jefuiten hätten der reinen Lehre abgesagt. Die hierauf angestellten Untersuchungen ergaben das Resultat, daß der Kaiser 1718 sämtliche Orden aus dem LCande wies mit Ausnahme der Jesuiten. Heftige Christenverfolgungen begannen im Jahre 1815, denen ein Edikt des Kaisers folgte, wodurch er sämtliche Katholiken aus dem Cande wies. Erst im Jahre 1844 stellte China, auf Anregung Srankreichs,den Chinesen die Annahme des Christentums frei.Im Sommer 1000 haben mit den Sremden auch die Christenverfolgungen begonnen, diesmal graufamer als je. Nicht einmal die Toten sind der Wut der Boxer entgangen. Im Westen Pekings hatten die Jesuiten ihren prunkvollen Sriedhof. Seit dreihundert Jahren wurden die Jünger der Gesellschaft Jesu hier bestattet, und zwar ließen sie sich die Embleme der „himmlischen Kaiser“ aufs Grab setzen, marmorne Drachen, Chimären, Schildkröten und hohe Säulen. Serschmettert wurden diese stolzen Monumente, die Knochenüberreste aus ihren Grüften gerissen, zerstampft, verbrannt.Die Wirren begannen damit, daß die russischen und amerikanischen Missionsanstalten den 10. Juni 1900 verbrannt wurden, die übrigen teilten bald dasselbe Schicksal. Die englische Kirche und zwei katholische Kirchen und etwa zwanzig Kapellen wurden zerstört. Im ganzen Osten ist die Stimmung den Misstonaren ungünstig. Allgemein wird die taktlose Art und Weise gerügt, wie sie einem alten Kulturlande wie China ihren Glauben aufzupfropfen suchten, und so die Wirren verursacht haben sollen.Darüber kann ich nicht urteilen. Jedenfalls haben sie allfällig begangene Sehler in jenen furchtbaren Sommermonaten reichlich mit Hingabe von Hab und Gut und auch des Lebens gesühnt. Nur eine Stimme der Bewunderung herrscht über die christlichen Chinesen, evangelische und katholische, welche freudig in den Märtyrertod gingen, obgleich die leiseste Rückkehr zum alten Glauben sie gerettet hätte. Man schätzt die Zahl der in und um Peking für das Christentum gefallenen Chinesen auf fünfzehntausend.Und nun komme ich noch in kurzen Worten auf die Stadt Peking zu sprechen.Schon vor Jahrtausenden foll Peking, man geht auf 1121 v. Chr. zurück, eine Niederlassung tatarischer, Nordchina beherrschender Sürsten gewesen seien. Als die [2]23
Reise einer Schweizerin um die Welt.auf die Tataren folgenden Mongolen durch die nationale Erhebung der Chinesen aus China vertrieben worden waren, verlegte der erste Herrscher der Ming Dynastie 1368 die
Hauptstadt nach
NTanking. Damals besaß Peking einen größeren Umfang als jetzt, und Marco Polo hat uns eine begeisterte Schilderung von der Schönheit und dem Glanze der Stadt überliefert. Schon der dritte Herrscher der MingDynastie,Hunlo, kehrte nach der alten Hauptstadt zurück, welche nunmehr den Namen Peking,d. h. „nördliche Hauptstadt“, erhielt. Im Jahre 1419 begann der Bau der Mauer der Nordstadt, und 1644 wurde auch die südliche Stadt mit einer Mauer umzogen,die jedoch bedeutend niedriger ist. Die Gesamtlänge der Außenmauern Pekings beträgt Z33/2 Kilometer. Da aber große Strecken innerhalb der Mauern brach liegen, kann man nicht auf eine diesem Umfang entsprechende Einwohnerzahl rechnen. Eine genaue Siffer anzugeben ist schwer, durchschnittlich nimmt man 600,000 Seelen an.
Peking liegt in einer von drei Seiten mit Bergen umgebenen fruchtbaren Ebene.Durch einen Kanal mit dem Peiho verbunden, ist es ungefähr 37 Stunden vom Meere entfernt. Im Sommer steigt die Temperatur oft auf 36 Grad Celsius, während im Wwinter wahrhaft sibirische, schneefreie Kälte herrscht. In den Jahren 1662 und 1730 ist Peking von heftigen Erdbeben heimgesucht worden; den 12. Oktober 1860 wurde die Stadt von englischfranzösischen Truppen besetzt und teilweise zerstoört.
Die Wiederholung dieser Besitznahme im Jahre 1900, diesmals durch die Agitlationen der fremdenfeindlichen sogenannten Boxer hervorgerufen, ist noch frisch in aller Gedächtnis. Einige kurze Notizen genügen deshalb:
Vom 10. Juni bis 14. August 1900 war Peking der Schauplatz von Greueln und Ausschreitungen aller Art, und die Stadt von jedem Verkehr nach außen vollständig abgesperrt. In diese Seit fällt die Ermordung Kettelers, des deutschen Gesandten,den 16. Juni, die Vernichtung verschiedener CLegationsgebäude, der obgenannten stirchen und Missionen, außerdem der Verwaltungsgebäude des Seezolldienstes, des Postgebäudes, der neuen Elektrizitätswerke. Bald auch richteten sich die Boxer in blinder Wut gegen ihre eigenen Landsleute; Chinesen töteten Chinesen, und wer im geringsten im Verdachte stand, Sympathien für die rotborstigen Barbaren zu empfinden, wurde schonungslos niedergemetzelt. Auch hier offenbarte sich die Treue und Anhänglichkeit chinesischer Dienstboten an ihre Herren oft in schönster Weise.[]Geschichte Chinas.
225 Am 14. August 1900 erschienen endlich japanische, englische und indische Cruppen vor den Mauern Pekings, und nach dreitägigem, hartnäckigem Kampfe gelang die Eroberung. Der Hof und eine große Anzahl Einwohner waren geflohen, sie fanden eine verödete, ausgehungerte Stadt.
Vor einigen Wochen meine Reiseerinnerungen von China lagen fertig geschrieben vor mir erhielt ich das Septemberheft 1902 der illustrierten, amerikanischen Seitschrift « The Century». Ein Artikel, betitelt: „Besuch bei der KaiserinMutter“,erregte mein Interesse und ließ zugleich den Wunsch in mir aufsteigen, meine Schilderung vom Hofe von 1900 mit einem Bilde desselben von 1902 zu ergänzen.sdier in kurzem Auszug die Eindrücke der Dame, die an diesem Besuch teilnahm:
Es war am 27. Sebruar 1902,daß die Srauen und Kinder der in Peking residierenden, auswärtigen Gesandten, einer Einladung der KaiserinMutter Solge leistend, gemeinschaftlich den Weg nach der „verbotenen Stadt“ antraten. Ein sonderbarer Sug: Srauen,
Dolmetscher und
Kinder, alle durch
Kulis in Sänften getragen, und die
Angehörigen jeder
Gesandtschaft durch ihre besondere, berittene Eskorte beschützt! Außerdem hatte die Kaiserin zwanzig Beamte geschickt, welche hoch zu Roß die Sänfte der ältesten anwesenden Dame, der Mrs. Conger, Gattin des amerikanischen Gesandten, umgaben.Der Doyen des diplomatischen Korps, der österreichische Minister, V0 Gelegenheit die Rolle des offiziellen Beschützers.
Vor dem TCore der „verbotenen Stadt“ vertauschte die Gesellschaft ihre Sänften mit roten, kaiserlichen, unbedachten Stühlen, die an langen Stangen je von vier kräftigen Kulis getragen wurden. An der herrlichen Drachenmauer vorbei wand sich der Weg. Heute schien sie ihres Amtes, feindliche Geister fern zu halten, nicht zu walten, denn ruhig ließ sie all die fremden „Teufelinnen“ eindringen in ihr bisher so sorgfältig gehütetes Bereich.
Prinz Ch'ing empfing an der Pforte des Palastes die ungewohnten Gäste mit freundlichem Händedruck, und nachdem man eine Tasse Tee geschlürft, bewegte sich
C. von Rodt, Reise um die Welt. 15
Drachenmauer.
[226]Reise einer Schweizerin um die Welt.die Prozession nach dem Chronsaale. Voran gingen der öͤsterreichische Minister und Mrs. Conger.
Neben dem Chrone stand ein Mann mit knabenhaften Sügen und einem unerforschlichen Läächeln. „Sohn des Himmels“ wird er genannt. Was aber auch immer für erhabene vVorstellungen diefer Titel heraufbeschwören mag, fie wurden vollig verdunkelt durch die weit mächtigere Gestalt der Kaiserin, die nicht unpassend Chinas sKatharina II. genannt werden dürfte.
Mit klarer Stimme brachte Mrs. Conger ihre Neujahrswünsche für den kaiserlichen Hof und China dar. (Swischen Januar und Sebruar wird nämlich ungefähr während fünfzehn Tagen das chinesische Neujahr gefeiert.) Nachdem die kurze Rede ins Chinesische übersetzt worden war, nahm Prinz Ch'ing kniend die Antwort der Kaiserin entgegen. Hierauf schüttelten die Majestäten ihren Gästen, vom ersten bis zum letzten, freundlich die Hand. Die Kaiserin sah dabei jedem forschend ins Antlitz. Sie besitzt einen der größten Reize, welche eine Srau haben kann, eine weiche, einschmeichelnde Stimme. Auch ihr Cächeln ist gewinnend, und die klugen, energischen und ansprechenden Gesichtszüge verraten nicht die leiseste Spur von Bosheit oder Grausamkeit. Bis zu jener Stunde hatte kein Ausländer jemals in das Antlitz der Herrscherin geschaut, und die Bilder, welche man von ihr veröffentlichte, waren somit vollständig aus der Phantasie gegriffen.
Nach der ersten Begrüßung verließ die Kaiserin ihren Thronsessel und sorgte wie eine gute Hausfrau dafür, daß die Gäste ihren Tee richtig bekamen, und daß es besonders den Kindern nicht an Süßigkeiten gebrach. Den Kaiser schien die ungewohnte e«tea-party:» höchlichst zu unterhalten. Er schritt von einer Gruppe zur anderen, auf dem Suß von einem Adjutanten gefolgt, der ängstlich besorgt war, den Himmelsfsohn vor jeder zufälligen Berührung seitens einer unvorsichtigen „rotborstigen Barbarin“ zu schützen.
Die Kaiserin und ihre fünfundzwanzig Hofdamen boten ein anziehendes Bild orientalischer Pracht und Schönheit in ihren nationalen Gewändern. Das lange, lose Kleid der Kaiserin-Mutter war aus blauem Atlas und von oben bis unten mit Schmetterlingen, Sledermäusen (das Symbol langen Lebens)und goldenen Glückssprüchen bestickt. Ihr Haar war mit Dutzenden von Perlen jeder Größe besäet, und
Chinesische Piñtenkarte.Das Original ist rot, 25 Centimeter lang und 12 breit.[]Geschichte Chinas.
227 ihre nicht verstümmelten Süße zierten schöngestickte Schuhe mit stelzenartigen Absfätzen,welche die Kaiserin gröͤßer erscheinen ließen, als sie es in Wirklichkeit ist. Die jungen sofdamen trugen aähnliche Gewaänder wie ihre hohe Herrin, und große Sträuße feuriger Blumen im schwarzen sßaar. Mit Ausnahme der Witwen waren ihre Gesichter aufs feinste gemalt, eine Studie in rosa und weiß mit einem einzigen blutroten Sleck an der Unterlippe.
Nachdem die Kaiserin aus ihrer kostbaren, grünen Jadetasse genippt, setzte sie dieselbe an die Lippen der Mrs. Conger, worauf auch die übrigen Ministersgattinnen dasselbe zu tun hatten. Dann führte die Kaiserin die Damen in ihre Privatgemächer,ja sogar in das Sanktuarium ihres Schlafzimmers, ließ die Gäste der Reihe nach
Wachtturm in Pelking.ihr weiches Bett befühlen, setzte sich schließlich leise lachend darauf, und lud Mrs. Conger,für die sie eine entschiedene Vorliebe zeigte, ein, sich neben sie zu setzen. Zu Häupten des Bettes waren Srüchte zur Besänftigung der boösen Geister aufgestellt, und nicht weniger als fünf Wanduhren tickten sehr laut im Simmer.
Auch hierher war der Kaiser gefolgt, wurde jedoch lachend von der Kaiserin,welche abermals Tee anbot, herausgeschickt. Schöne Kunstwerke in Porzellan, Cloisonné, Bronze und Jade schmücken sowohl Schlafgemach, als die übrigen Räume der kunstliebenden Herrscherin. Hachdem die Damen alles betrachtet und bewundert,wurden sie in die Banketthalle geführt, wo unterdessen die Herren der Gesellschaft durch die Staatsminister unterhalten worden waren.
Vogelnester, Haifischflossen-Suppe, Srüchte, Sußigkeiten beendigten diesen Empfang,der in den Annalen der viertausendjährigen Geschichte Chinas einzig dasteht. Man frägt sich unwillkürlich, wer oder was dieses Wunder bewirkt. Sind es die Schreckens
[228]Reise einer Schweizerin um dic Welt.monate des Jahres 1900, welche Chinas Herrscher nötigten, ihre Hauptstadt zu verlassen, die diese Srucht gezeitigt? Ist es ihnen in der vVerbannung klar geworden,daß die Mauer, welche das Reich der Mitte so enge umgurtet, jetzt fallen muß? Ift es pessimistische Gemüter möchten es glauben eine Cist Chinas, die „verbündeten Maächte“ in Sicherheit einzulullen, um später feindlich gegen die Cindringlinge vorzugehen? Wer weiß es?[]Im Sommerpalast der Kaiserin.
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Rapitel 15.Im Sommerpalaslt der Raiserin.
Thinesische Begräbnisfeier. Wahl der Grabstätte. Fahrt nach dem Hôtel du Nord. Chinesische Tracht.bübsche Päuser. Gejsandtschaftsstraße. Unterkunft im Potel. Die TatarenMauer. Ausflug nach dem Zommerpalast. Legende von der großen Glocke. Geistermauern. Erschaffung der Erde. KEuropäische bandalen. Im Part des Sommerpalastes. Pochzeitszüge. Diner auf der Gesandtschaft.
Nas mauerumkränzte Peking lag vor mir. Plötzlich hielt der Sug auf freiem Selde. Eine gewaltige Staubsäule wirbelte empor, aus der allmählich ein wunderbarer Aufzug sich entwickelte. Voran schritt ein junger, weißgekleideter Mann, der ein Gefäß trug. Ihm folgten Priester, Träger mit großen Papierlaternen, Gongschläger und Musikanten.
Banner flatterten in der Luft, und goldene Buchstaben leuchteten von großen. roten Cafeln. Eine geschlossene Sänfte, einige Berittene, dann ein roter, vierspänniger Leichenwagen, eine unabfehbare Volksmenge, das Bild war verschwunden, und der Eisenbahnzug stellte uns im Sande, wie mir schien auf offenem Selde, ab.
Beim Anblick dieses pompösen Leichenzuges erinnerte ich mich, daß es in China heißt, zwei Leichenbegängnisse kurz nacheinander in derselben Samilie zögen unfehlbar deren Ruin nach sich. Der Cotenkultus spielt bei den Chinesen eine so große und charakteristische Rolle, daß ich hier in kurzem Auszuge folgen lassen will, was ich über Tod und Begräbnis im Reiche der Mitte gehört und gelesen habe)y.
) Exner: Aus China. M. sSchanz: Ein Zug nach Osten.
[230]Reise einer Schweizerin um die Welt.Sofort nach dem Tode eines Chinesen sendet die Samilie zum Totenpriester, der das Amt hat, eine der drei Seelen, die im menschlichen Körper wohnen sollen,aufzufordern, den Leichnam zu verlassen und dem Elysium zuzueilen. Die Kleidung des Toten muß je nach feinem Range möͤglichst reich sein, denn ihr entsprechend fällt der Empfang im Jenseits aus. Seine besten Kleider werden verbrannt, ebenso später vor dem Grabe Stamnniolpapiergeld, Häuser, Sänften, Pferde, Diener, alles aus Papier verfertigt, damit diese Dinge im Jenseits dem Verstorbenen weiterdienen können. Als Nahrung für die zweite im Leichnam zurückgebliebene Seele wird ein Copf Reis mit in das Grab versenkt.
Doch zwischen Cod und Begräbnis liegt eine lange Srist. Die in die „Bretter des langen Lebens“, wie der Chinese den Sarg nennt, gelegte Leiche wird in der sähe des Ahnenaltars im Hause aufgestellt, woselbst sie sieben Wochen bleibt. Der Sarg ist aus rotbraun lackiertem Holz und sehr massiv. Der Verstorbene hat ihn bei Cebzeiten selbst angeschafft, oder er wird ihm von seinen Soöhnen zum sechzigsten Geburtstage geschenkt. Söhne und Verwandte des Verstorbenen umstehen den Sarg,beten zu den Manen des Dahingeschiedenen und lassen ihre Klagen ertönen. An jedem siebenten Tage werden den Manen größere Opfer dargebracht, und das Klagegeschrei oerdoppelt sich.
Nach Ablauf der ersten Trauerwoche wird allen Sreunden und Bekannten die Trauerbotschaft schriftlich mitgeteilt. Diese senden alsbald allerlei Geschenke an den Verstorbenen, namentlich Cßwaren, die mit den Geleitbriefen verbrannt werden und hiermit dem TCoten ins Jenseits folgen.
Am siebenten Tage der Trauerzeit suchen Priester durch Gebete den Slug der ersten Seele ins Jenseits zu befördern. Nunmehr überträgt die Samilie die Wahl einer glücklichen Grabstätte einem sogenannten „Erdwahrsager“, der um dieses Sweckes willen, mit einem Kompaß ausgerüstet, mehrere Cage auf hügeln und Bergen zubringt. Sobald der Erdwahrsager seine Wahl getroffen, muß er einen Tag günstiger borbedeutung finden, an dem das Grab gegraben werden darf. Dann erläßt der nächste Verwandte des Coten folgendes Schreiben an die Erdgeister:
„Wir, die Söhne und Verwandten des Verstorbenen, beabsfichtigen, dessen sterbliche sHülle an dieser Stelle zu begraben. Da wir den Wunsch hegen, das Grab bereiten zu lassen, bitten wir euch, nicht nur diesem unserem Vorhaben eure Sustimmung zu erteilen, sondern auch für uns zu sorgen und uns glücklich zu machen. Serner gestatten wir uns verehrungsvoll, euch Obst und Wein als Opfergaben anzubieten;nehmet dieselben huldvoll und gnädig entgegen.“ Durch Verbrennen wird dieser Brief an die Adressaten befoördert.
Ist das Grab fertig, so werden die Dienste des Erdwahrsagers abermals in Anspruch genommen. Er muß die Wahl eines glückbringenden Tages zur Beerdigung treffen, und dies ist das Schwierigste. Cage, Wochen, Monate, ja Jahre vergehen zuweilen dabei. In diesem Salle wird der wohlverkittete Sarg in ein „Daus des Todes“, wie ich es in Kanton beschreiben werde, feierlich überführt.
Die Beerdigung der Toten im Innern einer Stadt ist nicht erlaubt. Die Sriedhöfe befinden sich weit draußen. Die Wohlhabenden pflegen ihre Angehörigen jedoch []Siegel der Kaiserin.
„Aff
8
[] Siegel der Kaiserin.
*S 21
149 45
22 57 .3 i
Malerei der Raiserin-Mutter. (S. 242.) []
Im Sommerpalast der Kaiserin.
Im Sommerpalast der Kaiserin.
231 nicht dort zu begraben, sondern lassen sich, wie eben erzählt,durch den Erdwahrsager passende Plätze ruchen. Je besser die Bezahlung, um so länger sucht, und eine um so glückverheißendere Grabstätte findet schließlich der „weise Mann“. Deshalb liegen in China die Gräber über das ganze Land verbreitet.Bleibt noch genügend Geld übrig, so wird die Leiche mit dem Pompe zu Grabe
Nach Rückkehr der Leidtragenden wird das Ahnentäfelchen des verstorbenen in einem Simmer des Hauses aufgestellt, woselbst es bis zum hundertsten Cage der Trauerzeit zu bleiben hat. In diesem Cäfelchen foll, wie der Chinese glaubt, die dritte Seele zukünftig wohnen. Nach dem hundertsten Cage wird es auf den Ahnenaltar des sHauses niedergelegt. Jetzt werden auch die Trauerkleider entfernt, welche erst den dritten Cag nach dem Code angezogen werden, da man bis dahin nicht die soffnung aufgibt, der Gestorbene sei nur scheintot. Das Trauergewand ist aus weißer Leinwand. Wahrend der ersten sieben Wochen lafsen die Leidtragenden Kopfhaar, Bart und Nägel wachsen. Keine Hochzeit darf in der Samilie vor Ablauf der hundert Trauertage gefeiert werden, der Student muß von der Prüfung zurücktreten, der Beamte seinen Posten aufgeben, während drei Jahren darf er kein neues Amt annehmen.
Die Länge der Trauerzeit richtet sich nach dem Verwandtschaftsgrade, in welchem die Hinterbliebenen zu dem Verstorbenen stehen. Der Sohn muß um den vbater, die srau um den Mann siebenundzwanzig Monate trauern; um Kinder und Geschwister trauert man nur ein Jahr. Auch um eine Srau genügt eine einjährige Crauer, denn das Gesetz sagt: „Stirbt deine Srau, so darfst du eine andere heiraten.“
Ich bin so lange, zu lange vielleicht bei den Beerdigungszeremonien der Chinesen verweilt, weil sie mir charakteristisch für dieses originelle, durch und durch konservative Volk erscheinen, und vielleicht auch zum Verständnis anderer Dinge, die ich erzählen will, beitragen werden.
Vergeblich schaute ich mich, als der Leichenzug vorüber war, nach einem Bahnhofgebäude, nach einer Stadt um. Es hieß nachher freilich, ich hätte erst auf der nächsten
Bronzepfau im Sommerpalast in Peking
[232]Reise einer Schweizerin um die Welt.Station aussteigen sollen, allein da der Schaffner „Peking“rief und die meisten Passagiere aufbrachen, tat ich desgleichen. Cinige JinrikishaBoys standen bereit. Bald saß ich im Wägelhen. Von einem Kuli gezogen, von einem andern gestoßen,überwanden wir glücklich einen Sandhaufen, der in die holprigste Straße einmündete, die mir je vorgekommen. Der Ausblick, welcher sich mir bot, war eine Sand- und Staubwüste zur einen, zur anderen Seite eine riesige, erdrückende Mauer. Endlich lenkten wir durch ein gewaltiges Tor auf einen oden Platz ein. Sauberte meine Cinbildungsszraft mir Ägypten vor? Eins, zwei, drei gewaltige Kamele mit langem, zottigem selle und glänzenden, sanften Augen streiften mich unversehens. Ihr schwerer Schritt war lautlos im Sande versunken, und beängstigend groß standen ihre riesigen Sil-houetten plötzlich dicht vor mir. Wie im Traume fuhr ich weiter.
Jetzt endlich fühlte ich mich in einer Großstadt. Welch lautes Leben und Treiben plötzlich ringsum! Auf Cseln, in Saänften, Jinrikishas, auf sogenannten Pekingkarren,zu Suße wand sich unaufhörlich ein bunter Sug, in welchem blaue Baumwolle die Hrundfarbe spielte, an mir vorbei.
Mann und Srau aus dem volke tragen ungefähr dieselbe Tracht. Saltenreiche,weite, am Knöchel zusammengebundene Beinkleider, darüber ein meist blauer Baumwollkittel. Ausnahmsweise sind Beinkleider und Kittel aus schwarzem Glanzkattun.Die Ärmel sind stets weit und so lang, daß sie über die Hand hinausreichen. Eng anliegende Kleider sind den Chinesen ein Greuel. Über die Kleidung der feineren Leute habe ich schon gesprochen; nachholen will ich nur, daß die Mandarinen auf ihren düten Knöpfe tragen, welche in folgender Aufeinanderfolge die fieben Mandarinengrade in Sarben bezeichnen: rosa, rot, hellblau, dunkelblau, milchfarben, kristallweiß und gold. Die Chinesin jedes Standes geht stets barhaupt. „Sie hat Haare, weshalb braucht fie einen Hut?“ meint der sparsame Gatte. Das glatte, schwarze Haar ist nach hinten gekämmt. Ich sah einige Damen, welche ein wagrechtes Brettchen im Nacken trugen, über welches das Haar ausgebreitet lag, eine künstliche Blume steckte zu beiden Seiten des ßHolzes. Augenbrauen, Wangen und Cippen werden stark geschminkt und bemalt. Mit ihren weißen Gefichtern und den recht hübsch in der
Mann, Srau und Rind aus dem Volke.[]Im Sommerpalast der Kaiserin.Mitte abgezirkelten Rosawangen erinnern sie mich an unsere Wachspuppen. Sum Glüchk gibt es weniger verkrüppelte Süßchen in Peking als in Südchina, da die Mandschuren dieser Unsitte nicht huldigen. Cine Merkwurrdigkeit ist aber doch an ihrem Schuhwerk bemerkbar. Sie tragen wohl dreißig Centimeter hohe Absätze, die sich über die ganze Sohle ausbreiten. Wie Stelzen sieht es aus oder wie der Sockel einer Statue. Vornehme Damen zeigen sich selten zu Suß, oder dann stets von einer Dienerin begleitet.
Die Straße ist außerordentlich breit. In der Mitte zu einem Damm erhöht,bildet sie zu beiden Seiten der Häuser einen Graben. viele dieser Häuser entlockten mir einen Schrei der Bewunderung: Kleine, niedrige Gebäude aus Holz mit geschweiften Dächern, Drachen und phantastisch geformten Ungeheuern als Dachtraufen.Häiser von oben bis unten geschnitzt, teils schlicht braun, teils überreich vergoldet,stehen noch reihenweise da. Unzählige aber sind dem Seuer und den Boxern zum Opfer gefallen. Causende von kleinen Menschen und Ungeheuern, Blumen und Schmetterlinge und feines Blättergeranke haben chinesische Künstler auf Giebel und Balken und an alle Cüren gezaubert. Gleich hohen Masten streben schlanke, mit Goldbuchstaben beschriebene und einem goldenen Knopfe gekrönte Stangen hoch über die Giebel der Häuser. Man sagte mir später, die Namen der Sirmen seien darauf geschrieben. An langen Bambusstangen hängen Laternen, Troddeln, alle möglichen Geschäftsreklamen; vor der saustüre erhebt sich auch des öfteren ein Pfahl mit dem NHamen des Besitzers.
Die Szene hatte sich verändert, wir waren in eine sehr stille, öde Straße gekommen, das Quartier der fremden Gesandten. Die Augen der ganzen Welt hatten fich ein Jahr zuvor in Angst und Sorge während zwei Monaten auf diesen Punkt gerichtet! Noch jetzt blickt die Serstörung aus den Mauern, und an einigen Stellen bewachen die beiden marmornen stilisierten Lswen, die in China vor jedem Palaste stehen, einen Trümmerhaufen oder eine gähnende Lücke. Die belgischen, holländischen, italienischen
Gesandtschaftsgebäude wurden von den Boxern und ihren Helfershelfern zerstört, auch das französische Gesandtschaftshaus hat eine chinefische Pulvermine in die Luft gesprengt.
Sünf Minuten später war ich endBesandtichaftsstraße in Peking.
238 []O
Reise einer Schweizerin um die Welt.lich am Siel meiner langen RikshaSahrt.Cin schmaler Eingang, ein an Vinkeln und dofen reiches chinesisches Haus oder vielmehr ein Zusammengestückel von vier Häusern, bildet das heutige Hotel du Nord, das einzige in Peking. Der Besitzer, ein Deutscher, wird bei der Konkurrenzlosigkeit und seinen hohen Preisen binnen kurzem ein reicher Mann fein und Peking, dem „groößten Schmutzplatz des Erdballes“, wie jemand es nannte, vergnügt den Rücken auf Nimmerwiedersehen wenden können. Das Hotel de Pékin ist eingegangen; Monsieur Pallieu, sein Besitzer, der bei der Belagerung eine wichtige Rolle als Proviantmeister gespielt, ist dabei Millionär geworden und hat sich in die Heimat zurückgezogen.
Auf der TatarenMauer in Peking. Das Hotel du Nord war augenblicklich
überfüllt; der Wirt erklärte, mir nur noch ein kleines, bescheidenes Simmer geben zu können. Es lag zu ebener Erde. Die sdäufer in Peking haben meist nur ein Erdgeschoß. Auf einer Seite ist ein kleiner sdof, während die Aussicht des Sensters auf eine hohe Mauer geht. Die Tapeten genau das Simmer meines Nachbarn übersehen konnte.
Es war drei Uhr nachmittags, somit die beste Seit zu einem Ausgange. Auf mein Befragen, was ich unternehmen koönnte, hieß es: „Gehen Sie auf der Mauer spazieren.“ Und dann? Der Wirt lächelte: „Wenn Sie auf der Mauer um die Tatarenstadt laufen wollen, brauchen Sie fünf Stunden, denn ihr Umfang beträgt 24 Ailometer.“
Breite Rampen, auf denen auch Pferde und Wagen emporsteigen können, führen an vielen Orten der Stadt auf die zwischen 9 und 12 Meter hohe Mauer. Diese hat ein Steinfundament, auf welchem nach außen und innen Siegelwände gebaut sind. Die Entfernung zwischen den beiden Wänden beträgt 9 bis 12 Meter, sie ist mit Lehm und Erde ausgefüllt und bildet einen dereinst gut gepflasterten Weg, auf welchem zwei breite Wagen bequem sich begegnen oder nebeneinander einherfahren können.
Ich befand mich auf der Quermauer, welche das gewaltige längliche biereck,das Peking umgibt, nördlich in die Tatarenstadt, südlich in die kleinere Chinesenstadt teilt. So konnte ich in beide Städte hinunterblicken. Zu meiner Linken fah ich hinein in das Gewirre der Chinesenstadt und darüber hinaus bis in die Haine des gewaltigen Tempels des shimmels. Zu meiner Rechten lag die Tatarenstadt, zunächst die Sarten und Wohnungen der Gesandtschaften im vordergrund. Serschossene Mauern und Bäume, CTrümmer, TCapetenfetzen, Siegelstücke überall und dazwischen []Im Sommerpalast der Kaiserin.
235 eine große Arbeiterschar, die fleißig Serstörtes neu machte und Verwüstetes wieder aufbaute! Die dunkelrote Linie, welche sich scharf im HBintergrund abzeichnet, ist die Mauerumfassung der zweiten Stadt in der Tatarenstadt, welche gleichfalls ein großes Rechteck bildet: sHwangecheng, die kaiserliche oder gelbe Stadt genannt. Hier sind saiferliche Paläste, Privatwohnungen hoher Beamter, der CotosSee mit ausgedehnten laaiserlichen Gärten und die Marmorbrücke. Mitten in dieser Stadt ist eine dritte,die sogenannte „Purpur- oder verbotene Stadt“ Tszkincheng.lseun Tore führen durch die mit Sinnen geschmückte Mauer in die Tatarenstadt,ein jedes derselben ist von einem etwa 80 Meter hohen Wachtturme mit geschweiftem Doppeldache überragt. Auch über den an die Haupttore sich schließenden halbrunden »der eckigen Wällen (enceintes) erheben sich etwas niedrigere Cürme. In einem Abstande von etwa 300 Meter verstärken Bastionen die Mauer.
Als ich hinaufkam, fand ich deutsche Soldaten, welche im Schatten des Wacht:turmes gedrillt wurden. Etwas weiter waren chinesische Arbeiter fleißig mit Ausbessern der an dieser Stelle besonders beschädigten Mauer beschäftigt. Auch auf meinem weiteren Wege mußte ich oft über Trümmer und Gestrüpp wegsetzen, welches aus den geborstenen Steinen in üppiger Sülle hervorwucherte. Dann kamen wieder saubere glatte Strecken, die mich den schonen, einsamen Spaziergang in der kühlen, klaren erbstluft ungestort genießen ließen. Die schlechten Gerüche Pekings drangen dabei ebensowenig zu mir hinauf, wie der laute Tumult seiner schmutzigen Straßen, und widerstrebend nur wandte ich nach zweistündigem Marsche meine Schritte zurück.Vie eine große rote Kugel ging die chinesische Sonne unter, als ich mich wieder über dem Gesandtschaftsquartier befand. Sie beleuchtete nicht nur Crümmer, sondern auch die Dächer der Kaiserstadt, welche gleich riesigen Chrysanthemen gelb, grün und blau aus dem tiefen Grün der Gärten D ten die Drachen und Chimären,welche Traufröhren und Giebel schmücken und so viel schöner aussehen als unsere schrecklichen S„chornsteine und Sabrikrohre.
Die Soldaten waren fort, die hinesischen Arbeiter hatten noch nicht Seierabend gemacht, und etwas ängstlich ging ich an ihnen vorbei. Ob wohl Boxer unter ihnen waren? Ein langer Dornenzweig hatte sich so fest an meinen Rock geklammert, daß ich ihn nicht lösen konnte. Gutmütig knieten zwei Arbeiter auf die Erde und befreiten mich sorgfältig von dem lästigen Anhängsel. Ich fragte
[136]Reise einer Schweizerin um die Welt.mich, ob unsere europäischen Arbeiter dasselbe getan hätten.Im Hotel du Nord erwartete mich der deutsche Gesandte, Exzellenz Mumm v. Schwarzenstein, dem ich bei meiner Ankunft die Empfehlung eines beiderseitigen Sreundes übersandt hatte. Diese Empfehlung sollte von unschätzbarem Werte für mich sein. Vor allem öffnete sie mir die Tore des seit Wochen streng verschlossenen Sommerpalastes der Kaiserin. Sicheres wollte mir an jenem Abend sderr von Mumm freilich nicht versprechen, wir verabredeten einfach für den folgenden Morgen eine Sahrt aach dem Sommerpalast. Abends bei Tisch erregte diese Aussicht einen wahren Sturm. Die Sremden hatten sich alle vergeblich darum bemüht. Das Palais, hieß es, sei in Reparatur, die Kaiserin werde zurückerwartet. Eine lebhafte Crörterung erhob sich, Wetten wurden sogar gemacht, ob ich selbst hineingelangen würde oder nicht.Ich hatte mich unterdessen zur Ruhe begeben, aber um den ersehnten Schlaf brachten mich drei Nachtwächter. Sie saßen friedlich auf meiner Türschwelle und unterhielten sich in angeregtem Gespräche. Die Nachtwächter bilden überhaupt ein wichtiges Kontingent im bürgerlichen Leben der chinesischen Städte. Mit Trommeln und Gongs ziehen sie nachts alle vViertelstunden durch die Straßen. Teils um die bösen Geister von sich fern zu halten, namentlich den riesigen Himmelshund, dessen Schatten Sonnen- und Mondfinsternis hervorruft, teils um Dieben und Vagabunden hre Nähe zu melden, verüben sie einen Höllenlärm.Srüh um acht Uhr meldete sich Graf W., Attaché an der deutschen Gesandtschaft.Er sollte zum Ausflug nach dem Sommerpalast mein Begleiter sein. Vor der Türe stand ein Sweispänner, die einzige Cquipage, deren sich Peking für den Augenblick rühmen kann. Graf Waldersee hatte sie mitgebracht und da gelassen. Ein in bunte Seide gehüͤllter Chinese, den langen Sopf mit eingeflochtenen roten Bändern, faß auf einem gedrungenen weißen chinesischen Pony. Er sollte unfer Vorreiter und Dolmetscher sein. Swei stramme, bewaffnete, berittene Soldaten bildeten die Nachhut. Sum erstenmal fuhr ich als große Dame und fühlte mich als solche, ein Gefühl, das freilich durch die vielen Unebenheiten des Weges zuweilen sehr erschüttert wurde.Sröstelnd hatten wir uns in Decken gehüllt, denn die Kälte war bis neun Uhr empfindlich. Dann aber erhielt Helios die Oherherrschaft und strahlte mit dem füdlich [287]blauen Himmel um die Wette. Gründlich durchrüttelt und geschüttelt ließen wir endlich die Stadt hinter uns zurück.
Der Tempel der großen Glocke zeigte sich zunächst. Dort hängt angeblich die größte Glocke Chinas im Gewichte von 55,000 Kilos. Sie wurde mit vier anderen zu Anfang des XV. Jahrhunderts unter Kaiser Yungelo gegossen. Eine Sage rührender Kindesliebe knüpft sich an diese Glocke.
Sweimal mißlang der Guß, und der Kaifer ließ daher dem Gießer drohen, ein dritter Mißerfolg würde ihm den Kopf kosten. Auch jetzt wollte die Metallmasse nicht fließen. Da stürzte sich die Tochter des Gießers in die glühende Masse, um durch ihren TCod die feindlichen Götter zu versöhnen. Entsetzt sprang der Vater hinzu,um das Schreckliche zu verhindern. Su spät! nur der Schuh blieb ihm in der Hvand.Der Guß gelang, aber wenn die Glocke geschlagen wird, hört man ganz deutlich den Ruf: „Hsich, Hsich!“ (Schuh, Schuh!) Es ist die Seele des Mädchens, welche ihren Schuh zurückfordert.
Zur Seit großer Dürre werden Prinzen und hochgestellte Hofbeamte entsendet, um durch die Vermittlung der Glocke Regen zu erbitten. Wird sie geläutet, so senden ganz sicher die Götter den erwünschten Regen.
Unser Weg ging nach Norden. Groß war meine Überraschung, eine wunderschöne, mit Steinplatten belegte Straße, die beste in China, zu finden. Sie wurde erst im Jahre 1894 zu Ehren des sechzigsten Geburtstages der KaiserinMutter mit einem Aufwande von Millionen hergerichtet. Auch hier an der Straße und weiter draußen auf dem Selde stehen Gräber. Die Erdwahrsager verstehen es entschieden vortrefflich, überall glückbringende, letzte Ruhestätten auszuspüren. viele Tote befitzen nicht nur ein schmales Grab, sondern einen ganzen ausgedehnten, mit Z3ypressen beschatteten Park. Diese Bäume haben die Eigenschaft, den Mongtsaong, ein fabelhaftes Ungeheuer, das sich von Leichenhirn nährt, abzuhalten.Man kann niemals genug tun in Ehrung der Coten, denn man muß sich vor allem hüten, ihr Mißfallen,ihren Rachedurst zu erregen. Ein Sranzose hat China folgendermaßen charakterifiert: « On pays oùu quelques cen-
Im Sommerpalast der Kaiserin.
[238]Reise einer Schweizerin um die Welt.taines de millions de Chinois vivants sont domines et terrorisés par quelques milliards de Chinois morts.»wir hatten uns immer mehr den blauen, mongolischen Bergen genähert. In einer Viertelstunde sollten wir Yüan-ming-yüuan, übersetzt „der runde und glänzende Harten“, vor uns haben. Ich wußte, daß wir einen Mandarin um die Erlaubnis anzugehen hatten, um den Eintritt in den Sommerpalast zu erlangen.
Jetzt winkte Graf W. unserem Vorreiter und gab ihm seine visitenkarte, eine echt chinesische, landesübliche, groß, feurigrot, den Namen in drei chinesischen Buchstaben hingemalt. Nach dortiger Sitte ist es uüblich, eine Viertelstunde bevor man persönlich vorspricht, seine Karte vorauszuschicken. Damit ist dem zu Besuchenden Zeit gegeben, sich zu besinnen, ob er empfangen will oder nicht, und sich in ersterem Salle auf den Empfang vorzubereiten. Cine gar nicht üble Sitte, die auch in der Schweiz wohl angebracht wäre, wo man mitunter die Besuche erst eine viertelstunde auf der Treppe, dann eine zweite Viertelstunde im Salon warten läßt, bis der sHausherr oder, was noch öfter vorkommt, die Hausfrau endlich erscheint.
Wir fuhren jetzt im Schritt. Ich war in lebhafter Spannung, was der nächste Augenblick bringen würde, ob ja, ob nein. Eifrig studierte ich die Seichnung einer Geistermauer, welche auf einer Seite des Weges stand. Reiche Chinesen lassen solche Mauern vor ihre vVillen und Paläste bauen, um damit bösen Geistern den Eintritt zu wehren. Die schönste dieser Mauern sollte ich am folgenden Cage in der Nähe des Kohlenhügels sehen. Ein breiter Sries schmückt sie mit künstlerisch entworfenen Drachen, welche in den herrlichsten Sarben schimmern. Das Motiv ist immer nahezu dasfelbe: zwei Drachen, die sich um einen Ball streiten. Die Deutungen sind verschieden, die gewöhnlichste ist: eine böse und eine gute Macht, die sich um den Erdball streiten. Eine andere: der Ball bedeutet Japan, das der Drache China verschlingt.
Um bösen Geistern den Aufenthalt in ihren shäusern zu entleiden, verwenden die Chinesen schon beim Bau ihre vVorsichtsmaßregeln. Sie binden an jede Gerüststange kleine Bäumchen in horizontaler Richtung und legen das Haus in Sickzackform an.Die Erschaffung der Welt denken sich die Chinesen folgendermaßen: Suerst ward ein ungeheures Weltei, das eines Tages von selbst auseinanderbrach. Gott PunkuWong sprang daraus hervor. Er bildete hierauf aus dem oberen Teil der Cierschale den Himmel, aus dem unteren die Erde. Dann schuf er mit der rechten Hand die Sonne, mit der linken den Mond und heftete die Sterne an den Himmel. Serner schuf er Wasser, Seuer, Metall und Holz, und ließ aus einem Stück Gold und einem Stück Holz je eine Wolke entstehen. Diese hauchte er an; aus der Goldwolke kam ein Mann, aus der Holzwolke eine Srau hervor. Im Laufe der Seit bevölkerten die Rachkommen dieses ersten Menschenpaares die ganze Erde, deren Mittelpunkt China einnimmt, um das sich die übrigen volker gewissermaßen als vdasallen scharen.Deshalb gebührt China der Name „TschungNwock!, d. h. Reich der Mitte.
Endlich kehrte unser Bote zurück. In der Rechten schwang er eine rote, etwas kleinere Visttenkarte, die ich als Andenken aufbewahre. Die Botschaft lautete: „Der Mandarin läßt sagen, er sei nicht zu sause, aber wir könnten uns immerhin den []Peking im Sommer 1900. (5. 234.)
[240]Reise einer Schweizerin um die Welt.Sommerpalast anfehen.“ Wir lachten über die naive Durchsichtigkeit einer Lüge, die auch in Europa, freilich etwas feiner, in der Mode ist, und trösteten uns um so mehr über die Abweisung, da sie uns ja die Pforten des Palastes offnete. Einen Augenblick später standen wir, von einer neugierigen Menge gefolgt, am Eingangstore.Nicht geringe Aufregung herrschte drinnen über unser Begehr. Krachend wollten schon die Corflügel vor unserer Nase zufliegen, aber der Befehl des Mandarins, die drohende Gebarde unserer Berittenen wirkten als Sauberformel.
Der Wagen hielt vor der ersten Eingangshalle. Auch hier sitzen als Corwächter zwei großmähnige, herrliche BronzeUngeheuer. Grimmig scheinen sie uns anzugrinsen. Wer will ihnen das Recht dazu absprechen? Yuanmingyüan hat wahrhaftig keine Ursache, Liebe und Achtung für die „rotborstigen Barbaren“ zu empfinden. Schon einmal, im Jahre 1860, hat die französisch-englische Soldateska hier alles in Crümmer geworfen, und erst 1874 war der herrliche Sitz wieder so weit hergestellt, um ihn bewohnen zu können. Und jetzt? Abermals haben im Jahre 1900 europäische Kultur und Sitte ihren Einzug in Sorm von Plünderung und Verwüstung im Sommerpalaste der Kaiserin gehalten. Was man sonst den rohesten Barbaren in die Schuhe schiebt, ist hier durch hochzivilisierte Nationen geleistet worden;was der große Haufe der Soldateska all der „Verbündeten“ in Unwissenheit und roher Serstörungsfreude nicht in tausend Stücke schlug, haben einzelne hochgestellte Gebildete als interessante Beutestücke zur Dekoration ihrer Salons sich einfach angeeignet. Man sfagt der Gemahlin des englischen Gesandten, Lady M., nach, sie hätte eine ganze Schiffsladung „Nippfachen“ aus dem Sommerpalast nach England verpacken lassen. Seit und Gelegenheit war genügend vorhanden, da der untere Teil des Sommerpalastes, welcher aus einer Menge von Gebäuden und Pavillons besteht,der englischen, der obere der italienischen Gefandtschaft auf Monate zum Wohnsitz angewiesen wurde. Verwaist stehen sämtliche Sokkel, der Causende von kleineren Bronzekunstwerken, die Gärten und Hallen einst schmückten, in schamloser Weise beraubt. Nur die ganz großen Stücke sind stehen geblieben, weil sie nicht transportabel waren.Die Anlage des
Oberer Teil des Sommerpalastes []Im Sommerpalast der Kaiserin.
241 Sommerpalastes stammt aus jener Zeit, wo die Jesuiten mächtigen Einfluß am kaiserlich chinesischen Hofe genossen,und so hat sich etwas Versaillerstil in all die «chinoiseries »,ich finde kein so bezeichnendes Wört im Deutschen, eingeschlichen.Dabei zieht ein Sug des Großartigen, den Rokoko und Sopf nicht kennen, durchs Ganze.
Er verdankt dies wohl der Cage und gewaltigen Ausdehnung des Parkes, welcher einen Raum von sieben Kilometer ausfüllen soll. Von einer großen weißen Marmorterrasse schweift das Auge weit über einen schönen, jetzt öde daliegenden See. Verschwunden sind die kaiserlichen Barken, welche ihn dereinst belebten! Sur Rechten zieht sich in langer Cinie der Park um den See, im Sintergrunde zur Linken schimmert eine kleine Insel, zu der eine hochgewölbte große, weiße Marmorbrücke führt.
Einzelheiten genau zu beschreiben, ist mir nicht möglich. Ich wandelte den ganzen Morgen traumbefangen umher, und nachträglich kann ich nur in ganz blassen Sarben skizzieren, was für Bilder meine Augen festhielten. Wie ein verzauberter Garten kam mir Yuanmingeyüan vor, in welchem jeden Augenblick die Herrin all dieser Pavillons, Pagoden und Paläaste vor mich treten konnte. Arme Kaiserin! Ich habe ein Phantasiebild von ihr gesehen mit dem Ausdruck einer Sphinx in den langgeschweiften unergründlichen Augen. Sie verfolgten mich, diese Augen, als ich die Gemächer durchschritt, die hinter der Marmorterrasse liegen. Hier wohnte sie in diesen jetzt ihrer Schäätze beraubten Sälen. Sertrümmert sind all die feinen Schnitzereien aus Zedern und Cbenholz, in tausend Stücke zerschlagen alle Spiegel, in wüstem Wirrwarr füllen sie haufenweise die Räume. Serschmettert liegen draußen die durchbrochenen weißmarmornen Geländer der Cerrasse, die eine Künstlerhand mit Phonix und Drache, den kaiserlichen Emblemen, geschmückt.
Pierre Coti hat sich einen Schuh der Kaiserin aus einem ihrer Paläste geholt.Mein Beutezug ging nicht so weit, ich begnügte mich, ein Stückchen Schnitzwerk von der Erde auszuheben. Ein Andenken von der Kaiserin-Mutter habe ich freilich mitgebracht, eine flüchtig hingeworfene Probe ihres, wie man sagt, künstlerischen Pinsels.Das Bild mit dem persönlichen Stempelabdruck der Kaiserin versehen, den niemand
C. von Rodt, Reise um die Welt. 16
Die oberen Pavillons des Sommerpalastes.
[242]Reise einer Schweizerin um die Welt.zu fälschen oder nachzuahmen wagte, habe ich von einem Haändler erstanden. Jedenfalls wurde es mit tausend anderen Dingen aus einem der Paläste gestohlen.
Ein sehr langer gedeckter, mit Malereien geschmückter Wandelgang führt nach dem oberen Teile des Gartens, wo auf kunstlichem, mit gewaltigen Selsblöcken erbautem Hügel eine ganze Reihe Pavillons, Pagoden und Pagödchen sich nach der szohe zieht. Das Ganze kront eine Pagode mit rundem Curme. Gleich einem Pfau schillert sie im Glanze ihrer bunt glasierten Kacheln und rundgeformten Siegel und überstrahlt an Sarbenpracht die gelben und blauen Dächer der übrigen Bauten, unter denen sich ein niedliches Pagödchen dadurch auszeichnet, daß es ganz aus Bronze ist.
Bei dem vorletzten, dem frankoenglischen Besuche 1860 wurden beinahe alle Gebäude in die Cuft gesprengt. Diesmal begnügte man sich damit, nach Kräften das Innere zu plundern und zu verwüsten, doch die Außenwände stehen zu lafsen.Dafür weiß man in China den verbündeten Mächten Dank. Arbeiter waren beschäftigt, in der Pagode einen riesigen Buddha, der langhingestreckt auf der Tase lag,aufzurichten. Jammervoll guckten aus seinem geborstenen Rücken Lehm und Stroh hervor. Schätze wurden in seinem Innern vermutet und gesucht, ob mit Erfolg,weiß ich nicht. Großartig angelegt ist die breite Marmortreppe, welche zu beiden Zeiten auf die Höhe des Hügels führt, sie mundet oben in einer Terrasse aus,von welcher man die ganze wundervolle Anlage, einen Triumph der Architektur. anstaunen kann.
Sür den 19. Oktober war das Wetter strahlend schön und die Luft von einer seltenen Klarheit und Durchsichtigkeit. Stundenlang wanderten wir mit unserem großen Hefolge durch den verlassenen, verödeten Park von Manming-yüan, immer wieder entdeckten wir neue Pavillons, neue Teehäuschen, auch an Geistermauern und bizarren Selspartien war kein Mangel.
Ich habe soeben unser Gefolge erwähnt. Da war in erster Linie einer unserer deutschen Soldaten, ferner ein hoöherer chinesischer Palastpförtner, ein Soldat mit zerrissenem Strohhut und höchst unmartialischem ÄAußern, und drei anscheinend ziemlich untergeordnete Kulis. Graf W., der für den kurzen Aufenthalt von einem Dahr sich merkwürdig gut chinesisch zu verständigen wußte, schien den fünf Leutchen sehr zu gefallen. Ich freute mich über die freundliche Art und Weise, wie er mit ihnen verkehrte und die wohltätig abstach von dem Ton, den die Europäer meist den Chinesen gegenüber anwenden.
Exzellenz Mumm hatte auch für unsere leiblichen Bedürfnisse Sorge getragen.Cin ausgezeichnetes, kaltes Srühstück erwartete uns im sogenannten Marmorschiff,einer Art Erfrischungspavillon, das die Kaiserin unmittelbar am Ufer des Sees in Hestalt einer weißen Marmorbarke hatte errichten lassen. In heiterer Stimmung ließen wir uns alles schmecken, frohlich klangen die Gläser. Wohl zum letztenmal hat das Marmorschiff europaische Gäste in seinen Räumen beherbergt.
Auch unser Gefolge geriet in angeregte Stimmung über die guten Reste. Der derr Hofpförtner und der Soldat mußten freilich anstandshalber auf den gebotenen Wein verzichten, weniger skrupulös zeigten sich die drei Kulis. Großen Beifall fand bei allen eine gespendete Sigarre. Der Pfortner, als der älteste und angesehenste im []Sommerpalast in Peking. (5. 242) [] Im Sommerpalast der Kaiserin.Range, machte mit einigen Zügen den Anfang, dann gab er fie dem Soldaten, und nun kreiste die Sigarre zwischen den fünfen,bis sie schließlich nur noch ein kleines, glattgekautes Endchen aufwies. Auch meiner Kamera hielten allezumSchlusse gerne still.Außerordentlich belebt fanden wir die schone, steinbelegte Straße bei der Rückfahrt. Offenbar war's nicht nur füͤr mich ein Glückstag, sondern er stand auch als solcher im chinesischen Kalender angemerkt. Wir trafen nicht weniger als elf HBochzeitszuge. Dabei gab's jedesmal eine shöllenmusik und eine Entfaltung von roter „Glücksfarbe“: rotgealeidete Diener, rote Holztafeln, auf denen in chinesischen Goldlettern Namen und Vürden der Vorfahren der Braut und des Braäutigams stehen, und zum Schlusse die dicht verschleierte Braut selber in verschlossener, roter Sänfte. Aber auch sonst fehlt!s nicht an Sarben bei diesen Aufzügen, vergoldete, bunte Baldachine bergen Srüchte und Zuckerwerk, und auf Tischchen werden die mannigfaltigsten Geschenke getragen. In China findet die Vermählung im Sause des Bräutigams statt, welcher die Braut durch einen Sreund aus dem Elternhaufe holen läßt. Meist werden die Kinder schon im jugendlichsten Alter einander verlobt.
Dazwischen gab es zuweilen auch einen Ceichenzug. Diese ungewöhnlichen Begegnungen abgerechnet, wälzte sich die Bevölkerung in unglaublicher Sahl und in beinahe ebenso dichter Menge als in der Stadt durch die Straße. Karren an Karren,mit großen Säcken beladen, fahren aufs CLand hinaus. Sie sollen den über Tientsin aus den füdlichen Provinzen gekommenen Reistribut enthalten, wie mir mein Gefährte erklärte. Lange Suge beladener Kamele schwanken dahin, geführt von Mongolen in schweren roten und gelben Röcken. Ihre Srauen tragen dieselbe Tracht, dieselben schweren, großen Stiefel, nur schmücken Perlen und Silber Hals und Brust.
Die Wagen, denen man in Peking am meisten begegnet, sind neben den erst in neuester Seit hier eingeführten Rikshas die sogenannten Pekingkarren. Mein guter Stern hat mir für meinen Aufenthalt in der Hauptstadt des Reiches der Mitte einen stattlichen Zweispänner beschert, aber allen Bes chreibungen nach muß ein Pekingkarren das Nec plus ultra aller Unbequemlichkeit und Qual sein. Außerlich stellt er einen langen, hölzernen, gewölbten, mit blauem Baumwollstoff gedeckten Kasten vor. Dieser sitzt auf der Achse zweier hoher, schmaler, mit Nägeln beschlagener Räder, welche einem historischen Museum entnommen zu sein scheinen. Ein Maultier ist in die Gabel
2453
Unser Gefolge im Marmorschiff.
[4]2
Reise einer Schweizerin um die Welt.deichfel gespannt, und zuweilen läuft noch ein zweites oder ein Pferd, an einer langen Zugleine geschirrt, davor. Der Kutscher hockt auf der Deichsel, und das tut der Sremde auch,wenn ihm seine Knochen lieb sind, denn drinnen findet er einen sitzlosen Raum und eine dünne Strohmatratze, als einzigen Schutz gegen die Püffe einer an Cochern und Gräben üͤberreichen Straße. Die Wege nach dem Sommerpalast und zum Himmelstempel bilden die einzigen rühmlichen Ausnahmen. Sogar ich in der komfortabeln Cquipage empfand die schmerzlichen Solgen einer „ers chütternden“ Sahrt durch die Stadt.
Im Hotel du Nord erwartete mich eine angenehme Überraschung. Offenbar in Betracht meiner pompösen Abfahrt am Morgen, oder noch mehr des Besuches des deuts chen Gesandten, war plötzlich im Gasthof Platz geworden. Ich fand mein Guartier im Staatszimmer des Haufes aufgeschlagen. Man stelle sich darunter nichts Großartiges vor. Die Decke war mit einer schmutzigen, verblichenen Tapete überklebt, an der jedoch der Zahn der Zeit schon ordentlich genagt hatte. Infolgedessen zeigten sie verschiedene Cücken,eine bedenklich große gähnte über meinem Bette. Cin Mäuslein benutzte dieselbe zuweilen, um einen Blick aus der Vogelperspektive ins Simmer zu werfen. Wenn ich zu Bette lag, raschelte es öfter über mir, dann blickte ich gerade in zwei neugierige, kohlschwarze Äuglein, oder ein Schwänzchen hing damoklesschwertartig lang über meinem Haupte.
Abends zum Diner hatte ich eine Einladung auf die Gesandtschaft erhalten. CEine Stunde vorher war ein Brief von Herrn von Mumm mit der Meldung eingetroffen, eine Jinrikisha und zwei Soldaten würden mich abholen und ebenso wieder zurückgeleiten,da die Straßen Pekings abends nicht sicher wären. Militärisch pünktlich erschien die speziell komfortable, weichgepolsterte Riksha der Exzellenz. Voran schritt als Lichtspender ein bezopfter Chinese, der einen riesigen, roten Ballon trug. Beleuchtung außer Papierlaternen kennt Peking noch keine. Hinter mir trabten die beiden Soldaten. Sreiherr von Mumm, ein Srankfurterkind, ist Junggeselle, Damen der deutschen Gesandtschaft in Peking waren augenblicklich gar nicht vorhanden, so erwartete mich ausschließlich eine Herrengesellschaft. Die großen Empfangszimmer sind reich an herrlichen Stücken altchinesischer Kunst; Herr von Mumm scheint ein leidenschaftlicher Sammler zu sein. Originell ist die Saaldecke, ein Andenken des früheren, langjährigen Gesandten,[]Im Sommerpalast der Kaiserin.
246 Herrn von Brandt. Sie besteht aus Bierfässerdeckeln, auf welchen abwechselnd der deutsche Reichsadler und das chinesische Drachenwappen gemalt sind. Im Arbeitskabinett waren noch Kugelspuren von der Belagerung her sichtbar. Herr von Mumm erfreut sich einer riesigen Arbeitskraft. Von fruh bis spät sitzt er am Schreibtisch. Sein Gesandtschaftsposten war und ist noch jetzt keineswegs ein rosiger, und es gibt wohl recht oft Seiten, wo er lieber etwas ferner von Peking wäre.
Nach einem anregenden Abend wurde ich auf dieselbe Weise, nur daß sich dabei noch einige Herren anschlossen, ins Hotel du Nord zurücktransportiert. Mein Ballonträger leuchtete mir durch die Winkel und finsteren Höfe des sauses in mein neues Quartier, wo ich diesmal ungeachtet Maus, Nachtwächtern und infolge der Sahrt sehr fühlbarer Rippenschmerzen, bald fest und selig einschlummerte.
Bronzedrache im Sommerpalast.
[246]Reise einer Schweizerin um die Welt.stapitel 16.Runsfahrlen durch Peking.
Die Astronomie in China. Studium. Rungfutse. Sein Tempel. Ring Bücher. CamaTempel. Gründung des Lamarsmus. Bettel der Priester. Gebetsmühlen. Meishan. Verbotene Stadt. Roheit der zivilisserten Nationen““. Pimmelstempel. Pimmelsaltar. Opfer des Raisers. Abschied von Peking.Rückfahrt nach Shanghai.
Oen folgenden Morgen früh stand wieder der Walderseesche Wagen mit vVor und Nachreitern vor dem Hôtel du Nord. Diesmals hatte ich einen anderen Begleiter, den Dolmetscher der deutschen Gesandtschaft, Herrn v. B. Die Gesellschaft des liebenswürdigen jungen Mannes, der das Chinesische geläufig sprach, hatte für mich der Erklärungen und Übersetzungen wegen großen Wert.
Bevor ich unsere Sahrt antrete, möchte ich zweier Sehenswürdigkeiten Pekings Erwähnung tun, die nicht mehr vorhanden sind:der astronomischen Instrumente der Sternwarte,welche zu meinem Bedauern den Weg nach Berlin genommen haben, und der Examinationshallen, die mit der berühmten Bibliothek im Sommer 1900 verbrannt wurden. Sranzosen und Engländer hatten im Jahre 1860 letztere schon ihrer wertvollsten Schriften beraubt.
Das Obfervatorium lag an der östlichen Stadtmauer und nahm seinen Anfang schon im XIII. Jahrhundert. Aus jener Seit stammen zwei Planigloben und ein Astrolabium aus Bronze verfertigt und von mächtigen Drachen schoönster Arbeit getragen. Eine größere Anzahl Instrumente, Ouadranten, Sextanten, Sonnenuhren u. s. w. konstruierte im Jahre 1674 der Jesuitenpater Verbiest auf Befehl des Mandschukaisers Kanghi. Su einer Seit, wo die Welt noch im tiefsten Dunkel der Unwissenheit tappte, existieren genaue, chinesische Beobachtungen über Sonnen und Mondfinsternisse. Auch das Sernrohr sollen die Chinesen schon im II. Jahrhundert vor Christo gekannt haben.
Die Mitglieder des kaiserlichen Bureaus für Astronomie erfreuen sich als „Kalendermacher! eines nicht geringen Ansehens im Cande des Sopfes. Groß ist die Popularität []Rundfahrten durch Peking.
247.
Stadttor.des Kalenders. Gibt er doch nicht nur alles Übliche an, sondern auch die Daten der glückbringenden Cage, wo man Hochzeit halten und beerdigen, einen Caden eröffnen und eine Reise antreten kann. Ja er gibt sogar die Cage an, wo der Samiliengott sich in den verschiedenen Räumen des Hauses aufhält. So ist denn der Tag der Kalenderherausgabe ein festlicher in Peking. Das chinesische Neujahr wird während zwei bis drei Wochen gefeiert. Seuerwerke und Raketen zum vertreiben böser Geister spielen dabei eine Hauptrolle. Vor Anbruch des Neujahrmorgens zahlt jeder Chinese seine Schulden, zieht ausstehende Schulden ein und schließt seine Bücher ab.
Ich habe schon erzählt, welch hohes Ansehen Wissen und Bildung in China genießen. Die „Citeraten“ haben jederzeit Anspruch auf die höchsten Amter. Im heimatlichen Dorfe werden die Studien begonnen und in der Provinzialhauptstadt findet das erste Cxamen statt. Von 25,000 Kandidaten bestehen es durchschnittlich nur 500, die anderen 24,600 werden nun zu keinem anderen Examen mehr zugeD naur alle drei Jahre. Von 1000 Geprüften bestehen etwa 100 das Examen, welches ihnen den Doktortitel und eine zukünftige Stelle im Staatsdienste ermöglicht. Die Durchgefallenen können als Lehrer, Notare, Schreiber wirken und werden jederzeit zu einem neuen Examensversuch zugelassen. Das höchste Cxamen, welches den Titel Doktor der Literatur einbringt, kann nur in Peking abgehalten werden, und wenige sind auserwählt. Die Examinationshalle bestand aus Miniaturzellen, in welchen die Kandidaten vierzehn Tage lang ihre Arbeiten schreiben mußten. Sie durften weder bei Cage noch bei Nacht ihre Sellen verlassen.
Seit dem JZahre 1900 scheint auch auf dem Gebiete der Erziehung ein neuer Geist in China einziehen zu wollen. Kaiferliche Sonds sind bereitgestellt worden
[248]Reise einer Schweizerin um die Welt.zur Gründung neuer Universitäten nach westlichem Muster. Dieselben Sprachen und wissenschaften, wie bei uns, sollen künftig doziert werden. Im JZahre 1002 stellten sich 100,000 Studenten aus den achtzehn Provinzen zur Prüfung für den höheren Magistergrad, welcher den Doßktortitel einbringt, ein und die zehnfache Sahl für Baccalaureus. Also im ganzen die enorme Siffer von 1,650,000 Studierenden. Tritt nun modernes Wissen an Stelle des veralteten, so liegt es auf der sand, daß im Caufe der nächsten Jahre gewaltige Neuerungen und Umwälzungen im uralten,chinesischen Reiche stattfinden werden.
Bis vor wenigen Jahren, wo etwas Sprachen und Mathematik eingeführt worden waren, bildeten die Schriften des Kungefuetse den Inhalt aller Studien.
Confucius, wie man ihn in Curopa nennt, lebte im VI. Jahrhundert v. Chr.,und heute noch ist sein Ansehen so groß, daß es keine Stadt in China gibt, welche nicht ihren Confucius-Tempel besäße. Seine Lehre besteht hauptfächlich in der Erziehung des menschlichen Herzens. Erziehen heißt, den trägen Menschen, den ein verkehrter Gebrauch seiner Sähigkeiten erniedrigt hat, wieder zu heben, seinen Augen den strahlenden Glanz der Unendlichkeit zu zeigen, ihn daran zu gewöhnen, aus seinem Nichts herauszutreten und sich als Geist, als denkendes, wollendes und erkennendes Wesen zu fühlen. Denken, Wollen, Erkennen sind die drei Grade dieser Erziehung.
Confucius vergleicht das menschliche Herz mit einem galoppierenden Pferde, das weder des Sügels noch der Stimme achtet, oder mit einem Gießbach, welcher die steilen Abhänge des Gebirges hinabstürzt, oder auch mit einer auflodernden Slamme.Diese ungestümen Kräfte muß man zu zügeln suchen, indem man sie im Saume hält,und zwar ehe sie sich vollständig entwickelt haben.
Confucius ließ in seinem Kultus weder Götzenbilder noch Priester zu, noch einen vorgeschriebenen Gottesdienst. Seine Lehren sind durchaus weltlich und zeichnen sich durch scharfen Verstand und Klugheit aus.Er fordert unbedingte Gewalt und von Menschlichkeit und Gerechtigkeit geleitete Autorität der Ältern und Hoheren, dafür aber auch unbedingten, kindlichen Gehorsam der Untergebenen.
Confucius vermied den Namen Gott, weil er glaubte, eine persönliche Bezeichnung führe leicht zu grob sinnlichen Vorstellungen.[]Porzellanbogen vor der Palle der Rlassiker. (5. 249.) [] Rundfahrten durch Peking.
249 Es ist also mehr eine Art Sittenlehre als eine Religion, zu der sich bis auf den heutigen Tag die Mehrzahl der gebildeten Chinesen bekennt.
Wir begannen unseren Cag mit dem Cempel des Confucius. Eher einen Sriedhof mit Grabmonumenten als einen Tempelhain vermeinten wir zu betreten. Die Erinnerungstafeln an die Schüler des großen Weisen sind hier aufgestellt. Sie reihen sich alle, wie die Schüler es einst um den verehrten Lehrer getan, um den zu seinen Ehren aufgestellten Cempel.
Dieser ist seltsam einfach und schmucklos für
China. Dunkelrot von außen, zeigen drinnen
Säulen und Mauern dieselbe Sarbe. In der hohen Halle sehen wir kein Bild, keinen
Schmuck, nur in der Mitte, einem Altare gleich,einen hölzernen Schrein mit bescheidenem hölzernem Cäfelchen. Man liest darauf folgende
Inschrift in Chinesisch und Mandschu: „Seelentafel Kung-futses, des heiligsten Lehrers der Ahnen.“ Nicht als Gott wird er verehrt oder angebetet, noch wird seine Ver rine Erinnerungstafel, die man verehren kann, genügt.
An den Mauern stehen noch mehr rote Stelen, sie sind den vier ausgezeichnetsten Zchülern geweiht. Etwas weiter sehen wir abermals sechs. Sudem stiftet jeder neue staifer dem Confucius eine Chrentafel und besucht zweimal im Jahre diefen Cempel.
Im Schatten der uralt ehrwurdigen Bäume finden wir noch ein Gewirr von Gebäuden, weißmarmornen, grasbewachsenen Terrassen, Stufen und Geländern, von halbausgetrockneten Teichen, wo einige gelbe welke Lotosblätter die Herbststimmung bervollkommnen. nur eines hat sich frisch erhalten, ein Triumphbogen oder Pailo,wie er hier heißt. Diese Pailo werden zum Andenken an besonders ausgezeichnete Manner, sogar auch Srauen, gern und oft in China errichtet. Ein Kaiser hat diesen besonders reichen Pailo den Manen Aungfutfes geweiht. Weder Seit noch Staub noch derfall konnten dem glänzenden Gelb und dem dunkeln Blau seiner Kacheln etwas zuleide tun, keine böse Hand wagte sich an die wunderbaren Relief Drachen und Blumenornamente. Chimären und Ungeheuer klammern sich seit Jahrhunderten an drei gelbe geschweifte Dächer, denen drei gewölbte Tore entsprechen. Sie führen zu der sogenannten Klassikerhalle, wohin dereinst, durch einen weiten Graben von der Außenwelt getrennt, die Philosophen sich zurückzogen, um Über die Citelkeit dieser Welt nachzudenken. Jetzt bauen vögel ihre Nester darin, und Staub und Sand. an denen Peking so reich ist, haben einen dichten Ceppich um das Ganze gewoben.
Zwischen Triumphbogen und Klafsikerhalle stehen wohl zweihundert große, zu 0 „KingBücher“ beschriebene Steintafeln. Die
Straße in Peking.
[250]Reise einer Schweizerin um die Welt.King! sind eine Sammlung derjenigen alten Schriften, die in China als ewig normangebende anerkannt wurden.I:king, das „Buch der Wandlungen“,nimmt dabei die erste Stelle ein, die Erläuterungen hat Confucius dazu geschrieben. Das Schiking ist eine ebenalls von ihm veranstaltete Sammlung lyrischer Lieder, deren älteste aus dem XVIII. Jahrhundert v. Chr. stammen.viktor von Strauß hat uns dieses älteste aller Liederbücher in meisterhafter Übertragung erschlossen. Es enthält Volkslieder, Gelegenheits- und Sestgedichte,Cobgefänge auf große Tote. Tiefe Innigkeit und poetischer Schwung, dazwischen oft beißender Witz sind diesen Erzeugnissen eigen. Rührende Naivität,wahre Natureindrücke verbinden sich harmonisch mit den inneren Stimmungen. Verspaare wiederholen sich in leisen Abänderungen gleich den Refrains unserer Volkslieder. Der eigentümlich ästhetische Reiz dieser uralten Dichtungen überbietet beinahe das ihnen gebührende wissenschaftliche Interesse. Srüh schon haben die Chinesen den Wert des Ciedes begriffen. Aus den Gesängen des Volkes vermeinten sie,dessen moralischen und materiellen Sustand herauslesen zu können. Es war daher Sitte, amtlich die Volkslieder sammeln zu lafsen. Ein drittes, nicht mehr vollständig erhaltenes Buch, Schuking, ist das älteste uns erhaltene geschichtliche Werk der Chinesen. Es umfaßt die Seit vom XXIV. bis VIII. Jahrhundert v. Chr. enthält aber weniger geschichtliche Daten als amtliche Erlasse und Ratschläge der Sürsten, die ein Bild alter Staatsweisheit liefern.
Da das Buch Viktor von Strauß' sich jedenfalls im Besitze weniger befindet,lasse ich hier einige Proben daraus folgen. Die Lieder, welche ich anführe, stammen aus dem XII. bis VII. Jahrhundert v. Chr., haben also ungefähr das Alter der Psalmen.
Daß bei aller Chrfurcht der Srau vor ihrem Manne, dem Hohen Herrn“, auch herzliche Zuneigung und liebevolle Anhänglichkeit herrschte, zeigt folgendes Lied:
Trauer über des Gatten Lntfernung.Mein Held, welch kriegesfester, oh!Des LCandes allerbester, oh!Mein Held, der führt den langen Speer,Und vor dem König jagt er her.Seitdem mein Held gen Osten strich,Mein Haupt dem Wollenkraute glich.Ob mir es denn am Salben fehlt?Ach, wem zu Liebe schmückt' ich mich?
Es regne nurl es regne nur!Hell kommt daraus der Sonnenschein.Nach meinem Helden sehn' ich mich;Süß ist fürs Herz des Hauptes Pein.
Ja, hätt' ich des Vergessens Kraut,Wohl hinterem Kause pflanzt ichts ein,Doch meines Helden dächt' ich stets,Mag auch mein Herz voll Wehe sein![]Confucius-Tempel mit dem Ahnentäfelchen des großen Lehrers. (S. 249.) [] Rundfahrten durch Peking.
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Bei fröhlichen Gastmahlen wurde folgendes Trinklied gesungen:Lied der Gäste beim veichlichen Mahle.Sische geh'n in Reusen ein, Sische geh'n in Reusen ein, Sische geh'n in Reusen ein,Salm und Schlei. Barsch und Butt. Karpf! und Brasse,Unser hoher Herr hat Wein, Unser hoher Herr hat Wein, Unser hoher Herr hat Wein,Gut und überlei. Überlei und gut. Guten und in Masse.Wie die Speisen reichlich sind, Wie die Ding' erquicklich find,Vie sie unvergleichlich sind! Zueinander schicklich sind!Wie die Speis' in Masse sind,Und der Seit zu passe sind!
Hanz modern klingt die Klage über ungerechte Arbeitsverteilung:Beamtenplagen.Der weite Himmel überspannt Nichts, was nicht wäre Königsland.Ein Mann im Amt, voll Tüchtigkeit,Ist früh und spät dem Dienst geweiht.Im Königsdienst gilt kein Verfäumen;Doch Vater, Mutter sind voll Leid!).Mein Hengstgespann rennt ohne Rast;Des Königs Dienst erfordert Hast.Man lobt mich, daß ich noch nicht alt,Daß wen'ge mir an Kräften gleich.Solang' mein Rückgrat noch nicht weich,Hab ich zu forgen rings im Reich.
Die einen ruh'n zu Hause mit Behagen,Wenn andre sich im Reichsdienst müde plagen,Die einen rasten hingestreckt auf Kissen,
Wenn andre unaufhörlich reisen müssen.
Die einen kennen nicht Geschrei noch Lärmen,Wenn andre sich in schwerem Mühsal härmen;Die einen liegen müßig auf dem Rücken,Venn andre schier des Königs Dienst erdrücken.Die einen weilen froh beim Trinkvergnügen,Wenn andre schwergeängstet bangt vor Rügen;Die einen geh'n umher und splitterrichten,Wenn andre jeden Dienst allein verrichten.
) Die Eltern sind bekümmert, weil der königliche Dienst ihnen den Sohn völlig entzieht, so daß er sie auch nicht verpflegen kann.
Stadtmauer mit Wachttürmen.
[2]Reise einer Schweizerin um die Welt.Die Chinesen waren niemals ein kriegerisches Volk, deshalb finden wir im Schi king wenig Kriegslieder. Um so mehr handeln die Gedichte von Ahnenopfern, von Anhänglichkeit des Volkes an seinen angestammten Sürsten, von Pietät der Kinder ihren Eltern gegenüber, welch letztere als die erste aller Cugenden anerkannt wurde.Die ehrerbietige Hingebung der Kinder an vater und Mutter, die Sorge für fie, wenn sie gealtert sind, bildet heute noch einen Grundzug des chinesischen Wesens, dessen mehr als viertausendjähriger Bestand wohl als eine Erfüllung der Verheißung des vierten Gebotes anzusehen ist.
Die Schiking Lieder zeigen, daß diese fromme Kindespflicht nicht bloß sittliche Sorderung, sondern wirklicher Herzensdrang war. Wie oft beklagen Krieger im Selde,daß sie nun ihre Eltern nicht nähren und pflegen können, und sogar ungeratene Söhne klagen sich an, daß sie der Mutter Kummer bereiten.
Rönig Tichhings) Gebet an seinen vater.Bei meinem Antritt sinn ich d'rauf,Dem Hochverklärten nachzuwandeln;Doch o, wie weit hat er's gebracht!Und ich bin dem noch nicht gewachsen.Ihm nachzukommen tracht' ich wohl,Doch führ' ich's weiter wie zerstückelt.
Ich bin nur noch ein kleines Kind,soch nicht gerecht des Hauses Schwierigkeiten.Stets im Palast steig“ auf und ab?),Beh' aus und ein in diesem Hause,Du Herrlicher, du Hochverklärter,Um hier mich zu beschirmen., zu erleuchten!
Aus dem stimmungsvollträumerisch einsamen Verfall des Kungefutse-Tempels gelangten wir in das nahe schmutzig lärmende Reich des Dalai Lama. Ein Knäuel blauer Baumwollkittel und langer Söpfe hatte sich bettelnd und schreiend unserem Wagen nachgewälzt. Als wir an einer verfallenen Mauer Halt machten und ein altersschwaches Cor kreischend in seinen Angeln sich offnete, um mit einem Seufzer hinter uns zuzufallen, hatte sich nur die Staffage, keineswegs die Szene geändert. Statt D junge, große und kleine, ja ganze kleine sechsjährige Lamas. Die mageren Glieder waren in Cumpen gehüllt, Schmutz, Dummheit, Habgier sprach aus allen Gesichtern.
Wir standen in einem großen grasbewachsenen sofe mit vielen Gebäuden. Das alte LamaKloster Yungkokung beherbergt nicht weniger als 1300 Möonche mongolischtatarischen Ursprungs. Sie stehen unter der Leitung eines Großlama, der den Titel „Lebender Buddha“ führt. Den Camaismus, eine Abart des Buddhismus, finden wir in Tibet, bei den Mongolen und Kalmücken. Ihr Glaubenssatz ist folgender:Der oberste Gott, d. h. Buddha, lebt als Mensch verkörpert in Tibet. Als Schöpfer des Camaismus gilt der Monch Tsonkhapa, welcher zu Anfang des XV. Jahrhunderts gelebt haben soll. Er war zugleich Gründer der Tugendsekte und wird von den Camarsten beinahe ebenso geehrt als Buddha. Unter der tibetanischen Geistlichkeit begründete er eine feste Hierarchie, die später zur Bildung eines Doppelpapsttums in Tibet führte. Hiernach standen an der Spitze der lamarschen Kirche zwei oberste i) König Tschhing starb im Jahre 1os v. Chr. Seine LCieder und Gefänge gehören zu den schönsten des Schiking.) Der Geist des Verstorbenen bleibt im Hause seiner Kinder und wacht über ihnen.[]Kundfahrten durch Peking
253 Bifchoöfe, der Dalai Cama und der Bogdo Cama, die beide an Heiligkeit und Würde einander gleichgestellt waren.Sie starben nicht,sondern wechselten nur die körperliche Hülle, indem sie stets für ihre Stellungen wiedergeboren wurden. Das heißt, man befetzte jedesmal diese Stellung mit NAünglingen, die als Wiedergeburt ihrer verstorbenen Amtsvorgänger und zugleich als menschgewordene Heilige galten. Beim fünften Dalai CLama gab's jedoch Streit zwischen seinen Anhängern und denjenigen des Bogdo CLama. Der Dalai Lama rief die Kalmücken zu Hülfe, und mit ihrem Beistand gelang es ihm, sich zum geistlichen und weltlichen Oberhaupt über ganz Tibet aufzuschwingen. Auch auf die Lamaßlöster in Peking erstreckt sich seine geistliche Macht.
Die Priester des Lamaismus leben fast alle im Kloster. Dieses, Gonpas genannt,besteht aus vielen Gebäuden und erfreut sich meist eines großen Bodenbesitzes. Neben ihrem geistlichen Beruf als Sursprecher Buddhas betreiben die Monche Ackerbau,Arzneikunde, Astrologie, Wahrsagekunst, Geisterbeschwösrung und hoöhere Gaukelei.
Aus einem der Gebaäude schallten uns eintönige LCitaneien entgegen, die zuweilen durch eine Einzelstimme, zuweilen durch einen Lärm von Gongs und Camtams unterbrochen wurden. Von draußen konnte ich hineinschauen in den dunkeln Raum, den schwer emporsteigende Weihrauchwolken noch unbestimmt mystischer erscheinen ließen.Ein Altar mit unzähligen Wachslichtern strahlte daraus empor und warf ab und zu einen flackernden Schein auf die vor einer großen BuddhaSigur kniende Gestalt eines höheren Lama, dessen Hand eine Art Bischofsstab hielt. Von Gebäude zu Gebäude führte man uns. Jedesmal war's ein neuer stürmisch Trinkgeld bettelnder Monch, oft waren es auch mehrere, die unsere Sührung übernahmen. Dunkel herrscht in all den hohen weiten Hallen. Kostbare Cackfäulen trugen kassettierte Decken, auf denen sich große goldene Drachen winden, eine Schmutz Patina überzieht die einst vergoldeten, kostbar dekorierten Wände, und über den weichen tibetanischen Teppichen liegen Staubwolken, die keinem Besen jemals mehr weichen könnten. Buddhas in allen Größen und Stellungen tauchen aus finstern Winkeln hervor, wenn ein Sonnenstrahl ihre eigentümlich lächelnden, goldenen Gesichter trifft. In bunte Seide gerollt,
[254]Reise einer Schweizerin um die Welt.liegen uralte Manuskripte übereinander geschichtet, und an den Altären stehen kostbare Cloisonné und Bronzen, kaiserliche Geschenke von unschätzbarem Werte.
Zum erstenmal sah ich hier Gebetsmühlen: Gewaltige Sylinder aus Bronze,angefüllt mit einer in tibetanischem Sanskrit auf Setteln rot aufgedruckten Gebetsformel. Walzen setzen Sylinder und Gebetszettel in Bewegung. Causend- und aber tausendmal kann dadurch das Gebet wiederholt werden, was seinen Wert erhoöͤht und den Betern Mühe erspart. Werden gar die Gebetsmühlen mit Wasserkraft oder Vind in Bewegung gesetzt, so geht das Beten vollends von selber.
Nach einem zum Schluß en gros betriebenen Bettel schloß sich endlich die Pforte des CLamastlosters hinter uns. Schon waren wir im Wagen, als sich ploötzlich noch rin würdiger Lama zeigte. Behutsam schaute er sich um, dann zog er aus einem
Pavillon auf dem Rohlenhügel.bunten Taschentuche, das jedenfalls schon lange keine Berührung mit Seife gehabt,einen kleinen Buddha hervor. Er würde ihn uns um ein billiges abtreten. Entrüstet wiesen wir den Tempelraub zurück.
Inmitten der Stadt liegt ein hoher künstlicher Hügel, Meishan, d. h. Kohlenhüͤgel, genannt. Den Namen soll er davon haben, weil dort für den Sall einer Belagerung seit vielen Jahrhunderten Kohlen aufgehaäuft sein sollen. Ein magischer Linfluß auf das Glück Pekings wird übrigens dem Meishan zugeschrieben.
Ein steiler, mit Gestrüpp überwachsener Sußpfad führt uns hinauf. In einem kaiferlichen Parke gelegen, bietet er einen vortrefflichen Blick auf die „verbotene Stadt“, und sobald der kaiserliche Hof zurückkehrt, wird weder Mandschu noch Chinese,am wenigsten ein „rotborstiger Barbar“ hier noch geduldet werden. Sierliche, freiich oft recht baufällige Kiosks und Tempelchen schmücken den Weg. Auch hierher ist eine rohe Bande, ob Boxer, ob Europäer, gedrungen. Eine kleine Sayencepagode, die ganz aus sitzenden MiniaturBuddhas besteht, diente als Sielscheibe roher Zerstörungswut, die Kopfe sind alle abgeschlagen.[]Dalle der Rlassiker. (S. 249.)
[256]Reise einer Schweizerin um die Welt.von oben übersehen wir Peking. Wie wenn ein Sauberstab die Stadt berührt häͤtte, sind plötzlich all die elenden schmutzigen Hütten, die häßlichen Winkel und Straßen verschwunden. Peking bietet von hier aus den Anblick eines Parkes, aus dessen Baumkronen hie und da ein gelbes, blaues oder hellgrünes Dach hervorschimmert. In langen Zügen zeichnen sich die zinnengekrönten Riesenmauern mit ihren Toren und Wachttürmen scharf ab, die Hüter jenes Heiligtums, in welches unsere profanen Augen jetzt schauen. Su unseren Süußen liegt die „verbotene Stadt“, „der Mittelpunkt, das Herz und das Geheimnis Chinas“, wie Pierre Loti sie nennt, der Wohnsitz des „Unsichtbaren“, „des Sohnes des Himmels, des Bruders der Sonne und des Mondes“. Abgeschlossen von der Außenwelt, hatte der Kaiser bis jetzt sein Volk und sein CLand nur aus Büchern gekannt, und niemals sein Volk ihn gesehen, da es in seinen Sünden nicht würdig erschien, die geheiligte Person des „vollziehers der Hebote des Himmels“ von Angesicht zu Angesicht zu schauen.
Ein 30 Meter breiter Graben, eine abermalige, noch viel gewaltigere Mauer VV nennen nach der Sarbe ihrer Gebäude. Vom Meishan aus betrachtet, sieht sie wohl gehalten, eigentümlich sauber modern aus im bergleich zum Verfall des übrigen Peking Gebäude, Tempel und Gärten sollen aus der Seit der Mongolen stammen und von den Ming und MandschuDynastien wenig verändert worden sein. Demnach sind sie etwa sechshundert Jahre alt. Durch die Straßen läuft ein breiter Streifen buntglasierter ZDiegel, und in langer Reihe erheben sich hintereinander die kaiserlichen Palasthallen. Gelb,zeschweift, türmen sich die Dächer auf, ihre durch tausend Ungeheuer gekrönten Giebel bilden ein wirres Durcheinander von goldenen Hörnern und Klauen, ihre Dachtraufen sind goldene Drachen. Liebliches Baumgrün wölbt sich überall dazwischen, waährend weiter im Westen über die Stadt hinaus der Cotos-See schimmert. Von den Dichtern Chinas als ein mit tausend und tausend rosigen LCotoskelchen bedecktes Gefilde besungen, bietet er jetzt das traurige Bild des sterbenden Jahres. Welke Blätter haben seine breite Släche in einen braungelben Sumpf verwandelt, aus dem sich weiß in kühner Wölbung eine prachtvolle Marmorbrücke erhebt.
Auf der anderen Seite der Brücke im Waldesgrün eines weiten Parkes steht der Palast der Kaiserin, in welchem Graf Waldersee gewohnt, und der am 18. April 1901 zum Teil ein Raub der Slammen wurde. Unweit davon liegt der Nord-Palast,Pierre Cotis Quartier. Herr v. B., mein Begleiter, erzählte mit Begeisterung von einem Gartenfeste, das der große Schriftsteller im Verein mit seinem bekannten Cands-mann, dem Oberst Marchand, den Repräsentanten der „verbuündeten Mächte“ gegeben.Loti schildert es uns am Schlusse seines Buches: «Les derniers jours de Pékin».
Unsere näͤchste Ausfahrt brachte uns durch das dreitürige Cor Ch'ienmen, das schönste Pekings, in die Chinesenstadt. Auch die breite Straße, welche nach Süden führt,ist mit Steinplatten belegt, denn einmal im Jahre wird sie vom Kaifer benützt, wenn er sich nach dem „Himmelstempel“ tragen läßt. Wohl 324 Kilometer zieht sie sich hin bis zum nächsten Tore, welches sich in weitester Serne mit seinem Wartturme dunkel vom ßimmel abhebt. Auch hier gibt es vereinzelte Säuser mit vergoldeten Spitzenfassaden, und reizende Pailos, chinesische Ehrenpforten, ziehen sich da und []Dimmelstempel. Ansicht vom großen Dimmelsaltar aus. (5. 258.) [] Rundfahrten durch Peking.
257 dort über die Straße hin. Nicht wie diejenige des Confucius aus Marmor und Kachel erbaut, besteht ihr Material meist aus dunkelbraunem, herrlich geschnitztem Holze.
Ein lebhaftes CTreiben herrscht auch hier.Die typisch chinesisch mongolifche Volksmenge war am heutigen Sonntag mit Soldaten der „verbündeten Mächte“ fehr vermischt. Verschiedene dieser Marssöhne haben bei mir weder eine rühmliche noch eine angenehme Erinnerung hinterlassen. Der eine hieb mit dem blanken Säbel einem harmlosen chinesischen Pony, das ihn im Gedränge streifte,auf den Kopf, der andere versetzte einem ruhig daherwandelnden Chinesen einen Saustschlag ins Gesicht. Die arme stumme Kreatur hat sich nicht gewehrt und der arme Chinese den Schlag als selbstverständlich still hingenomnen. Ich sah in China, im Norden wie im Süden, Europäer aller Nationen den Eingeborenen viel und oft Schläge austeilen,zerechte zuweilen, häufiger noch ungerechte. Stillschweigend, ohne Gegenwehr, wurden sie aber stets erduldet.
Man scheint nicht zu bedenken, daß der Cag kommen könnte, wo all die Saat des Hasses, den einzelne gesät haben und täglich noch säen, furchtbar aufkeimen wird, wo einmal China, der gelbe Riese, aus seinem mehrtausendjährigen Schlummer aufwachen und seine 400 Millionen Menschen wappnen möchte zum Kampfe gegen die „zivilisterten“ Nationen, dann wehe den Übermütigen!
Die Sremden vergessen in ihrem Benehmen gegen die Chinesen oft ganz, daß sie die Cindringlinge sind, daß China niemals auf Ländereroberung ausging, sondern,zufrieden mit seiner eigenen uralten Kultur. die unsere ganze Achtung verdient, nicht von außen, fondern in sich selbst seine Entwicklung und Kraft fucht. Confucius hat seinem Volke das Wort hinterlassen: „Ich schaffe nichts Neues, ich glaube an das Alte, überliefere es und baue es aus.“
Endlich erreichten die Häuser bei einer weißen Marmorbrücke ihr Ende. Eine zde lange Strecke, wo niemals menschliche Wohnungen gestanden, begann. Nur die gepflasterte Straße nahm in Sand und Staub ihre Richtung weiter. Sur Rechten und zur Linken streben abermals mächtige rote Mauern empor. Sie umschließen rechts den Tempel des Ackerbaus, links den Himmelstempel, das Siel unserer »eutigen Sahrt. Das einst festverschlossene Tor stand uns offen, wir konnten hineinfahren in den heiligen Kain, dessen uralte Sedern einen Raum von 6 Kilometer im Umfang beschatten. Entweiht ist seine Stille, verstampft das Gras! Die Engländer haben hier ihren Rennplatz errichtet. Während der Besetzung Pekings diente er einigen Tausend Indiern zum Quartier, und einer der heiligen Marmor
C. von Rodt. Reife um die Welt.
[268]Reise einer Schweizerin um die Welt.altäre wurde zum berbrennungsplatz für an der Rinderpest gefallene Tiere verwendet.
Cinige kleinere Tempel, sozusagen Vorheiligtümer, kündeten uns die Nähe des großen runden Himmelstempels, der weithin sichtbar sich auf dreifacher weißer Marmorterrasse erhebt. Marmorstufen und ein „Kaiserpfad“! in drei Abteilungen führen hinauf.Kaiserpfad nennt man eine große, sanft geneigte Marmorplatte, auf welcher sich in meisterhafter Reliefarbeit der fünfklauige heraldische Kaiserdrache windet. Wenn der Kaiser am Sesttage in den Tempel getragen wird, so pflegt der Palankin mit dem heiligen Körper des „Himmelssohnes“ gerade über dem geweihten Drachenzeichen zu schweben.
Die Anbetung des Himmels ist ein Überrest des Kultus, welcher vor dem Ralionalismus der Confucianer und dem Götzenaberglauben des Buddhismus in China herrschte. Die Darbringung von Tieropfern erinnert uns an Hßebräer und Griechen.Mit peinlichster Genauigkeit werden bis zum heutigen Cage die alten Gebräuche beim Hpfer innegehalten, welches zur Wintersonnenwende stattfindet. Kein Unbeteiligter,am wenigsten ein rotborstiger Barbar, darf dem Aufzuge des Kaisers zuschauen,daher lauten die Schilderungen dieses Vorganges recht unbestimmt und durchaus verschieden. Ich lasse die Beschreibung, welche mein kleines englisches Handbuch gibt, in abgekürzter Übersetzung folgen:
„Am 20. Dezember werden die Opfergaben und Tributelefanten des Königs von Siam in großem Pomp nach dem Tempel geschickt, worauf sich den folgenden Cag der sKaiser in einer gelbseidenen Sänfte durch zweiunddreißig Mann hinaustragen laäßzt.Line Schar Musikanten und ein großes Gefolge von Prinzen und hohen Mandarinen reiten hinterdrein. Im Tempel opfert der Kaiser dem Himmel und seinen vorfahren
Weihrauch und sieht sich die Opfergaben an. Hierauf bringt ihn ein Elefantenwagen nach dem nahen „Palaste der Enthaltsamkeit“, wo er die Nacht ohne Speise und Crank in Wachen und Beten zubringt.
Am Morgen, anderthalb Stunden vor Sonnenaufgang, hüllt er sich in ein Opfergewand und fährt bis zum Südtor der Außenmauer. Hier verläßt er den Wagen und geht von da zu Suß zum offenen Himmelsaltar, einem Rundhau aus weißem Marmor, der sich ebenfalls in drei, von Balustraden umgebenen Terrassen von 40, 30 und 20 Meter Durchmesser und in Treppenabsätzen von drei, neun und fünfzehn Stufen höch erhebt. Die Mitte des Himmelaltars foll nach chinesischem Glauben
Einzug des Raisers in den Pimmelstempel.[]Großer HPimmelstempel. (5. 259.) [] Rundfahrten durch Peking.
209
Der große Pimmelsaltar.den Mittelpunkt der Erde bilden. Westlich von diesem Altar stehen noch die Überreste des Opferofens, wo ein Stier verbrannt wird, und acht korbartige, schwarze,geflochtene Becken, in welchen der Kaiser Seidenrollen, kostbare Jadeschalen und Hetreide opfert. Auf der zweiten Cerrasse ist das gelbseidene kaiserliche Selt errichtet.Im Augenblicke, wo der Kaiser erscheint, flammen die Opfergaben empor. Musik ertönt, während der „Sohn des Himmels“ die oberste Cerrasse ersteigt. Dort verneigt er sich dreimal und wirft sich zur Erde nieder, während ein Gebet laut vorgelesen wird. Die Musik spielt ohne Unterlaß. Suletzt empfängt der Kaiser den „Kelch und das Sleisch des Glückes“. Mit dem ersten Morgengrauen begibt sich der herrliche Aufzug in den Palast zurück.“
Im JDahre 1894 wurde der uralte simmels oder Sonnentempel, wie er auch zum Gegensatz mit dem kleineren Mondtempel genannt wird, ein Raub der slammen. Wir standen somit vor einem ganz modernen Bau. Seine Höhe beträgt z0 Meter, und seine vorspringenden, nach oben sich verjüngenden drei Dächer sind mit glaäͤnzend blauen Hohlziegeln gedeckt. Inwendig fanden wir alles leer, geplümdert, zerschlagen die Opferaltäre, verschwunden die acht heiligen Ahnentafeln, zertrümmert die großen Buddhas, die kleinen gestohlen! Trauernd, verzweifelt zeigt uns der alte Tempelwächter, der von Kind auf zuerst den alten, jetzt den neuen immelstempel behütet, die furchtbare Serstörung. Nur die hohen roten, mit Goldgirlanden umwundenen Lacksäulen haben standgehalten und die goldenen Drachen oben auf der Decke. Hinter den Senstern verbreitet ein aus dünnen schmalen Glasstäbchen zusammengesetzter Vorhang ein bläuliches Dämmerlicht im Innern der Rotunde.
[260]Reise einer Schweizerin um die Welt.Auf der anderen Seite des beschriebenen Himmelsaltars steht der schon erwähnte Mondtempel, eine genaue Kopie in verkleinertem Maßstabe des Himmelstempels.
Gras und Gestrüpp wächst aus allen Sugen des Marmors, auf den Cerrassen und Wegen, zwischen den Stufen, und schimmernd blaue Siegelstücke liegen überall auf der Erde. Die chinesischen Ziegel haben alle die Sorm langer, oben und unten mit einem kleinen runden Plättchen geschlossener Röhren. Auf jedem dieser Plättchen ist das Drachenwappen eingeprägt. Bei der Wahl der Sarbe wird folgendes beobachtet:blau für die Tempeldächer, hellgrün für die Regierungsgebäude und gelb für die kaiserlichen Palaäste.
Cange standen wir oben auf der einsamen Altarterrasse im Mittelpunkte der Erde, auf der geweihten Stelle, die sonst nur den „Himmelssöhnen“ zukommt. Gen Norden baute sich, einem Traumbilde gleich, das ganze große, mauerumkranzte Peking vor uns auf, und in der Serne spiegelten sich in dem wunderbar durchsichtigen Cichte in scharfen Umrissen die Berge der Mongolei.
Ich fühlte mich unendlich fern von der Heimat, und doch fiel mir dabei der Abschied schwer von diesem Bilde der noördlichen Kauptstadt, die meine Augen wohl niemals wieder erblicken werden.vierundzwanzig Stunden später saß ich im Cisenbahnzuge, der mich nach Tientsin zurückbringen sollte. War es Zufall, war es Schicksal? Ich traf auf der Sahrt einen Amerikaner, den ich flüchtig einmal in Japan begegnet. Wir unterhielten uns,stiegen im selben Gasthofe in Cientfin ab und waren Leidensgefährten auf dem „Hsinyu“,der uns nach Shanghai brachte. Suerst nur zufällige, wurden wir allmählich wirkliche Reisegefährten und teilten die Leiden und Sreuden der darauffolgenden siebenmonatlichen Reifezeit treulich miteinander.
Die Sahrt auf dem „Hsinyu“ zwischen Caku und Shanghaiĩ möchte ich am liebsten mit dem sehr banalen „Schwamm darüber“ abtun. Sie gehört zu den schlimmsten,welche diese Reise mir beschert hat. Vier Tage lang war der elende kleine „Hsinyu“der Spielball einer wild aufgeregten See. vVier lange Tage tanzte alles an Bord.Was nicht niet und nagelfest war, rollte im Speisesaal und in den Kabinen umher.Passagiere und Boys, die sich noch zu bewegen wagten, fielen sich fortwährend unfreiwillig in die Arme, und hülflos jammerten die am schwersten Erkrankten in ihren Kojen. Ja, solche Cage könnten einem den Geschmack an Seereisen auf ewig verderben.
Shanghai! Wie eine Erlösung lautete der Name![]Inneres des Joß-Hauses. (5. 264)] []
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Rankon.
Chinesijche Frauen. Mädcheninstitut in Shanghai. Ehinesische Stadt. Joßhaus. Fahrt auf der Perun nach Pongkong. Die Stadt viktoria. Der Peat. Happy Valley. Auf dem Perlstrom. Ranton sampanbewohner. Shamien. Geschichte Kantons. Tempel. Die rote Pagode. Was man in China ßßt und trinkt. Leihhäuser. Friedhof. Stadtmauern. Paus des Codes. Blumenpagode. Wasseruhr.Richtplatz. Gefängnis. Bei Schweizern. Chinesische Bedienung. Einkäufe. Pausboot. Abschied von Ranton.
Ais ich von Japan erzählte, habe ich den Srauen
Japans einen kurzen Abschnitt gewidmet. Nun möchte ich auch von den TCochtern des „himmlischen Reiches“etwas sprechen. Sreilich bin ich wenig mit ihnen in Berührung gekommen. Auf den Schiffen nur traf ich sie:Ssrauen und Cöchter reicher Kaufleute, die meist nur Chinesisch sprachen, auch gute mütterliche A-mahs)), die sfich von ihren europäischen Pfleglingen tyrannisieren ließen und drolliges Pidgin-Englisch kauderwelschten.
Ich will hier einiges anführen, was seinerzeit der chinesische Militärattache in Paris, Tscheng Ki TCong,in die «Revue des Deux Mondes- über seine Cands-manninnen schrieb: „Unsere Srau gleicht allerdings nicht der des Abendlandes, aber sie ist immer eine Srau mit all ihrem geheimnisvollen Sauber, und einzelne kleine Schattierungen abgerechnet, sind sie alle Cvastöchter, wenn man unter diefem Ausdruck die instinktive Neigung versteht, welche fie treibt, die Herren der Schöpfung zu beherrschen. Der größte Dienst, den man einer Srau erweisen kann, ist der, sie zu lenken und sie glauben zu machen, daß sie selbst es ist, welche lenkt.
Die chinesische Srau hat es nicht zu bedauern, daß sie weder die Vorzimmer der Minister noch die Empfangssäle der Gefellschaft, wo die Curopäerin sich mit all dem Zauber ihres Geschlechtes schmückt, um die Männer zu fesseln, kennen lernt. Ihr Ceben hat keine Bedeutung in bezug auf die Politik. Diese Geschäfte besorgen die Maänner allein. Überschreitet man aber die Schwelle des sHauses, dann betritt man ihr Reich, in welchem sie eine Autorität genießt, deren sich die europaischen Srauen gewiß nicht rühmen dürfen.
V Kinderfrauen.
[262]Reise einer Schweizerin um die Welt.Durch die Heirat wird die Srau n Europa unter sturatel gestellt, sie wird ein Mündel,und das Gesetz gibt dem Mann seiner
Ssrau gegenüber
Waffen in die
Sand, mittelst deren er ihr sogar die sreiheit entziehen aann, über ihr Eizentum zu verfügen. Das sind Eigentümlichkeiten,
über welche sich die chinesischen Srauen wundern würden, denn sie können den Gatten in allen CLagen vertreten, wo es sich um Samilienakte handelt. Das Gesetz gestattet ihnen, zu kaufen und zu verkaufen, die gemeinschaftlichen Güter zu veräußern,
Sandelsgeschäfte abzuschließen, die Kinder zu verheiraten und ihnen eine beliebige
Mitgift zu bewilligen. Mit einem Wort, sie sind frei, und man wird das um so mehr begreifen, wenn man weiß, daß es bei uns weder lNotare noch Anwälte gibt,und daß es daher nicht nötig war, gesetzliche Ausnahmen zu schaffen, um sich derselben nachher mittelst gerichtlichen Verfahrens zu entledigen.
Das Samilienleben bildet die chinesische Srau, und ihr einziges Streben ist darauf zerichtet, eine Meisterin zu sein in der Kunst, eine Samilie zu regieren. Sie leitet die Erziehung der Kinder, ist zufrieden, für die Ihrigen leben zu können, und wenn der Himmel ihr dann noch einen guten Mann gegeben hat, so ist fie zweifellos die zlücklichste Srau der Welt.
Sie hat zudem auch ihre Serstreuungen. Sie besucht ihre Sreundinnen und empfängt sie. Die Damen spielen viel Karten und Domino, sie wissen wundervolle Stickereien herzustellen, sie pflegen die Blumen, welche sie leidenschaftlich lieben, und besitzen die Gabe der Unterhaltung. Auch in China dreht sich diese immer um die - liebe Nachbarin. Diese Neigung ist unwiderstehlich. Sie scheint fast eine Art Instinkt zu sein, den man als Beweis für die gemeinsame Abstammung des weiblichen Heschlechtes ansehen kann.“
Srauentreue und Mädchentugend genießen hohes Ansehen in China und sind sffentlicher Anerkennung gewuürdigt. An die Häuser solcher Srauen und Mãdchen werden Chrentafeln, auf welche ihre Herdienste eingraviert find, angebracht, man errichtet ihnen sogar zuweilen einen Pailo. Wenn eine Witwe sich nicht noch einmal vermählt, wird sie allgemein im Cande geehrt, ebenso eine Braut, die nach dem Tode des Bräutigams nicht heiratet.wiederum zurück in Shanghai, galt mein erster Besuch einem von amerikanischen []Die beiden Boten der Gottheit im Joß-Dause in Shanghai. (5. 264.)
[264]Reise einer Schweizerin um die Welt.Damen geführten Institut für Chinesinnen aus guter Samilie. Die Schule wurde vor neun Jahren gegründet und scheint zu gedeihen, denn sie zählt schon jetzt sechzig Schülerinnen. Man sagte mir, Religionszwang bestände nicht, und eme große Zahl der jungen Maädchen seien Anhängerinnen der Lehre des Confucius. Sie dürfen sich auch ihre eigenen Dienerinnen halten, welche ihnen jeden Morgen ihre Sußchen bandagieren.Dies ist später, nachdem die grausame Verkrüppelung stattgefunden, immer noch notwendig, um den dadurch schwach gewordenen Suß zu stützen. Auch die nach chinesischer Sitte gemachten schneeweißen Bettchen stehen unter Obhut der „Amah“. Luftig,hoch und behaglich sind Schul- und Schlafzimmer. Die jungen Damen sprechen alle geläufig Englisch und scheinen ordentlich zu lernen. Auf der Landkarte wurde mir sofort die Schweiz und Bern gezeigt, man wußte auch den Namen verschiedener stantone und Schweizerstädte. Einige junge Mädchen spielten geläufig und nett Klavier.Man erzählte mir, sie hätten Sinn und Sreude an Musik, seien überhaupt gute, gehorsame Schülerinnen. Auch die Lehrerinnen machten mir einen angenehmen Cindruck.Den letzten Tag besuchte ich die Chinesenstadt. Mrs. so., ein soerr vom französischen Konsulate, und Mr. W., mein Bekannter aus Peking und nachmaliger Reisegefährte, waren meine Begleiter. Das berühmte Wort Dantes: «Voi che entrate qui, lasciate ogni speranza» köôsmte mit Recht am Eingang jeder chinesischen Native-town stehen. Gehör, Geruchsorgane und Augen werden gleich unangenehm berührt.Trotzdem gibt's des Interessanten in Hülle und Sülle. Die Stadt ist von Mauern und Gräben umringt, sieben Tore führen hinein. Verwittert und verfallen find Mauern und Core, die Straße so eng, daß kaum zwei Menschen nebeneinander gehen können.Bettlern und herrenlosen Hunden begegnet man auf Schritt und Tritt, letztere weichen scheu zurück, erstere heften sich an unsere Sohlen. Da heißt's, nur nicht geben, sonst wird ihre Sahl Legion. Interessant sind all die kleinen, niedrigen Buden, in welchen gewohnt, gearbeitet, geschlafen und gegessen wird. Gearbeitet wird übrigens sehr fleißig.Der Glanzpunkt der Chinesenstadt in Shanghai ist das Joßhaus, so heißen die chinesischen Cempel. Der Hame wird von dem portugiesischen Worte Deos abgeleitet.Dieses Joß Haus ist der Gottheit der Stadt geweiht. In der Vorhalle sitzen vier lebensgroße Gestalten mit starken Oberkörpern, großen Koöpfen und schmächtigen,verkürzten Beinen. Sie sind teilweise bemalt und haben ehr rote CLippen und schwarze Schnurrbärte. Swei schauen freundlich, zwei grimmig drein. Sie sollen die Boten der Gottheit bedeuten. Von der Decke hängen zwei Kriegsschiffe herunter, das Eigentum der Stadtgottheit. Diese thront mit breitem, rotem Gesicht mitten in der überladenen Halle. Geschmackvoll fand ich die Idee eines schönen, großen Bronzedrachen.welcher eine kugelartige Lampe mit der rechten Klaue umfaßt.Den 51. Oktober nahmen wir, d. h. Mr. W. und ich, Abschied von Shanghai.Es war ein trüber, regnerischer Abend und dunkle Nacht, als wir den kleinen Tender betraten, der uns nach Wuchang auf meine alte „Peru“ bringen sollte. Gegen Mitternacht erkletterten wir ihr Deck. Ich habe schon früher erzählt, wie stattlich und komfortabel sie uns jetzt vorkam. Sie hatte wenig Passagiere. So erhielt ich eine schöne, große Kabine für mich allein. Der 1. November brachte blauen Himmel,glatte See und freundliche Begrüßung mit dem Kapitän, den Offizieren, dem Doktor []Joß-Haus in Shanghai. (S. 264.) [] Kanton.
265 und der Stewardess.Auch mein Boy schien erfreut. Allerseelentag war auch hier trübe, die Chinesen warfen fortwährend beschriebene Papierfetzen in die See, wohl um den Meeresgott milde zu stimmen.Das gelangjedenfalls vollauf. Wir hatten die schönste, schnellste sahrt, welche die „Peru“ jemals zurückgelegt. Der Monsun blies ihr in den Rüucken und trieb fie auf Windesflügeln.In 56 Stunden waren wir von Shanghai nach Hongkong gelangt.
Am frühen Vormittag des 3. November steuerte die „Peru“ langsam in den Hafen.Ich werde niemals diese Einfahrt vergessen. Es war Sonntag. Von allen Seiten klangen die Glocken. Ein violett rosiger Duft lag über den kühngezackten Bergen und den schattenumwobenen Schluchten. Weiß schimmerten die Häuser der Stadt viktoria, die terrassenartig sich am Peak aufbaut. Wie in Nagasaki hat der Hafen nur zwei schmale Ausgänge nach Norden und Süden, sonst könnte man sich in einem bergumkränzten Binnensee wäͤhnen.
Seit 1842 gehört die Insel Hongkong England. Sie ist Sreihafen und bildet einen Knotenpunkt des Verkehrs zwischen Curopa, Australien, Asien und Amerika.Was Anlagen und Straßenbau auf dem felsigen Eiland anbetrifft, hat England ein Meisterwerk geliefert. Srüher galt Hongkong für ungesund. Cholera und Malaria waren dort beständige Gäste und übergroß die Sahl der Schläfer, die in « Happy Valley», so heißt der Sriedhof, zur letzten Ruhe gebettet wurden. Jetzt ist's auch hierin viel besser geworden, und nur von Seit zu Seit halten die beiden oben erwähnten Gäste noch Einkehr. Als dritter im Bunde gesellt sich häufig ein meist von den Philippinen kommender Teifun hinzu. Im Jahre 1874 vernichtete er 1018 Häuser und kostete mehreren tausend Menschen das Leben.
Die Stadt Viktoria, man nennt sie meist Hongkong, liegt an der Nordküste.Sie hat schoöne Häuser, luftige, breite, teils mit Arkaden versehene Straßen. Anlagen und Gärten ziehen sich in die Höhe, sind wundervoll gehalten und entwickeln bei dem feuchtheißen Klima eine beinahe tropische Vegetation. Ich habe selten schönere Aloen und Palmen gesehel als auf hongkong.
Das Chinesentum bewegt sich hauptsächlich in der Vorstadt. Sonst herrscht hier
In der Chinesenstadt in Shanghaĩ []
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Reise einer Schweizerin um die Welt.England vor. Als wir gleich nach der Ankunft einen kleinen Spaziergang unternahmen, entströmten den eleganten Kirchen elegante Menschen;Damen in weiß setzten sich in weiße,mit einem Leinwanddach versehene Tragstuühle und liehen sich durch weiß gekleidete Kulis nach ßause tragen.Es sah wunderhübsch aus, fremdartig und doch europäisch zivilisiert. Schade, daß das ßotel ßongkong so düster,schmutzig und schlecht ist, geradezu unbegreiflich bei der Menge Sremder, die täglich hier landen.
Nach dem Tiffin fuhren wir mit der sehr steilen Zahnradbahn hinauf zum Peak, wo die reicheren Curopäer ihre villen besitzen, die freilich meistens einen Stil zeigen, der durchaus nicht in diese Candschaft paßt. Auch hier oben führen wirklich wunderbare, gepflasterte Straßen nach allen Richtungen hin. Selten habe ich schönere Ztunden verlebt als an jenem Sonntag nachmittags auf Viktoria Peak. Es ging sich so wunderbar leicht in der reinen, kostlichen Bergluft, und immer wieder boten dafen, Berge und Selspartien neue reizende Bilder. Wie Mowen so klein erschienen von oben die chinesischen Dschunken mit ihren gelblichen Drachenfegeln, und wenig imposant kamen uns auch die großen Dampfer aus aller Herren CLänder zu unseren SsSußen vor. Nach einem herrlichen Sonnenuntergange, dem sehr schnell die Nacht folgte, rissen wir uns endlich los.
Den folgenden Vormittag verlebten wir in Happy Valley, in dem glücklichen Tale“, wo die Toten Hongkongs im Schatten eines grünen Berges ausruhen von des Lebens Kampfe. Ich habe kaum je einen stimmungsvolleren, friedlicheren Ort gesehen, als Happy Valley. vVier Sriedhöfe liegen hier nebeneinander, vier Konfessionen: Mohammedaner, Katholiken, Protestanten und Parsi, die indischen Seueranbeter. Derselbe Wind streicht über ihre Gräber, dieselbe Sonne erwärmt sie, dieselben Sterne leuchten über ihnen. Besonders schön ist der protestantische Sriedhof.Wir waren die einzigen Besucher, und lautlose Stille herrschte weit und breit. Überall gaukelten farbenfrohe, große Schmetterlinge, große Käfer flogen summend umher,und die Cuft war erfüllt von den füßen Düften der Rosen und Levkojen. Den Schmetterlingen bietet das glückliche Tal eine sichere Sreistätte. Ihnen hier nach'[]Die Boten der Stadtgottheit 18 264
[598]Reise einer Schweizerin um die Welt.zustellen, ist bei strenger Strafe verboten. Ein schöner, sinniger Gedanke! vVielleicht nur einem tierfreundlichen Hefühle entsprungen,vielleicht auch ein Anklang an den Glauben der alten Griechen, die in dem Schmetterling das Sinnbild der Unsterblichkeit sahen, und sein Hervorgehen aus der Puppe auf die Befreiung der Seele von den irdischen Banden im Tode deuteten. Leise erzitterten die riesigen Sächer und Wedel der Palmen in der sonnigen Cuft des Südens, und goldiges Geflimmer webte um die exotischen Pflanzen, zwischen deren Grün sich Blüten zeigten,so bunt leuchtend und bizarr in den Sormen, daß sie eher tropischen Vögeln als Blumen glichen. Hier schimmert ein weißes Kreuz aus dunkeln Büschen, dort liegt eine gebrochene Marmorsäule im üppig wuchernden Gras. Wege und Anhöhen ziehen kreuz und quer nach allen Seiten, begleitet von lebenden Girlanden und übersponnen von Rosenranken.Es war mir, als könnte ich mich von Happy Valley nicht losreißen.Denselben Abend schifften wir uns auf einem stattlichen, neuen Boote nach Kanton ein. Im goldenen Glanze der untergehenden Sonne glitt unser Dampfer langsam ins offene Meer. Sögernd nahm das TCagesgestirn Abschied, und bald darauf kam der stille Mond als Geleiter unserer Sahrt. Bis spät saß ich auf Deck. Ich beobachtete noch unsere Einfahrt in den Perlstrom, dessen starre Selsenufer gespensterhaft im Monde leuchteten. Srüh war ich wach. Der Lärm hatte mich nicht länger schlafen lassen. Alles deutete auf die Nähe einer Stadt, deren Cinwohnerzahl mit Condon wetteifert. Dumpfer Lärm drang über das Wasser zu uns hinüber, dazwischen erschallten die Ruderschläge unzähliger, meist von Srauen gelenkter Sampans, welche die Signalglocke unseres Dampfers zu begleiten schienen.stanton, Chinas volkreichste Stadt, liegt am hier bis 7 Meter tiefen Perlflusse.In ihren engen Gassen sollen U/2 Millionen Menschen wohnen, und eine Miillion lebt auf dem Wasser, in den Kanälen und Slußarmen der Stadt. Causende von Sampans und Sahrzeugen aller Art und Größe sind die Heimstätte ebensovieler Tausender chinesischer Samilien. Dort leben und sterben fie, Großeltern, Eltern, Kinder, Siegen,dunde, Katzen, Kühner. Die Kinder werden auf den Sampans geboren und rudern schon nach wenigen Wochen, auf dem Rücken der Mutter, durch den Sluß. Die []Anlagen in Pongkong. (5. 265.) [] Kanton.
269 größeren, welche gehen können, werden der Sicherheit halber an langen Seilen am Boote festgebunden, oder man befestigt ein Stück Holz oder einen hohlen Kürbis an ihre Caille, damit, wenn sie ins Waffer fallen, sie auf der Oberfläche bleiben, bis hater oder Mutter sie herausziehen. Jemand anders würde nicht die Hand dazu bieten.Man glaubt namlich in China, daß die Seele eines Ertrunkenen so lange auf dem Wasser herumirren müsse, bis es ihr gelungen sei, einen anderen Menschen zu sich herunter zu ziehen, dann erst sei sie erlost und könne Ruhe finden. Wenn daher jemand es versucht, einen ins Wasser Gefallenen zu retten, zieht er sich bestimmt den Zorn und die Rache jener irrenden Seele zu, die nun noch länger auf Erlssung harren muß.
Als unser Dampfer endlich ankerte, wurden wir alsbald von einer schreienden Sührer und Ruderermenge umringt. Wir wahlten uns einen netten Sampan und eine junge Chinesin aus. Unbehindert und unverdrossen ruderte das Srauchen mit einem auf ihrem Rücken festgebundenen Baby. Im halbgeschlossenen, gewölbten Sampan waren zierlich geflochtene, bunte Strohmatten auf den Sitzen ausgebreitet. An den Wanden hingen scheußliche, europaische Sarbendrucke, unter anderem das Konterfei des jetzigen Königs von England. Hübsche, chinesische Tassen waren auf Holzgeftellen angebracht, und auch der Ahnenaltar und der Hausgötze fehlten nicht in diesem schwimmenden Heim.
Unsere Sahrt war kurz. Sie führte nach der europäischen Niederlassung auf der Insel Shamien.
Im Nhahre 1859 verwandelten die Sranzosen und Engländer ein sumpfiges, aus Schlammbänken gebildetes Eiland in eine 1000 Meter lange und 330 Meter breile,künstliche Insel, welche durch einen Kanal von der Stadt getrennt ist. Diese vVerwandlung kostete 326,000 mexikanische Dollar, wovon die Engländer /s, die Sranzosen!/5 bezahlten. In diesem Verhältnis steht nun auch die Große des französischen und des englischen Settlements. Die Sranzosen bleiben auch hier unter sich, während in der englischen Niederlassung auch Deutsche, Holländer, Amerikaner und Schweizer wohnen. Schattige Alleen, grüne Cennisplätze, zierliche Villen, schöne Straßen und reine CLuft, die freilich im Sommer sehr heiß werden kann, machen das Leben in stanton ganz angenehm. Hotel Viktoria auf Shamien bietet den europaischen Touristen mäßige Unterkunft.stanton kam schon ziemlich früh mit europäischem Handel in Berührung und bildete bis 1841 den einzigen Verkehr mit dem Westen. Da der letztere sich jetzt auf
[270]Reise einer Schweizerin um die Welt.eine große Anzahl vertragshäfen verteilt, so hat Kanton viel von seiner früheren wichtigkeit verloren, wozu die Cxistenz des blühenden englischen Sreihafens Hongkong wesentlich beiträgt. Die Sirmen in Shamien sind meist nur noch Silialen ihrer Häuser in Hongkong, von wo aus der größte Teil der kantonesischen Produkte verschifft wird.stanton ist Bauptsitz für Seidenweberei und sticherei, Särberei, Glas und Steinschleiferei, Cackwaren und Papierfabrikation, Holz und Elfenbeinschnitzerei und Mobelschreinerei. Exportiert wird auch viel Seide, Tee, Zucker, Cassia, Matten.
Schon im L. Jahrhundert sollen arabische Kaufleute in stanton angelaufen fein. Im DAahre 1516 fanden die Portugiesen ihren Weg hierher. Hundert Jahre darauf kamen die holländer und wurden Ende des XVII. Jahrhunderts durch die Engländer ersetzt, die sich daselbst bleibend niederließen. Es gab Schwierigkeiten mit den chinesischen Behoörden, die einen zweimaligen Krieg mit England zur Solge hatten.santon wurde von der vereinigten englischen und französischen Slotte im Dezember 1857 eingenommen und bis zum GOktober 1861 besetzt gehalten.
Nach kurzem Aufenthalte im Gasthof machten wir uns sofort auf den Weg.Die Beforderung geschieht hier mit Sänften und je vier Trägern, und so bildeten wir eine ganz beträchtliche Karawane. Voran der Sñührer, ich in der Mitte und als Schluß des Zuges mein Reisegefährte. Kanton dehnt sich 4 Kilometer in die Länge und 2 Kilometer im Umkreis aus. Zunächst ging's im Sturmschritt uüber die Brücke der Chinesenstadt zu, welche nachts zehn Uhr abgeschlossen wird. Es war ein eigentümliches Straßengewirr, eine fremdartige Welt, in die wir uns plötzlich versetzt fanden.Gassen so eng, daß man sich von Senster zu Senster die Hand reichen kann, dabei verfinstert durch alle möglichen Aushängeschilder, welche gleich riesigen Sahnen vom Giebel der Häuser senkrecht hinunterhängend beinahe die Kopfe der Sußgänger berühren. Rot und Gold sind die vorherrschenden Sarben dieser Sirmenschilder. Die Straßen sind so schmal, daß nur eben eine Sänfte hindurchgetragen werden kann, dabei laufen unsere Kulis Sturmschritt, und ebenso eilig haben's all die Chinesen, die uns begegnen.So fehlt's nicht an Susammenstößen, an Geschrei und Schimpfen, doch eigentlich übelwollende, drohende Gesichter sind uns keine aufgefallen. Kanton gilt für diejenige Stadt in China, welche am meisten die Sremden haßt und immer bereit zu Aufftänden st. Deshalb wird hier die Sicherheitspolizei besonders scharf gehandhabt.
Unser erster Halt galt dem WaCamTsz oder Tempel der fünfhundert Gottheiten.Dieser wird als Sitz so vieler Götter für besonders heilig angesehen. In einem großen hufeisenfsrmigen Raume thronen fünfhundert vergoldete Holzfiguren in Lebensgröße.Sehr mannigfach ist der Ausdruck ihrer Gesichter. Unter ihnen sitzt mit Hut und europäischer Sußbekleidung Marco Polo, der berühmte Venetianer, der erste aller
ßlobetrotler. Im Jahre 1256 in Venedig geboren, kam er als junger Mann und erster Curopäer nach China und wußte sich so sehr die Gunst des Kaisers zu erwerben,daß dieser ihn zu den verschiedenartigsten Miffionen gebrauchte. Als Präfekt und Admiral durchzog Marco Polo alle Provinzen Chinas und kehrte nach vierundzwanzigähriger Abwesenheit über Indien und Ceylon mit großen Reichtümern nach Italien zurück. Dort schrieb er seine Reiseerlebnisse nieder. Er muß bei den Chinesen in hoher Hunst gestanden sein, um zu der Würde eines Gottes zu gelangen.[]Grab einer vornehmen Samilie in Ranton. (8. 275.)
[2722]Reise einer Schweizerin um die Welt.nicht weit davon ist der Tempel oder vielmehr die Tempel des Schreckens, eine Art Markt und volkstempel mit Wahrsagern, Quacksalbern, Zahnausbrechern, Barbieren, Geldwechslern und Zuckerzeughändlern. Bald wurden wir von allerhand bolk, Bettlern, Kindern und Bonzen dermaßen umdrängt und belästigt, daß dabei die schönen Reliefs in dem ersten Tempel völlig in den sointergrund traten. Auf einem Altare stand ein mit sogenannten Schicksalsstäbchen angefüllter Becher. Mein Gefährte griff eiligst danach und schüttelte auf Weisung des Sührers hin diesen so heftig, daß gleich ein Haufen Stäbchen zur Erde fielen. Diese sind mit Nummern bezeichnet, die ein Priester gegen entsprechenden Bakschisch in dem Schicksalsbuche nachfchlägt. Caut liest er hierauf das betreffende Orakel, welches jedenfalls meist so verworren wie ein altägyptisches klingt, vor. In unserem Salle wurden die Sprüche durch das pidginEnglisch der Übersetzung noch dunkler. Hell nur klangen die Silberlinge meines Reisegefährten. An besonderen Ofen wurde in den Cempeln viel Papier verbrannt,dicke Rauchwolken sliegen allenthalben empor. Hier glimmte die Asche der Bilonisse,welche sich die Gläubigen von ihren Seinden zu diesem Swecke anfertigen lafsen, dort flammten in Papier nachgeahmte Gold- und Silberstücke, Opfer für Buddha, empor.
Schauerlich interessant sind die bildlichen, in grellen Sarben an die Wand gemalten Darstellungen der buddhistischen Holle. Auch als plastische lebensgroße siguren sehen wir die Sünder unter den Oualen der Solter. Da sind Gekoöpfte, Gekreuzigte, in heißem OEl Verbrannte, ja sogar zu Tode Geläutete. Der Schuldige wird unter eine Glocke gestellt, die nur wenige Centimeter über der Erde schwebt. Diese wird darauf so lange mit eisernen HRämmern in Bewegung gesetzt, bis der Unzlückliche tot darunter zusammenbricht.
Unsere Kulis trabten hierauf immer der Stadtmauer entlang einen steilen Hügel hinan, üͤber welchen sich die Befestigungswerke im Sickzack hinziehen. Oben steht,fern vom Stadtgetümmel, eine große, rote, fünfstöckige Pagode. Wir kletterten bis oben hinauf, setzten uns in eine große Halle, wo riesige Götzenbilder standen, und nahmen unfer kaltes Srühstück, das wir vom Gasthofe mitgebracht. Überall standen Tische und Stühle, überall saßen essende Menschen. Götter und Priester scheinen diefe Mahlzeiten keineswegs als Sakrilegium anzusehen. Im Gegenteil, gleich freundlichen Geistern halfen letztere unseren Kulis um die Wette bei der Teebereitung.
Was ißt und trinkt man in China? werde ich jetzt oft gefragt. Grause Sagen von Regenwurm und Rattenragout, von faulen Ciern, Seetang und Tintenfisch tauchen dabei auf. Als Globetrotter sind mir diese Leckerbissen nicht vorgelegt worden. In den Gasthöfen habe ich schlecht und recht, mehr oder weniger gut zubereitete Speisen,meist nach englischem Rezepte, gegessen, und an ein chinesisches Galadiner bin ich leider nie eingeladen worden.
Am Tisch neben dem unserigen saßen anscheinend Chinesen höherer Klasse. Jeder zog seine Eßstäbchen und einen flachen, silbernen Löffel hervor. In Japan find diese Stäbchen meist nur aus Holz und werden nach einmaligem Gebrauch weggeworfen.Cigentlich eine reinlichere Sitte, als die oft nur leicht mit allen anderen gemeinsam gespulten Bestecke unserer Gasthöfe, welche so und so viele Taufende vor uns in den Mund genommen und nach uns noch nehmen werden. Wir düurfen auch nicht allzu erhaben []CEhinesische Mahlzeit. (S. 272.) [] Ranton.
273 auf die unzivilisierten Chinesen herunterschauen. Erst seit dem XVIII. Jahrhundert bedienen wir uns in Europa der Gabel, vorher aßen wir alles mit den Singern, fogar am ßofe des großen
Cudwig XIV. war das Etikette. Die
Chinesen dagegen bedienen sich dieser
Eßstäbchen seit Jahrhunderten und tragen sie aus Elfenbein, Bambus oder stnochen verfertigt in hübschen, oft silberbeschlagenen Sutteralen stets mit sich herum.Ich habe mir in Peking ein Paar sehr feingearbeitete elfenbeinerne Eßstäbchen mit Jadegriff in niedlichem, mit grüner Schlangenhaut überzogenem CEtui gekauft.Beim Essen werden die Stäbchen so in der Hand gehalten, daß das eine feststeht,das andere beweglich ist. Die Speisen werden alle klein geschnitten aufgetragen, und mit einiger Übung gelangt man so weit, ein einzelnes Reiskörnchen zum Munde zu bringen. Die filbernen, flachen Löffel dienen zum Schöpfen und Genießen der breiartigen Speisen. Unsere Tischnachbarn besaßen zudem ein flaches, silbernes, in der Mitte geteiltes Schälchen mit Essig und SoyaSauce) und ein ebensolches mit gerosteten Melonenkernen, eine Spezialliebhaberei der Chinesen. Dann standen hübsch dekorierte Süßigkeiten da und die so verrufenen faulen Cier, die halbiert das Weiß in eine durchsichtig schwarze Masse verwandelt, in welcher das Gelbe golden hervortritt gar nicht übel aussahen. Ich ließ mir das Rezept sagen, welches ich hier verraten will. Vielleicht findet es Liebhaber:
Wasser, in welchem entweder Sichten- oder Sedernnadeln oder Bambusblätter gekocht wurden, muß mit HBolzasche, Kalk und Salz vermischt werden, bis sich die Masse in einen dicken Brei verwandelt. Die Cier werden damit bestrichen, wobei die Srauen, welche dies besorgen, Handschuhe anziehen, um sich vor dem ätzenden salk zu schützen. Sodann werden die Cier in Gefäßen mit Holzasche verwahrt, um zu verhindern, daß die Cier aneinander kleben. Nach dreißig Tagen sind sie zum Essen fertig.
Das RegenwüurmerRagout hat man mir alles Ernstes abgeleugnet, dagegen habe ich wohlpräparierte Ratten in der Auslage eines Speisehauses gesehen, und in Kanton i) Soya * eine Bohnenart.C. von Rodt, Reise um die Welt.
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[274]Reise einer Schweizerin um die Welt.e e soll's auch sunderestaurants geben, das heißt, nicht solche für Hunde, sondern solche,wo man ausschließlich Hunde kocht. Doch wird dieses Sleisch nur von ärmeren Leuten gegessen. Leckerbissen sind in China: Schwalbennester, die in Sleischbruühe gekocht wie Nudeln aussehen sollen; Haifischflossen, in schmale Riemen geschnitten und mit Sleischbrühe oder Rührei ferviert, auch bei kuropäern ein beliebtes Gericht; eine Art Seetang, der von Nagasaki geschickt wird,Silbermoos aus Nordchina und Tintenfische. Im Braten von Spanferkeln und Enten leisten die Chinesen Großartiges. Unsere Speisekartoffeln werden seit zwanzig Jahren in Nordchina viel gepflanzt, im Süden ißt man zuweilen süße Kartoffeln, doch wird Reis immer vorgezogen. In Nordchina herrscht im winter Überfluß an Wild, Rehen, Hasen, Hirschen, Antilopen, Haselhühnern, Sasanen,vilden Enten, Gänsen u. s. w.
Getrunken wird zunächst Tee, und zwar legt man in jede einzelne CTasse eine Prise Blätter und gießt kochendes Wasser darauf. Um beim Trinken nicht die Blätter in den Mund zu bekommen, hat jede Tasfse einen Deckel, der genau die Sorm einer Untertasse besitzt und verkehrt darauf gelegt wird. Beim Trinken wird nun dieser gerade weit genug zurückgeschoben, um die Slüssigkeit durchzulassen, das sraut jedoch zurückzuhalten. Sucker und Milch werden dabei nicht genossen; Eis gehört zu den allergewöhnlichsten Verbrauchsartikeln, denn schon vor 2500 Jahren hatten die Chinesen ihre Cishäuser. Ein schnapsähnliches Nationalgetränk ist der sogenannte Samschu, der heiß getrunken wird: Man kocht Reis zu einem dicken Brei,dieser wird mit Sauerteig gemischt, geknetet und einige Tage lang in steinernen Topfen stehen gelassen. Soll der Wein füßlich sein, so genügen zwei Tage, soll er herbe schmecken, so läßt man ihn länger stehen. Die feste, sowie die flüfsige Masse wird,sobald sie genügend gestanden, in einen leinenen Sack gefüllt, dieser in eine Presse gebracht, welche den Wein hinauspreßt und in Sässer abfließen läßt.
Unfer Tiffin war unterdessen sehr frugal ausgefallen und deshalb schnell beendet.wir freuten uns an dem wunderschoönen Ausblick auf Stadt und Sluß. Ein unbeschreibliches Gewirr niedriger Dächer breitete sich vor uns aus. Die vielen Gebäude, welche doppelt so hoch wie die anderen emporstreben, sind Leihhäuser. Diese Taitong, wie der chinesische HName lautet, sind aus Siegeln erbaut und mit Granit ver
Pügel und Stadtmauer bei Ranton.[]Kanton.
2 kleidet, unten fensterlos und oben mit eisernen Jaloufien versehen und gewähren beinahe einen festungsartigen Anblick. Sie halten sich keineswegs bescheiden an Nebenstraßen,sondern drängen sich im Gegenteil dreist in den Vordergrund,und ebensowenig betrachten es ihre Kunden für eine Schande, sich recht oft dort sehen zu lassen.biele bringen sogar jeweilen ihre Pelze und Winterkleider im Srühjahr hin und lassen sie dort bis zum Herbste.
Es gibt zweierlei Pfandhäuser: vom Staate konzefsionierte, wo die Pfänder sechzehn Monate gelafsen werden können, und solche, die ohne gesetzliche Bewilligung bestehen und wo die verpfändeten Gegenstände nach drei Monaten eingelöst werden müssen. Die erste Klasse erfreut sich besonderer Gunst der Regierung, sie bildet Kommanditgesellschaften, und ihre Besitzer sind meist reiche Leute. Die zweite Klasse ist gesetzwidrig, doch drückt die Regierung ein Auge zu, und die kleinen Leute bedienen sich ausschließlich derselben.
Ein ganz anderes Bild bietet die Aussicht nach RPorden. Hier haben die Toten santons zwei weite Hügel in Besitz genommen. Traurige Gräber sind es, ungepflegt,steinig, sie erinnern mich an die Sriedhöfe am Olberg. Hie und da nur unterbricht ein Bananenbusch die Müste, oder ein riesiges, halbkreisförmiges Steingrab, die Samiliengruft eines vornehmen Chinesen, erhebt sich aus dem Wirrsal dieser verodeten Ruhestätte. Die unabsehbare Nekropole entspricht der Millionenstadt Kanton.
Große Scharen schwarzer Siegen wanderten beinahe unaufhorlich den Stadtmauerweg empor, den Bergen zu, um dort nach spärlichem Grün zu spähen. Swei Ziegelwaände, die mit Erde ausgefüllt find, bilden die zirka 6 Meter breite und 7,0 Meter hohe Mauer. In einer Länge von 2 Stunden in der Runde umzieht sie die Stadt. Eine Quermauer von Ost nach West trennt die größere Altstadt von der füdlichen Neustadt. Die Mauer um die Altstadt wurde schon im XI. Jahrhundert begonnen und 1380 fertig erstellt.
Neben der Pagode, die mehr wie ein Haus aussieht und schon fünfhundert Jahre alt sein soll, stehen Kanonen auf den Wällen; sie sehen alt und verwittert aus und ruhen auf halbverfaulten Lafetten, und doch sind sie erst vor ungefähr dreißig Jahren mit einem Aufwand von 600.000 Dollar angekauft worden.
[276]Reise einer Schweizerin um die Welt.Zu Suß wanderten wir zur Stadt zurück. Der teilweise mit großen Steinplatten gepflasterte Weg auf der Mauer war so glatt, daß ich einmal empfindlich mit ihm in Berührung kam.
Das „Haus des Todes“ war unfsere erste Station und zugleich die freundlichste,reinlichste Stätte in ganz Kanton. Hierher bringen die Reichen ihre Toten und stellen sie in schön lackierten Särgen so lange auf, bis der Erdwahrsager den günstigen Ort und die richtige Zeit der endgültigen Beerdigung bestimmt hat, was zuweilen erst nach drei Jahren geschieht. Cine Kapelle liegt neben der anderen, jede beherbergt einen oder mehrere Särge, einen Altartisch mit Götterbildern und brennenden Kerzen. Um jeden Sarg und draußen allen Wegen entlang ziehen sich Töpfe mit gelben und roten,in brennenden Sarben blühenden Büschen. Wir kennen sie auch bei uns, diese Kinder Chinas und Ostindiens, unter dem Namen sahnenkamm (Celosia). Hier wachfen sie in ährenartigen Büscheln in üppigster Sarbenpracht.
Cin paar Schritte weiter brachten uns zur sogenannten Blumenpagode. Woher der Name stammt, konnte ich nicht ergründen. Blumen sah ich keine, wohl aber einen herrlich skulptierten Drachen und Vögelfries, der die Basis der Pagode wie ein breites Band einfaßt. Sie ist 06 Meter hoch, rosa übertüncht und stammt aus dem Jahre 500 n. Chr. Die ursprungliche Heimat der Pagoden ist Indien. In China haben sie meist die Gestalt eines achteckigen, schlanken, nach oben sich verjüngenden Turmes.Die Zahl ihrer Stockwerke beträgt von fünf bis dreizehn, immer muß sie ungerade sein, die gerade Sahl gilt für unglückbringend. Die einzelnen Etagen sind durch gebogene Dachvorsprunge voneinander getrennt. Eine innere Wendeltreppe führt hinauf.Zu den Sehenswürdigkeiten Kantons gehört die Wasseruhr, welche im Jahre 1324 hier aufgestellt wurde. Im oberen Stockwerk eines alten Turmes träufelt Wasser aus einem Reservoir in vier terrassenförmig eingemauerte Gefäße. Das Steigen des Wassers bis zu einer bestimmten Stelle entspricht jeweilen einer Stunde. Alle zwölf Stunden wird das Wafsser vom untersten ins oberste Gefäß gegossen. Joch primitiver beinahe ist die daneben stehende Kontrolluhr. Cange Sylinder werden mit getrocknetem Buffelmist gefüllt. In Entfernungen von zirka einem Suß ist je ein schwarzer Guerring aufgemalt. Der Büffelmist wird in Brand gesetzt und glimmt ganz gleichmäßig fort, so daß die Asche immer eine Stunde gebraucht, bis sie zum nächsten Ring gelangt. Nach diesen beiden Saktoren, Büffelmist und Wasser, richtet fich noch heute wie vor beinahe sechshundert Jahren die Seitbestimmung in Kanton.
Den Schluß unseres Cagewerkes ich kann es diesmal füglich als ein solches bezeichnen bildeten zwei gräßliche Dinge, die Richtstätte und die Gefängnisse. Beinahe täglich soll noch in Kanton eine Cxekution stattfinden. Harmlos genug sieht freilich der Richtplatz im Scheine der Nachmittagssonne aus: ein langer, schmaler Hof mit Lehmmauer, an welcher die armen Sünder ihren letzten Augenblick erwarten.In der Swischenzeit haben die Töpfer Kantons ihren Tröckneplatz hier aufgeschlagen und liefern dafür die Gefäße, in welche die Köpfe hineingelegt und dann auf einem pfahle öffentlich ausgestellt werden. Verschiedene Töpfe mit halbvertrockneten Kopfen wurden uns präsentiert.[]Kanton.
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Graßlicher noch ist das Gefängnis.Man führte uns durch alle möglichen Höfe und Winkel, einer schmutziger und übelciechender als der andere. Ein zudringlicher Volkshaufen hatte sich an unsere Sersen geheftet, und als uns gar drei schwarz und rot gekleidete Männer, Henker, wie der Sührer sagte, streiften, hätte ich am liebsten Reißaus genommen. Links kauerten in einer Art Küche eine Anzahl Gefangene. Sie erwarteten das Verhör des Richters und eventuell die Solter. Süße und Hsals waren mit schweren Ketten belastet, ihre Gesichter teils stumpf, teils wild tierisch. Im Hofe kauerten einige Maänner mit dem „Cangue“, einem schweren, viereckigen Holzbrett, das um den sdals festgefügt und weder tags noch nachts abgenommen wird. Wenn ihre Sreunde sie nicht füttern, ist's um solche Canguesträflinge übel bestellt, denn mit der Hand können sie des breiten Brettes wegen ebensowenig zum Munde gelangen, als zum Schlafe sich legen. Wollen sie Ruhe finden, so wühlen sie ein Loch in die Erde und kauern hinein, so daß das Brett dieselbe Röhe mit dem Boden einnimmt. Das Tragen dieser Halskragen gehört zu den milden Strafen! Es gibt eine andere Art Kragen,die nicht nur den Kopf, sondern auch die Kand und einen Suß in Sesseln halten,so daß das ganze Körpergewicht auf einem Suße ruht.
Im Gerichtssaal drinnen wurde alles zur Sitzung zurechtgemacht. Hinter dem Stuhle des Richters ist ein großes, gemaltes Bild, Buddha als Richter darstellend.In einer Ecke sind Solterwerkzeuge, ein Kreuz, Daumenschrauben, eine Art Holzgestell, in welches der Schuldige bis zum Kopf hineingepreßt wird, Prügelstöcke u. J. w.Mir war ganz weh zu Mute, und auch mein Gefährte mochte die Ankunft des Kichters nicht abwarten.
Dieser sehr ausgefüllte Tag schloß im Kreise einer Schweizerfamilie in Schamien.Ich war mit dem früheren deutschen Konsul in Kanton bis Cschifu gereist, und dieser hatte mir eine Empfehlung an seine Sreunde und Nachbarn, sherrn und Srau Hs.aus Zürich, gegeben. Diese suchten wir auf und wurden sehr freundlich aufgenommen.Wir mußten gleich zum Essen bleiben. Auf meine Einwendung, Storung zu verursachen, hieß es:
„Mit einem chinesischen Boy und einem chinesischen Koch kann eine Hausfrau den Dingen ruhig ihren Lauf lassen. Sie sagt einfach, wie viel Perfonen kommen,wie viel Gänge sie wünscht und um wie viel Uhr. Zur bestimmten Stunde wird der Tisch hübsch und geschmackvoll gedeckt und mit Blumen reizend dekoriert sein, der Koch wird unterdessen schnell, was ihm etwa fehlt, in der Nachbarschaft zusammen
[78]Reise einer Schweizerin um die Welt.
Ghinesiiche Sträflinge mit Dalskragen.geborgt haben, und ein treffliches Essen mit allen möglichen verschiedenen Gerichten überrascht die unerwarteten Gäste.“
Chinesische Köche sind außerordentlich geschickt, sie lernen sehr schnell europäische Speisen gut zubereiten und verstehen es, mit wenigem und mit dem primitivsten stochherde die mannigfaltigsten Menüs herzurichten. Wie's dabei mit der Reinlichkeit steht, ist eine andere Srage. Besser ist's immerhin, nicht zu tiefe Nachforschungen anzustellen. Ich war einmal sehr erstaunt, als ich meinen Wäscher in Hawaii auf suchte, zu sehen, daß Ah Song &K Cie. beim Bügeln fortwährend auf die Wäsche spuckte.
Die Nacht war sehr unruhig. Abgesehen von dem Nachtwächter, der vor dem Gasthofe patrouillierte und alle paar Minuten auf den Gong schlug, entweder um die bösen Geister abzuwehren oder den Dieben seine Nähe zu verkündigen, krähten die Hähne die ganze Nacht. Offenbar hat jeder „Sampan“ seinen saushahn. und ein edler Wettstreit herrscht, wer den andern überkrähe.srühmorgens durchzogen wir die Straßen Kantons, diesmal zu Suß, aber mit dem Sührer, denn niemals hätten wir uns durch das Straßenlabyrinth allein zurecht gefunden. Das geht kreuz und quer, und einige Gassen sind so eng, daß man mit ausgestreckten Armen beide Seiten berühren kann. Wir wollten Einkäufe machen,dafür ist Kanton der geeignete Platz, denn seine anscheinend kleinen Cäden bergen in ihren Tiefen oft ungeahnte Schätze. Die Gewerbe sind meist straßenweise beisammen,da folgt ein Sächerladen dem anderen, vom billigsten bis zum feinsten, federnbesetzten. Dann eine Reihe Schuhläden. NHeben dem Stoffschuh mit den 6 Centimeter dicken Silzsohlen, den die Chinesen tragen, stehen die 9 Centimeter langen gestickten Puppenschuhe der feinen Chinesinnen. Ganze Läden sind mit „Jade“ Schmuck sachen angefüllt. Jade, Nephrit oder Nierenstein, ist ein im Inneren Asiens in großen Blöcken gefundener Stein von hellgrüner oder graugrüner Sarbe. Er wird []Ztadttor in RKanton. (5. 275.)
[280]Reise einer Schweizerin um die Welt.in China außerordentlich geschätzt, unter die Halbedelsteine gerechnet und als Ohr,Arm und Singerringe viel verwandt. Die Männer tragen auch Daumenringe von diesenn Stein, welche 3 Centimeter Breite haben.
Ein anderer sehr zierlicher Schmuck sind feine SilberfiligranArbeiten, die mit kleinen blauen Sedern des Eisvogels durchzogen sind, was denselben Effekt hervorbringt, als ob sie mit Türkisen besetzt wären.
Die Düfte in den Gassen Kantons sind keineswegs ambrosisch, um so überraschter entströmen. Sandelund Kampferholz liegt in großen Balken da und wird von fleißigen, geschickten Zänden in die wunderbarsten Kunstwerke der Holzschneidekunst verwandelt. Auch in Elfenbeinschnitzerei wird Großartiges geleistet.
Was mich am meisten zum Kaufe verlockte, waren die herrlichen und dabei keineswegs teuern alten Seidenstickereien. Weniger flott und genial als die japanischen hingeworfen, übertreffen sie diese doch bedeutend an Seinheit der Ausführung.dier auch finden wir überall den Drachen als Sinnbild der Kraft, Macht und Göttlichkeit angebracht, daneben die Schildkröte als Sinnbild des langen Lebens und die Sledermaus als Symbol des Glückes.
In jeder Straße, mag sie noch so schmutzig und krummwinßlig sein, steht ein Altar, und jedes sHaus hat seine Nische, wo täglich Weihrauch verbrannt wird. An manchem Ort sieht man einen wohlgenährten, auf einem Kissen sitzenden Gott, den Gott des Reichtums und des Glückes. Da er jedes Jahr einmal gen shimmel steigt, um Bericht zu erstatten, wie die Samilie sich verhält, deren Hausgott er ist, werden ihm die Lippen mit Zucker bestrichen. Da kann er wohl oder übel nichts anderes als Süßes reden!
Unzählige Bettler streichen in den Straßen herum, viel Lärm und Geschrei wird überall laut. Nach einigen Stunden fühlt man sich von all den Eindrücken koörperlich und geistig müde, mein «Sabe box- wollte nichts mehr aufnehmen. «Sabe boxist das chinesifche Pidgin-Wort für Kopf, Gehirnkasten. Viele Ausdrücke sind dem Portugiesischen entnommen, und das « me no sabes,, „ich weiß nicht“, ist eine stereotype Redensart der Boys.
Nachmittags hatten uns die neuen Schweizerbekannten zu einer Sahrt auf ihrem ausboot eingeladen. Das Hausboot ist ein Cuxus, den sich jede einigermaßen begüterte Samilie gönnt. Es besitzt eine gewölbte Kabine, in die man durch eine halbrunde Offnung steigen kann und die nachts durch einen Holzladen geschlossen wird. Die Kabine enthält vorn einen Raum zum Schlafen, hinten die Küche und das Gelaß für den Boy. Ein großes Rad bringt das Boot in Bewegung, welches von acht bis zehn Kulis getreten wird, eine wahrhaft antike und mich keineswegs entzuckende Beforderungsweise. Auf behaglichen Lehnstühlen sitzend, einen fein servierten Cee und Ktuchen vor uns, legten wir etwa 6,5 Kilometer auf dem breiten Strome er soll die Breite der Chemse haben zurück. Wir landeten an einem ganz entlegenen Stadtteile, wo mein Reisegefährte einen amerikanischen Landsmann besuchen wollte. Durch ein Labyrinth schmutziger, schlüpfriger Gäßzchen, wo rechts und links in scheußlichen Spelunken den beiden bösen Geistern, Spiel und Opium,gehuldigt wurde, gelangten wir nach langem Suchen zu Dr. Greve. Sein Haus hat []Kanton.
281 einen Garten und hübschen Blick auf den Sluß, aber es gehört trotz alledem eine gehörige
Dosis Aufopferung und Selbstverleugnung dazu,um als Missionar
45 Jahre lang mitten in diesem
Abschaum der
Großstadt zu leben und zu wirken.
Man schiebt den
Missionaren manches in die Schuhe,mit Recht zuweilen, aber es gibt auch glänzende Ausnahmen unter ihnen, Leute, die mit vollständiger Selbstverleugnung nur ihrer Religion, ihrem Berufe und ihren Mitmenschen leben, die vielleicht durch ihr Beispiel mehr wirken als durch Predigt. Wenn ich nicht irre,gehört Dr. Greve zu diesen. Aus dem schwachen, gebückten, sechsundsiebzigjährigen Greis spricht noch eine solche Energie und Schaffensfreudigkeit, daß ich wahrhaft davon erbaut war. Sür ihn ist es noch nicht Abend geworden.
Ich hätte ihn so gern manches gefragt, aber unsere Seit war zu kurz bemessen.Schon neigte sich der Tag, und nach Anbruch der Nacht soll es auf dem Perlflusse nicht sicher sein. Wie in der guten, alten Seit machen Piraten den Sluß unsicher, und mancher soll schon in seinen tiefen Sluten spurlos verschwunden sein. Deshalb begleitet auf Befehl der chinesischen Regierung ein Boot mit Polizei auf gewisse Distanz jedes europäische Hausboot.
Das Slußbild war noch anziehender als auf der Hinfahrt. Unzählige Boote begegneten uns. Waährend einer ganzen Strecke lagen die festverankerten, großen Blumenboote, wie diese chinesischen Restaurants auf dem Wasser genannt werden,vor uns, geschmückt mit Laternen aller Art. Sur Linken schlugen die Wellen an hohe, düstere Räuser. Die Sonne war am Untergehen. In den leuchtendsten Sarben strahlte der Himmel und gab dem Wasser einen roten Widerschein. Als ob wir durch Blut fahren würden, kam es mir vor. Ich dachte dabei an die Greuel, die in Kanton seit Jahrhunderten verübt wurden und immer noch verübt werden.slicht ungern schied ich am folgenden Morgen aus der Hauptstadt des füdlichen China.
Ehinesenbübchen in Ranton.
α
[82]Reise einer Schweizerin um die Welt.stapitel 18.Ein vergessenes Släölchen.Fahrt nach Macao. Geschichte der Halbinsel. Hôtel Boa Vista. Blindenanstalt. Camosns-Garten. Der Dichter Camosns. Chinesischer Garten. Spielhäuser. Santan. Schulmeisterei. Opiumfabrik. Abschied von Macao. KNochmals Pongkong. Auf der „Kiautschau“. Singapore. Sest im Chinesenviertel.
In unschuldiger Blaäue erglänzte am Morgen des 7. Novembers der Perlfluß,als wir den kleinen Dampfer nach Macao bestiegen.Cine kurze, schöne Sahrt beim herrlichsten Wetter brachte uns schon im frühen Nachmittag vor die Selsenhalbinsel Macao. Was Schönheit der Cage anbetrifft, ist Macao eine würdige Nebenbuhlerin ßongkongs; doch während dieses von Jahr zu Jahr wächst und sich vergrößert, erbleicht Macaos Stern immer mehr und wird bald völlig erlöschen. Mir hatte es das kleine, stille, altmodische Städtchen schon den ersten Augenblick angetan, und ich freute mich daher sehr, daß es meinem Reifegefährten ebenso erging. Einmütig beschlossen wir. vier Ruhetage im stillen Macao zu verträumen.
Bevor ich über unsere Erlebnisse dort berichte, möchte ich etwas von Macao.seiner Lage und Geschichte erzählen.
Die kleine Halbinfel umfaßt zwölf QuadratKilometer und zählt ungefähr 67,000 Einwohner. Darunter sind 68,000 Chinesen und etwa 4000 Portugiesen, meist Mischlinge von Chinesen, Malaien und Indiern. Macao liegt im äußersten Südosten Chinas, durch eine schmale CLandzunge mit dem Sestlande verbunden. Diese Landzunge liegt zwischen zwei Armen des Sikiangdelta.[]Ehinesijcher Wahrsager. (S. 282.) [] Ein vergessenes Städtchen.
283 Nachdem Zeinrich der Seefahrer, Bartholomäus Diaz und besonders Vasco da Gama ihre wichtigen Entdeckungsreisen gemacht, war Portugal, besonders in seinen Kolonien, zur Weltmacht angewachsen. Damals nahm es 1657 Macao von China in Pacht gegen eine jährliche Summe von 500 Tael. Cange Seit bildete Macao den dauptstapelplatz des sHandels mit China und den einzigen Sugangspunkt zu dem Keiche der Mitte. Dies mißfiel natürlich England und Holland, letzteres trachtete sogar im Jahre 1622, Macao einzunehmen, wurde aber zurückgeschlagen und mußte zur Strafe den Portugiesen ein Sort bauen. Als Portugals Macht sank, ging es auch rasch mit Macao bergab, und nach der Gründung eines Sreihafens in Hongkong durch die Engländer dachten die Portugiesen ernstlich daran, die Kolonie aufzugeben. Der energische Gouverneur Sereira Amaral versuchte mit Erfolg, Macao etwas zu heben, doch wurde er schon nach vier Jahren, 1849, ermordet. Seither ist Macao in stetigem Sinken begriffen, und versucht es zuweilen, sich aufzuraffen, so geschieht dies zumeist durch unlautere Mittel. So trieb es von 1860-1873 einen schwunghaften sdandel mit Kulis, der seine Entstehung der Unterdrückung der Sklaverei in Nord- und Südamerika verdankte. Als billige Arbeitskräfte zum Ersatz gesucht wurden, fanden sich diese in den Chinesen. In Macao wurden daher oft mit den verwerflichsten Mitteln Kulis zusammengetrieben, in elenden Baracken eingepfercht und, wenn genügend Menschenmaterial vorhanden, nach den verschiedenen Bestellplätzen verladen. Damals mehrte sich die auf 4680 Menschen gesunkene Bevölkerung aufs schnellste, die Stadt wurde dabei reich, blühend und fromm. Die Pracht ihrer Kirchen, Klöster und Prozessionen war allgemein bekannt.
Als sowohl Hongkong wie die chinesische Regierung ernstlich dagegen wirkten,wurde der Kulihandel abgeschafft.
An die Stelle traten Spielbanken. Bis vor kurzem brachte das Santan, wie das Spiel heißt, der Regierung 180,000 Dollar jährlich ein. Jetzt ist diese Cinnahme etwas im Rückgang, immerhin werden die Santan-Salons von Europäern und besonders Chinesen eifrig besucht. Eine unschuldigere und immerhin einträgliche Einnahme für das Ländchen bilden die Briefmarken für Sammler.
Da lag es vor uns, das portugiesische Städtchen. Die rosa, blauen, gelben und weißen Häuser schmiegen sich an die halbmondförmige Bucht oder klettern an den acht Hügeln empor, die sich schützend hinter Macao auftürmen und deren oberste Gipfel mit langsam verfallenden Sorts gekröont sind.
Zinrikishas schoben uns durch stille, steile, klösterliche Gassen hinauf nach dem
Rirche in Macao.
[284]Reise einer Schweizerin um die Welt.sHügel von Boa vista, einem der besten, wenn nicht dem besten Gasthofe des fernen stens. Die Altanen vor unseren Zimmern gewährten den Blick hinaus auf die blaue See. Leise schlugen die Wellen an die Selsenriffe, auf denen das Haus steht, und süßer Duft von Orangen und Plumeriablüten drang vom Garten zu uns empor.Cin Hauch des Sriedens, der Ruhe lag auf Haus und Umgebung, der uns unbeschreiblich wohltat nach all dem Schmutz und Lärm der letzten Wochen.
Noch höher strebten wir empor! Hinter dem Hause erhebt sich ein steiler Hügel mit leider ganz neu übertünchter, alter Kirche und einem ebenso neu und plump hergestellten großen Marmorkreuz auf dem Kleinen Platze. Alt nur ist ein knorriger Baumriese, eine Plumeria mit sattgrünen Blättern und hellgelben, süßduftenden Blumensternen. Wie Regentropfen rieseln sie von Seit zu Seit leise zur Erde nieder.Alt auch ist die herrliche Aussicht auf das Städtchen Macao, die Berge, das Meer und die vielen Boote mit den Drachensegeln. Alt und ewig jung!
Als wir uns zum Gehen wandten, saß eine Dame auf den Treppenstufen des steilen Abstieges. War es ihr Strickzeug, war es sonst etwas an ihrer Erscheinung,ich redete sie deutsch an und erhielt freudige, deutsche Antwort. Die Dame, eine Pastorstochter aus Mitteldeutschland, ist Zohanniterschwester und Vorsteherin einer Anstalt für kleine, blinde, chinesische Mädchen. Ihrer freundlichen Aufforderung, sie und ihre Pfleglinge zu besuchen, kamen wir den folgenden Tag mit Vergnügen nach.Das von einigen wohltätigen Damen in Deutschland erhaltene kleine Institut hat fich vor den Kriegswirren aus der Nähe von ßHongkong in das portugiesische Macao geflüchtet. Die ganze Einrichtung war daher eine provisorische. Sräulein Martha P.scheint ihre Tätigkeit und ihre Schutzbefohlenen sehr zu lieben, und die Kinder hängen wahrhaftig rührend an ihr. Sie stehen im Alter zwischen drei und fünfzehn Jahren,sehen vergnügt, ordentlich und wohlgepflegt aus. Schwester Martha beschäftigt sie mit Stricken und Strohflechten; die Großen lasen ganz geläufig Blindenschrift, sangen deutsche Lieder und sagten Sprüche her. Man hält namentlich darauf, sie, soweit dies bei ihrer Blindheit möglich ist, zu Haushaltungsgeschäften anzuleiten. Schwester Martha erzählte mir ähnliche Dinge, wie Sur Marie in Si-ka-wei, von der Graufamkeit der Chinesen solchen armen, kleinen, von der Natur verkürzten Geschöpfen gegenuüber. Auch hier werden sie den unnatürlichen Eltern beinahe mit List abgerungen.Was aber aus den erwachsenen Mädchen wird, wenn sie das schützende Dach, das ebevolle Heim verlassen müssen, ist mir nicht klar geworden. Ich frage mich, ob es nicht vielleicht in einigen Sällen besser wäre, sie gingen als kleine, neugeborene Vesen zu Grunde, als nach einer friedlichen, schönen Kindheit in der Anstalt nur därte und Elend in der Welt draußen zu finden.
Macao hat auch Sehenswürdigkeiten. Auf der Höhe ganz zwischen Hüügeln versteckt steht die schöne Ruine der Jesuitenkirche San Pablo aus dem XVII. Jahr-hundert, welche 1885 bis auf die sehr reiche Sassade niederbrannte. Wir kletterten hinter der Kirche weiter bis zu einem verfallenen Sort und genossen den Reiz dieser Entdeckungsreise, die herrliche Luft und Aussicht so gründlich und lange, daß unsere JinrikishaBoys unten sicher vermuteten, ein böser Geist hätte uns geholt, und sie wären um ihr Sahrgeld betrogen.[]Lin vergessenes Städtchen.
285 Hauptsehenswürdigkeit aber ist der Garten, wo der berühmte, portugiesische Dichter Camoens öfter geweilt und sein Hauptwerk, die LCusiaden, vollendet haben soll.
Cuiz de Camoens wurde im Jahre 1524 von hochangefehenen, aber armen Eltern geboren. Der vVater, ein portugiefischer Schiffskapitän, verlor im Schiffbruch Leben und Vermögen,gleichwohl sorgte die Mutter, daß der Sohn die Universität Coĩmbra besuchen konnte. Nach Lissabon zurückgekehrt,fiel der junge Mann durch seine männlich schöne Erscheinung, sein jugendlich feuriges Wesen uüberall auf. Er verliebte sich in eine Hofdame und erregte dadurch so sehr den Sorn des Königs, daß dieser ihn vom Hofe verbannte. Von da an irrte der Dichter unstet in der Welt umher. Er kämpfte gegen Marokko, verlor vor Ceuta das rechte Auge und führte in Afrika mit der einen Hand das Schwert, mit der andern die Leier“. Die Dichtkunst allein vermochte es, ihn über die verbannung und den berlust seiner Geliebten zu trösten. Sonette und Elegien entstanden in reicher Sülle, und auch sein großes Heldenepos, die Lusiaden, das er schon in Portugal begonnen, gedieh. Im Jahre 1068 schiffte sich Camosëns nach Ostindien ein, hatte aber dort weder Glück noch Stern. Durch ein satirisches Gedicht auf die Mängel und Mißwirtschaft der portugiesischen Verwaltung Indiens zog er sich den saß des Vizekönigs Dom Srancesco Barreto dermaßen zu, daß dieser den Dichter verhaften ließ und ihn auf fünf Jahre nach Macao verbannte. Der neue bizekönig begnadigte zwar Camoens, allein das Schiff,das ihn der Heimat zuführen sollte, scheiterte, und nur mit Mühe rettete der Dichter sich und seinen größten Schatz, sein Gedicht. Als das Schiff fank, hatte sich Camosëns in die Wellen gestürzt, und mit der Rechten rüstig dem Ufer zurudernd, hielt er mit der Linken die Handschrift der CLusiaden hoch über den Wogen empor.
Camosns blieb nun in Indien, abwechsend im Glück, häufiger noch im Unglück.Nach sechzehnjähriger Abwesenheit kehrte er 1869 nach Lissabon zurück, begleitet von den einzigen, die ihm stets treu blieben: Ein Sklave und sein Unglück.
Voller Hoffnung, das Werk, welches während so vielen Jahren seinen Geist erfüllt hatte, endlich veröffentlichen zu können, fand er Not und Schrecken in Lissabon.Die Pest wütete unter der Bevölkerung, und dieser Umstand trat dem Druck des Werkes noch drei Jahre hindernd entgegen. Erst 1672 erschien die erste Ausgabe.Sie war dem Koönige gewidmet, welcher dem Dichter eine Jahrespension von 10, o00 Reis EsEr. 100) dafür ausgesetzt haben soll. Camosns siechte langsam dahin
Straße in Macao.[]
Reise einer Schweizerin um die Welt.und starb den 10.Juni 1580 im ßospital. Man begrub hn, wie man ihn hatte leben lassen,ohne Ehren, ohne Auszeichnung. Als ünfzehn Jahre spätler sein Grab mit Mühe aufgefunden wurde, errichtete man ihm ein prunkvolles Monument.sdatte man doch unterdessen den Wert seines Gedichtes kennen gelernt. Der im Leben Verkannte,Verfolgte wurde im Tode vergöttert; man gab ihm den Beinamen des Großen. Sein Heldengedicht fand Eingang bei hoch und niedrig. Eine Ausgabe folgte der andern, und ein JNahrhundert lang ertönten Gesänge daraus im Munde des vVolkes.
Der Camosens-Garten ist hoch gelegen, die Aussicht über Land und Meer unbeschreiblich schön. Sie hat wohl den Poeten begeistert, denn in keinem andern Gedichte, außer vielleicht im Homer, spiegelt sich der ganze Sauber, die ganze Majestät der See so wider, wie in den Lusiaden. Nicht nur der Kampf zwischen Portugiesen und Indern, sondern noch mehr der Kampf mit dem Weltmeer und der Sieg über seine furchtbare Gewalt wird hier geschildert.
Auch sonst ist's ein echter Dichtergarten: poetisch, stimmungsvoll; überall geheimnisvolle Winkel und tiefe Schatten, alte, verschlungene, ineinander gewachsene Bäume und steile Kreuz und Querpfade. Sie alle führen zu einer aus riesigen, grauen Selsbloöcken geformten Grotte empor, dem Lieblingsplätzchen des Dichters.
Dort wurde im DZahre 1840 eine schöne Bronzebüste des großen Portugiesen aufgestellt. Sechs Gesänge seiner „LCusiaden“ stehen, auf den Sels geschrieben, darunter.Daneben auch folgende hübsche Widmung aus dem Jahre 1827:
Au Grand Louis de Camoëns,Portugais, d'origine Castillane,Soldat religieux, voyageur et poete exilée,L'humble Louis de Rienzi, Français, d'origine Romaine,Voyageur religieux, soldat et poeëte expatrié.
Ein schöner JinrikishaWeg führt dem Meere entlang zu der chinesischen Grenze.Auf einer Anhohe unterwegs liegt der terrassenförmig aufgemauerte Parsenfriedhof.In schmucklosen, flachen, alle nach demselben Muster gearbeiteten Steinsarkophagen []Ein vergessenes Städtchen.
287 harren die Seueranbeter dem Tage der Auferstehung entgegen. Auf der anderen Seite, der Stadt zu, sehen wir den portugiesischen Sriedhof, wo Jesuitenstil, Zopf und Geschmacklosigkeit sich an manchen Denkmälern breit machen.srüher war an der chinesischen Grenze eine Mauer gezogen, welche chinesische Soldaten bewachten. Jetzt ist nur ein kleines Cor übrig geblieben, doch merkt man's bald, daß man sich wieder in dem Reiche der Mitte befindet. Schon all die verwahrlosten Gräber, welche rechts und links an der größtenteils gepflasterten Straße liegen, und die unglücklichen Sträflinge mit dem hölzernen Halskragen, welche wir antreffen, deuten auf China. Acht Kilometer weit traben unsere Kulis mit uns bis zu einem mauerumkränzten chinesischen Privatsitze, wo uns ein Boy mit Tee bewirtet und uns die nette Villa zeigt, bevor wir in den Garten geführt werden. Auch hier gibt's typisch japanischchinesische Selspartien, Pavillons, große schöne Bäume, verschnittene sdecken und Topfpflanzen, namentlich niedliche, gelbe und weiße, kleine Chrysanthemen.Gerne wanderten wir durch die stillen, reinlichen, verträumten, kloösterlichen Straßen Macaos. Kloösterlich habe ich das Städtchen schon einmal genannt, kein besserer Ausdruck will sich finden. Die Klöster sind zwar längst aufgehoben, aber noch immer schwebt ihr sauch durch die Straßen, und die schwarzgekleideten Portugiefinnen mit den schwarzen Kopftüchern liefern die richtige Nonnenstaffage dazu.Weniger klösterlich sieht's im Chinesenviertel aus, wo es, wie überall im Reiche der Mitte, lärmend und schmutzig hergeht. Weiße und rote Papierlaternen hängen vor jedem Hause, und Lampions von oben bis unten an den Spielhallen. Auf den Glaslaternen über der Cüre stehen die Worte: «First class gambling house. Casa de jogo.“ Wie lachten alle in Hongkong, als wir erzählten, wir wären vier Tage in Macao gewesen, was fonst keinem Menschen einfällt, und hätten nicht einmal Santan gespielt. Daran war hauptsächlich mein Gefährte schuld. Seine Abneigung vor dem Spiel war groß. Was mich anbetrifft, hatte ich zu viel in Kanton ausgegeben,und fürchtete, bis sdongkong nicht auszukommen.Ich hatte übrigens auf den Schiffen Gelegenheit genug,die Chinesen, welche leidenschaftliche Spieler sind,dabei zu beobachten.Santan wird so gespielt: Man X
[288]Reise einer Schweizerin um die Welt.schreibt die Nummern eins bis vier auf eine Platte und setzt Geld auf die vier Selder.Der Bankhalter legt eine Handvoll chinesischer Kupfermünzen auf den Tisch, bedeckt dieselben mit einem Teller, bis alle Cinsaätze gemacht sind, und fangt dann an, die Kupfermünzen mit einem Holzstäbchen zu vier und vier abzuzählen, bis schließlich ein Rest von 04 Stücken bleibt. Geht die Abzählung glatt auf, so bekommt die Bank alle Einsätze, sonst ergibt die Sahl der übrigbleibenden Stücke die NIummer des Hewinnfeldes, und der Gewinner bekommt seinen dreifachen Cinsatz mit Abzug von zehn Prozent ausgezahlt.
Wir faßen also abends solid zu Hause und lagen der Schulmeisterei ob. Unser Zögling war ein junger chinesischer Boy, den ich bei der mühsamen Arbeit ertappt hatte, das Sragment eines englischen Briefes abzumalen. Er hoffte, dabei Englisch zu lernen. Ich begann, ihm einfache Sätze vorzuschreiben. Mein Reisegefährte wurde noch mehr wie ich vom Schulmeisterenthusiasmus gepackt. Nachts um elf Uhr noch hörte ich oft aus dem sebenzimmer das „A B Co buchstabieren. Das ging ganz gut.Nur zum Schluß konnte ich sicher darauf zählen, daß der Junge jedesmal statt «zed»«ezeds» aussprach. Lehrer und Schüler plagten sich redlich ab. aber mit dem «zed-wollte es nichts werden.
Den letzten Tag besuchten wir eine Opiumfabrik. Lange verfolgte mich der süßlich widerliche Geruch und die fahlen Gesichter der Opiumraucher, die in einem anstoßenden Gemach sich diesem Genuß hingaben. Blaß, abgezehrt, mit gestrecktem Halse und erstorbenen Augen liegen die Opfer dieser furchtbaren Leidenschaft ausgestreckt da.
Wir wenden uns mit Abscheu ab, und dabei beschleicht mich ein Gefühl der Beschaäͤmung über die europaische Habgier, die den Chinesen ein Laster aufgepfropft,das jetzt eine der Ursachen des Verfalls und der Geringschätzung dieses Volkes geworden ist. Bis Mitte des XVII. Jahrhunderts war Opium nur als Arzneimittel in China bekannt. Erst von da an wurde das Rauchen des Opiums, trotz vieler berbote der Regierung, gebräuchlich. Die Englisch-Ostindische Kompagnie begann die Opiumkultur in Bengalen, monopolisierte dieselbe und führte seit 1773 Opium in immer steigenden Quantitäten in China ein. Die chinesische Regierung verbot zwar die Hpiumeinfuhr, bewirkte dadurch aber nur die Organisation eines Schmuggelhandels,der endlich zu dem sogenannten Opiumkrieg mit England führte. Ein kaiserliches Edikt hatte im Jahre 1839 befohlen, alles an Bord der Schiffe befindliche Opium auszuliefern. Man fand davon nicht weniger als 20,000 Kisten im Werte von 62 Millionen Sranken vor. Die Opiumeinfuhr wurde für alle Seiten verboten und mit Todesstrafe bedroht, die Engländer, die „rotborstigen Barbaren“, für außerhalb des Gesetzes stehend erklärt und jeder direkte oder indirekte Zandel mit ihnen „für immer“ aufgehoben.
Sierauf blockierten die Engländer Kanton und die ganze Küste bis zur Yangetsekiang: Muündung. China mußte nachgeben und sich 1842 im Vertrage von Nanking dazu verstehen, den Handel mit England wieder aufzunehmen, ihm Hongkong abtreten, an England 21 Millionen Dollar bezahlen und fünf Häfen allen Nationen zu eröffnen.
Der Aufseher, welcher uns in der Sabrik herumführte, verstand ausschließlich portugiesisch. Ich wandte mit mehr oder weniger Erfolg meine spanischen Brocken []öffentlicher Garten in Hongkong mit Peak im Hintergrunde. (S. 280.) [] Ein vergessenes Städtchen.
289 an, aber vieles konnten wir doch nicht erfahren. Wenige Tage, nachdem der Mohn abgeblüht, macht man leichte Einschnitte in die Kapfeln, aus denen sich über Nacht Milchsaft ergießt. Diesen nimmt man am Morgen mit einem Messer ab, sammelt ihn auf ein Mohnblatt und kneiet ihn zu grohßen Ballen zusammen. Eine Kapsel liefert etwa O,os Gramm Opium. Diese mit Mohnblättern umwickelten großen Ballen sahen wir in Menge. Sie kamen aus Kalkutta.Sie werden hier in der Sabrik zerstampft,gekocht, in einen schwarzbraunen Brei verwandelt, in große Büchsen geloöͤffelt und zumeist nach Australien verschifft.
Unsere schönen sonnigen Tage in Macao waren nur zu schnell zu Ende gegangen.
Traurig stand ich auf dem Dampfer, der uns nach Bongkong bringen sollte. Bis zuletzt verfolgten meine Augen die Berge und Sestungen, das kleine, verträumte Städtchen. Auf seinen Höhen flatterten die Sarben Portugals, einst die stolze Slagge einer Weltmacht, jetzt das bescheidene Abzeichen einer letzten heruntergekommenen Kolonie im fernen Osten!
In HBongkong fanden wir stürmisches Wetter und die denkbar ungünstigsten Verhältnisse zum geplanten Ausfluge nach Manila. Die Dampfer warteten alle auf besseres Wetter oder wurden auf den Philippinen durch Sturm zurückgehalten. Mein amerikanischer Reisegenosse wünschte zwar glühend, die neue amerikanische Besitzung in Augenschein zu nehmen, allein als schlechter Seefahrer scheute er ebenso die berüchtigt stürmische Überfahrt. Mir personlich war nicht besonders an diesem Abstecher gelegen. Ausflüge ins Innere des schönen Candes können der Unsicherheit halber nicht unternommen werden, und die Stadt Manila soll wenig bieten. Nicht mehr spanisch und dabei noch ungenügend amerikanisch, befindet sie sich augenblicklich in dem schlimmsten Übergangsstadium.
Auch die Verbindung mit Bangkok wollte nicht recht klappen, und so entschlossen wir uns kurzer sand, den am folgenden Tage fälligen deutschen Prachtdampfer „Kiautschau“ zu benutzen und direkt nach Singapur zu fahren.
Nach dem Aufenthalte in dem stillen heruntergekommenen Macao fiel uns das LCeben und Treiben in dem eleganten, immerfort wachsenden Hongkong, oder vielmehr bictoria, um so mehr auf. Die Stadt zaählt ungefähr 170,000 Einwohner, die Insel annähernd 240,000, wovon mehr als zwei Drittel Chinesen, der Rest Asiaten,Curopäer und Amerikaner sind.
Der Abend führte uns noch einmal auf den Peak mit seinem wundervollen Kundblick und den schön makadamisierten und zementierten Straßen. Wir waren
C. von Rodt, Reise um die welt. 19
Vor Pongtong.
[290]Reise einer Schweizerin um die Welt.bei einer deutschen Samilie zu Gaste, bei der wir schöne und gemütliche Stunden verlebten.
Die „Kiautschau“, ein Dampfer der Hamburg AmerikaCinie von .ooo Connen und erst im Jahre 1900 erbaut, ist mit allem modernen Luxus ausgestattet.Elektrische Sächer mäßigten die Hitze in den Kabinen, und da das Schiff wenig besetzt, fühlten wir uns sehr behaglich. Mein Tischnachbar war ein junger Engländer, Legationsrat an der Gesandtschaft in Rom, welcher gegen Malaria die Reise um die Welt ausschließlich zur See machte. Mein Gegenüber, eine altliche Dame englischer Nationalität, der Schreck aller Passagiere und der ganzen Dienerschaft,der richtige Typus jener Menschen, die sich und anderen das Leben erschweren.Sie führte ihre eigene Butter, ihr eigenes Brot und Obst mit, hatte jederzeit etwas im Verlust und verstand es ausgezeichnet, jedermanns Dienste in Anspruch zu nehmen. Mein armer Reisegefährte, zuerst „Cuft“ für sie, wurde infolge eines kleinen Mißverständnisses der Gegenstand ihres tiefsten Hasses. Gut, daß wir uns schon in Singapur trennten! Die Dame war vor zwei Wochen auf der „Kiautschau“ mit einer verlobten Tochter nach KHongkong gekommen. Die „Kiautschau“ war nach Japan weiter gefahren, die CTochter hatte ihre Hochzeit in Hongkong gefeiert, und der weise Schwiegersohn nichts Ciligeres zu tun gewußt, als die liebe Schwiegermama, ich glaube sehr wider deren Willen, abermals der Obhut der „Kiautschau“ zur Rückfahrt nach England anzuvertrauen.
Nach viertägiger schöner und günstiger Sahrt lagen wir den 17. November 1901 vor Singapur. Grüne üppig bewachsene Hügel empfingen uns, und eine bronzefarbene Gesellschaft, die als Muschelverkäufer in flachen Booten oder als Taucher auf ausgehöhlten Baumstämmen in leichtester Coilette unseren Schiffskoloß umschwärmten.
Der Candungsplatz war ziemlich weit draußen. Gedeckte Wagen mit holzernen Sensterladen, kleinen aber kräftigen Pferdchen und hindostanischen Kuts chern warteten am Strande. Singapurs Gasthofe genießen keinen besonderen Ruf. Wir suchten in Rafflesshotel, einem stattlichen Neubau, Unterkunft. Bis aufs Essen, das man uns stets in abgemessenen Miniaturportionen bot, und die sich vollständig selber überlassene Dienerschaft war es erträglich. Das Unglück ist, daß die Gasthofbesitzer im Osten zu schnell und zu leicht reich werden, dann kümmern sie sich um nichts mehr, und das Wohlbefinden ihrer Gäste ist ihnen total gleichgültig. Ganz unverblümt erklärte uns der Besitzer von Rafflesssotel, er sei jetzt reich genug, und das Hotelwesen langweile ihn gründlich.
Singapur, englisch Singapore, war bis 1819 eine kleine, hüglige, von einigen malaüschen Sischerfamilien bewohnte Insel. An ihrem Strande hauften Seeräuber,und in ihren dichten Waldern war der Tiger häufiger Gast. Damals erkannte der englische Gouverneur Sir Stamford Raffles die Bedeutung dieses Platzes als bequemster und kürzester Durchgangsweg zwischen Indien und China. Er kaufte die Insel Singapur und die gegenüberliegenden, kleinen Inseln dem Sultan von
Johore ab. Sieben Jahre später zählte der Sreihafen Singapur 13,000 Einwohner.Jetzt ist diese Zahl auf über 200,000 angewachsen, worunter 160,000 Chinesen, etwa 30.000 Malaien. 10.000 shindu und Tamilen und nur ungefähr 8000 Curopäer.[]Ein vergessenes Städtchen.Singapur bildet mit Penang und Malakka zusammen die sogenannten Straits Settlements. Die Insel nimmt ein Areal von 2480 5ektaren ein. Die Stadt dehnt sich sehr weit aus.
Im Westen wohnen meist die Europäer,dort sind auch die großartigen Docks,
PVarenlager, Schiffswerften. Der Hafen ist einer der größten und besten der Welt und kann einer unbegrenzten Zahl Schiffe Unterkunft gewahren. Singapur ist der bedeutendste Handelsmittelpunkt zwischen Indien und China.
Der Tag unserer Ankunft fiel auch hier auf einen Sonntag. Bank, Post und Schiffsagenturen sind geschlossen, so fanden wir es am besten, den Nachmittag zum Besuch bei Schweizern, an die ich eine Empfehlung hatte, zu verwenden. Cine vorherrschend feuchte Creibhaushitze, welche der tropischen Vegetation entsprach, erinnerte mich aufs neue an Hawaii. Die wunderschon gehaltene Orchard Road, welche in leichter Steigung nach Ladyshill, der Residenz meiner Landsleute, führt, zeigt tiefrote Erde, die seltsam vom schweren Dunkelblau des Himmels und dem fatten Grün der Bäume absticht. Und als ob der Sarben damit noch nicht genug getan wäre, weisen die Menschen, welche wir trafen, eine ganze Skala vom mattesten Weiß bis zum tiefsten Schwarz auf. Das Tropenklima verwandelt den frischen Teint der Europäer bald in einen farblos blassen. Gelb schimmert die Haut der Chinesen, bräunlich gelb sind die Malaien, dunkel die Hindu, um vieles dunkler die Tamilen oder Klings,und schwarz die Kinder Neu-Guineas und Celebes. Diese ganze Musterkarte mensch-licher Rassen finden wir in Singapur. Schone, stolze, wahrhaft königliche Gestalten sind die Klings, welche hier zumeist Straßenarbeiten verrichten.
Cadyshill ist ein herrlicher Sitz, wohlgepflegte Anlagen, in welchen Palmen-,stroton, Rakao und Muskatnußbaume, Bananen, Kaffeebäume und Koniferen in herrlichen Cxemplaren gedeihen, umgeben das weiße Haus auf dem Gipfel des Hügels.Unabsehbar schier dehnt sich von der Veranda der Park aus, dessen Pflege wohl einem Dutzend Gärtnern obliegt. Sum erstenmal sah ich hier den interessanten ‚Baum der Reisenden“, den Ravenala aus Madagaskar. Ausf geradem Stamme steht ein ausgebreiteter Saächer von langstieligen, großen Blättern. Diese sehen denjenigen der Mufsaceen Gangnen) gleich und teilen auch deren Eigenschaft, sich leicht vom Winde
Dongkong: Auf dem Peat.
[292]Reise einer Schweizerin um die Welt.zerfetzen zu lassen. Der Baum erinnert mich in seiner flachen Steifheit an eine Blechpflanze.Er besitzt eine besondere Cigenschaft: die langen Stile der Blätter bilden unten eine große, halboffene Tüte, in welche sich Tau und Regen hineinziehen und drinnen stehen bleiben. Wenn daher ein durstiger Wanderer einen Ravenala-Baum erblickt, kann er darauf zählen, daß ihm dieser Wasser bieten wird. Daher der Name „Baum der Reisenden“, englisch « Travellers tree». Ein Teil des Parkes ist der „Natur“ überlassen. Da stehen einige Pfahlbauhütten, Kampongs genannt, wo Gärtner und Kutscher mit ihren Samilien hausen. Ein Blick ins Innere zeigt neben aller Bedürfnis- und Mobellosigkeit doch einen gewissen Schoönheitssinn, denn die Simmerdecken sind aufs feinste geflochtene Matten. Dunkelheit war schon angebrochen,und das Gewirr von Bambus, Palmen, Wassertümpeln und Bambusstegen machte dadurch einen noch größern, märchenhafteren Cindruck.
Sur Sahrt nach dem botanischen Garten nahmen wir als NinrikishaKuli zwei Sreunde, kräftige, schön gewachsene Chinesen mit gelb-rötlicher Kaut und gutmütigen,stets heiteren Gesichtern. Sie wurden von da an unsere SpezialJinrikishaBoys, denn nicht weniger als dreimal führten uns unsere Reisen nach Singapur.
Wir fuhren wieder durch die schöne Orchard Road und fanden einen wahrhaft tropischen botanischen Garten. Er liegt in einem Talkefsel, die hügel und Slächen sind geschickt ausgenützt, viel Natur und wenig Kunst ist dabei angewandt und gerade dies vermehrt seinen Reiz. Auf einem Teiche steht eine mit Palmen dicht bewachsene, von reizenden leicht grünen Gleichenia-Sarnen umzogene Insel. Weiter draußen verwandelt sich der Garten in einen wahren Urwald, wo Baumfarne, Sagound Kokospalmen, LCianen und Orchideen und vor allem Calamus-Rotang unbeschnitten und ungehindert nach Herzenslust wuchern. Dieser Rotang, der Samilie der Palmen angehörend, bildet sehr stachlichte Sträuche oder Bäume, von denen sich oft bis 1680 Meter lange schwache Stengel um alles, was ihnen zum Stützpunkt dienen kann, winden und ein undurchdringliches Dickicht bilden. Man gewinnt aus dem Rotang das spanische Rohr. TNachdem es zuerst von der Oberrinde, Blättern und Stacheln befreit worden ist, wird es in Bündeln von hundert Stück in Handel gebracht,wobei China und Japan die soauptabnehmer bilden. Dort wird es zu einer Menge Gegenstände, sogar zu Cauwerk auf die Schiffe, verwandt. In Europa dient Rotang zur Verfertigung von Stühlen, Körben, ja, man gewinnt sogar aus spanischem Rohr eine Art Sischbein-Surrogat, das „Wallofin“, zu Schirmstäben.
Ein kleiner zoologischer Garten ist ebenfalls hier. TDir sahen da herrliche Birma[]Ein vergessenes Städtchen.
293 Pfauen, einen schwarzen Pavian aus Celebes, schöne Tiger und einen Orang Utang,der mir liebevoll die Hand in seine beiden sehr menschlichen Tatzen nahm, sie streichelte und mich gar nicht wieder loslassen wollte.
Natürlich spielt „China“ in Singapur keine kleine Rolle. Bilden doch die bezopften Himmelssöhne Dreiviertel der Bevölkerung und sind in allen gesellschaftlichen Stellungen zu treffen, vom JinrikishaKuli, deren es in Singapur nicht weniger als zehntausend geben soll, bis zum reichen Bankier, dessen Eleganz und Aufwand denjenigen des stutzerhaftesten Curopäers übertrifft. Hier lebt und ißt er europäisch,spezifisch britisch, huldigt dem Sport, hält einen feinen Candauer mit englischem stutscher, baut sich eine schöne Villa, kurz, spielt eine Rolle, wie er es in seinem eigenen Lande nie täte. Nur eines behält er: seinen SZopf. Dieser Sopf war übrigens dereinst kein Chren, sondern ein Swangszopf, das Seichen der Unterwerfung Chinas unter die Mandschuren. Erst seit 1644 tragen die Chinesen den Sopf, vielleicht wird er fallen, wenn früher oder später die Mandschu-Dynastie vom Schauplatze verschwinden wird.viel Spaß machte uns eine Sestlichkeit im Chinesenviertel. Sie zeigte uns zugleich, was alles im himmlischen Reiche der Mitte aus Papier verfertigt werden kann. Was der 5weck des Sestes und die einzelnen Gruppen des Umzuges bedeuten sollten, konnten uns unsere Boys nicht erklären. Sunächst erschien etwas Canges,das einem Eisenbahnzug gleichsah. In jedem offenen Wagen hockte auf einem sehr bunten Tier, Tiger, Reh, Hirsch, Pferd oder Wasserbüffel, ein phantastisch gekleidetes Kind, manchmal war's auch ein Geist, ein Swerg oder ein TCeufel, chi lo0 sa?Das Ganze wurde von einem langen bunten Drachen mit feurigen Augen und gewaltiger feuerspeiender Schnauze gezogen und hinten von einem ebensolchen Ungetüm geschoben.Diese ganze Herrlichkeit war, mit Ausnahme der Reiter, aus Papier geschnitten und bunt bemalt. Musistanten folgten mit riesigen Strohhüten.
Sie faßen auf wirklichen kleinen Pferden und brachten mit Gongs,Trommeln, Slöten und dreisaitigen Geigen herzzerreißende Schauertöne hervor. Hierauf kamen hohe, mit Blumen und Tieren reich geschmückte Vagen mit einer Art hohem Aufsatz,dessen Krönung je eine niedliche, junge reichgekleidete Chinesin bildete. Gleich einer Ballerine, ließ sie ihr ganzes Hewicht auf einem ihrer verkrüppelten Süßchen ruhen. Da dies an und für sich ein Ding der Unmöglichkeit wäre, griff man ihr mit riesigen Frücken von der Straße her kräftig
Botanischer Garten in Singapur.
[294]Reise einer Schweizerin um die Welt.unter die Arme. Zu ihren Süßen kauerten kleine Buben mit roten und weißen Bärten. Es waren wirklich reizende farbenfrohe Gruppen, und auch die SZuschauerschaft trug nicht wenig dazu bei, den hübschen Effekt zu erhöhen. Aus allen Senstern guckten festlich geschmückte Chinesinnen mit bunten Blumen im glatten, glänzend schwarzen Haar, mit stark rot geschminkten Lippen und karmesinfarbenen Wangen.Sröhliche Bübchen und Mädchen drängten sich dazwischen. Auch auf den Straßen war's ein vergnügtes, lustiges aber durchaus anständiges Treiben.
Sreundlich und fröhlich war daher der letzte Cindruck, den ich von China mitnahm. Es war zugleich ein Abschied, denn künftig sollten die Sohne und Cochter des himmlischen Reiches der Mitte keine oder nur eine nebensächliche Rolle auf meiner Weltreise spielen. Später bei der Bedienung, oder besser gesagt, Nichtbedienung durch Malaien, Siamesen, sindu, Singhalesen und Curopäer, ertappte ich mich auf manchem Sehnsuchtsseufzer nach einem schlitzäugigen, langzöpfigen, gutmütigen chinesischen Boy.
7Tiku-ghari: in Singapur.[]Auf nach Java, der Perle Ostindiens!
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Java.sfapitel 19.Auf nach Java, der Perle Ostindiens!ʒzwischen Singapur und Java. Ankunft. Potel. Allgemeines über Java. Sprache. Religion. Einrichtungen.Geschichte. Weltevreden. Museum. Gamelang und Wayang. Eingeborene. Reistafel. Gecko. AltBatavia. Im VremdlingenRKontor. Tropische Srüchte. Buitenzorg. Hötel Bellevue. Bolanischer Garten. Seine theoretischen und praktischen Ziele. RanarienAllee. Vvictoria regiaTeich. WaringenBaum. Wandelnde Blumen.
Endlich sollte ich in die Tropen gelangen, mein längst gehegter Tropentraum sich erfüllen! Wir waren unterwegs nach Java, der Smaragdinsel,der Perle Ostindiens. Sranzösische und niederländische Dampfer legen die 880 Ailometer lange Sahrt zwischen Singapur und Batavia in ungefähr 52 Stunden zurück.Wir trafen es mit einem Niederländer, dem nicht großen «van Die-men», welcher in holländischer Sauberkeit glänzte.Malaiische Boys mit gelblichen, braun punktierten Mützen, von welchen ein dreieckiger Sipfel in die Stirne ragte,waren an Stelle der gewohnten chinesischen Bedienung getreten. Holländische Herren und Damen füllten das Deck. Sie kehrten alle auf den Winter hin nach Java zurück,welches ihnen weit mehr zur Heimat wird, als den Engländern ihre indischen Kolonien.
Sonnenuntergang auf der See.
[296]Reise einer Schweizerin um die Welt.Vährend letztere steif und starr an englischer Lebensweise auch in den Tropen festhalten,schmiegen sich die Holländer viel mehr der malaiischen Landessitte, sogar in der saleidung, an.
Als ich in der Sruühe des ersten Morgens auf Deck trat, fand ich zu meinem Erstaunen die ganze Gesellschaft schon vor, und zwar wie? sherren und Damen trugen ungefähr dieselbe leichte, lose, weiße Jacke, „Kabaye“ genannt, und während die sderren ihre unteren Cytremitäten in weite, große, karrierte, baumwollene Beinkleider gehüllt hatten, wobei zart rosa eine Hauptrolle spielte, schlang sich um die Hüften der Damen der bunte Sarong. Dieser Sarong ist ein Stück Baumwollstoff von einem Meter Breite und zwei Meter Länge, welcher eng anliegend um den Leib genommen bis zu den Sußen reicht. Je nach Muster und Verarbeitung kommt ein Sarong auf einen oder auch auf hundert und mehr Gulden zu stehen. Schlanken, jungen Javanerinnen steht der Sarong reizend. Daß er jedoch ältliche, meist recht behäbige,holländische Damen vorteilhaft kleide, möchte ich in Srage stellen. Gesund und vernunftig bei der Tropenhitze ist dieser bequeme Anzug allerdings, und man gewöhnt sich schnell daran, den ganzen Cag über strumpflose, nur in Kabaye und Sarong gehüllte Holländerinnen zu treffen und sie als Cischnachbarinnen zu haben. Erst abends zum Diner raffen sie sich auf, ziehen sich auf eine Stunde europäisch elegant an, um gleich nachher malaiisch zwanglos ihre langen Lehnstühle auf den Veranden der Hotels einzunehmen. Knaben und Mädchen werden einfach in ein aus einem Stück bestehendes Gewand, eine sogenannte Kombination, gesteckt.
Als ich mich von meinem ersten Staunen erholt, sah ich mich um, denn die Küste zeigte sich ziemlich nahe. Ein langer Strich wurde mir als Sumatra bezeichnet und die zahlreichen waldigen Inselchen als CinggaArchipel. Hier also sollten wir den Äquator passieren. Unwillkürlich sah ich nach einer Linie, wie sie auf dem Atlas gezeichnet zu werden pflegt, aber in ununterbrochener Bläue strahlte die See, und keinem der ruhigen Holländer fiel es ein, nach deutscher Sitte eine sogenannte Äquator-taufe mit Sekt zu veranstalten. Sang und klanglos ging dieser große Moment an uns vorüber, wir fühlten nur den „Strich“ an der intensiven Hitze.
Die Insel Bangka, welche wir etwas später passierten, ist für die Niederlande zwar keine Gold, wohl aber eine Sinnerzgrube. Die fünf Millionen Kilogramm Binn, welche durchschnittlich im Jahre nach Curopa, Indien und China ausgeführt werden, entsprechen einem Werte von fünf Millionen Gulden.
Mit Bangka endigten die Sehenswürdigkeiten dieser Meeresfahrt. In ruhiger Cinförmigkeit verstrich der Rest des Cages. Das Meer schien im Schlummer zu liegen und still zu traumen. Kein Hauch bewegte die LCuft. Bleierner Schlaf lagerte auch auf den Augenlidern der ganzen Gesellschaft, bis abends der Himmel sich in eine einzige, ins Unendliche gewachsene Slamme verwandelte, welche im Westen aufstieg, um gegen Osten in bläulich weichem Schimmer zu verschwimmen. Es war das Signal zu neuem Leben. Gesellig wurden die langen Schiffsstüͤhle aneinander gerückt,und da man in Erfahrung gebracht, daß wir keine verhaßten Engländer, sondern harmlose Amerikaner und Schweizerin waren, zog man uns zur allgemeinen Unterhaltung bei. Ein junger Deutscher und zwei holländische Mädchen entpuppten sich []Auf nach Java, der Perle Ostindiens!
297 als gute Gesangskräfte und gaben einige Lieder zum besten, dazwischen machte ein Komiker alle möglichen Späße. Unter Cachen und Scherzen wurde es Mitternacht.
Den nächsten Morgen boten Wellen und Stimmung ein sehr verändertes Bild. Die Seekrankheit hatte auf Deck und im Speisesaal die Reihen der Passagiere bedenklich gelichtet, und erst im Spätnachmittag tauchten viele blasse Gesichter auf,um die Vorposten Batavias, die sogenannten „Taufend Inseln“, zu begrüßen und sich vorzubereiten auf Landung und frohes Wiedersehen. Daß ein solches vielen unserer Mitpassagiere bevorstand, ersahen wir an der Menschenmenge, die winkend und rufend am Landungsplatz von Tandjoeng Priok stand. Die Reede von Batavia ist zu seicht für große Schiffe, daher wurde U Kilometer östlich davon ein großer Hafen errichtet, der mit Batavia durch die Cisenbahn verbunden ist.
Als wir nach milder Ssollinspektion die Eisenbahn bestiegen, war es schon Nacht,aber hell beleuchtete der Mond die Palmenhaine. Silber lag auf ihren Wipfeln und sKronen, und in Silber erglänzte das Wasser des Kanales, an dem wir entlang fuhren. Wie im Traume vertauschte ich die Bahn mit einem flinken Sweispänner,der uns in schnellem Crabe Weltevreden, der Oberstadt Batavias, zuführte. Köstlich warm, lind und weich strich die Luft um meine Wangen, jeder Atemzug brachte neuen Genuß, denn nach der Hitze des versinkenden Tages strömten Taufende von Blumen ihren gesteigerten Wohlgeruch aus.
Im Hotel der Nederlanden angelangt, ließ ich das Diner im Stich, um sehr bald mein großes, hohes Simmer aufzusuchen, das zu ebener Erde in einem langen Seitenflügel des Hauptgebäudes gelegen war. Vor der „Kamer“, wie der holländische Ausdruck lautet, zieht sich eine lange Halle hin, in welcher jeder Gast seinen bequemen „Liegestuhl“ und eigenen Tisch besitzt. Mein beinahe ebenso breites wie langes Bett war, wie überall in Java, vortrefflich. Moskitonetze schützen nicht nur vor den sleinen Stechmücken, sondern auch vor Eidechsen und anderem Gewürm. Statt Decke und Oberbettuch fand ich eine lange Kissenrolle, welche, wie ich aus Reisebeschreibungen wußte, allgemein mit dem englischen Namen «dutch wife- bezeichnet wird. Über
Rokospalmen.
[298]Reise einer Schweizerin um die Welt.
Missigit in Java.ihren Sweck bin ich niemals ganz klar geworden. Cine Campe brennt die ganze Nacht in jedem Schlafzimmer. Leider fehlt hier der so angenehme Luxus eines ans Schlafzimmer stoßenden eigenen Baderaumes. Es gibt nur eine beschränkte Sahl allgemeiner Badezellen, in die man oft tags vier- bis fünfmal wandert, um sich mit Wasser, das man aus einem Trog oder Saß schöpft, zu übergießen.
Doch genug dieser Einzelheiten holländisch-javanischer Hotelgebräuche. Bevor ich unsere erste Wanderung durch Batavia antrete, will ich kurz die Geschichte der Insel berühren.
Die Bevölkerung Javas, eine außerordentlich dichte, beträgt mit der Insel Madura nach neuester Sählung rund 265 Millionen Seelen. Europäer leben ungefähr 50,000 auf der Insel, 250,000 Chinesen, 16,000 Araber, meist Priester, da der Islam die Religion Javas ist. Die Eingebornen teilen sich in Sundanesen, die den Westen bewohnen, und in eigentliche Javaner im Sentrum, dem Osten und Madura. Im Sprache, Charakter und Körperbeschaffenheit unterscheiden sich diese beiden vVolksstämme sehr voneinander. Die Javaner, das gebildetste Volk der ganzen malaiischen Rasse, zeichnen sich auch äußerlich durch gefälligere Sigur und feinere Züge vor den Sundanesen aus. Ihre Sprache, die in Mittel und Ostjava von ungefähr vierzehn Millionen Menschen gesprochen wird, ist eine Tochter der sogenannten Kawisprache, deren Denkmäler sich von ungefähr 800 bis 1400 n. Chr. verfolgen lassen. Sie enthält viele Lehnwörter aus dem Sanskrit, und auch die Schrift zeigt große Ahnlichkeit mit derjenigen, die uns im V. bis VII. Jahrhundert in Indien begegnet.
Allerlei Kunstfertigkeiten waren neben einer allgemeinen Bildung den Javanern aus Indien zugeflossen, die aber allmählich unter dem Einfluß des Islam dahinschwanden. Bis zum XIV. Jahrhundert war die Religion die indische GGBrahmanismus und Buddhismus) gewesen, dann war es malaiischen und arabischen Geistlichen []Auf nach Java, der Perle Ostindiens!
299 gelungen, nach und nach den Mohammedanismus über die ganze Insel auszubreiten.Ob er sehr tief im Vvolke sitzt, ist freilich eine andere Srage. Die Misfsigit (Moscheen)starren in trostloser Leere, und namentlich Srauen trifft man meistens betend bei den shindutempeln an. Daß diese gegen allen Brauch des Islam sich stets unverschleiert zeigen, ist mir ebenfalls aufgefallen.
Die heutige Volksbildung steht auf sehr niedriger Stufe. Im ganzen Lande gibt es kaum mehr als zweihundert Volksschulen. Auch die Sahl der Christen ist eine verschwindend kleine, vielleicht nur 20,000 Seelen im ganzen, da die niederländische Regierung Mifsionsbestrebungen keineswegs begünstigt. Ich glaube, beides geschieht von seiten der Holländer aus politischen Rücksichten. Sie fürchten den Cinfluß der Schulen und Missionare auf ein Volk, welches bis dahin durch Sanftmut und Lenksamkeit sich vor allen auszeichnet. „Bildung macht frei“, heißt es, und ein freies Volk können die Holländer nicht brauchen. Wie wäre es ihnen sonst möglich, mit einem Heere von 835,000 Mann, wovon kaum die Hälfte Europäer sind, eine Bevölkerung von 265 Millionen im Damme zu halten? Seit dem Jahre 1830 ist die Ruhe auf der Insel niemals gestört worden.
Von fremden völkern waren es die Araber und Chinesen, welche schon im VIII. Jahrhundert, letztere wahrscheinlich früher, zuerst nach Java kamen. Im Jahre 1405 eroberten die Mohammedaner die ganze Insel und teilten sie in zwei große Reiche: das Konigreich Bantam im Westen und das Kaiserreich Mataram im Osten.
Auch hier erschienen die Portugiesen als die ersten Curopäer im DNahre 18522.SsSunfzig Jahre später gründeten sie Handelsfaktoreien, wurden aber schon 1594 durch die Holländer verdrängt. Diese setzten sich fest, erbauten 1619 Batavia, wußten die einheimischen Sürsten durch Swiespalt zu schwächen und zu unterwerfen, und verjagten auch die Engländer, die ebenfalls Kolonisationsversuche auf Java gemacht.Der Sultan von Bantam mußte ihnen 1682 seine soauptstadt abtreten, und den Kaiser von Mataram zwangen sie, in ein Lehensverhältnis mit ihnen zu treten. Holland teilte das MataramReich 1755 in die beiden Sürstenländer Solo und Dijociakarta.GHroße Mißbräuche in der Verwaltung der 1602
Dos-à Dos.[]5)]
5
Reise einer Schweizerin um die Welt.pagnie führten 1798 zu deren Auflöfung und zur Einsetzung eines von der holländischen Regierung bestellten Generalgouverneurs. Vom Jahre 18111814 kam die Insel vorübergehend nochmals in englische Hände, wurde aber durch den Pariser Srieden an Holland zurückgegeben.
Batavia, heute 110,000 Einwohner zählend, teilt sich seit Beginn des letzten Jahrhunderts in eine Alt und eine höher gelegene sleustadt, deren Name Weltevreden, zu deutsch „Wohlzufrieden“, lautet. Die Gründung dieser neuen Stadt hat wesentlich dazu beigetragen,Batavias einstigen Namen „Grab der Curopäer“ in Vergessenheit geraten zu lassen. Malaria und Cholera erfordern hier oben weit weniger Opfer, deshalb befinden sich alle Gasthöfe und Wohnungen der Europaer in Welteoreden. Nur die kaufmännischen Geschäfte liegen in der durch ein Dampftram verbundenen Altstadt.
Der Tag in Batavia beginnt spätestens um sechs Uhr. Um diese Seit pflegt schon der malaiische Boy in einem kleinen Likörfläschchen ausgezeichneten kalten Kaffee und ein Töpfchen heiße Milch ins Simmer zu bringen. Das eigentliche erste Srühstück,aus Ciern, kaltem Aufschnitt und Obst bestehend, folgt zwischen acht und neun Uhr.
Ungeduldig, BataviaWeltevreden kennen zu lernen, ließen wir dieses Srühstück im Stich und bestiegen einen Dos-à Dos oder Sadok, einen leichten, zweirädrigen,mit Seltdach gedeckten Karren, in welchen der Sahrgast hinten aufsteigt und seinen Rücken an denjenigen des vornsitzenden Kutschers lehnt.
Überrascht fanden wir statt engen Straßen und langen Häuferreihen ein villenviertel, wo Garten an Garten liegt. Schone Alleen von Tamarinden, WaringenBäumen, SagoPalmen und Akazien ziehen sich nach allen Richtungen und umsäumen einen weiten Platz, den Koningsplein. Manchmal guckt aus all dem Grün ein schneeweißes, einstöckiges Haus mit breiter Säulenhalle hervor. Da diese Bungalows,wie die villen hier genannt werden, jedes Jahr nach der Regenzeit frisch geweißt werden müssen, machen sie einen freundlichen, netten Eindruck. Auch die Mauern,welche die Gärten zuweilen gegen die Straße abschließen, sind schneeweiß. Lange Kanäle mit zahlreichen Brücken versetzen uns scheinbar nach Holland, freilich nicht lange, denn die vielen badenden Männer, Srauen und Kinder, die von früh bis spät in dem trüben Wasser herumplätschern, bielen einen gar zu tropisch raradiesischen Anblick.
Unser Erstes war ein Besuch des Museums, das mit seiner selten vollkommenen Sammlung javanisch ethnographischer Gegenstände die schönste Einleitung zu einer
Javanischer Bräutigam.[]Auf nach Java, der Perle Ostindiens!
301 Reise ins Innere der Insel bildet. Neben Java sind auch Sumatra, Borneo, Celebes, Timor, die Molukken und NeuGuinea mit allen möglichen Kunstprodukten vertreten.
Interessant ist die reiche Sammlung javanischer Musikinstrumente. Da ist vor allem das Gamelang, ein niedriges, bis anderthalb Meter langes Gestell mit etwa sechzehn großeren und kleineren Kupferplatten, die über zwei Bambustragbalken liegen und durch Anschlagen kleiner Hämmer ertonen. Sie sind nach unserer C-dur
Conleiter, aber mit Weglassung der halben
Töne, gestimmt. Unter den Platten ziehen sich zur Verstärkung des Klanges Resonanzröhren aus Bambus. Ein anderes ähnliches Gestell ist mit je zehn großen, schüsselähnlichen Messing-gongs versehen. Große und kleine Gongs, die an einem Holzgerüste aufgehängt mit einem
Hammer angeschlagen werden, vervollständigen ein Orchester, dessen Direktor ein zweisaitiges, mandolinenartiges Instrument spielt.Wie oft sollte ich später aus der Serne die sanften, gedämpften, melancholischen Glockentöne des Gamelang hören!
Daneben finden wir eine große Varietät, Wayang Siguren, aus Pappe oder Leder ausgeschnitten und bunt bemalt. Kopf und Arme sind beweglich und werden mit Hülfe kleiner, an ihnen befestigter Bambusstäbchen in Bewegung gesetzt. Sie stellen Könige und Helden, Sürstinnen und Dienerinnen und allerlei Dämonen in fratzenhafter Übertreibung dar. Weit über hundert Siguren gehören zu einem Wayang-Spiel.Wayang heißt Schatten, und ein richtiges Schattenspiel führen uns diese Personen vor, öfter aber noch werden sie als Marionetten gehandhabt, wobei der Puppenlenker namentlich auf eigenartige Tanzbewegungen und richtige Drehung der Arme und Hände zu achten hat. Endlose Dialoge begleiten die Handlung. Jede Person des Spieles wird durch eine besondere Puppe dargestellt, ja es sind sogar mehrere Siguren zu ihrer Repräsentation notwendig, denn je nach dem Affekt, in dem sie sich befindet,tritt ein freudiger oder trauriger Wayang auf. Kein malaiisches Sest ohne Wayang!Stundenlang sieht der Javane lautlos dem endlosen Spiele zu, und leife klingt dazwischen das Gamelang.
Kunstvolle Sarongs aller Art, Kostüme, schöne bunte Stroharbeiten aus Celebes,hübsche Modelle der Eingebornenhütten, Waffen, alle Gegenstände, die aus Bambus verfertigt werden können, glitten an unseren Augen vorbei. In der Schatzkammer fanden wir, neben einem goldenen Sultansthron, goldenen und silbernen Schalen und Schmucksachen, auch den Kris, das eigentümliche Kurzschwert der Javanen, in seiner kostbarsten Gestalt, in mit Diamanten und anderen Edelsteinen besetzter Scheide. Der Kris ist ein 50 Centimeter langer doppelschneidiger Dolch. Von vorzüglicher Schmiede
Javanische Braut.
[302]Reise einer Schweizerin um die Welt.arbeit ist er bisweilen damasziert und meist nicht glatt, sondern flammenfoörmig gestaltet.Den Handgriff, von schoönem Holz oder Elfenbein, fanden wir oft kunstreich verziert.
Eine ganze Abteilung zeigt an lebensgroßen Siguren die früher üblichen Torturen und Hinrichtungsarten, die an Grausamkeit den chinesischen kaum nachstehen.
Aber nicht nur tote Gegenstände sah ich im Museum, sondern eine ganze, beinahe noch interessantere ethnographische Musterkarte lebender Javanen mit Kind und Kegel. Sie bevoölkerte die weiten Räume. War es der freie Sonntagseintritt?Wars eine besondere Gelegenheit? Sind die Eingebornen überhaupt fleißige Museumsbesucher? Diese Sragen beschäftigten mich, während die bunte Menge an mir vorüberzog.Kaum jährige Babies waren dabei vertreten, nur mit ihrer Unschuld und einem feuerroten Mützchen bekleidet. Durch den Slendang gehalten, ein langes Tuch,das die Malaiinnen quer über die rechte Schulter binden, hockt das Ktind rittlings auf der linken Hüfte der Mutter. Die Srauen tragen das dichte, glänzend schwarze ssaar zum schönen Knoten gebunden. Haltung und Gang sind stolz, dabei elastisch und anmutig. Die Kleidung ist dieselbe, wie ich sie bei den Europäerinnen beschrieben, aber kleidsamer, farbenreicher, die Kabaye länger und meist sehr bunt,der Sarong in dunkleren Sarben gehalten, und um den Hals ein hellseidenes Tuch geschlungen.
Cin mehr als drei Stunden langer Aufenthalt im Mufseum bei einer feuchten shitze von 834 Grad Celsius ist aller Ehren wert. Vollig ermattet kamen wir ins Sreie, und nach erfrischendem Bade gerade früh genug zu unserer ersten „Reistafel“.Diefes spezifisch malaiisch-holländische zweite Srühstück, „Reistafel“ genannt,das an Stelle des europäischen Cunch und des afiatischen Tiffin tritt, spielt eine zu große Rolle im hiesigen Leben und in allen Reisebeschreibungen, als daß ich es unerwähnt lassen könnte. Die Grundlage bildet schöner weißer, nicht zerkochter Reis. Man füllt damit einen sehr tiefen Suppenteller, überschüttet ihn mit scharfer Currysauce und nimmt dazu Huhn, Sleisch, getrocknete Sische, Eier, ein besonderes dünnes, kuchenartiges Gebäck, getrocknetes und zerhacktes Sleisch, geschabten weichen sßokosnußkern u. s. w. Die Sahl dieser Nebengerichte wächst zuweilen auf dreißig,und demgemäß schwillt auch der Suppenteller, in den dies alles geworfen und untereinander gemengt wird, zu Riesendimensionen und zu einer bunten, nicht immer appetitlich ausschauenden Musterkarte an. Mit Behagen vertilgen die Holländer diese bièce de résistance und finden in der Regel noch Raum für das darauf folgende Beefsteak, Salat und Obst. Mit vermeidung des allzu Pikanten und weiser Wahl einiger einfachen Nebengerichte, gelang es mir ganz gut, mich während drei Wochen durch die Reistafel, den Schreck vieler Reisenden, zu essen. Ja, später, bei den schrecklichen Menüs der britischindischen Gasthöfe, ertappte ich mich zuweilen auf einem Sehnfuchtsseufzer nach der javanischen Reisschüssel.
Nachmittags goß es in Strömen. Ich lag auf meinem langen Lehnstuhl in der shalle und blickte hinaus in den tropischen Garten, der unter dem heißen Regenschauer ordentlich zu wachsen schien. Suweilen fielen große Srosche von den Bäumen,hie und da tönte ein heiserer Laut: Geicko! Geickol Ich hatte noch keinen Gecko []Reisstampfende Javanerinnen. (S. 802.) [] Auf nach Java, der Perle Ostindiens!
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WaringenBaum.gesehen, nur kleine rötlichbraune Cidechsen, hier Tjitjaks genannt, waren nachts an meinen weißgewaschenen Simmerwänden auf und ab spaziert, eifrig beschäftigt mit der Jagd nach Moskitos.
Unter der Samilie der Geckonen ist der Saltengecko (Ptychozoon homaloce-halon) von fahlbrauner Sarbe mit schwarzem OGuerstrich der in Java angesiedelte.Das TCier sieht einem Molch ähnlich, hat einen sehr dicken Kopf und große Augen,einen mittellangen, dicken Schwanz und kurze Beine. Der Gecko hält sich gern in menschlichen Wohnungen auf, fonnt sich am Tage und beginnt die Jagd auf kleine Insekten bei anbrechender Nacht. Durchaus harmlos, wird er von den Eingebornen in Java, Siam, Birma und Indien für glückbringend gehalten und auch von den Curopäern geschont. Die Alten dagegen hielten die Geckos für giftig und fürchteten sie. Weil die Geckos nach der sHäutung die abgeworfene Haut zu fressen pflegen,hieß es, sie täten das aus Mißgunst gegen die Menschen, da sie wüßten, daß diese Haut ein treffliches Mittel gegen Cpilepsie wäre. So wurden die unschuldigen Geckos Stelliones Getrüger) genannt, und galten als Sinnbilder des Neides, der Arglist und des Betruges.
Abends machten wir Besuch bei dem Kommandeur der Armee in Java,General de Bruyn und seiner Gemahlin, an die ich eine Empfehlung von holländischen Sreundinnen hatte. Das liebenswürdige Paar bewohnt den sogenannten Hertogspark, ein wunderschönes, für den Prinzen von Sachsen-Weimar, den ersten Kommandeur, erbautes Palais. General de Bruyn, stramm, gesund und frisch aussehend,ungeachtet einer dreißigjährigen Dienstzeit in Java, liefert den besten Beweis, daß man es in den Tropen bei vernünftiger, mäßiger Lebensweise ganz gut aushalten kann. Die vielen Whisky und Soda, die unzähligen „Bitters“ tragen jedenfalls eine große Schuld an dem frühen TCode so vieler Curopäer in niederländisch und britisch Indien, und es ist mir ganz unerklärlich, daß man gerade in heißen Ländern so viel gebranntes Wasser konsumiert. Mein Reisegefährte und ich haben monatelang kein Alkohol, kein Mineralwasser getrunken, dagegen viel Obst gegessen, unseren
[304]Reise einer Schweizerin um die Welt.Durst an Kokosmilch und jeweiligem „Landeswasser“, gleich den Malaien, Hindu und Singhalesen, gelöscht und niemals das geringste Unwohlsein empfunden.
In der Srühe des folgenden Morgens führte uns das Dampftram nach „Benedenstad“, wie die Holländer Alt-Batavia nennen. Teils war es Neugierde, teils Notwendigkeit, welche uns in das augenblicklich von Cholera sehr heimgesuchte Viertel brachten. Wir mußten zur Bank und vor allem ins „Vreemdelingen Kantoor“, um uns dort zu melden und einen Paß zur Reise durch die Insel zu erlangen. Wer dies versäumt, wird nach drei Tagen mit einer Strafe von fünf Gulden für jeden Tag,der verstreicht, belastet. Auf unsere mündlichen Angaben hin füllte man uns einen Aufenthaltsschein auf sechs Monate aus. Er kostete anderthalb Gulden, aber nirgends ist je nach diesem wichtigen Dokumente gefragt worden. Wir hatten reichliche Muße,uns im Kantoor umzuschauen, wo Seit entschieden nicht Geld zu sein scheint, und letzteres wenigstens zum Wechseln vollständig fehlte. Im ganzen Hause wurde vergeblich nach zwei Gulden gefahndet. Ein um Kleingeld ausgeschickter Chinese kam nicht zurück, der ihm nachgesandte Malaie ließ sich auch nicht mehr blicken. Da „schickt der Herr den Europäer aus“. Ich wähnte schon, die ganze Geschichte des Joggeli in javanischer Übertragung zu erleben, als endlich die drei Abgesandten mit beiden Gulden erschienen.
Wir hatten entschieden kein Glück an jenem Morgen. Ich wünschte eine große alte Kanone, namens Mariam, zu sehen. Wir suchten eifrig nach ihr, liefen sogar ein halbes Dutzend Mal an ihr vorbei, da ich mir gar nicht vorstellen konnte, daß die gesuchte Mariam und das lange, unscheinbare schmale Rohr, welches halb versteckt im hohen Grase lag, identisch sein sollten. Dieser alten, in Sorm einer geballten Saust gegossenen stanone wird von den Eingeborenen, besonders von kinderlosen Srauen,eine Art Kultus gewidmet. Ihr „Swilling“, die „männliche“ Kanone, ruht in Bantam,und die Sage geht, daß, wenn jemals die zwei zusammenkämen, das Ende der Welt bevorstehe.
Die Mariam liegt zwischen einem alten Tor im Barockstil und den in dichtem Buschwerk vergrabenen Resten der alten Sitadelle. Wunderschön ist der sich dem slusse entlang weiter ausdehnende Weg. Da, wo die zahlreichen Pack und vorrats OO00 hohen Palmen umsäumte tropisch·üppige jenseitige Ufer und die Bambushütten der Eingebornen.
Die Hitze war unterdessen dermaßen gestiegen, daß wir uns kaum zum nächsten Dos-a Dos schleppen konnten, der uns nach der Bank führte. Der Kanal und die Straße, wo sie liegt, erinnert wiederum lebhaft an ßolland. Eine Sahrt durch das sehr belebte Chinesenviertel erschöpfte vollends unsere Kräfte und Schwitzfähigkeiten,und als nach der Reistafel abermals ein fündflutartiger Regen losbrach, gaben wir unsern Plan nachmittags nach Buitenzorg abzureisen auf und verbrachten den Rest des Tages mit Schwitzen und Saulenzen.
Um s!/ Uhr früh waren wir auf der Cisenbahn, die uns in anderthalb Stunden nach Buitenzorg bringen sollte. Unbeschreiblich genoß ich diese Srühfahrt durch die Cropenwelt. Hell schon üͤberflimmerte die Morgensonne die vom gestrigen Regen gebeugten nassen Palmen- und Bambuswedel und Riesenblätter der Bananenbüsche,[]Bei Batavia. (5. 304.) [] Auf nach Java, der Perle Ostindiens!
305 und zitternder Goldschein grüßte durch die Lücken der hohen LCaubkronen.Zahllose weiße,blaue und rote verträumte Blütensterne hatten sich der ersten Wärme des jungen Tages freudig geöffnet, um einige Stunden spater versengt von den Gluten der Tropensonne die Kopfchen traurig hängen zu lassen. Schon jetzt kein Schatten in der Candschaft, alles in helle, leuchtende Sonne getaucht! Wolkenlos spannte sich die blaue Wunderglocke des shimmels über zwei grüne Bergbrüder, die beiden Vulkane, Salak und Gedeh.
An den zahlreichen, weißen Stationshäuschen standen Eingeborene, fremdartige Srüchte den Reisenden zum Kaufe anbietend. Wir kosteten die ersten Mangostanen oder Mangustinen (Garcinia mangostana) und die in niedlich geflochtenen Körbchen gehäuften kleinen DukuSrüchte.
Die Mangustine neben Ananas und Bananen, wohl die köstlichste Srucht Javas,wächst büschelweise in Größe eines Apfels. Unter einer glatten, festen, außen braunvioletten, inwendig karminroten Schale zeigt sich, wenn diese durch einen Ringschnitt geöffnet und der dadurch entstandene obere Schalendeckel abgehoben, eine Srucht,welche ganz die Bildung und Sorm einer Mandarine hat. Statt gelb, ist das Sleisch schneeweiß wie Sitroneneis, zart, erfrischend, von köstlichem Wohlgeschmack. Die Mangustine verdirbt so schnell, daß jeder Transportversuch nach Curopa aufgegeben werden muß. Der Baum wird auf Malakka und den Infeln des indischen Archipels viel kultiviert. Er besitzt eine kegelfeörmige Krone und trägt große, rote Blüten.Die äußerst bittere Sruchtschale und Stammrinde werden gegen Dysenterie verwendet und zum Schwarzfärben gebraucht.
Der kleinen Duku-Srucht, die in Craubenbüscheln, vorzugsweise in der Nähe Buitenzorgs wachsen soll, bin ich nur dieses einzige Mal begegnet. Unter einer graubraun lederartigen Schale, die mit einem besonderen Handgriff aufgedrückt wird,erfrischend und wohlschmeckend.
Buitenzorg, das javanische Sanssouci (buiten außer, Sorg Sorge), 49 Ailometer von Batavia und 265 Meter über Meer gelegen, bietet den hitzegeplagten,
C. von Rodt. Reise um die Welt. 20
Straße zum botanischen Garten in Buttenzorg.
[306]Reise einer Schweizerin um die Welt.europäischen Bewohnern Batavias angenehme Sommerfrische, während für Sremde der weltberühmte, botanische Garten den Hauptanziehungspunkt bildet.
Eine kurze Dos-à Dos-Sahrt brachte uns ins Hotel Bellevue. Wir fanden in der Wirtin ein knochiges Kraftweib, an dessen Wiege sicherlich keine Grazien gestanden. Sarong und Kabaye und besonders ein großes, weißes Pflaster vorn auf der spitzen, langen Nase machten sie zur unwiderstehlich komischen Sigur, welche mein Reisegefaäͤhrte nur allzu gern feiner photographischen Sammlung einverleibt hätte. Doch er wagte es nicht, denn ein Ertappen auf dieser Tat hätte unzweifelhaft unsere vVerbannung aus dem ohnedies überfüllten HBotel nach sich gezogen. Übrigens gestaltete sich mein Verhältnis zu der nur Holländisch sprechenden Dame höchst angenehm. Wir verständigten uns bald vermittelst vielen berndeutschen Ausdrücken, die ich in meine Rede verflocht, und meinem freilich schwachen Verständnis des Holländischen, und da nachmittags abermals Regen is Haus bannte, erging an uns eine Einladung in die Privatzimmer der „wirtlichen“Samilie. Ja, da sah sich's freilich schöner zum Senster hinaus, als in unferen düͤsteren Hofzimmern. Unter uns lag die Schlucht des Cjidani, welcher, vom Salak herkommend,fein gelbbraunes, wildes Bergwasser über große Selsblöcke dahinwälzt. Ein dichtes Gestrüpp von Bambus, Caubwerk und Lianen begleitet seinen Weg, Kampongs,malaiische Dörfer liegen überall an seinen Ufern. Der schön bewaldete Vulkan Salak,der uns in der Morgenfrühe so freundlich begrüßt, soll sich von hier aus herrlich zeigen, augenblicklich hatte er sich in grämliche Regenwolken ganz und gar verhüllt.
Den ganzen Vormittag hatten wir im nahe gelegenen, botanischen Garten zugebracht. Eine Überfülle von schönen und interessanten Eindrücken drängen sich mir beim Gedanken an diesen Wundergarten auf und dabei das Gefühl, leider viel zu wenig Seit darauf verwandt zu haben. Meine ßsoffnung, auf der Ruüͤckreise nochmals einen Tag in Buitenzorg zu verleben, wurde durch die Abfahrt des Schiffes vereitelt.
Im Jahre 1817 gegründet, hat sich der botanische Garten in Buitenzorg, sowohl durch ungewoöhnlich gute klimatische Verhältnisse, als durch eine ganze Reihe hervorragend fähiger Direktoren begünstigt, zum ersten derartigen Institut der Welt aus bescheidenen, oft sehr schwierigen Anfängen emporgeschwungen. Unter dem gegenwärtigen Direktor, Dr. Melchior Treub, der schon seit 1880 die Stelle bekleidet, sind ein Dutzend wissenschaftliche Laboratorien entstanden, in deren Dienste vierundzwanzig ij Ernst Haeckels „Insulinde“ entnommen.[]Javanische Srüchte. (S. 305.) [] Auf nach Java, der Perle Ostindiens!
307 europaische, meist holländische Naturforscher angestellt sfind. Cin großartiges Herbarium und eine Bibliothek von 20,000 Bänden und unzähligen Broschüren und Abhandlungen sind ebenfalls neue Errungenschaften. Diese theoretische Botanik soll sich immer enger der praktischen anschließen, welche schon 1875 durch eine besondere Landbauschule ihre beste Beförderung erhielt. Junge europäische Beamte lernen hier die praktische Kultur der Tropenpflanzen, und die Söhne der eingeborenen Bauern und Pflanzer finden gründliche, landwirtschaftliche Ausbildung.
Das Terrain des Kultur und Versuchsgartens von Tjikoömöh umfaßt 72 5ektaren.Der Gebirgsgarten von Tjibodas hat mit dem angrenzenden Urwald ein Gebiet von 313 Hektaren, und der eigentliche Hauptgarten nimmt 58 Hektaren ein. Ein großes Hebiet, fürwahr!
Wir betraten den botanischen Garten durch eine zu beiden Seiten mit mächtigen Bäumen bepflanzte Allee. Sie gehören zu dem Tropengeschlecht der Canarium com-mune. Weit über 160 Cyemplare senden ihre hellen, lichten Stämme gleich mächtigen Säulen zum sHimmel empor. Jeder trägt eine, meist mehrere Schmarotzerpflanzen, welche ihn dicht umstrickt halten und ihm helfen, hoch oben ein Dach zu bilden, so dicht und fein gegliedert, wie dasjenige eines hehren, mächtigen Domes.In dem Gewirr von Lianen und Rotang unterscheiden wir kostbare Orchideen und die glänzenden großen, gelappten Blätter des Philodendron, einer bei uns beliebten Zimmerpflanze. Unten am Stamme einer dieser erst vor siebzig Jahren gepflanzten Baumksõnige blühte, einem Riesenbouquet gleich, das Grammatophyllum speciosum,eine Orchidee mit unzähligen Blütenrispen, die über zwei Meter lange, je sfiebzig bis achtzig große, gelbrote Blüten trugen.
Unsere Allee endigte in der Nähe eines großen Teiches, auf welchem die Riesenblätter der Königin der Seerosen, der Victoria regia, ruhen. Blumen sollen wir leider keine erblüht sehen, nur Knospen.Die Blätter betragen bis 2 Meter im Durchmesser, und ihre Cragfähigkeit ist so groß,daß ein fechsjähriges Kind bequem auf einem solchen Blatt stehen kann, ohne daß es einsinkt. Auf der Oberfläche hat das Blatt eine schöne, grüne Sarbe, die untere Seite dagegen ist purpurrot und dicht behaart.Außer dem „Baum der Reifenden“finde ich einen anderen alten Bekannten,den nubischen Derwisch-, richtiger Leberwurstbaum, Kigelia pinnata. Von seiner majestätischen herrlichen Krone hängen an meterlangen Schnüren richtige, leibhaftige,etwa 40 Centimeter lange, 10 Centimeter ED
Victoria regia-Bläiter.
[308]Reise einer Schweizerin um die Welt.sehen stimmte, aber freilich einen Zahn könnte man sich an dieser „Crugwurst“ schon ausbeißen!
Das vornehme weiße, von jonischen Säulen getragene Haus am See ist die Residenz des Generalgouverneurs, wohl schon seit mehreren Generationen, denn etwas feitab von einem hohen Bambuswalde umrauscht, entdeckten wir Grabsteine, auf welchen die Namen früherer Gouverneure und ED
In einer tiefen Mulde des Gartens steht an einem düsteren Teich ein Waringenbaum (ficus benjaminea), ein Riese seines Geschlechtes. Die Ktrone mißt wohl 300 Meter im Umfang, und die Wurzeln, welche gleich einem großen Gebirgsrelief graubraun weit über die Erdoberfläche ragen, füllen sicher 8 Meter im Umkreis.Überall hängen gleich dicken Schiffstauen Cuftwurzeln herunter, welche, unten angelangt, sich in der Erde festbohren und neue tannenschlanke Stämme bilden.
Ein grünes Blatt lag im Grase, ich staunte, als ich sah, wie es sich ohne den leisesten Luftzug weiterbewegte. Als ich es aufhob, fand ich statt eines Blattes eine Heuschrecke. Im Garten sollen auch „wandelnde Blumen“ existieren und Heuschrecken,die einem dürren bemoosten Aste gleichsehen. Welch wunderbares Spiel der Natur und welche vorsehung für sonst wehrlose Geschöpfe, die, indem ihnen die Gestalt von Pflanzenteilen verliehen ist, unbeachtet ihr kurzes Ceben verbringen können!
Von vielen lauschigen Winkeln, herrlichen Alleen, von tausend und abermals tausend schönen, interessanten, wunderbaren Bäumen und Blumen, die in diesem Zaubergarten stehen, könnte ich erzählen. Ihre Beschreibung würde Bände anfüllen und denjenigen, dem es nicht vergönnt ist, diese Herrlichkeiten mit eigenen Augen zu betrachten, mehr ermüden als erfreuen. Ich wende mich daher dem Passer Markt)zu, über den wir erhitzt und mude in den Schoß unseres Hotel Bellevue zurück-kehrten.
F[]KanarienAllee im botanischen Garten von Buitenzorg. (5. 307.) []
Im Bereich der Vulkane.
Im Bereich der Vulkane.
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Im Bereich der VYulkane.
Fahrt nach Garut. Reisfelder. Wasserbüffel. Potel van Pork. Durian. AmorLäufer. BagenditSee.Rakaobaum. Vulkan Guntur. Ausslug auf den Papandaian. Polländer. Diotjakarta. Rraton.Wasierkastell. Pferdequälerei. Wohnungen der Eingebornen. Rinder.
Nuch der folgende Morgen fand uns schon um sechs Uhr auf der Cisfenbahn,die uns in neunstündiger Sahrt in die durch ihre Schönheit und Sruchtbarkeit berühmte PreangerCLandschaft, nach dem vulkanumkränzten Garut bringen sollte.
In Java wird jedermann wohl oder übel zum Srühaufsteher, denn die Stunden zwischen Sonnenaufgang bis neun Uhr vormittags sind die schönsten, besten und gesündesten. Da gibt's auch nicht unsere grämlich finsteren, frostigen Wintermorgen,wo man widerwillig bei Licht aufsteht, um erst gegen neun Uhr die LCampe löfschen zu können. Iein, jahraus, jahrein ist es hier vor sechs Uhr früh heller Tag, und jeden Abend zur selben Seit legt sich die Nacht auf die sonndurchglühte Erde. Dämmerung fehlt beinahe vollständig, auf tiefe Nacht folgt unvermittelt der helle Tag und umgekehrt. Dies muß dem senkrechternt Hinabsteigen der Sonne in der Aquatorialzone zugeschrieben werden.
Die Eisenbahn, die Java in seiner ganzen Länge durchzieht, läuft zunächst von Buitenzorg durch hügeliges Terrain über Brücken und Viadukte nach Süden, übersteigt den Bergsattel zwischen Gedeh und Salak, bildet einen scharfen Winkel bei Soekaboemi und haält sich von da stets östlich. In kühnen Bogenlinien windet sie sich oft empor und bietet immer wieder neue, herrliche Ausblicke. In der Ebene regen sich überall fleißige Menschenhände in ununterbrochener Bebauung des reichen Candes, und während an den Hängen dunkle Tee- und Kaffeebüsche wachsen, leuchtet's smaragdfarben in der Tiefe: Reis in allen Stadien der Entwicklung, denn in diesem Lande des
Bei Garut.
[310]Reise einer Schweizerin um die Welt.ewigen Sommers kann eine Ernte die andere ablösen. Der Anblick eines Reisfeldes ist fo typisch für eine javanische Candschaft, daß ich notgedrungen etwas Landwirtschaft mitlaufen lassen muß. Ich will mich dabei in kürzester Sorm an Haeckels Erläuterungen über den Reisbau halten.
Seit Jahrtausenden liefert der Reis den Javanen ihre Hauptnahrung, und uralt ist auch das Terrassenfystem, mit Hülfe dessen fie den Reisbau betreiben. Von den Bergen läuft beinahe täglich Regenwasser hinunter. Diesen Wafserschatz sammeln die fleißigen Cingebornen und verschaffen sich außerdem Zufuhr von weither durch künstlich erhallene Kanäle. Sie verteilen das Wasser über die weiten Slächen der Reisfelder,die in vielen horizontalen, übereinander gelegenen Terrassen angelegt sind. In den Erdwällen, welche sie trennen, sind kleine Kanäle angebracht, durch welche das Wasser jeder Terrasse in die darunterliegende abfließßt. Sahlreiche, meist parallele Querwälle durchkreuzen die horizontalen und teilen die weiten Slächen in kleinere viereckige Selder.Sehr hübsch sehen die Reisfelder aus, die am Gebirge emporklettern und oft in halbrunden Talmulden die Gestalt eines griechischen Cheaters annehmen, wobei die braunen Erdwälle, die in gleichen Abständen sich übereinander erheben, den Sitzreihen entsprechen.
Zuerst werden Reisähren zur Aussaat in kleine Wasserbecken gelegt. Sie gebrauchen ungefähr vierzig Tage zum Keimen. Unterdessen ist mit Schaufel und Hacke ein handhoch unter Wasser gesetztes Seld bearbeitet worden, bis alles einen gleichmäßigen breiigen Morast gebildet hat. Wo der Boden zu hart und das Seld zu groß, wird ein mit zwei mächtigen Wasserbüffeln bespannter Pflug zu Hülfe genommen.
In lichtgrüner Überfülle sprießt die Aussaat hervor. Srauen und Kindern liegt es nun ob, die zarten Keimpflanzen auszuziehen und je in kleinen Büscheln und ganz regelmäßigen Abständen auf das vorbereitete Seld auszupflanzen. Wiederum wird das Seld unter Wasser gesetzt. Die Pflänzchen schlagen sehr schnell kräftige Wurzeln,und bald strecken sie die saftig grünen breiten Halme höher und höher über die in der Sonne klar sich spiegelnde Wasserfläche empor. Wenige Wochen noch, dann schieben sich die zierlichen Rispen aus der Umhüllung der schützenden Blattscheiden,bringen vierzig, ja selbst hundert Körner in ihren Ahrchen hervor und reifen allmahlich der Ernte entgegen.
Jetzt naht der Augenblick, auf den die schönen grauen Reisfinken schon lange sehnfüchtig geharrt. In dichten Scharen lassen fie sich auf die Reisfelder nieder und tun sich ordentlich gütlich. Auf hohen Bambusstangen werden kleine Wachthäuschen aufgerichtet, von denen lange Schnüre, mit Tuchlappen, trockenen Palmblättern und Sedern besteckt, nach allen Seiten des Seldes ausstrahlen. Ein Wächter, meist ein halbwüchsiger Bengel, nimmt den hohen Sitz ein und hält fleißig Umschau. Naht sodann ein Schwarm kleiner gefiederter Reisdiebe, so setzt er die Säden in schwingende Bewegung.vor Beginn der Ernte werden die Selder trocken gelegt, und alt und jung zieht hinaus zur Arbeit des Schneidens. Gewährt schon ein lichtes, jetzt golden sich färbendes Reisfeld an und für sich durch den Kontrast mit den dunkeln Tropenbäumen und dem violettblauen Gebirgshintergrund einen wunderschönen Anblick, so gewinnt es noch an Reiz durch die Staffage. Gleich wandelnden Pilzen bewegen sich die Bauern []Daus des Gouverneurs im botanischen Garten. (S. 308.) [] Im Bereich der Vulkane.
311 im Selde herum, denn ihre flachen Hüte besitzen einen Durchmesser von einem Meter und mehr und dienen den meist schmächtigen Hestalten als Schutz gegen Sonnenbrand und Regengüsse zugleich. Bunt, blau,rot, grün, leuchten dazwischen Kabayen und Sarong der Srauen, und die durch keine Kleidungsstücke beengten störper der Kinder heben sich bronzefarben vom goldenen Hintergrunde der Halmen ab.
Die bei der Ernte befolgte Methode des Schneidens ist sehr mühsam und nur da möglich, wo Seit und Arbeitslohn ein Kuli in Westjava verdient höchstens 50 Centimes täglich ohne Belang sind. Jede einzelne AÄhre wird vermittelst eines in der rechten Hand gehaltenen Messers ein Stück unterhalb der Rispe abgeschnitten.Die linke ßand sammelt diese Rispen zu Büscheln, welche schließlich als Garben zusammengebunden werden. Auf diese Weise geht nichts von der Ernte verloren.Je zwei Garben trägt der Landbauer, an den beiden Enden einer langen Bambusstange aufgehängt, die auf seiner Schulter ruht, zu Markte oder in die Reisscheuer.Diese kleinen, niedlichen Bauten mit hohen, spitzen, überhängenden Dächern und zierlich geflochtenen Seitenwänden ruhen auf hohen Pfählen und bilden in jedem Dorfe eine auffällige Erscheinung. W
Die Stoppeln und das nach der Ernte schnell aufschießende Gras dienen den braven, geduldigen Lasttieren, den Karbauen, wie die Wasserbüffel auch genannt werden, zum leckeren Sutter. J
Mir sind sie mit ihren langen, glatten, breiten Köpfen und den gewaltigen,sich nach einwärts krümmenden Hornern, mit ihren plumpen Körpern, immer wie vorweltliche Tiere erschienen. Bedeutend größer als unsere europaischen Rinder, haben sie eine Länge von über zwei Meter und eine Höhe von über einem Mleter, und ihre, nur mit spärlichem Haar besetzte Haut ist hellgrau. In Zava habe ich eine rosaweißliche Varietät gesehen, die für heilig gilt und dadurch den etwas zweifelhaften Vorzug besitzt, nach dem Schlachten nicht gegessen zu werden. Während das Sleisch eines vier oder fünfjährigen Tieres gut schmeckt, ist dasjenige eines älteren zäh, hart, und riecht nach Moschus. Mit Vorliebe bewegt sich der Wasserbuffel daher der Hame im Sumpf und Schlamm. Er schwimmt vorzüglich,
Javanische Xisenbahnstation.
[312]Reise einer Schweizerin um die Welt.walzt sich in Ermangelung eines Besseren gern im Morast und bietet,bis zum Kopf im Wasser eingetaucht, das häufig gesehene Bild der Zufriedenheit und des Behagens. Bei allem wilden, beinahe tückischem Aussehen muß er ein gutmütiger Geselle sein, willig gibt er sich zu jeder Arbeit her,und die kleinen Javanen wäͤhlen sich während der Ruhepausen gern seinen breiten Rücken zur Hachmittagssiesta aus. Nackt,den geschmeidigen Koörper den Sormen des gewaltigen Wiederkäuers eng angepaßt, scheint auch seelische Harmonie zwischen „Roß und Reiter“ zu bestehen, denn gleich gern lassen sich beide von der glühendsten Sonne bescheinen oder suchen vereint Kühlung in jeder beliebigen Wasserlache.
Bei Cjibato verließen wir die große Linie BataviaSoerabaja und gelangten auf einer Seitenbahn nach dem südlich gelegenen Garut. Das Städtchen liegt 710 Meter über Meer, und sein erfrischendes Bergklima kräftigte aufs neue unsere etwas erschlafften Lebensgeister.
Der Wirt, Mynheer van Hork, ein originelles Gegenstück zur Wirtin in Buitenzorg, entwarf uns fofort die Tageseinteilung für die beiden nächsten Tage, dann kümmerte er sich absolut nicht mehr um uns bis einige Stunden vor der Abreise, als die Rechnung berichtigt werden sollte. Vor und nachher waren wir Luft fur ihn. Der Gasthof ist im sogenannten Pavillonsystem erbaut, kleine Häuschen für je eine bis zwei Samilien. Vor meinem Simmer lag eine hübsche Veranda, die so ziemlich den ganzen Tag von Sarong und Obsthändlern und -händlerinnen und hungrigen Dorfhunden umlagert wurde. Der „Spada“ oder „Ponge“, wie die malaiischen Diener genannt werden, der mir meinen Morgenkaffee und Nachmittagstee brachte, muß einen wunderbaren Begriff meines Appetites erhalten haben, denn jedesmal wurde die Portion Coast größer, und jedesmal war sie verschwunden. Wer hätte sich doch von so vielen bittenden Augen schroff abwenden können?
Im Vderhaltnis zu Amerika, Japan und China sind die Gasthöfe in Java billig.Man bezahlt durchschnittlich in den Haäufern ersten Ranges fünf Gulden, etwas über zehn Sranken im Tag. Dafür erhält man Zimmer, Beleuchtung, Bedienung, früh []Reisfelder. (5. 310. [] Im Bereich der Vulkane.
313 Kaffee mit Coast, um acht Uhr Srühstück mit kaltem Sleisch und Eiern, um ein Uhr die schon beschriebene Reistafel, nachmittags Tee und Toast und abends ein meist gutes Diner. Vor diesem kann man sich an verschiedenen „Likörs“, die im Nebenzimmer aufgestellt sind, unentgeltlich und à discrétion gütlich tun.
Vor unserem Pavillon stand die Bitte angeschrieben, keinen Durian im Hause zu essen. Schon lange gespannt auf die vielgepriesene und vielgeschmähte Srucht,welche die Holländer mit dem drastischen Namen „stinkende Delikatesse“ benennen,
AnanasFeld.
VVO einer Allee herrlicher Bäume beschattet, unmittelbar beim Hotel seinen Anfang nimmt.
Der Durian gehört zu den Srüchten, die keinen CTransport vertragen können.Grün, stachlicht, von der Größe eines Kopfes, enthält er einen Brei, welcher für LCiebDO einigen soll. Von all diesen guten Dingen roch ich nichts als Knoblauch, überreifen stäse und Swiebeln heraus. Dieses zweifelhafte Aroma erfüllte den ganzen Passer.Wir erhandelten die schonste Srucht, ließen site uns mundgerecht machen, kosteten und spuckten sie in seltener Übereinstimmung ein junger Engländer nahm teil an unserer DurianProbe alle drei wieder aus. Den ganzen Rest des Tages wurde ich den GBeschmack nicht mehr los. Dagegen lobe ich mir die Ananas, welche in großen Seldern hier gezogen werden. Wie hübsch sehen sie schon aus! Wie ein goldener Cannzapfen
[314]Keise einer Schweizerin um die Welt.sitzen sie inmitten eines großen runden Straußes blaugrüner, spitzer Blätter. Der kleine rötliche Büschel,der oben auf der srucht sitzt, wird einfach abgerissen in die Erde gesteckt, und sofort wächst eine neue Pflanze daraus hervor. Die Ananas kosten vier bis fünf Centimes;ich habe mich nicht wenig daran erlabt.
In Garut sowohl wie in jeder Stadt, jedem Dorf, durch welches wir kamen,stehen ein oder mehrere kleine weiße Wachthäuschen, in welchem jeder männliche Bewohner des stampongs der Reihe nach während je 24 Stunden Aufsicht führen muß. In jedem Häuschen hängt ein ungefähr anderthalb Meter langer ausgehöhlter Baumklotz, an welchen mit hölzerner Keule nachts die Stunden geschlagen werden, oder auch als Alarmsignal bei Gefahr dient. Ein zweites Instrument ist eine große stachlichte Gabel, womit flüchtige Verbrecher und besonders Amok-Läufer aufgespießt oder so lange gegen eine Mauer oder einen Baum gedrückt werden, bis sdülfe Rommt.
AmokLäufer sind eine traurige Spezialität Javas und können am besten mit tollen Hunden verglichen werden. Hie und da rennt ein Sieberkranker oder durch Opium, Cifersucht oder eine andere Leidenschaft von Sinnen Gebrachter in wütendem Caufe durch die Straßen. Mit gezogenem Kris mordet und sticht er alles nieder,was in seinen Weg kommt. Sein einziger Wunsch ist, Blut fließen zu sehen, und oft hat er schon mehrere Menschen getötet, ehe es gelingt, ihn dingfest zu machen. Wenn der Ruf „Amok“! erschallt, flüchtet alles entsetzt nach rechts und links, denn nur was auf seinem geraden Wege liegt, fällt ihm zum Opfer. SZuweilen bricht er schäumend zusammen, zuweilen durchspießt ihn die Gabel des Polizisten, oder er fällt unter den Messerstichen seiner Verfolger. Cin Amok-Läufer ist vogelfrei. Jeder hat das Recht,ja die Pflicht, ihn zu beseitigen.
Srüh am folgenden Morgen stand das hier übliche Dreigespann vor der Türe.Das Mittelpferd ist in die Gabel gespannt und läuft Trab, die beiden Außenpferde galoppieren frei neben her. Kleine, kraftige, flinke, willige Ponies sind diese javanischen Pferde; leider gehen die Cingebornen grausam mit ihnen um, und manche
Kinder in Garut.[]Kakao-Ernte. (5. 315.) [] Im Bereich der Vulkane.
315 schöne Sahrt ist mir dadurch vergellt worden. Auf schöner Straße an dem Palast des Residenten und der eigenartigen Moschee vorbei, lenkte schon nach halbstündiger Sahrt unser Gespann in den Seitenweg ein, der uns nach dem kleinen BagenditSee bringen sollte. Da stellte sich uns eine reparaturbedürftige, halb eingefallene Brücke entgegen. Unmöglich, mit einem Wagen über den schmalen Notsteg zu gelangen. Nach langem Hdin und Herreden stiegen wir aus und gingen die ziemlich lange Strecke zu Suß. Wir kamen an einem hdaine vorbei, wo Männer und Srauen mit Einernten der Kakaofrucht beschäftigt waren. Vereinzelte Bäume hatte ich in Singapur auf Ladyhill gesehen, zum erstenmal fand ich sie hier in Masse. Die dunkelrotbraunen länglichen Srüchte sind grobwarzig, etwa 57 Centimeter breit und 12 5 Centimeter lang und enthalten, in rötlichem Sleisch eingebettet, ungefähr fünfzehn Bohnen.slicht an den Sweigen, sondern an Stämmen und Asten hängen zur selben Seit die sehr kleinen roten Blüten und Srüchte. Geerntet kann daher das ganze Jahr werden.Die Bäume erreichen eine sßöhe von 12 Meter, besitzen eine schön ausgebreitete Krone und sehr große, ungeteilte, eiförmige Blätter. Tragfähig werden sie im vierten Zahr und bleiben es bis zum vierzigsten, ja fünfzigsten. Die Srüchte brauchen vier Monate zum Reifen, und kann man nicht mehr als zwei Kilogramm Bohnen im Jahre auf den Baum rechnen.
Die reifen Srüchte müssen mit einem Messer geoöffnet werden, und es fällt in der Regel den flinken HRanden junger Javaninnen zu, die von harter Schale umhüllten Bohnen herauszuklauben. Dann werden sie in Haufen geschichtet, bedeckt und vier bis fünf Tage sich felber überlassen. Eingetretene Gärung nimmt den etwas herben Geschmack und verwandelt die helle Sarbe der Bohnen in eine dunklere, rötlichbraune.NHach der Gärung werden sie gewaschen und in den Trockenraum gebracht, welcher zeheizt und ventiliert wird. Nachdem der Kakao dort unter fortwährendem Umschaufeln ganz trocken geworden ist, wird er zum Versand nach uropa verpackt.Die getrockneten Bohnen haben jetzt nur noch die dalfte ihres Gewichtes. In Europa werden sie geröstet, zerrieben und unter Susatz von Zucker und Gewürzen zusSchokolade verarbeitet.Ohne jeden Zusatz präpariert, geben
Kleine Blumenverkäufer am Bagendit-See.[]Reise einer Schweizerin um die Welt.sie die Kakaomasse, welche namentlich in KHolland, Deutschland, Srankreich und der Schweiz verarbeitet wird.
Eine lustige Kinderschar folgte uns. Jedenfalls war unser Kommen in dem am See gelegenen Sleckchen schon bekannt geworden, denn vor jedem Hause hockte eine ganze Gesellschaft und hielt uns große, violette Wasferblumen entgegen.
Die javanische Candessitte erheischt noch jetzt, daß die Cingebornen, wenn sie einen Curopäer treffen, beiseite treten, den Sonnenhut abnehmen und niederkauern.Die Reiter pflegen, vom Pferde zu steigen und sich tief zu verbeugen. Srüher mußte sogar der Malaie dem begegnenden «Orang blanda (weißen Mann) den Rucken kehren, weil er nicht würdig war, das Antlitz des e Tuwan» (Serrn) zu schauen.
Auch die Händler, besonders die Händlerinnen, pflegten immer kniend uns ihre Waren vorzulegen. Mir war diese sklavische Unterwürfigkeit, besonders anfangs,geradezu peinlich, schließlich gewöͤhnt man sich auch daran. Man muß immer wieder staunen, welche Macht das kleine Häuflein Holländer über dieses Volk von 26 Millionen Menschen besitzt, dabei herrscht Ruhe und man sieht nie einen Eingebornen täͤtlich mißhandelt werden, wie dies in den englischen Kolonien den Hindus gegenüber geschieht.
Am See lagen drei ausgehöhlte Baumstämme aneinandergebunden und mit einem bedachten, pavillonartigen Aufbau gekrönt. Ein holländischer Offizier verhandelte mit den malaiischen Ruderern, und bald schwammen wir selb dritt auf dem lotosbewachsenen See. An jedem Ende unseres sonderbaren Sahrzeuges plätscherte ein Malaie mit einem kurzstieligen Schäufelchen, das ein Ruder bedeuten sollte. Mit der Arbeit nahmen sie's sehr gemächlich. Mehr vom Wasser getrieben, als gerudert,wurde an einem Punkte gelandet, von wo wir nach Erklimmung eines Hügels nicht weniger als sieben Vulkane erblicken konnten.
Die Rückfahrt brachte uns an den Suß eines dieser Seuerberge, den 1982 Meter hohen Gunong Guntur, den Donnerberg, welcher das Tal von Garut gegen Westen und Nordwesten abschließt. Von den 52 Vulkanen, die Javpa besitzt, befinden sich innerhalb eines kleinen Raumes von 46 Kilometer Länge und 20 Kilometer Breite in der Nähe von Garut nicht weniger als 14 Vulkane, die teilweise immer noch in Tätigkeit sind. Unter diesen gilt der Guntur für einen der unruhigsten, und jedes Jahr beinahe schleudert er unter dumpfem Donnergrollen ganze Massen Asche, Sand und Steine in die Cuft. Keiner seiner Nachbarn nimmt den mindesten Teil daran,ein klarer Beweis, daß keine Verbindung zwischen diesen Vulkanen existiert, sondern daß jeder seinen besondern Herd besitzt. Nach einer alten Chronik, die in Crogon,dem nächstliegenden Dorfe, aufbewahrt wird, soll Gunong Guntur im Jahre 1690 zum erstenmal in Cätigkeit getreten sein und dabei vielen Menschen das Leben gekostet haben. Vorher sei er ein grüner, mit Wald bedeckter Bergabhang gewesen.an welchem niemals eine Spur von vulkanischer Wirkung an den Tag getreten.
Jetzt erscheint der Guntur wie ein gigantischer, schwärzlich brauner Steinhaufen.Vom Gipfel bis zum Suße schmückt ihn kein Grashalm, und drohend schaut sein ausgezackter Schlund durch aufsteigende weiße Dämpfe. Ein breiter, brauner Lavastrom senkt sich durch die Mitte des Berges zu Tale, während violette und lichtgraue.
316 []Im Bereich der Vulkane.
317 kleinere Lavaströsme an den Seiten sich herabziehen. Um den Suß des „Donnerers“liegt ein Kranz mächtiger Blöcke und Hügel; einige tragen die Grabstätten des Dorfes Trogon, und die grünen Plumerienbäume, welche in Java den Toten geweiht sind,bieten einzig ein Bild des Lebens dar an dieser Stätte der Verwüstung und des Todes. Überall bilden die kalten und heißen Quellen, welche vom Berge herabrieseln,große und kleine Teiche, wobei die gewaltigen, vom Seuerberge ausgespienen, graubraunen Steine als Dämme und kleine Onseln erscheinen.
Am östlichen Ufer des Guntur entspringen fünf heiße Quellen, die von Eingeborenen und Europäern ihrer heilkräftigen Cigenschaften wegen gleich geschätzt werden. Während erstere sich im offenen Bafsin gemeinschaftlicher Gratis-Bäder erfreuen, stehen den umständlicheren ECuropäern zum immerhin bescheidenen Preise von dreißig Centimes sechs geschlossene Badezellen zur Verfügung. Die Quellen haben alle verschiedene Cemperatur, man kann sich daher ein kälteres oder heißeres Bad auswählen. Nach dem heißen Hherumklettern im Lavageröll und dem unfreiwilligen Spaziergang nach Bagendit empfand ich ein sehr heißes Bad als außerordentlich wohltãätig.
Der folgende Tag sollte uns vollends ins Reich des Schwefels und Seuers bringen,auf den Krater des Papandajan, neben Gedeh und Bromo der besuchteste Vulkan Javas.
As wir um fünf Uhr früh unser Dreigespann bestiegen, glitzerten noch die Sterne am stahlblauen Tropenhimmel. Srostelnd unter Decke und Shawl, wähnte ich mich zurück in der fernen sHeimat, wo jetzt das Sterben über den Blumen, die kalte sovembernacht über dem Walde lag. Ein kurzer Craum denn schon eine halbe Stunde später erhob sich sommerfreudig das heiße Cagesgestirn der Cropen und überflutete mit feurigem Strahle Reisfelder, Palmenhaine und Suckerrohr. Statt der Alpenkette lag ein großer, grüner Berg klar und wolkenfrei vor mir. Kühn ragten seine zwei Gipfel empor, während aus dem tiefen Sattel, der sie trennte, weiße Rauchwolken hervorquollen. Weithin schimmerte die bleiche, schwefelgelbe Wand seines Kraters.
In zweistündiger Sahrt gelangten wir an den Suß jenes Berges, des Papandajan. Das Dorfchen Tjisarupen mit seinen herrlichen WaringenBäumen bot uns kurze Rast, bis unsere Tandu und die sechzehn erforderlichen Kuli marschbereit waren.Der Tandu besteht aus einem leichten Lehnstuhl, der, an zwei langen, horizontalen Bambusstangen befestigt, von vier Crägern auf die Schulter genommen wird. In Zwischenräumen von einer viertelstunde wechseln sie ihre Last mit den vier anderen Trägern, pflegen zudem sehr häufig die Tragstange von der rechten auf die linke Schulter umzulegen. In Anbetracht des dreistündigen, oft sehr steilen Aufstieges zum 2600 Meter hoch gelegenen Krater, war diese Mannschaft keineswegs überflüssig, die Dienste eines uns sich aufdrängenden Extraträgers für unseren sehr knapp bemessenen Mundvorrat hätten wir dagegen gerne entbehrt. Nicht genug, daß er immerwährende Unzufriedenheit unter den Kulis stiftete, stahl er uns einige Cier und, was meinen Gefährten namentlich bekümmerte, eine schöne Kokosnuß, die unser Getränk auf der Soöhe des Seuerberges bilden sollte.
In munterem Trabe marschierten unsere Kulis zunächst auf beinahe ebenem Pfade einer dichten DaturaHecke entlang. Die prächtigen, großen, weißen, gegen
[318]Reise einer Schweizerin um die Welt.Abend besonders süß duftenden Blütenglocken der Datura arborea sind auch bei uns bekannt. Dann ging es bergauf in den richtigen Urwald, wo Baum an Baum sich drängt und in tollem Gerank, dicken Schiffsstauen gleich, sich das Gewirr der Schlingpflanzen von Stamm zu Stamm zieht. Hier im feuchten Waldesgrund ist das Reich der in unbeschreiblicher Mannigfaltigkeit vertretenen Sarne, vom Kleinsten Pflänzchen, das moosähnlich die Erde mit lichtem Sammetteppich bedeckt, bis zum wundervollen Baumfarn, der palmengleich in hohem, schlankem Stamme emporsteigt und seine zierliche, schirmförmige Sliederkrone leise im Winde bewegt, ein zarter,hellgrüner Schleier „aus Morgenduft gewebt und Sonnenklarheit“.
Glatter, steiler und steiniger wurde der Weg, je höher wir stiegen. Längst schon hatten wir unsere Tandu verlassen und kletterten durch das steinige Bett des Schwefeldunst aushauchenden Baches, der zeitweilig unser Begleiter gewesen. Jede Vegetation hört hier auf, nur schwarze, abgestorbene Baumstämme starren uns entgegen, die Opfer giftiger Dämpfe und Aschenregen.
Endlich befanden wir uns am Rande des Kraters, der zwolf Kilometer lang und vier Kilometer breit sein soll und die offene Bresche darstellt, welche im Jahre 1772 entstand, als der ganze Gipfel des Vulkanes explodierte.
In der Nacht vom 14. zum 12. August 1772 hörten die Bewohner des Garutlales ein fürchterliches Donnern und sahen aus dem Gipfel des Papandajan plötzlich hellen Seuerschein aufsteigen, welcher die Dunkelheit der Nacht weit und breit erhellte.Seuerstrahlen schossen in die söhe, und eine ungeheure Masse glühender Selsblöcke wurde durch die Luft geschleudert. Vierzig Dörfer, die im obersten Ceile der Talsohle lagen, wurden verwüstet, und ungefähr 3000 Menschen fanden ihr Grab unter den niederfallenden Schuttbrocken oder den glühenden Trümmerhaufen, welche von dem Abhange des Berges herabfausten und das Land viele Meilen weit überdeckten. Die Bewohner der entfernter gelegenen Dörfer retteten sich durch eilige Slucht vor dem Tode und sahen am folgenden Morgen mit Entsetzen, wie der Gipfel des Berges,der früher eine stumpfkegelförmige Gestalt besessen hatte, teilweise verschwunden war und wie an dessen Stelle eine tiefe Kraterkluft aufklaffte, welche Rauch und verwüstung atmete. Jetzt hat sich die Kraterschlucht bis zu zwei Dritteilen ihrer Hoöhe wieder mit Wald bedeckt, Sand, Asche und Steinhaufen, die der Vulkan über den südwestlichen Teil des Garuttales geworfen, bilden grünüberwachsene Hügel, und neue Selder, neue Dörfer erheben sich wieder an der Grabstätte der alten.
Unsere Kulis, denen der Krater als Wohnsitz böser Geister große Surcht einzujagen
Auf dem Wege nach Tiisarupen.[]Im Bereich der Vulkane.schien, hatten sich abseits gelagert, während wir mit einem besonderen Suhrer die gelbliche Schwefelkruste vorsichtig betraten. Swischen brodelnden Kefsseln, kochenden Bächen, über Holzstege und Baumstämme führt der gewundene, gefährliche Pfad.Gefährlich, weil ein Sehltritt uns einbrechen ließe in die kochende Schwefelmasse, die unter leichter Kruste dahinfließt. Auch Schlammvulkane, wie im HYellowstoneParke,birgt dieser Krater, regelmäßige, oben mit einem ringförmigen Rande versehene Kegel von 60-100 Centimeter Hohe. Von Seit zu Seit schießt aus ihrer öffnung ein schlammiger, heißer Strahl empor, den man lieber zehn Schritte vom Leibe hat.Dazwischen zischen heiße Guellen, brodeln schweflige Suümpfe, brausen Solfataren,dröhnen unterirdische Donner.
Scheinbar regellos und doch wieder rhythmisch ertönt ein Lärm, welcher an eine Sabrik, mehr noch an eine riesige, nimmer rastende Schmiede gemahnt. Papandajan haben die Sundanesen diesen Seuerberg genannt, ein Wort, welches verdeutscht Schmiede bedeutet.
Betäubt vom Lärm, beinahe erstickt durch die Schwefeldämpfe, freute auch ich mich, wieder aus dem Gebiete dieser unheimlichen unterirdischen Mächte zurück zu den Blumen und Sarnen des Waldes zu gelangen. Einen mächtigen, leider schnell verwelkten Strauß brachte ich als Crophäe mit mir zu Tale.
Den folgenden Tag widmeten wir der Ruhe, der Korrespondenz, dem sHerumschlendern im hübschen Städtchen und der Unterhaltung mit den Gästen des Hotel van Hork. Wir follten überall ungefähr dieselben finden: CLeber- und MalariaAKranke, holländische Offiziere und Beamte mit Srauen, worunter viele Malaiinnen,und eine Menge Halbblutkinder. Sreundlich und gefällig zeigten sich alle, auskunftsund hülfsbereit, denn es bedurfte oft der Vermittlung zwischen uns und dem ausschließlich Malaiisch sprechenden Mandur, einer Art Oberkellner, dem die Sorge fürs Haus ziemlich anheimgestellt ist. Nur wenn man Engländer in uns vermutete, wurden die Mienen finster, die Haltungabweisend. Manche erklärten uns, sie sprächen prinzipiell seit dem Burenkriege kein Englisch, obschon ihnen diefe Sprache sehr geläufigsei.
Die nächste Eisenbahnfahrt führte uns über Tassikmalaya durch den schonsten Teil des PreangerCLandes,bis sich die Linie in Bandjar zur heißen Tiefebene der Provinz Bandjumas hinabsenkt.
Die Strecke von hier
Auf dem Papandaian.
319
[320]Reise einer Schweizerin um die Welt.bis Maos ist erst im JNahre 1895 vollendet worden. Sie führt durch Sumpflandschaft und Dschungeln, wo im undurchdringlichen Gewirr die verschiedenartigsten Bäume und Sträucher miteinander den Kampf ums Dasein führen, wo Rhinozerosse, Koönigstiger,schwarze Panther und Affen hausen. Von letzteren entdeckten wir einige Silhouetten auf den obersten Baumwipfeln, die Tiere der wildnis dagegen haben sich jedenfalls erschreckt vor dem Pfiff der Eisenbahn in den hintersten Dschungel zurückgezogen.
Da in Java keine Nachtzüge laufen,hat die holländische Regierung in der un gesunden, von Sieber heimgesuchten Niederung von Maos ein Hotel neben der Station errichtet, wo man notgedrungen übernachten muß. Den folgenden Morgen um vier Uhr wird geweckt, und um fünf Uhr sitzt man wieder in der Bahn. Es war dunkle Nacht, als wir in Maos ankamen. Tausende von Leuchtkäfern flogen um mich herum, setzten sich in meine Kleider, auf meinen Hut und durchleuchteten nachts das Simmer. Leider waren Moskitos mit eingedrungen, zerstachen mich entsetzlich und verursachten mir. mit der Hitze vereint, eine vollstãndig schlaflose Nacht.
Im Laufe des folgenden Vormittages schon hielten wir unsern Cinzug in Djokjakarta oder Djokja, wie es abgekürzt wird. Cinst zum mächtigen alten Kaiferreiche Mataram gehörig, ist Djokja jetzt noch Sultanat und sogenannter unabhängiger Staat.Daß Sultan und Land nicht zu unabhängig sich gebaärden, dafür sorgt eine sogenannte Ehrengarde von sechzig hollaändischen Offizieren und das holländische Sort Vredenburg. Der Sultan bezieht von Kolland einen fehr hohen Jahresgehalt, monatlich 40,000 Gulden, und residiert mit 18,000 Menschen, die zu seinem ausschließlichen ofhalt gehören, im Kraton. Dieser bildet, durch eine vier Meter hohe Mauer von der Außenwelt abgeschlossen, einen besonderen Stadtteil.
Wir hatten uns sofort einen Wagen genommen und fuhren durch die hübsche Stadt, welche mit ihren breiten, herrlich beschatteten Alleen, üppigen Gärten und stattlichen weißen Bungalows einen fehr guten Cindruck macht. Ihre Einwohnerzahl beträgt 60, 000 Menschen, worunter 4000 Chinesen und 2000 Europaäer. Im AKraton waren, außer einigen vornehmen Javanen zu Pferde, keine fultanlichen Herrlichkeiten zu entdecken. Seine Hoheit residiert mit zahlreichen Srauen und Kindern, hinter CToren und Gittern abgesperrt, mitten im Kraton. Jeden zweiten Tag pflegt er auszureiten, wobei zehn Swerge vorangehen, um die Steine aus dem Wege zu räumen,wahrend hinter ihm Träger mit dem großen goldenen Ehrenschirm, einer Sigarrenkiste, Pfeife, silbernem Spucknapf, Kris und Schwert folgen.
Partie vom Wasserkastell in Diokjakarta.[]Partie im Wasserkastell bei Diotjakarta. (5. 321.) [] Im Bereich der Vulkane.Viel romantisch-interessanter, als der Ktraton, ist das sogenannte Wasserkastell,eine ehemalige Residenz früherer Herrscher. Schlamm Verfall und wild wucherndes Tropengewachs nehmen die Stelle einstiger Prachtbauten ein. Sultans Schlafgemach hat sich in einen grünbemoosten Teich verwandelt, die einstigen Siergärten in Bananenfelder. Unterirdische Gänge, verfallene Treppen, alles glitschig, feucht und modrig, führen in verfallene, einft reich skulptierte Prachtgemächer. Eine fremdartige Romantik spricht aus diesen Ruinen, die in ihrer grünen Umrahmung von Palmen und Lianen einen unbeschreiblichen Reiz ausüben.
Über die einstige hohe Kultur und den großen Reichtum des alten MataramReiches geben uns zwei großartige hindostanische Tempelruinen in der Nähe von Djokja Kunde. Eine
Nachmittagsfahrt brachte uns zum anderthalb Stunden entfernten Brambanan
Tempel. Wir fuhren vierspännig, in Anbetracht der alten,schweren Karossen,die, wie ich glaube,aus ßolland herübergebracht worden,kein CLuxus. Die armen, kleinen Ponies werden so schon übermäßig angestrengt.
Die Javanen sind durchwegs schlechte
Kutscher, und dadurch genötigt, noch einen Jungen mitzunehmen, der jeden Augenblick von seinem Sitz hinten am Wagen aufspringt, die Pferde lenkt, antreibt und peitscht. Da der Kutscher auf dem Bock wenig anderes besorgt als letzteres, erhalten die armen Tierchen von beiden Schläge.
Ich begreife nicht, daß die Holländer die Cingebornen nicht eines Befseren belehren und energisch gegen eine solche Cierquälerei Cinspruch tun. Die Pferde werden durchwegs weit über ihre Kräfte belastet und dabei unmenschlich angetrieben. Man fährt nicht, man fliegt. Wir suchten immer, durch ExtratrinkgeldVersprechungen Peitschenhieben und unvernünftigem Jagen Einhalt zu tun, doch mußten wir auch so noch genug Tierquälerei mit ansehen.
Abgesehen davon, gab's für mich nichts Schöneres, als im Wagen durch das herrliche Land zu fahren, und das Leben und Treiben der Menschen viel besser, als von der Cisenbahn aus, kennen zu lernen. Gewohnlich fuhren wir mitten durch die zahlreichen Ortschaften, die nahe beieinander, meist zu beiden Seiten der breiten, schattigen Landstraße liegen.
C. von Rodt, Reise um die Welt.
Markt.
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[44]Reise einer Schweizerin um die Welt.Die Häuschen der Eingebornen, richtige Pfahlbauten, ruhen auf vier senkrecht in die Erde eingerammten Bambusstangen. In Meterhöhe etwa werden horizontale Stangen daran befestigt, welche dicht aneinander liegend den Boden des Häuschens bilden. Dieser wird außerdem mit einer geflochtenen Matte bedeckt, zierliche in verschiedenen Sarben und Mustern gezeichnete Matten bilden die Seitenwände, waäͤhrend vorn Cüre und Senster eines sind. Bei größeren Hütten ist der Wohnraum durch eine Scheidewand oft in zwei Abteilungen getrennt. Das besonders im Preangerlande sehr charakteristische Dach kann am besten mit einem Sattel verglichen werden, der in der Mitte vertieft, vorn und hinten seinen Höhepunkt erreicht. Dieser wird dadurch noch erhöht, daß je zwei auseinanderlaufende Stangen, die sörnern ähnlich sehen, zugleich Dachgerippe und Schmuck bilden. Zudem follen sie gegen den bösen Blick der Seinde und das Eindringen unterirdischer Geister von großem utzen sein.Die Dächer sind mit Matten, öfter noch mit Atap, der zerfaserten Scheide der Zuckerpalme, bedeckt. Entweder springt das Dach stark vor, oder ein schwach geneigtes,niedrigeres Vordach lehnt sich, mit Bambusstangen gestützt, daran. Es dient als Schutz gegen Sonne und Regen, und über Tag spielt sich das ganze häusliche Leben mit seinen Ceiden und Sreuden darunter ab. Kokospalmen, Bambusgebüsch, Durian,Mango, Zuckerrohr, Bananen, hier Pisang genannt, wuchern in üppiger Sülle im zierlich durch einen Bambuszaun eingehegten Gärtchen und lassen oft die Hütte in ihrem Grüun voöllig verschwinden.
Java steht nicht in Gefahr, auszusterben. Kinder in Hülle und Sülle beleben Häuser und Straßen, hübsch und kräftig gedeihen sie bei Obst und Reis, bei Luft und Wasser. Wo ein Bächlein, ein Teich, da plätschern gleich ein Dutzend Buben und Mädchen drin herum. Kleider, Strümpfe und Schuhe plagen sie wenig, An und Ausziehen deshalb auch nicht, und das Geschäft des Trocknens besorgt schnell die Sonne. Schwer arbeiten auch hier die Srauen; in ihrem Sledang tragen sie nicht nur die Kinder, sondern auch Lasten jeder Art. viele beschäftigen sich außer im sdaus und Selde auch mit Weben und Sarongfabrikation.[]Dorf im Preanger-Lande. (S. 322.) []
Alte Tempel auf Java.
Alte Tempel auf Java.
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Alke Tempel auf Java.BrambananTempel. Ramayana. Rokosmilch. Indigofelder. Weberei und SarongKunsthandwerk. Borobudur· Tempel. Von Magelang bis Ambarava. Soerakarta. Der Raiser. Fest im Rraton. Tigerhaus.Cierkämpfe. Bevölkerung. Soerabaya. Potel Simpang. Ein Landsmann.Eine gewaltige Steinmasse hatte sich schon lange vor uns aufgetürmt, ehe wir den Brambanan- oder vielmehr die BrambananCempel erreichten. Ursprünglich stand hier eine ganze große, von drei Mauern umgebene Tempelgruppe. Inmitten der Ruinen von 167 Grabtempelchen liegt eine große quadratische Terrasse, auf welcher sich acht mächtige Tempel erheben. Je drei stehen in einer Reihe und zwei zwischen ihnen. Verschieden in Größe, zeigen sie doch alle dieselbe Sorm. In immer sich verjüngenden Terrassen türmen sie sich auf. Eine breite Treppe, die von Terrasse zu Terrasse geht, führt in den obersten Stock, in eine Kammer, wo ein Götterbild steht.Bei dem größten, besterhaltenen Tempel sind außer der breiten Haupttreppe noch Seitentreppen erhalten, welche in kleinere ebenfalls mit je einer Gottheit geschmückte Sellen führen. Im großen Gemach finden wir einen drei Meter hohen, aus einem Stein geschnittenen Civa, neben Brahma und vishnu die Hauptgottheit der indischen Religion. Dreiäugig, vierarmig, trägt er eine Krone mit Totenkopf und Mondsichel. Um Schültern und Oberkorper schlingt sich eine große Schlange. Im Nebengemach steht eine Srau auf einem getöteten Stier,von den Archäologen für Durga, die Gattin Civas gehalten. Bei den Javanen gilt das schöne Erzbild für CLora Djonggrang, die Tochter eines sagenhaften javänischen Prinzen. Sie beten zu ihr und bringen ihr Blumen und Sruchtopfer. In einer dritten RKammer thront der elefantenköpfige Ganesa, der Sohn Civas und Durgas;in der Linken hält er eine Schale, aus der er mit dem Rüssel Speise schöpft. Die
Auf dem reichtumbringenden Stier Cipas.
[324]Reise einer Schweizerin um die Welt.anderen Tempel haben ihre Wishnu und Brahmabilder. Von einem überlebensgroßen, dem Civa geweihten Hoöckerstier erzählte der Tempelhüter, die Javanen glaublen, daß, wer sich auf ihn setze, reich werde.Alsogleich schwang sich natürlich mein Reisegefährte auf das Ungetüm.
Am schöonsten sind die Reliefbilder,die, frei aus dem Stein gearbeitet, in langen Sriesen, wie ein großes Bilderbuch die inneren Wände und äußeren Slächen der Tempel schmücken. Sie geben uns die Gestalten der brahmanischen Götter und sheroenlehre. Bei dem Mitteltempel finden wir noch im Zustande bester Erhaltung einen Teil der RamaLegende bildlich dargestellt.
Die Ramayana, ein indisches Epos,ist uns in drei verschiedenen Sassungen,worunter die bengalische, in sieben Büchern,die bekannteste ist, überliefert. Das Gedicht, in den letzten Jahrhunderten v. Chr.entstanden, schildert uns sowohl das öffentliche Leben des indischen Volkes, als auch die Taten der einzelnen Heroen, insbesondere des Kama, Sohn des Konigs Dasaratha vbon Audh. Rama ist in Wirklichkeit Gott vishnu, welcher unter bald tierischer,bald menschlicher Gestalt, jedesmal, wenn Erschlaffung der Gesetze und Überhandnehmen des Boösen es erfordert, auf die Welt herniedersteigt.
Die Reliefbilder des Tempels von Brambanan haben sich offenbar das dritte und vierte Buch der Ramayana zum vVorwurf genommen: Rama wandert mit feiner Gemahlin Sita in den Waldgebirgen Indiens umher. Da entführt Ramana, ein schreckliches Ungeheuer, Sita durch die Luft in seinen Palast nach Lanka (Ceylon). Verzweifelt irrt Rama umher. Es gelingt ihm inzwischen, den vertriebenen Affenkoönig wieder auf seinen Thron zu fetzen, welcher zum Dank hierfür seine ganze Affenarmee zur Auffindung der verschwundenen Sita aussfendet. Endlich gelangt Rama mit Hülfe des Affen Hanuman nach Ceylon. Nach furchtbaren Kämpfen siegen Rama und die Affen. Sita wird befreit und das wiedervereinigte Paar kehrt auf dem Götterwagen nach Audh zurück, wo Rama sofort zum Konige gekrönt wird. Gott Indra ruft die im stampfe getöteten Affen ins Leben zurück und verleiht zudem Hanuman ewige Jugend.
Man schätzt das Alter des Brambanantempels auf 1100 Jahre. vVon den Archäologen wird die ganze Anlage als Totenstadt betrachtet und die einzelnen Tempelbauten für Grabstätten der Sürsten des alten hindostanischen Kaiferreiches Mataram.Unter den Sußstücken der Götterbilder waren tiefe Steinbehälter vorhanden, in denen sich Urnen mit verkohlten menschlichen Gebeinen fanden.
Mit regem Interesse war ich der sachlichen, ausführlichen Erklärung des Tempelaufsehers, eines ältlichen Deutschen, gefolgt und stundenlang mit ihm in den Trüm
Ganeja, der elefantenköpfige Gott.[]BrambananTemoel. (58. 323 [] Alte Tempel auf Java.
325 mern herumgeklettert. Hitze, Müdigkeit und ein gehöriger Durst hatten sich darauf gemeldet. Auf meine Bitte um etwas Kokosmilch kletterte ein „Yonge! auf eine nahe Palme. Slink wie ein Affe war er oben und warf mir gleich ein Dutzend Srůchte zu. Die grume, noch nicht ausgereifte Nuß enthält ungefähr zwei Wassergläser einer durchsichtigen, Zuckerwasser ähnlichen Slüfsfigkeit, welche sehr erfrischend schmeckt.
Auf der Rückfahrt schauten wir uns noch Zucker und Indigofelder an. Letztere sind besonders ausgedehnt und sehen mit ihren grünen gefiederten Sträuchern, aus denen zahlreiche blaßrote Knospen und vereinzelte wickenartige Blüten hervorkommen,sehr schoön aus. Das Seld war schnittreif, denn unmittelbar vor der Blütezeit ist der Sarbstoffgehalt am größten. In der Sabrik werden die Pflanzen mit Wasser und stalkmilch in Gärung gebracht und der zuerst gelbe Sarbstoff ausgelaugt. Erst in Berührung mit der Luft und durch Schlagen mit Stöcken und Schaufeln nimmt der Indigo seine schoöne blaue Sarbe an. Der Satz, welcher fich dabei im Boden des Gefäßes ablagert, wird gekocht, gepreßt, in Würfel zerschnitten, getrocknet und verpackt.Die Stoppeln auf dem Selde schlagen wieder aus und liefern im gleichen Jahre noch eine oder zwei Ernten. Seit einigen Jahren ist der Indigo-Kultur in Java und Indien durch die künstliche Bereitung dieser Sarbe aus Steinkohlenteer in Curopa eine große Konkurrenz erwachfen.
Der Indigo war schon den Alten bekannt. Plinius erzählt von einem blauen Sarbstoffe, der aus Indien komme und nach dem Purpur im größten Ansehen stehe,er sagt, daß er sowohl in der Malerei, als in der Medizin, z. B. bei Geschwüren,angewandt werde. Im XVII. Jahrhundert war die Blaufärberei mit Indigo allgemein bekannt, doch kam sie dadurch in Verruf, daß die Särber oft vVitriolöl dazu verwandten und damit die Haltbarkeit der mit Indigo blau gefärbten Stoffe beeinträchtigten. Die ürnberger ließen sogar jeden Särber jährlich schwören,keinen Indigo zu gebrauchen, und bedrohten ihn im
Übertretungsfall mit Todesstrafe.Trotzdem breitete sich die Anwendung des Indigos immer mehr aus.
In Djokjakarta merkte man die Nähe der Indigo
Kulturen an den durchweg blauen
Straßenbild bei Muntilan.
[326]Reise einer Schweizerin um die Welt.Sarong, und da Weberei und Sarong-Särberei hier viel betrieben werden, sahen wir uns noch abends diese sehr interessante und in Java von den Srauen viel betriebene Hausindustrie an.vor ihren einfachen Hütten, im Schutze der palmgeflochtenen Vordächer, sitzen die Srauen an der Arbeit, einzelne oder mehrere zusammen, junge, sehr hübsche und alte,verblühte, die an Jahren vielleicht noch jung, doch schon Greisinnen zu sein scheinen.Die eine kauerte auf einer Strohmatte in ihrem höchst einfachen Webstuhle. Der Aufzug ist um ein Brett gewickelt, welches leicht herausnehmbar in zwei Gabeln ruht, die an beiden Enden eines Blockes befestigt sind. Als Gegenlager zur Erhaltung der Spannung dient ein am Rücken der Arbeiterin ruhendes Reck, an dem mit Schnüren die zum Aufwickeln des Gewebes bestimmte Ceiste befestigt ist. Ein zugespitztes Bambusrohr, in dessen Höhlung die Spule Platz findet, ersetzt das Schiffchen. Swei abwechselnd zwischen den Säden des Aufzuges eingeschobene glatte Stäbe weisen ihm den Weg durch das Gewirr und dienen zum Sestanziehen des durchgeschossenen Sadens.
Mit dem fertig gewebten Stoffe wird nun folgendes vorgenommen: Er wird aufgespannt und darauf nach einer Papiervorlage ein Muster mit heißem flüssigem Wachs gezeichnet. Dies geschieht vermittelst eines kleinen Bambusrohrtrichters, aus dessen Offnung das in der Slamme stets flüssig gehaltene Wachs in feinem Strahle ausfließt. Das Tuch wird hierauf in die Sarbe gebracht und bleibt da, wo das Wachs ist, von dieser frei. Das Wachs wird hierauf von dem Tuch entfernt, sobald letzteres trocken ist. Erfordert das Muster, was meistens der Sall, mehrere Sarben,so muß der Prozeß des mit Wachs Bedeckens und Särbens vier bis sechsmal wiederholt werden. Man nennt diese Arbeit Battik. Sie verlangt eine sehr geschickte Zeichnerin, da namentlich die altjavanischen Motive niemals eine Wiederholung irgend eines Teiles des Musters auf demselben Sarong gestatten. Beliebt sind Blumenranken, Schmetterlinge, phantastische Tiergestalten, Sickzack in Slammenform u. s. w.Jede Stadt hat ihre Spezialität in Sarbe und Muster. Man hat Sarongs, welche wahre Kunstwerke, wahre Gemälde sind, deren Erstellung viele Monate beanspruchen und die dann auch einige hundert Gulden kosten.
Natürlich tritt bei den billigen Sarongs Sabrikarbeit dafür ein, und viele tausende in der Schweiz verfertigte Druckkattune wandern mit der Nachahmung eines echten Musters nach Indien. In diesem Salle drückt man das Wachsmuster mit Hülfe eines eisernen, in flüssiges Wachs getauchten Stempels auf den Stoff. Stempel wird an Stempel gefügt, das ganze Tuch ist in wenigen Minuten bedruckt und gefärbt und kostet einen Gulden für Sremde, für Einheimische jedenfalls kaum die Hälfte.
In aller Srühe setzten wir uns in eine Dampftrambahn, welche Djokjakarta mit Magelang ganz modern verbindet. Halbwegs in Muntilan vertauschten wir sie mit einem Vierspänner, der uns dem Borobudur, dem größten und berühmtesten Buddhisten Tempel in Java, zuführen follte. Man nennt die Gegend um Magelang den Garten Javas, und etwas Reizvolleres als diese CLandschaft gibt es wohl weit und breit nicht. Wie zwischen Maos und Djokjakarta zwei Seuerberge, der Sumbing und Sindoro, das Land beherrschen, so treten hier abermals zwei Swillingsvulkane eng miteinander vereint, der Marbabu und Merapi, in den Vordergrund, Unter herr[]Javpanerin. (5. 326.)
[328]Reise einer Schweizerin um die Welt.lichen Schattenbäumen führt die Straße zwischen Kulturland, das stellenweise einem blühenden Garten ähnlich sieht. Wie dunkelblaue Wölkchen schwimmen über dem sanft getonten Grün der Reisfelder die Kronen der Kokospalmen und ziehen sich gegen einen hohen Hügel hin, auf welchem gleich einer steinernen Riesenhand Boro-budur emporragt.Wer ihn erbaut? Wir wissen es nicht.Wir wissen nur, daß arische Bewohner Vorderindiens im VIII. Jahrhundert n. Chr.den malaiischen Archipel überfluteten, Kolonien gründeten und Städte für den BuddhaKultus errichteten.Ich will es mir vorbehalten, über das Ceben und die Lehre Buddhas zu sprechen,wenn wir nach Indien, seiner Heimat,kommen. Sum Verständnis des Tempels möchte ich nur vorausschicken, daß die Buddhisten vermeinten, die Asche ihres großen Meisters Buddha sei an acht Städte verteilt und dort begraben worden. Da habe König Acçoka sieben dieser Gräber offnen und aus der heiligen Asche 84,000 Portionen machen lassen. Diese feien in stristall Stein oder Metallurnen im ganzen Lande herum verschenkt und in sogenannten Hrabhügeln, Cumuli oder stüpas, wie das Sanskrit-Wort heißt, verwahrt worden.Man zollte diesen Verehrung, als wären sie das Grab selber des Meisters. Um die kostbare Asche noch besser vor frevlerischer Menschenhand und wilden Tieren schützen zu können, erbaute man allmählich feste Gebäude, Dagoba, auch Tope genannt. Ihre Gestalt kann zuweilen einer bauchigen Slasche, einer Glocke oder auch einer Kuppel verglichen werden.
Am BorobudurTempel finden wir nicht nur eine Dagoba, welche sich groß und gewaltig in der Mitte des Riesenbaues auftürmt, sondern auf den drei oberen Terrassen oerteilen sich nicht weniger als 72 kleinere Dagobas. Sie sind durchbrochen und ruhen auf einer Basis, welche die Lotosblume, das Attribut indischer Götter und Heiligen,darstellen foll.
Der Tempel ist in Gestalt einer flachen, vierseitigen Pyramide erbaut. Die Seitenlänge ihrer quadratischen Grundfläche mißt 1680 Meter, ihre Höhe 30 bis 40 Meter.Sieben Terrassen gliedern sich daran empor, welche zwei Meter breite Galerien bilden, indem die innere Wand jeder Terrasse nach oben frei vorspringt und die außere Balustrade der nächst höheren Terrasse darstellt. Swischen diesen Steinmauern eingeschlossen, wandern wir in fünf verschiedenen Stockwerken um den Riesenbau,welcher gleich dem Brambanan-Cempel mit Skulpturen geschmückt ist. Die 18504 Basreliefs, welche noch vorhanden, stellen die Geschichte Buddhas von seiner Geburt bis []Detailbild des Boro-budur-Tempels. (5. 328.) [] Alte Cempel auf Java.
329 zu seinem Code dar. Die lebensvollen, zum Teil zwanglos harmonisch, in engen Rahmen gepaßten Siguren bringen uns in buntem Wechsel Seste und Kämpfe,religisse Gebräuche, Pflanzen und TCiere.
Die Außenseite ich meine der Terrassen, denn inwendig ist alles mit Erde aufgefüllt wird durch zahllose Tempelchen unterbrochen. Alle vollständig gleich,enthalten sie dieselbe tiefe Nische, dieselbe BuddhaStatue. von denen noch 441 erhalten sind.
Das Material des Tempels ist ein harter, vulkanischer, grauer Trachyt. Weder Moörtel noch eiserne Klammern halten die schön behauenen Steine verbunden. Sie sind so kunstreich ineinandergefügt, daß sie sich gegenseitig tragen und stützen. Im Caufe der Jahrhunderte senkte sich allmählich der Riesenbau tiefer in die Erde; häufige Erdbeben und die Serstörungswut der Menschen haben am Untergange des Tempels gearbeitet, heftige Regenschauer seine Sundamente unterwühlt. Auch die große Dagoba und das vier Meter hohe Buddha-Bild, welches darin stand, sind nur noch Kuinen.
Der vVerehrer Buddhas, welcher seine Gebete und seine Opfergaben vor alten Zeiten hier hinauftrug, mußte all die Terrassen erklimmen und vorbeischreiten an all den Bildern, welche ihm in beredter Symbolik von Buddha und seiner Lehre stunde gaben, von der Nichtigkeit des Lebens und dem Sustand ewiger Ruhe, welche dem Buddhisten als die höchste Belohnung eines reinen Lebens vorschwebt. So vorbereitet, pflegte er, an die Dagoba zu treten.
Auch wir erklommen die Spitze. Wie dem Buddhisten die steinernen Bildwerke,so zeigt uns Christen dieses herrliche Landschaftsbild eine Offenbarung. Vor uns liegt die reiche Tropenwelt ausgebreitet, wogende Reisfelder, in denen fleißige Menschen sich rühren, und im Hintergrunde dunkelblaue Berge. Leichte, weiße Rauchwolkchen entschweben ihren hig friedlich zum blauen Äther emporstreben. Unversehens aber kann sich das kleine Wolkchen in eine furchtbare
Seuergarbe verwandeln. Vor wenigen Jahren erst hat Merapi Cod und Verderben aus seinem Krater entsendet. Welch einen Anblick muß die schöne Landwine mit Relieibildern geschmückte Galerie des BorobudurCempels.
[330]Reise einer Schweizerin um die Welt.schaft damals geboten haben! Alles ein einziges, lebloses Grau, nur Asche und totes Gestein.
Und heute? Diese Schönheit, dieses Leben, dieser lachende, nimmerendende Srühling! Eine Verheißung soll es uns sein, daß nach zerstörendem Kampfe nicht das wandellose, kalte Grau, nicht die Ruhe des Todes das Bleibende sein werden. Überall finden wir Auferstehung in der Natur und im Leben. Alle Vernichtung ist nur der Anfang eines neuen, schöneren Werdens.
Cange, lange stand ich auf den Trümmern der Dagoba, dann stieg auch ich die zerfallenen, zerbröckelten Stufen hinunter. Im Grase blühten herrliche, feurige Amaryllis in reicher Sülle.
Auch hier ist der Wächter des Tempels ein alter, österreichischer Soldat, der stumm und grau geworden zu fein scheint bei seinen stillen Goöͤtterbildern. Er ist zugleich Besitzer oder Verwalter eines Pasangrahan, wie in Java weltabgeschiedene RKasthäuser genannt werden, wo der Sremde essen kann und, wenn er es wünscht,Unterkunft für die Nacht findet. Nach guter Reistafel genoß ich der Ruhe eines erquickenden Nachmittagsschläfchens. Noch einmal durchwanderte ich dann abschiednehmend den Boro-budur, das gewaltige Denkmal eines längst untergegangenen mächtigen Geschlechtes, ein Gedicht in Stein, unsterblich noch in seinem Verfalle.
Von Magelang weiß ich nichts zu erzählen, wir schliefen dort und fuhren um füͤnf Uhr früh ab. Jedermann hatte uns die Wagenfahrt durch das KedocTal über den 686 Meter hohen Pinggit-Paß nach Ambarava warm empfohlen. Von der Höhe sollten wir nicht weniger als neun Vulkane sehen. Die Sahrt wäre wunderschön gewesen, ohne die Pferdequälerei, die namentlich mir jedwelchen Genuß vergällte.Unsere vier Pferdchen waren dermaßen abgemüdet und mißhandelt, daß sie oben auf der Paßhöhe einfach zusammenbrachen. Natürlich verging mir dabei jede Sreude an Sumbing und Sindoro, an Merapi und Marbabu und wie die Seuerberge alle heißen. Verzweifelt lief ich neben dem Wagen her oder half meinem Reisegenofsen ihn zu schieben, allein die Pferde konnten nicht mehr. Die Lage war schlimm. Wir sollten zu einer bestimmten Stunde den Sug in Ambarava erreichen, kein Mensch war da, mit dem wir uns hätten verständigen können, kein Haus! Als die Not am größten, fuhr ein leerer Bauernwagen vorbei, wir stiegen ein und kamen unmittelbar vor Abfahrt des Zuges an, der bei grausamer Hitze uns in zweistündiger Sahrt nach Soerakarta oder Solo brachte.
Auch Soerakarta ist Sürstentum. Der Herrscher, mit dem Titel Susuhunan oder skaiser begabt, erhält einen Monatsgehalt von 60, 000 Gulden von der holländischen Kegierung und ist wie sein Kollege in Djokjakarta das willenlose Werkzeug derselben.Bei allem Verfall, der durch den Glanz schimmert, welchen der Kaiser heute noch aufrecht erhalten möchte, tritt die Sähigkeit hervor, womit auf alten Sitten und Gebräuchen beharrt wird. Als Sprößling eines uralten Süürstengeschlechtes, das einst das mächtige Reich Mataram und damit ganz Java beherrscht, genießt der Kaiser noch heute ein beinahe göttliches Ansehen bei seinem Volke. Und ebenso stolz wie der -Susuhunan ist auch die verarmte Aristokratie. Obschon sie als Schmarotzer völlig von den milden Gaben ihres Sürsten lebt, wirkt doch der Nimbus ihrer Jahrhunderte []Alte Tempel auf Java.
331 alten Adelsgeschlechter auf die durch sie Jahrhunderte lang geknechteten Untergebenen mächtig fort.
Daß der Susuhunan auf Etikette und
Beobachtungen guter Sormen seitens der Curopäer Wert legt, bezeugt der Umstand,daß man sich vier Tage zum voraus durch den holländischen Residenten anmelden und anfragen lassen muß, wann und ob es Seiner Majestät genehm wäre, eine Audienz zu erteilen. Dazu reichte unsere Seit nicht.Durch die Erzählung einer Sreundin, die das Glück hatte, vor zwei Jahren zu Hofe geladen zu werden, bin ich jedoch in der Cage, ganz genau schildern zu können, wie's dort zugeht:
In einer weißen, großen ins Sreie sich öffnenden Säulenhalle des Kraton sitzt der Kaiser auf seinem Dampar genannten Stuhle. Seit 1893 regierend, ist er ungefähr dreißig Jahre alt, klein, mit unschönem, gelbgepudertem Gesicht und großen vorstehenden Augen. Die schwarzen Augenbrauen sind hoch auf der Stirn nach aufwäris gemalt. Nervös, hastig in Rede und Gebärde, schlägt er insofern aus der Art, als die javanische Anstandslehre es für unpassend hält, sich von äußeren Eindrücken erregen, sich von Leidenschaften bewegen zu lassen. Alle Aufwallungen des Gefühls gelten für gemein, und vornehme Personen halten es für wohlanständig, sich durch nichts aus ihrer erhabenen Ruhe bringen zu lassen.
Die Tracht des Susuhunan ist halb europäisch, halb asiatisch: Kopftuch mit Brillantenagraffe, Sarong, ein brillantenbesetzter Kris, an den bloßen Süßen goldgestickte Sandalen, dazu ein steifes Hemd und ein braunes europäisches Jackett. Die „Rato“, wie die erste Srau heißt der Ktaiser nennt etwa 36 Srauen und 50 Kinder sein trägt herrlichen Schmuck, dunkle Kabaye und schön gemusterten Sarong.Wenn ihr hoher Herr sie anspricht, muß sie jedesmal mit „Sembah“ danken, d. h.die Hände langsam gegen die Stirne zu falten und dieselben dann über die Nase abwärts gleiten lassen. Regungslos kauert hinter ihr am Boden ein schwarzäugiges achtjähriges Prinzeßchen mit dem silbernen Spucknapf und dem Sächer ihrer Mutter ausgerüstet. Im Hintergrunde sitzende malaiische Swerge, auf dem Boden verteilte Gruppen von Lanzen und Schildträgern vervollständigen das malerische Bild. õSwerge,Canzen und Schildträger tragen die obere sHälfte des Körpers entblößt, dassfelbe müssen auch die Brüder und Minister bei Sesten tun. Kriechend oder rutschend dürfen sie sich nur dem Kaiser nahen und in der Entfernung von fünfzehn Schritt mehr ist ihnen nicht gestattet demütig auf dem Boden sitzen bleiben.
Unterdessen hatte das Gamelang leise zu klingen und zu zittern begonnen und
[332]Reise einer Schweizerin um die Welt.war allmahlich in langgezogenen schönen Molltönen zum fernen Glockengeläute angeschwollen. Cangsamen Schrittes nahen aus dem Hintergrunde neun Cänzerinnen.Zerrliche Gestalten im dunkeln, in langer Schleppe auslaufenden Rock, breitem bis unter die Arme reichendem schwarzem Gürtel, der mit einem Silberstreifen und einer schönen roten Schärpe geschmückt ist, das Haar einfach in einem Knoten am dinterhaupt aufgenommen, der Oberkörper bloß. Eine alte Srau, eine Art Kammer-zofe, ist ihnen nachgekrochen und kauert zu allfälligen Dienstleistungen bereit, hinter ihnen während des Tanzes.
Auf dem weißen Marmorboden haben sich unterdessen die Cänzerinnen, dem Rhythmus der Musik folgend, lañgsam ganz flach niedergelassen. Nach zweimaligem Sembah“ beginnt der Canz. In der Hand Pfeil und Bogen, im Gürtel eine Pistole,gleiten die herrlichen Gestalten graziöss dahin, ihre Bewegungen mit den dänden, der Schärpe und dem Kopfe halten sich in den strengen Grenzen der Schönheit. Die Tanzfiguren sind immer in der Neunzahl, die Cänzerinnen somit niemals paarweise aufgestellt. In wunderbarer Harmonie und Melodie klingt zwischen dem Gamelang das Rebab, ein Streichinstrument aus Elfenbein, das ein ferner Sängerchor begleitet.Bei der letzten Tanzfigur spannen die Cänzerinnen die Hähne ihrer Pistolen und auf den Sußspitzen vorwärtsgleitend, schießen sie, einen Kreis bildend, dieselben ab.Diese Art. Ballettaufführung heißt bedaya und wird nur bei ßofe aufgeführt. Der staiser hatte während des zweistündigen Tanzes mit sichtbarem Wohlgefallen meiner sreundin seine Orden gezeigt. Dann gab er das Seichen zum Aufbruch. Die TCänzerinnen glitten langsam aus dem Saale, nur das Gamelang klang leise klagend weiter in die dunkle Cropennacht hinaus.
Uns weniger bevorzugten Sterblichen war es nur vergönnt, im Innern des mauernumkränzten Kraton, wo der aus 10,000 Menschen und 500 Soldaten bestehende Pofstaat des Kaisers haust, den Palast des unabhängigen Prinzen Mankoe legoro zu sehen. Die niederländische Regierung hat nämlich in weiser Vorsorge dem staiser von Soerakarta neben dem holländischen Residenten noch einen inländischen sürsten, gewissermaßen als Aufpasser, beigegeben, der ihn scharf kontrolliert und bei etwaigen Emanzipationsgelüsten unverzüglich dem Residenten Rapport erstatten würde.In Djokjakarta ist dieselbe Einrichtung.
Der Palast des Prinzen Mankoe Negoro mit schönen Räumen und Cerrassen ist leider jeder Originalität bar. ECuropäisches Porzellan, böhmisches Glas und geschmacklose Kronleuchter sind in Java uninteressant. Auf allen Stufen, in den Höfen knieten ind kauerten im füßen Nichtstun Klienten des Sürsten, Schmarotzer jeder Art in ungezählter Menge. Ich empfand unwillkürlich Mitleid mit Mankoe Negoro, dem ogenannt unabhängigen Sürsten.
Sehr wenig imponierte mir das Elefantenhaus des Kaisers, wo in einem düsteren Gelaß, den rechten Suß an eine Säule dicht angebunden, drei magere Eleanten ein trauriges Dasein führen. Noch weit schrecklicher, was Anblick und Geruch anbetrifft, ist das Cigerhaus. Wenn ich jemals in meinem Leben mich einer Ohnmacht aahe gefühlt, war es damals. Ein großer, altersmorscher Käfig, in dem sieben magere Tiger mit struppigem, mißfarbenem Selle auf und abrasten, einige abgerissene Hunds[]Boro-budurTempel: Die BuddhaBildnisse. (5. 329) [] Alte Tempel auf Java.
338 köpfe, die mich mit verglasten Augen anstarrten, dazugehörige halb gefressene Leiber.das war, was ich zunächst sah und roch.Ich wandte mich um. An den Wänden des dofes standen wohl zehn kleine Käfige mit jungen Tigern, und darüber aufgehängt baumelten ein Dutzend toter, teilweise halb verwester Hunde. Ich hatte genug gesehen in gestrecktem Laufe suchte ich das Weite.
Bei Sestlichkeiten werden diese Tiger zu Kämpfen mit Menschen und wilden Büffeln verwandt. Ob die Holländer in letzter Zeit gegen diese rohe Sitte ernstlich eingeschritten, oder die Tiger von ihrer widernatürlichen Hundekost allzu kraftlos geworden, ich weiß es nicht. Jedenfalls hat in den allerletzten Jahren kein „Rompokk“mehr stattgefunden. Bei dem Kampf zwischen Tiger und Karbau, dem wilden Bruder des gutmütigen Arbeitsbüffels, gilt dieser als Symbol des javanischen Volkes,der geschmeidige, gewandte Tiger als das Sinnbild des „Orang blanda“, des Europäers. Unter keinen Umständen darf daher der Tiger als Sieger aus dem Kampfe hervorgehen. Das andere noch grausamere Spiel entwickelt sich zwischen TCiger und acht schwerbewaffneten Javanern. Das Tier wird durch die grausamsten Mittel, wie Anzünden seines Käfigs u. s. w., so lange gereizt, bis es sich auf den Seind stürzt und sich an den entgegengehaltenen Canzen meist nach langem Kampfe aufspießt.
Auch außerhalb den weißen Mauern des Kraton weht Hofluft im netten SoerakartaStädtchen. Edelleute mit schön gemusterten Sarongs, Kris, kurzem gutsitzendem AlpakaJackett wandeln unter goldbunten Sonnenschirmen durch die Straßen.Mehrere Diener folgen ihnen mit silbernem Spucknapf und mit Betel gefülltem Kasten auf dem Suße nach. Betel, ein aus den Blättern des Betel-Pfeffers, der Arekanuß und gebranntem Kalk bestehendes Kaumittel, wird im ostindischen Archipel und Südasien wohl von hundert Millionen Menschen gebraucht. Das Betelkauen scheint ein sehr alter Brauch zu sein und spielt eine große Rolle. Kein Geschäft, keine feierliche Handlung wird ohne Betel vorgenommen. Er färbt Lippen und Sahnfleisch braunrot,die Zähne schwarz.
Die Srauen, schöne schlanke Gestalten, wiegen sich graziös beim Gehen, ihr Oberkörper ist bloß, der Sarong, welcher oft bis unter die Arme genommen wird, blau.Gegen die Sonnenstrahlen wird das Antlitz der Kinder mit einer dichten Wachsschicht bestrichen. Oft nur mit Halsband und Armspange bekleidet, tragen sie zuweilen ein ganz stattliches Bäuchlein zur Schau. Man hat hier Gelegenheit, zwischen unserem Aartoffelbauch“ und dem javanischen „Reisbauch“ Parallelen zu ziehen.
Im Potelgarten von Soerakarta.
[334]Reise einer Schweizerin um die Welt.Zu einer großen Leichenfeierlichkeit am Bahnhofe kamen wir durch die Dummheit unseres „Mandur“ leider zu spät. Die Leiche war schon in einem weißen Waggon untergebracht, der Sug im Begriff, abzufahren. Cin munterer Marsch wurde ihm nachgeblafen; das volk wälzte sich im Staube vor den anwesenden ECEdelleuten,die unmittelbar darauf mit ihren Ehrenschirmen, Beteldosen und Spucknäpfen in geschlossene Wagen stiegen. Wir hatten nur schnell Gelegenheit, einige Musikanten und Soldaten des Kaisers photographisch zu verewigen. Letztere tragen dunkle europäische Uniform, erstere einen schlafrockähnlichen sehr bunten Rock. Gemeinsam ist E00 hier üblichen bräunlich blau gemusterten, kunstvoll geknoteten Kopftuch absticht.
Von der Hotelveranda konnten wir, behaglich im langen Rohrstuhl ausgestreckt,das bunte Leben und Treiben auf der breiten, schön beschatteten Straße überblicken.Bis in die Nacht nimmt das LCaufen, Sahren und Reiten kein Ende. Nach eingetretener Dämmerung dürfen sich die Cingebornen laut Vorschrift nur noch mit einem Cicht auf der Straße zeigen, und phantastisch mittelalterlich nehmen sich diese wandelnden Sackeln im Pflanzengrün aus.
Unfsere nächste Station Soerabaya war eigentlich eine notgedrungene. Von allen Seiten hatte man uns gewarnt, dorthin zu gehen, man sprach von vierhundert CholeraTodesfällen im Tage, aber unser beiderseitiger Kafsenetat stand auf Null. Sudem lagen die Süge und die Stunden, wo die Bank geöffnet, so, daß wir wenigstens einen Nachmittag, die Nacht und den folgenden Vormittag, bleiben mußten. Im tief im Grünen gelegenen Hotel Simpang fanden wir gute Unterkunft. Mein kleines Reisehandbuch hat bei diesem Gasthof angemerkt „immer überfüllt“. Jetzt war er leer,trostlos leer! Der Besitzer oder Gerant kümmert sich selber um die Gäste und füͤhrt eine bessere Küche er war Sranzose oder Belgier als gewöhnlich in Java.
Die Simmer sind nett und komfortabel. Ein mächtiges, ganz neues, feines Stück Seife auf dem Waschtisch nahm mich vollends für dieses treffliche Hotel ein, und auch mein Reisegefährte war seiner Seife wegen des Cobes voll. Am folgenden Morgen stand freilich auf jeder Rechnung ein mir anfangs unverständlicher Posten: Een stukk zeep,een Gulden (ein Stück Seife ein Gulden)!In Amerika und im ganzen „wilden“ Osten findet man in jedem Gasthofe, jedem Schiff Seife zum unentgeltlichen Gebrauch vor, eine Annehmlichkeit, welche die schweizerischen Gasthöfe ihren Gästen auch leisten könnten.Auf meiner ganzen Reise von Paris nach Neapel via Amerika, Japan, China u. s. w.war jenes Stück Seife in Soerabaya das einzige.welches ich kaufen mußte.Javanische Reisbäuche.[]Alte Tempel auf Java.
335 Wie Batavia im Westen, ist Soerabaya im Osten die bedeutendste Handelsstadt, ja übertrifft an Einwohnerzahl (50, 000 Menschen), an regem Geschäftsleben und Güte des Hafens Batavia um ein beträchtliches.
Wir nahmen uns einen Wagen und fuhren zuerst durch breite, mit herrlichen Schattenbäumen bepflanzte Alleen, nach dem Villenviertel, wo weiße Bungalows lauschig hinter mächtigen Palmwedeln und riesigen Bananenbüschen sich verborgen halten. Auch unten, dem Sluß entlang, sind schöne Villen, beneidenswerte Heimstätten, von ununterbrochenem Sommer beglückt. Näher an der Reede, wo Sahrzeuge vieler Nationen und aller Art liegen,stehen große Lagerhäuser und großartige Marinewerkstätten in holländischer Bauart.
Als wir abends im leeren Speisesaal beim Diner saßen, kam ein junger, blonder Mann und setzte sich an unseren Tisch. Wir sprachen einige englische Worte mit ihm und verabschiedeten uns. Einen Augenblick später kam der junge Herr auf mich zu:„Sie sind ja meine Landsmännin!“ „Und Sie“, rief ich erfreut, ihn erkennend, „sind der Sohn einer lieben, frühverstorbenen Schulkameradin und der Enkel meines alten,jetzt auch nicht mehr lebenden, verehrten Sreundes Pf. R.!“
Da wir in Batavia der Cholera wegen auf den Besuch von Soerabaya verzichteten,hatte ich die Adresse des jungen M. dort zurückgelassen. Nun sollte ein freundlicher Zufall mich an dem ersten und einzigen Abend, den ich in Soerabaya verbrachte, gerade den Landsmann treffen lassen, und es mir ermöglichen, ihm die Grüße der Seinen zu übermitteln. Wir verbrachten einige vergnügte Stunden zusammen, und spät erst gelangte ich zur Ruhe. In Anbetracht der Moskitos und der Hitze, die mich zu keinem ruhigen Schlafe kommen ließen, war die Nacht noch lang genug. Den folgenden vormittag konnten wir endlich unsere Bankgeschäfte abwickeln. Dann besuchte ich noch sderrn M. auf dem Schauplatz seiner Tätigkeit im „santoor“ und war angenehm berührt von der Überzeugung, daß mein junger Candsmann in einer geachteten Stellung sich befindet und glücklich, zufrieden und gesund in den fernen Tropen weilt.v“.
[536]Reise einer Schweizerin um die Welt.sapitel 22 Javanisehe Sommerfrischen.
Im Marinehotel in Pasoeroean. Banjoe Biroe. Affen. Raffeepflanzungen. Tosari. Auf dem Bromo.Sandsjee. Sindanglaya. Ausflug nach TCjiibodas. Urwald. Schmarotzerpflanzen. Lianen. Oa oder GibbonAffe. Blumen. Wasserfall von Tiiburrum. Rückjahrt nach Singapur. Mein chinesijcher Boy.Ausflug nach Johore. Palast des Sultans. Moschee. Tiger. Einschiffung nach Bangkok.
Den 7. Dezember mittags verließen wir Soerabaya,um uns dem füdöstlichen Teil unserer Reise durch Zava, dem hulkan Bromo zu nähern.Der „Trein“, wie der Holländer sagt, war übervoll,und halb geröostet erreichten wir nachmittags vier Uhr Pasoeroean, unser erstes Nachtquartier. Alles schien ausgestorben im Marinehotel,man hätte das ganze Haus wegtragen können. Endlich stolperte ich im künstlich verdunkelten Vorsaale über einen sackähnlichen Ballen, der zu meinem Erstaunen lebendig wurde, sich öffnete und einen entrüsteten Malaien gebar. Andere ähnliche Pakete lagen überall zerstreut umher.
„Wo ist der Hotelbesitzer?“ „Er schläft.“ „So geh' und weck' ihn auf!“
Entsetzt starrte uns der inzwischen erwachte Mandur an, eine solche Rücksichtslosigkeit auf die Ruhe seines Herrn war ihm jedenfalls noch nicht vorgekommen!Wir bekamen auch wirklich Mmyyheer nicht zu sehen, da er später, als wir wieder nach ihm fragten, aß. Nur eine Sata Morgana von Mevrouw im zwanglosesten Negligé glitt während des Diner an uns vorbei; das Haus war der malaiischen Dienerschaft vollständig überlassen.
Die zwei hellen Nachmittagsstunden wollten wir gerne noch ausnützen. Im schnellsten Tempo flogen zwei feurige Pferde mit uns Banjoe Biroe zu, wo ein durchsichtig blauer Teich und eine große Kolonie halb zahmer Affen viel besucht werden. Auch hier ist die breite, schöne Landstraße mit herrlichen, feingefiederten Tamarinden und gelb blühenden Akazien beschattet, die sich weiter gegen Banjoe zu []Javanische Sommerfrischen.
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Bromo.in riesigen Bambuswald verwandeln. Auf beiden Seiten sich nach innen neigend,bildet er ein undurchdringliches Laubdach. Vor den Hütten der Kampongs lagen srüchte aller Art unter geflochtenen Schirmen zum Verkauf aufgestellt. Cange, aus zierlichem Slechtwerk zusammengesetzte Wagen, in die man hinten durch ein Türchen gelangt, waren mir eine neue Erscheinung. Daß es an Kindern und hühnern nicht fehlte, die wie durch ein Wunder von den Rädern unseres Wagens verschont blieben, daran waren wir gewohnt. Noch erlaubte uns die Tageshelle, den im Schatten hoher Waringen-Bäume liegenden Banjoe Biroe-Ceich, das „blaue Wasser“, wie dieser Name verdeutscht heißt, zu sehen und uns an den unzähligen Affen zu erfreuen,welche auf Mauern und Badehaus hockten, im Wege herumhüpften oder uns von oben herab mit allerlei Delikatessen bombardierten. Niedlich waren die Affenmütter,die, ihre Kleinsten sorglich an sich gedrückt, bei unserer Ankunft schleunigst das Weite suchten oder, von älterer Hachkommenschaft begleitet, sich behende von Ast zu Ast schwangen. Schade, daß die Nacht so bald hereinbrach. Ganz finster war's unter dem flüsternden Bambus, als wir zurückfuhren, nur große Leuchtkäfer umringten uns gleich Sackelträgern und brachten einen Lichtschein ins Dunkel. In der serne grollte der Donner, und grelle Blitze zuckten aus einer schweren, zerrissenen Wolke. Bei strömendem Regen erreichten wir das Marinehotel. Die ganze Nacht rauschte das Wasser vom Himmel herunter, ohne die furchtbare Schwüle zu mildern oder die Sahl der Moskitos zu vermindern, die auch diese Nacht wiederum zu einer schlaflosen machten.
In der Morgendämmerung stand der Wagen bereit, welcher uns anfangs den Weg nach Banjoe Biroe führte, dann bog er gen Süden ab dem finsteren TenggerHebirge zu. Nach anderthalb Stunden waren wir in Paserpan, am Suße des Berges,wo ein neues Ponygespann unser wartete. Mühsam ging's auf steinigem Wege im Schritt nach dem 680 Meter über Meer gelegenen Puespo. Srische Luft und herrliche Ausblicke versüßten die sonst unangenehme Straße. Immer häufiger wurden
C. von Rodt, Reise um die Welt. 22
[338]Reise einer Schweizerin um die Welt.die Kaffeepflanzungen, gedeiht der Kaffee doch am besten in einer Höhe von 870 bis 950 Meter.
Da Javakaffee einen Weltruhm genießt, möchte ich einen Augenblick über diesen Baum und seine Kultur sprechen. Leider sieht es damit in den letzten Jahren nicht rosig aus, und scheinen auch zunächst, solange man dem Rostpilz nicht Meister werden kann,die Aussichten sich nicht zu verbessern. Da der CiberiaKaffeebaum widerstandsfähiger und gegen den Rostpilz unempfindlicher ist, pflanzt man ihn jetzt häufiger als den feineren arabischen. Er wächst viel höher, läßt sich nicht beschneiden, und die Bohnen müssen mittelst leichter Bambusleitern gepflückt werden. Die Bäume beider Sorten werden aus Samen gezogen und als 60 Centimeter hohe Setzlinge in gleichen Abständen gepflanzt. Um ihnen Schutz gegen Sonnenbrand und Wind zu geben,werden zwischen den Reihen Erythrinabäume gepflanzt, die einen leichten Halbschatten über die Kaffeepflanzen ausbreiten. Von einem gesunden Baume erwartet man im dritten oder vierten Jahre die erste Ernte. Je älter der Baum, um so besser die Srüchte, jedoch trägt er nur bis zum zwanzigsten Jahr. Gleich der Kakaopflanze blüht der Liberia-Kaffeebaum das ganze Jahr hindurch, während bei der arabischen Sorte zwischen der letzten Blüte und der Erntereife eine Pause eintritt. Aus den schönen, großen, weißen Blumen kommen erst grüne, dann rote, zuletzt violette Srüchte hervor. Während in Arabien die Srüchte ganz reif auf Decken herabgeschüttelt werden,pflücken hier die Arbeiter die noch roten Beeren mit der Hand ab. Das Losschälen der Bohnen geschieht entweder, indem man sie auf einen Haufen zusammenschüttet und liegen läßt, bis die Sruchtschalen aufspringen, oder indem man die vom Srucht-fleisch befreiten Samen im Wasser aufquellt, um sie dann besser aufquetschen zu können.
In Puespo warteten Tandus und Kulis zum Aufstieg nach Tosari. Ich war so ermüdet von den Strapazen der letzten Cage und Wochen die frische Cuft mochte auch dazu beitragen daß ich die drei ersten Stunden sozusagen verschlief. Wie im Traume ließ ich mich durch herrlichen Wald tragen, und als ich endlich zum Bewußtsein erwachte, fand ich mich auf vielfach zerklüftetem Bergrücken und, wie mir schien, direkt auf dem Wege zu den Wolken empor. Die letzte Stunde teilweise auf schlüpfrigem Treppenwege war mühsam und lang.
Cosari, ein vielbesuchtes Sanatorium für fieberkranke Europäer, liegt 1777 Meter über Meer und hat eine Durchschnittstemperatur von zwölf bis zwanzig Grad Celsius.Wir trafen vierzehn Grad Celsius und froren nicht wenig. Hatte ich die letzten Nächte wegen allzu großer Hitze nicht schlafen können, so sollte mich diese Nacht die Kälte nicht zur Ruhe kommen lassen. Wollener Decke und Plaid ungeachtet, fror ich aufs ungemütlichste. Das windumsauste Paus hat eine wunderbare Aussicht. Vor uns liegt die Meerenge von Madura mit der Insel gleichen Namens, unter uns schimmern in silbernen Reflexen Sischweiher und unter Wasser gesetzte Reisfelder, links erhebt sich anscheinend eine ganze Vulkanreihe, in Wirklichkeit nur drei Berge, der fünfgipflige Ardjoeno, der dreigipflige Kawi und der zuckerstockähnliche Penonggoengan. Daß diese Vulkane längst erloschen und dereinst von einem hochkultivierten Volke bewohni waren, davon sollen zahlreiche Cempelruinen, Buddha, Civa- und vishnuBilder Zeugnis ablegen.[]Dorf Cosari. (5. 338.)
[340]Reise einer Schweizerin um die Welt.Ein lieblichfarbenprächtiges Bild bietet der Garten des Kurhauses mit seiner Sulle „europäischer“ Blumen. Kornblumen, Cyklamen, Suchsien, Heliotrop und Rofen gedeihen in diesem kühlen Klima vortrefflich. Das aus rohen Brettern zusammengezimmerte Baus soll an norwegischen Bauftil erinnern. Echt tropisch dagegen sind die aus Holzrahmen und Bambusgeflecht gearbeiteten Wände der Simmer.
Ans Gasthaus stößt ein Dorf, an Bauart und Menschentypen vom übrigen Java verschieden. Plumper, derber als die anderen Javanen, verschmähen es diese freien stinder der Berge, vor den Europäern zu kriechen und zu knien. Auch ihre Religion ist eine andere. Als der Mohammedanismus mit Seuer und Schwert auf Java gepredigt wurde, flüchteten sie sich in das damals pfadlose TenggerGebirge, siedelten sich an und nahmen ihren halb heidnischen, halb brahmanischen Glauben mit und sind ihm bis heutigestags treu geblieben.
Unfer Aufstieg nach dem Bromo, dem größten noch tätigen Seuerberg Javas,war leider mit viel Nebel und Regen verbunden. Waährend des zweistündigen Rittes zum Moengel-Paß umhüllte uns ein dichter, feuchter Wolkenschleier, der sich erst lüftete, als wir, von den Pferden gestiegen, einen steilen Pfad hinaufklommen. Da öffnete sich zu unseren Süßen ein Bild, so fremdartig grauenhaft, so frostig tot, als läge ein Hauch ewiger Verdammnis darüber. Der große graue See, aus dem vier vulkanische Inseln emporsteigen, füllt eine kreisrunde Släche von acht Kilometern aus. Aber optische Täuschung nicht Wasser, sondern LavaAsche liegt vor uns,kein See, sondern der ungeheure Krater eines nicht weniger ungeheuern Vulkans, des Tengger. Als er feine Tätigkeit verlor, bildeten sich vier neue tätige Vulkane aus ihm heraus: der Widodaren, der Giri, der Bromo und der Batuk. Stolz isoliert,mit schön abgeflachtem Kegel, erhebt sich Berg Batuk. Wenn ich nicht im Begriffe stände, ihn einem Riesen-Pudding oder einem Bierbrote zu vergleichen, würde ich ihn als eine ideale Erscheinung bezeichnen. Hinter dem gewaltigen Tengger-Krater steigt der höchste Seuerberg Javas, der 8671 Meter hohe Semeroe, empor, dessen rauchumwehtes Haupt nur einen kurzen Augenblick aus der schweren Wolkenwand hervorbrach.
Stille? Um uns her, auf der unendlichen Lavafläche drunten im Krater, ja!Doch vom Bromo her klang ein dumpfes Brausen, ein Hämmern und Pochen, ein Schnauben und Dröhnen! Einmal im Jahre, im Mai, belebt sich der Desar oder Sandsee mit Hunderten von Menschen. Dann schreiten die Männer von Tosari und den umliegenden Dörfern drüber hinweg zum Bromo. Priester, in buntscheckigen, mit kabbalistischen Seichen bestickten Gewändern, steigen am Kraterrande empor und werfen Opfer hinunter in seinen gähnenden Schlund für ihren Gott Dewa Soenan Hoe.
Mühsam war für Mensch und Tier der Abstieg hinunter auf die Släche des Sandsees. Ein halbstündiger Ritt brachte uns an den Suß des Bromo, dessen Aufstieg mir dagegen wenig beschwerlich vorkam. In phantastisch geformten Wellen und Kiemen liegt die erstarrte Vulkanmasse übereinander getürmt, bald Kaskaden, bald plumpe Kuppen bildend, die Schöpfung einer finsteren Dämonenmacht! Von oben schauten wir hinein in den engen, rauchenden Schlund, dessen steile Wände stellenweise []Javanische Sommerfrischen.
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Sandsee mit Vulkanen.ein zartes Gelbgrün zeigten, als ob der Schwefel sich daran gefallen hätte, die lichten Sarben einer Srühlingswiese an diese Stätte des Grauens zu malen. Ganz in der Tiefe, beinahe verborgen unter einem schwarz überhängenden Selsen, gähnt ein feuriger Kessel. Sausend, zischend, heulend hob sich plötzlich eine riesige Slammengarbe aus dem Krater empor, um wie ein Craum hoch über uns zu verschwinden in einer weißen Dampfwolke.
Wie grausigschön! „Ja, die Natur ist immer schön, ob sie lächelt oder im Sorn droht, ob sie vernichtet oder werden läßt.“
Unter diesem Eindruck schieden wir vom Bromo.
Swei strapazennreiche Reisetage brachten uns über Passoeroean zurück nach Maos, aus der Kälte der Tengger-Berge ganz unvermittelt in die Tropenglut der vom Sieber heimgesuchten Sumpfniederungen. Der dritte Tag sah uns wieder in West Java, doch verließen wir vor Buitenzorg die breite Heerstraße der Cisenbahnlinie. In Tjiandjur setzten wir uns in einen Dos-à Dos, und nochmals ging's den Bergen zu. Sindanglaja hieß unsere Station, ein großes, etwas verfallenes Rurhaus mit vielen Nebengebäuden. Auch hier spielte der Mandur die Rolle des Besitzers,welcher sich überhaupt nicht sehen ließ. Sindanglaja ist ein Höhenkurort für kranke Curopäer, eine Erholungsstation in frischer Luft und herrlicher Gegend. Der Ort liegt etwa 00 Meter hoch.
Im Hause waren wir nahezu die einzigen Gäste. Die große Stille nach dem rastlosen Hin und Herjagen der letzten Wochen berührte mich unendlich wohltuend, und ich erinnere mich lebhaft des Wonnegefühles, das ich abends in meinem Rohrstuhl auf der Veranda behaglich hingestreckt empfand. Nicht einmal lesen war möglich, dazu brannten einige spärliche Petrollampen allzu lebensmüde, und in dem Schlafzimmer flackerte als einzige Beleuchtung ein mit Kokosol gefülltes Nachtlichtchen. Keine Moõglichkeit, sich zum Diner in Coilette zu stürzen, gottlobl Unhörbar schlich nur zuweilen ein malaiischer Diener im bunten Kopftuch und noch bunteren Sarong an
[342]Reise einer Schweizerin um die Welt.mir vorbei, oder eine riesige Sledermaus schwirrte über meinem Haupte. Betäubend dufteten die Rosen, und eine weiße, lilienartige Blume aus dem verwilderten Parke fandte uns ihre narkotischen Grüße. Ein Gang durch den Garten hatte mir Rosen in ungeahnter Sülle und Schönheit gezeigt, die unbeachtet, ungepflückt entblätterten.sdalb im Schlafe schaute ich den kleinen TCjitjaks zu, die geschäftig an den weißen Simmer und Verandawänden der Moskito-Jagd oblagen. Entging ihnen ihre Beute, so pflegten sie, einen schrillen, empörten Ton von sich zu geben. Ich habe mich sehr schnell an die Simmergenossenschaft der harmlosen Tjitjaks gewöhnt.Im übrigen sah ich viel weniger Kriechendes und Sliegendes in Java, als ich
Bananenzweig.erwartete. Schlangen habe ich niemals im Bett, noch Skorpionen unter dem Kopf-zissen oder in den Pantoffeln gefunden, wie ich in einigen Reisebeschreibungen vorher gelesen hatte.
Es gibt Tage im Leben und auf Reisen, um die sich gleichsam ein roter Glücksfaden schlingt, Tage, die in der Crinnerung auch lange Jahre später noch in leuchtenden Sarben fortleben. Solch ein Tag sollte der 12. Dezember 1901 für mich werden.
In aller Srühe brachen wir mit Reitpferd und Tandu nach dem Berggarten Tjibodas, einer Siliale des Buitenzorger botanischen Gartens, auf, wo manches gedeiht,was in der heißen Cbene nicht fortkommt. Der Weg führte nicht allzu steil aufwärts,munter trabten meine vier kräftigen, braunen Malaien, denen ich durch häufiges Gehen die Aufgabe sehr erleichterte, und gemächlich ritt mein Gefährte hinterdrein.[]Bei Sindanglaya. G. 342) [] Javanische Sommerfrischen.Einige frisch gepflückte große Bananen und ein meterlanges Bonbon,d. h. ein Suckerrohrstengel, den ein Kuli auf dem Selde schnitt, versüßten uns den Weg.Ein wonniger Sommertag war's,obschon wir obiges Datum schrieben.Die purpurene Rauchfahne des Vulkans Gedeh, deffen Abhang wir erklommen, erschien als die einzige Wolke am Himmel. Wendeten wir uns nach rückwärts, so schwamm einer Sata Morgana gleich die bizarr gezackte Kette der Krawang und Koedjong Berge blau in blauer Luft,und um uns her war die Natur in das blühende Grün des Srühlings getaucht.Nach anderthalb Stunden überschritten wir den tiefen Einschnitt des Tjibodas,malaiisch für Weißenbach, und betraten damit das Bereich des Berggartens, welches 31 HBektaren umfaßt und 1425 Meter über Meer liegt. Ein mit herrlichen, hohen Koniferen beschatteter Weg führt in diesen großartigen Naturpark, in defsen hügligem Rasen schöne Baumgruppen stehen. Dunkle Araukarien und Sedern wechseln mit wundervollen Baumfarnen ab, deren zartgrüne Wedel leise im frischen Bergwinde wehen. Den Hintergrund des schoönen Bildes schließt der Swillingsgipfel des Gedeh,der 2258 Meter hohe Pangerango, ab. Ganz merkwürdig struppig sehen neben dem hübschen Stationshause drei sogenannte australische Grasbäume (Xanthorrhœa australis) aus, die astlos aus dickem Stamme einen grünen Riesenschopf hervorschießen lassen.Und nun hinein in den Urwald, der unmittelbar hinter Tjibodas anfängt, und wo bis auf wenige Pfade alles unbeschnitten und uneingedämmt wachsen darf, wies eben will. So wenig eine Malerei und noch viel weniger eine Photographie, mag sie auch die beste sein, annährend dem Sauber des Urwaldes gerecht wird, so wenig kann meine Seder ein schönes und gutes Bild von den Wundern des Cjibodas-Waldes entwerfen. Ich muß mich beschränken, stückweise einige Bestandteile des Ganzen zu schildern, das ist alles.Ein zuerst ziemlich bequemer, dann ganz verwilderter Pfad führte uns immer tiefer in ein Baum und Lianengewirr, das in bunter Mannigfaltigkeit jede Lücke, jeden kleinsten Raum ausfüllt. Oft haben sich fünf bis sechs Samilien auf einem einzigen
Im Berggärten von Tiibodas.
[344]Reise einer Schweizerin um die Welt.Baume angefsiedelt.Parasiten (Schmarotzer) und Epiphyten nennen die Botaniker diese Pflanzen, welche nicht nur ihre Wohnung, sondern auch oft ihre Rahrung auf anderen Gewächsen suchen, indem sie sich an Rinden, Wurzeln und sogar auf der Oberfläche von Blättern ansiedeln.Seltsam auffallend ist der sogenannte Vogelnestfarn (As-plenium nidus avis), welcher einen tiefen Kelch bildet, aus dem sich bis zwei Meter lange schmale Blätter nach außen biegen. Aber nicht Vögel hausen in diesen estern, sondern Spinnen und rosige Regenwürmer, von denen einer in ungeahnter und ungeheuerlicher Größe (dreißig Centimeter) zu meinen Süßen niederfiel. Gerne setzen sich die Vogelnestfarne an den Lianen fest, die sich in schönen Girlanden oft von Baum zu Baum schlingen. Ihre holzigen, schiffstauähnlich gewundenen, oft bis in die Höhe von mehreren Metern blatt- und blütenlosen Stämme erreichen zuweilen die fabelhafte Länge von hundert Metern. Manche Lianenart, wie z. B. die wilde Waldrebe, besitzt dieselbe Cigenschaft wie der „Baum der Reisenden“. Ihre Rohren sind mit reinem, trinkbarem Wasser angefüllt.
Die und da sperrte ein mit Moos und Sarnen bewachfener Waldriese uns den Weg, manchmal auch führten tau und regenglatte Stämme über den wild dahinbrausenden Bach, der zeitweise unser Begleiter war. Um die Wette mit ihm rauschte der Wind durch die hohen Wipfel. Unsichtbare Voögel ließen ihr Lied erklingen, und hie und da zog's klagend: „Oa, Oa“ durch den Wald. Plötzlich deutete ein Kuli mit dem Rufe Oa auf einen grauen Affen, der nicht zu klettern, sondern von Ast zu Ast zu fliegen schien.
Die GibbonAffen ich entnehme folgendes dem trefflichen Buch Ernst Haeckels,„Infulinde“ gehören neben dem OrangUtan (malaiisch für Waldmensch) zu den Alleinvertretern der asiatischen Menschenaffen. Bekanntlich sind der Schimpanse und der Gorilla unsere „afrikanischen“ Vettern. Unter allen lebenden Wirbeltieren der Gegenwart stehen obgenannte vier Affenarten in ihrer gesamten Organisation dem Menschen am nächsten. X
Der Gibbon--Affe (Iylobates leuciscus)), von den Eingebornen nach seinem
Wasserfall im Urwalde.[]TijiburrumWasserfall. (5. 345.) [] Javanische Sommerfrischen.
345 Kuflaute Oa genannt, ist ausschließlich auf Java zu HWause. Aufrecht stehend mißt er kaum einen Meter; schwanzlos, von hellgrauer Sarbe, das kleine Gesicht schwarz und von einem weißen Barte eingerahmt, kommt er an Statur einem sechsjährigen Kinde gleich. Haeckel erinnert sein Aussehen an einen bankerotten, von schweren Sorgen geplagten Bankdirektor, der mit gerunzelter Stirn über die Solgen eines großen Kraches nachdenkt.
Die meisten Malaien betrachten Gibbon und OrangUtan nicht als gewoöhnliche Tiere gleich den übrigen Affen. Die einen halten sie für verzauberte Menschen, die sich einst im Walde verirrten, die anderen für Missetäter, die zur Strafe ihrer berbrechen in Affen verwandelt worden sind, noch andere für in der Seelenwanderung begriffene Menschen. Solgende naive Geschichte wird im vVolke geglaubt:
„Swei kleine Geschwister, Bruder und Schwester, gingen einst mit ihrer Tante Oa im Walde spazieren. Eifrig suchten sie Srüchte und verloren dabei ihre Verwandte.Verzweifelt riefen sie ihren Iamen und suchten sie vergeblich tage und nächtelang.Vom Hunger geplagt, kletterten sie auf die Bäume, wie sie es von den Affen sahen,und fristeten ihr Leben mit Srüchten. Allmählich verwilderten die beiden Kinder so sehr, daß sie das Sprechen und ihre menschlichen Angewöhnungen völlig vergaßen und ganz zu Affen wurden, die sich nur noch des Namens ihrer Cante Oa erinnerten,welchen sie häufig durch den stillen Wald erschallen ließen. Als die Kinder erwachsen waren, verheirateten sie sich und wurden die Stammeltern der Oa-Affen.“
Blumen gab es nicht viele im Urwald, nur hie und da schimmerte eine feltene Orchidee oder die Alpenrose Javas, das feurigrote Rhododendron retusum, hoch oben in den Kronen der Bäume. Das Pflanzenchaos war allmählich so dicht geworden, daß ich meinen Tandu, mein Gefährte sein Pferd verlafsen mußte, um uns zu Suß durch Ingwer-Büsche, riesige, hellgrüne Elettarien-Blätter und Bambus zu winden. Oft wateten wir im Wasser, und bald fühlte ich mich bis über die Knie durchnäßt.
Immer näher lälang das Rauschen. Durch die Bäume hatte ich einen Wasserfall jschimmern sehen.Einen Augenblick später standen wir in einem engen Talkessel, den dunkle, senkrechte, hohe Selswände einschließen. Ein Schrei potel in Johore. Vorn „Bäume der Reisenden“.
[346]Reise einer Schweizerin um die Welt.der Bewunderung töõnte gleichzeitig von unseren Lippen! Gleich Lawinen, die sich unten in feinen Staub auflösen, sausen aus einer Höhe von 130 Meter drei prächtige Sälle von den moos und farnbewachsenen Selsen hinunter. Wie Schleier umweht uns ihr Gischt, und Tausende von Regenbogen spielen in den hellbeleuchteten Wasserstrahlen.dier wohl ist die schönste, stimmungsvollste Stätte des javanischen Urwaldes.
Wie ein voller, schöner Akkord schloß dieser Ausflug die drei reichen, wohlausgefüllten Wochen auf dem smaragdgrünen Eiland von Java ab. Wie Waldestraum lag es noch in meinem Herzen, als wir am folgenden Tag auf schöner Bergstraße zu Wagen Buitenzorg, dann Batavia zueilten.
Nach glücklicher, zweitägiger Meeresfahrt waren wir wieder in Singapur eingetroffen und bereiteten uns zu neuen Taten vor. In RafflesHotel begrüßte ich nach seinen malaiischen Kollegen mit Enthustasmus meinen trefflichen, chinesischen Simmerboy. Einen gelinden Verweis mußte ich ihm freilich schon folgenden Tages angedeihen lassen, als er mir sehr zur Unzeit und unangeklopft ins Simmer drang. Die Antwort lautete zwar amüsant, wenn auch nicht gerade beruhigend: « Me always lookie first Keyhole, before come in.“ OEch gucke immer erst durchs Schlüsselloch, bevor ich eintrete) Ich lachte so sehr, daß eine Drohung von Bamboo chow-chow, eigentlich Bambus essen, in Wirklichkeit Prügel bekommen, welche die Chinefenboys sehr ürchten, ganz vergeblich gewesen wäre.
Der Ausflug nach dem Sultanat Johore oder Dschohor füllte den nächsten Tag aufs angenehmste aus. Die schöne Sahrstraße, die besonders, auch mit Java verglichen, reiche und üppige Vegetation, welche namentlich im Gegensatz zu der tiefroten Erde reizvoll erscheint, die kleinen Dorfer und vielen Menschen aller Rassen gestalten die zweistündige Sahrt zu einer sehr schönen. Im Gegensatz zu den kleinen Javanen entzückten mich aufs neue die schon erwähnten KlingMalaien. Malerisch drapierte rot und weiße Kopf und Lendentücher, nebst einem Goldknöpfchen am rechten Nasenlügel und einigen Ringen an der Mittelzehe beider Suße, bilden die einzige Bekleidung.Auf hohen, mit höckrigen Sebu bespannten Wagen fahren sie einher oder schreiten groß und schlank mit wirklich königlichem Anstand durch die Straße.
Am Nordende der Infel Singapur endigte unsere Sahrt. Durch einen schmalen Meeresarm getrennt, liegt das Sestland von Dschohor gerade gegenüber. Am Strande fanden wir Sampans, braungraue Gänse mit dunkelm, nach abwärts gebogenem Schnabel und Nasenhöcker, und eine quiekende Schweinegesellschaft. Die Ärmsten harrten, in langen rohrförmigen, zierlich geflochtenen Bambuskörben einzeln verpackt,des Transportes nach hüben oder drüben.
Ein Sampan schaukelte uns in langsamstem Tempo an eine verfallene Steintreppe in nächster Nähe des kleinen, komfortabeln Johore-Gasthauses, welches uns einen viel besseren Tiffin bot, als jemals das große Raffles-Hotel. Mit Sreuden setzten wir uns wieder in die altgewohnten ANinrikishas und fuhren zunächst nach dem Palaste des Sultans. Der noch junge Herr, welcher seinem 1895 verstorbenen vater in Würde und „Regierung“ folgte, war augenblicklich in England und soll überhaupt vollständig anglisiert sein. Das sah man dem ganz europäisch ungemütlich ausgestatteten Palais an, wo nichts Orientalisches, als herrliche, chinesische und japanische Vasen und eine []Javanische Sommerfrischen.
347 wundervolle Aussicht auf die herrlichen Gärten fich bot. viel schöner ist das Sultanspalais in unmittelbarer Nähe des botanischen Gartens in Singapur. Dort find die europaisch wirklich geschmackvoll ausgestatteten Räume mit herrlichen Kuriositäͤten angefüllt, reich in Gold verzierten Elefantenzähnen, wunderbaren japanischen Stikkereien, Porzellanen u. s. w.
Ein Muster protziger,etwas aufdringlicher Pracht bietet die weithin sichtbare,fünftürmige, ich vermute neue Moschee, mit ballsaalartiger Halle, glänzendem, weißmarmornem Sußboden und großen KristallKronleuchtern. Auch das große Baffin für religiöse Waschungen prangt in blendend weißem Marmor.
In engen Käfigen, unweit des Palastes, führen sechs oder sieben Prachttiger ein jedenfalls trauriges Dasein. Ich habe eine vielleicht sentimentale Sympathie für diese wilden Tiere, denen mit der Sreiheit alles genommen wird. Ein jähes Ende, ein Schuß, nur kein langes Dahinsiechen in trauriger Gefangenschaft! Daß sie weniger an Nahrungssorgen leiden müssen, als ihre unglücklichen, auf Hundekost gesetzten Kollegen in Soerakarta, bezeigt ihr guter Sustand und herrliches, samtglattes Sell.
Nach den Auffschriften auf ihren Käfigen sind die Tiger alle innerhalb der letzten zwei Jahre, der letzte erst vor zehn Tagen, im Gebiete von Johore gefangen worden. Vor wenigen Jahrzehnten noch pflegten die Herren Tiger der Stadt Singapur häufige Besuche zu machen, indem sie über die Meerenge schwammen. Jetzt ist ihnen Singapur wohl zu englisch geworden, und sie beschränken sich auf ihre heimischen Dschungeln in Johore.
Abgefsehen von BriefmarkenCinkäufen beim sehr zuvorkommenden Posthalter und einigen Spielhöllchen, die wir nicht besuchten, ist in Johore nichts zu holen.Das Städtchen sieht einem Dorfe ähnlich. Die Sahl der Bewohner des Sürstentumes beträãgt 90,000 Chinesen und 50,000 Malaien.
Mit dem Ausfluge nach Johore nahm unser zweiter Aufenthalt in Singapur,das wir einige Wochen später ein drittes Mal berühren sollten, ein Ende.
Den folgenden Cag, am 18. Dezember, schifften wir uns auf dem Dampfer „Deli“nach Siam, dem Reiche des weißen Elefanten, ein.
Die Moschee in Johore. []
Ein Weihnachtsabend in Bangkok.
Ein Weihnachtsabend in Bangkok.
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Siam.
Ein Weihnachtlsabend in Bangkok.
Reise auf der, Deli“. Reisegesellschaft, Chinesen. Wohnungen. Rinder. Suchen unseres Potels. Geschichte Siams. Gründung Bangkoks. Rönig Tschulalongkorn. Ein Brief des Königs. Bazar in DussitPart.Toiletite bei Hofe. Schwarze Zähne. Musik. Dem Rönige vorgestellt. Gecko.
MNicht einmal der schmucken kleinen „Deli“ und dem besten aller Kapitäne gelingt es, im Dezember beim Wehen des Nordost-Monsuns die Seefahrt SingapurBangkok zu einer Vergnügungsreise zu gestalten.Dazu ist die „Deli“ zu klein, das Meer und die 835 Seemeilen betragende Entfernung zu groß. Weht kein widriger Wind und wird die Barre am MenamSluß zur richtigen Seit erreicht, so dauert die Sahrt von Singapur bis Bangkok vier Tage, fie kann aber auch länger ausfallen.Nicht viele Reisende eilten mit uns zugleich dem Reiche des weißen Elefanten zu. Im ganzen warens sechs. Swei etwas aufgeblasene Japaner, die übrigens von der Seekrankheit viel in Anspruch genommen wurden, ein Engländer und der neue portugiesische Konsul für Siam, welcher mit Srau, Söhnchen und Magd im Begriffe stand, seinen neuen Posten in Bangkok anzutreten. Su meinem Erstaunen sprachen die Leutchen nur Portugiesisch, der Herr Konsul außerdem einige wenige Worte Sran‚osisch, kein Englisch. Wie die Ärmsten ohne letzteres fortiommen wollen, ist mir ein Rätsel. Ich glaube, ihnen auch. Die Srau namentlich sah schon ganz heimwehkrank aus, sich sehnend nach ihrem schönen Portugal und ihrem großen Jungen, den sie auf der Schule in Lissabon zurücklassen mußte. Meine paar spanischen Brocken.,
[350]Reise einer Schweizerin um die Welt.tönten ihnen wie Musik, denn die Sprachnot war schon auf der „Deli“ für sie angegangen. Während der Sahrt mußte ich fortwährende Mißverständnisse zwischen Kapitän, Steward und Portugiesen aufklären.
Unser Kapitän, ein alter ostpreußischer Seebär, stolz auf den guten Ruf seiner schmucken und komfortabeln kleinen „Deli“, welche bis vor kurzem zwischen Singapur und Sumatra gelaufen war, sorgte väterlich für seine Passagiere, die zugleich sämt:lich mehr oder weniger seine Patienten waren. Mir allein war es möglich, mit dem Kapitän im Speifesaal zu tafeln, und einmal nur mußte ich ihm sagen lassen, ich zöge die Stille meiner Kammer und strenges Sasten seiner Unterhaltung vor.
Am Morgen des vierten Cages kamen grüne Inseln in Sicht, und niedliche,kleine Vögelchen, die ersten Siamesen, flogen auf Deck. In ängstlicher Spannung beobachtete der Kapitän den beschleunigten CLauf unserer „Deli“, und wirklich kamen wir mittags ein Uhr, eine vViertelstunde vor Eintreten der Ebbe, an der Barre des MenamSlusses an. Der Unterschied zwischen Ebbe und Slut beträgt hier zwei bis drei Meter. Leicht glitt die „Deli“ über die kritische Stelle, wir waren im palmenumfsäumten Sluß, und Siam, das geheimnisvolle Reich des weißen Elefanten, lag in irklichkeit vor mir.
Vorläufig aber nicht das Land der Elefanten, sondern Siam, das Cand der Tempel und Alöster, der Wächter des reinen buddhistischen Glaubens. Auf der kleinen Slußinsel Paknam schimmert weiß, mit vergoldeten Cürmen gekrönt, ein „Wat“, wie hier die Tempel heißen, sonderbare Gebäude, die an phantastische Gebilde von Zuckerbäckerhand erinnern. Im Schatten der Bäume, am Ufer des Menam, an den Kanälen, auf der Spitze der Berge werden wir sie zu Hunderten finden, diese „Wat“!,die so kühn ihre spitzen goldenen Nadeln, ihre Slammengiebel in die blaue CLuft um die Wette mit den schlanken Palmen emporsenden. Dazwischen krümmen sich die goldenen Drachen und Chimären der chinesischen Joßhäuser, denn die Söhne des himmlischen Reiches leben in Menge im Lande des weißen Elefanten.
Wat Prahcheidi.[]Auf dem Menam.
(5. 349
[352]Reise einer Schweizerin um die Welt.In Bergwerken und Reismühlen, in den kaufmännischen Geschäften der Europäer als Monopolpächter, überall sind die fleißigen Chinesen an die Stelle der indolenten,trägen Siamesen getreten. Ja, die Töchter aus dem Königreiche der Sreien, wie Siam bei den Eingebornen heißt, wählen sich häufig ‚Himmelsfoöͤhne“ zu Gatten, statt ihrer eigenen Stammesgenossen. In diesem Salle stehen sie gewöhnlich einem Gemüseoder sonstigen Handel, welcher hier auf schwimmenden Booten betrieben wird, vor, während der Mann in der Hauptstadt der Arbeit nachgeht. Die Kinder dieser Mischehen, „Lukthins“genannt, gelten in der Regel für ganz tüchtige Leute. Bis zum Jünglingsalter hängt auch ihnen der Sopf hinten, dann opfern sie ihn zuweilen der neuen Heimat.
Der Lotse, welcher uns über die Barre gebracht, bugsierte uns weiter durch den windungsreichen Menamfluß, welcher gleich dem Nile nicht wenig zum Gedeihen des Landes beiträgt. Die Sruchtbarkeit des Bodens hängt ganz von der jährlichen Überschwemmung des Menam und seiner Nebenflüsse ab. Selbst in dem hochgelegenen Cande der LaoStaaten steigt das Wasser während der Regenzeit ungefähr 2.4 bis 3 Meter.Lin Ausbleiben der Überschwemmung würde für die Reisernte verhängnisvoll sein.
Unsere Slußfahrt dauerte drei Stunden. An Sischhallen und Reusen, an Kokospalmen und Reisfeldern, an Wats und alten Befestigungen vorbei wanden wir unseren Weg. Immer zahlreicher wurden Boote und Sampans, welchen wir begegneten, und venn ich unsere Japaner an Bord mit diesen Bootsleuten verglich, hätte ich sie für nahe Vettern halten können. Dieselbe braungelbe Sarbe, dieselbe Größe und ähnliche Kopfform.
Die Sampans haben gewölbte, mit geflochtenen Matten belegte Dächer, die an venetianische Gondeln erinnern. Ebenso venetianisch erscheinen die zahllosen im und am Wasser erbauten Häuser. Sreilich an Stelle von Marmor und Granit sind hier Bambusstangen und Palmenblätter getreten, und nicht feste Paläste, sondern auf Pfählen, ja nanchmal auch auf Bambusflößen errichtete Hütten stehen vor uns. Diese Sloöße sind an eingerammten Stämmen festgemacht und haben den Vorteil, daß, falls man nicht länger Gefallen an feiner Nachbarschaft findet, das schwimmende Haus einfach losgebunden und anderswo befestigt wird. Eine Leiter führt meist in das auf hohen Pfählen erbaute Häuschen, das öfters einen Laden auf der Vorderseite zum Verkauf von Lebensmitteln und Copfereien besitzt. Viel Raum beanspruchen die Leutchen ja weder für sich noch für ihren Hausrat, der zum guten TCeil aus geflochtenen Matten und Kissen, einigen tönernen Töpfen, einer eisernen Pfanne und einigen Löffeln aus Kokosnußschale besteht.
Da es nirgends an Kindern fehlt, hängt meist ein einfacher, länglichviereckiger storb an vier langen Stricken von einem Dachbalken herunter. Im Korbe befindet sich eine Matratze. Das Kind kann liegen oder, ohne herauszufallen, an den hohen Seitenwänden aufftehen. Diese sind so eingerichtet, daß sie, wenn die sWiege nicht gebraucht wird, flach nach innen zusammenfallen. So kann die Wiege in irgend eine Ecke gestellt werden, ohne Raum wegzunehmen. Diese siamesische Wiege wäre in unseren modernen engen Wohnungen am Ende gar nicht übel angebracht. Dabei müßte sich dann freilich das von der modernen Hygiene als dummmachend verpönte „Wiegen“in ein vielleicht zeitgemäßeres „Schwingen“ verwandeln.[]Siamesische Kinder. (S. 353.) [] Ein Weihnachtsabend in Banghkolt.
Gleich feinen übrigen afiatischen Brüderchen und Schwesterchen, nimmt das siamesische Baby früh teil an Sreud und Ceid der Samilie. Bis es auf eigenen Sußen steht, reitet es auf dem Rücken oder den Hüften seiner Srau Mama und führt bis zum fünften Jahre ein paradiefif ches Dasein,denn einige Hals und Armspangen und ein silbernes Herzchen als „Seigenblatt“ bilden die einzigen Bekleidungsstücke, welche häufig auch fehlen, wenn die bermögensverhältnisse der Eltern fie nicht gestatten.Zum täglich mehrmals wiederholten Bade steigt die ganze Samilie die Leiter ihres shauses hinunter in den Sluß, wo nicht nur gebadet, sondern zugleich reichlich von dem trüben Wasser getrunken wird.
Noch eine große Windung machte der Menam, dann lag plötzlich Bangkok vor uns, das zivilisiert moderne, mit den hohen Sabrikschloten und den eleganten, weißen,königlichen Dampfern, die hier vor Anker liegen, und Bangkok das hinterindische,mit seinen Palmen und süßduftenden Plumerien-Baumen und den am Ufer badenden.braunen Menschen.
Unvergeßlich wird mir unsere Ankunft und Sahrt ins Oriental Hotel bleiben. Auf den Rat unseres guten Ktapitäns hin hatten wir durch den Schiffsjungen einen Wagen holen lassen, der uns und unser Gepäck ins nahe liegende Hotel befördern sollte. Nach langem Warten erschien er, aber so klein, daß neben unserem Gepäck wenig Platz zum Sitzen blieb, und die Beine aus Mangel an Unterkunft zum Wagen hinausbaumeln mußten.CTröstend rief uns der Kapitän nach, die Sahrt würde kaum fünf Minuten dauern.
Wir waren schon eine halbe Stunde unterwegs und immer noch nicht am Siel.Ich fing an, unruhig zu werden, doch da der Kutscher jedesmal freundlich nickte,wenn wir ihm Oriental Hotel zuriefen, dachte ich, der Kapitän hätte sich eben geirrt,und alles wäre in Ordnung. Weiter fuhren wir an Kanälen und über Kanäle, an europäischen, chinesischen und fiamesischen Vierteln vorbei, die Nacht begann, sich über die Erde zu breiten, und fragend schaute sich der Wagenlenker zuweilen nach uns um. Ich bat meinen Gefährten, einen Curopäer nach dem Wege zu fragen, oder ein europaisches Geschäft aufzusuchen, um dort Erkundigungen einzuziehen. Siemlich verdrießlich antwortete mein Sreund, wir würden schon richtig ankommen, ich hätte überhaupt immer die Gewohnheit, zu viel zu fragen. Hierauf hüllte ich mich in ein eigensinniges Schweigen. Obschon ich sehr unbehaglich saß, sah ich fortan mit einer Art Schadenfreude, wie wir im Kreise herumfuhren, und immer wieder dasselbe Städtebild, jetzt in Gaslichtbeleuchtung, fich präsentierte. Endlich entschloß sich mein Sreund, Erkundigungen nach dem Wege einzuziehen.
C. von Rodt, Reise um die Welt.
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Rapitän der „Ddeli“.[224]34
Keise einer Schweizerin um die Welt.Der Geschãftsinhaber, den wir befragten, entpuppte sich als Grieche,und da es sich fand,daß unser unglücklicher Kutscher nur Malaiisch und kein Siamesisch sprach,und sich hier gerade niemand mit ihm verständlich machen konnte, ließen wir auf griechischen Rat hin unser Hab und Gut inden stattlichenLaden unseres neuen
Sreundes tragen und entließen unseren Wagen. Der Grieche sandte hierauf nach einem andern Kutscher, allein da erging es uns wie mit den zwei Gulden im Vreemdelingenstantoor in Batavia. Der Herr schickte einen Boten nach dem andern aus und keiner kehrte zurück.
Zwischen Konservenbüchsen und Gepäck hatte ich mich unterdessen niedergelassen,die wehrlose Beute eines blutgierigen Moskito-Schwarmes. Auch unseres freundlichen Griechen Lage schien nicht beneidenswert. Alle Augenblicke erschallte aus dem oberen Stockwerk eine keifende, grelle Srauenstimme, die offenbar zum Diner rief,worauf der Grieche stets beschwichtigend leise antwortete. Der arme Mann scheute sicher den Sorn seiner besseren Hälfte, andernteils wagte er nicht, wildfremde Menschen allein in seinem wohlgefüllten Laden zu lassen, und all seine dienstbaren Heister waren auf der Suche nach einem Wagen.
Endlich, es war inzwischen 72/3 Uhr geworden, und um 5 Uhr hatten wir unsere Odysseus-Sahrt angetreten, erschien ein Wagen. Nach einer Sahrt von zwanzig Minuten kamen wir glücklich im Oriental Hotel an, wo unterdessen die Japaner und der Engländer von den schlechten Simmern die wenigst schlechten ausgewählt.Vir mußten mit den übriggebliebenen vorlieb nehmen.
Bevor wir unsere Wanderungen durch Bangkok antreten, möchte ich die Geschichte Siams und seiner Herrscher kurz berühren.
Die Jahrbücher des Reiches datieren von 638 n. Chr., d. h. von der Einführung des Buddhismus als Staatsreligion an. Die Residenz lag damals am oberen Menam im LaoLand, ward aber von den aus Nordwesten nachdrängenden Birmanen immer weiter nach Süden, 1350 nach Ajuthia, hundert Kilometer von der Mündung des Menam entfernt, verlegt. Mit China wurde ein freundschaftliches, tributpflichtiges Verhältnis unterhalten. Vom XIV. bis zum XVII. Jahrhundert war Siam im steten []Ein Weihnachtsabend in Bangkok.
355 DO zeitweise mit Malakka verwickelt. Im Innern folgte Revolution auf Revolution; nirgends war wohl die Chronfolge so ungeregelt wie hier.Infolge davon kam 1567 bis 1596 Siam in die Gewalt der Birmanen.
Cin Curopäer, Konstantin Phaulkon aus Kephalonia, schwang sich später zum ersten leitenden Minister des Reiches empor und schuf als solcher viele gute Einrichtungen. Unter ihm, den die auch hier wirkenden franzssischen Jesuiten stark beeinflußten und für die römische Kirche gewannen, wurde eine Gesandtschaft zu Konig CLudwig XIV. und zu Papst Innozenz XI. nach Paris und Rom entsandt,wo die Siamesen glänzende Aufnahme fanden. Der Tod des franzosen und jesuitenfreundlichen Königs Narai von Siam machte den guten Beziehungen zwischen Srankreich und Siam ein jähes Ende. Sein grausamer Nachfolger, Seo, d. h. „der Tiger“genannt, ließ den griechischen Minister Phaulkon ermorden und Jefuiten und Sranzosen zum Lande hinaustreiben.
Im Jahre 1767 verwüsteten die Birmanen abermals Siam und zerstörten die ausgedehnte, prächtige Hauptstadt Ajuthia. Bald nachher gelang es Siam nicht nur,das birmanische Joch abzuschütteln, sondern sich auch 1777 eines Teils der CaoStaaten zu bemächtigen, sowie der Provinzen Battambong und Angkor im mächtigen CambodschaReiche. Im Jahre 1782 bestieg sodann Pra Puttha Not Sa Cschulalok mit dem Chrenbeinamen Chokkrie, d. h. der tapfere Ktrieger, den Thron. Er wurde der Stammyater der noch heute regierenden Dynastie und machte Bangkok zur Residenz, und zwar unter folgenden Umständen:
Der Herrscher ritt auf einem königlichen Elefanten über die Trümmer der verwüsteten Stadt Ajuthia. Dieser Anblick erfüllte ihn mit Wehmut und trieb ihn zugleich an, die Stadt in ihrer früheren Pracht und Größe wieder aufzubauen. Da träumte er eines Nachts, die früheren Herrscher vertrieben ihn aus der Stadt und wollten nicht dulden, daß er sich noch länger in derfelben aufhalte.Diesen Craum teilte er am nächsten Morgen seinen CEdeln mit und bemerkte dazu:
Als ich die in einem wüsten Trümmerhaufen oerwandelte Stadt sah, stieg der Wunsch in mir auf,dieselbe in ihrer einstigen Größe und Herrlichkeit wiedererstehen zu lassen.
Straße in Bangkok und Siamesinnen.[]*3
Keise einer Schweizerin um die Welt.Da ich aber bemerkt habe, daß die früheren Besitzer der Stadt noch eifersüchtig an derselben festhalten, so laßt uns statt ihrer eine neue Stadt bauen.“
Am 21. April 1782 bestimmte König Tschulalok die Stelle, an welcher die künftige Hauptstadt erbaut werden sollte: Bangkok. die „Stadt der wilden Olbäume“.
Der dritte Koönig der Dynastie eroberte 1829 Caos und 1831 Queda auf der malaiischen Halbinsel. Siams Macht vergrözerte und befestigte sich. Im Jahre 1833 schloß der König einen Handelsvertrag mit sordamerika.
Unter seinem Nachfolger Maha Mongkut 1852 bis 1868 wurden ßandelsverträge mit den meisten seefahrenden Nationen abgeschlossen, mit England 1855, mit Srankreich 1868, mit Deutschland 1862, mit Esterreich 1868.stõönig Mongkut war zwanzig Jahre Mönch gewesen, bevor er in seinem 45. Jahre auf den Thron von Siam gelangte. Er galt für einen gelehrten und weisen Herrscher,gab viele neue Gesetze, verbesserte die alten und suchte den Bedrückungen des volkes zu steuern, und es auf eine höhere Stufe der Kultur zu bringen. Seinem neunten stinde und Nachfolger auf dem Chrone, dem jetzigen Könige, gab er eine freisinnige,gute Erziehung. Seine erste Gouvernante Mrs. Ceonowens war eine Amerikanerin,und Kapitän John Bush, auch ein Amerikaner, wenn ich nicht irre, ein geistreicher,gutherziger Mann, nahm großen Anteil an der Geistes- und Herzensbildung des zukünftigen Herrschers.
Geboren am 22. September 1853, wurde Tschulalongkorn schon 1868 im Alter von fünfzehn Jahren König. Selbständig regiert er seit 1878.
Der volle Name Sr. Majestät lautet: « Pra Bat Somdeth Pra Paramindr Maha Tschulalongkorn Pra Tschula TSchom Klao Tschau Vu Hua. Su dieser langen Benennung gehören noch eine Menge amtlicher und zeremonieller Titel wie: „Herr des Weißen Elefanten“, der „Erhabenste der Erhabenen“, der „Herr über Allen“ u. s. w.
In Wirklichkeit ist Tschulalongkorn in den Augen jedes Siamesen nicht nur der Cenker seines Candes, sondern der Befitzer seines Bodens, seines Volkes, seiner Cinnahmen. Er hat das Ideal aller Sentralisation erlangt und kann in Wahrheit von sich das stolze Wort Ludwigs XIV. sagen: L'Etat c'est moi.
In dem astronomischen System Siams ist der König die Sonne, um die sich namentlich in Bangkok alles dreht, leuchtet die Sonne, so strahlt ganz Bangkok,tritt sie hinter Wolken, so trauert Bangkok.
Tschulalongkorns erster Regierungsakt war Aufhebung der Shklaverei, sein zweiter die Abschaffung der alten Sörmlichkeit, nach der sich jedermann vor ihm zu Boden [] MÇ Rönig Tschulalongkorn. (5. 356.) [] Ein Weihnachtsabend in Bangkok.
357 werfen mußte. Alle Klafsen der menschlichen Gesellschaft haben jetzt freien Zutritt zu Audienzen, und jeder darf ihm in aufrechter Haltung nahen.
Der Koönig ist im ganzen Lande geachtet und geliebt. Sein Bemühen war von Anfang an auf die Hebung der Kultur in seinem Volke gerichtet. Er hat Volksschulen gegründet, Kanäle, Straßen und Eisenbahnen bauen lafsen, Post und Telegraph eingeführt, Heer und Slotte organisiert, Sandel und Wissenschaft und Kunst gefoördert.Jahrelang sandte er Hunderte von jungen Siamesen auf seine Kosten nach England,ssrankreich und Deutschland, um sie erziehen zu lassen und ihren Gesichtskreis zu erweitern. Er selbst besuchte BritischIndien, mehreremal sdolländisch Indien, und seine Reise durch Curopa und speziell durch die Schweiz ist uns noch in frischer Ernnerung. Seine Reiseerfahrungen bestrebte er sich zu slutz und Srommen seines Volkes anzuwenden. Dank Tschulalongkorn kann Siam jetzt als Mitglied der zivilisierten Welt gelten. Schade nur, daß die Siamesen wenigstens um ein Jahrhundert hinter ihrem Könige zurückblieben, und alter Aberglauben und natürliche Indolenz, teilweise durch klimatische Verhältniffe hervorgerufen, sie auf niedriger Stufe im ganzen erhalten.
Daß der König klugerweise
Sitten und Gebräuche, die nicht absolut schädigende Wirkung haben, beibehält, bildet oder erhält vielmehr das Band, welches ihn und seine Dynastie mit dem Volke verknüpft. Ob zwischen dem ganz in Condon erzogenen Kronprinzen, der als reifer Mann er ist 22 Jahre alt dieses Jahr zurück erwartet wird, und dem Volke die Kluft nicht allzu unüberbrückbar sein wird, wird die SZukunft lehren.
Daß dagegen der Einfluß seines Vaters ein durchaus guter und gesunder sein DD0 und seinen Bruder nach CLondon gerichteter Brief. Wer denselben veröffentlicht hat, weiß ich nicht, edenals legt er ein schönes Seugnis ab für die hohe Kultur und Herzensbildung jenes Konigs aus dem fernen „wilden“ Hinterindien 9).yJ quelle: CLindenberg, „Um die Erde in Wort und Bild“.
[358]Reise einer Schweizerin um die Welt.Der Konig schreibt:
„Wenn man nicht die Kraft hat, sich vor anderen auszuzeichnen, ist es in einem fremden Lande besser, als gewöhnlicher Mensch aufzutreten. Ihr sollt nicht damit prahlen, daß Ihr koönigliche Prinzen seid, noch sollen dies Eure Begleiter tun. Die sosten Eurer Erziehung bezahle ich aus meinen Privatmitteln und nicht aus Staats-geldern. Diese Anwendung von Geldern zu Curer Erziehung ist eine reiche Mitgift und von größerem Werte als bares Vermögen, denn eine Erziehung hat einen bleibenden Wert, und niemand kann sie Euch rauben. Ich beabsichtige, allen meinen Söhnen eine solche Erziehung geben zu lassen, auch den Minderbegabten, weil ich es als das beste Erbteil erachte, das ich ihnen hinterlassen kann.
Wollte ich die Kosten aus den Staatsgeldern nehmen, so würde man sich darüber aufhalten können, daß sie bei einigen nicht gut angewendet seien, und man würde fagen,ich verschwendete die Staatseinnahmen. Aber auch meine Privatmittel sind in gewissem Sinn Eigentum des Staates und Curem vater zu dem S3wecke gegeben, daß er damit Mildtätigkeit übe und die Ausgaben für seine Samilie bestreite. Die Gelder, die für Eure Erziehung ausgegeben werden, kommen indirekt dem Staate wieder zu gute.
Ihr müßt Cuch stets vergegenwärtigen, daß der Herrscher Eures Vaterlandes nicht die Verpflichtung hat, Euch einflußreiche Stellen zu übertragen, weil Ihr königliche Prinzen und seine Sohne seid. Da zu den hohen Staatsämtern besondere Sähigkeiten erforderlich sind, so habt Ihr mit größtem Ernste und mit Hingebung Eure Studien zu betreiben, und Euch hierdurch die Möglichkeit zu verschaffen, etwas Ordentliches für das Wohl Eures Vaterlandes, und für die Welt, in der Ihr lebt, zu leisten.
Wenn Ihr annehmen wolltet, Ihr hättet als Prinzen nichts weiter zu tun, als das Leben zu genießen, so würdet Ihr Cuch den Tieren gleichstellen. welche geboren werden, um zu essen, zu schlafen und zu sterben.
Bildet Euch nicht ein, daß Ihr andere schmähen und schlecht behandeln könnt,weil Ihr meine Söhne seid und man Euch nichts anhaben kann. Cuer Vater will,daß seine Sohne nicht die Gewalt haben, sich widerspenstig zu zeigen, weil Cuch das nur schädlich sein würde. Ihr werdet bestraft werden, wenn Ihr Unrecht tut, und die Tatsache, daß Euer Vater ein König ist, wird Euch nicht vor der Strafe schützen.
Mit Curen Geldern müßt Ihr sparsam umgehen; Ihr dürft nicht verschwenderisch und ausschweifend fein in dem Gedanken, Ihr wäret reiche Prinzen und Koönigssöhne.Ich warne Euch davor, mit Schulden zurückzukehren; sie werden nicht ohne weiteres bezahlt werden, und Ihr würdet der Strafe nicht entgehen. Denket daran, daß das Held nicht so leicht erworben, als ausgegeben wird! Das Erziehungsgeld für Euch ist ein Teil des Geldes Cueres Vaters, das dieser als Entschädigung für seine Mühen in Wahrung der Wohlfahrt seiner Untertanen erhält. Dieses Geld soll nur zu mitzbringenden Swecken verwendet werden.“
Siam ist ein ungemein reiches Land. Der Hauptexyport besteht aus Reis, Pfeffer,Teakholz, Sischen, Häuten, Vieh und Sellen. Die Bergwerke werden dereinst die uelle großer Reichtümer sein. Eisen, Kohle, Gold, Silber, Blei, Sinn, Petroleum und Edelsteine sind in großer Menge vorhanden. Auch die Wälder bergen vieles und wertvolles Holz, welches bis jetzt zum großen Ceile verfault.[]Siamesin aus dem Volke.
[360]Reise einer Schweizerin um die Welt.Beinahe amerikanisch konnte man das schnelle Wachstum Bangkoks nennen.Im Jahre 1782 gegründet, zählt es jetzt 600,000 Cinwohner, wovon etwa taufend kuropäer. Was die Gesamtbevölkerung Siams anbetrifft, wird sie zwischen sechs und zehn Millionen geschätzt, die Berichte darüber lauten ungemein verschieden.
Augenblicklich befindet sich die Stadt in einem Zustande der vollständigen Umwälzung. Ganze Stadtviertel werden niedergerissen und an ihrer Stelle breite Straßen mit sauberen Häusern angelegt, in deren untern Stockwerken ganz europäische Läden Platz finden, während die oberen zu Wohnungen eingerichtet werden. Glänzende elektrische Beleuchtung und rasend schnell fahrende elektrische Crams vervollständigen dieses Bild abendländischer Kultur und Sitte, dem anderseits noch viel Asiatisches,wie Schmutz und Elend, Pariahunde, Opium, Spielhöllen u. s. w., anhaftet.
Unfer erstes Geschäft in Bangkok war, die Empfehlungsschreiben, mit denen wir versehen waren, abzugeben. Mr. W. hatte hier einen Candsmann Dr. H.,Militärarzt des Königs, zu besuchen, und ich meinerseits war mit einem Brief an den koöniglichen Ceibarzt Dr. R., einen Belgier, versehen. Beide Herren fanden üübereinstimmend unser Bleiben in dem sehr schlechten Hotel eine Unmsglichkeit und luden uns sehr freundlich ein, zu ihnen überzusiedeln, eine Cinladung, von der wir zwei Tage später dankbar Gebrauch machten.
Heute war's heiliger Abend; Hitze und tropische Vegetation ließen freilich kaum den Gedanken daran aufkommen. Abends sollten wir an einem ganz eigenartigen Seste, das der königliche Hof zu gunsten eines „Wats“ veranstaltete, teilnehmen.Ja, bis nach Hinterindien ist die „Bazar“-Mode gekommen, und man versteht es D h. wohlzutun und sich dabei zu unterhalten.
Ein herrlicher Mondabend. Süße Düfte der beiden Tempelblumen, der Plumeria und des Yang Nang, erfüllten die sommerweiche Cuft. Im offenen Sweispänner des Dr. R. fuhren wir durch ganz Bangkok Dussitpark zu, der neuesten Schöpfung des Königs. Dussit ist der siamesische Name für Paradies, und „Dussit“ schien's auch wirklich für das ganze bunte Völkchen, welches sich freudestrahlend im großen Parke bewegte. War's doch nicht nur Königs, sondern auch Volksfest.
In glänzender, elektrischer Beleuchtung erstrahlte schon von weitem DussitPark,und in unzählbarer Menge flatterten siamesische Sahnen, der weiße Elefant in rotem Selde. Hübsche, gestreifte Selte bildeten Verkaufsbuden, wo Kissen, Sächer, Ansichtskarten, Zigaretten, Blumen zu möglichst hohen Preisen unter Scherzen und LCachen losgeschlagen wurden. Daß verkäufer und Verkauferinnen braune, koönigliche Hoheiten,Prinzen und Prinzessinnen sind, verleiht dem Ganzen natürlich seinen besonderen Reiz. Übrigens wird wie im Abendlande dabei kokettiert und intrigiert, tout comme chez nous, nur die Toilette ist wesentlich anders. Ich hatte diesen Abend alle Gelegenheit, zu studieren, wie die feine Welt sich am siamesischen Hofe kleidet.
Die eleganten Herren des modernen Siam tragen weiche, graue Silzhüte, ein weißes Jaäckchen mit Goldknöpfen, den Panung, ein langes, meist blaues Stück Seide, das um die Hüͤfte geschlungen, zwischen den Beinen nach hinten so aufgenommen wird. daß es kurzen, weiten Hosen ähnlich sieht. CLange, weiße Strümpfe, zierliche,[]Ein Weihnachtsabend in Bangkok.
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Siamesische Srauen. Rönig und Rönigin.niedrige Schnallenschuhe und ein Stöckchen mit Silberknopf vervollständigen die Toilette des Dandy.
Auch die Srau am ßoofe trägt den Panung wie der Mann, weiße Strümpfe,Schnallenschuhe und kurz geschnittenes Haar, so daß zuweilen Männlein und Weiblein kaum voneinander zu unterscheiden sind, besonders beim Volke. Die Mode des kurzen Haares, das üppig, oft einer Bürste gleich emporsteht, nimmt ihren Ursprung aus den häufigen Kämpfen gegen die Birmanen. Um dem Seinde ein zahlreicheres Heer entgegenstellen zu können und ihn über die Sahl der Streitkräfte zu täuschen,schnitten die siamesischen Srauen ihr langes Haar ab und zogen in den Reihen der Männer zu Selde.
Zum Panung, der grün, blau oder orangefarben ist, trugen unsere Hofdamen eine sehr hübsche, duftige, mit Spitzen gezierte Mullblufe, bunte Schleifen um Hals und Taille, und eine breite, schöne Schärpe, welche, über die rechte Schulter gezogen,links in der Taille in einer Schleife endet. Die Sarbe der Schärpe richtet sich nach [362] den Wochentagen: Sonntag rot, Montag weiß, Dienstag rosa, Mittwoch blaßblau,Donnerstag violett, Sreitag grau, Samstag schwarz. Daß Hals und Arme der Schönen von Diamanten, Saphiren und Rubinen blitzen, ist selbstverständlich, dagegen möchte ich bemerken, daß wirklich gute, tadellose Cdelsteine in Siam, Birma und Britisch-Indien, für globe trotters wenigstens, welche nicht Seit haben, Gelegenheitskäufe abzuwarten, kaum billiger zu stehen kommen als in CEuropa. Sehlerhafte Steine natürlich sind sehr billig. Alles wirklich Gute kommt in die Schleifereien nach Condon.
Die Damen, meistens Prinzessinnen, an denen Siam in Anbetracht der vierundzwanzig Brüder und Halbbrüder des Königs keinen Mangel leidet, und die meist mit Samilie am Hofe leben, begrüßten Dr. R. mit großer Cebhaftigkeit. Manche sprachen ein paar französische oder englische Brocken und sahen zum TCeil sehr hübsch aus.Sreilich, öffneten sie den Mund, so gähnten gleich einem Abgrund uns kohlschwarze Zähne entgegen. Sum gelinden Schrecken Dr. R.'s fragte mein Reisegefährte eine der Damen, warum sie ihren sonst so „kußlichen“ Mund derart verunstalte?
Schlagfertig antwortete die Schöne: „Bei uns sieht man wenigstens die schwarzen Cocher in den Sähnen nicht, Sie dagegen müssen sie beim Sahnarzt ausfüllen lassen.“
Ich habe schon in meiner Beschreibung Javas des schrecklichen Betelkauens Erwähnung getan. Hier wird es von reich und arm, groß und klein betrieben.Das Betelkauen beginnt fast mit dem ersten Kindesalter und hört erst mit dem Tode auf. Die Sähne werden dadurch schwarz, Sahnfleisch und Speichel blutrot,und da es diesen sehr fördert, wird unablässig gespuckt. Die Reichen und Vornehmen lassen sich durch besondere Diener ihre silbernen Spucknäpfe nachtragen, das Volk dagegen bedient sich dazu in ausgiebigstem Maße der Mutter Erde. Ich wähnke anfangs, beständig auf Blutspuren zu wandeln.
Im Restaurant wurde uns durch prinzliche Hände ganz flink und gut ein Diner geboten, zwei junge Prinzen liefen geschäftig als Kellner umher, während drinnen im Selt die zweite Königin die Küche beaufsichtigte. Prinz Devawongsa Vareprakar,ein Bruder der ersten Königin, in schönem fraise écrasé Brokat-Kleid mit breiter,ordenbesetzter Schärpe, setzte sich zu uns. Er sprach geläufig Englisch und hatte längere Zeit in Europa zugebracht.
Ceise und lieblich tönte ein Orchester laotischer Slöten, eine Art langer Rohrpfeifen mit wallenden, roten und weißen Bändern behangen. Etwas einfoörmig, doch musikalisch rhythmisch klangen die meist amerikanischen Melodien, welche bei meinem Gefährten eine lebhafte Begeisterung hervorriefen. Sogar der sonst ziemlich verschollene Vankee duddle kam hier zur schonsten Geltung. Die Siamesen lieben sehr die Mufsik, sollen auch musikalisch begabt sein. Jeder Mann von Rang hält sich wenigstens ein Musikkorps, womoöglich zwei, eins mit ausschließlich einheimischen, meist Saiteninstrumenten, das andere mit ausschließlich europäischen Blechinstrumenten. Der sKönig hält mehrere Musikkorps, teilweise mit deutschen oder italienischen Dirigenten.die Spielleute sind immer Siamesen.
Cangsam waren wir weiter gewandert.
Vor einem großen, glänzend erleuchteten Pavillon umstand eine Menschengruppe einen Herrn in einfacher, weißer Offiziersuniform. „Seine Majestät“, rief Dr. R.
Reise einer Schweizerin um die Welt.[]Ein Weihnachtsabend in Bangkok.
368 und eilte, den König zu grüßen. Wir standen zur Seite, bemerkten aber, daß Seine Maiestaät ofter auf uns hinblickte.
Einen Augenblick darauf stand Dr. R. vor uns: „Der König wünscht, Sie zu sprechen.“ Da galt's kein Besinnen, kein sich Vorbereiten. Das anziehende, freundlich gütige Antlitz des Monarchen, sein schönes, strahlendes Auge wirkten ermutigend.Mein Sreund schüttelte ihm herzhaft amerikanisch die Hand, ein Beifpiel, dem ich auch folgte. Eine hoöchst unbefangene, lebhafte Unterhaltung begann.
Ich versuchte einigemal, ein „Majestät“ in meine Rede zu verflechten, aber jedesmal stolperte meine republikanische Zunge hoffnungslos daran vorbei, und so machte ich's wie mein Gefährte, der überhaupt gar nicht an die Anwendung jenes Wortes dachte, sondern eifrig per «yous mit Tschulalongkorn, dem „Herrn über Allen“, sprach.
Als ich dem Konige sagte, ich hätte ihn in Bern gesehen, sprach er mit wahrer Begeisterung von der schönen Schweiz,speziell von seinem Empfang in der Bundesstadt und dem Ausfluge ins Berner Oberland.
Mit Interesse hörte er unsere Reiseberichte, stellte in geläufigstem Englisch zahlreiche Sragen,die mir zeigten, wie gut er Bescheid wußte von dem, was in der übrigen Welt vorging. Auch über die Ereignisse in Peking schien er terrichtet zu sein.e er uns die im Pavillon unter Glas gehaltenen, kostbaren Stichereien, Teeservice, Juwelen, Gold- und Silberwaren einer unlängst verstorbenen Fopigin die zu gunsten des Wats diesen Abend noch versteigert werden follten. Die Preise waren freilich „königlich“, so daß ich vernünftigerweise an die Erwerbung auch nicht i uckes denken durfte.o Koönig entlassen, hörten wir nachher von allen Seiten, eine solche zwanglose Unterhaltung mit Tschulalongkorn komme aäußßerst selten vor. besondera in letzter Zeit, wo er sich je länger je menr von der abschließe. So hat i k ein freundlicher Stern über mir gewaltet.auch BuddhaSammlung muß ich noch erwähnen, die eine ganze
Unsere Füuhrer, zwei vornehme Siamesen.
[364]Reise einer Schweizerin um die Welt.große Halle füllte. Die einzelnen Götterbilder sind meist Privatbesitz des Königs, der besetzte Buddhas mit friedlichem, weltentrücktem Ausdruck in den drei Stellungen, worin der Heilige meist abgebildet wird: Buddha predigend, Buddha nachdenkend, Buddha in Extase.Gelb gekleidete Priester, wie wir sie in Siam und Birma zu Causenden finden sollten,standen in der Halle, und zwischenhinein drängten sich kleine Buben und Mädchen,mit sonderbaren Haarknoten auf dem Scheitel, an uns heran, Sigarren und Blumen feilbietend. Wir scherzten mit ihnen, zogen sie an ihren Schöpfchen und wunderten uns, daß Dr. R. sie so zeremoniell behandelte. Nachträglich stellte er sie uns als Königskinder vor.
Ein interessanter Bazar fürwahr, und ein origineller Weihnachts-seiliger-Abend!
Spät in der Nacht fuhren wir in strahlendstem Mondscheine unserem Oriental Hotel zu, wo meiner im Simmer eine Spezialüberraschung wartete. Über meinem Bette hing ein schwarzes Ungetüm, halb Molch, halb Miniaturkrokodil, mit dickem Kopf und riesigen Augen. Wir starrten einander eine Weile stumm an. Dann stellte sich mein Zimmergenosse vor: „Geccko, Gec-kol“ tönte es ganz heiser von der Wand her. Also ein Gecko oder Toké, wie er hier genannt wird. Gehört hatte ich ihn viel und oft in Java gesehen niemals.
Sröstelnd bei aller Hitze, kroch ich ins Bett und schloß die Moskitovorhänge extra fest zu. Gecko, Geckol erscholl's noch einmal.
Also in Gottes Namen, „Gute Nacht, Gecko!“
Siamesüsche Musikanten.[]
Siamesische Seste und Gebräuche.
Siamesische Seste und Gebräuche.
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Siamesische Jeste unð Gebräuche.
Festliebe der Siamesen. Leichenverbrennungen. Die erste Rönigin. Stellung der Srau in Siam. vVerlobungen und Pochzeiten. Geburt. Tod. Pimmel. Einteilung des Pimmels. Theater im Pimmel. Der Palast des Königs. Seine Rinder. Die weißen Blefanten. Wat Pra Rao. Pratschedi. Sonderbare Statuen. Der Smaragd-Buddha. Die europäijchen Ratgeber des Rönigs. Allzu rasches Fahren.Die armen Chinesen.
Kevor ich die Erzählung unserer Erlebnisse im Cande des weißen Elefanten weiter spinne, möchte ich noch einiger interessanter Sitten, Gebräuche und Zeremonien der Siamesen erwähnen, deren Kenntnis ich teils aus den Erzählungen meiner Bekannten in Bangkok, teils aus Büchern geschöpft habe. Charakter und Bildungsstufe eines Volkes kommen dabei zur besten Geltung, namentlich bei den Siamesen, welche gleich den Schweizern ungemein viel auf Sestlichkeiten aller Art halten. Seste zu veranstalten, ist neben Theater und Hazardfspiel die Hauptleidenschaft in Siam.Ein Sest löst das andere ab. Die gewöhnliche Indolenz und Trägheit wird dabei ganz vergessen,und mit Lust, Eifer und Geschick widmen sich alle Klassen der Gesellschaft den Vorbereitungen.
Tagelang noch sollte das Sest in Dussit Park dauern, und schon wurde eifrig auf ein neues gerustet auf die Leichenverbrennung eines Prinzen!
Wir durfen dabei die Siamesen nicht allzu großer Herzlosigkeit beschuldigen, da die zu Verbrennenden meist schon vor einem Jahr, wenn nicht vor mehreren, gestorben sind, und zudem der Tod ihnen nach buddhistischem Glauben für ein Glück gilt.
Besonders pomphaft geht es jedesmal bei den Leichenverbrennungen von königlichen Samilienmitgliedern her. Die Kosten sind dabei so groß, daß man gewöhnlich wartet, bis einige Leichen beieinander sind, ehe man zur Verbrennungsprozedur sich entscheidet. Die CToten werden deshalb mit Quecksilbereinspritzungen konserviert und an den Knien bis zum Kinn emporgezogen, fest umwickelt und vorläufig in einer eisernen Urne beigesetzt.
[366]Reise einer Schweizerin um die Welt.Ich entnehme die Beschreibung einer solchen „königlichen“ Verbrennung damals handelte es sich um einige innerhalb drei Jahren gestorbene Kinder des Königs dem Werke von M.Schanz, „Ein Sug nach Osten“.
Die Seierlichkeit für jede einzelne Leiche dauert drei Tage.Am ersten Cage wird die Leiche aus dem Palaste nach einem Tempel gebracht, wo Priestergebete verrichtet werden; am zweiten überführt man die Urne nach dem Verbrennungs-platze,einem besonders dazu erbauten Pavillon, und verwandelt ihren Inhalt in Asche; am dritten Tag holt man die Asche ab und bringt sie nach dem Palast zurück, wo sie in einer vergoldeten Urne aufbewahrt wird.
Die mit den Seierlichkeiten verbundenen Truppenparaden, Umzüge, Seuerwerke,Caternentänze, Theater- und Marionettenvorstellungen und Galadiners geben dem Hanzen weit mehr das Gepräge eines Sreudenfestes als einer Trauerzeremonie.
Der erste Akt fand in dem für Knaben und Mädchen bestimmten Waisenhaus statt. Der weite Kreis war ringsum von Militär eingefaßt, und auf der breiten Veranda des Hauptgebäudes hatten die Minister und der KHof Platz genommen. Inmitten einer Schar von etwa dreißig jungen Prinzen und Prinzessinnen, eines Teiles seiner Kinder, saß der König auf einer erhöhten Estrade. Die Kinder, deren Alter zwischen sechs und zehn Jahren sein mochte, waren mit dem kostbarsten Brillantschmuck geradezu überladen. Sichtlich fühlten sie sich außerordentlich wohl in der Hesellschaft ihres Papas, in dessen Nähe zu kommen und an den sich anzuschmiegen,das Bestreben aller war.
Die große Halle hinter der Königsestrade hatte man als Crauersaal hergerichtet und schwarz drapiert. Hier stand in der Mitte auf hohem, vergoldetem Katafalk,unter schwarzem Samtbaldachin, die Urne mit der Leiche der Prinzeffin, an welche des anderen Tages die Reihe des Verbrennens kommen sollte. Aus dem Munde der Ceiche führt durch den Urnendeckel ein langes, etwa handbreites silbergewebtes Band von der Höhe des Katafalks herunter nach einem anstoßenden Korridor. Dort saßen auf beiden Seiten auf einer nur etwa einen Suß hohen Tafel dreißig bis vierzig gelbgekleidete Priester, welche, das Band in der Hand, Gebete für das Seelenheil der Prinzessin halblaut sangen.
Palaslwache.[]Wat Prakeo, bei dem Archiv. (S. 377.)
[368]Reise einer Schweizerin um die Welt.Inmitten des großen Kreises wurde zunächst von etwa hundert grün und rot gekleideten Männern ein Laternentanz aufgeführt, welcher in gefälligen, reichbewegten Reigen bestand und wobei ein melancholisch schöner Gesang der Cänzer die rhythmischen Bewegungen und die geschickt und elegant ausgeführten Schwingungen der bunten Laternen ansprechend begleitete.
Der König entzündete hierauf in höchsteigener Person das um das biereck herum an hohen Masten angebrachte Seuerwerk durch Anbrennen der bis zu seinem Sitze emporführenden Zündschnur. In wenigen Sekunden entbrannte auf drei Seiten zugleich das prachtvollste Sunkenlichtspiel in allen Sarben, in sich drehenden Sonnen,rauschenden Kaskaden, buntfarbigen Sternen und hHunderten von Raketen, welche den Gestirnen am blauen Nachthimmel eine glänzende, aber vergängliche Konkurrenz machten.Dann erklang, von der Miltarkapelle ausgeführt, die siamesische Nationalhymne,und unter Vorritt der rot befrackten, mit weißen, goldspitzigen Sonnenhelmen versehenen königlichen Leibwache fuhr die lange Reihe koöͤniglicher Wagen vor, unter denen sich auch einige für Srauen des Königs befanden, welche von inneren Räumen aus dem Schauspiel beigewohnt hatten. Die jungen Prinzen und Prinzessinnen wurden auf den Schultern der Minister an die Wagen hinausgetragen, wo sie zu viert oder zu sechst untergebracht wurden. Am vollsten war des Königs Landauer selbst, in welchem am liebsten sämtliche Kinder mitgefahren wären; soviele ihrer aber nur hineingingen, nahm Papa mit.
Nach Abfahrt Sr. Majestät wurde der bis dahin abgesperrte große Platz dem Publikum freigegeben, welches sich nun hier bis Mitternacht an Cheatervorstellungen und Marionettenspiel ergötzen konnte.
Am nächsten Tage fand die Verbrennung der Prinzessin statt. Die Straße, durch welche der Leichenzug ging, war links und rechts von Standartenträgern eingefaßt,deren Kleidung aus rot und grünen Kattunröcken mit aufgenähten Drachen bestand.Sie trugen rot bemalte Basthüte und hielten dreieckige, blaue, grüne und gelbe Drachenflaggen in der Hand. Standartenträger eröffneten den Leichenzug. Hierauf folgten:dofbeamte mit hohen, weißen Spitzhüten, wie die der Sauberer in unseren Märchen;auf einer goldenen Stuhlsänfte getragene Oberpriester; eine rotgekleidete Musikbande mit großen Trommelpauken; eine Reihe Chrenschirmträger und hinter diesen eine Schar weißgekleideter Madchen, welche die Urne mit dem Leichnam umgaben; Infanterie und Kavallerie mit Geschütz beschloß den Sug.
Auf dem weiten Platze war ein geschmackvoller Holzpavillon errichtet, und an die Rückseite desselben stieß der Perbrennungstempel, der nur mit Vorhängen aus lebenden Blumen verhangen, sonst offen und schön drapiert, als Trauerkapelle dekoriert war.Auf einem regelmäßig aufgeschichteten, katafalkähnlichen Scheiterhaufen aus dicken Sandelholzblöcken wurde hier die Urne aufgestellt.
Die Gesellschaft war dieselbe wie an dem vergangenen Cage. Gegen sechs Uhr erschien der König mit seinen Kindern und großem Gefolge. Während sich die Kleinen sofort auf die Estrade begaben, schritt der König zur Verbrennungskapelle und entzündete dort den Scheiterhaufen.[]Siamesische Seste und Gebrauche.
369 Hurze Seit darauf erschien der Koönig auch auf der Tribüne und nahm in der Mitte derselben auf einem Sessel Platz, zu dessen SMußen links und rechts Korbchen mit grünen Pomeranzen standen. In jede dieser Srüchte war durch einen scharfen kleinen Cinschnitt eine silberne oder goldene Münze gesteckt.
Nun begann eine höchst eigenartige Verteilung der Pomeranzen an die Hofgesellschaft, die wie gestern in langer Doppelreihe in der Veranda zu Süßen Sr. Majestät saß, und zwar wurden die grünen, harten Srüchte von dem König und seinen Kindern ausgeworfen. Swischen den älteren Prinzen, Ministern und Hofbeamten entspann sich nun ein allgemeiner Kampf um den Besitz dieser Andenken. Den kleinen Prinzen und Prinzessinnen verursachte dieses Bombardement einen besonderen Spaß.Sie zielten nach den Köpfen ihrer einzelnen Bekannten, und es kam unter dem Hofpublikum zu einem gemütlichen Handgemenge, Bauchrutschen und allgemeinem Gedränge und Gereiße, an dem sich selbst eisgraue Ministerexzellenzen lustig beteiligten. Das Ganze machte mehr den Eindruck einer ausgelassenen großen Kinderstube als den einer Trauerversammlung. Und dabei brannte im Hintergrunde langsam, ganz langsam der Scheiterhaufen.
Die Pomeranzenkörbchen waren geleert. Die Hofgesellschaft, die sich wieder sittsam niedergelassen hatte, brach die Srüchte auf, um zu sehen, ob das blinde Glück ihnen auch Goldstücke beschert habe. Dann entzündete der König von seiner Estrade herab, vermittelst einer langen Sundstange, die heranführende Sündschnur. Das Pulverfeuer schlängelte über den großen Platz hinüber und bald prangte dieser, ringsum von Illuminationsgestellen eingefaßt, riesigen Weihnachtsbaäumen gleich, in prafselndem Seuerwerk, während in der freien Mitte des Platzes wieder der gestrige Laternentanz begann.
Der Koönig begab sich noch einmal in die an die Estrade stoßende Kapelle, wo die noch viele Stunden in Anspruch nehmende verbrennung langsam vor sich ging,
Den Erzählungen meiner Bekannten nach zu schließen, waren die Seierlichkeiten bei der Verbrennung des von König und volk sehr geliebten, im Januar 1895 im Alter von sechzehn Jahren verstorbenen Kronprinzen noch pompöfer.
Der nunmehr als Thronfolger ernannte, 1881 geborene Prinz Mada Wadschiravuth ist der aäͤlteste Sohn der zweiten Königin.
C. von Rodt, Reise um die Welt.
[370]Reise einer Schweizerin um die Welt.Der König darf so viele Srauen haben,als er will; den Titel ‚Königin“ bekommen jedoch nur zwei. Sie allein werden gekrönt;sie allein müssen königliches Blut in den Adern haben. Sie sfind die Koöͤniginnen der rechten und der linken sand.
Die erste Königin, Sunanda Kumaritana, fiel vor ungefähr 22 Jahren mit ihrem kleinen Töchterchen in der Nähe von Ajuthia beim Bootfahren in den Strom und ertrank. Keiner der Suschauer wagte es,die geheiligte Person der Königin anzufassen,nicht einmal, als es ihre Rettung galt. Die jetzige erste Koönigin Sowabha Pongfri ist eine Schwester der ertrunkenen Sürstin und zugleich Halbschwester des Königs. Beim Volke sehr beliebt, hält auch der König große Stücke auf sie und hat ihr bei seiner Reise nach Europa die Regentschaft üͤbertragen.wie herzlich er ihr zugetan, davon geben die hübschen Worte, welche er auf dem Ausflug ins Berner Oberland einem unserer Bundesräte sagte, den besten Beweis.Entzückt von dem Anblick unserer mit Schnee und Eis bedeckten Alpen, und dabei ergriffen vom Gedanken an seine eigene, ferne sHeimat, sprach der König: „In all der Bewunderung Ihres Landes denke ich nach Hause, denke an meine Koönigin,die fern von mir ist, deren Gegenwart mir noch fehlt, um mein Glück vollständig zu machen. Wenn sie mit mir das Vergnügen teilen könnte, das mir die unvergleichliche Schönheit Ihrer Berge darbietet, ich glaube, sie würde den ganzen Tag einfach auf den Wiesen bleiben, um die Blumen zu pflücken.“
Die Stellung der Srau in Siam und Birma ist eine ganz andere, als im Morgenlande, überhaupt im ganzen übrigen Indien. In Siam ist sie in Wahrheit die „ bessere Hälfte“, jedenfalls die intelligentere und tätigere. Sie besorgt alles, sie verkauft im LCaden, sie rechnet, sie schreibt die Geschäftsbriefe, sie verteidigt sehr oft ihren Mann vor Gericht; auch übt sie als Gattin eines Häuptlings oder Sürsten, sowohl in Laos als in Siam, großen Einfluß aus. Nach dem neuesten Gesetz wird den Srauen Verfügung über ihr Eigentum zugestanden, also ein Eldorada für Srauenrechtlerinnen!
Bei Verlobungen und Hochzeiten in den oberen Klassen in Siam geht es oder ging es wenigstens vor kurzem noch ungefähr folgendermaßen zu):
Eltern, welche einen heiratslustigen Sohn besitzen, wenden sich an einen Maasu,einen Heiratsvermittler, der die Samilie des Mädchens, in das sich der Sohn verliebt hat. genau kennt. Der Maafsu besucht nun dessen Eltern, und falls kein Hindernis i) Zu diesen und den folgenden Darstellungen, Sitten und Gebräuchen habe ich das Werk Karl Bocks, „Im Reiche des weißen Elefanten“, benutzt.[]Siamesische Seste und Gebräuche.
371 sich zeigt, laden die Eltern des Jünglings einige angesehene Sreunde Männer und ssrauen zu sich und besprechen die Angelegenheit mit ihnen. Nach gründlicher Unterredung kommt man meist überein, daß die Partie eine gute sei 5* werden die Sterndeuter nach einem gunstigen Tage gefragt, an welchem die Sreunde die Samilie des Mädchens besuchen können. Höflich von diesen empfangen, wird zu st selertn Betel gekaut, dann erst geht die Besprechung an. quer annigfaches bewegt dabei die Gemüter. Wie stellt si altni der Betreffenden? Passen ihre Jahre, Wochentage at * nechatints Diese Sragen entspringen aus dem Aberglauben, daß gewisse Tesegange miteinander unvereinbar sind. In Siam hat nämlich jedes Jahr in einem Syklus von zwölf Jahren einen besonderen Namen, das erste z. B. heißt Ratte, das zweite Kuh das dritte Tiger, das vierte staninchen u. s. w. Wer in der Ratte geboren, kann sich nicht mit jemand im Hund Geborenen vermaählen, desgleichen schließt sih Kuh und Tiger, sahn und sound aus. Solche Chepaare passen nicht zueinander, und würden sie dieses Gesetz nicht beachten, so wäre es ganz sicher, daß sie sich mahrend der ganzen Che zanken, beißen und zuletzt verschlingen würden.
Demgemaäß muß vor allem ein Wahrsager Jahre, Monate und Wochentage der Geburt genau prüfen und danach erst bestimmen, ob die Ehe eine glüͤckliche sein werde. Sinden die Sterndeuter alles in Ordnung, so muß der Bräutigam sofort das dolz für das zukünftige Wohnhaus besorgen, dessen Errichtung er täglich überwacht.Dieses wird in der Regel in der Nähe der Schwiegereltern erbaut. Ist das Haus beinahe fertig, so gibt ein Priester dem neuen Heim seinen Segen.
Die Brauteltern wenden fich nun an den Sterndeuter, damit dieser den passenden Tag für die Hochzeit bestimme. Ist dies geschehen, so wählen sich die beiden Elternpaare für jede Partei vier oder mehr ältere Personen zum Tragen des „Nong Tun“ und des „Sinsawt“. Das erstere ist die Mitgift und besteht aus einer von beiden Elternpaaren bestimmten Summe. Das Sinfawt ist ein als Unterpfand des berlöbnissfes gegebenes Geschenk:zwei weiße Anzüge als Gabe für die Brauteltern,für die Braut Hochzeitskuchen,
Betelnusse, Schüs
Ein europäisches Paus in Bangkok.
[372]Reise einer Schweizerin um die Welt.seln u. s. w. Diese Gaben werden in feierlichem Aufzuge unter Begleitung einer Musikbande nach dem neuen Hause gebracht und der Braut überreicht, denn alle Hochzeitsgeschenke gehören nachmals der jungen Srau, und der Mann hat kein Recht darauf. Tritt eine Trennung ein, so kann der Mann nur das beanspruchen. was er selbst gebracht hat.
Nun versammelt sich die ganze Gesellschaft. Kong Tun und Sinsawt werden ausgestellt. Die Abgesandten zählen laut die Mitgift in Gegenwart beider Elternpaare.Dann vermengen sie die zwei Geldhaufen und lassen wohlriechendes Gl, duftende Blumen und etwas Reis darauf fallen, mit dem Wunsche, daß das junge Paar Reis,l und Wohlgerüche in Überfluß haben möge.
Nach reichlichem Schmause erscheinen fünf oder sechs Priester und rufen den Segen des Himmels auf das junge Paar herab. Während all dieser Seit bleibt die Braut,welche durch eine Anzahl jungfräulicher Dienerinnen in ihr neues Heim geleitet wurde,hinter einem quer durch die Mitte des Raumes gezogenen Vorhang.
Jetzt wird dieser Vorhang gelüftet. Braut und Bräutigam werden ungefähr einen halben Meter voneinander niedergesetzt. Cin alter Samilienfreund erfaßt ein Gefäß mit heiligem Wasser und gießt unter Segenssprüchen ein wenig davon erst über den Kopf des Bräutigams, dann über den der Braut.
Mit Hülfe der Dienerinnen vertauscht nun die Braut ihr nasses Gewand mit einem viel prächtigeren. Gleichzeitig erscheint ein hübsch gekleideter Knabe und bringt auf silberner Schüssel als Geschenk von den Brauteltern einen feinen Anzug für den Bräutigam. Dieser Anzug wird sofort benützt. Die Priester, welche unterdefssen für das Wohlergehen der jungen Leute gebetet, kehren mit Tee, Betelnuß und gelben Gewändern beschenkt nach Hause zurück. Die Samilie der Braut gibt nun ebenfalls ein Sest, und erst am Abend des dritten Tages wird die Braut feierlich in ihr neues sheim geleitet. Zwei oder drei Cage später machen die jungen Cheleute einen Besuch bei der Samilie des Mannes, vor der sich die neugebackene EChefrau zu Boden wirft und Blumen, Kuchen und andere Geschenke verteilt. Wenige Tage darauf bringt die Srau den Gatten zu ihren Eltern.
Bei der Geburt des ersten Kindes wird die Mitgift, welche der Obhut der Brauteltern anvertraut worden war, der jungen Mutter übergeben. Von nun an müssen die jungen Leute, die bisher bei den Brauteltern gegessen, für sich selber sorgen.
Die mit eben beschriebener Seierlichkeit geheiratete Srau steht dem Manne im Range völlig gleich und ist Kerrin des Haushaltes. Sürsten und hohe Beamte halten sich zuweilen noch Nebenfrauen, welche jedoch, wenn sie ihrer überdrüssig sind, einfach fortgeschickt werden können.
Eigentümliche Sitten herrschen namentlich im vVasallenstaat Laos bei der Geburt eines Kindes. Es wird nämlich angenommen, daß das Kind bis zum zweiten Tage den Geistern angehöre. Sobald es geboren, wird es gebadet, angekleidet und auf einem Reissiebe unter freien Himmel gebracht, wenn möglich durch die Großmutter.Diese ruft die Geister an, sie möchten das Kind noch diesen Tag holen, andernfalls es für die Sukunft unbehelligt lassen. Dabei stampft sie heftig auf den Boden. um das Kind zum Schreien zu bringen. Gelingt dies nicht, so ist das ein []Siamesische Seste und Gebräuche.
77O boses Vorzeichen.Schreit das Kind,so wird ihm ein gesegnetes, glückliches Leben zu teil. Bisweilen freilich kommen die Geister und holen das Kind, d. h.es stirbt innerhalb 24 Stunden.CEinen Tagnach der Geburt gilt das Kleine nicht mehr als Eigentum der Geister,die es ja hätten abholen können,wenn sie gewollt. Es gehört jetzt den Eltern. Um ganz sicher vor weiterer Belästigung seitens der Geister zu sein, verkaufen diese das Kind dem Namen nach um ein geringes irgend jemand, vom Gedanken ausgehend, daß die Geister sich anstandshalber nicht an etwas Gekauftem und Bezahltem vergreifen. Auch bei der Taufe des Kleinen ist man darauf bedacht, einen recht abstoßenden Ramen zu wählen, damit die Geister das Kind seines hübschen Namens wegen nicht etwa zu sich nehmen.„Ki mu“, d. h. Schweinedünger, und „Ai han“, d. h. Gänsemist, gehören keineswegs zu den ungewöhnlichsten und häßlichsten Hamen.
Beim TCode haben die Laoten folgende Gebräuche:
Jemand schließt dem Coten Augen und Mund und ladet den Geist höflich ein,sein Heim zu verlassen und jede Rümmernis, jede Sorge um Samilie und Sreunde und weltliche Dinge zu vergessen. Suweilen wird eine kleine Münze oder ein Edelstein in den Mund der Leiche gelegt, damit jene in der anderen Welt die Geistesgebühr bezahlen könne.
Tod durch Unglüucksfall ist ein sicheres Seichen, daß ein böser Geist die Seele des verunglückten geholt, damit sie ihm in der Geisterwelt Gesellschaft leiste. Solche Cote werden nicht verbrannt, ebensowenig Wochnerinnen, durch bösartige Seuche Verstorbene und vor dem fünfzehnten Jahre dahingegangene Kinder.
Männer liegen, wenn sie begraben oder verbrannt werden, mit dem Gesicht nach unten, Srauen auf dem Rücken. Die Laoten glauben nämlich, daß Srauen den Himmel nie gesehen haben, sondern ursprünglich aus unterirdischen Regionen gekommen sind. Sterbend blicken sie zum erstenmal empor. Die Männer dagegen sind von oben gekommen und wünschen, die Srauen bei sich im Glücke der Geisterwelt zu haben.Sie dürfen daher ohne Sagen hinunterblicken und nach ihren emporsteigenden weiblichen Angehörigen suchen.
Pauptfaffade des königlichen Palastes in Bangkok.
[374]Reise einer Schweizerin um die Welt.Die Laoten stellen sich den Himmel als Berg Sinnalo im siamesischen Berg „Meru“vor. Dieser stellt die Mitte der Welt dar und ist halb unter, halb über der Erde.Selsen bilden den Teil, der unter Wasser ist, und um diesen Sels windet sich ein Riesenfisch, Pla anun genannt. Schläft er, so ist die Erde ruhig, bewegt er sich, so entsteht ein Erdbeben.
Über dem Wasser ist die bewohnte Erde, und auf jeder der vier Seiten des Berges steigen sieben Hügel einer über dem andern empor, welche die Stufen bedeuten, die zu den verschiedenen Himmelsräumen führen. Cassen die guten Werke des Abgeschiedenen zu wünschen übrig, so kann er den Gipfel des Berges Sinnalo nicht erreichen.
Der erste von diefen Himmelsräumen heißt: e Tja to maha la tschi fa tawa-Er ist der Wohnort guter Geister, und hier wohnt auch ein König, der über sie herrscht.
Eine Stufe höher liegt « Tawah tingsan nang tewa nange». Hdier wohnen diejenigen, welche Wats und Priesterwohnungen erbaut haben. Jeder, der hier hineinkommt, darf 16,000 Srauen haben.
Der nächste Himmelsraum ist «Tut sida tewa. Seine Bewohner bestehen aus Menschen, welche auf Erden weiße Kleider trugen und ihre Seit mit Beten zubrachten.30.000 Srauen sind ihnen gestattet.
Im vierten, dem «»Vama tewa», wohnen Männer und Srauen, die auf Erden Werke von großem Verdienste getan.
Der fünfte Himmel ist «»Nimma nalati», auch ein sHeim für gute Menschen.Ein jeder Mann erfreut sich hier 600,000 Weiber.shimmelsraum Numero sechs heißt: «Para min mitta», die Hßeimat des vollkommenen Sriedens. Man verbringt hier die Seit mit Singen und Tanzen, und jeder Herr hat nicht weniger als 105,000,000 Damen.
Darüber kommt ein in drei Abteilungen geteilter Himmel, wobei ein jeder noch in drei Unterabteilungen zerfällt. Ich will nur die Bewohner des dritten Himmels nennen. In A. wohnen die Srauenengel. In B. die Männer, welche die vollkommensten Engel sind und hier leben, ehe sie Götter werden und über die Menschen regieren wie Buddha. In C. wohnen die Srauen. welche bestimmt sind, Mütter von Göttern zu werden.
Über allen schwebt das „äußere Dunkel“ oder Nirwana, von den Siamesen „Nippan!“ genannt.
Daß übrigens bei allen himmlischen Sreuden und Genüssen die Bewohner der verschiedenen Himmelsräume noch Sinn für irdische Lustbarkeiten haben, bezeugt folgende Legende:
„Ein Sürst und seine Gemahlin veranstalteten einst große Sestlichkeiten, weil ihr Sohn Priester geworden war. Cheatervorstellungen aller Art fanden statt. Als nun die fürstliche Samilie mit ihren Söhnen der Aufführung zusah, kamen auch die Bewohner der obern Welt, um zu sehen, was vorging. Die Cheatervorstellung gefiel ihnen dermaßen, daß sie darüber sofort an Pya In oder Indra, den Herrscher über den Himmel, Bericht erstatteten, der nun neugierig selbst herunterkam, um einen Blick auf die Schaustellung zu werfen. Er war so entzückt, daß er bei seinem Weggange drei Söhne des Sürsten, welche unter den Suschauern saßen, stahl und mit in den Himmel []Pratschedis. (S. 377.)
[376]Reise einer Schweizerin um die Welt.nahm, damit sie ihm bei der ECinrichtung theatralischer Vorstellungen in den himmlischen Regionen helfen sollten. Er vollführte seine Absicht in drei Cagen, brachte dann jeden der Süürstensöhne in einer großen kristallenen Slasche zurück und setzte sie wieder auf den Platz, von wo er sie weggeholt hatte.“
Doch genug von den naiven Himmelsideen in Hinterindien und zurück zum aufgeklärteren Bangkok.
Weihnachtsmorgen!
Wir standen mit unserer Erlaubniskarte vor dem koniglichen Palaste. Ein Ostschweizer, Herr W., an den ich von Singapur eine Empfehlung mitbekommen hatte,war mit uns.
Am Cingangstor, das mit einer starken Wache besetzt ist, erwarteten uns zwei feine Siamesen,welche die Sührung übernommen hatten. Das von einer weißen,zinnengekrönten Mauer umschlossene Palastviertel bildet eine ganze Stadt für sich, bevölkert von einem Heer Beamten und Diener. Hinter dem sogenannten Empfangspalast liegt das Konigshaus, das geheimnisvolle Kang Nai, das Innere,in welchem der König mit seinen dreißig Srauen und 52 Kindern wohnt. Diese Sahl hat man mir aus wohl informierter Quelle in Bangkok mitgeteilt, in den Reisebeschreibungen steht meist die doppelte angegeben. Der Reisende Otto Ehlers erzählt, der jetzige Aronprinz habe ihm vor zehn Jahren etwa auf seine Srage, wieviel Geschwister er hätte, geantwortet: « Nobody knows exactly, there are plenty of them. MHiemand weiß das genau, es gibt ihrer eine Menge.) Kein Unberufener darf sich diesem Palaste nähern, ja, die Etikette verbietet schon die bloße Erwähnung desselben. Der Empfangspalast ist erst im Jahre 1880 bezogen worden. Er stellt einen langgestreckten faäulenund pilastergeschmückten Bau im Renaifsancestil vor; die italienische Bauart herrscht überhaupt vorwiegend bald mehr bald weniger gelungen bei allen offiziellen Gebäuden und königlichen Besitzungen. Beibehalten sind dabei, wenigstens im Palastviertel,die originellen, giebelreichen, spitz auslaufenden, gelblasierten siamesischen Dächer und die Elefantenbilder.
Im Palastviertel.[]Siamesische Seste und Gebräuche.
377 Daß es uns zunächst zu den berühmten weißen Elefanten zog, will ich nicht leugnen,aber welch eine
Enttäͤuschung!
Weiß sind die vier durchaus nicht,sondern schmutzig graubraun mit einigen weißen
Slechen auf den
Ohren. Gegen die mageren, nicht besonders gut gehaltenen und ach, so kurz gefesselten
Tiere, die sich kaum einige Soll weit bewegen können, sind unsere Bären beneidenswerte Rentiers. Die Repräsentanten des siamesischen Wappens zeigten sich für milde Haben auch empfänglicher als unsere Braunröcke in der Sremdensaison. Mit Entzücken nahmen sie einige Bündel Suckerrohrstroh entgegen und dankten mit artiger Verbeugung. Hie und da spaziert der eine oder andere koönigliche Elefant auf seinem Gang zum Bade durch die Straßen Bangkoks und entschädigt sich an etwaigem Suttermangel dadurch, daß er seinen Rüssel ungeniert hier und dort in die Ladenauslagen hineinsenkt, um sich einige Bananen, einen Suckerrohrstengel oder eine Kokosnuß zu holen.
Die Heiligkeit der weißen Elefanten stammt aus der frühesten Seit der buddhistischen Geschichte. Indra selbst ritt auf einem weißen, dreiköpfigen Elefanten, und Gaudama (eine Personifikation Buddhas) wurde zum letztenmal in der Gestalt eines Elefanten geboren. Sudem herrscht in Siam allgemein der Glaube, daß einem Albinos die Herrschaft über alle Geschöpfe seiner Rasse gebühre.
Das Schönste und Interessanteste der Königsstadt ist unstreitig die Cempelanlage des Wat Pra Kao, des ältesten und dabei schönsten Cempels Bangkoks. Unmittelbar nach der Gründung der Stadt, 1782 begonnen, blieb der Gebäudekomplex stets unvollendet. Als 26jähriger Mann gelobte Cschulalongkorn, Wat Pra Kao zum 100jährigen Jubiläum der Stadt zu vollenden. Dies gelang. Die Brüder des Königs wirkten nach Kräften mit, der eine bedeckte den großen Haupttempel mit vergoldeten Siegeln, der andere ließ die mit Perlmutter eingelegten Cüren wieder herstellen, der dritte schenste bronzene und vergoldete Buddhastatuen u. s. w.
Um den Haupttempel gruppieren sich obeliskartige Bauten, welche teils in eisernen vergoldeten Slammen, teils in spitzen goldenen Nadeln enden. Pratschedi und Pra oder Phra Prang werden sie genannt und als Weihgeschenke von einzelnen Samilien der Gottheit
[378]Reise einer Schweizerin um die Welt.gewidmet. Inwendig meist leer, enthalten sie nur hie und da eine Kopie des Baues im kleinen. Sonderbar phantastisch, wie der nach chinesischem Muster angelegte Tempelgarten, sind die Siguren und Ciere, welche diesen heiligen Bezirk beleben.Da stehen vor den Eingangspforten überlebensgroße grüne Gestalten, halb Mensch,halb Vogel, „Krut“ genannt, mit spitzer, in fünf bis sieben Ctagen sich verjüngender stopfbedeckung, Maske, weitabstehenden Janusohren, grüner Rüstung aus glänzender Sayence und gockelartigem Schwanze. Andere Tempelhüter zeigen sich als ehrwürdige alte Herren, in rundem, schwarzem Hut, weißer Krawatte, schwarzen Handschuhen und langem, in einer Schleppe endendem Sracke. Sie erinnern mich an Yankees aus den Hinterwäldern. Was ihre Bedeutung, sowie diejenige aller möglichen, in modernen Gesellschaftsanzügen neben chinesischen Mandarinen prangenden Herren ist,konnte mir kein Mensch erklären. Hur drei waren mir bekannt unter den herumstehenden Herrschaften aus Sement: Mr. Gladstone in evening dress und Hermes und Artemis, letztere freilich ohne Gesellschaftstoilette.
Unter den Tierbildern sind es immer wieder Elefanten, Affen, Tiger, Pferde,welche die Hauptrolle spielen. Um das große, ganz mit vergoldeten Siegeln bedeckte Pratschedi stehen die vier stärksten Ciere in Siam: ein TCiger, ein Elefant, ein Pferd und ein Adler.
Den Mittelpunkt dieser Anlage, die durch schöne Bäume, tropische Blüten und Cotosteiche einen poetischen Anstrich erlangt, bildet der große Wat, wo der SmaragdBuddha thront und der RKönig seine Gebete zu Buddha emporsendet. Ein dreifaches buntes Dach, dessen hohe Giebel in Slammenspitzen auslaufen, bedeckt die mit Säulenhallen umgebene, nach griechischem Muster erbaute Cella. Hohe steile Stufen führen hinan zu zwei schwarzen, reichvergoldeten und eingelegten Türen, zwischen denen Buddha in einer Nische thront. Überreiche Sresken schmücken die Wände. Ein Bild steht über dem anderen: Jagden, Prozefsionen, Kämpfe, Seste, alles ohne rechte Perspektive, aber in lebhaften und doch harmonischen Sarben dargestellt. Hoch oben über einem Altare thront eine Sigur aus grünem Nephrit, das sHaupt durch einen RiefenSmaragd gebildet, der sogenannte SmaragdBuddha. Heiliges Dunkel umschwebt ihn,den unter der Laft seiner goldenen Kleider kaum Sichtbaren. Von priesterlicher Hand heben sich auf einen Augenblick die schweren Vorhänge, und eine goldene CLichtflut dringt hinein in den Cempel. Ein Strahl fällt auf das Götterbild, und die feierliche,würdevolle Gestalt Buddhas löst sich ab von dem dunkeln Hintergrunde und tritt hervor, als wollte sie sich segnend zu den Betern zu ihren Süßen neigen. Im Jahre 1486 n. Chr. wurde das Gotterbild in Kiang Hai gefunden und dem damaligen Könige von Siam gebracht. Im ganzen Lande glaubt man, das Reich werde blühen und gedeihen, solange der SmaragdBuddha hier throne, sollte er verschwinden, so sei es auch um Siam geschehen. Der Altar bricht beinahe zusammen unter der Last der Glasgefäße, Lampen und Leuchter, der mehrstöckigen Schirme, der BuddhaBilder in Gold, Silber und Bronze. An den Altären stehen vVasen mit in Pyramidenform aufgebauten Plumerien, Tuberosen und YangYlangBlüten, die drei staäͤrksten Düfte,welche, mit Weihrauchwolken vereint, betäubend den Tempel erfüllen. Unhörbar nahen von allen Seiten träumerische, gelbe Priester, helle und dunkelgelbe. In der Hand []P'ra Ehedi.
[380]Reise einer Schweizerin um die Welt.halten fie die gelbe, betäubende Ylang-Ylang-Blüte. Dazwischen kommen Srauen und Kinder. Sie bringen ihre Reis- und Blumen-Opfer, und alle fallen sie nieder im Gebet auf den kalten, glänzenden Metall-Sliesen.
Den Abend verlebte ich in der Samilie des Dr. R. der seine belgischen Landsleute zum Weihnachts-Diner bei sich vereinigte. Sünf belgische Samilien im fernen Siam! Bis unlängst war ein Belgier, der jetzt versstorbene Rolin Jacquemyns, Staatsminister und rechte shand des Konigs.
Der König hat seinen Ministern und obersten Beamten, die größtenteils zugleich seine Brüder sind, europäische Ratgeber zur Seite gestellt. Es ergeht ersteren dabei einigermaßen wie dem Sultan von Djokjakarta und dem Kaiser von Soerakarta,nominell sind sie vorsteher ihrer Departemente und erlassen Befehle, in Wahrheit aber müssen sie tun, was ihre Ratgeber, deren wohl zwanzig sind, bestimmen. Ob die Europäer dabei immer den geeigneten Sauerteig in dieser europäisch-siamesischen Mischung bilden, läßt sich schwer sagen.
Solgenden Departementen sind europaische Ratgeber beigegeben: Sinanz, Soll,Polizei, Heer, Marine, öffentliche Arbeiten, Hafen, Post, Telegraph, Sorst, Cisenbahn,Schule und Gericht.
Damit keine fremde Nation dabei ein allzu großes Übergewicht im Lande erhalte,entnimmt der Konig möglichst verschiedenen Nationalitäten seine CLeute und übergibt wiederum je ein Departement, wenn notwendig, mehreren Curopäern eines Landes.So finden wir zum Beispiel zwei oder drei Belgier im JustizDepartement, mehrere Dänen bei der Marine u. s. w. Die Besoldungen sind hoch, die Arbeit ist verhältnismäßig nicht schwer, Serien gibt's häufige und lange. Anderseits ist das Klima der oft furchtbaren Hitze wegen sehr angreifend, die Kinder müssen zur Erziehung nach Europa geschickt werden, und an Serstreuungen und Vergnügungen in Bangkok findet sich wohl keine große Auswahl.Beinahe ware ich an jenem Weihnachtsabende verunglückt.
Dr. R. holte mich mit seiner victoria und zwei sehr wilden javanischen Pferdchen ab. Gleich hinter dem Oriental Hotel fingen diese an, durchzugehen, vergeblich suchte der Kutscher sie zurückzuhalten. In rasendem Tempo flogen wir durch die schmale, verkehrsreiche Kaupistraße.Andächtige im Wat.[]Siamesische Seste und Gebräuche.
381 SZu unserer Linken schoß die elektrische Trambahn dahin. Plötzlich sah ich vor mir eine Jinrikisha, welche direkt unseren Pferden entgegenlief und nicht mehr ausweichen konnte. Einen Augenblick später wirbelte das Wägelchen mit seinen Insassen hoch in der Cuft, um unmittelbar darauf unter den ßufen der dadurch vollends scheugemachten Pferde in Atome zersplittert zu werden. ECine Minute noch und zu unserem Heile trat das eine Pferd mit dem rechten Suß in einen an der Straße laufenden kleinen Graben. Dies brachte das wilde Sweigespann zum Stehen, wir konnten aus dem Wagen springen.
Eine große Menschenmenge hatte sich um uns gesammelt. Aus allen Ecken kam die Polizei gestürzt, teilnehmend umringte man uns, untersuchte den Wagen, sah nach dem Pferde, das zum Glück sich wenig beschädigt hatte. Kein Mensch fragte dagegen nach den unglücklichen JYAinrikishaChinesen. Einige Blutspuren, einige zersplitterte
Rööniglicher Palast vom Sluß aus.Radspeichen hatten sie zurückgelassen, sie selber waren in Racht und Nebel spurlos verschwunden.
Als ich das harte Geschick der Betroffenen, die wahrscheinlich schwere Wunden und den Verlust ihrer Jinrikisha davongetragen, beklagte, antwortete man mir fehr kühl: „Sie haben gut daran getan, schnell zu verschwinden, sonst hätte die Polizei sie gepackt und auch noch Strafgeld von ihnen gefordert.“ Ich mußte den ganzen Abend an die armen Menschen denken. Wie absolut recht und schutzlos diese chinesischen Kulis und übrigens auch die Eingebornen in Indien sind, hatten wir auf unserer Weiterreise noch oft Gelegenheit zu bemerken.
Meinem Sreund begegnete auch in Bangkok folgendes:
Er fuhr mit einem weißen Kutscher durch die Stadt. Da die Straßen sehr eng und es schon dunkel war, bat er diesen, den allzu raschen CLauf seiner Pferde etwas zu mäßigen. Vergeblich, man raste nur noch schneller davon und überfuhr richtig einen alten Chinesen mit seiner Ainrikisha. Als der unglückliche Alte sich mühsam erhob, überschüttete ihn der Kutscher mit einer Slut von Schimpfreden und wollte mit der Peitsche auf ihn einhauen. Zugleich erschien ein Polizist und packte den unglücklichen Bezopften. Wütend rief diesem mein Sreund zu, den Chinesen sofort los
[382]Reise einer Schweizerin um die Welt.zulassen und den schuldigen Kutscher zu ergreifen. Doch nein, Polizist und Kutscher erklärten einstimmig, in solchen Sällen träfe jedesmal die Chinesen die Schuld, und sie müßten Strafe bezahlen. Solche Unfälle kämen übrigens beinahe täglich vor.Mit Mühe nur gelang es meinem Sreunde, die Sreilassung des Unglücklichen, der zugleich mit der JAinrikisha sein Brot verloren, zu erwirken. Stumm, ohne ein Seichen von Schmerz oder Aufregung zu zeigen, hatte der alte Chinese alles über sich ergehen lassen. Er wußte zum voraus, daß er hier der Unterliegende sein mußte.
2 []Das buddhistische Siam.
383 fFapitel 25.Das buöshistische Stam.
Auszug aus dem Oriental Potel. Peiligkeit des Schlafes. Wats. Grenzstein. Der Song. Wat Poh.Wat Tschang. Priester. Theater. Schneiden des Paarknotens. Ausslug nach Ajuthia. Elefanten kraal. Eintreiben der Elefanten. Dressur. Darem des Rönigs Mongkut. Bangpain. Ehinesischer Singapur.
Den folgenden Morgen verließ ich mit keineswegs schwerem Herzen das Oriental sdotel und seinen spitzbübischen Wirt, der mir zum Schlusse noch falsches Geld aufschwatzen wollte. In der Samilie des Dr. R. fand ich eine nette, feine Srau, zwei liebe Bübchen und den Doßtor selber, der jederzeit bereit war, dem Gaste Angenehmes und Interessantes zuebieten. Er selbst war viel im Palast und wurde auch nachts des öfteren telephonisch herausgeklingelt. Bei dem großen Hofstaate und der Gewohnheit der vornehmen Siamesen, beinahe ununterbrochen den ganzen Cag Süßigkeiten zu naschen, ein sehr natürliches Kefultat.Dicht neben uns wohnte ein junges,belgisches Chepaar, Herr und Srau J. Sie führten mich viel in Bangkok herum,und da wir der großen Hitze wegen unsere Ausfahrten früh unternehmen mußten und Doktors spät auf waren, so erschien ich oft schon zum ersten Srühstück dort zu Gaste. Anfangs konnte ich den siamesischen Bon nie dazu bringen, mich zu wecken. Ich hielt es für bösen Willen, bis ich erfuhr,daß in Siam jemand zu wecken, einem Morde gleich kommt. Dr. R. erzählte,dies hätte die Reise mit dem König oft schwierig gemacht, denn jedesmal, wenn es ihm beliebte, lange zu schlafen, mußte die auf den folgenden Morgen festgesetzte Abreise aufgeschoben oder umgeändert werden. Auch wenn die Sonne nicht schien,soll es nicht leicht gewesen sein, den siamesischen « Roi Soleil aus den Sedern zu kriegen.
Wat Tschang.
[384]Reise einer Schweizerin um die Welt.Mit Herrn J. habe ich eine ganze Anzahl Wats besucht, an denen Bangkok keinen Mangel leidet, foll es doch in und um die Stadt herum deren bei neunhundert geben.
Cin Pratschedi oder Phra Prang zu errichten, ist der Wunsch und das hochste Streben eines jeden frommen Buddhisten. Er betrachtet es als ein Mittel, sich bei der Gottheit beliebt zu machen, eine Suühne für all seine Sünden, eine Stufe zum sdimmel.
Aus der Serne gesehen, im Schatten hoher Bäume, an den Ufern des Slusses,vergoldet von der Sonne, oder vom Mondlichte milde verklärt, erscheinen diese Tempelbauten unbeschreiblich schön und poetisch. Anders in der Nähe. Slüchtig und leicht zusammengefügt und niemals ausgebessert, zerfällt gar bald der aus Lehm,SZiegelsteinen, Kacheln und grobem Glasmosaik gebildete Bau. Moos setzt sich an,Gebüsche streben aus den Sugen und erweitern diese allmählich zu klaffenden Rissen.Die Mosaik und bunten Blumenornamente zerbröckeln, werden zertreten oder fortgetragen.
In der Anlage sind die Wats einander mehr oder weniger gleich.
Der meist große Tempelplatz wird durch den König, in der Provinz durch den Statthalter, ausgesucht. Acht runde Steine, luk nimit genannt, begrenzen den Bezirk.Sie werden mit Weihwafser begossen und sollen die bösen Geister abhalten, in das Bereich des Wats zu dringen. Nachdem diese luk-nimit eingegraben worden sind,wird ein kleiner Siegelbau mit vier Portalen über einen jeden errichtet, dessen Abschluß ein roter Sandstein in Sorm eines Herzens bildet. Bysema oder sema heißen im Sanskrit diese Steine. Es ist ferner Sitte, unter jedes Pratschedi entweder eine Sigur Buddhas oder ein goldenes oder silbernes Schmuckstück samt einem Silberblatte mit dem Namen des Stifters und dem Datum zu legen.
Die Pratschedi habe ich bei Gelegenheit des Wat Pra Kao beschrieben, auch die Cempelgaärten mit ihren wunderlichen Sement- und Steinbewohnern, zu denen meist noch phantastisch geformte Granitfelsen kommen.
Eines märchenhaften Tieres habe ich jedoch nicht erwähnt, das meist auf einer erhöhten Terrasse vor dem Wat sitzt. Der Song ist ein ungeheuerlicher Löwe mit einer borstigen Mähne, einem gewaltigen Busch am Ende des Schweifes und langen,gespreizten Klauen. Im offenen Maul hält er eine bewegliche Kugel. Der Song war sönig der Tiere und nicht wenig stolz auf seine Schönheit und Kraft. Sein Reich war der Urwald, sein Thron auf dem Gipfel eines bis zum Suße zerklüfteten Berges.Tief unten in der Schlucht floß ein Kristallstrom. Die anderen Tiere liebten ihn nicht seines Hochmuts wegen. Dem Hunde gelang es, ihn zu verderben. Er brachte den Song auf einen Selsenvorfprung, der über dem Kristallstrome hing, unter dem vorwande, ihm einen in jeder Hinsicht ebenbürtigen König zu zeigen. Als der Song ins Wasser hinunterblickte und sein eigenes Bild sah, ergriff ihn das Verlangen, mit dem vermeintlichen Hebenbuhler zu kämpfen. Er sprang von der Klippe herab und zerschmetterte sich am Selsen.
Die Haut des toten Löwen wurde von den Menschen gefunden, und wer sich eines Stückes derselben bemächtigen konnte, gelangte zu Ansehen und Wuürde. Nach langen Jahren wurde der Song von neuem geboren, und nach vielen Wandlungen []Das buddhiftische Siam.
385 ein Gott aus ihm, den man verehrte. Das war jedoch vor Buddhas Seiten, deshalb wird sein Bild auch nur außerhalb der Tempel gesetzt, und zwar in der Neuzeit als Symbol der Wachsamkeit.
Am Eingang der Wats finden sich meist mehrere Salas, d. h. Ruheplätze für Pilger, welche von nah und fern kommen; die übrigen, meist schmutzigen und verwahrlosten Gebäude sind Priesterwohnungen.
Das Wat, welches, weithin sichtbar, sich so malerisch über einer hohen Baumgruppe erhebt, ist Wat Sakket, einst die schauerlichste Stätte Bangkoks, ein wirklicher Tempel des Schweigens. Bis vor acht Jahren sind dort die Leichen armer Siamesen einfach den Geiern und Runden zum Sraße vorgeworfen worden, dabei wurde, wohl um diesen den grausigen Schmaus zu erleichtern, den Toten ein klaffender Schnitt
Wat Sakket.in Brust oder Rücken gemacht. Der kultur- und menschenfreundliche König hat auch hier wie im Gefängniswesen Ordnung geschaffen. Im siamesischen Staatshaushalt ist jetzt die Bewilligung einer Summe von zwei Tikals etwa vier Sranken für Verbrennung jeder Armenleiche vorgesehen.
Im Wat Poh finden wir nach Muster der japanischen Daibutfu einen riesigen Buddha. Schlafend, vielleicht sterbend, liegt er, das Haupt auf den rechten Arm gestützt, auf einem erhöhten Ruhebette. Seine Länge beträgt 49 Meter. Er soll aus Siegeln und Sement gebildet sein. Eine dichte Goldlage überzieht das Ganze. Allein die vergoldeten Platten blättern ab, und jeder nimmt womöglich ein Stück zur Erinnerung mit. Interessant sind die mit Perlmutter eingelegten Sußsohlen des DD
Das Wahrzeichen Bangkoks ist WatTschang, ein auf achteckiger Basis ruhender, allmählich sich verjüngender, in eine Slammenspitze auslaufender Bau. vVier kleinere, abgestumpfte Türme umgeben den Mittelturm, und dreikopfige Elefanten
C. von Rodt, Reife um die Welt. 25
[386]Reise einer Schweizerin um die Welt.springen aus vier Nischen hervor. Von außen erklettert man das 60 Meter hohe Gebaude auf ungewöhnlich steilen und dabei gefährlich schmalen, hohen Stufen, eine tüchtige Leistung bei der herrschenden Hitze! Die Aussicht von oben: Bangkok in der Vogelschau mit seinen unzähligen Pratschedi- Nadeln, mit dem silbernen Band des Menam und dem üuppigen Grün der Gäͤrten, läßt manchen Schweißtropfen vergessen!Hier konnte ich mir auch Rechenschaft geben von der merkwürdigen Susammenstellung des Materials vom Wat Tschang, das, in der Serne gesehen, wie die köstlichste Steinskulptur sich präsentiert. Siegelsteine bilden den Körper des ganzen Baues, aus zerbrochenen Tellern, Gläsern, Töpfen, Scherben, Schalen und weißen Schneckenmuscheln sind die Tausend und aber Tausend Ornamente zusammengefügt. Der Effekt des Ganzen von unten und aus einer gewissen Entfernung ist ein wundervoller.
Der Menge der Wats entsprechen die Scharen der Priester. Hell und dunkelgelb,je nach der Gunst des Königs in Seide oder Baumwolle gekleidet, sieht man sie besonders in den Srühstunden, einen Sächer in der Hand und einen runden Topf unter dem Arme, ihrem „täglichen Brote“ von ssaus zu daus nachgehen. Reis,Sisch, Srüchte, Gemüse und Betelnüsse füllen schnell die Cöpfe, denn die Leute geben gern und viel, wissen sie doch, daß sie sich dadurch das besondere Wohlgefallen Buddhas erwerben. Sobald der Topf gefüllt ist, kehren die Bonzen in ihre Kloöster zurück und halten Mittagsmahl aus diesen milden Gaben, denn nichts anderes dürfen sie essen, als was sie sich erbettelt haben. Der Rest wird den allzeit hungrigen Raben und Pariahunden vorgeworfen. Bis zum nächsten Sonnenaufgang aber darf dann der Priester, mit Ausnahme einer Tasse Tee, nichts mehr genießen. Außer diesem täglichen Bittgang ist die Arbeit nicht groß. In der Srühe etwas Glocken- oder Trommelschlagen, einige PaliGebete hersagen, das ist so ziemlich alles.
Die PaliGebetsbücher bestehen aus langen, schmalen Palmblätterstreifen, mit einem durch ihre Mitte gehenden Saden zusammengehalten. Die Buchstaben werden mit eisernem Griffel darauf eingekratzt. Pali, die heilige Sprache der südlichen Buddhisten, wird in Siam, Birma und Ceylon noch heutzutage von gelehrten buddhistischen Priestern in barbarischer Verstümmelung gebraucht. Sie gehört zu den alten Volksdialekten Indiens und ist eine Tochtersprache des Sanskrit.
Einmal im Leben hüllt sich beinahe jeder Siamese, namentlich der höheren Alasse,in das gelbe Gewand der Priester, zuweilen auf Wochen oder Monate, ja auf Jahre oder fürs ganze Leben. Suweilen auch bleibt er im Tempeldienst, bis er sich vorteilhaft verheiraten kann, oder bis sich etwas anderes für ihn findet.
Wenn ich mit Herrn J. genügend in den Wats herumgestiegen war, durchmusterte ich mit Srau I., welche mit Leidenschaft alte Sachen durchstöbert, die Pfandleihanstalten Bangkoks, deren Sahl Legion ist. Der König läßt, zu Srau J.s Bedauern,jetzt gründlich damit aufräumen. Hoffentlich geschieht dies auch mit den Spielhöllen.Beide Institute, die jedenfalls einen inneren Zusammenhang haben, finden sich vorzugsweise im sogenannten Sampeng, dem echtesten Teil des alten Bangkok, wo jetzt die meisten Chinesen leben. Dort gibt's noch Quergäßchen, in denen die Schweine ebensoviel Anrecht wie die Menschen zu haben scheinen, und wo Mensch und vieh einträchtig beieinander wohnen. Beinahe lebhafter noch als zu Lande ist der Verkehr zu Wasser. Die []Vor dem Blefanten-Kraal in Ajuthia. (S. 390.) [] Das buddhistische Siam.schwimmenden Kaufläden, von welchen ich erzählt, werden verproviantiert, indem ihnen auf Sampans Gemüse und Topferwaren zugeführt werden.
Einen Abend verbrachten wir noch in
DufsitPark, diesmal im Theater. Es wurde zu gunsten des Wat gespielt und diesmal
Cintritt bezahlt. Im gewöhnlichen ist der
Besuch frei. Die Stücke sollen meist dem indischen Mythus entnommen fein und sich durch mehrere Abende hinziehen. Spieldauer ist in der Regel von sieben Uhr abends bis morgens um zwei Uhr, und diese Cakons, wie die Aufführungen genannt werden, scheinen den Siamesen eine unerschöpfliche Quelle des Vergnügens zu gewähren. Das Haus war sehr groß, amphitheatralisch bauten sich die billigen Sitze auf, während die Europäer und vornehmen Siamesen im Parkett, unmittelbar unter der Königsloge ihre Plätze hatten. Links in einem Winkel neben der Bühne wirkte das ziemlich laute Orchester. Nur junge Mädchen traten auf; Tanz, Kämpfe und berdrehung der Hände und Arme spielten dabei die Hauptrolle. Man erzählte mir,den kleinen Mädchen würden zuweilen die Ellenbogen ausgerenkt, damit sie auch nach einwärts gebogen werden könnten. Ähnliche widernatürliche Stellungen nahmen auch shände und Süße ein. Die Mädchen, deren eine sehr große Sahl auftraten,trugen goldglitzernde, enganliegende Rüstungen mit einer Art Epauletten, die Hörner oder Schwingen vorstellen konnten. Die zwoölf bis fünfzehn Centimeter langen Singernägel waren bis zur Spitze mit silbernen Sutteralen geschützt und sahen wie Riesenklauen aus. Auf dem Kopf trugen sie eine hohe Krone, welche die Sorm eines Pratschedi hatte, und über dem Gesicht lag eine dichte Puderschminke. Die beiden ssauptpersonen waren die getreuen Abbilder der großen, grünen „Atruts“vor den Wats. Ein in sieben Etagen sich aufbauender Chrenschirm wurde wahrhaft zrampfhaft von einem Diener über ihren Häuptern gehalten. Sehr belebte sich die einförmige Szene beim Erscheinen aller moöglichen Tiere des Waldes, durch Siamesen dargestellt, welche die betreffende Ciermaske einfach über den Kopf gestülpt hatten und sie immer wieder festbinden mußten. Unter wildem Geschrei entspann fich eine Jagd, die mit dem Tode sämtlicher Ciere endete. Suweilen freilich standen die Leichen wieder auf und hoben die Masken empor, um Luft zu schnappen, oder sie suchten sie sich bequemer anzupassen, was jedesmal unermeßlichen Jubel unter den Suschauern hervorrief. Aus den Kulissen guckten zwei Königstöchterchen hervor, die sich vortrefflich zu unterhalten schienen. Auf ihren Kopfchen prangte noch der runde Haaranoten. und von diesem will ich jetzt erzählen.
Im elften oder dreizehnten Jahre die Sahl muß eine ungerade sein wird stnaben und Nädchen dieser Haarknoten geschoren, und zwar unter ganz besonderen Zeremonien. Die Sterndeuter bestimmen einen glücklichen Cag oder vielmehr eine Nacht, denn um vier Uhr in der Srühe spätestens muß das Hdaar gefallen sein. Der
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Lakon.
[388]Reise einer Schweizerin um die Welt.Purohita (Oberpriester) nimmt drei sogenannte „Wien“,d. h. Lichthalter,flache, einer großen suchenschaufel nicht unähnliche Gegenstände aus Metall,stellt drei Lichter darauf und hebt sie auf die Kopfhöhe des zu scherenden
Kindes. Hierauf beschreibt er drei magische Sirkel in der Cuft, wäͤhrend er mit dem
Rücken der rechten Hand den Rauch dem Ringe zuweht, in welchem das Kind sitzt. Nochmals werden die Lichter emporgehoben und der Rauch in Gestalt eines Unalom (uddhistisches Emblem in Sorm eines Sirkels) dem Kind ins Gesicht geblasen. Unterdessen ist das Haar abgeschnitten, die Lichter vermitlelst darauf gelegter Betelblätter geloscht und die
Wien in Reisschüfsseln gelegt worden. Sum Schluß taucht der Priester einen Singer der rechten Hand in einen Betelbrei und befeuchtet damit die Stirn des Geschorenen zwischen den Augenbrauen, mit der Singerspitze einen Unalom beschreibend, er führt dabei diesen beim Mädchen zur Linken, beim Knaben zur Rechten.
Ganz besonders feierlich wird die Seremonie des Haarschneidens in der königlichen Samilie, besonders beim Kronprinzen, gefeiert. Während sechs Cagen löfen sich dabei Seste und Umzüge unaufhörlich ab. Chow Sah, oder Chaofa, Himmelsprinz,lautet der Citel des Kronprinzen von Siam. Konigliches Blut muß in den Adern seiner Mutter fließen.
Einen interessanten Ausflug machte ich mit Herrn und Srau J., meinem Reisegefährten und einer Engländerin, Miß R., nach Ajuthia, der alten Hauptstadt. Wir benutzten dazu die vor wenigen Jahren erbaute Eisenbahn Bangkok-Korath, eine der wenigen in Siam. Die sauberen, netten Wagen erster Klasse waren leider unbeschreiblich heiß, die Gegend im ganzen flach und uninteressant.
Das alte Ajuthia ist ein malerisches, gewaltiges Crümmerfeld. Ihre große Ausdehnung verdankt die Stadt folgendem Umstande: Einem Pya (hohen Beamten)wurde die Gründung der Stadt befohlen, und zwar sollte er einen Pfeil abschießen und da, wo der Pfeil hinfiele, die Stadt bauen lassen. Als er schoß, fing der Sanuman, ein fabelhaftes, geschweiftes Wesen, den Pfeil auf und steckte ihn ein,wobei sein Schwanz, dessen Länge die Grenzlinien der neuen Stadt abgeben follte, zu ganz unerhörten Dimensionen wuchs. Der Hanuman versprach, als Schutzgeist über der neuen Stadt zu wachen, und erklärte sich bereit, im Salle der Gefahr, auf den Schall einer Crommel hin, der Stadt zu Hülfe zu kommen. Da es zunächst an jeder Gelegenheit fehlte, die Trommel zu rühren, konnten die Siamesen ihre Neugierde, den []Das buddhistische Siam.
389 sSanuman leibhaftig zu sehen, nicht länger bezähmen und gaben das Seichen. Wirklich erschien der Helfer, als er aber fand, daß es blinder Lärm war, wurde er zornig.verfluchte die Stadt und hat sich feither keinem Sterblichen mehr gezeigt.
Das moderne Ajuthia ist beinahe mehr auf als am Wasser gebaut, und der berkehr auf dem Strome ein ungemein lebhafter. Mit Müůhe wand sich die prinzliche «Steam launchs», welche Dr. R. für uns erbeten hatte, durch die Tausende von Booten und badenden Eingebornen, die mit den chinesischen Wasserbüffeln um die Wette Rühlung im Menam suchten.
Wir landeten zunächst in der Nähe des ElefantenKraales, einer gewaltigen Umzaäunung von drei bis vier Meter hohen und einem halben Meter dicken Teakholzstämmen, welche etwa sechzig Centimeter voneinander so tief in die Erde eingerammt sind, daß der stärkste Elefant sie nicht mehr auszureißen vermag. Sudem sind geraume Seit vor dem für die Jagd festgesetzten Tage dunderte von Arbeitern beschäftigt,das Pfahlwerk zu prüfen und neue Pfahlefür morsche einzusetzen. Zahlreiche Elefantenjäger begeben sich sodann in die Dschungeln, um die LCagerplätze der wilden Herden auszukundschaften.
Da in Siam den Tieren längst nicht so häufig und graufam nachgestellt wird wie ihren Brüdern in Ostafrika und Indien, so sind sie auch nicht so scheu und wild wie dort.
Die Herde besteht meist aus einer ) einzigen großen Samilie, welche unter einem Elefantenkönige steht, dessen Anordnungen sie sich vollständig fügt. Das Leittier pflegt das schönste, stärkste und größte unter der jungeren Generation zu sein. Es führt sie zum Bade und zur Tränke, sucht Lager- und Sutterstätten aus und schreitet als Kundschafter der Herde stets voran. Es wacht, wenn die übrigen Tiere ruhen,oder stellt seine Adjutanten als Wachtposten aus, und wacht wiederum, wenn nachts sich die berüfselte Gesellschaft im Bade ergötzt. Auch in das Gehege des Kraales,in die Gefangenschaft, tritt das Leittier zuerst ein.
1) Quelle: HefseMartegg, „In Siam“.
ElefantenRKraal.
[390]Reise einer Schweizerin um die Welt.Zahme weibliche Clefanten pflegen meist die wilden Genossen in die Nähe des straales zu locken, dann wird mit äußerster Behutsamkeit eine Kette aus Treibern und zahmen Elefanten gebildet, die in weitem Umkreis die Ahnungslosen dicht umgibt. Wildes Geschrei, Tamtamschlagen, Böllerschüsse, Seuer und Sackeln schließen jeden Rückzug in die heimischen Dschungeln ab. Erschreckt, betäubt betritt der Elefantenkönig den einzig ruhigen und freien Weg, den langen Palissadengang, welcher n die gewaltigen Sangarme des Kraales führt. Brüllend, trompetend, dicht gedrängt,folgt die ganze, oft zweihundertköpfige Herde. Ist der letzte Elefant durch, so fällt die Pforte zu.
Gefangen! Wütend drängen sich die riesigen Leiber an die festen Pfähle. Die Stoßzähne bohren sich in die Erde fest, und die wild hin und her geworfenen Rüssel spritzen Wasser und Erdschollen hoch empor.stönig Tschulalongkorn und seine Gäste pflegen, auf einem erhöhten Pavillon,der den Kraal überschaut, dem aufregenden Cintreiben der Hderde zuzusehen, ein Ereignis, das immer seltener vorkommt.
Der König bezeichnet eine Anzahl der stärksten und schönsten Ciere zum Sähmen,worauf eine Hinterpforte geöffnet wird, durch welche zahme Elefanten hereintreten.Ihnen liegt jetzt hauptsächlich die Dressur der Wildlinge ob, eine Aufgabe, die sie mit wahrhaft menschlicher Klugheit erfüllen. Man frägt sich unwillkürlich, was für Motive die zahmen Dickhäuter dabei leiten. Sühlen sie sich wirklich so wohl in der Hefangenschaft, daß sie ihren Stammesgenossen dieselbe Wohltat angedeihen lassen wollen? oder ist es ihnen ein Trost, eine Genugtuung, immer mehr Leidensgefährten zu erhalten? Sprecht euch aus, ihr von den Menschen Geknechteten!sdaben die zahmen Elefanten schon beim Eintreiben viel Cifer und Klugheit entwickelt, so brennen sie nun vollends vor Begierde, dem Kornak und dem Lassowerfer beim Cinfangen zu helfen. Sie drängen sich an den bezeichneten Elefanten heran,sondern ihn unter Schlägen und Stößen von der übrigen Herde ab, stellen sich schützend vor den Schlingenwerfer, welcher den Augenblick abwarten muß, wo der wilde lefant den Hinterfuß hebt, um die Schlinge darunter zu schieben und fest anzuziehen.Dann wird die Schnur außerhalb des Kraales an einen festen Pfahl gebunden.Sind alle vom König bezeichneten Tiere auf diese Weise gefesselt, so wird die Pforte des Kraales geöffnet, und in wildem Treiben und Hasten drängen sich die übrigen Tiere hinaus in die Sreiheit ihrer dunkeln Wälder.
Die armen Gefangenen toben unterdessen, bis sie zu Tode ermattet und von Sunger ganz erschöpft hinsinken, dann nähern sich ihnen gezähmte Elefanten. Je zwei nehmen einen armen, vollig gebrochenen, neuen Bruder in ihre Mitte, liebkosen hn mit ihren Rüsseln und reden ihm nach Clefantenart freundlich zu. Allmäͤhlich nimmt er Speise, läßt sich zum Bade und in den Stall führen und wird unter der Leitung seiner zivilisierten Brüder sehr bald völlig gefügig, gesittet und artig. Beim nächsten Elefanteneintreiben übernimmt der Neue seinerseits mit Enthusiasmus die Rolle des weisen Mentor.
Die gezähmten Elefanten werden teils dem Elefantenkorps des Königs einverleibt,leils als Transportmittel auf Reisen, hauptsächlich aber als geschickte, kluge Arbeiter []Wat Poh. (65. 385.)
[392]Reise einer Schweizerin um die Welt.in Sägemühlen und bei Bauten verwendet. Wir werden in Rangun Gelegenheit haben, sie in dieser Eigenschaft zu bewundern. Noch Anfang des XIX. Jahrhunderts haben in Hinterindien Schlachten stattgefunden, in welchen bis 6000 Elefanten ins Creffen geschickt worden sind.
Wir fanden den Kraal ganz verwaist, und in dem langen, in der Nähe liegenden Elefantenschuppen war nur ein einziges, melancholisches hohes Haupt, dem wir vderehrung zollen konnten. Seit drei Jahren hat keine Elefantenjagd mehr stattgefunden.Die Tiere vermindern sich stark und ziehen sich immer weiter in die Wälder zurück.
Noch einmal fuhren wir Ajuthia zu, um den jetzt recht verfallenen, großen Palast des Königs Mongkut zu besuchen, in welchem außer einigen trübe gewordenen, großen Spiegeln und einem abgeblaßten CThrone wenig zu schauen ist.
Interessant und amüsant lautet der Bericht eines Begleiters des Herzogs von Penthievres, welcher zwei Jahre vor der Thronbesteigung Tschulalongkorns, also 1886,den Hof seines Vaters Mongkut besuchte. HesseWartegg bringt uns in seinem Buche „Siam“ denselben in Übersetzung, und ich lasse einige Bruchstücke daraus hier folgen.
Offenbar in einer schwachen Stunde zeigte König Mongkut dem Herzog und dessen Begleiter seinen Harem. Diesen beschreibt der witzige Sranzose in seinem «Vovyage autour du monde- ungefahr so:
„Gruppen von fünfzehn bis zwanzig Srauen, überrascht von diesem unerwarteten Besuche, warfen sich sofort auf die farbigen Matten nieder, welche den Boden bedeckten;auf den Knien und Ellbogen liegend, schienen sie sehr erschrocken; andere, wohl hundertsechzig an der Sahl, flohen bei unserem Erscheinen auf die Treppen, die Balkone und in die Seitenkioske; wieder andere verschwanden wie der Blitz zwischen den schattigen Alleen des Gartens, und die Ritzen der nicht ganz geschlossenen Türen zeigten eine Menge schwarzer, funkelnder. neugieriger Augenpaare. Die einen, alte verwelkte Matronen mit runzeliger sdoaut, drückten sich zur Seite; andere schokoladenfarbige Nymphen,junge schmachtende Sultaninnen,mit einem handbreiten Band als einziger Bekleidung des Oberkörpers, einem kurzen, blauen Röckchen, Diamanten am Halse,den Armen und Beinen, schmieg
Zahmer Elefant beim Rraal.[]Das buddhistische Siam.
22 VVDten sich überrascht aneinander. Der König lenkte seine Schritte zunächst zu einer Gruppe ältlicher Königinnen, und eine von ihnen bei der Hand fassend, zog er die vor Schreck Sitternde vor uns hin. Mit seiner Rechten die Königin beim Arm haltend, mit der Cinken eine unserer Hände ergreifend, legte er sie in die Hand der Königin.
„Gutes Weib,“ sagte der König, indem er sie nach diesem unfreiwilligen Dändedruck wieder fortschickte, „sie hat mir drei Kinder geschenkt.“ Dann ging er, um eine zweite, ebenso häßliche zu holen; derselbe Shake- hand mit Madame Nr. 2. „Sehr gutes Weib,“ fuhr der König fort, „sie hat mir zehn Kinder geschenkt.“
So stellt man Prinzessinnen in Siam vor. Da alle Begleiter des Königs jedesmal,wenn sie zu sprechen begannen, eine Phrase hersagten, deren fortwährende Wiederholung von so vielen Lippen uns schließlich auffiel, erklärte uns Pater Larnaudie lein in Siam ansässtger Missionar), daß jede Anrede und Antwort im Verkehr mit dem König mit folgender geheiligten Sormel beginnen müsse: „Ich Erdenwurm, ich Staub deiner Sehen, ich shaar, bezeuge meine Ehrfurcht vor dem Herrn der Welt!“
Authentisch ist die Sahl der königlichen Kinder dreiundfiebenzig. Wie viele nebenbei noch gestorben sind, konnte ich nicht erfahren. Jeden Neujahrstag trägt der König das Budget des Ertrages, gegenwärtig oder zukünftig, in ein großes Buch ein.“
Ganz wunderbar fand ich die Aussicht vom vierstöckigen Wachtturm, desfsen hohe Stufen wir mühfam erkletterten. Su unseren Süßen lagen alt-Ajuthia mit einer Menge zerfallener Praischedi, welche mit den schlanken Betelnußpalmen um die Wette zum blauen Himmel ragten, und neuAjuthia, die Pfahlbautenstadt, wo man per Gondel zu seinem Schneider und Schuster, zur Spielhölle und in die Pfandleihanstalt fährt.
Weiter ging's mit Steam launch nach Bang-pain, dem Lustschlosse König Tschulalongkorns. Im Parke, der mir einen sehr gut gehaltenen, aber etwas kahlen, heißen Eindruck machte und dessen schlechte Statuen ich gern entbehrt hätte, gefiel mir am besten ein siamesischer Pavillon reinsten Stiles. Er steht mitten in einem großen Teich,und der schlanke Pagodenturm und die vielgiebligen Dächer spiegeln sich allerliebst in dem klaren Wasser.[224]35
Reise einer Schweizerin um die Welt.Eben so stilvoll und echt ist ein grozer, chinesischer Palast, in allen Details von so tadelloser Ausführung, wie ich seinesgleichen in China niemals getroffen. Eintraglich muß fürwahr die Opiumpacht in Siam sein, denn das Gebäude ist das Geschenk eines reichen, chinesischen Monopolpãchters an den RKonig.
Gelb, rot und golden leuchtet das
Hanze. Ein wunderbares, gelbes Porzellandach mit den bekannten Drachen als Wasserspeier und Giebelornamente krönt den reichgeschnitzten, zweistöckigen sdolzbau. Inwendig tragen vergoldete Teaksoolzsäulen die hohen, mit feinen stachelböden belegten Hallen. Herrliche geschnitzte, vergoldete Blumenranken schlingen sich um Senstergitter, Cüreinfassungen und Säulen. Von den Decken hängen schön bemalte, lange Papierlaternen herab. Auf Postamenten ruhen kostbare Gold,Silber und Porzellanvasen. Einige Marmorstufen, mit dem königlich siamesischen Vappen in der Mitte, führen aus der kühlen Vorhalle in den noch kühleren, stimmungsvollen Raum, wo der Altar der Ahnen steht. Dahinter ist ein Saal und ein Eßzimmer, oder vielmehr ein Museum: Goldene und silberne Tafelservices, Clefanten,Blumen, Septer aus Jade, Mobel aus Ebenholz mit Perlmutter eingelegt u. s. w., eine Anhäufung des Schoönsten, was chinesische Kunst, Industrie und Geduld leisten können.Ein chinesischer Traum, ein Märchen, weit harmonischer und schöner als der in italienischem Renaissancestil erbaute Sommerpalast des Koönigs.
Der große Chronsaal, welcher dessen untere Räume beinahe völlig einnimmt, enthält außer einigen interessanten siamesischen Bildern mit Darstellungen von Elefantenjagden,Kämpfen mit den Birmanen und feierlichen Aufzügen König Mongkuts nichts Nennenswertes. Im Hintergrunde befindet sich auf einer Estrade der goldbestickte Konigsthron, vor dem sich der Schloßverwalter und seine dienstbaren Geister, welche unsere Sührung übernommen hatten, auf die Knie warfen. Hinter dem Thronfaale liegen der ganz europaisch eingerichtete Billarde und der Speisesaal.
In dem Treppenhause, welches zu dem oberen Stockwerke führt, hängen die Wände voll Bilder, und erstaunt erblickte ich im Heim des eifrigen Buddhiften einen Christuskopf, die Madonna und verschiedene Heilige. Die Bibliothek ist bescheiden.[]Arbeitselefanten in den Teat-Wäldern. (5. 392. [] Das buddhistische Siam.
395 einige englische Novellen bilden ihren Inhalt. In den übrigen Räumen entdeckte ich,neben manchem Schõnen und Kostbaren, alle möglichen deutschen, englischen und französischen Ladenhüter, die ihren Weg in den Sommerpalast des fernen „Herrn des weißen Elefanten“ gefunden haben. Sogar einige schweizerische Holzfschnitzereien,leider gerade wenig geschmackvolle Gegenstände und richtige Staubfänger, prangten unter diesen internationalen Nippsachen.
Noch europäischer mutete uns ein Haus für Gäste aus dem Abendland an, und wenn ich einesteils das Sehlen jedwelcher siamesischen Originalität bedauerte, war ich andernteils gar nicht unempfänglich für die Reize einer ganz prosaischen, großen,englischen Waschschüssel, die ich nach des Cages Hitze und Schweiß hocherfreut benutzte.
Ein Gebäude muß ich noch erwähnen, das man in Bangpain nicht erwarten würde: eine gotische Kirche. Da stand sie vor uns mit spitzem Turm und mehreren Türmchen und schmalen, echt gotischen Senstern, Sensterrosen und Glasmalereien. Die Caune des Königs hat hier einen Buddhatempel errichtet in abendländisch-christlichem Baustil. Auf dem Altare kauert ein vergoldeter Buddha, und rechts und links vom Altare stehen zwei von Curopa gesandte geharnischte Landsknechtfiguren. Gelbe,kahlrasierte Priester, welche zu Süßen des Heiligen ihre Gebete ableierten, vervollständigten das sonderbare Bild.
Reich an vielen neuen Eindrücken kehrte ich abends in die Hauptstadt zurück,dankbar den neuen Sreunden, die mir den Besuch des sonst nicht zugänglichen Bangpain, der Villeggiatur des Königs von Siam, ermöglicht hatten.
Ein anderer Plan und Wunsch, den ich hegte, sollte leider nicht in Erfüllung gehen: Die Reise zu Land über Kaheng und Moulmein nach Rangun in Birma.Auf der Karte von Hinterindien sieht dies ja so viel kürzer und einfacher aus, als die lange Umschiffung der malaiischen shalbinsel. Ein wichtiger Umstand freilich sprach gegen diesen Plan: der Mangel an Landstraßen in Siam.
Dafür zählten wir auf den Sluß und auf Elefantenrücken, die Srage betraf nur die Sseitdauer einer solchen Reise. Auf zehn oder zwölf Tage waren wir gefaßt,hatten uns auch schon in Singapur mit dem Gepäck danach eingerichtet.
Als man uns je
Landung bei Ajiuthia.
[396]Reise einer Schweizerin um die Welt.doch in Bangkok von verschiedenen kompetenten Seiten sagte, die Slußverhältnifse wären augenblicklich für die Schiffahrt so ungünstig wie möglich, Elefanten zudem schwer erhältlich, und die Reise würde mindestens 27 Tage beanspruchen, da gaben wir den schonen Plan widerstrebend auf. Schade! Ich wäre so gerne einmal unbetretene Pfade gewandelt!
So blieb uns nichts anderes übrig, als das blaue, das unendliche Meer.
Unsere schmucke „Deli“ hatte längst die Rückfahrt nach Singapur angetreten. Das nächste fällige Schiff war die „Singora“, ein mehr auf vieh als auf Menschen eingerichtetes Boot. In schöner Abwechslung pflegt es von Singapur Kulis nach Bangkok und Ochsen von Bangkok nach Singapur zu bringen. Offenbar waren die gehörnten,brüllenden Passagiere noch nicht au complet, denn man verschob die Abfahrt der
„Singora“ von Tag zu Tag. Endlich wurden wir auf die Silvesternacht an Bord „befohlen“. Um ein Uhr in der Srühe sollte das Schiff die Anker lichten. Beim Bestellen unserer Kabinen hieß es, wir wären die einzigen Reisenden erster Klasse.
Den Silvesterabend verbrachte ich bei den amerikanischen Gastfreunden meines Keisegefährten. Bis spät saßen wir am festlichen Mahle, dann brachte uns Dr. .mit seiner kleinen Steam launch zu der „Singora“.
Eine sommerlich heiße Neujahrsnacht war's, so fremdartig, so gar nicht neujahrlich die ganze Stimmung! Überall an beiden Ufern des breiten Slusses flammten aus dem dichten Grün der Büsche noch Lichter empor. Sie kamen aus säusern und sütten, von großen verankerten Schiffen und kleinen Sischerbooten; noch wachte Bangkok. Nur in der Mitte des Strombettes, durch das wir glitten, lag der breite Sahrweg dunkel vor uns, so dunkel wie das neue Jahr, dessen Schwelle wir in wenigen Minuten überschreiten sollten.
Unsere „Singora“ war an der verabredeten Stelle nicht zu finden. So fuhren wir weiter stromabwärts den Reismühlen zu; oft stieg Dr. H. auf das eine oder andere Schiff, um nachzufragen, aber immer war's nicht das gesuchte. Endlich, wir begannen schon alle Hoffnung aufzugeben, antwortete ein nur matt erleuchteter Dampfer auf unseren Ruf. Als wir die dunkle Schiffstreppe erklommen, war's gerade Mitternacht. Wir schüttelten einander die Kände und wünschten uns gegenfeitig ein gutes Jahr und vor allem eine glückliche Sahrt. Vorläufig sah's auf der „Singora“ nicht rosig aus. Der Kapitän feierte noch den Jahreseingang am Cand, und auch die Mannschaft fehlte bis auf einen chinesischen Boy. Wir wollten daher unsere Kabinen selber aufsuchen, deren im ganzen vier vorhanden waren. Mr. W. tappte in die erste und fand zu seinem Erstaunen schon die Kojen besetzt, in Nummer zwei lagen drei Menschen, in Nummer drei wurde eiligst ein Riegel vorgeschoben, und nur die vierte, schlechteste war leer. Dort wurde ich vorläufig untergebracht, und MNr. W.ließ sich auf Deck ein Lager aufschlagen.
Am folgenden Morgen behauptete der höchst übelgelaunte, katerlich angehauchte Kapitän, von unserem Kommen kein Wort gewußt zu haben, ändern ließ sich nichts mehr, waren wir doch schon auf See. Mein Reisegefährte brachte auch die folgenden Nächte auf Deck zu, welches nun Schlaf-, Schreib und Eßstube bildete. Bei den tropisch heißen Nächten war das Deck gar kein übles Schlafgemach, jedenfalls besser []Das buddhistische Siam.
397 als meine Kabine, deren Senster auf das „Ochsendeck“ ging. Nicht weniger als 86 „gekrönte“ Bäupter brüllten mich jeden Morgen aus dem Schlaf, und da ihre pflege in jeder Hinsicht zu wünschen übrig ließ, so drang keineswegs ambrosische Cuft in mein Gemach.
Unsere Reifegefährten bestanden aus einem der Japaner, die mit uns auf der „Deli“ nach Bangkok gekommen, einem netten, deutschefranzösischen Junggefellen und dessen Sreund, und einem französischen Vater mit Tochter. Zwei hübsche Hunde,staspar und Josephine, wurden nicht wenig von mir verhätschelt und dienten zu meiner beständigen Unterhaltung.
Gott Neptun zeigte uns ein wechselndes Geficht, oft freundlich lächelnd, oft mürrisch grollend, und je nachdem waren Stimmung und Befinden auf der „Singora“ „himmelhoch jauchzend, zu Code betrübt“. Auch diesmal hatte die böse Seekrankheit gnädiges Einsehen mit mir.
Am S. Januar 1902 lag Singapur zum dritten- und letztenmal vor uns, und den 6. schon ging die Sahrt weiter nach Birma.
Auf dem Menam. []
Im Schatten der großen Pagode.
Im Schatten der großen Pagode.
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Birma.
Im Schallen der großen Pagode.
Auf der „oshira“. Schlimme Rabinengefährtinnen. Meeresleuchten. Penang. Botanischer Garten. Gewürznelkenbaum. Geographische Lage Birmas. Geschichte. Produkte. Klima. Bewohner. Ankunft in Rangun. Strand-Potel. Zahme Tiere. Shwe Dagon-Pagode. Aufzug zur Pagode. Beter und Beterinnen. Der Ti. Leben auf dem Tempelplatz. Meine Landsleute. Royal lake. Arbeitselefanten.TeatPolz und Reiserport. Eisenbahnfahrt nach Mandalay. Diebereien. Geier.
Die Noshira“ gilt für das älteste und schlechteste Boot der Britisn Steam-Ship-Company, und nur in Ausnahmefäällen werden ihre Dienste noch in Anspruch genommen. Diese Ausnahme sollte leider jetzt stattfinden, galt es doch, eine Menge mit einem Vergnugungsboot über Weihnachten gekommene Menschen nach ihrem heimatlichen Penang zurückzubefördern. Sür uns gab's für die nächsten acht Tage kein anderes fahrplanmäßiges Schiff, also hieß es wieder einmal, mitgefangen mitgehangen, und zwar ohne Preisermäßigung oder irgendwelche bergünstigung.
Die auf zwei Personen knapperdings berechneten Kabinen sollten alle drei Insassen beherbergen. Mir spielte das Schickfal zudem böse mit, indem es mir zwei Halfcasts zu Gefährtinnen gab. Diese Halfcasts, zu deutsch ECurasier (Derkürzung von CuropaAsier). Abkömmlinge von Curopäern und indischen Müttern, besitzen meist die übeln Eigenschaften beider Rassen und sind in Ostindien wenig beliebt.
[400]Reise einer Schweizerin um die Welt.Meine beiden Gefährtinnen, übrigens sehr hübsche Mädchen, lagen den ganzen Tag ungewaschen und ungekämmt in ihren Kojen. Während drei Tagen und vier Nächten, welche unsere langsame ‚Noshira“ bis Penang gebrauchte, haben die zwei keinen Schritt aus der Kabine gemacht. Das Essen ließen sie sich hineinbringen, sie hatten zudem einen reichen Vorrat an Whisky, Süßigkeiten, Srüchten, Milch und Butter mit, und in holder Eintracht standen Milch Pomade- und andere Töpfe am Boden beieinander. Häufige männliche und weibliche Besuche verkürzten den beiden ihr selbstgewähltes Gefängnis und trugen vollends dazu bei, mich aus der Kabine zu „graulen“.
Was sollte ich tun? Mein Reisegefährte hielt mir Mangel an Energie vor.Allein Streit wollte ich mit den beiden Donnas nicht anfangen, gelang es doch auch dem Kapitän nicht, hier Ordnung zu schaffen. Er konnte mir nur ein Bett in der Speisekammer aufschlagen lassen, welche ein Vorhang vom Eßsaal trennte. Große,schwarze Käfer, wohl indische Schwaben, liefen mir des Nachts häufig über das Gesicht, und eine braune Dienerin schnarchte nebenan ohne Unterlaß.
Eine wunderbare Nacht brachte ich oben auf Deck zu. Herrlich leuchtete das Meer! So herrlich, wie ich es nie gedacht noch geahnt und auch später in dieser Vollkommenheit nicht wieder erblicken sollte. Nicht nur vereinzelte Sterne glänzten in dem Kielwasser des Schiffes, um im Dunkel wieder zu verschwinden, nein!Milliarden bläulichgrüne, goldene Punkte krönten, soweit das Auge reichte, jede der sich unaufhaltsam dahinwälzenden Wellen.
Die eigentümliche Erscheinung des Meeresleuchtens wird großtenteils durch kleine Krebstiere aus der Klasse der Ruder- und MuschelKrebse hervorgerufen, und es ist wunderbar, welch intensives Licht ein kaum ein Millimeter langes Krebschen hervorzubringen vermag. Bedeutend größer sind die glockenförmigen Medusen. Auch in der Pflanzenwelt gibt es ja phosphoreszierende Elemente aus der Samilie der Pilze,die teils im Meerwasser, teils auf toten Sischen oder Hummern gefunden werden.In Mitteleuropa ruft der Agaricus melleus mit seinem Gewebe im Holz der Erlen,Weiden, Tannen und Sichten Sersetzungserscheinungen hervor, die das in warmen Sommernächten sehr leicht zu beobachtende Leuchten des faulen Holzes bewirken.
Mit nicht geringer Sreude sah ich der Ankunft in Penang und dem Abschied von meinen Simmergefährtinnen entgegen. Unmittelbar vor der Candung tauchten sie auf. Erstaunt erblickte ich die beiden weißgekleideten, zierlichen Gestalten, die aus dem wüsten Wirrwarr ihrer Kabine elegant, frisch und hübsch sich herausgeschält hatten.Einen sechsstündigen Aufenthalt, währenddessen Kokosnüsse in großen Mengen in unsere ‚Noshira“ geladen wurden, benutzten wir, um ans CLand zu fahren und uns Georgetown, die sHauptstadt der Insel Penang, anzusehen.
Penang, malaiisch Pulu Pinang, d. h. BetelnußInsel, gehört zu den englischen Straits-Settlements und beherrscht den nördlichen Cingang der Straße von Malakka.Die 276 Quadratkilometer große Insel wird von Chinesen, Malaien, Indern u. s. w.bewohnt, und obgleich im Westen und Osten breite Sümpfe sie begrenzen, gilt doch ihr Klima für gesund. In tropischer UÜppigkeit gedeiht hier alles, und die Ausfuhr mit [401]Schiffbauholz, Pfeffer, Reis, Betelnuß, Gewürznelken, Rokosnüssen und Tapioka ist sehr bedeutend.
Ein starkes Sort und ein sehr guter Hafen sind der Stadt Georgetown eigen,welche ungefähr 30,000 Cinwohner zaählt und deren breite Straßen und weiße Häuser,die meist in herrlichen Gäͤrten liegen, einen freundlichen Cindruck bieten. Wir hatten uns zwei chinesische Ainrikishas genommen und fuhren im flinken Trabe zur Stadt hinaus, vorbei an den Pfahlbauten der Cingebornen, die, in Bananen, Bambus, Brotfruchtbäumen versteckt, von hohen Kokos und BetelnußPalmen-umschatiet, mit stindern reich bevölkert, einen malerisch-interessanten Anblick gewähren: Auf schön angelegter Straße darin find die Engländer Meister gelangten wir nach längerer Sahrt in einen von hohen Selsen umgebenen Talkessel, in welchem ein üppig schöner botanischer Garten eingebettet ist. Von der HsHöhe rauscht ein mächtiger Wafserfall und durchzieht als klarer breiter Bach, weitere Sälle in der Ebene bildend, den Harten.
Natur und Kunst wetteiferten hier,eine besonders reizvolle Schopfung hervorzuzaubern.In wundervollen Gruppen streben die Tropenbäume empor, und der Aufenthalt in den offenen Pavillons, welche die Stelle unserer Glashäufer einnehmen,erinnert an ein Seenmärchen. Hier, wo das Klima die feuchte Creibhaushitze ohne Heizung besorgt, bedarf es keiner Glasscheiben, sondern nur eines Bambus und Holzdaches,um Sarne und ähnliche Pflanzen vor den allzu heißen Strahlen der Sonne zu schützen.
Natürlich ist auch der GewurznelkenBaum (Caryophyllus aromaticus) im Garten vertreten: ein etwa meterhoher Stamm mit schöner als Pyramide hoch emporstrehender Krone und doldenförmig wachsenden, kleinen Blüten. Die Gewürznägelein fitzen als rundliche Knospen am Ende eines über Centimer langen Kelches. Man erlaubt ihnen nicht, sich zur Blüte zu entfalten, da sonst ein gut Ceil des darin enthaltenen Nelkenöles (Oleum caryophyllum) verfliegen würde. So nimmt man sie vor ihrer Offnung mit den Stielen vom Baume ab und trocknet sie an der Sonne.
Auf der „Noshira!“ herrschte wohltätige Ruhe, als wir zurückkehrten. Der Schwarm der Weihnachtsausflügler hatte uns in Penang verlassen. Jedes von uns
C. von Rodt, Reise um die welt. 26
Einladen von Rokosnüssen.
[02]Reise einer Schweizerin um die Welt.wählte sich eine möglichst bequeme Kabine, und so gestalteten sich die vier weiteren Tage dieser Sahrt höchst angenehm.
Bevor wir in Birma landen,mochte ich über dieses von Couristen wenig beuchte Land meine Lefer etwas orientieren.
Birma bedeckt ein Gebiet von etwa 414, 951 Quadratkilometer. Es zrenzt im Norden an Assam und Tibet, im Osten an die chinesische Provinz Jünnan, an Tongking und Siam, im Süden an den Golf von Martaban und Bengalen, im Westen in das bengalische, wenig erforschte Gebirgsland Tschittagong, an Manipur und Assam.
Berge und fünf große Ströme tragen viel zum landschaftlichen Reize bei, und die Sruchtbarkeit der Gegend, die intelligenten, fröhlichen, leichtlebigen, gutgekleideten Birmanen bilden einen scharfen Kontrast mit dem übrigen British-Indien und dessen Bewohnern, welche unter Kastengeist und englischer Willkür gleich schwer zu leiden scheinen. Da ein großer Teil des Landes, das unter dem Namen Awa bekannte Ober-Birma, erst seit 1886 unter britischer Herrschaft steht, ist diese Tatsache ein schlechtes Kompliment für Englands vielgepriesene Humanität und liebende Sorgfalt feinen überseeischen Untertanen gegenüber.
Birmas älteste Vergangenheit ist in Dunkel gehüllt. Spielte dieses Land doch von eher eine unbedeutende Rolle in der Weltgeschichte und blieb für sich allein und nur seinen Nachbarn bekannt. Es teilte sich in fünf Reiche: Arakan, Thathun, Martaban,Pegu und Awa. Von Ostindien aus wurde das Land in alter Seit kolonisiert und oon 246 n. Chr. an der Buddhismus in Birma gepredigt und aufgenommen.
Die älteste Verbindung mit Curopäern fand im Jahre 1619 statt, als die Portu-giesen einen Vertrag mit dem Könige von Pegu abschlossen und Saktoreien in Martaban und Syriam errichteten. Ihnen folgten die Holländer und ums Jahr 1688 die englische East India Company. Einem um die Mitte des XVII. Jahrhunderts zwischen den sholländern und dem Gouverneur von Pegu entstandenen Streite folgte die Verreibung sämtlicher europäischer Kaufleute. Die Holländer kehrten niemals mehr ins Cand zurück, während die Engländer und auch die Sranzosen wenige DJahre später sich wieder einfanden.
Farten in Penang.[]Eingang zur Shwe DagonPagode. S. 406.)
[404]Reise einer Schweizerin um die Welt.Innere Kampfe, besonders zwischen Awa und Pegu, zerrütteten das Cand. In Awa hatte sich ein Bauer namens Alompra zum Koönige aufgeschwungen, der Gründer der letzten birmanischen Dynastie. Er trieb die Bewohner Pegus aus dem Cande, und tapfer, schlau, ehrgeizig und glücklich eroberte er nicht allein Pegu, sondern auch Martaban. Er starb 1761, und seinem Testamente gemäß sollten nach ihm seine sieben Soöhne, einer nach dem anderen, regieren, wodurch zahllofe Swistigkeiten in der samilie und ernstere Unruhen entstanden. Nachdem schon der wilde Alompra Siam mit Krieg überzogen hatte, weil ihm die zur Srau verlangte Cochter des Königs von Siam verweigert worden war, eroberte sein nächster Nachfolger das fiamesische Reich und errang 1769 einen glänzenden Sieg über das ungeheure Heer der Chinesen. Er als die berhaßten Engländer zu vertreiben und ihrer Herrschaft in Indien den Todesftoß zu geben.
Da sandte England eine Slotte und U, O00 Mann, nahm Rangun, 1825 auch Prome ein, und obschon sich die Birmanen tapfer wehrten, mußten sie doch auf einen Srieden eingehen, da auch Siam zum Rachezug sich rüstete. Birma trat vier Provinzen an England ab, mußte eine Million Pfund Sterling Kriegsentschädigung bezahlen und wichtige Handelsvorteile einräumen.
Im JZahre 1852 kam es zu neuen Streitigkeiten mit den Engländern. Im Osten standen 20,000 Siamesen bereit, mit dem alten Seinde sich in Waffen zu messen,im Norden rüsteten die Caosstaaten gegen Birma. Doch erst im JZahre 1853 schloß der neue König Mindon Min den Srieden ab, welcher den Englaändern Pegu abtrat und die Schiffahrt auf dem Irawady freigab. Der Koöͤnig besaß nur noch den Binnenstaat Oberbirma, den er gut und weise verwaltete. Als er jedoch 1878 starb, folgte ihm sein jüngerer Sohn Theba als Konig, welcher, nach englischindischem Muster erzogen, tyrannisch und grausam herrschte und unter dem verhängnisvollen Regiment seiner Mutter und Schwiegermutter sich allen Lastern feiner Rafse hingab.Dies und ein zwischen CTheba und Srankreich geschlossener Handelsvertrag gab England willkommenen Anlaß, im November 1885 einzuschreiten. Der damals achtundzwanzigjährige König und sein Heer versuchten gar keinen Widerstand. Der Koöͤnig wurde gefangen nach Indien abgeführt, wo er in der Nähe von Madras noch jetzt lebt, und Hberbirma den 1. Januar 1886 dem übrigen Britisch-Indien einverleibt.
Birma ist seither stetig im Wachsen begriffen, und seine Handelsverhältnisse haben einen entschiedenen Aufschwung genommen. HauptausfuhrArtikel sind Teakholz,Baumwolle, Wachs, Petroleum: Stablack, Salpeter, Elfenbein, Rhinozeros und Hirschhörner, Rubine, Saphire, Cerpentin und Reis. An Industrien verdienen namentlich Baumwoll- und Seidenwebereien, Metallarbeiten, Cöpfergeschirr, Schnitzereien aus Solz und Bambus, Silber. und Lackwaren Erwähnung. Reismühlen und Dampffägereien gibt es namentlich in Rangun in großer Anzahl.
Der Boden ist außerordentlich fruchtbar und wird es noch mehr durch das Übertreten der Slüsse in den Niederungen während der periodischen Regenzeit. Reis ist im Tieflande das Hauptprodukt. Sein Bau beansprucht beinahe die Hälfte des zultivierbaren Bodens. In den héheren Teilen werden Weizen, Mais, Hirse und []Shwe DagonPagode in Rangun. (5. 407. [] Im Schatten der großen Pagode.
405 verschiedene Hülsenfrüchte gebaut. Baumwolle liefert das Gebiet des mittleren Irawadyn in großer Menge.Sesam, Zuckerrohr und ausgezeichneten Cabak baut man fast nur für den eigenen Bedarf. 65 Prozent der Bevölkerung beschäftigen sich mit Landwirtschaft..
Das Klima ist ein heißes. Vom April bis Juli beträgt die Wärme 30 bis 43 Grad Celsius, in den kühlsten Monaten, November bis März, fällt sie auf 25 Grad Celsius. Vom Mai bis November dauert die sogenannte Regenzeit, wobei zuweilen der Regen mit furchtbarer Heftigkeit herniederströmen soll.
Die Bevolkerung beträgt ungefähr 9,605,560 Menschen und besteht aus eigentlichen Birmanen und ihnen nahe verwandten Stämmen. Dazu kommen etwa zwei Millionen „Schan“, welche alljährlich in großen Scharen von Osten her in Birma einwandern, Hindu, Chinesen, Inder, Amerikaner und Europäer.
Sehr langsam näherte sich die Noshira“, welche schon vor einer Weile aus der blauen See in die gelben Sluten des Rangunflusses eingelaufen waren, ihrem Siele.Ein flaches, grünes Ufer lag vor uns. Nur einige Schornsteine und das hohe goldglitzernde Dach der Shwe DagonPagode, das Wahrzeichen Ranguns, kündeten uns die nahe Stadt. Endlich erblickten wir Häuser, vorläufig hauptfächlich große Warenschuppen, sogenannte godowns und ßolzniederlagen. Am Guai wartete eine festtäglich geputzte Menge. Sonntag war's, aber nur für die Christen, nicht für die Buddhisten,und ich sollte im Caufe der Seit sehen, daß die Eingeborenen diese vermeintlichen Sesttagskleider von roter, gelber und grüner Seide in den besseren Klassen täglich tragen.
Auch hier stehen die geschlossenen Holzdroschken mit Holzjalousien, die mir in Singapur stets so unangenehm waren, in ausschließlichem Gebrauch. Dinrikishas
[406]Reise einer Schweizerin um die Welt.sollten wir erst in Ceylon wieder sehen. Ein Tika-ghari, wie diese gedeckten Kasten heißen, brachte uns schnell ins neue Strandsvdotel, das einzige erträgliche in Rangun.Das Essen war bedeutend besser als in Raffles-sHaus zu Singapur und besonders als die spärliche, geringe Kost der „Noshira“ und der „Molda“, die uns von Rangun nach Kalkutta brachte.
Schlimmer war's mit dem Straßenlärm, den ich nachts von meinem Simmer aus mit meinen Schlafkameraden zu genießen hatte. Mit mir hausten in der Stube:eine Maus, ein Srosch, sechs bis sieben Eidechsen, unzählige Moskitos und schwarze große Käfer; zum Glück bin ich tierfreundlich! Da immerfort Krähen an meinen Senstern vorbeiflogen, legte ich ihnen ein Stückchen Brot hin, was sie offenbar so erfreute, daß die dreistesten mir schon am folgenden Morgen ins Simmer flatterten.Eigentümlich, wie diese bei uns so scheuen Vögel in Indien zahm und zutraulich sind! Man kann dies dort übrigens von allen Tieren sagen. Sie sind sicher vor Nachstellung, da die Religion des Buddha verbietet, ein Cier zu töten. Die zahmen Geschöpfe erinnerten mich unwillkürlich immer wieder an den Garten des Paradieses,freilich eines Paradieses voller Schattenseiten. Die Tiere gewisser Klassen, wie Hunde und Katzen, vermehren sich viel zu sehr, wenn alle Jungen am Leben erhalten bleiben,und finden dann nicht die nötige Rahrung. Begnügt sich doch der Buddhist meist damit, die Tiere nicht zu töten, im übrigen übernimmt er keine Pflicht, für ihren Unterhalt zu sorgen. Nur die sogenannt heiligen Tiere, wie Pfauen, Kühe, Affen,Tauben u. s. w. werden regelmäßig gefüttert.
Da ich ein Empfehlungsschreiben an eine St. Galler Samilie 5. mitbekommen hatte, so fuhren wir noch am Abend unserer Ankunft hin. Keine leichte Aufgabe ist es, einem Ghars-stutscher, der von englischer Sprache und Hamen keine Idee hat,begreiflich zu machen, wo man eigentlich hinzufahren wünscht, besonders wenn man selber nicht Weg und Steg kennt. So war's ein wahrer Kreuz und Querzug, den wir an jenem 12. Januar durch die 200,000 Einwohner zählende Stadt machten,die mich mehr abendländisch als indisch anmutete, mit ihren langen Straßenreihen und verschiedenen Sälen, hinter deren großen Glasscheiben man die Andächtigen eifrig singen und beten sah und hörte. Was für christliche Sekten es waren, die fast auf offener Straße ihrer sonntäglichen Andacht oblagen, habe ich nicht ergründen können.Meine LCandsleute wohnen, wie alle Europäer, draußen vor der Stadt, wo die hohen herrlichen Palmen, die fremdländischen Bäume und Blumen uns schnell genug wieder in das ferne Hinterindien versetzten. Nach langem Suchen fanden wir zwar das shaus, nicht aber seine Bewohner. welche erst auf den folgenden Tag zurückerwartet wurden.
Unsere erste Sahrt beim Anbruch des nächsten Tages galt der Shwe DagonPagode, dem großten Heiligtum aller indochinesischen Länder.
Eine schöne Allee führt von der Stadt an den befestigten Hügel, den letzten Ausläufer des Pegu Joma-Gebirges, welchen die goldene große Pagode krönt. Von allen Seiten führen Creppen empor, doch der Haupteingang liegt gen Süden. Cigerartige, riesige Ungeheuer aus weißem Stuck mit weit geöffnetem Rachen und bunt[]Im Schatten der großen Pagode.
407 bemaltem Kopf und Brust flankieren und überragen das reich skulptierte, mit zierlichem sich verjüngendem Turme gekrönte Rundbogentor.
Die Stufen, welche zu diesem Eingange führen, bilden den Anfang von fieben überdachten Treppen, ungleich an Länge wie an Breite der einzelnen Stufen. Absichtlich sind sie so angelegt worden, um die Gläubigen zum langsamen Gehen zu nötigen und ihnen dadurch mehr Seit zur Sammlung und vVorbereitung auf die heilige Stätte zu gewähren.Am dunkelsten, steilsten ist die oberste Treppe,die dem Heiligtume nächste. Die bloßen Süße ungezählter Buddhistengeschlechter, welche seit mehr als 1300 Jahren hier emporklimmen,haben tiefe sHöhlungen in die steinernen Stufen gegraben und den Sußboden glatt wie Eis geschliffen.
Das schön geschnitzte, von rot und goldbemalten Säulen getragene Dach verursacht ein fäerliches Halbdunkel über diese anscheinend nie enden wollende CTreppenflucht, welche zudem rechts und links von unzähligen Buden eingerahmt wird.
Was kann man da nicht alles kaufen! Eßwaren, süßduftende Plumeria Tempelblumen, Glocken und Gongs, Gebetfähnchen, Kinderfspielzeug, Puppen und originelle sHampelmänner, Opferkerzen, heilige und unheilige Gegenstände! Der Tempel ist hier fürwahr zum Kaufhause geworden.
Eine ebenso bunte Musterkarte von Bettlern, Krüppeln und Sührern stürzte sich auf die willkommene Sremdenbeute, und erst nachdem wir uns beide je einen Sührer erkoren, blieben wir unbehelligt.
Da lag der weite, mit großen Steinplatten belegte Tempelplatz vor mir. Wie ein Traum, ein orientalisch-farbenprächtiges Märchen kam er mir vor: Die große,goldene Pagode, von deren Spitze leise Glockentöne klingen, die sonderbaren, kleineren Tempel und Altäre, die Elefanten und Löwen aus Stein und Holz, die heiligen Pfosten, welche gleich Slaggenstangen emporstreben, umflattert von langen, durchbrochenen Cisenbändern, gekrönt von dem Adler vischnus, Karaweik, dem König der Vögel. Dazwischen schwanken graziöse Palmyra-Palmen, und heilige Bo-Bäume icus religiosa) beschatten die kleineren Pagoden. Ein chaotisches und doch harmonisches Bild! Kein störender Sarbenton drängt sich in die Abstufungen von gold,braun, rot und gelb. Ja, selbst die Blumen, welche die goldgelb gekleideten Priester in den Händen halten, sind rot und gelb. Und wiederum dieselben Sarben tragen die birmanischen Beter und Beterinnen, die scharenweise in der Morgenfrühe hinaufpilgern zur Shwe DagonPagode. Andächtig wird gebetet, besonders von den hübschen Birmaninnen. Kniend halten sie ihre rosa oder gelbe Schärpe mit Opfergaben vor
Birmänischer Bämbus.
[108]Reise einer Schweizerin um die Welt.sich ausgebreitet. Das Kopfchen ist tief zur Erde gesenkt, und zwischen den an die Stirn erhobenen, steif gefalteten Händen steckt ein Blumenstrauß. Das schwarze,sorgfältig gescheitelte Haar schmückt ein aufs linke Ohr herunterhängender Mimosenbüschel.
Der Tempelplatz erhebt sich 80 Meter hoch über der Ebene. Auf einer achteckigen Basis mit 418 Meter Umfang steigt die goldene Pagode empor und lauft flaschenförmig in langem Halse aus. Die Höhe der Pagode beträgt 98 Meter. Der Sage nach erhob sie sich schon 588 n. Chr. als 8 Meter hoher Reliquientempel über acht haaren Buddhas. Mit den Jahren wuchs und vergrößerte sich der Bau immer mehr, bis er 1768 seine jetzige Höhe erreichte.
Ein sogenannter Ti, das Seichen der Erhabenheit, krönt die Spitze der Pagode.Ich kann ihn am besten einem schirmartigen Gestelle vergleichen, das aus sieben, sich stets verkleinernden, eisernen Ringen besteht, die allmählich in einer Krone enden.Die Cisenringe sind alle mit geschlagenen Goldplättchen belegt. Unzählige, goldene und silberne Glöckchen hängen daran und erklingen lieblich beim leisesten Windstoß,beim Anfliegen eines der zahllosen Vögel, die den Cempelplatz bevölkern. Dieser Ti wurde 1871 durch den vorletzten, birmanischen König Mindon Min gestiftet und soll 50,000 Pfund Sterling gekostet haben. Als er unter großen Sestlichkeiten hinaufgezogen wurde, schmückte ihn die begeisterte Schar der Gläubigen mit Uhren,stetten, Diamant- und Rubinringen. Die Höhe des Ti mißt 14 Meter, sein unterer Durchmesser 4 Meter. I
Als die Pagode ihren neuen Ti erhalten hatte, wurde sie im selben Jahre über und über neu vergoldet. Wie dick diese Vergoldung, namentlich an leicht zugänglichen Stellen ist, kann man am besten daran ermessen, wenn ich erzähle, daß jeder einigermaßen wohlhabende Gläubige nach Verrichtung seiner Andacht ein Stück Blattgold an das Gebäude klebt. Reiche Sürsten führten früher ganze Wagenladungen Gold hierher. und ließen es durch die Priester zur Ausstattung der Pagode verwenden.Nücht nur aus ganz Birma, sondern aus Siam, Malakka, Indien, ja sogar aus Ceylon kommen jährlich Causende von Pilgern. um die unter dem Curme begrabenen acht Haare Buddhas anzubeten.
Am Suße der Pagode stehen phantastische sogenannte ManotthikaSiguren, mit zwei Körpern und einem Kopf, halb Mann, halb Löwe. Gewaltige Ohren und struppige Mähnen geben ihnen einen noch fremdartigeren Ausdruck. Steinerne Löwen mit offenen Rachen und fletschenden Sähnen kauern überall. Die Sage erzählt:
Einst wurde ein Königssohn als zartes Kindlein im Walde ausgesetzt. Eine Cöwin fand das wimmernde, kleine Wesen, säugte es und zog es auf. Als aber der Prinz zum Mann erwachfen war, wollte er zu den Menschen zurückkehren. Er verließ seine Pflegemutter und schwamm über einen breiten Strom, wohin sie ihm nicht folgen konnte. Darüber brach der zärtlichen Mutter das Herz, und sie fiel tot zur Erde nieder. Sum Gedächtnis an ihre Liebe sind Löwen an allen Stufen und cund herum angebracht.
Am äußeren Rande des Tempelplatzes ziehen sich größere und kleinere Pagoden aus braunem Teaksdolz wundervoll geschnitzt, aus Marmor und Stuck. Vergoldung,[]Shwe Dagon-Pagode. (5. 408.) [] Im Schätten der großen Pagode.
409 Glasmosaik und Malerei sind nicht gespart. Jedes Gebäude ist von einem Ti gekront,mit einem BuddhaAltar geschmückt. Immer wieder Buddhas! Groß und klein, in Marmor, Alabaster, Bronze, Stein und Gips; Buddha stehend und mit erhobenen ssänden lehrend, Buddha sitzend, die Hände lässig im Schoße gefaltet, nachdenkend,Buddha liegend mit geschlossenen Augen der Welt entsagend.
Inzwischen war die Sonne höher gestiegen und brannte in tropischer Glut. Wenn auch nicht gerade passend für die Heiligkeit des Ortes, fanden die Verkaäufer von Ice-Cream recht guten Absatz. Auch Bettler und Musikanten, es waren sogar einige Grammophons aufgestellt, Wahrsager und Wahrsagerinnen hatten bestimmte Quartiere auf dem Tempelplatze bezogen. Lange schaute ich einer Gruppe zu, die würdig des Pinsels eines Malers gewesen wäre:
Im Schatten eines mächtigen Buddhas kauerten ein halbes Dutzend junge und ältere Weiber um eine Wahrsagerin. Traumverloren hing der Blick der Seherin bald an einem heiligen BöBaume, bald an den Wolken. Ununterbrochen, mit monoton klingender Stimme, sprach sie dabei zu einem vergrämten, verblühten Weibe. Was mochte sie ihr verkünden? Vielleicht Auskunft über einen treulosen Gatten, vielleicht das Schicksal eines verlorenen Sohnes. In dem Weiberkranze saß ein Mann, eifrig mit Rechnen und Schreiben beschäftigt, er stellte anscheinend das ßoroskop.
Aber nicht nur Menschen, auch TCiere belebten den Tempelbezirk. Unzahlige, ganz zahme Krähen und elende, herrenlose shounde,so ausgehungert, mit Wunden bedeckt, von scheußlicher Krankheit behaftet, wie ich sie nie vorher gesehen, nie wieder zu sehen hoffe. Cinige waren ganz gelähmt; ein Schuß, ein schnellwirkendes Gift, welche Barmherzigkeit in diesem Salle! Aber bei dem Sanatismus der Buddhisten dürfte ein Sremder dies nicht wagen. So konnte ich nichts anderes tun, als täͤglich, während meines Aufenthaltes in Rangun, zum Entsetzen meines Gefährten, der es mir übrigens gutmütig trug, und zum Ergötzen der Birmanen, mit einem mächtigen Caib Brot zur Pagode hinaufzupilgern.
Ein heißer Kampf entwickelte sich dabei stets zwischen Krähen und Hunden.
So lernte ich die Shwe DagonPagode gründlich kennen. Jedesmal entdeckte ich ein neues Heiligtum, ein neues BuddhaBild. Jedesmal auch stand ich unter dem Zauber des fremdartigen Bildes, zaubervoll bei Tage vom hellen Sonnenschein überflutet, ergreifend, geheimnisvoll nachts im Silberlichte des indischen Mondes. Dann schimmert im matten Glanze die goldene Pagode, und all die Ti auf den kleinen Tempeln blitzen um die Wette mit den Sternen des Sirmamentes. Auf den Altären
[110]Reise einer Schweizerin um die Welt.brennen zahllose, weiße und blaue Opferkerzen. Sie werfen ihr flackerndes, unstetes Cicht auf die goldbekleideten Götterbilder und die dunkeln Wandmalereien, welche die Glüückseligkeiten Nirwanas in grotesken Siguren darstellen. Ein leiser Hachtwind läßt die Silber und Goldglöckchen alle erklingen, und dazwischen tönt zuweilen in tiefem stlange, von einem späten Pilger angeschlagen, die große Glocke.
Als wir an jenem ersten Morgen von der Shwe DagonPagode zurückkehrten,erwarteten meine Landsleute 53. mich im Gasthof. Gleich einer alten Sreundin wurde die fremde CLandsmännin begrüßt, und oh, wie viel Sreundliches habe ich und auch mein Reisegefährte dieser gastlichen Schweizerfamilie, der einzigen in Rangun, zu verdanken!
Nachmittags holten uns Herr und Srau S. im eleganten Wagen zur Spazierfahrt nach Royal laße und Dalhousie-Park ab. vor 25 Jahren noch ein Sumpf, ist der durch Regenwasser gebildete See, welcher zugleich das Wasserrefservoir für die Stadt bildet, durch Abdämmung einer kleinen Calmulde, so wie er jetzt ist, erstellt worden. Eine blühende Bougainvillea-Hecke rahmt das schöne Bild des Sees wirkungsvoll ein, und die goldene Shwe Dagon-Pagode bildet den herrlichsten Hintergrund dazu. Wohlgepflegte Sahr und Sußwege durchkreuzen den herrlichen Dalhousie-Park, über den die ganze Vegetation der Cropen ihr reiches Süllhorn ausgeschüttet hat.
Winter herrscht bei uns, während ich diese Seilen schreibe, trostlos strecken die Bäume ihre kahlen Äste zum griesgrämigen Schneehimmel empor. In Schnee und Cis starrt die Welt. Sehnsuchtsvoll fliegen meine Gedanken
„Nach drüben, wo die Tropensonne glänzt,
Die Palmen, die geliebten, immergrünen,
Die schlanken Palmen küssend, ihre Kronen
Berührend und ihr Slüstern weitertragend.“ firanmor.) doch nicht zu den kümmerlichen Datteln und Seigenbäumen der Riviera, nicht zu jener Palmen-Allee der «Promenade des Anglais- in Nizza, die aussieht, als sei sie irrtümlich zu weit nach Norden gelangt, o nein! Was sind sie? Ein schwacher,ach so schwacher Abklatsch von jener Herrlichlteit des fernen Ostens, wo ein einzelner heiliger Sicus-Baum einen Wald bildet, wo Cianen in wildem Gewirr sich von Palme zu Palme schlingen, und der Bambus, gleich einem Riesen-Dome ineinander verwachsen, sich als undurchdringliches Dach wolbt.
Den folgenden Morgen, in der Srühe, gingen wir mit Herrn 3. in den sogenannten Timber-yard der serren Macgregor, wo Teak olz verarbeitet und nach Curopa versandt wird. Neben fünfhundert Arbeitern wird die Hülfe von zehn bis zwölf Elefanten in Anspruch genommen. Schon in den Wäldern OberBirmas, wenn die TeaksHolzstämme durch schmale Slußarme dem Hauptstrome zugeschwemmt werden müssen, sind die klugen Ciere ganz unentbehrlich. Bleiben die Stäͤnme an irgend einer engen Stelle stecken oder stranden sie auf Sandbänken, so schleppen die starken Tiere das soolz, es bald ziehend, bald schiebend oder tragend, bis ins tiefe Wasser.sdier in Rangun schieben die Elefanten inmitten des sausenden Rädergetriebes die dolzstämme mit unfehlbarer Sicherheit bis zur Sägemaschine vor und tragen die []Im Schätten der großen Pagode.e1 2*
Arbeitselefant.fertigen Balken und Bretter davon, um sie mit kunstgerechtem vVerständnisse im Hofe aufzuschichten. Ein 66jähriger Elefant zeichnete sich namentlich durch Menschenverstand aus. Dem leisesten Winke seines Sührers gehorchend, nahm er einen bezeichneten Balken mitten aus der Schicht heraus, erfaßte ihn geschickt in der Mitte mit dem Rüffel und schob ihn auf Befehl wieder in die Lücke zurück. dabei abwechselnd Suße,Rüssel und Stirn benützend.
Ausgezeichnetes sollen die Elefanten als Reittiere in den Bergen leisten. Serrissene Abhänge, wo scheinbar eine Siege kaum Halt fände, ersteigen die plumpen Ungetüme mit sicherem Schritt, und scheinen sich dabei förmlich auf die Arbeit des Auf und Abklimmens zu freuen. Bergabwärts rutschen sie auf dem Bauch, die Vorderfüße gerade nach vorn, die sinterfüße nach rückwärts ausstreckend, alles mit Leichtigkeit und Sicherheit.
Das geschaftliche Leben Ranguns dreht sich neben dem Hßolzhandel um den Reisexporti)y. Von den im Jahre durchschnittlich geernteten zwei Millionen Tonnen (à tausend Kilos) gelangen 1.200,000 zur Ausfuhr und machen damit Birma zum wichtigsten Reisexportland der Erde. China und Indien liefern zwar weit mehr, allein ihr eigener Konsum ist auch viel größer als derienige des dünn bevölkerten Birma.
1) Solgenden Abschnitt über Reisbau und M. Schanz: „Ein Sug nach Osten“. entnommen.
Vorbereitung zum Export habe ich dem Werke
[42]Keise einer Schweizerin um die Welt.Der Reis wird sowohl in den Bergen, als in den fruchtbaren AlluvialEbenen längs der Slüsse angebaut. Im April werden die Stoppeln der letzten Ernte abgebrannt und mit ihrer Asche der Boden gedüngt. Im Juni und Juli wird sodann mit höchst primitiven Ackergeräten das Cand gepflügt, das Saatkorn dicht ausgesäet,und wenn es die ßöhe von 30 Centimeter erreicht, buüͤschelweise gepflanzt. Gleich darauf kann sich der birmanische CLandmann bis zur Ernte im Dezember seiner Cieblingsbeschäftigung, dem süßen Nichtstun, ergeben. Kulis schneiden die Reisahren,fahren sie auf vorweltlichen Karren mit Rädern aus massiven Holzscheiben zu ebenso vorweltlichen Cennen, wo sie von Büffeln ausgetreten werden und den „Paddy“, den unenthülsten Reis, liefern. In einer mehrstöckigen Mühle mit ihrer ziemlich komplizierten Maschinerie wird dieser ‚Paddy“ zunächst zwischen runden Platten aus Stein und Eisen, von denen die eine fest steht, während die andere sich dreht, enthülst,dann enthäutet, weiß gemacht und poliert, dazwischen verschiedenfach gesiebt und ventiliert, um den Bruch abzusondern und die Spreu zu entfernen, und schließlich in Säcke von 112 KRilos gefüllt. Der weiße Reis geht nach China, der sogenannte Kargoreis, welcher zu einem Sünftel aus unenthülstem Korn besteht, nach Europa, wo er in den dortigen Reismühlen, z. B. in Bremen, seine letzte Appretur empfängt. Die abfallenden Hülsen dienen als ausschließliches Kesselfeuerungsmaterial, welches billig und bequem ist. Der Betrieb ist mit Hülfe von elektrischer Beleuchtung ein Tag und Nacht durchgehender. Die Verschiffung ist am lebhaftesten in den Monaten Sebruar und März, also in der trockenen Jahreszeit.
Da wir an LCand und Leuten großen Gefallen fanden, beschlossen wir, der alten dauptstadt Mandalay einen Besuch abzustatten und auf dem Irawady soweit möglich nach Norden ins Bereich der Tiger, Panther und Hyaänen zu gelangen.
Eine seit 1888 erbaute Cisenbahn verbindet Rangun mit Mandalay. In zwanzig Stunden wird eine Strecke von 386 englischen Meilen zurückgelegt, somit übereilt man sich keineswegs. Jede halbe Stunde findet eine längere „Schwatzpause! zwischen Cisenbahnangestellten und Eingebornen statt, die nachts keineswegs zur Beförderung des Schlafes dient. Obschon mich die niedrigen, unsauberen Waggons erster Alasse nichts weniger als entzückten, sollten sie mir, verglichen mit denjenigen BritischIndiens,später als höchst luxuriös vorschweben.
An jedem Waggon stand die Verordnung angeschrieben, sich einzuriegeln und die Senster geschlossen zu halten, damit nachts das Gepäck nicht aus dem Wagen gestohlen würde. Gilt doch Birma für ein Cand, wo „der Mensch nicht einmal seiner Schuhe am eigenen Leibe sicher ist“. So trübe Erfahrungen haben wir nun sreilich nicht gemacht.
Als ich in der Srühe fröstelnd aufwachte der Norden macht sich hier schon in kühleren Nachten deutlich fühlbar war ein köstlicher Morgen angebrochen. Im Osten erhob sich eine zackige, blaue Bergkette, malerische Pagoden, und noch malerischere Menschen belebten die Gegend. Letztere trugen gegen die Kälte eine Art buntgestreifter Srottiertücher über den Schultern. Dschungeln wechfelten mit Baumwollund Tabakfeldern, Bananenpflanzungen mit Sümpfen ab, in denen fich eine Unmasse Wasservögel tummelte.[]Park mit Shwe DagonPagode im Hintergrund. (5. 410) [] Im Schatten der großen Pagode.
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Pagoden bei Mandalay.vögel gibt's in nie gesehener Menge in OberBirma. Schade, daß ich so viele Kebhühner, Pfauen, schneeweiße Storche, buntschillernde Cisvögel, eine große dunkle Schwalbenart; riesige Geier mit weißen Köpfen, Geier mit nacktem Halfe und roten Cappen am Schnabel, Aasgeier, Moönchsgeier, wohl vier oder fünf Arten dieser gewaltigen bis L10 Meter hohen Tiere. Sie sind so zahm hier, daß bei den Eisenbahnstationen die Aufwärter, welche den Reisenden etwas zu essen an den Sug bringen, einen großen Stock mit sich führen, um die Geier abzuwehren. Ich sah,wie in einem unbewachten Augenblick solch ein Riesenvogel auf einen Celler losschoß und den Inhalt mit sich in die Lüfte trug, unbekümmert um Menschen und Eisenbahn.
Kuünstlich geflochtene lange Nester der Webervögel hingen gefellig oft zwei oder drei am selben schwanken Ast. Auf den Telegraphenstangen saßen Vögel und schauten zutraulich auf uns nieder, blaue und grüne, rote und orangefarbene. Die niedlichen gefiederten Gesellen gewährten uns fo viel Serstreuung und Vergnügen, daß wir ganz aberraschend schnell ungeachtet der langsamen Sahrt in Mandalay, der hauptstadt des alten Königreiches Birma, eintrafen.[]
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Reise einer Schweizerin um die Welt.
In Mandalag.
Ankunft in Mandalay. Sodbrunnen. Tätowierung. Die Srauen in Birma. Schulunterricht. Eine Rlosterschule in Mandalay. Die ehemalige Rönigsstadt. Die Stadtmauer. Graufamkeit des Rönigs Thibo. Rönigspalast. Birmanische Priester. KAonnen. Die 480 Pagoden. MandalayPügel.ArrakanPagode. BuddhaStatue. RKaufsgegenstände, Gloken. Das Goldene Rloster der Rönigin.Unsere Sührer. Päuser. Aberglauben. Rleidung. Sonnenschirme. Schmuck. Ohrdurchstecheun.Im Bazar.
Deuer und schmutzig“ lautet meine Tagebuchnotiz über das Hotel Victoria in Mandalay. Im Simmer hausten kleine blauschwarze Krähen, dagegen keine Cidechsen,auch die Moskitos waren bedeutend bescheidener als in Rangun.
Sofort nach dem Ciffin nahmen wir uns einen Ghari und fuhren durch die Stadt.biel origineller als in dem sehr veranglisierten Rangun, wo zudem ebensoviel Inder leben als Birmanen, sieht's in Mandalays Straßen aus. Die Seiten, wo zahllose Schweine die Hauptspaziergänger der Stadt bildeten und zuweilen die Sremden angriffen, sind vorbei, immerhin geht's oft noch ländlich sittlich genug in Ober-Birma zu.
Charaßkteristisch sind die vielen,runden, steinernen Sodbrunnen mit darüber errichtetem, schön geschnitztem Balkenwerk, an welchem das Schopfgefäß auf· und abgelasen wird. Alttestamentliche Szenen spielen sich dort oft ab. birmanische Rebekkas,welche ihren Elieser zu trinken reichen, und Mütter,Sodbrunnen in Mandalay.[]In Mandalay.
415 die ihre Sprößlinge mit Wasser gründlich übergießen. Den Kindern ist dabei gar wohlig zu Mute, und immer wieder meldet sich ein neues zum Sturzbade. viel Toilette wird in Mandalay unter der Kinderwelt nicht gemacht.
Die Buben tragen übrigens eine Art blaufchwarzer Naturhosen, die vom Gürtel bis zu den Kniekehlen reichen. Diese Bosen tragen sich nie ab, sie können auch nie ausgezogen werden, sondern begleiten ihren Besitzer bis ins Grab. Sie sind aus den wunderbarsten Cätowierungen gebildet, die ich je gesehen habe. Affen, Elefanten, Tiger, Sledermäuse, Geier, Ratten, drachenartige Ungetüme laufen zwischen mystischen Ringen und Saubersprüchen, wobei das Bild des Geistes Beeloo, einer Art Menschenfresser, keine kleine Rolle spielt. Alles dies ist äußerst kunstvoll aneinandergereiht. Suweilen springen noch einige tätowierte vereinzelte Katzen an den Waden herum, da diesen Tieren die Cigenschaft nachgerühmt wird, einen Schlangenbiß unschädlich zu machen.
Besondere Professoren, Soyahs genannt, üben die Ktunst des Cätowierens aus.Sie bedienen sich dabei zweier Werkzeuge. Das eine scharfzähnige, kammartige punktiert die meist aus freier Hand entworfenen Umrisse, das andere, ein Stahlgriffel mit scharfer Spitze, wird in die Sarbe getaucht und zeichnet die verschiedenen Siguren in die Haut ein. Der Sarbstoff, der einmal eingedrungen, ist unzerstörbar.
Die Operation ist durchaus keine schmerzlose und ungefährliche, da oft heftige Anschwellungen und Sieber eintreten. Meist verabreichen die Soyahs ihren Opfern etwas Opium und verteilen das „Schönmachen“ auf mehrere Sitzungen. Die Knaben sind durchschnittlich zwölfjährig, wenn sie ihre „dosen“ bekommen, und sind dadurch nicht nur vor bösen Geistern geschützt, sondern legen auch damit ein Seugnis von Mut, Mannhaftigkeit und Abhärtung ab. Eine schöne Tätowierung ist die beste Empfehlung bei den Mädchen, und früher namentlich hätte keine Birmanin einen Mann ohne Naturhosen geheiratet. Jetzt, wo die Kultur immer größere Sort,schritte macht, wird die Sitte des Cätowierens besonders in Unter-Birma als barbarisch verschrieen und oft unterlassen.
Auf welche Weise statt dessen die jungen Birmanen die Gunst der Mädchen erringen, weiß ich nicht. Jedenfalls müssen sie gehörig die Liebenswürdigen spielen,denn eine junge Birmanin will wie eine Amerikanerin umworben und gefeiert werden,und wenn möglich, einmal verheiratet, regieren. Dies gelingt ihr leicht, bildet ihr Geschlecht doch den hübscheren, täätigeren und klügeren Teil der Bevölkerung. Meist führt sie die Geschäfte auch außerhalb des Hauses, dient als Makler beim Reishandel.
Goldenes Rloster in Mandalahy.
[116]Reise einer Schweizerin um die Welt.vertritt sogar zuweilen den Mann vor Gericht und gibt ihre Stimme bei öffentlichen Angelegenheiten ab. Dabei raucht sie eine riesige, aus vielerlei Blättern gewickelte sogenannte BurriZigarre. Ich fragte mich oft, ob diese ihr das selbständige, freie Auftreten gebe, das im Osten sonst nur in Siam bei den Srauen sich findet.
Gleich der Siamesin sucht sich die Birmanin auch ganz gern einen praktischen,fleißigen Chinesen zum Chegespons. Von den Kindern dieser Mischehe werden die stnaben als Chinesen, die Mädchen als Birmaninnen erzogen und geßkleidet.
Übrigens geht's ihr auch nicht schlimm an der Seite ihres phlegmatischen Stammesgenossen, von dem sie meist freundlich behandelt wird. Vielweiberei ist zwar dem
A
Birmanen gestattet, allein er macht selten Gebrauch davon und verliert die Achtung einer Mitbürger, wenn er's tut. Kommt einmal eine Scheidung vor, so findet die srau Rat und Hülfe bei den Ältesten der Gemeinde, und es ist ihr gestattet, ihr Ligentum, auch was sie während der Che entweder geerbt oder erworben hat, mit fortzunehmen. Ihre Stellung ist also in mancher Beziehung besser als diejenige der europäischen Ehefrau, besonders in finanzieller Beziehung, da der Mann ihr deiratsgut nicht antasten darf. Es wird sorgfältig für ihre Kinder oder Erben auf die Seite gelegt.
»Eine Gelehrte ist die Birmanin natürlich nicht, aber auch die Bildung des Ehegenossen steht auf schwachen Sußen. Sie wird meist bei den Pungis, den Priestern,erworben und besteht aus Religion, dem Auswendiglernen der Gesetze des Buddhismus []LotosBlumen. (S. 417.) [] In Mandalay.und den CLobpreisungen Buddhas,etwas Rechnen, Lesen, Schreiben. Ein eiserner Griffel und lange Palmblattstreifen, in welche die aus lauter runden Zügen bestehende birmanische
Schrift eingeritzt wird, dienen als
Schreibmaterialien.
Bei unserem ersten
Pagodenbesuche hörten wir aus einigen kleinen Nebengebäuden einförmig plärrende Kinderstimmen.Als wir dem Lärm nachgingen, erblickten wir die jungen Schüler, etwa zwanzig an der Sahl, lang hingestreckt auf dem Bauche liegend. Mit gellender Stimme wiederholten sie unablässig dieselben Worte und strampelten mit den Beinen den Takt dazu. Ein Pungi hockte vor seinen Pflegebefohlenen; weltverloren starrte er vor sich hin, anscheinend weilte sein Geist ganz wo anders als in der Schulstube.Ihm erging's, wie dem Müller, der vom Schlafe aufwacht, wenn das Räderwerk seiner Mühle stille steht. Erst als die Jugend bei unserem Tsahen mit Plärren und Strampeln aufhoörte, schrak er jäählings aus seiner Träumerei und wurde aufmerksam auf das Tun und Treiben seiner Schüler.
Mandalays Mittelpunkt, von den Birmanen das „Sentrum des Weltalls“genannt, bildet die ehemalige königliche Residenz. Sie ist, nach Muster der PurpurStadt in Peking und des Palastviertels in Bangkok, eine Stadt in der Stadt. Eine neun Meter hohe und zwei und einen halben Kilometer lange, weiße, gezinnte Mauer umgibt in gewaltigem viereck die im Zahre 1867 von König Mindon Min erbaute sönigsstadt. Sie enthielt die Paläste des Königs und seiner Srauen, Schatzkammer,Arsenal, Beamtenwohnungen, Kafernen und Elefantenställe. Man schätzt die Sahl der Menschen, welche darin wohnten, auf 30,000.
Als zweite Schutzwehr zieht sich ein tiefer, breiter Wassergraben um die Mauer.verödet und einsam liegt jetzt die weite Wasserfläche, nur hie und da läßt eine rote Cotosblüte die Crinnerung an ehemaligen Koönigspurpur aufleben. In früheren Seiten pflegten reich vergoldete Staatsbarken hier zu schaukeln, deren Bemannung für eine einzige oft sechzig Ruderer erforderte. Sunf sHolzbrücken führen über den Graben,die fünfte, ungerade, liegt gegen Sonnenuntergang und heißt „Brücke des Codes“.Sie pflegte nur Leichenzügen geoöffnet zu werden. Über der gezinnten Mauer erheben sich zierliche, mit fiebenstöckigen Glockentürmen gekrönte Pavillons. Einer diskret mit Goldfaden durchzogenen Spitzenarbeit aus braunem TeakHolz möchte ich am treffendsten die reizenden Bauten vergleichen. Dreizehn Tore führen in die Stadt;
C. von Rodt, Reise um die Welt. 27
Wassergraben und Ringmauer der Rönigsstadt in Mandalay.
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[418]Reise einer Schweizerin um die Welt.vorn an jedem steht das Holzbild eines Schutzgeistes, ‚Nat“ genannt, und ein schwerer TeakPfosten trägt Namen und naähere Bezeichnung des Cores. Man erzäählt, eine Anzahl Menschen seien lebendig unter diesen Pfosten begraben worden, damit ihre Geister schützend die Stadt umschwebten.
Barbarisch waren die Sitten am Königshofe in Birma, und namentlich Thibo oder Thebaw, der letzte König, zeichnete sich, ungeachtet seiner englischindischen Erziehung, durch Grausamkeit aus. Es war eine althergebrachte Sitte unter den Birmanen, daß ein neuer König bei seiner Thronbesteigung alle Personen unschädlich machte, die ihm gefährlich werden konnten. Chibo begnügte fich nicht wie sein vater,nur drei oder vier Brüder erdolchen zu lassen, sondern er schickte sofort 86 Brüder,Schwestern, Vettern und Cousinen bei Gelegenheit eines Ballfestes ins bessere Jenseits.Der Ort dieser Greuel wird jetzt von den Engländern als Klubraum benutzt, während ein Saal mit Spiegelwänden und einem Slügel in der Mitte nicht gerade passend die Garnisonskirche vorstellt.
Mit den Erinnerungen an die Bauten der Rönige ist im Palastviertel gründlich aufgeräumt worden, zu gründlich leider, denn eine Menge schöner, origineller Kunstwerke sind vernichtet, andere geradezu vandalisch behandelt und verdorben worden.Zum erstenmal sollte ich mich hier, wie so oft später in BritischIndien, über englische Geschmacklosigkeit und Mangel an Kunstsinn ärgern.
Jetzt bildet die ehemalige Königsstadt eine öde und langweilige, mit schnurgeraden Baumalleen durchzogene Släche. Die Siegelmauer und die Teakholz-Pallisade, welche nochmals den Kern der Stadt, den Palast, doppelt befestigten, sind geschleift worden,die niedlichen, geschnitzten, birmanischen Holzpavillons des Hofstaates, der Minister und Beamten haben den langweiligen Baracken der englischen Soldaten weichen müssen. Hie und da, wie zufällig, ist ein zierlicher Holzbau der Serstörungswut der Eroberer entgangen, auch der Palast, oder vielmehr die Paläste, wenn man einen Komplex Holzhäuser so nennen will, steht noch. Das Hausgerät freilich ist bei der Cinnahme durch die Engländer verkauft und gestohlen worden.
Die Paläste, ich will bei dem Ausdrucke bleiben, obschon er für Holzbauten schlecht paßt, sind nach außen und innen aufs reichste geschnitzt und vorwiegend rot und golden bemalt. Die Wände bestehen aus feinen Matten, in welche wunderschöne Seichnungsmuster eingeflochten sind, manchmal auch aus Holzwerk, das mit Spiegelund bunten Glasstücken mosaikartig belegt ist. Auch die dicken Säulen, welche die hohen Hallen tragen, sind rotgolden, während Pfeiler aus grünem Glas die um die säufer fich ziehenden Veranden stützen. In der Mitte des Hofes steht die große Audienzhalle mit dem Löwenthron, über dem sich der vergoldete Curm von sieben Stockwerken, das äußere Abzeichen des Königtums, erhebt. Eine andere Audienzhalle mit dem Lilienthron war den Damen speziell zugewiesen. Schöne Siergärten umgaben die königlichen Häuser, künstliche Seen-, Grotten und Brückenüberreste zeugen noch von verschwundenem Glanze. Im Garten wird ein kleiner Sommerpavillon gezeigt, auf dessen Veranda König Thibo sich dem englischen General Prendergast den 29. November 1885 übergab.
Von einem hohen, runden Aussichtsturm konnten wir uns eine genaue Übersicht []Sigarrenfabrikation. (5. 416.)
[20]Reise einer Schweizerin um die Welt.des großen, weiten Palastareals verschaffen, und hatten Gelegenheit, auf einen jener zierlichen,siebenetagigen Holztürme herunter zu schauen und ihn zu photographieren.In lichtem Schwarme hockten gleich grauen Wolken große Geier auf den Bäumen. Unser Sührer nannte sie Paddybirds. Ihren richtigen Namen konnte ich weder dort erfahren, noch hier in irgend einem naturhistorischen Werke auffinden.
Wie in Siam, so spielen in Birma die Priester eine sehr große Rolle, und auch hier gehört es zum Lebenslaufe eines jeden Mannes, wenigstens einige Wochen in seinem Leben das gelbe priesterliche Gewand angezogen zu haben. Auch ihn ruft früh die Glocke, welche mit hölzernem Schlegel geschlagen wird, zum Gebet, dann wandert er mit dem typischen, runden, dunkeln Betteltopf, den er an einem um die Schultern geschlungenen Bande vorn auf der Brust trägt, durch die Straßen. Von allen Seiten eilen die Gläubigen herbei, um dem Gottesmann Speise zu bringen,dankbar, daß er ihnen Gelegenheit bietet, ein Gott wohlgefälliges Werk zu tun. Der Priester dagegen spricht nicht, dankt nicht, hebt auch nicht die Augen zum Geber empor, könnte doch sonst sein Blick ein Weib streifen, und das ist ihm verboten.Deshalb trägt er auch stets den großen Palmblattfächer, der den Barhäuptigen,Kahlgeschorenen weniger vor den Strahlen der Tropensonne, als vor den heißen Blicken aus Srauenaugen schützen soll. Silber und Gold darf der Pungi nicht annehinen,wohl aber kleine Gaben, mit denen er feine Klosterzelle schmücken und behaglich machen darf, und die somit zuweilen einem 60 Centimes-Bazar täuschend ähnlich sieht.
In Birma gibt's zudem auch Nonnen, welche sich weiß kleiden, aber nicht so hoch geschätzt werden wie die Mönche. Der Hauptzweck ihrer CExistenz ist, sich durch ein Buddha wohlgefälliges Leben die Anwartschaft auf eine höhere Stufe bei ihrer nächsten Wiedergeburt zu erringen. Ungeachtet ihrer angesehenen und angenehmen Stellung, besteht der Chrgeiz und heiße Wunsch jeder Birmanin darin, das zweite Mal als männliches Wesen geboren zu werden, und wäre es auch nur in der Gestalt eines männlichen Hundes!
Daß es in diesem Lande, wo jede kleinste Anhöhe mit einer Pagode gekrönt ist, wo der Bau eines Tempels die Vergebung aller begangenen und noch zu bedölzerner Turm im Palastviertel zu Mandalay.[]Vornehmer Birmane. (S. 428.) [] In Mandalay.
421 gehenden Sünden mit sich bringt, an Heiligtümern in der Hauptstadt nicht fehlt, ist selbstverständlich. Meist werden auch hier die Bauten nicht unterhalten. Sie zerfallen nach dem Tode ihres Stifters. Viele und kostbare Pagoden sind in Mandalay in dieser Weise dem Sahn der Seit anheimgefallen oder in den Kriegswirren verbrannt worden, aber immer noch birgt die Stadt Hunderte, ja Tausende dieser sogenannten Phras.
Am Suße des Mandalaysoügels liegen in einem mauerumgebenen biereck allein mehr als 700 Pagoden, in Sorm kleiner, weißer Pavillons, um einen großen Mitteltempel
Bnuödhistische Priester.von der üblichen Sorm. Jedes dieser mit dem Vogel vischnus, dem Karaweik, gekrönten Gebäude enthält eine große Tafel. Ich weiß nicht, warum Murray, der englische Bädeker, den Namen 4600 Pagoden diesem Kloster gegeben, da ihrer ja so viele mehr find. König Thibos Oheim, vom Wunsche beseelt, die heiligen Bücher des Buddhismus allem Volke zugänglich zu machen, ließ sie sowohl in der heiligen PaliSanskrit-Sprache, als mit birmanischen Buchstaben auf diese Marmortafeln eingrabieren. Auf der anderen Seite des Weges liegt ein zweites RKloster, mit ebensovielen und ganz ähnlichen Kapellen-Pagoden, nur sitzen in diesen alabasterne Buddhastatuen. und statt des Karaweik schmückt ein siebenstöckiger Schirm die Dachfirst.Ein mühsamer, langer Weg führte uns auf den unmittelbar aus der Ebene emporragenden MandalayHügel. Verfallene Treppenstufen wechseln mit Steingeröll []1. *751
Keise einer Schweizerin um die Welt.ab, dessen Kanten mir ein paar neue
S„chuhe vollständig zerfetzten, und mich mehr als einmal in
Befahr einer Sußverstauchung brachten, was allerdings noch viel schlimmer zewesen wäre. Wie es meist der Sall zu sein pflegt, lohnte der Ausblick von der Höhe reichlich die Mühseligkeiten des Aufftieges. Ganz
Mandalay, eine
Stadt von über
190,000 Einwohnern, worunter aber kaum mehr als 150 Europäer, die Truppen natürlich ausgenommen, lag vor uns. In der Mitte, von der hohen Ringmauer umschlossen, steht das Sort und erheben sich die Palastbauten. Die goldblitzenden
Pagoden, die herrlichen Palmen, die mit Tropenbäumen beschatteten Straßen, der künstliche See, aus dem gleich Silberbändern sich unzählige Kanäle wasserspendend durch die weite Ebene hinschlängeln, die scharfgeschnittenen, blauen, hohen Berge im
Pften, das alles bietet in der pupurnen Verklärung des Abends ein wunderbares,unvergeßliches Bild. Oben auf dem HBügel soll eine Kolossalstatue gestanden haben,welche mit dem Singer auf den Königspalast deutete. Vor wenigen Jahren erst ist sie ein Raub der Slammen geworden.stlar und leuchtend hatte sich die Sonne zum Untergange geneigt. Wir wußten,daß ihr unmittelbar die Racht folgen würde, und eilten daher, so schnell es der schlimme, gefährliche Abstieg gestattete, talwärts. Glücklicherweise hatte unser Kutscher lein Rößlein und Ghart unten beim Kloster einem Sreunde anvertraut und mit uns als Sührer und sHelfer Mandalay Hill bestiegen. Wir lohnten ihm diese edle Tat mit einem besonderen Trinkgeld, hier Lesong genannt, und bestellten ihn auf den folgenden Morgen. Wer aber ausblieb, war unser Birmane. Wie man uns sagt, arbeitet keiner von ihnen zwei Tage nacheinander; genügsam in seinen Ansprüchen, nicht erpicht darauf, irdische Schätze zu sammeln, geht dem Birmanen nichts über sein dolce far naiente. Unser Wagenlenker hat jedenfalls eine volle Woche, wenn nicht länger, auf seinen Lorbeeren geruht.
Den folgenden Morgen fuhren wir zu der Arrakan-Pagode, nach der Shwe Dagon in Rangun die größte und berühmteste im Lande. Ihre Popularität verdankt sie einer metallenen, drei und ein halb Meter hohen Buddhafigur, welche im Jahre 1784 von Akyab, einer Hafenstadt in Birma. über die Berge nach Mandalay []Liegender Buddha.
[144]Reise einer Schweizerin um die Welt.
Rloster der 450 Pagoden von Mandalay-Hill aus gesehen.getragen worden ist. Nach 'einer alten Legende wurde die Statue schon zu Lebzeiten Buddhas gegossen. Bei allem guten Willen, Sleiß und Geschick war es dem oder den Künstlern ganz unmoöͤglich gewesen, die verschiedenen Teile der Sigur zusammenzupassen. Buddha, der lehrend und predigend in der Nähe weilte, bemerkte ihre Not, und immer gütig und hülfsbereit, eilte er herbei, umarmte fiebenmal das Bild und verband dadurch die einzelnen Stücke so eng miteinander, daß auch das geübteste Auge keine Sugen hätte entdecken können. Dabei nahm das Bild einen so auffallenden Glanz, eine solche Ähnlichkeit mit dem göttlichen Meister an, daß die während des vorganges andächtig zuschauende Volksmenge die Statue nicht mehr von ihrem Schöpfer unterscheiden konnte. Sweifelsohne ist die Ähnlichkeit allmählich durch die Schlechtigkeit und Gottlosigkeit der letzten Jahrhunderte verwischt worden, denn gerade dieser Buddha ist der häßlichste, abstoßendste im ganzen CLande. Die Sigur sitzt auf einem drei Meter hohen Throne und ist reich mit Goldblättern belegt. Natürlich schwebt der gewöhnliche Ehrenschirm über ihrem Haupte, und Decke und Wände,aus Mosaik gebildet, blitzen in mannigfachen Sarben beim Scheine der zahllosen Wachslichter, welche im Raume brennen. Immer wieder naht leise, unhorbar ein Andäächtiger, um ein neues Licht anzustecken. Truppweise liegen die Beter auf dem glatten Sußboden, ihre Weihgeschenke, Reis, Srüchte, Blumen, halten sie vor sich ausgebreitet. Ängstlich besorgt, die Andächtigen nicht zu streifen, nicht zu treten, winden wir uns durch. Keiner läßt sich stören, keiner wirft auch nur einen Blick auf die Sremden. So inbrünstig, so ernstlich habe ich nur noch in Courdes beten sehen!Ein paar Schritte weiter, und man könnte sich auf dem Markte wähnen. Die langen Kolonnaden, welche hier zum Allerheiligsten führen, sind wie in der Shwe DagonPagode der TCummelplatz von Verkäufern und Käufern. Vor den zahlreichen Buden wird gehandelt, gemarktet, betrogen, gelärmt und gestritten, so daß man sich überall anderswo wähnt als in einem Tempel. Als eine neue Ware sehe ich hier []vVornehme Birmanin in Hostracht. (S. 429.) [] In Mandalay.
125 stäfige voll kleiner Vögel, die zum vVerkauf angeboten werden und den frommen Buddhisten Gelegenheit zu einem gottgefälligen Werke geben sollen. Die Tierchen pflegen nämlich von dem Käufer in Sreiheit gesetzt zu werden.
Das andere ebenso gesuchte und anscheinend hoch geschätzte Kaufsobjekt darf ich kaum nennen. Es ist ein Läusekamm, dessen Vortrefflichkeit meist sofort an einer gewiß dankbaren Sreundin oder verwandien erprobt wird. Da lobe ich mir das kurz geschnittene Haar der Siamesinnen!zu der ArrakanPagode, deren Cingang von zwei riesigen, weißgetünchten,löwenartigen Tieren gehütet wird, gehören Kloster, Arkaden, Höfe. In letzteren hängen an niedrigen Holzgestellen Glocken verschiedener Größe, alle aber von wunderbarem stllange. Die Birmanen bewahren ängstlich das Geheimnis der Metallmischung,wobei angeblich auch Gold und Silber verwendet wird. Wie in Japan sind die Glocken klöppellos und werden von dem Beter zuweilen mit einem danebenliegenden Stock angeschlagen. Er zeigt damit gewissermaßen Buddha seine Anwesenheit an.
In einem ebenfalls zur Pagode gehörenden großen Teich werden heilige Schildkröten von den frommen Buddhisten gefüttert. Sobald man sie ruft, bewegt sich das Wasser, und scharenweise schwimmen die langkopfigen Riesentiere heran und schnappen nach Kuchen und Reis. Sie werden dabei dick und fett und groß, einige von ihnen messen wohl einen Meter in der Länge.biel schöner als die ArrakanPagode erschien mir das „Goldene Aloster der Königin“. Welcher Königin, konnte ich nicht erfahren, das Gold dagegen leuchtete diebesdienst.
[426]Reise einer Schweizerin um die Welt.an allen Giebeln, Säulen und Ranken,an den Tausenden von Ti's, den phantastischen Siguren und Balkonen des über und uber geschnitzten Baues. Hier feiert die ßolzschneidekunst Birmas ihre höchsten Triumphel Hohe Palmen beschatten den weiten Hof, deren sattgrüne Blattwedel einen wundervollen Kontrast bilden zu dem tiefen Blau des Himmels, dem Goldgelb der priesterlichen Gewänder und dem dunkeln Braun des Teaksoolzes, welches stellenweise ohne Vergoldung geblieben ist. Eine muntere Jungenschar im Aleide paradiesischer Unschuld hatte sich als Sührer an unsere Sohlen geheftet, einige Pungis schlossen sich an, so daß unser Zug bald zur stattlichen Zahl von 22 Kopfen anschwoll. Daß uns alles, das Sehenswerte und das Unsehenswerte, welches wir uns so gerne geschenkt hätten, gezeigt wurde, ist selbstverständlich. Jeder unserer Sührer war beflissen,durch Extraleistungen sich einen extra „Anna“ (zehn Centimes) zu verdienen. Daß es dabei seine Schwierigkeit hatte, beim „Abschieds-Lesong“ den Ansprüchen aller gerecht zu werden, wird mir jedermann gerne glauben. Wir hofften, bei der Annas-Verteilung mit fsalomonischer Weisheit zu Werke gegangen zu sein, aber, o weh! Als wir davonfuhren, lag die ganze Zungmannschaft, zum scheußlichen Klumpen geballt, im Staube und raufte und prügelte sich nach Noten.
Die Häuser in Ober-Birma sind höchst einfach. Sie stehen meist auf sechs 2 Meter hohen Pfosten, welche alle ihre Namen haben. Der südliche wird stets mit Blättern und Blumen geschmückt, da er dem Nat, dem Schutzgeist des Hauses, zum Sitze dient.
Aberglauben hält das Land ebenso in Banden wie Siam. Einen Glauben teilen die Birmanen übrigens mit den alten Griechen. Auch ihnen gilt der Schmetterling als das Symbol der unsterblichen Seele. Sie glauben, daß beim Tode eines Menschen seine Seele in der Gestalt eines Schmetterlings den Körper verläßt. Schläft ein Mensch,oder verliert er die Besinnung, so meldet der Birmane dies mit den Worten: „Sein Schmetterling ist auf ein Weilchen davongeflogen.“
Auch bei der Einrichtung des saufes hat der Aberglaube sein Wort mitzusprechen.Cin Simmer darf niemals direkt über dem anderen liegen, denn es würde dem unten Wohnenden Unglück bringen, wenn jemand über feinem Haupte herumliefe. So wird denn ein vorderes Untergemach gebaut, welches als Wohne, Eß- und Arbeitszimmer dient und nach allen Seiten offen ist, und ein Hinterzimmer, zu dem man auf einer kurzen Treppe emporsteigt und wo man schläft. Dieser obere Raum ist mit schönen,feingeflochtenen Matten rings umgeben. Unter demselben pflegt der Hühnerhof oder hViehstall zu sein. Das Hausdach wird mit Palmblättern gedeckt, und das Baumaterial []Goldenes Rloster in Mandalay
[428]Reise einer Schweizerin um die Welt.besteht aus Bambus und Matten.Dieselbe Einteilung herrscht in dem Hause der Reichen, nur verwendet man Teaksoolz an Stelle obigen Materials.Wir hatten bei unserem zweiten Aufenthalt in Mandalay Gelegenheit,das Haus eines reichen, angesehenen Mannes zu besuchen. Die ins Obergemach führende Treppe und die Diele waren aus schönem, braunem, glänzendem Teaksdolz und reich geschnitzt.
Die althergebrachte Cinfachheit der Häuser entspricht dem anspruchs- und bedürfnislosen Sinne der Birmanen. Einer der ersten Könige aus dem Geschlechte Alompras erließ ein Gesetz, daß keine Bogen über den Türen angebracht, keine Vergoldung,kein CLack zur inneren Ausstattung angewandt werden dürfe. Auch war es nicht erlaubt, einen Siegelbau zu errichten, damit es dem Besitzer nicht möglich würde,sein Haus in eine Sestung zu verwandeln. Erst König Chibo gestattete einigen wenigen Günstlingen, die vermutlich dem immer in Geldnöten Schwebenden unter die Arme griffen, steinerne Häuser zu bauen. Diese lassen sich an dem Pfau, der ihren Giebel krönt, leicht erkennen. Ein goldener Pfau im weißen Selde war das Wappen der Koönige von Birma. Ich freute mich, Gelegenheit zu haben, im Bazar einige hübsche Münzen mit dem radschlagenden Pfau zu kaufen.
Der Bazar bildete eine große Anziehungskraft für uns, nicht nur der Cinkäufe wegen, sondern mehr noch als Sammelplatz des fröhlichen, liebenswürdigen Volkes,dessen heiterer Sinn sich schon an seinen bunten, farbenfrohen Kleidern kund tut.Auch die Tracht der Männer besteht aus einem roten, gelben, gestreiften oder karrierten langen und breiten Tuche, dem Pasoh. Dieser wird straff um die Lenden gebunden,vorn eingeknotet und das eine lange Ende gewöhnlich noch über die Schultern geworfen.Der Pasoh ist bei zwei Meter lang und einen breit. Arme Leute begnügen sich mit diesem Pasoh, der dann natürlich aus Baumwolle verfertigt ist. Die bessere Klasse trägt zum seidenen Pasoh eine kurze, knapp anliegende Musselin-Jacke mit engen Armeln, Indschi genannt, reiche Leute und Beamte außerdem eine weite, seidene, mit Pelz verbrämte Jacke. Das reichliche, schwarze, glatte Haar wird auf dem Scheitel zum Knoten gebunden und ein rosa oder grüngelbliches, seidenes Kopftuch auf der []Birmanin. E. 429.) [] In Mandalay.
429 linken Seite leicht geknüpft, so daß ein Sipfel bis zur Schulter herunterhängt. Auf dem Lande wird in der Regel noch ein spitzer, riesiger Basthut zum Schutze gegen die Sonnenstrahlen auf das Kopftuch gestülpt.
Somnenschirme sieht man in großer Varietät, einheimische und leider jetzt auch viele europäische. Sur Seit der Konige bezeichneten ihre verschiedenen Sarben die verschiedenen Rangstufen der sieben Stände. Die Rangordnung war: Auf die koönigliche Samilie folgen die Staatsbeamten, die Reichen, die Priester, welche in Birma hohes Anfehen genießen, die CLandbauer, die Sklaven und endlich die Ausgestoßenen.Ich habe mir den goldenen Chrenschirm eines hohen Staatsbeamten mitgebracht.Seine Spitze bildet einen Ci von mehreren Stockwerken. Der Schirm selber ist aus dickem Goldpapier und inwendig mit Seidensträhnen rot, orange, grün, weiß und rosa niedlich und künstlich umwoben.
Die Kleidung der Srauen habe ich schon früher beschrieben. Sie unlterscheidet sich im ganzen wenig von der männlichen Tracht. Nur die Pawa, eine Schärpe,welche zuweilen shawlartig über beide, meist aber nur über eine Schulter getragen wird, ist ein den Srauen eigentümliches Kleidungsstück. Die Pawa, welche die reichen Damen tragen, ist aus schwerer Seide und sehr kunstvoll gewoben. Meist wechfelt ein spitzes Sackenmuster mit dem sogenannten laufenden Hund ab, und zwischen beiden Streifen gibt's noch runde Sacken und alle möglichen phantastischen Verzierungen.In meiner Pawa sind zwei verschiedene Orangerot als Grundfarbe vertreten. Dazu kommt Gelb, Grün, Schwarz, Rosa. Weiß und Silber, und das Ganze sieht dabei durchaus nicht schreiend aus. Blau dagegen, die Lieblingsfarbe der Chinesen, fehlt in Birma vollständig. Ich habe vergeblich den ganzen Bazar in Mandalay nach blauem Seidenstoff abgesucht.
Die Birmanen haben eine hellbraune, schöne Hautfarbe, find von mittlerer Große,schlank und wohlgebaut. Während die Gesichtszüge der Männer eine Verwandtschaft mit den flachen,eckigen der Chinesen zeigen, ist der Ausdruck der Srauen ein viel feinerer. Das rabenschwarze,glänzende Haar legt fich als Krone auf den Scheitel, und natürliche Blumen,mit Geschmack eingesteckt, bilden einen effektvollen Schmuck der kunstlosen Srisur. Die Augen sind dunkel und feurig, die Sähne blendend weiß.
Vergoldete Mittelpagode im Rlofter der 450 Pagoden.
[130]Reise einer Schweizerin um die Welt.Die Birmanen zeigen eine große
Vorliebe für Gold und Edelsteine, und selten findet man einen Mann oder eine Srau, die nicht mit einem Schmuckgegenstand doch niemals mit einem falschen als Singerringen, Armbändern, Ohrringen,sdalsketten u. s. w.,prunken. Des Birmanen Stolz geht dahin, nur echte
Cdelsteine zu besitzen, und man sagt, er verstände es durch bloßes Abwiegen mit der dand, einen edeln von einem falschen Stein zu unterscheiden.
Die Ohrringe haben die Sorm eines kurzen, dicken Stäbchens, welches, durch das Ohrläppchen gesteckt, vorn meist eine Brillant- oder Rubinrofette bildet. Schöne Ohrringe lieben die Srauen besonders, vielleicht weil sie mit so viel Schmerzen das Tragen derselben erkauft haben. Das Ohrdurchstechen bildet im Leben des Mädchens einen ebenso wichtigen Abschnitt, wie das Tätowieren oder Anziehen des priesterlichen Gewandes in demjenigen des Knaben. Symbolisch wird damit angedeutet, daß das Kind nun zur Jungfrau herangewachsen ist.
Ein glückbringender Cag wird zu der Seremonie gewählt, die ganze Samilie und alle Sreunde eingeladen und ein großes Sest bereitet. Alles ergibt sich dabei einer ausgelassenen Sröhlichkeit, mit Ausnahme des Opfers dieser Veranstaltung,das sich sträubt und schreit. Die Nadel, womit der Stich vorgenommen wird, ist aus reinem Golde, bei den Armen wenigstens aus Silber. Sie wird in der Wunde gelassen und täglich hin- und hergedreht, um das CLoch zu vergrößern. Dann wird eine 3 Centimeter lange und eine 1/2 Centimeter dicke Röhre nach und nach hineinpraktiziert. Dieser Ohrzylinder pflegte bei der königlichen Samilie ganz golden und mit Edelsteinen besetzt zu sein. Die Reichen tragen einfache, goldene Röhren, die AÄrmeren bernsteinene, die Ärmsten gläserne, und wenn dieselben zerbrechen und sie gerade nicht die Mittel haben, neue zu kaufen, stopfen sie einfach eine Papierrolle,hre Sigarre oder ein Tuch hinein, um das Loch offen zu erhalten.
Bei den Karenen, einer birmanischen vVöolkerschaft, von der ich im nächsten Kapitel eingehender sprechen werde, bemerkte ich große Schlitze in den Ohrläppchen der Männer und Srauen. Während letztere runde Holzzierrate darin tragen, dehnen 9 bis 12 Centimeter lange und 3 Centimeter dicke Bambuszylinder die Ohren der Männer aus. Oft auch bemerkte ich, daß sie das Loch als Sigarrenbehälter
Tempelhüter am Rloster der 450 Pagoden zu Mandalay. (5. 421.)[]In Mandalay.
431 benutzen oder Blumen hineinstecken. Diese künstlich ausgeweiteten Ohrläppchen lassen die Gehörorgane der Leute noch groößer erscheinen, als sie ohnedies sind. Aber, was schadet das, große Ohren gelten als Zeichen langen Lebens und werden demgemäß in HBinterindien hoch geschätzt.
Im und um den Bazar herrscht bis abends reges Leben. Während draußen im Sreien Sische und Srüchte, Hausgerät und baumwollene Stoffe verkauft werden,sitzen drinnen in langen schattigen Hallen in drei und vierfacher Reihe junge, hübsche Verkäuferinnen. Verführerisch leuchtet die hellfarbige, weiche, geschmeidige Seide. Sie hat ihren guten Preis, und viel Heruntermarkten gibt's da nicht, die schmucken Verkaäuferinnen verstehen ihr Geschäft dafür allzu gut.
Auch mit dem Photographieren wollte es uns nicht gelingen. Nach langem Kichern, Sichzieren und Genieren geruhten endlich die Schönsten, sich von uns in eine Gruppe stellen zu lassen. Vorlaufig freilich verharrten fie eigensinnig im dunkelsten Winkel der Halle. Eine weitere halbe Stunde der Überredung ging vorüber, glückIDVO Cichte. Wir sahen uns am Siele unserer Wünsche, aber o weh! Streit erhob sich ich glaube, weil keine hinter der anderen stehen wollte und wie Spreu stob die ganze Gesellschaft auseinander![44] 62
Reise einer Schweizerin um die Welt.
Wellfremde Länöerstrecken unö VYölkerstämme.pwé-Cänzerinnen. Weiter nach Norden. Amarapura. Eijenbahnfahrt nach Katha. IrawädyDampfer.wichtigkeit des Pandels zwischen Bhamo und hünnang. Bienen in Rangun. Der Irawady. Gute berpflegung auf den Schissen. Tierleben im und am Irawady. Desilẽ. Bhamo. Tiger. Schlechter Einkauf. Ratschins und Shans. JoßPaus. Evening suit.
Pwé, du herzerfreuendes Wort für ein birmanisch Gemüt! Pwé, ich VD00 Abend in Mandalay, als ich nach der Ursache des Lärms und des hellen Scheins, welcher mir aus nächster Nähe entgegenleuchtete, fragte.pwé! wiederholte mein Simmerboy verklärten Blickes: « Go and look,very fine indeed!»
Pwe ist die Volksbelustigung par excellence in Birma, ein immer neues, immer willkommenes Vergnügen. In hellen Mondnächten vird zu Stadt und zu Land an geeignetem Platze eine provisorische Bühne aufgeschlagen, ein paar Pechfackeln bilden die Beleuchtung, ein Dutzend roh gezimmerter, lehnenlofer Bänke die Zuschauersitze, doch zieht es im allgemeinen das Publikum vor,in stattlichem Kreise auf den Waden hockend die Schaustellung zu genießen. Alles vVolk, Männer und Weiber, Greise und Säuglinge nehmen teil, denn der Eintritt ist gratis. Dauer des Vergnügens: die ganze Nacht, bis der Morgen graut.[]Weltfremde Länderstrechen und Völkerstämme.
4538 Man unterscheidet drei Arten Pwé. Vein Pwé, die vornehmste, eine Art Ballett mit glänzenden Kostümen wie in Siam, wird nur zu ganz besondern Gelegenheiten in Szene gesetzt. Zat Pwé, aus Spiel, Gesang, Tanz und komischen Szenen bestehend,ist die zweite Art. Wir sollten sie an jenem Abend in Mandalay kennen lernen.
Vokthwe Pwé, ähnlich wie die vorhergehende, nur sind Marionetten statt Menschen die Schauspieler. Wenige Tage später hatten wir in einem Dorfe am Irawãdy Gelegenheit, auch diesen Pwé zu sehen.
Es mochte gegen neun Uhr sein, als wir, dem Lärm der Musik und dem Sackelglanz nachgehend, auf dem Schauplatz erschienen. Scharenweise war das Publikum
Vvein Pwé.versammelt, und die Musiker befanden sich in voller Tätigkeit. Nur die Schauspieler und Schauspielerinnen hatten es offenbar nicht eilig, zu erscheinen. Von ersteren war nichts zu sehen, von der Spezies der letzteren hockten zwei Exemplare hinter einer Truhe in Sorm unserer alten Schnitztröge. In aller Gemütsruhe zogen sie sich angesichts des Publikums an. Endlich war eine von ihnen so weit, sich in einen vorn und hinten schleppenden, engen Rock zu hüllen, dann kniete sie vor den im offenen Truhendeckel angebrachten Spiegel und legte sich ein Perlenhalsband um.Die Szene erinnerte lebhaft an die Schmuckarie von Gounods Marguerite. Wohl in zwanzigfachen Schnüren schlangen sich Perlen um ihren Hals und hingen bis weit unter die Caille herab. Eine gelbe Seidenjacke mit engen Armeln und sonderbar an den Hüften emporstehenden Schneppen, ein breiter, dunkler Seidengürtel und der schon erwähnte, außerordentlich lange und enge, braune Rock, oder besser gesagt das C. von Rodt, Reise um die Welt. 28
[134]Reise einer Schweizerin um die Welt.Tuch, ein sehr reicher Kopfputz aus Blumen und Cdelsteinen, und eine Menge Armbänder, die bei jeder Bewegung laut klirrten, so stellte sich die reiche und eigentlich kleidsame Cracht zusammen.
Daß bei der Enge und Lange dieser Kleidung ein graziöser CTanz unmöglich,wird man begreifen. Doch hier verlangt man ihn nicht. Böchst unästhetische Ellenbogen und Leibverrenkungen, einige unartikulierte Schreie, Hin und Hertrippeln,wWinken und Wehen mit grünen Sweigen, ohrzerreißende Musikbegleitung genügen,um birmanische Augen und Herzen auf den Gipfelpunkt der Glückseligkeit zu heben.
Die zweite Cänzerin kniete immer noch vor ihrem Kasten. Ihre Coilette bewegie sich in den ersten Stadien, und diese nahmen Seit in Anspruch, denn die volle Stunde,die wir hier standen, hatte nur zum Pudern des Gesichts, Malen der Augenbrauen und höchst ungeniertem Auftürmen einer Masse falscher Haare knapp genügt. Da gar nichts Weiteres auf der Bühne sich zeigte, gingen wir müde und enttäuscht ins Hotel zurück. Später kam jedenfalls mehr Leben und HsHandlung in den Pwé, denn lautes Geschrei und lärmender Applaus drangen durch die stille Nacht in mein Zimmer. Erst beim anbrechenden Morgen nahm das Spiel ein Ende, um in den folgenden Mondnächten seine Sortsetzung zu finden. Der Stoff der Darstellungen soll meist religiösen Legenden entnommen sein.
Noch war unsere Wißbegier betreffs Birma nicht erschöpft, immer weiter noördlich strebten wir ins Gebiet der Dschungeln und TCiger.
Am Tage nach jener Pwé-Aufführung verließen wir mit der ECisenbahn Mandalay und gelangten zunächst in die ehemalige Hauptstadt des CLandes Amarapura.Malerischer, anziehender vielleicht in ihrem Verfall als zu ihrer Blütezeit, teilt Amarapura das Schicksal der Städte, welche sich in Ruinen verwandeln, wenn der Sürst und sein Hofhalt aus irgend einem Grunde oder einer Laune seinen Sitz verlegt. Wir sollten in Indien noch mehrere solche verodete, menschenleere Städte treffen. Bis Sagaing kamen wir nicht aus dem Reiche der Pagoden. Überall, im Gestrüpp, auf dem Selde, auf der kleinsten Anhöhe erglänzten neben den massiven Tempeln Amarapuras weiße Türme und goldene Spitzen. An jede von ihnen soll sich eine Sage knüpfen, eine Erzählung von blutigem Morde oder auch eine Tat frommer Naächstenliebe.
Bei Sagaing führte uns eine Dampffähre ans rechte, ebenfalls mit Pagoden bekränzte Ufer des Irawädy, wo ein Eisenbahnzug unser wartete. Langsam bummelten wir durch eine prairieartige, scheinbar unbewohnte Gegend, und doch gab's jeden Augenblick eine Station und viel Aus- und Einsteigen. Durch die sternenhelle, kühle Nacht fuhren wir mehr oder weniger ruhig; plotzlich hieß es um fünf Uhr früh:„Umsteigen“. Das Licht im Waggon war ausgegangen, im Dunkeln tappte ich nach Kleidern und Gepäck, kein hülfreicher Schaffner erschien, um Weg und Steg zu weisen,und draußen regnete es in Strömen, ein seltenes Ereignis in der trockenen Jahreszeit und für uns durchaus kein angenehmes. Endlich waren wir glücklich im neuen Vaggon eingerichtet, um einige Stunden später durch Dschungeln und an anmutigen Hügeln vorbei nach Katha, dem Endpunkt unserer Cisenbahnfahrt, zu gelangen. Von hier an sollte ein Schiff zur Abwechslung wieder einmal unfere zeitweilige Wohnstätte bilden.
[435]„Puktan“ hieß der wohleingerichtete, hübsche, kleine Dampfer, dessen erste Klasse mit sechs Passagieren, vier Engländern, meinem Reisegefährten Mr. W. und mir, ganz genügend angefüllt war. Sur Passagiere zweiter Klasse und Sracht dagegen ist eine Menge Raum vorhanden.
Die englische Irawäady Flotilla Company, welche über 50 Dampfer und über 120 sogenannte Slats, aus Stahl gebaute, bis zu 900 Tonnen fassende, riesige Schleppkähne und verschiedene HeckradDampfer besitzt, macht ausgezeichnete Geschäfte.Sie monopolisiert den ganz beträchtlichen Handelsverkehr mit Bhamo, der wichtigften Dandelsstadt in Ober-Birma.
Weltfremde Länderstrechen und Völkerstämme.
Bei Amarapura.Swischen Oktober und Mai, der trockenen Jahreszeit, ist der Verkehr mit der chinesischen Provinz Yunnan, deren Grenze fünf Tagemärsche östlich von Bhamo liegt,sehr beträchtlich. Über die Berge, welche Yünnan von Bhamo trennen, wandern oft täglich lange Karawanen mit Rohseide, Opium, Honig und Nüssen Birma zu. Dort warten die birmanischen Schiffer und englischen Dampfboote ihrerseits mit Ausfuhrartikeln für China beladen: Baumwolle, Reis, Nephrit, der bei den Chinesen so beliebte Jade, für welchen, wenn er die seltene durchsichtige, milchgraue Sarbe besitzt,Unsummen bezahlt werden, ferner Elfenbein, ArekaNüsse und eßbare Vogelnester.
Als wir von Bhamo zurückkehrten, war unser Schiff mit chinesischen Walnüssen und ßonig schwer beladen. Ein mächtiges, bauchiges Tongefäß reihte sich an das andere, bis an den Rand mit Schleuderhonig gefüllt. Als wir sherrn S. in Rangun
[136]Reise einer Schweizerin um die Welt.davon sprachen, erzählte er uns folgende hübsche Anekdote von der Klugheit der Bienen: Da die Ranguner nicht einsahen, weshalb sie bei ihrem Reichtum an blühenden Bäumen und herrlichen Blumen sich nicht selber Bienen halten und ßsonig produzieren sollten, statt ihn immer von China zu beziehen, schafften sie sich Bienen an.Das erste Jahr gelang der Versuch vortrefflich, die Bienen machten sHonig im UÜberfluß, und Rangun schwelgte in der so beliebten Süßigkeit. Als aber die schlauen Bienchen sahen, daß hier ein immerwährender Sommer herrschte, und sie somit für keinen Winter vVorräte zu sammeln hätten, unterließen fie jedwelche Arbeit, sammelten keinen Honig und frönten dem süßen Nichtstun. Hun mußte wieder China mit sdonig aushelfen.
Bevor unser „Puktan“ die bräunlichen Sluten des Irawädy die Engländer schreiben Irra-waddy durchschneidet, möchte ich von diesem Slusse, der die Lebensader Birmas bildet und zugleich einer der groößten sginterindiens ist,etwas erzäahlen.Er entspringt in zwei Quellflüssen,dem Malikha und dem Mekha. Diese kommen vom Patkoi, der sich an das östliche Ende des Himalaya anschließt,und vereinigen sich unter dem 26. Grad nördlicher Breite und 97. Grad ösftlicher Cänge zum Irawady. Als Hßauptzufluß vom Westen her erhält er den an der Einmündungsstelle 550 Meter breiten „Mogoung“ 161 Kilometer oberhalb Bhamo, und den Mu unterhalb Mandalay. Die östlichen Suflüsse sind der Mole und der Taping,der bei Bhamo mündet. Von Bhamo an wendet sich der Irawady nach Nordwesten,nimmt aber bald wieder südliche Richtung an bis Awa, wo er einen weiten Bogen bildet, bis er vom Westen her seinen bedeutendsten Iebenfluß, den Kijndwin, empfängt.Bei Chajetmjo beträgt die Breite des Irawady 4800 Meter, und bei Prome beginnt die weite Alluvialebene des IrawadyDeltas. Sortwährend sich zerteilend, erreicht der Kauptstrom in neun Mündungen die See.
Auf dem „Puktan“ und mehr noch auf dem viel größeren „Mogoung“!, welchen wir zur Rückkehr von Bhamo nach Mandalan benutzten, führten wir ein höchst behagliches und im Vergleich zu den letzten Wochen und Monaten ein wahrhaft
Am Arawädy.[]Weltfremde Länderstrecken und Volkerstämme.
57 lukullisches Dasein.Im Osten, wo Hotels ersten Ranges die dritte Stufe bei uns einnehmen würden, bin ich, zu meiner Schande muß ichs gestehen,entschieden materiell geworden. Sudem war nach der völlig ungenügenden und über alle Begriffe schlechten Verpflegung auf den Schiffen der BritishIndia Company meine Überraschung groß und freudig, auf dieser abgelegenen Cinie in Hinterindien solch ein Essen zu finden.sreilich bieten die Ufer des Irawady DJagdgründe par excellence, und der kleine schottische Kapitän des „Mogoung“ war ein großer Nimrod. Doch ich greife vor.viele möchten die Sahrt auf dem Irawady einförmig finden. Mir war sie ein geistiges und körperliches Ausruhen, eine wahre Erquickung nach der Hitze und dem Staube Ranguns und Mandalays. Ein wunderbarer Reiz lag über all den ruhigen, einfachen Bildern, die ohne jede Anstrengung meinerfeits an mir vorüberzogen. Hier ruhte der ‚„Kampf ums Dasein“, der in Sorm von Überforderungen,Betteleien, schlechten Unterkünften u. s. w. die Reise um die Welt in eine große Strapaze verwandelt. Gerade weil keine aufregenden Momente eintraten, genoß ich jseden Abend wie ein neues Wunder die herrlichen flammenden Sonnenuntergänge,freute mich immer wieder an den einförmigen Dschungel-Gebieten, die rechts und links an den Ufern des Slusses sich aufrollten, an dem Tierleben im und am Wasser und oben in der Cuft, wo unaufhörlich dichte Wolken wilder Enten und Gänse über uns kreisten, während gravitätische Kormorane, Kraniche und Reiher gedankenvoll am Strande und auf Sandbänken wandelten, und da und dort der schwarz und weiße sogenannte Schlangenhalsvogel (Plotus melano-gaster) unbeweglich seine weit ausgebreiteten Slügel an der Sonne trocknete. Mich erinnerte seine Haltung und Sorm stets an den preußischen Adler. Gewöhnlich sieht man seinen schlangenartigen als und Kopf nur zum Wasser herausgucken, ist er doch in seiner Art ein ebenso eifriger Sischjäger wie die Otternfamilien, die, sonst so scheu, hier ganz unbekümmert um die Nähe der Schiffe, mit Kind und Kegel spielend und tändelnd. klanweise herumschwimmen.Sahren wir nahe genug am Ufer. so sehen wir rötliche Affen in munterem Spiele sich von Ast zu Ast schwingen und langgeschwänzte grüne Papageien herumflattern.
Am Irawädy: Drittes Desilé.
[438]Reise einer Schweizerin um die Welt.Aber auch Menschen gibt's auf dem Irawady, und hoch oben an den Uferrändern der Sluß ist augenblicklich sehr wasserarm guckt hie und da eine weiße Pagode, eine Anfiedelung hervor. Lange, breite Sloßze aus Ceak-sHolzstämmen treiben in wochenlanger Sahrt nach Rangun hinunter. Ihre Bemannung hat sich zum Schutz, gegen Sonne und Kälte eine Bambushütte darauf errichtet. Ungefähr 1650 Stämme, deren Länge durchschnittlich fünf Meter und deren Dicke drei Meter messen,wenn sie bearbeitet sind, bilden ein Sloß. Das schwere, braune, den Würmern widerstehende Holz des Teak-Baumes (Tectonia grandis) wird der Eiche noch vorgezogen und massenhaft als Schiffsbauholz auf den Werften Englands und Deutschlands verwendet. Gewöhnlich wird der Baum erst gefällt, wenn er abgestorben und ausgetrocknet ist, was ungefähr ein bis zwei Jahre erfordert. Su diesem Sweck schneidet man rund herum tief in den Baum hinein, wenn er blüht. Von weitem kenntlich an seinen großen, ovalen Blättern und den feinen, weißen Blütenrispen, die namentlich seinen Gipfel gleich einer Wolke umhüllen, ist der Teak-Baum eine Sierde jedes ostindischen Waldes. Läßt man ihn wachsen, so erreicht er eine riesige Größe und ein Alter von mehreren hundert Jahren.
Sunf oder sechs Stunden nach unserer Abfahrt von Katha verließen wir das unendliche Slachland der Dschungeln und gelangten zu einer Insel und dem sogenannten dritten Defilée, ein Wort, das von meinen englischamerikanischen Gefährten so hoffnungslos anglisiert wurde, daß ich lange nicht verstand, was eigentlich damit gemeint war. Wir Deutschschweizer lassen doch wenigstens dem Sremdwort, wenn wir es anwenden, seine Betonung und Aussprache. Übrigens entsprach das dritte Defilé wenig meiner Vorstellung von einem Engpaß, da die niedrigen, bewaldeten Hügel nur unmerklich das Slußbett verengern.
Ganz anders erscheint das zweite Defileé, anderthalb Stunden unterhalb Bhamo.Hier vereinigen sich die vielen Arme des riesig breiten Stromes zu einer verhältnismäßig engen, schmalen Wasserrinne, die, einen gewaltigen Bug bildend, in scharfen Windungen durch die schmale, tiefe, selbstgeschaffene Selsenstraße in stürmendem Caufe dahinbraust. Soeben war die Sonne aufgegangen. Ein mächtiges Leuchten zog durch die hohen, goldigroten Äste der das hoöhlenreiche, zerklüftete Selsufer bekränzenden Bäume, und mild umspannen die Lichtfäden des Tagesgestirns das graue Gestein. Hoch auf den Baumwipfeln jauchzten buntfarbige, fremdartige Vögel dem jungen Cage zu, und lustige flinke Affen hüpften herum, sich nach Srühstück und Gespielen umschauend. Ein hoher, verwitterter Sels ragt an einer Stelle kahl, wüst und einsam mitten aus dem Wasser empor, und ebenso einsam umkreist ihn ein großer Geier, der sich bald wie ein schwarzer Punkt, bald wie ein silbernes Blatt im Blau des Athers wiegt. Es rauscht und schäumt in weißem Gischt um den Selsen,und bohrt und wühlt sich immer weiter in das Gestein, bis der Gewaltige endlich in den Abgrund stürzen wird, den ihm heimtückisch das Wasser unaufhoörlich gräbt.
Waährend 1u/2 Stunden fuhren wir durch das Defilé. Endlich öffnete sich das Selsentor. Wie ein stiller See, blau, grün, schwarz, braun, je nach den Schatten, lag der Irawady wieder friedlich vor uns. Sischer- und Srachtboote belebten seine Släche und nahmen zu an Sahl, je mehr wir uns Bhamo näherten.[]Weltfremde Länderstrecken und Völkerstämme.An einem vom sochwasser tief eingerissenen Ufer legte sich unser Puktan“ neben einem viel größeren Dampfer, dem „Mogoung“, vor Anker. Unser Gepack wurde hinübergebracht, wir belegten unsere Kabinen, nahmen Tiffin und kletterten auf steilem Sickzackwege zum Plateau empor,das vorläufig keine Stadt, sondern eine unbebaute, mit hohen Bergen bekränzte Ebene zeigle.
Der schrille Pfiff unseres „Puktan“ hatte einige Ghart hergelockt, und bald waren wir unterwegs nach dem wohl 21/2 stilometer entfernten Bhamo. Unseren Begriffen nach kann der Ort auf jede Benennung besseren Anspruch erheben als auf diejenige einer Stadt. Die erste menschliche Ansiedlung war zunächst eine Karawane,welche auf offenem Selde lagerte. Riesige Körbe und Säcke, vermutlich mit Baumwolle und Reis gefüllt, waren rings um einige, aus Bambusstäben und daraufgelegten, geflochtenen Matten bestehende Selte gestapelt. In der Serne weideten Pferde und Maultiere. Die Menschen, ihrer Kleidung nach zu schließen, Birmanen, schienen aufgeregt und ängstlich gestimmt. Der Kapitän erzählte uns, ein Tiger hätte heute früh einen ihrer Leute getötet und ein Maultier zerfleischt. Schon mehrere Nächte zuvor seien Maultiere verschwunden, und die blutigen Spuren hätten auf einen Ciger hingewiesen. Die aufgeregten Cingebornen schickten daher Abgesandte zum Kapitän des „Mogoung“!, um ihn zu bitten, sie von der gefährlichen Bestie zu befreien. An Cust fehlte es unserem kleinen Nimrod wahrlich nicht, aber vorläufig sollte er uns den folgenden Tag sicher nach Mandalay bringen, und die Irawady Flotilla Com-pany besoldete ihn als Schiffskapitän und nicht als Cigerjäger. Die englische Regierung zahlt 100 Rupien, nach dem gegenwärtigen Kurs ungefähr 170 Sranken,Schußgeld für einen Tiger.
Man erzählte uns folgende Geschichte: Eines Morgens ging ein altes Weib in eine Pagode außerhalb der Stadt Bhamo, um ihre Andacht zu verrichten. Als sie das Heiligtum betrat, lag ein mächtiger Tiger zu Sußen der vergoldeten BuddhaStatue und schlief. Sitternd lief die Alte, so schnell ihre Süße sie tragen konnten, in die Stadt zurück und rief Leute zusammen. Die Beherztesten unter ihnen umzingelten die Pagode und erhoben ein gewaltiges Geschrei. Aus seiner Ruhe aufgeschreckt.
Lagernde Karawane vor Bhamo.
239
[140]Reise einer Schweizerin um die Welt.wollte der Tiger eilends fliehen. Da schossen die Belagerer alle, verwundeten ihn zwar gefährlich, aber doch nur so, daß er die Kraft noch hatte, zwei von ihnen zu zerfleischen, dann erst erlag er seinen Wunden.
Gefährlicher noch als Ciger sind die Leoparden, da sie viel häufiger die Menschen angreifen. In den Wäldern Ober-Birmas weilen sie zahlreich, ebenso Bären, Elefanten,Nashorner, Schweine und Hirsche. Die Dampfschiffahrt hat auch hier wie im Nil die Krokodile vertrieben, doch sollen sie in den Nebenflüssen noch in Menge zu treffen sein.
Bhamo besteht eigentlich nur aus einer wohl über anderthalb Kilometer langen sauptstraße. Die sehr ländlich primitiven säuser sind aus Slechtwerk und Bambus zusammengefügt und können nicht den geringsten Anspruch auf Schönheit erheben.
Auch die zahlreichen, meist von Chinesen gehaltenen Verkaufsbuden, welche die Straßen zu beiden Seiten einsäumen, zeigen durchaus nichts Verlockendes. Nur ein paar grellrote Cücher mit wunderbaren, aufgedruckten Menschen und Tieren erregten unwiderstehlich meine Kauflust. Hinterher hatte ich freilich den Schmerz, zu erfahren,daß die Wiege dieser ‚Baumwollenen“ nicht weit von der meinigen gestanden, nämlich im Glarnerländchen. Nun sind sie aus dem fernen Hinterindien wieder in die Heimat zurückgekehrt, um im verborgensten Schubfach ein bescheidenes, unbewundertes Dasein zu führen.
Im Bazar herrschte reges Leben. Hier sahen wir zum erstenmal Katschins, ein wildes Bergvolk, welches zur Seit der birmanischen Koöͤnige ein freies, unabhängiges Räuberleben geführt und erst in den letzten Jahren etwas gesitteter und ruhiger geworden ist. Shans, oder wie sie sich selber nennen Payü, deren Gebiet von Bhamo sich bis weit in den Süden hinunter erstreckt, erweckten ebenfalls mein reges Interesse.
Dem Namen nach sind beide volkerstämme Buddhisten, in Wirklichkeit haben sie nur einen Kultus, nämlich die Verehrung der Nats oder Geister. Es gibt gute und böse Nats. Die guten Geister beschützen den Aufgang und Untergang der Sonne und des Mondes, das Gedeihen der Seldfrüchte, den Wohlstand und die Gesundheit der Samilie. Der Reisegott beschützt den Wanderer auf seinem
Straße in Bhamo.[]Veltfremde Länderstrecken und Volkerstämme.
444 Wege, der Jagdgott bringt dem Jager Glück, der Hausgott schuützt das Haus vor Seuer u. s. w. Außerdem glauben die Katschins, daß die Geister der Ermordeten unter dem Namen Munla die Berge unsicher machen und daß sie von denjenigen Personen Besitz ergreifen, welchen ein gleiches Geschick bevorsteht. Die Ermordeten werden so schnell als möglich in eine Strohmatte gehüllt und begraben, und durch Sreunde eine Hütte neben dem Grabe erbaut für den ruhelosen Geist des Getöteten. Das Gleiche geschieht bei an Blattern Verstorbenen oder solchen Srauen, die vor der Entbindung starben. Im letzten Salle glauben die Katschins,die Verstorbenen werden in böse Geister verwandelt, und darum ist die Surcht vor einem jolchen Tode bei jungen Srauen eine unbeschreiblich große.
Bei einem Sterbefall melden die Angehsrigen dies durch Slintenschüsse den Verwandten und Sreunden. Sind diese versammelt, so gehen die einen in die Waälder,um den Sarg zu zimmern, während die anderen den Nats opfern. Der Sarg wird an Ort und Stelle ausgehöhlt, und die Stelle, auf welche der Kopf zu liegen kommt,mit Kohle geschwärzt. Der Leichnam wird gewaschen und in neue Kleider gehüllt,zugleich dem Toten eine Silbermünze in den Mund gesteckt, damit er die Überfahrt über den großen Strom bezahlen kann. Die alten Kleider des Verstorbenen werden mit einer Schüffel Reis auf den Grabhügel gelegt, und auf dem Heimwege streuen die Sreunde Reiskörner auf den Weg. Hierauf versammeln sich die Leidtragenden im Trauerhaus und feiern ein großes Sest mit Singen, Canzen und Trinken.
Jede Gemeinde hat ihren eigenen Priester. Derjenige Jüngling, welcher sich berufen fühlt, das heilige Amt zu bekleiden, nimmt nach dem Code des Priesters dessen Stelle ein. Der Priester ist zugleich Arzt und muß die bösen Geister, welche den Kranken foltern, erkennen und sie durch die geeigneten Arzneien zu vertreiben suchen. Das pulverisierte Horn junger Büffel fpielt eine große Rolle als Heilmittel.Der Priester hat auch die Aufgabe, allfällige Naturereignisse, das Gedeihen und Mißraten der Ernten vorherzusagen, und diese Sehergabe verschafft er sich durch das aufmerksame Unterfuchen der Knochen geopferter Hühner, sowie aus der Art, wie ein über das Seuer gehaltener Grashalm verkohlt. Sweimal im Jahre werden unter Aufsicht der Priester große Opferfeste gefeiert. Hat man der
Bhamo.
[442]Reise einer Schweizerin um die Welt.Nats genügend gedacht, so erfreut sich das Volk an großen Gelagen, die mehrere Tage andauern.
Die Katschins haben keine Schrift, doch verstehen die Gebildeteren, die chinesische Schrift und Sprache zu gebrauchen. Ihre Seitrechnung ist primitiver Art. Das Jahr beginnt mit dem Tage, wo sie den neu geernteten Reis zu verzehren anfangen, und endet mit dem Tage, an welchem wieder eine Schüssel mit frischem Reis vor ihren Augen steht.
Die Häuser der Katschins sind alle nach demselben Plane gebaut und bestehen gewöhnlich aus Bambus, hin und wieder nur wird Holz verwandt. Ihre Größe ist verschieden, doch sind die gebräuchlichsten Dimensionen vierzig Meter Länge und sechzehn Breite. An dem einen Ende des Gebäudes befindet sich eine Vorhalle, durch welche Sremde dasselbe betreten; die Hintertür ist nur für den Gebrauch der HsHausbewohner. Benutzt ein Sremder die letztere, so ist das nicht nur eine Verletzung der Ctikette, sondern auch eine Beleidigung des Hausgeistes.
Die schwere Arbeit wird bei den Katschins durch Srauen und Mädchen verrichtet,während die ßauptbeschäftigung der Männer in Befuchen bei den Nachbarn, Rauchen von Opium und Trinken von Sheru, einem füßen, aus Reis bereiteten Getränke,besteht. Nur falls die äußerste Not an sie herantritt, reisen sie mit ihren Mauleseln und Srauen ins nächste Städtchen und bürden diesen dort Lasten zum Transport nach China auf.
Die Shan oder Pa-yũ haben sich in Birma den Birmanen so vermengt, daß dabei ihre eigene Sprache verschwunden ist. Wo sie dagegen an chinesisches Territorium stoßen, haben sie mehr chinesische Sitten und Gebräuche angenommen. Die Shan gelten für ernst, ruhig, offen. Ihre Hauptbeschäftigung ist der Ackerbau. Außerdem gibt sich ein großer Teil der Bevölkerung mit Silberarbeiten, Strohflechterei und
Weberei ab. Letztere fällt hauptfächlich den Srauen zu Die PayüMänner nehmen sich nur eine rechtmäßige Srau. Die Heiraten geschehen ohne kirchliche Seremonie nach Übereinkunft mit den Eltern der Brautleute.Nur die Srauen rauchen Tabak,und niemals sieht man sie ohne Pfeife
Ratschin oder PayüFrauen in Bhamo.[]Weltfremde Länderstrecken und Völkerstämme.
443 oder pigarren. In den Lochern ihrer Ohrläppchen steckt statt der in Mandalay beschriebenen Glasoder Bambusröhre meist eine Zigarre aus CTabak und Stroh.Die Männer dagegen greifen zur Opiumpfeife.
In der Kleidung haben beide volkerstämme manches gemein,so daß ich anfangs die zwei
Wesen, welche sich gutmütig gegen Lesong aus dem Dunkel des Bazars ans Tageslicht schleppen und photographieren ließen, weder nach Geschlecht noch Volk klassifizieren konnte.
Die kleine, hübschere Srau meines Bildes, deren Süge an die kaukafische Rasse erinnern, trägt die Srisur der Katschins, nämlich vom Scheitel angefangen strahlenförmig über die Stirn gekämmte und oberhalb der Augenbrauen rund abgeschnittene sgaare. Eine Tracht, die zu verschiedenen Seiten in ECuropa bei jüngeren Srauen und Kindern hochmodern und allgemein war. Einen ganz abfonderlichen Kopfputz zeigt die Pacyü-Srau. Er ließe sich am besten einem zerknüllten Herrenzylinder ohne Krempe vergleichen. Der merkwürdige Gegenstand ist aus einem langen, breiten.blauen Bande gewunden.
Payü und Katschin sind beide gleich schmutzig. Beide tragen salsbänder aus Glasperlen, bloße Süße und ein wunderbares Schlinggewächs, das sich gleich schwarzen Drahtringen namentlich bei der Pamu-Srau in unzähligen Kreisen von der TCaille bis ans Knie zieht. Andere trugen auch noch die Suüße und Beine mit solchen Ringen umwunden.
Daß unsere zwei photographischen Opfer der Klasse der armen KuliSrauen angehören, zeigen die beiden schon geflochtenen Tragkörbe, die sie, wie unsere Bergbewohner, am Rücken befestigt halten.
Nachträglich erblickten wir viel elegantere Katschin und Pawüsserren und Damen,deren Gewand mit Silberplättchen und Muscheln reich geschmückt ist. In den Ohrläppchen tragen sie große, silberne Scheiben und um die Ohrmuscheln gewundene Ketten. Als dalsschmuck spielen drei massive, ziemlich eng sich anschmiegende Ringe und Muschelketten eine beliebte Rolle, während Armbänder aus Silber, Jade, Bern
Daus in Bhamo.
[444]Reise einer Schweizerin um die Welt.stein und Korn sich in bunter Auswahl aneinanderreihen. Kostbare Edelsteine funkeln an den Singern.
In Bhamo herrscht ziemlich reges Leben. Hier ist der äußerste militärische Posten in Birma, und hie und da trifft man einen Offizier oder einige englische Soldaten an. Europäer scheinen sonst keine hier zu leben. Wir durchwanderten mehr als einmal die lange Straße, guckten da und dort in ein Haus, schauten den fleißigen Veberinnen zu, die im Sreien ihrer Arbeit oblagen, und versuchten, mit den hübschen Birmaninnen meist vergeblich ins Gespräch zu kommen. Immerhin sträubten sie sich nicht so sehr, ihr Bild aufnehmen zu lassen, wie ihre Schwestern in Mandalay. Sehr belustigte es mich, die kleinen Kinder grad' mit solchen grünen, gepolsterten Ledermutzen herumlaufen zu sehen, wie man sie bei uns, glaub' ich, „Sturm“ nennt, und welche noch zuweilen auf dem Lande den Kleinen auf den Kopf befestigt werden,damit sie sich beim Sallen nicht weh tun.
Bhamo besitzt natürlich mehrere Pagoden, und darunter eine ganz neue, reich vergoldete, mit Priesterwohnungen und Schule. Da die chinesische Grenze nur 40 Ailometer entfernt ist und sehr viele Söhne des himmlischen Reiches der Mitte hier leben,kehlt auch nicht das Joßhaus. Ich habe in ganz China kein so reinlich und gut gehaltenes gesehen wie in Bhamo. Schöne Skulpturen und Malereien schmücken das Ganze, und den vielen vergoldeten Buddhas ist dadurch Charakter und eine ganz besondere Originalität verliehen, daß Haupthaar, Augenbrauen und Bärtchen zunstvoll aus Roßhaar gefertigt sind. Vor jedem der Heiligen steht ein Weihrauchbecken.
Der Abend fand uns zum erstenmal auf dem „Mogoung“, der während drei Tagen unsere Heimat werden sollte, denn diesmal beabsichtigten wir, bis Mandalay den Strom hinabzufahren. Nach Sonnenuntergang wurde es ganz bedenklich kzühl. Die Temperatur war auf 8 Grad Celsius gesunken, und fröstelnd zog jeder an, was er überhaupt besaß. Nur unser kleiner Kapitän erschien, ein Opfer der englischen Etikette, im tadellosen, leichten, schwarzen Gesellschaftsanzug und feinen Cackschuhen. Wir lachten ihn alle aus, aber vergeblich, jeden Abend stürzte sich unser Mann in Gala.
Welche Sklaven ihrer Sitten und Gebraäuche sind doch die Engländer! Eigensinnig alammern sie sich auch dann noch daran, wo's gar keinen Sweck, keinen Nutzen mehr hat. In der Wildnis des Urwaldes, in der Glut der Tropen, auf schwankendem Schiffe, in Kälte und sitze: «Evening suit» muß herbei. Wer sich davon eman;zipiert, gilt als ungebildeter Barbar![]AnanasMarkt. (5. 445 []
Auf dem JIrawady.
Auf dem JIrawady.
44
FAuf dem Irawäög.
Sandbänke. Der Gouverneur von Shwegu. Raren. Birmanische Christen. Nahrung. Marionetten-Pwé.Orchester. RubinMinen. Schöner Sonnenuntergang. Die unvollendete Pagode in Mingun. Die große Glocke. Sentralgefängnis in Rangun. Birmanisches Leichenbegängnis. Wieder auf See.DugliFluß. Ankunft in Ralkutta. Schlechte Unterkunft.
Diefer, schwerer Rebel lag auf dem Irawädy, als wir früh, nach gründlich durchfrorener Nacht, hinausschauten, und erst um zehn Uhr konnte der „Mogoung“die Anker zur Rückfahrt lichten. Nebel und Sandbänke sind die gefürchtetsten Gegner jeder IrawadySahrt, die mich deshalb auch lebhaft an die Nilreise zwischen dem ersten und zweiten Katarakt erinnerte.
Jeden Augenblick vernahmen wir das Knirschen des Sandes auf dem Grunde,und oft stundenlang hintereinander meldete in einförmig singendem Tone ein fortwährend lotender Schiffer den Wasserstand dem Steuermann. Überall stehen Baken als Merkzeichen für den Kapitän, allein oft ändert sich die Lage der Sandbänke oder es bilden sich neue über Nacht,und das Auflaufen gehört keineswegs zu den seltenen Vorkommnissen. Um sich in diesem Salle wieder los zu machen,wird der schwerste Anker auf ein Rettungsboot geladen und damit stromaufwärts in eine tiefe Stelle gefahren. Dort hinein wird der Anker geworfen und die
IrawädyAfer bei Shwegu.
[446]Reise einer Schweizerin um die Welt.sKette mittelst Dampfkraft aufgewunden. Hat er einmal festen Grund gefaßt, so ist es leicht, das Schiff wieder flott zu machen.
Im hellen Mittagssonnenglanz passterten wir diesmal das schöne Defilé, und ustiger und zahlreicher noch tummelten sich jetzt Affen und Vogel. Ganz bedeutend var der Verkehr von Menschen und Waren auf unserem ‚„Mogoung“. Wir machten häufige Stationen, wo überall viele Passagiere, lauter Eingeborene, sich aus und einschifften. Oft geschah dies vermittelst eines Kahnes, oft auch führte ein langer schwanker Steg vom Schiff bis an das zerklüftete hohe Ufer, wo stets eine neugierige Menschenmenge sich ansammelte.
Bald brachten wir einen guten TCeil der Seit auf dem sehr reinlichen, vorzüglich zgehaltenen zweiten Deck zu bei den allzeit lustigen, zu Scherz und Lachen bereiten Birmanen. Ciner unter ihnen sprach geläufig Englisch und entpuppte sich später als don, Monung Po Mya, Gouverneur von Shwegu in Ober-Birma. Der bescheidene und dabei recht gebildete Mann war sichtlich erfreut, einmal mit Sremden, die keine Engländer waren, verkehren zu können. Der ziemlich gnädig herablassende Con dagegen, welchen unsere englischen Schiffsgefährten dem Gouverneur gegenüber anschlugen, schien diesem nicht besonders zu behagen, jedoch war er klug genug, uns zegenüber weder englische Antipathien noch Sympathien laut werden zu lassen. Ich zweifle jedoch, daß er ganz in die Kategorie der „vernünftigen“ Birmanen zu zählen ist. So benennen nämlich die Engländer diejenigen Eingeborenen, welche zu all ihren Anordnungen Ja und Amen sagen.
Auch Karenen oder Karen waren an Bord des „Mogoung“, Angehörige eines friedlichen Volkes, das im V. Jahrhundert aus Süd-China nach Birma eingewandert und dort jetzt ungefähr 680,000 Seelen zählt. Auch in Siam leben viele Karen.Sie teilen sich in „rote“ und „weiße“ Karen, wohnen hauptsächlich in den Wäldern Unter-Birmas und beschäftigen sich mit Ackerbau und Holzfällen. Unter allen Bewohnern Birmas haben sie sich dem Christentum am zugänglichsten erwiesen,hauptfächlich wohl deshalb, weil in ihren alten, verloren gegangenen, heiligen Büchern auch der Sündflut erwähnt wurde. Man zählt mehr als 30,000 KarenChristen.atürlich ist ihr Christentum nicht gerade sehr tiefgehend, sondern läßt allerlei Aberzglauben und alten Gebräuchen freien Spielraum. Die Häuser werden z. B. möglichst weit auseinandergebaut, damit der Schatten des einen nicht unglückbringend auf dasjenige des Nachbarn falle. Wenn die Leichen verwest sind, graben sie die Knochen aus und feiern bei dieser Gelegenheit ein Sest, welches stets damit endet, daß die ganze Gesellschaft schwer betrunken auseinandertaumelt. Einer unserer Karen hatte verschiedene warzenartige Auswüchse auf der Haut. Der Gouverneur erzählte uns,es steckten Amulette aus Gold, Silber oder Elfenbein darunter, welche, unter die daut geschoben, vor Hieb und Schußwunden sichern sollten.
Die Karen wohnen teilweise in Einzelhaäusern, teilweise in sogenannten Tais.Letzteres sind Massenwohnungen unter einem gemeinsamen Riesendache und bieten Raum für fünfzig bis sechzig Samilien. Um eine große, allen gemeinsam gehörende Mittelhalle gruppieren sich die Einzelräume.
Man zählt in ganz Birma 120, 000 Christen, also etwa anderthalb Prozent der []Auf dem Irawädy.
447 Bevölkerung. Sie sind unter der nicht sehr schmeichelhaften, aber wie man behauptet zutreffenden Benennung vierAnnas-Christen bekannt, weil sie hauptsächlich deshalb das Christentum annehmen, um von den Missionaren eine lohnende Beschäftigung zu erhalten, welche ihnen täglich vier Annas, vierzig Centimes, einträgt.
Die Lohnansprüche in Birma und BritischIndien sind keineswegs extravagant,genügen aber bei der frugalen Lebensweise der Einwohner. Die shauptnahrung der Birmanen besteht aus Reis und Gemüsen, gewürzt und verbessert mit Nangepi und Cet-pet. Einem europaischen Gaumen wird Nangpi wenig verlockend erscheinen,wenn ich erzähle, daß halb verfaulte Sische, Srösche, Schlangen und hin und wieder ein Pariahund feine Ingredienzen bilden. Auch dem einheimischen Bier, welches aus Reis gebraut wird, gibt man getrocknete Srösche als Serment bei. Es schmeckte mir ausgezeichnet, bis ich von diesem Surrogat hörte, von da an berührte ich kein Tschinbier mehr. Letpet ist der in den Bergen kultivierte Tee, dessen in Essig eingelegte Blätter die birmanischen Pikles bilden.
Abends legte sich unser „Mogoung! jeweilen für die Nacht vor Anker. Einmal hörten wir dumpfe Gongschläge und Trommelwirbel durch die Stille der Nacht vom nahen Ufer schallen. Pwél hieß es. Da das Wasser zu seicht war, um mit dem großen Schiffe ans CLand zu fahren, wurde das Rettungsboot flott gemacht, und mit vieler Muhe und nassen Süßen gelangten wir endlich zu einer steilen Böschung. Auf allen vieren krochen wir durch rollenden Sand und Buschwerk zum Pwé-Platz, der viel eigenartig phantastischer aussah als in Mandalay. Wir hatten es zu einem
Dorffiraße in OberBirma.[]u
Reise einer Schweizerin um die Welt.Vokthwe Pwe getroffen, wo Marionetten an Stelle lebender Schauspieler auftreten.Sunf lebensgroße,vortrefflich gemachte und tadellos gehandhabte Siguren standen gerade auf der Szene. Vermittelst Drähten wurden sie von einer Bambushütte im Hintergrunde aus in Bewegung gesetzt, wo auch der oder vielmehr die Sprecher sich verborgen hielten.Die Konversation spielte sich sehr lebhaft und jedenfalls zur großen Sufriedenheit des Publikums ab, denn des LCachens und Beifalles war kein Ende. Die Zuschauer hatten sich ihre geflochtenen Matten, ihre Reisschüsseln und Sigarren mitgebracht.
Ich konnte mir hier besser als in Mandalay das Orchester, dessen Leistungen wahrhaft ohrenzerreißend waren, betrachten. Die Mitte nimmt ein großes, hölzernes Gestell ein, in welchem ein Mann sitzt. Crommeln aller Art und Größe hängen darin, die er abwechselnd mit der Kand bearbeitet. Ein zweites, großes Instrument,dessen Abbildung ich bringe und welches jedenfalls am melodischsten klingt,sieht einem javanischen Gamelang ähnlich und wird mit Holzhämmerchen gespielt.Dazwischen quieken Slöten, klappern Kastagnetten, klagen dreisaitige Geigen, klimpern Gitarren, dröhnen Gongs. Die ganze Nacht hörten wir das musikalische Charivari vom Schiff aus.
Bei Chabeikkyin machten wir einen langen Spaziergang auf herrlicher, leicht ansteigender Straße. Wenn wir diese während 17 Stunden verfolgt hätten sie soll immer gleich vortrefflich sein wären wir zu den berühmten RubinMinen gelangt. Dort werden die schoönsten, geschätztesten, die sogenannt taubenblutfarbenen Steine gefunden. Der bisher sehr primitiven birmanischen Methode, den kostbaren Edelstein zu gewinnen, kommt jetzt eine englische Gesellschaft mit moderneren Mitteln und Instrumenten zu Hüͤlfe, doch bis jetzt mit wenig glänzenden Resultaten. Äußerst selten nur werden Steine gefunden, die in geschliffenem Zustande vier bis fuünf Rarat wiegen, so daß der Rubin das Sunf und Sehnfache der indischen Diamanten wert ist.
Unvollendete Riesenpagode bei Mingun.
klärte an Hand derselben den Unterschied zwischen dem minderwertigen, siamesischen TschantabunRubin, dem Spinell, und dem taubenblutblaäulichen Stein aus Birma. Daß es eines sehr geübten und scharfen Kennerauges bedarf, um nicht „reinzufallen!,[]Musikanten beim Pwé. (5. 448.) [] Auf dem Irawady.
449 bewies uns Neulingen Herr 5. dadurch am besten, daß er uns neben dem echten einen trefflich nachgeahmten Glasrubin vorlegte und wir den Unterschied nicht gewahr wurden.
Als wir auf den „Mogoung! zurückgekehrt waren, zauberte uns der Sonnenuntergang die herrlichsten, köstlichsten Rubine, Amethyste und Topase auf die Sluten des Irawady, die fanften Bergesufer und die hohen Wälder. Cange noch, als mit dem Tagesgestirn abermals ein Tag unwiderruflich zur Neige gegangen, leuchtete es gelb, rot und violett ringsum. Ich dachte dabei an Altmeister Goethes Wort:
„Was vergangen, kehrt nicht wieder,Aber ging es leuchtend nieder,Ceuchtet's lange noch zurück.“
Unfere letzte Station war Mingun, 14 Kilometer oberhalb Mandalay. Eine unvollendete RiesenPagode und eine Glocke, man sagt, die größte Birmas, ja der Welt,neben derjenigen in Moskau, bilden die Hauptanziehungspunkte des auch fonst höchst malerischen Nestes. Die Pagode wurde Ende des XVIII. Jahrhunderts durch den etwas phantastischen König Mintayagyi in kolossalem Maßstabe begonnen. Sie hatte das Drittel ihrer projektierten Größe erreicht, als dem Könige prophezeit wurde, er müsse sterben, sobald die Pagode vollendet sei, worauf er natürlich sofort Befehl erteilte,den Bau einzustellen. Eine andere, vermutlich wahrscheinlichere Version sagt, das Geld wäre ihm ausgegangen.
Das Gebäude bedeckt eine Släche von 150 Guadratmeter und hat eine Höhe von 50 Meter erreicht. Sunf Terrassen führen rings um den Riesenbau, an welchen vier große Nischen vergeblich auf die entsprechenden Bildfäulen harrten. Im Zahre 1839 hat ein Erdbeben die unvollendete, ununterhaltene Pagode vollends zur Ruine verwandelt. Phantaftische Spalten, die das Riesengebäude von oben bis unten durchziehen, und wild durcheinander geworfene Siegelblöcke bilden das Andenken an jene gewaltige Erderschütterung. Auch die beiden mächtigen Löwen, welche die gegen den Irawady gewandte Ostfront des Cempels behüten, sind zertrümmert. Ein genügender
C. von Rodt., Reise um die Welt. 729
Große Glocke in Mingun.
[150]Reise einer Schweizerin um die Welt.Beweis ihrer Größe wird sein, daß der weißmarmorene Augapfel der Ungetüme 4 Meter im Umfang mißt und die ganzen Siguren 32 Meter hoch waren.
Noch andere Cruũmmer liegen umher, und zwischen diesen herrlichen BanjanBäumen und schlanken Palmen haben die Eingebornen ein höchst malerisches, ganzes Dorf errichtet.
Etwas nordlich steht im Schutze eines niedlichen Pavillons birmanischen Stiles die große Glocke. Neun Matrosen vom ‚„Mogoung“schleppten unter Anführung des Kapitäns einen großen, schweren Balken herbei, um der alten Glocke einige Töne zu entlocken. Nach dem Erdbeben mußten Stützen unter sie gestellt werden, und sie blieb daher viele Jahre lang stumm, bis es endlich 1896 mit vieler Arbeit und Kosten gelang, sie wieder etwas frei zu stellen. Ihr unterer Durchmesser beträgt fünf
Meter und ihre Höhe vier Meter. Das Metall besitzt eine Dicke von zwei bis vier Meter, und das Gewicht soll ungefähr 81,284 Asilos ausmachen.
In Mandalay fanden wir nach dem luxuriösen Leben auf dem „Mogoung“ das Hotel wenn möglich noch schmutziger und schlechter als vorher. Unser neuer Sreund,der Gouverneur von Shwegu, ließ es sich nicht nehmen, uns als Cicerone in den Bazar und mehrere Pagoden zu begleiten. Dabei pflegte er jedesmal vorher im Wagen die Schuhe auszuziehen, während glücklicherweise die religiöse Coleranz in Birma dies von den Sremden nicht verlangt. In Japan, wo man nur in Strümpfen die Cempel, ja sogar die japanischen sHäufser betreten darf, war's mir manchmal des Guten zu viel geworden.
Von Mandalany ging's in langer Eisenbahnfahrt zurück nach Rangun. Gerne wären wir mit dem Schiff bis Prome gefahren, allein wir mußten zur bestimmten Zeit in Rangun eintreffen, um das Boot nach Kalkutta zu erreichen. Swei Tage zum Packen, Besorgungen und Vorbereitungen waren reichlich ausgefüllt, besonders da ich noch einen mehrstündigen Besuch im Sentralgefängnis machte.
Nach den greulichen, barbarischen Suständen, die im ARustizwesen noch im Reiche der Mitte herrschen, berührt die Musteranstalt im Nachbarlande doppelt angenehm überraschend. Sie ist selbstverständlich eine Schöpfung der Engländer. Die Birmanen werden im «Central Jail», welches über dreitausend Sträflinge auf einmal beherbergen kann, gerade zu dem gehalten, was ihnen am verhaßtesten ist zur Arbeit. Wenn man die luftigen, reinlichen Räume betritt, wo in nahezu allen Industriezweigen gearbeitet wird, erinnert auf den ersten Blick nichts an Gefängnis und Sträflinge. Erst allmählich entdeckte ich am Halse jedes Arbeiters einen eisernen Ring, worauf dessen Name, NHummer, Verbrechen und Strafdauer steht.
In Mandalay.[]Auf dem Irawãdy.
451 Jeder Gefangene muß den ersten Monat in der Druckerei die Tretmühle in Bewegung setzen helfen, eine breite, mit Trittbrettern versehene, ungeheure Holzwalze.Gegen hundert Mann können zur selben Seit nebeneinander stehend daran treten.Eine furchtbare, anstrengende Arbeit, die von früh bis spät dauert und nur jeweilen alle Stunden während fünf Minuten unterbrochen wird. Begeht später der Gefangene einen Disziplinfehler, so wird er zur Strafe wieder auf einige Seit an das verhaßte Kad geschickt.
Über Nacht kommen die Sträflinge in steinerne, festvergitterte Häuser, je zu zwanzig in einen Raum; Gefangene, die man in Einzelhaft hält, werden in besondere Pavillons untergebracht, und ihre Beschäftigung besteht darin, die zähen Sasern von den Kokosnüssen abzuschlagen. Ununterbrochen tönte das Geräusch des fallenden Beiles; jedenfalls fehlt's dieser Klasse von Sträflingen nicht an Gelegenheit, ihrem Zhorne durch Dreinschlagen Cuft zu machen. Canger als eine Woche hintereinander halten sie übrigens die Einzelhaft nicht aus, dann müssen fie auf einige Tage zu anderen Leidensgenossen gebracht werden und klopfen in Gesellschaft ihre Kokosfasern weiter.sointer einem schweren, eisernen Core befindet sich ein Pavillon, wo die Mörder ihre letzten Tage zubringen. Augenblicklich waren zwei darin. Auf meine Srage,wie viel Gefangene Central Jail augenblicklich beherberge, hieß es: 2510 Männer und 40 Srauen. CEine erschrechende Anzahll Angenehm nur berührte mich dabei das geringe Srauen-stontingent. Durchschnittlich sollen sie nur ein Prozent der Gefangenen liefern, find also auch in dieser Beziehung die bessere Hälfte der Birmanen.
Kloster in Mandalay.
[152]Reise einer Schweizerin um die Welt.In der mit Dampf betriebenen Küche wurden Sische zubereitet und in ungeheuern Kesseln Berge von Gemüse und bräunlichem Reis gekocht, die Leibgerichte der Cingebornen. Cin ausgezeichnet gehaltenes Hospital fehlt in dieser Musteranstalt ebensowenig, wie ein Absonderungshaus für Aussätzige.
Bevor ich das Gefäͤngnis verließ, wurde ich noch in einen Raum geführt, wo Arbeiten von Sträflingen, die als Hoolzschnitzer, Weber, Buchbinder, Silberschmiede u. s. w. hier in ihrem Berufe beschäftigt werden, zum Verkaufe ausgestellt sind.Neben der Holzschnitzerei genießen die Silbersachen eines besonderen Rufes in Birma.OHriginell zwar, haben sie jedoch etwas Rohes, Unfertiges an sich, so daß ich mich nicht recht dafür begeistern konnte.
Als ich auf die Straße trat, begegnete mir ein Leichenzug. Die hellen, lichten Sarben, mit welchen sich die Birmanen bei Lebzeiten so gerne schmücken, scheinen sie auch noch im Tode zu begleiten. Weiß und rosa gekleidete Männer trugen den in rosa, gelbe und rote Seidentücher gehüllten Sarg. Voran fuhren wohl ein Dutzend sonderbar geformte, zweirädrige, geschnitzte Karren mit bedachtig einherwandelnden Zugochsen bespannt. Bunte Teppiche hingen an den Wagen herunter, deren Insafsen große, weiße Sahnen in den üänden trugen. Dem Sarge folgte eine bunte, geputzte bolksmenge. Die Damenwelt war dabei besonders stark vertreten. Jede trug eine riesige Burri-Sigarre im Munde, eine gelbe Blume im schön geordneten shaar und leuchtende Cdelsteine an den Ohren, als ob's zu einem Sreudenfeste ginge. Dies war das letzte Bild, welches ich von Birma mit mir nahm; es blieb fest haften, und wenn ich auf meiner Weiterreise, die mich durch das große, indische Reich führte,die armen, geknechteten Srauen sah, dachte ich mit Sehnfucht nach Birma zurück.Wußte ich doch, daß es in Hinterindien wenigstens ein Land gibt, wo die Srauen geachtet, geliebt, heiter und glücklich sind.
Zum letzten Ciffin in Rangun hatten wir noch die Schweizerfreunde eingeladen,welche uns dann zur „Molda“ geleiteten, einem ebenso altersschwachen und nahezu ebenso angefüllten Boot wie die „Noshira“. Die mir so unangenehme Notwendigkeit,mit ganz fremden Damen die Kabine zu teilen, trat auch hier ein, und zwar wurden vir zu viert in die Damenkabine gesteckt. Immerhin war's viel besser als auf der Noshira“, da diesmal meine Gefährtinnen sehr liebenswürdig waren und der Raum dedeutend großer.
Was soll ich über diese Seefahrt sagen? Neptun war uns gnädig. Ich suchte o oft es ging auf dem kleinen überfüllten Deck ein stilles Plätzchen zum Schreiben und ruhte mich auch geistig insofern aus, als ich möglichst wenig mit den übrigen Reisenden verkehrte. Mein Gefährte widmete sich dagegen eifrig einer anscheinend recht gebildeten,liebenswürdigen Birmanin, die ihr TCöchterchen in Penston nach Kalkutta führte.Sie zeigte sich für die freundliche Ansprache um so dankbarer, als die anwesenden Engländer es unter ihrer Würde hielten, mit einer „Native“, die sich erfrechte, erste sßlasse zu fahren, ein Wort zu wechfeln.
Am dritten Tage unserer Sahrt lenkte die „Molda“ in den HZugliStrom ein,den westlichsten Arm des Ganges. Kalkutta liegt 180 Kilometer von der Mündung entfernt am linken Ufer des sugli. Die Sahrt auf diesem Slusse gilt für eine der []Auf dem Irawaädy.
153 gefährlichsten und schwierigsten in der Welt. von seiner verschlammten Mündung an legt sich Barre an Barre, Sandbank an Sandbank. Nur bei hellem Tageslicht und unter sührung des erfahrensten Lotsen darf ein Schiff die Sahrt unternehmen. Ein senior master- und ein branch master-Pilot sind große Zerren. Sie beziehen einen Monatsgehalt von 1800 Rupien und haben zudem freie Beköstigung an Bord. Dafür liegt aber eine siebenjährige Lehrzeit hinter ihnen, und ununterbrochen müssen sie die Verhältnisse des ewig wechselnden Stromes studieren.
Wehe, wenn ein Syklon sich erhebt ein häufiger Gast in dieser Gegend und über das stellenweise seichte Wasser dahinbraust! Dann schlagen die Wellen weit ins Land hinein, welches in üppig grüner Pracht kaum über dem Wasserspiegel sich erhebt. Wie schön und glatt war heute die Sahrt! Oft näherten wir uns dem Ufer so, daß wir vermeinten, die leichten Bambushütten, die köstlichen Palmen, die braunen, schlanken Menschenkinder mit Händen greifen zu können. Dabei der herrliche ßontrast zwischen dem lichten Himmel, dem satten Grün der Pflanzungen und dem dunkeln Braun des aufgewühlten Stromes! Stundenlang dauerte die langsame Sahrt flußaufwärts.
Als wir das gewaltige Städtebild Kalkuttas vor uns hatten, stand die blutrote,jetzt nicht mehr blendende Sonnenscheibe im Begriff, in die leise bewegte Slut des Zugli zu tauchen. Gleich treuen Trabanten begleiteten zarte und doch leuchtende Sarbentöne, wie nur der Süden sie malen kann, ihr Scheiden.
Im letzten Augenblick, wo eine Landung noch möglich, denn schon neigte sich der Tag, betraten wir Indiens Boden. Leichten Herzens sagte ich der „Molda“Cebewohl. S5wei Stunden später waäre ich froh gewesen, zu viert in einer Kajüte unterzukriechen. Der schlechte Ruf, dessen sich die Gasthofe Kalkuttas erfreuen, ist kein unverdienter. Ein Reisender sagte uns: „Wenn man in einem Gasthof abgestiegen ist, bedauert man regelmäßig, nicht in einen anderen gegangen zu sein.“ Wir hatten übrigens nicht einmal die Gelegenheit, uns wählerisch zu gebärden. Kalkutta ist in dieser Jahreszeit überfüllt, und erst nachdem wir in vier verschiedenen Gasthöfen angefragt hatten und abgewiesen worden waren, eroberte ich ein düsteres Gelaß und
Mandalay: Straße beim Bazavr.[]J 54
Reise einer Schweizerin um die Welt.mein Reisegefährte irgendwo ein Massenquartier. Bedienung keine die muß man sich selber mitbringen.Das war unser Eintritt in das Märchenland Indien! Als Kind pflegte ich mit diesem Namen die vorstellung von hehren Marmorpalästen, von funkelnden Edelsteinen, goldenem Sand, schimmernden Vögeln und süßen Wohlgerüchen zu verbinden. Wie oft doch stimmt Dichtung mit Wirklichkeit nicht überein. Am Ganges sprach ich manchmal unwillkürlich die schönen bekannten Strophen vor mich hin:Auf Slügeln des Gesanges,Herzliebchen, trag' ich dich fort,Sort nach den Sluren des Ganges,Dort weiß ich den schönsten Ort.“und malte mir dabei recht prosaisch „Herzliebchens“ sicherlich nicht immer freudige Überraschungen am Ufer des heiligen Stromes aus.
Mildernd ist die Hand der Seit über die Strapazen, die elenden Gasthofe, die Bakshish, über den Staub und Schmutz und all die kleinen Verdrießlichkeiten gestrichen,die unsere Reise durch das weite Indien zuweilen begleiteten. Leuchtender tritt dafür das Schöne und Onteressante, welches ich gesehen, in den Vordergrund, und diese Eindrücke will ich jetzt, wo ich mit meinen Lesern zum zweitenmal die lange Sahrt antrete, festhalten, damit sie in wohltuender Erinnerung meinen Schilderungen Ton und Sarbe verleihen mögen.[]Bengalischer Rönigstiger. (8. 471.) []
Brahmanen und Buddhisten.
Brahmanen und Buddhisten.
455
Indien.
Brahmanen unö Buööhisten.
Die ersten KRinwanderer in Indien. Ihre Rulturstuse. Der Rigveda. Lebensweise der alten Inder.Ihre Götter. Das Suchen nach einem Gott. Die Inder am Ganges. Rastenwesen. Übermacht der Brahmanen. Das Brähman. Gott Brahma. Buddha. Sein Leben und seine Lehre. Seine Erfolge.bertilgung des Buddhismus in VorderIndien. Entartung des Buddhismus. Erbauung von Tempeln.Alexander der Große in Indien. Griechischer Kinsluß. Die Kuropäer in Indien. Der indische Boy und seine Verwendung. Ayah. Botanischer Garten. BanyanBaum. Soologischer Garten. Meidan.EdenPark.Vor uralten Zeiten man weiß nicht, ob drei oder viertausend Jahre vor unserer Zeitrechnung wanderte ein schönes, bildungsfähiges, indogermanisches Volk vom Westen her nach Indien ein. Es nannte sich selbst Arier, d. h. „die zu den Treuen Gehörigen“, worunter die CTreue gegen ihre Stammesreligion gemeint war. Sßunächst siedelten sich die Cinwanderer im Indus-Cale an, dann eroberten sie in langsamem vorrücken die fruchtbare Gangesebene zwischen Himalaja und Vindhya und zuletzt das Plateau des Dekhan.
Eine „eigene Welt“ hatten die Arier sich mit ihrer neuen Heimat erobert nach außen und innen. Unübersteigbare Gebirgswälle schließen Indien im Norden ab:das indischperfische Gebirge im Nordwesten, im Nordosten der hHimalaja, dessen Alpenspitzen den Mont Blanc fast um die doppelte Höhe überragen. Swei Meere trennen im Südwesten und Südosten Indien von der übrigen Welt: das persische und das indische. In alten Seiten selten befahren, schützte ihre weite Meeresfläche die Arier vor jedem Eindringen, und frei konnten sie ihre eigene Kultur und Religion ohne irgendwelchen fremden Einfluß entfalten.
Schon vor der Trennung von ihren europäischen Brüdern waren die Arier über die ersten Anfänge der Kultur hinaus, sie befaßen ein wohlgeordnetes Samilienleben,die Grundlagen einer staatlichen Ordnung, und auch ihre Götterverehrung war schon
[156]Reise einer Schweizexin um die Welt.über die Stufe des ursprunglichen Dämonenkultus vorgeschritten. Die Götter wurden als die „lichten, die himmlischen“ verehrt, und früh schon entwickelte sich der Olaube an die Unsterblichkeit.
Aus dem Suchen nach dem Ewigen ist eine überreiche, poetische und religiösphilosophische CLiteratur entsprungen, von der noch ein Ceil zu uns hinübergekommen ist. Durch mündliche Überlieferungen sind die uralten Hymnen des Rigveda, des
ältesten Ceiles der Veden, bewahrt und fortgepflanzt worden, und wenn uns die Arier keine eigentliche Geschichtsschreibung hinterlassen haben wie die Griechen und Romer,so entrollen uns dafür die RigvedahHymnen, die keineswegs alle religioser Natur sind,ein anschauliches Bild der ältesten Kultur unserer Stammesbrüder, der IndoGermanen in Indien. Obschon eigentlich nicht in den Rahmen einer Reisebeschreibung pafsend, kann ich der Versuchung nicht widerstehen, in kurzen Zügen über Kultur und Götter jener ersten Einwanderer in Indiens Sonnenland zu spreZur Seit der Entstehung der Rigveda (zirka 1500 bis 1000 v. Chr.) wohnten die Arier noch ausschließlich am oberen Laufe des Indus, nach dem sie vermutlich ihren Namen Inder oder Hindu führen.Bis an die Vorberge des Himalaja reichten ihre Wohnungen. Ihr Gebiet umfaßte ungefaäͤhr den Umfang des Königreichs Preußen und trug den jetzt noch gebräuchlichen persischen Namen Pendschab, das Sünfstromland.
Von vielen Kämpfen erzählen uns die Hymnen gegen die dunkelfarbige, in die Berge zurückweichende Urbevölkerung, „die schwarze Haut“, oder „die einer wie der andere aussehenden, schwarzen Leute“, welche Gott Indra „aus ihren Wohnsitzen Cag für Tag vertreibt'. So werden in der Rigveda die Dasa genannten Ureinwohner j Quelle: Geschichte der Philosophie von Dr. Paul Deußen, Band J, Abteilung J.
Hornehme Indierin.[]Brahmanen und Buddhisten.
4567 bezeichnet, und eigentümlich zerfließt die Vorstellung von ihnen mit den von Indra in der Luft bekämpften, dämonischen Mächten. Auch unter sich lagen die Arier, die in kleine Stämme unter meist erblichen Koönigen geteilt waren, in beständigen Sehden.
Nachdem sie dem Kriegsgotte Indra Opfer dargebracht, zogen sie unter Schlachtgesang und kriegerischer Musik dem flatternden Banner nach, teils zu Suß, teils auf Streitwagen von Rossen gezogen. Bewaffnet waren sie mit Pfeil, Bogen, Schleudersteinen, mit Messern, Axten und Speeren. Angeführt wurde der einzelne Stamm von seinem König,der in Sriedenszeit wenig zu bedeuten hatte. Von der Kriegsbeute abgesehen,bestand sein Unterhalt aus freiwilligen Beiträgen. Seine Macht wurde durch den Willen der Stammes und Gemeindeversammlungen eingeschränkt.
Städte sind damals noch unbekannt gewesen.
Nur eingezäunte, mit Erdwällen oder Mauern befestigte Anhöhen dienten zum Schutz für Samilie und Eigentum und möchten ungefähr dem Begriff einer Burg entsprechen. In ihrem Bereiche siedelten sich oft volkreiche Dorfer an,deren Hütten kaum anders ausgesehen haben mögen,als die noch jetzt im nordwestlichen Indien üblichen.
Der Haupterwerbszweig der alten Inder war neben der viehzucht Ackerbau.Mit metallener Pflugschar geschah das Pflügen, mit der Sichel das Abmaähen des Getreides; Dreschen und Worfeln waren wohlbekannt und auch das Serkleinern der sörner zwischen zwei Steinen. Obst und eine Art aus Mehl, Milch und Butter bereiteter Sladen bildeten die Hauptnahrung. Noch heutigestags ist das Brot in Indien unbekannt. Als Getränke diente der Soma, welcher, durch Gärung des ausgepreßten Saftes der SomaPflanze gewonnen, Götter und Menschen begeisterte.
An Gewerben traten hervor: der Simmermann für den Bau des Hauses, der Topfer, der Schmied, der mit einem Vogelfittich als Blafsebalg das Metall zu er
Indierinnen.
[158]Reise einer Schweizerin um die Welt.weichen und zu gestalten verstand, der mit seinem Pflasterkasten im Lande herumziehende uacksalber, der Weber, der die Schafwolle zu Tuch verarbeitete, welches dann, bunt gefärbt, mit Schere und Nadel in Srauen- und Männergewänder umgewandelt wurde.
Das Samilienleben war geordnet, die Gattin, die Herrin des Hauses, nahte, gemeinsam mit ihrem Manne, den Göttern in Opfer und Gebet. Noch trat die Abneigung gegen weibliche Nachkommenschaft damals nicht hervor, ebensowenig wie die Verbrennung der Witwe mit dem Leichnam des Gatten.
Nach der mythologischen Seite hin ist der Rigveda hochinteressant und anziehend.Er teilt die Götter nach drei Gebieten ein, dem Lichthimmel, dem Luftraum und der Erde.
Im Lichthimmel finden wir Varun,, den obersten Herrn und Koönig des Weltalls.Der Himmel ist sein goldenes Prachtgewand, der Wind fein Odem, die Sonne sein Auge, die Sterne seine schlummerlosen Späher, bestellt, die Welten zu überschauen.Allgegenwärtig ist er im Weltmeere und im Wassertropfen, allwissend kennt er die Bahnen des Windes und der Vögel, und wo zwei sich heimlich beraten, ist er als dritter zugegen. Er schirmt den Srommen, heilt, erleuchtet und führt ihn nach dem Tode zum seligen Leben hinüber, den Bösen aber ergreift er und bringt ihm Leiden und Cod.
Varuna zur Seite stehen die Açvins, zwei wundertätige Genien, welche zur Heilung von Krankheiten und Gebrechen, zur Rettung aus allerlei Not herbeieilen. Sie scheinen zudem eine Personifikation des sSwielichtes zu sein, welches den anbrechenden Cag verkündet und mit Sreuden begrüßt wird.
Die zartesten, schönsten Hymnen des Rigveda richten sich an Ushas, die Morgenrõte. Ewig jung und liebreizend, erscheint fie stets als holdfelige Jungfrau, die ihre Reize der Welt enthüllt, indem sie, die Schwester Nacht ablssend, aus den Dünsten des Ostens hoch emporsteigt, um mit ihren Lichtwellen Himmel und Erde zu übergießen.
Im Luftraume sind es Wind, Regen und Gewitter, in denen man göttliches Wirken zu erkennen glaubt. Unter den dreien ist Gott Indra, die Personifikation des Gewitters, der Liebling des heroischen Seitalters, und an ihn sind die meisten Bhmnen des Rigveda gerichtet. Unermüdlich kämpft er gegen feindliche Daäͤmonen und stürmt mit seiner Kriegerschar auf feurigem Donner gleich rollendem Wagen auf sie ein. Mit dem Donnerkeil spaltet er die Selsenburg, in welcher die Wolkenkũhe verschlossen sind, und führt sie hinaus, damit sie der lechzenden Erde ihre labende Milch. den Regen, spenden können. Wie die irdischen Kämpfer, deren Vorbild und Anführer er ist, stärkt sich Gott Indra zu seinen Kämpfen gerne am SomaTrank.Er liebt und schützt die frommen Verehrer, die ihm reichlich spenden, während er den Kargen, den Stolzen, den Spötter erbarmungslos niederschlägt. J
Auf der Erde wird die Erde selber angerufen und mit ihr Berge, Slüsse, Quellen,Bäume und Pflanzen, ebenso Schlachtrosse und Waffen, Kühe und Opfergeräte, und alles, worin sich verborgene Kräfte regen. Von diesen Kräften, die den Menschen umgeben, ist keine so geheimnisvoll lebendig, so segensreich und wiederum unheilvoll,wie das leuchtende. erwärmende und oft verheerende Seuer, der Gott Agni.[]Bolanischer Garten in Ralkutta. (5. 470.)
[1438]Reise einer Schweizerin um die Welt.Seine bewegliche Natur schildert folgender Vers des Rigveda:Es liegt und atmet, schreitet schnell, lebendig,Regsam beständig mitten in der Wohnung;:Es lebt und regt sich nach des Menschen willen,Unsterblich, doch dem Sterblichen verbunden.“
Als Beschützer der Ansiedlung, Verscheucher der Kobolde und anderer Mächte der Sinsternis, Verleiher und Hüter der Schätze, als menschenfreundlicher lieber Hausfreund wird Gott Agni nahezu ebensoviel besungen wie Indra, der Kriegsgott.viel mehr als bei den Semiten, wo Gott als „Herr“, der Mensch als sein „Knecht! erscheint, finden wir bei den alten Indern die Vorstellung der Götter als bäter und Sreunde. Als aber allmählich das Verhältnis zwischen Göttern und Menschen in ein allzu vertrauliches ausartete, ja gewissermaßen sich in einen sandelsvertrag verwandelte, wobei die Götter dem Menschen Schutz, Sieg, Gesundheit, Leben und Nachkommenschaft verliehen, um sich dafür mit Soma und Gebet bezahlen zu lassen, da erwachte der Wunsch nach einem mächtigen Gott ohne menschliche Schwächen.Wir finden in den späteren ßymnen des Rigveda immer wieder ein eigentümliches,fast ängstliches Suchen und Sragen nach einer Einheit, einem allen anderen Göttern überlegenen göttlichen Wesen.
Diese Sragen klingen auch in einer der berühmtesten RigvedaHymnen, dem sogenannten Schöpfungsliede, durch. Es lautet:
1. Damals war nicht das Nichtsein, noch das Sein,Kein Cuftraum war, kein simmel drüber her.Wer hielt in Hut die Welt, wer schloß sie ein?Vo war der tiefe Abgrund, wo das Meer?2. Nicht Tod war damals, noch Unsterblichkeit,Nicht war die Nacht, der Tag nicht offenbar. Es hauchte luftlos in Ursprünglichkeit Das Eine, außer dem kein andres war.3. Von Dunkel war die ganze Welt bedeckt,Ein Ozean ohn' Licht, in Nacht verloren; Da ward, was in der Schale war versteckt,Das Eine durch der Glutpein Kraft geboren.4. Aus diesem ging hervor, zuerst entstanden Als der Erkenntnis Samenkeim, die CLiebe; Des Daseins Wurzelung im nichtsein fanden Die Weisen, forschend, in des Herzens Triebe.
6. Doch, wem ist auszuforschen es gelungen,Wer hat, woher die Schöpfung stammt, vernommen?Die Götter sind diesseits von ihr entsprungen,Wer sagt es also, wo sie hergekommen? 7. Er, der die Schöpfung hat hervorgebracht,Der auf sie schaut im höchsten Himmelslicht,Der fie gemacht hat oder nicht gemacht,
Der weiß es! oder weiß auch er es nicht?[]Brahmanen und Buddhisten.
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Eine RigvedaHymne moralisch belehrenden Inhaltes möge hier noch folgen:
1. Der Hunger ist doch gottverhängte Strafe nicht?
In vieler Art ereilt der Tod die Satten auch.Den Dürftigen zu spenden, kürzt den Reichtum nicht,Und wer da niemals gibt, dess' keiner sich erbarmt.
2. Wer, reich verseh'n mit Speis', doch harten Herzens bleibt,Wenn jener hungernd naht, der stets ihm Ehr‘ erwies,
Der jetzt vergebens fleht, ihn bittend streckt die Hand,Der findet keinen auch, der seiner fich erbarmt.
3. Nur der genießt, der auch dem Armen teilet mit,Dem Armen, der dahin sich schleppet, abgehärmt;
Und wer Gehör ihm schenkt, merkt seinen Schrei der Not,Der hat für alle Seit geschenkt sich einen Sreund.
4. Der ist kein echter Sreund, der nicht dem Sreunde gibt,Dem treuergebnen, gern vom Speiseüberfluß,
Sonst trauernd zieht er fort, wo, ach, kein Trost ihm ward,dängt an den Sremden sich, der sättigt ihn und tränkt.
5. Dem Sleh'nden reiche dar, wem's liegt in seiner Macht;Er blicke auf den Weg der fernen Sukunft hin:
Wie Wagenräder flink, so auch der Reichtum rollt,)on einem wohl auf diesen Überspringend oft.
6. Vergebens häuft für sich der Tor sich auf die Güter!slur Wahrheit sprech' ich hier: Sie werden sein Verderben.
Nicht Sreund erwirbt er sich, nicht Sreund und nicht Vertrauen,Einsam genießet er und einsam wird er leiden.
Z. Nur, wenn sie pflüget, bringt die Pflugschar neue Nahrung,Und auch der Pfad nur dient, wenn wandeln drauf die Süße:Dem lauten Redner nur und nicht dem stummen lauscht man,So gilt ein Sreund, der schenkt, auch viel mehr als ein karger.Zwischen den HHymnen des Rigveda, die uns den ersten Teil der Geschichte der Inder so hell beleuchten, und der Sortsetzung der Veden, der „Brahmana“, liegt eine geraume, dunkle Seit. Die Arier sind unterdessen vom Pendschab weiter nach Hsten gewandert und haben sich in der großen, fruchtbaren Cbene der Ganga (Ganges)und ihrer Nebenflüsse niedergelassen. Dies geschah nicht ohne blutige Eroberungskriege, sowohl gegen die Cudra, die Ureinwohner des Landes, als gegen die nachruckenden, arischen Bruderstämme. Cine Periode des Heldentums voll kriegerischer Großtaten begann. An Stelle der kleinen Stämme traten große, von mächtigen Königen und deren Vasallen despotisch beherrschte Königreiche. Kriegs und Heldenlieder wurden nun vorwiegend gesungen, und der Anfang zu den beiden, großen Nationalepen des „Mahabharata“ und „‚Ramayana“ gelegt. Den Inhalt des letzteren habe ich beim BrambananCempel in Java flüchtig angedeutet.
Zugleich entwickelte sich auch jene einzig dastehende und noch jetzt wie ein roter saden ganz Indien durchziehende CLebensordnung: das Kastenwesen. Ursprünglich als Scheidewand zwischen den siegreichen Ariern und den erlegenen Ureinwohnern,welche als besitzlose Tagelshner und Sklaven dem neuen, arischen Staate einverleibt
[162]Reise einer Schweizerin um die Welt.worden waren, eingefetzt, sollte bald die kastenmäßige Absonderung auch zwischen den Ariern selber Platz greifen. Vorläufig stnd es vier Kasten: die Brahmanas (Priester),die Kshatriyas (fstrieger), die Vaisyas (Ackerbau-, shandel- und Gewerbetreibende)und die Cudras (die schwarzen Ureinwohner). Der Cintritt in diese Kasten konnte nicht durch Wahl, noch durch Willkür und Verdienst erlangt werden, sie waren durch die Geburt gesetzte und für das ganze Leben unübersteigbare Schranken. JZa,sogar der Ursprung der Menschen wird den Kasten nach völlig verschieden gedeutet.
Neben den natursymbolischen Wesen Indra, Agni u. s. w. war immer mehr eine geheimnisvolle Gottheit hervorgetreten, die bei einem menschlichen Organismus die ganze Welt, Göttliches und Irdisches, umfaßte und als Weltseele unter dem Namen Purusha verehrt wurde. Im PurushaLCiede wird gelehrt, daß die Brahmanas aus dem Haupte, die Kshatriyas aus den Armen, die Vaisyas aus den Schenkeln,die Cudras aus den Süßen Purufhas entsprungen wären.
Das erschlaffende Klima und der ertragreiche Boden in den neuen Wohnsitzen am Hanges begünstigten ein ruhiges, der religiösen Beschaulichkeit und dem friedlichen Erwerb zugekehrtes Dasein viel mehr als Croberungskämpfe und waffentätiges Leben.Diese Umstände und die passive Natur des Volkes, welche allmählich immer mehr hervortrat, machten es dem Priesterstande leicht, die zweite Kaste des Kriegertums in den Hintergrund zu drängen und das ganze innere und äußere Leben der Nation unter priesterliche Gesetze zu bringen. Sie hemmten die freie Kraftentfaltung des Volkes durch das Kastenwesen und fesselten des Lebens Regsamkeit durch endlose Seremonial und Ritualgefetze, durch Opferdienst und Reinigung.
Ein Baumriese.[]Ihre EKier brütende Schlange. (5. 471.)
[4164]Reise einer Schweizerin um die Welt.Mit der Lehre der Seelenwanderung, die in dieser Seit ausgebildet wurde, und die befagt, daß der Mensch sofort nach seinem Tode wieder geboren werde und es von seinen Taten abhänge, in welcher Gestalt dies geschehe, bekamen die Brahmanen eine mächtige Waffe in die Hand, um vollends beim volke Energie und Lebensmut zu unterdruücken. Keine kriegerische Unternehmung, keine Königsweihe oder sonstige Staatsaktion, kein wichtigeres Samilienereignis konnte stattfinden,ohne daß eine größere oder aleinere Zahl Brahmanen hinzugezogen, gespeist und reichlich beschenkt worden wäre.
Eine weltliche Herrschaft,gleich der päpstlichen Hierarchie des Mittelalters, hat das Brahmanentum niemals angestrebt noch besessen, und doch hat es von Anfang an bis zur Gegenwart, ohne geschlossene Organisation, ohne materielle Macht, einzig durch die von ihm vertretene Idee eine Rolle im indischen Kulturleben zu spielen gewußt, neben der die des Papsttums im Mittelalter unbedeutend und bescheiden erscheint.
Und warum? Weil die Brahmanen sich allmählich zu den Vertretern der Götter auf Erden, zur Verkörperung des „Brahman“ aufgeschwungen hatten. Dieses Neutrum Brahman aber ist das Höchste und Edelste auf der Welt, der Mittelpunkt alles Seins, ja das Prinzip aller Dinge. Brahman, ein SanskritWort, hat die ursprüngliche Bedeutung von „Gebet“, und als Brahmana, „Beter“, bezeichneten sich die Priester.
In der Religion des Volkes aber personifizierte sich das Brahman zum Gotte Brahma, der an der Spitze aller übrigen Götter steht. An ihn wenden sich Götter und Menschen, so ost sie in Not sind, er gilt als Leiter des Schicksals, als Lehrer der Götter und als ihr serr. Schöpfer und Regent der Welt wird er genannt, Verfasser der Veda, und bildet später mit Cipa und Vishnu eine „Dreieinigkeit“Brahmana auch heißt der zweite Teil der Veda. Ihr Sweck war, den Gang der Opferhandlung in allen seinen Einzelnheiten zu lehren und die Bedeutung der[]Brahmanen und Büddhisten.
465 selben zu erklären, indem sie alle Materialien und verrichtungen, die beim Opfer vorkommen, symbolisch deuten.
Immer tiefer versenkten sich die Brahmanen in phantastische CLehren und Träumereien, und gerne suchte auch das in einzelne Kasten getrennte, durch Steuern,Rechtswillkür und Beamtenbrutalität gedrückte Volk Trost und Glück im Reiche des Glaubens und der Träume. So kam es, daß die Inder am Ganges dem wirklichen und tätigen Leben völlig entfremdet wurden, „daß die Welt der Phantasie ihr vaterland, der Himmel ihre Heimat ward“.
Um die Mitte des VI. Jahrhunderts trat Buddha der „Erleuchtete“, der „Erweckte“,ein Königssohn aus Kapilavatthu, im Vorlande des nepalesischen Himalaja auf.Er wurde der Stifter einer neuen Lehre, die bald die größte Verbreitung fand. Mit einem Schlage vernichtete er das brahmanische Weltfystem, indem er den ganzen Götterhimmel mit Brahma leugnete, an die Stelle der grausamen Askese,der Opfer und Reinigungsgefetze eine Sittenlehre des Wohlwollens, der Barmherzigkeit und der Menschenliebe gegen alle Geschöpfe empfahl und die Kastenordnung mit dem Hochmut der beiden obersten Kasten durch die Lehre von der Gleichheit aller Menschen durchbrach.
Buddha entsagte seinem hohen Stande, zog sich, in ein Bettlergewand gehüllt,in die Waldeinsamkeit zurück und forschte unter den härtesten Büßübungen nach der ewigen Wahrheit. Als ihm die Erleuchtung gekommen war, trat er als Lehrer auf,aber er lebte nicht wie die BrahmanenWeisen in der Cinsamkeit, sondern er zog mit einigen Schulern im Lande des Ganges umher und verkündete seine neue Cehre. Er wandte sich an alles Volk ohne Unterschied, auch an die verachtete vierte Kaste der Cudra und an die später entstandene noch geringere der Tschandala, der Ausgestoßenen, er lehrte ein Gesetz der Gnade für alle und zog dadurch die Geringen und Gedrückten mächtig an sich.
Auch Buddha betrachtete ein tatenloses Leben voll passiver Tugenden als das Ziel des Erdendaseins und strebte namentlich durch das sich Sreimachen von Leidenschaften die Befreiung von Leiden an. Nach den phantastischen Systemen und der Werkheiligkeit der hochmütigen Brahmanen klang die an alle gerichtete Verheißung einer ewigen Ruhe, eines endlichen Aufgehens und Verwesens in Nirvana, zu dem jeder nach einem Leben voll CTugend und Menschenliebe gelangen konnte, tröstlichberuhigend.
Gläubige Jünger, gleich dem vergötterten Meister im gelben Bettlergewande,welche Sarbe noch heutzutage beibehalten ist, umherziehend, verbreiteten seine Lehre über das ganze Cand hin, vom Hsimalaja bis nach Ceylon. Als der indische Konig Acçoka, dem sein vVolk den Beinamen Pijadafsi, der Ciebevolle, gegeben, zum Buddhismus ũbertrat, wurde die neue Lehre Staatsreligion in Vorderindien. Açoka regierte von 2659 -222 v. Chr., und sein Sohn Mahendra brachte selber den Buddhismus nach Ceylon, welches fortan der Hauptsitz dieses Glaubens wurde.
Mit Sorgen beobachteten die Brahmanen die zunehmende vVerbreitung der Buddhalehre und suchten ihr entgegenzuwirken, indem sie ihr Religionssystem dem volke und der wirklichen Welt wieder näher zu bringen suchten. Dabei stachelten sie so
C. von Rodt. Reise um die Welt. 390
[466]Keise einer Sschweizerin um die Welt.geschickt den Nationalstolz der Inder der Gleichheitslehre Buddhas gegenüber an, daß sich allmahlich lange, blutige Religionskriege entspannen, welche ihren Höhepunkt im VI. Jahrhundert n. Chr. erreichten und mit der vertilgung der Buddhisten in VorderIndien endeten.
Auf Ceylon, Java, in Afghanistan, HinterIndien, China und Japan hat sich, freilich vielfach verzerrt und ausgeartet, die ihrer ursprünglichen Reinheit und Einfachheit entkleidete Lehre des indischen Königssohnes bis jetzt erhalten und zählt von allen religiosen Bekenntnissen der Erde die größte Anhängerzahl.Wenn wir die Verbreitungsgebiete der Religionen auf der Welt vergleichen, finden wir die Buddhisten mit der enormen Siffer von rund 440 Millionen Bekennern, also 28,0 8/0 sämtlicher Bewohner der Erde. Die
Brahmanen sind dabei natürlich nicht gerechnet, ihre Sahl beträgt 216 Millionen.Wwir evangelische Christen stellen dagegen die bescheidene Sahl von 150 Millionen und die röͤmisch-katholischen Christen, inklusive griechischkatholische Christen. Armenier. Kopten u. s. w. von 246 Millionen auf.
Die Nachfolger Buddhas er selbst hatte keinen waählen wollen führten später Heilige, Dämonen, Götter ohne Zahl in die neue Lehre ein und machten GautamaBuddha, den „Erleuchteten“, zum höchsten Gott. Ihre Religionsschriften vermehrten sich ins Unermeßliche, der Kultus gestaltete sich zu einem prunkenden, gehaltlosen, ein asketisches Priestertuum nahm auch hier überhand, und Orden und Ordenshäuser entstanden wie bei den christlichen Mönchen.
Auf die Entwicklung der indischen Kunst war der Buddhismus von größtem Einfluß. Die Pagoden oder Stupas, von denen ich in Java erzählt habe, die allenthalben über den Reliquien des Meisters aufgerichtet wurden, gaben den Brahmanen die Anregung, auch ihren Göttern Cempel und Wohnungen zu bauen und sie mit Skulpturen und Bildwerken zu schmücken.
Was von Indiens spaterem Kulturleben zu erwähnen ist, verdankt es teilweife fremdem Einfluß, denn allmählich war doch die Kunde von dem fernen Märchen-[]Der große Ficus indica-Baum im botanischen Garten in Rallutta. ES. 470.)
[168]Reise einer Schweizerin um die Welt.lande in die Welt hinaus gedrungen. Mit Allgewalt hat es Alexander den Großen ins ferne goldund perlenreiche Indien gezogen, dessen erträumter
Besitz sein Weltreich krönen sollte. Als er zu Suß und zu Roß mit einem Riesenheere unter tausend
Beschwerden die gewaltigen Berge überstiegen hatte und an die verriegelten Pforten Hindoftans klopfte,verglichen die schmeichelnden Griechen seine Heeresfahrt mit dem Siegeszug des Dionysos. Und als
Sieger sollte Indien Alexander kennen lernen. In der Schlacht am Dschelum unweit des heutigen
Chilianwala im JNahre 326 v. Chr. deckten 20,000
Inder die Walstatt. Immer weiter nach Osten follte der Zug führen, allein immer lauter murrten die mazedonischen Soldaten, die keine weltbeherrschenden Gedanken bewegten, und Alexander mußte den stürmisch geforderten Rückzug antreten.
Griechischen Geist hatte der Schüler des Aristoteles der indischen Kultur eingehaucht, und unter griechischem Cinfluß sollte namentlich das Drama noch lange Seit stehen. Auch im
Auslande ist durch Übersetzung in alle europäischen Sprachen eine indische Dichtung aus dem zweiten Jahrhundert unserer Seitrechnung bekannt geworden: Sakuntala.
Industrie und Handel blühten zu dieser Seit. Die Vaisyas, die dritte Kaste,erfand die Kunst, das Cisen in Stahl zu härten, und verstand es, Edelsteine geschickt zu schleifen und herrliche Metallarbeiten in Erz, Gold und Silber zu verfertigen.Auch der indische Land und Seehandel entwickelte sich aufs schwunghafteste, und überall fanden die köstlichen Produkte des CLandes willige Abnehmer.
Als die Europäer endlich ihren Weg nach Indien fanden es war den 20. Mai 1498, daß Vasco de Gama als erster die Halbinsel betrat war das indische Geistesleben und seine produktive Kraft unter Despotismus und Kastenzwang schon erloschen.Zerrissen durch die Serstückelung des Landes in eine Menge von Staaten und völkerschaften, kannte das Volk keinen Patriotismus. Seig und unkriegerisch und dabei hinterlistig, beugte es sich und beugt es sich immer noch in sklavischer Unterwürfigkeit jedem fremden DJoche.
Auf die Portugiesen folgten Niederländer, Engländer, Sranzosen, die Sandelsgesellschaften gründeten. Vorübergehend erschienen Dänen, Spanier, Belgier, Preußen und Schweden. Von dauerndem ECinflusse sind nur die Engländer geblieben, welche sich schließlich des ganzen Reiches bemächtigten. Als Könige herrschten jahrhundertelang statt einheimischer Sürsten mohammedanische Dynastien und tatarische Großmogule. Über diese und die englische Herrschaft zu sprechen, wird es später Gelegenheit geben. Vor der Hand knüpfe ich endlich wieder den Saden meiner Reiseerinnerungen in Kalkutta an.
Nach einer unruhigen, schlechten Nacht im Gasthofe fühlte ich wenig Neigung
HBoy.[]EdenGarten in Ralkutta mit birmanischer Pagode. (S. 471.) [] Brahmanen und Buddhisten.
469 zu einem längeren Aufenthalt in der heißen überfüllten Großstadt, und da mein Reisegefährte derselben Meinung war, beschlossen wir schon denselben Nachmittag,den Ausflug nach Darjeeling, dem beruhmten LCuftkurort in den vorbergen des Himalaja, anzutreten. Vorläufig sahen wir uns nach einem Wagen um, der uns durch Kalkutta führen sollte.
Tka-gharĩ heißt naturlich auch hier der Wagen, ist es doch ein indisches Wort.Ein anderes hatten wir schon in der Srühe gehört und gelesen: chota hazirt. So wird die Tasse Tee mit Coast benannt, welche der Boy in aller Srühe ins Simmer bringt. Ich sollte es freilich an diesem ersten Morgen in vVorderIndien nicht bekommen,da ich keinen eigenen Boy hatte.
Diese für eine Reise durch Indien hochwichtige Srage trat nun an uns: ein Boy.Unmöglich, durch Indien ohne Bon zu gelangen, hört man überall, liest man in allen Reisehandbüchern und Beschreibungen. Und wirklich, ein Boy, so wird er genannt,mag er nun fünfzehn oder sechzig Jahre zählen, findet die mannigfachste Verwendung.Er bedient seine Herrschaft im Gasthof bei Tisch und holt dazu die Speisen aus der Küͤche, er bereitet bei den vielen Nachtreisen das aus Kissen und Decken bestehende Cager auf den langen Bänken der Waggons, er bildet den Dolmetscher bei allen Unterhandlungen mit den ECingeborenen, verteilt den Bakshish, besorgt und beaufsichtigt das Gepäck, packt den Koffer, kurz, wäre ein idealer Reisemarschall, wenn man sich auf ihn verlassen könnte. Es soll in Indien ausgezeichnete und auch ehrliche Boys geben, aber fie sind selten. Ich personlich habe immer ein vielleicht ungerechtes Mißtrauen gegen die ganze shindurasse empfunden. Auch die Erfahrungen unserer Mitpassagiere, auf die wir da und dort stießen, lauteten meist trübe betreffs der Bons“.
So glaubten wir, von zwei Übeln das geringere zu wählen, als wir bes chlossen, uns wenigstens vorläufig ohne Boy zu behelfen. Persönlicher Bedienung bedurften wir beide nicht, und durch BakshishVerheißung und Verteilung jeweilen nach der Ankunft in den Gasthöfen versicherten wir uns der freilich relativen Aufmerksamkeit des Khansamah, Bearers, Bhisti, und wie die vielen dienstbaren Geister alle heißen.
Das weibliche Gegenstück zum Boy, die persönliche Bedienung der Srauen, bildet die Ayah. Obschon eine weniger verbreitete Rolle als die Boys spielend, trifft man sie immerhin häufig in den Hotels, wo sie gleich ihren männlichen Kollegen vor den Türen ihrer Herrschaft kauern.
Im Jahre 1698 hieß Kalkutta Kalighat und war ein kleines Dorf, welches die britischostindische Kompagnie gekauft hatte. 1773 wurde Kalkutta Eplatz und besitzt gegenwärtig eine Einwohnerzahl *36.
[170]Reise einer Schweizerin um die Welt.von einer Million. So scharf wie damals zwischen Darfchen und Weltstadt ist noch heutzutage der Kontrast zwischen Reichtum und Armut,. welchen ich kaum jemals so ausgeprägt gesehen habe wie hier. Elende baufällige sHütten lehnen sich unmittelbar an stolze Paläste, und unaufhorlich streifen sich Seide und Cumpen in den Straßen.
Unser Wagen brachte uns zunächst nach der Post, dann auf langem Wege durch elegante und schmutzige Viertel nach dem 1786 gegründeten botanischen Garten, einem der berühmtesten und schönsten der Welt. Ohne Ermüdung kann man in seinem Wagen durch die herrlichen Palmenalleen fahren, kann wunderbare Blumen und Baumgruppen betrachten, an stillen Teichen und smaragdgrünen Rasenplätzen ein
Junger BanyanBaum.
Gefühl von Kühle und weltabgeschiedener Stille empfinden und da und dort beim Anblick der Orchideen- und Sarnhäuser fich mitten in einem Waldmärchen wähnen.Natürlich sind es keine Glaskasten wie bei uns, denn ganz Kalkutta ist ein Treibhaus,sondern hoölzerne, leicht gebaute, schattenspendende CLauben.
Den Glanzpunkt des Gartens bildet der große BanyanBaum (Ficus indica),dessen CLaubkrone einen Platz von 300 Meter im Umfang beschattet. Nicht einen Stamm, sondern 467 zählt der Wunderbaum, und fortwährend senken sich noch gleich Schiffstauen Cuftwurzeln hinab zur müütterlichen Erde, um nach kurzem als neue Bäume emporzuwachsen, der Sonne zu. In unerschöpflicher Kraft steht der Urstamm da, nicht nur immerfort neue Sprößlinge hervorbringend, sondern auch einer Süulle fremden Lebens Schutz und Nahrung gewährend. Bis hoch in die Wipfel alettern die verschiedensten Schlingpflanzen in üppigem Grün, in glänzender Blumenpracht an ihm empor und machen seine schöne Krone zu einer noch dichteren, grüneren.[]Zoologischer Garten in Ralkutta. (S. 471. [] Brahmanen und Buddhisten.
471
Es ist etwas Gewaltiges, Prächtiges um solch einen Baum, der allein einen ganzen Wald bildet, und man begreift, daß die Inder ihn für heilig erachten. Unter einem BoBaume (Ficus religiosa) soll der Sage nach Buddha erleuchtet worden fein, und so fehlt der heilige Baum bei keinem Tempel, in keinem Dorfe. Oft zerstören und zersprengen seine teilweise auf der Oberfläche liegenden Wurzeln und Sweige die in der Nähe sich befindenden Heiligtümer und Hütten, aber lieber läßt man diese zu Grunde gehen, als den heiligen Baum auch nur eines Astes zu berauben.
Vom botanischen ging's in den zoologischen Garten. Weit weniger bedeutend als ersterer, bietet er immerhin, was Tiere und namentlich hübsche Anlagen betrifft, des Sehenswerten genug. Natürlich spielen unter den wilden Cieren die unweit Kalkutta zahlreich vorhandenen bengalischen Königs-Tiger eine große Rolle in diesem Garten.
Bei glühender Mittagshitze fuhren wir schließlich noch über den Meidan, eine 2. Kilometer lange und breite Esplanade, wo abends die feine Welt Kalkuttas sich in ebenso feinen Equipagen lüftet, wo jedem abgegangenen Vizekönig, ob verdient oder unverdient, eine Statue errichtet wird und die großen Revüen stattfinden. Augenblicklich herrschte Grabesstille auf dem Meidan, außer uns hatten sich nur einige bronzefarbene, rundköpfige Bengalen und ihre Kinder an die Tropensonne gewagt.Offenbar hatte die Mama die kleinen Bengalesen soeben vom Wirbel bis zur Sohle mit Kokosöl eingeschmiert, und nun wanderten sie mit ihrem glänzend-triefenden Überzuge, im übrigen aber wie Gott sie geschaffen, zum Trocknen an die liebe Sonne
Schattige Alleen durchziehen den Meidan, Teiche und Rasenplätze wechseln ab, und am Nordende liegt der wundervoll angelegte und ebenso schön gehaltene Edenpark.Die aus Birma hinübergebrachte und dort aufgestellte, zierliche Holzpagode war für uns wie ein Gruß aus ihrer Heimat.
[172]
Reise einer Schweizerin um die Welt.
Darijeeling, eine Sommerfrisehe im Yimalaija.
Abfahrt nach Darjeeling. Der Ganges. Die Pimalaja-Bahn. Im Dichungel. Vegetation. Bettler. Antunft im Woodlands Hotel. Rälte. Die Stadt Darieeling. Die PimãalajaBergkette. Tibet. Die Bewohner und Kachbarn Darjeelings. Sonntagsmarkt. Bettler und Mönche. Eitelkeit der Srauen.Zchönheitsmittel. Schmuck. Misstonsbestrebungen. Dorf Bhutia-Busti. Tibetanischer Tempel. LamaPriester. Gebetmühlen. Lebensrad. Schwere Lasten. LamaGrab. Gebetsbäume.
Nachmittags halb vier Uhr saßen wir in der Eastern Bengal-Staatseisen-bahn. Noch etwas schmutziger, staubiger und langsamer als in Birma, haben die englischostindischen Bahnen den Vorteil, daß man eine unbeschränkte Menge Gepäck mit sich in den Wagen nehmen kann, wobei die ganze Betteinrichtung,welche die Engländer stets mit sich schleppen, nicht das kleinste Bündel bildet. Sehr schätzenswert ist ferner, daß jede Person die ganze Waggonlänge,d. h. drei Plätze, nachts in den meiften S̊Sällen für sich allein beanspruchen darf.
Mit anbrechender Dunkelheit kamen wir an die Ufer des Ganges. Sinster,geheimnisvoll und breit wie ein See lag er vor uns. Gewaltige Strömung und Überschwemmungen ändern alljääͤhrlich den Rand des Bettes, so daß auch die Haltestelle für die Dampffähre immer wieder abgebrochen und verlegt werden muß. Wohl fünf Minuten hatten wir auf holperig-sandigem Pfade hinabzusteigen zum heiligen Slusse. Ein dunkles Wasser, eine prosaische Dampffähre und ein noch profaischeres Diner,das während der halbstündigen Überfahrt serviert wurde, dies war meine erste
Wie die Rinder in Darjeeling getragen werden.[]Pimãalaya-Keite im Abendlicht. (8. 477.) [] Kinchinjinga (Himulaya). (8. 477.) [] Darjeeling, eine Sommerfrische im HBimalaja.
473 Bekanntschaft mit dem poesieumwobenen Ganges. Wie anders hatte ich sie mir gedacht!
Ein neues Dampfroß wartete am jenseitigen Ufer und eine lange Nachtfahrt, die uns erst den folgenden Morgen sechs Uhr wohlgerüůttelt in Siliguri, der Endstation der Northern Bengal-
Bahn wir hatten am linken Ufer des Ganges auch Eisenbahngesellschaft gewechselt ablieferte.
Hier, am Suße des Himalaja,fanden wir eine schmalspurige,nur fechzig Centimeter breite MiniaturCisenbahn, deren Swerglokomotive die Riesenaufgabe bevorstand, acht bis zehn Waggons 2250 Meter innerhalb eines Seitraumes von etwas über sieben Stunden in die Höhe zu bringen.
Wie bei uns auf den Bergbahnen stürmten die Reisenden den Sug,jeder strebte, den Eckplatz auf der rechten Seite zu erobern. Mit Ausnahme weniger geschlossener Wagen sind alle seitlich offen, d. h. sie bestehen einfach aus einer Plattform, auf welcher sechs enge, mit einer Decke überzogene Holzfessel, je drei einander gegenüber, befestigt sind, und wobei der begehrte Eckplatz über das schmale Geleise hinaus. zuweilen direkt über dem Abgrunde, schwebt.
In fast ununterbrochenen scharfen Krümmungen windet sich der Weg den Berg hinauf, zuweilen mündet er in einer Sackgaffe, aus der die Lokomotive pfauchend die Wagen zurüuckschiebt, um sich einen Augenblick später wieder an die Spitze des Suges zu stellen, zuweilen bildet das Geleise eine große Schleife, englisch Loop genannt, und der Zug muß sich im weiten Bogen herumziehen, um nur eine kleine Steigung zu erobern und in entgegengesetzter Richtung weiter zu dampfen. Vorn auf den Puffern der kleinen Cokomotive hocken zwei braune Bengalen, die allfällige Hindernisse auf den Schienen zu beseitigen haben.
Da faßen wirl Ich hatte den vielumworbenen Eckplatz, der dritte neben uns war frei, und gegenüber saßen drei hochelegante Dämchen, die völlig den Chic französischer Modistinnen hatten und nicht wenig nervös waren. Bei jeder Kurve kreischte das Trio unisono, worauf mit ebenso großer Regelmäßigkeit abwechselnd ein Riechund ein Schnapsfläschchen die Runde machte.
Nach den ersten sieben Kilometern beginnt zugleich mit der Steigung ein langes wildromantisches Stück Dschungel, durch das die Bergbahn sich mühsam dereinst
RuliFrau.
[474]Reise einer Schweizerin um die Welt.einen Weg brechen mußte. Wie mag es da mit dem feierlichen Waldfrieden vorbei gewesen sein, als der Mensch sich nahte mit Beil und Säge! Wie mancher der hundertjährigen Baumriesen mag fein hehres saupt geschüttelt und nicht verstanden haben,was das Menschlein von ihm wollte, bis der Stoß ihm durchs Herz ging und er gefällt mit lautem Cosen zu Boden stürzte. Lücken gab es da im Walde, und scheu mieden fortan seine Bewohner, die wilden TCiere, die Stätte der Verwüstung. Manchmal soll sich anfangs freilich ein neugieriger Elefant, ein stolzer Rönigstiger das Gebilde von Menschenhand, das schnaubende Cokomotivlein und die Waãͤgelchen, angeschaut haben, um sich dann kopfschüttelnd in tieferes Waldrevier zurückzuziehen. Tapfer hat sich der Wald gewehrt für seine Kinder und schwere Sieberduünste ausgehaucht auf die Holzfäller und Cisenbahnarbeiter, so daß abends keiner in diesem Bereiche zu bleiben wagte.
Cine Stunde fuhren wir durch den Urwald, dann ging es auf freier, offener Candstraße höher und höher, und immer verschwommener und ferner erschien tief unten die bengalische Cbene und das Silberband des Ganges. Auch sie verschwinden.Berg folgt auf Berg, Schlucht auf Schlucht. Plötzlich bei einem Caleinschnitte tönt ein Schrei: «the Snows, the Snows,», und wie eine bision rosiger Wolken erglänzt in schwindelnder Höhe die Bergkette des simalajas, die höchste der Welt. Vorbei,verschwunden! Weiter empor klimmt unser Swerg, der einen Riesen zu überwinden hat.
Noch sind wir im Bereiche der üppigsten Cropenwelt, Bananen, Bambus und Baumfarne streben hoch empor, und feurige, fremdartige Blumen schlingen sich an die Stationshäuschen. Bis zu einer Höhe von 1800 Meter geleiten uns die Palmen,und bis zu 2100 Meter die TCeepflanzungen, welche einen sehr beliebten Tee liefern,aber in der langweiligen Einförmigkeit ihrer bläulichen, kugelrunden Büsche einen schlechten Ersatz vom ästhetischen Standpunkte aus für die ihretwegen ausgerotteten Tropenkinder bilden. Immer kühler wird die Cemperatur, fröstelnd hülle ich mich in Decke und Mantel und freue mich der langen Wärmeflafchen, die in den Wagen geschoben werden.
Je mehr wir uns Darjeeling nähern, um so häufiger werden Stationen und Ansiedlungen. Ein hundertstimmiges Gebrüll macht uns schon lange vorher darauf aufmerksam. «Slam, Sab, Boksis! (Salam, Sahib, Bakshish, Sei gegrüßt, Herr,Bakfhish!) Die schmutzigste, vergnügteste, frechste, lustigste, kleine Gesellschaft steht da und bettelt die Reisenden an: «Släm, Sab, Boksis-, im Taßt begleitet ein obligates Strampeln die phänomenale Lungenleistung, welche noch eine ganze Weile lachend,ärgerlich oder enttäuscht hinter dem forteilenden Sugé weiterschallt. Auf einer anderen Station erfaßt mich unversehens eine braune Sand. «Give Rose-bud to eat, lady. Ich schaue mich um, ein zerlumptes, heruntergekommenes Weib, das allem anderen eher ähnlich sieht als einer Rofenknospe, bettelt mich an. Sie scheint übrigens ebenso popular, wie die sogenannte ‚Hexe von Chum“, deren Bild ich bringe.Diese soll über hundert Jahre alt sein und niemals die Ankunft eines Zuges verpassen.
Starr vor Kälte kamen wir in Darjeeling an. Statt Kulis stürzten sich kleine,kräftige, tibetanische Weiber auf unser Gepäck, türmten unglaubliche Lasten in Trag[]DimalajaBergbahn: Eine Schleife. (S. 473.)
[76]Reife einer Schweizerin um die Welt.körbe, welche sie vermittelst eines breiten Riemens, der sich um Scheitel oder Stirn zieht, auf dem Rücken befestigen. Dann ging's mit nackten Süßen im Galopp auf steilem, steinigem Zickʒzackweg Woodlands Hotel zu, während wir in gemäßigterem Tempo folgten.vier schöne, ruhige Cage bei guter Verpflegung haben wir am Himalaja verlebt, nur kalt war's, so kalt, daß es mich heute noch, wenn ich dran denke,durchschauert. Und doch zeigte das Chermometer nur einmal früh einen Grad Kaälte, und Veilchen blühten im Sreien.Swischen der Tropenglut der letzten Wochen und dem. kalten dauch, der von der „Schneewohnung“, wie im Sanskrit der Himalaja heißt, herüberweht, ist der Abstand ein gar zu großer. Auch nachts, mit hellbrennendem Kaminfeuer im Simmer und mehrfachen Decken, wollte das Kältegefühl nicht weichen,und meine Träume bewegten sich ausschließlich in den Regionen des ewigen Eis und Schnee. Meine Erwärmungsspaziergänge bei Sonnenschein und Nebel, letzterer herrschte vor, hätten manchen Kilometer täglich betragen, wenn sie zusammengezählt worden wären. Raäumlich erstreckten sie sich zumeist nur auf die mehrere Kilometer lange Candstraße, welche längs des Bergabhangs, an dem die Stadt liegt, von Woodlands Hotel nach Observatory-Hill oder hinunter ins Bhutia BustiDorf führt.Dazwischen lagen freilich alle möglichen Nebenwege und Siele.
Dardschiling oder englisch Darjeeling, tibetanisch Darrgjas-glin, d. h. Cand des diamantenen Donnerkeils der CLama, gehört seit 1880 England und liegt auf der untersten Stufe der südlichen Vorberge des Himalaja. Da die Temperatur niemals 25 Grad Celsius übersteigen und dabei höchstens 1 bis 2 Grad Kaälte betragen soll,bildet Darjeeling das kostbarste Sanatorium für die hitze und fiebergeplagten Europäer und ihre Samilien. Auch nesteln sich von Jahr zu Jahr mehr niedliche Holzvillen an den Bergeshang und schimmern gleich zerstreutem Spielzeug aus dem mannigfachen Grün hervor. Gemäßigte und tropische Sone scheinen sich bei diesem die Hand zu reichen. Neben unseren Birken und Eichen stehen Magnolien und RhododendronBäume, Palmen und Baumfarne, wahrend eine herrliche Canne, man nennt sie in Indien Devadaru, halb nordisch, halb tropisch anmutet. Ungeachtet der
Pexe von Lhum.[]Cibetanischer Bettler. (5. 478.) [] Bettelnde Musikanten. (5. 478.) [] Darjeeling, eine Sommerfrische im Himaãlaja.
477 mir grimmig vorkommenden Kälte schlingen sich herrliche, blühende Marechal NielRosen an den sausern empor, und überall sah ich, an Bäumen und Altanen befestigt,die kostbaren, bei uns ängstlich im Treibhaus gehaltenen Orchideen. Dem gelben Gras nur und vielen blattlosen Bäumen sah man den Winter an, der hier übrigens selten Schnee bringen foll.
Gleich der erste Nachmittag sollte uns die HimalajaKette in ihrer ganzen Glorie und Erhabenheit offenbaren. Vor Anbrechen der Nacht erfolgte wie bei uns, wann es am herrlichsten ist, ein Alpenglühen: rosig, strahlend gleich dem jungen Tag, starr und kalt dann, wie der blasse Cod. Auch den Himalaja halten zuweilen tage und wochenlang dichte Nebel und griesgrämige Wolken im Banne. An den folgenden drei Tagen waren sie die Herrscher, und selten nur lüftete sich der Vorhang, um auf kurze Augenblicke eine märchenhafte viston hervorzuzaubern.
Kein lieblicher Vordergrund, wie unsere Alpen, keine stillen, blauen Seen und grünen Hänge bietet der Himalaja. Nein, wild und schroff türmen sich in sechsfacher Kette rötlich-blaue Wände empor, in welche der Griffel der Seit tiefe Surchen gezogen hat. Die höchsten dieser Selswände sind noch schneefrei, und doch erreichen sie die HZöͤhe des Mont Blanc, denn dieser mißt nur 4610 Meter, während auf dem Sudabhange des Himalaja die Grenze ewigen Schnees erst 4940 Meter über dem Meeresspiegel liegt. Gleich weißen Wolken schweben über diesen Selsen die lichten Gletscher, unter denen der von Darjeeling sich in voller Majestät präsentierende stinchinjinga 8688 Meter erreicht. Noch wird er an Höhe durch den 300 Meter mehr messenden Gaurisankar oder Mount Everest übertroffen, der jedoch von Darjeeling aus nicht sichtbar ist.
Hinter dem HimalajaGebirge liegt Cibet, das höchste Bergland der Erde, das geheimnisvolle Priesterreich des Dalai Lama. Über 3000 Klöster sollen im Cande zerstreut sein und ein guter Teil seiner anderthalb Millionen Einwohner zum Priesterstande gehören. Seit dem XIV. Jahrhundert ist Chaffa die Residenz des Dalai Lama, der mit 75 Priestern in einem großen mit goldenen Kuppeln gedeckten Palast,den er niemals verläßt, lebt. Der jetzige Dalai CLama soll erst 27. Jahre zählen. Während des ganzen letzten Jahrhunderts ist es nur vier Europäern DarfeelingMarkt.
[170]Reise einer Schweizerin um die Welt.gelungen, als mongolische Priester verkleidet, Lhassa zu betreten. Ihre Entdeckung hätte den Tod unmittelbar nach sich geführt.sloch andere Staaten stoßen an Darjeeling, deren Pforten den Europäern verschlofsen sind: im Westen das Königreich Nepal mit drei Millionen Einwohnern, im Osten das geistliche Sürstentum Bhutan oder Bhotan mit 200,000 Einwohnern. Im Jahre 1864 ist es den Engländern gelungen, einen ganz hübschen Streifen davon wegzunehmen. Auch der kleine Staat Sikkim im Norden ist Vafall des mächtigen Großbritanniens geworden. Er zählt ungefähr 50,000 Einwohner, die meistens Cepschas sind, welche neben den Lamas auch Teufel verehren.
Wenngleich Nepal, Tibet und Bhotan den Curopäern verschlossen sind, kommen dafür ihre Bewohner ungehindert und häufig nach Darjeeling, viele sogar, um sich dauernd niederzulassen, auf britischem Boden. Neben dem großartigsten Panorama der Welt verleiht die bunte Musterkarte seltener Volkstypen dem sohenkurort am sdimalaja keinen geringen Reiz, und wenn wochenlang dichter Nebel die Wunder des Kinchinjinga und feiner Nachbarn neidisch verhüllt, so bleiben wenigstens die Bhutia, Lepschas, Nepalesen und Tibetaner dem Reisenden treu. Sogar allzutreu kam's mir oft vor, wenn wir uns vor ihren Kaufsanträgen kaum zu retten wußten.Selten ging ein Mann, seltener noch eine Srau vorbei, die uns nicht alles, was sie an sich trugen, feilgeboten hätten.
Sonntag pflegt großer Markt zu sein. Dann steigen sie von ihren Bergen und sdängen herab, die Leute aus Nepal, Tibet, Kaschmir, die Lepschas und Bhutias, und versammeln sich zu Hunderten auf dem Marktplatze in Darjeeling unter freiem szimmel. Alles mögliche: Gemüse, Obst, Cier, Milch, Ol, Süßigkeiten, europäische Regenschirme, Kleider, Türkisen, Silberwaren liegen auf der Erde, und daneben kauern, in Samiliengruppen vereint, die Verkäufer. Oft ist der jüngste Sprößling wohl verpackt in einer Holzschachtel dabei anwesend oder wird von der Mama in einem Korb auf dem Rücken getragen. Sein Wimmern geht im Lärm der tibetanischen Bettler unter, welche in der Linken einen gewaltigen Bambusstock, in der Rechten eine Handtrommel halten, die durch Schütteln in Cätigkeit gerät und die Begleitung zu einem näselnden, monotonen Singsang bildet. Sunächst hoffen die Bettler, die Derzen der Marktfrauen zu rühren, und halten deshalb einen schmutzigen Sack zum Empfang milder Gaben in Natura bereit, dann zählen sie auf „Boksis“in klingender Münze von den Sremden. Man konnte sie übrigens im Vergleich zu einem Bettelmönch, welcher einen mit allen möglichen Amuletten und Buddhas behangenen Stab trug, die reinen Dandies nennen. Der Schmutz und der Sustand von Abgerissenheit in der Kleidung des „verehrungswürdigen Geistlichen“, wie die buddhistische Kirchensprache ihn nennt, spottet jeder Beschreibung. Statt der Handtrommel schwang er uns eine tibetanische Gebetsmühle dicht unter der Nase. Schade, daß der Nebel all unsere photographischen Versuche vereitelte, der Kerl hätte ein interessantes Blatt in der Sammlung abgegeben! Schade, daß die Sonne in dem landschaftlich wie ethnographisch gleich interessanten Bilde überhaupt fehlte.
Außer Mönchen und Bettlern gab's noch eine Sorte LCustigmacher, welche sich scheußliche Masken über das Antlitz stülpten und hauptfächlich zu unseren Ehren []Mädchen aus Kepal. (S. 480.) [] Ansicht von Mount Everest Lodge. (5. 476.)
[180]Reise einer Schweizerin um die Welt.allerlei groteske Tänze aufführten. Su Scherz und Kurzweil schien die ganze Gesell schaft bereit und bildete dadurch einen grellenden Gegensatz zu den ernsten, oft finsteren Hindus. Sreilich an Schönheit stehen sie weit hinter diesen zurũck; die Bhutias und Cepschas, die Nepalesen und Cibetaner, und wie sie alle heifzen, gehoren zu der mongolischtatarischen Rasse, haben runde, bartlose Gesichter, kleine geschlitzte Augen, breite Nasen.
Auch die Srauen konnen sich im ganzen nicht allzu großer Schönheit rühmen,obschon ich einige hübsche, frische, junge Madchen gesehen. Iichtsdestoweniger scheinen sie alle, gleich ihren europaischen Schwestern, eine kleine Dosis Citelkeit zu besitzen.Diese äußert sich namentlich im Wunsche, einen zarten Teint zu besitzen. Ihr Schönheitsmittel freilich wird im Abendlande kaum Anklang finden, wenn ich es hier verrate. Sie reiben sich das Gesicht mit Schweineblut ein, und da, dem herrschenden Schmutze nach zu urteilen, die ganze Bevölkerung an Wasserscheu leidet, trocknet das Blut ein und wird zur Kruste, auf welcher immer wieder neue Blutlagen sich bilden.Cinige Damen erblickte ich mit kohlschwarz angestrichenen Nasen. Als ich mich nach dieser sonderbaren Mode erkundigte, hieß es, das wären Witwen, die dadurch ihren Wunsch kund täten, sich wieder zu verheiraten. Also ein Antrag durch die Nase!
In einem Punkte sympathisieren die Srauen dieser mongolischen Stämme mit den Inderinnen, beide lieben Schmuck über die Maßen. Wo sich ein Plätzchen findet,um ihn anzubringen, wird dasselbe reichlich ausgenutzt, und wenn Arme und Singer für all die Spangen und Ringe nicht mehr ausreichen, so kommen Sußknöchel und Zehen in Betracht.
Ganz unbarmherzig schwer werden die Ohren mit Türkisenschmuck belastet,der in drei oder vier Ctagen die Schultern nahezu berührt. Der linke Nasenflügel erhält, wenigstens bei den Nepalfrauen, ein goldenes Schildchen oder eine niedliche Siligranrosette. Die Nepalesinnen haben zudem besonders feine, runde Halsketten aus einem dunkelroten Stein, der regelmäßig mit fein gearbeiteter Goldftligran wechselt, und zudem bis an die TCaille reichende, breite, mehrfache Silberketten. Auch die Bhutia, Cibetaner und Lepschasfrauen treiben Cuxus in Silber, Korallen,Bernstein· und Glasketten. Dazwischen reiht sich oft bei ganz armen Kulifrauen an lang herabhängender Schnur Rupie an Rupie. Zuweilen sind es hundert und mehr Silberstücke, und weiß man, daß eine Taglohnerfrau mit schwerer Arbeit kaum vier oder fünf Rupien monatlich verdient, so kann man ermessen, wie viel Seit, Schweiß und Mühsal an einem solchen Schmuckstücke, dessen Ertrag eine ganze Samilie lange Zeit ernähren könnte, hängt. Ein gutes Zeichen für die Ehrlichkeit dieser rohen Naturvölker ist es übrigens, daß eine mit derartigem Schmucke behangene Srau ungefährdet auf den einsamsten Bergpfaden herumwandern kann.
Aber damit bin ich mit Aufzählen des Schmuckes der Himalaja· Srauen längst nicht fertig. An den Halsketten werden noch sogenannte Ghaus, flache, silberne Amulette, angebracht. Sie sind mit den in Tibet häuftg vorkommenden Türkisen besetzt und enthalten geschriebene, kräͤftig wirkende Gebete. Um die Taille schlingen sie auch schwere, mehrfache, oft sehr schön gearbeitete Ketten, und an der linken Schulter baumelt eine silberne „Kette“, an welcher ein ganzer medizinischer Apparat []Lama mit Schwestern. (S. 484.) [] Darjeeling. eine Sommerfrische im Bimalaja.
481 hängt: Pincetten, Schere, Ohrreiniger, Medizinlöffel u. s. w. Leider verpaßte ich die richtige Gelegenheit, solch ein niedlich gearbeitetes Stück Silberarbeit zu erstehen.
Man sieht, auch die Himalaja-Manner besitzen teure Srauen“. Sreilich ist deren Schmuck nicht der Mode unterworfen, und die wandelnde Sparbüchse so kommen mir die rupienbehängten Srauen vor kann wohl im Notfall geplündert werden.Die BhutiaWeiber gehen übrigens insofern sicher zu Werke, um Schmuck zu erhalten,daß sie sich gleich mehrere Männer nehmen.
Sonntagmorgen im Bazar.Was Kleidung anbetrifft, ist dieselbe bei Männern und Srauen dauerhaft und wenig luxuriõs und darauf eingerichtet, niemals gewaschen werden zu müssen. Wahrend erstere dunkle, grob gesponnene Jacken und Hosen tragen, kleiden sich die Srauen in ebenso grobe, braune, oft buntgestreifte Röche und Jacken und nehmen fich um Kopf und Schultern ein karriertes Umschlagtuch. Die Männer tragen einen langen Sopf, die Srauen deren zwei.
Sur Geld schien den ärmern Srauen ihr ganzer Schmuck feil. Als wir zweien von ihnen silberne Ringe, die sie uns übrigens anboten, direkt von den Singern abkauften, kamen auch andere herbei, um uns ihre Ketten und Spangen anzutragen.Bald waren wir so umringt, daß wir nur Rettung in schleuniger Slucht fanden.
Im Begriff, den Markt zu verlassen, strömte aus einer daran stoßenden Halle eine Menge Volkes. Man sagte uns, es wären bekehrte Christen. Ceute aus Tibet
C. von Rodt, Reise um die Welt. 31
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Reise einer Schweizerin um die Welt.
RuliFrauen.und Nepal, die soeben den Gottesdienst besucht hätten. Leider hatte sich der Missionar schon entfernt. Eine ganze Reihe evangelischer Mifsionsgesellschaften wirken im dimalaja und haben zumal um Darjeeling Posten gefaßt. Am meisten wirkt und arbeitet die Presbyterianer-Kirche Schottlands. Eine Gemeinde von weit über dreihundert Christen schart sich um die schmucke 1894 erbaute Missionskirche. vierzig Dorfschulen und ungefähr fünfzehn Predigtstationen bergauf· und bergabwärts in der näheren Umgebung gehören dazu, sowie eine sogenannte Zenana, ein Srauenhaus,in dem die Mädchen der bekehrten Heiden eine christliche, gute Erziehung erhalten.Weiter im Osten, in Kalimpong, soll eine noch größere schottische Mission viel Segen spenden und eine Gemeinde von nahezu 1500 Gliedern zählen.
Nach dem Tiffin kletterten wir an demselben Sonntag zur Erwärmung in das 334 Meter tiefer gelegene Dorf BhutiaBusti, welches England gehört. Ein schmaler,mit schönem hohen Bambusgesträuch dicht eingefaßter Pfad führt hinunter. So steil,so lang, daß ich wähnte, wir müßten demnächst unten am Randschit Sluß ankommen. Als ich jedoch bei einer Cücke in die Tiefe schaute, gähnte mir ein nahezu 2000 Meter messender Abgrund entgegen. Gespenftige Nebel stiegen ab und zu daraus empor und klammerten sich fest an den gegenüberliegenden Selsen der schmalen Schlucht. J
Mit Ausnahme des Landstreifens, welchen sich England in den Sechzigerjahren aneignete, bildet Bhotan einen unabhängigen Staat, welcher die geistliche Oberherrschaft des DalaiLama in Tibet anerkennt, daneben aber von einem erblichen Sürsten, dem DharmaRadscha, welcher ebenfalls als eine Inkarnation Buddhas gilt, regiert wird.[]Cama mit Gebetmühle. (S. 484.) [] Lebensrad.
[484]Reise einer Schweizerin um die Welt.Die Ausübung aller weltlichen Macht dagegen ist in Zänden des jedesmal füͤr drei Jahre gewählten DebRadscha oder weltlichen Gebieters.
Das sehr armselige Dorf BhutiaBusti, dessen Lehmhütten mit solchen aus ßolz und mit Strohdächern abwechselten, schien völlig verwaist.
Doch nein, einige Paare scharfer Anabenaugen hatten die Sremden entdeckt. und ahnend, daß unser Besuch dem tibetanischen Cempel gelte, waren sie bakfhifhfroh der eine zum „kleinen Cama“ (Unterpriester), der andere zum „großen CLama“(Gberpriester) gestürzt, welche ebenso erwartungsvoll schleunigst herbeieilten. Beide Camas trugen granatrote Röcke, beide waren gleich schmutzig, beide gleich erpicht auf Trinkgeld.
Der Tempel sieht einem ganz gewöhnlichen und dabei noch baufälligen Bretterhaus ähnlich. Nur die das Gebäude üͤberragende Reihe mit vergoldeten Schirmen gekrönter Bambusstangen zeichnen es von seiner Umgebung aus. Lange, s chmale, mit Gebeten beschriebene Setzen hängen an den Stangen herunter.vor dem Tempeleingang befinden sich zwei große Trommeln, welche sowohl die Gläubigen zum Gebete rufen, als auch die etwa nahenden bösen Geister verscheuchen follen. Neun mannsgroße, buntbemalte Gebetsmühlen nahmen die ganze Sront ein und wurden sofort in wahrhaft rasende Bewegung uns zu Chren gesetzt. Jede einzelne Drehung wird dem Gläubigen als eine einmalige Hersagung des in der Mühle befindlichen Gebetes angerechnet. Auf den langen Papierstreifen stehen in wohl hundertfältiger Wiederholung die Worte: Om mani padme, hum. 3u deutsch: „O, du KHleinod auf dem Cotos, Amen!“ Die Bedeutung dieses Spruches ist im LCaufe der Zeiten verloren gegangen, denn die Gebetmühlen sind bei den Buddhisten des Nordens eine schon feit dem vierten Jahrhundert bekannte Institution. In Darjeeling scheinen die kleinen Handmühlen besonders beliebt, und häufig trifft man Kulis, die neben der schweren LCast, die sie tragen, sich noch eine Hand frei halten, um das kleine metallene Instrument in der Luft zu schwingen.
Swei Bilder in der Vorhalle erregten mein besonderes Interesse, und meine Sreude war groß, das eine beim Photographen in treuer Reproduktion mir verschaffen zu können. Es stellt das Rad des Lebens vor, welches ich denke es mir wenigstens so ein riesiger Dämon zu verschlingen droht. Im innersten Kreise des Kades steht eine Schlange, als Symbol der Salschheit, ein Hahn als dasjenige der Sinnlichkeit, und ein Schwein als Symbol der Trunksucht und Trägheit. Diese drei werden als Ursprung alles Übels betrachtet und müssen daher außerhalb des Tempels bleiben. Auch auf den alten Dolchen sind die drei Seichen eingraviert.
Nachdem Trommler, Gebetsmühlenknaben und Priester den ersten Bakshish erhalten, traten wir in das dämmernde Dunkel des eigentlichen Tempels. Einige Lichtchen brannten auf dem Altare und beleuchteten einen vergoldeten Buddha, der freundlich lächelnd hinter Glas sitzt, sowie zwei ähnliche, mir unbekannte Gottheiten.bor allen dreien lagen Reis- und Butteropfer, deren Cinsegnung und herteilung pin bene das Sakrament des Lama · Gottesdienstes bildet. Rechts und i e i e Camas sich häufig in deren Lektüre versenkten.[]BhutiaFrau. G. 485.) [] Darjeeling, eine Sommerfrische im Himalaja.
485 Außerdem enthält der Raum eine Menge Campen aller Arten und Seiten, und mehrere Instrumente, um die Gläubigen zum Gebete zu rufen. Wie es scheint,genügen die Trommeln in der Vorhalle nicht dazu. Da ist z. B. eine aus den Schenkelknochen eines CLama gemachte Trompete. Sie gibt schauerliche Cöne von fich. Der „große Cama“ muß sich jeweilen des Schädels seines Vorgängers als Eßschale bedienen, damit er sich der Vergänglichkeit alles Irdischen erinnere. Die Tibetaner scheinen überhaupt gerne aus menschlichen Knochen allerlei Geräte herzustellen. In einem großen KuriositätenGeschäft zeigte mir der deutsche Inhaber, der mir über manches einen eigentlichen Vortrag hielt, zu Cam-Cam verarbeitete, zersägte Schädel.Diese stammten von einem Chebrecherpaar, welches sein Vergehen mit der hier in diesem Salle üblichen Strafe der Steinigung gebüßt hatte.
Tibetanischer Gebetsbaum.
Auf der Erde lagen im Tempel eine Menge Kisfsen, ebenso schmutzig und abgerissen wie ihre Cigentümer, die bettelnden Priester. Da diese, wohl durch unsere erste Spende ermutigt, angefangen hatten, etwas allzu intim zu werden, und sich unterdessen halb BhutiaBusti bakshishbrüllend um uns geschart hatte. hielten wir es an der Seit,uns zu empfehlen.
Steil und lang erschien mir der Aufstieg!“ Wir begegneten vielen, eben erst vom Markt zurückkehrenden Dorfbewohnern. Von Serne leuchteten der rote, mit Goldperlen kranzartig umwundene Kopfputz und die roten Ärmel, welche die Tracht der BhutiaSrauen auszeichnen. Wie schwer waren sie teilweise beladen! Wir versuchten,den Tragkorb einer am Wege rastenden Srau in die söhe zu heben, und waren mit vereinten Kräften kaum fähig, die Cast ein paar Schritte zu tragen. Auf den Bauplätzen beteiligen sich die Srauen hauptsächlich am Herbeischleppen von Erde und
[186]Reise einer Schweizerin um die welt.Steinen, eine schwere Arbeit auf den steilen, abschüssigen Bergpfaden. Dabei sehen sie frisch und blühend aus.
Die pausbäckigsten, rotwangigsten Gesichter aber besitzen hier oben die Engländerkinder, welche so blaß und zart sonst in der heißen, indischen Cbene aufwachfen oder schon im frühesten Alter zu Verwandten nach England zurückgeschickt werden müssen.
Zwischen BhutiaBusti und Darjeeling steht ein einsames,weißes, eigentümlich geformtes
Camagrab. Mein deutscher Gewährsmann hat mir freilich die ganze stimmungsvolle Weihe davon genommen mit seiner Behauptung, der hier Bestattete sei als Opfer seiner Reinlichkeit gestorben. Gegen allen Brauch und Sitte der Lamas hätte er sich einmal gewaschen und diese Extravaganz mit dem Tode gebüßt.
Auf der Nordseite des schmalen Bergrückens, auf dem sich die vVillenstadt Darjeeling ausdehnt, ist der sogenannte Observatory Hill. Hier auch steht ein tibetanisches sHeiligtum, diesmal kein Tempel, sondern ein Haufen rotgemalter Steine, die sich um einen großen Selsblock gruppieren. Die darauf angebrachte, rohe Skizze eines Buddhabildes ist durch ein Gitter geschützt. Cin Dreizack und Muscheln, alle derselben Art,stecken zwischen den Steinen, und wie ein Mastenwald streben nach allen Richtungen hohe Bambusrohre empor. Bunte, ausgezackte Mullfetzen und mit Gebeten beschriebene Papierstreifen flattern lustig daran, wie Wimpel im Winde. Auch die in der Nähe stehenden Bäume zeigen denselben Papier- und bunten Mullschmuck. Beim leisesten Lufthauch bewegen sich die Gebete, sie sollen nach der Meinung der Srommen gleiche Wirkung tun, wie solche, welche mit der Gebetsmühle in Bewegung gesetzt werden.
Gebetsbãume heißt man jene primitivste aller Erbauungsstätten. Hier, angesichts der gewaltigsten Bergkette der Welt, umschwebt sie eine Seierlichkeit, eine Weihe, die weder der große CamaCempel in Peking noch viel weniger der kleine in BhutiaBusti kennt.
Srüher Morgen war's, unser letzter Morgen in Darjeeling. Wir schienen die einzigen Besucher des Observatory Hüll, doch nein, auf dem Suße waren uns zwei Menschen gefolgt: ein Mann und ein Knabe. Sie trugen Schüsseln mit Reis und einen Olkrug; vor dem Altare legten sie sich flach auf die Erde nieder. Cin alter Mann, wohl ein Priester, kniete in stiller Andacht vor dem BuddhaBildnis. Gebete e ve e u e die Steine und die * 5 epes iuder gintvnige al der Reisoruer auf prüche des Alten. CLange blieben die drei unbeweg[]BhutiaMann. (S. 485.) [] Darjeeling, eine Sommerfrische im Himalaja.
487 lich, dann umwandelten sie stillschweigend mehreremal den Gebetsbaum und stiegen,das Gesicht dem Altare zugewandt, ruückwärts den Hügel hinab.
Die Nebel der vorherigen Tage waren verschwunden. In feierlichem Glanze blaute der Himmel, und wie eine Erscheinung aus anderer Welt, in stiller Schönheit und Große, in unnahbarer Majestät, lagen noch einmal die ewigen Sirnen des imalaija vor mir. Ein Gruß und zugleich ein Abschied auf mmerwiedersehen.
Denselben Mittag verließen wir das schöne, kalte Darjeeling, um in 26stündiger Sahrt nach dem heißen, staubigen Kalkutta zu gelangen. Da dort der Gasthof uns keineswegs mehr anmutete als das erste Mal, beschlossen wir, ungeachtet der soeben vollendeten langen Reise, noch eine Nacht auf der Eisenbahn zuzubringen, um schon den folgenden Morgen in der Srühe Benares, die heilige Stadt am Ganges, zu erreichen.[188]
Reise einer Schweizerin um die Welt.
Die heilige Slaöt Benares.
Beistige Bedeutung der Stadt. Ihr Alter. Der heilige Ganges. Bootfahrt. Ghats und Tempel.Die Badenden. Die Witwen. Hogin oder Falir. ManikarnikaGhat. Leichenverbrennungen. Der Palast des Maharadscha von Benares. Die Moschee Aurangzebs. Der Goldene Tempel. Peilige Kühe. Brunnen des wissens. Affentempel. Die heiligen Affen. Bettelhaftigkeit der Tempelpriester. Der moderne Pinduismus. Seelenwanderung. Der Peilige von Benares. Die Pindustadt.
Kenares! Der Name hatte jahrelang einen unsäglichen Sauber auf mich ausgeübt. Cag es an den poetischen Schilderungen des sagenumwobenen Ganges, lag es an dem weichen Wohlklange des Wortes Benares? Ich weiß es nicht. Jetzt denke ich an die heilige Stadt zurück, wie an eine Vision von Schönem, Craurigem und Schrecklichem, und dabei überwiegen entschieden die beiden letzten Eindrücke.
Und doch bildet Benares jetzt noch für ein ganzes, großes Volk die Stadt aller Städte, die Hochburg seines Glaubens. Mehr noch als Jerusalem den Juden, Mekka den Mohammedanern, Rom den Katholiken, ist Benares der LCichtstrahl, der das Hemüt jedes frommen Inders durchleuchtet. „Kaschi, die Glänzende, die Seele Durchleuchtende“, lautete deshalb wohl der Name der Stadt, und immer wieder erwähnen die alten Veden die heilige Kaschi.Wer die Stadt erbaut und wann,wird wohl stets ein Geheimnis bleiben.Man weiß nur, daß sie, älter als Rom,schon zu jener Seit bekannt war, wo Babylon mit Ninive um den Vorrang stritt und Jerusalem durch Nebukadnezar bedrängt wurde.Unzertrennlich verbunden mit Be
Benares: Ghat.[]Benares: Tempel. (S. 489.) [] Die heilige Stadt Benares
489 nares ist der Ganges, dessen wunderwirkendes Wasser die Stadt bespült. Einst aus dem soaupte Civas entsprungen, wurde der heilige Sluß, nachdem er Himmel,Erde und Unterwelt durchströmt, bleibend auf die Erde geleitet und seine Guelle hoch hinauf in die Schneewohnung des Himalaja versetzt, dorthin, wo an wilden, unzugänglichen Selsklüften Civas Götterwohnung steht. Personifiziert wird der Ganges durch eine junge Srau, die eine Cotosblume in der Hand hält,und eingedenk seiner göttlichen Abstammung unter dem Namen Ganga in den Götterhimmel versetzt.
Erlösend, geheimnisvoll rauschen die blauen Wellen des heiligen Stromes durch Geschichte und Sagen des indischen Volses. Jetzt noch reinigt ein Bad in seinen Wassfern von allen Sünden, ein Crunk aus dem Strome heilt jeden Seelenschmerz, und in seinen Wellen ruht icher der Cote. Wird doch der göttliche Ganges ihn ganz unfehlbar an die Pforte der höchsten Glückseligkeit bringen..
Aber nicht nur des Hindus, sondern auch des Europäers erster Ausgang in Benares gilt dem heiligen Strom. Eine lange Sahrt liegt zwischen dem Hotel de Paris im europaischen Viertel und den Ghats, den Badeplätzen, wo vom Aufgang der Sonne bis zum Niedergange Causende und abermals Taufende, Einheimische und Pilger aus weiter Serne, das reinigende Bad nehmen.
Wir vertauschten den Wagen mit einem großen, schweren Boote, das, von sechs braunen Ruderern in möglichst langsamem Tempo bewegt, sachte stromabwärts schwamm. Stundenlang dauerte die Sahrt, und hätte noch Stunden dauern können, ich wäre es nicht müde geworden. Unausloschlich hat sich der Anblick meinem Gedächtnis eingeprägt.
Am Ufer drängt sich Tempel an Cempel, Palast an Palast, Treppe, Ghat genannt,an Treppe. Man zählt ihrer 47. Manchmal auf der halben Hoöhe ihrer langen Slucht stehen kleinere Heiligtüumer. Das bizarre, hohe, indische Dach, welches sie krönt,erinnert an eine Slamme. Manchmal steht auch ein Pavillon oder ein geflochtener Schirm da, in dessen Schatten der fromme Pilger stundenlang nach dem Bade in stiller Andacht vor sich hinträumt. KHart am Wasser sind an manchen Stellen in langer Reihe Zelte für die Reichen und Vornehmen im Lande aufgeschlagen, deren in Benares viele wohnen. Oft, wenn ein Radscha die Schatten des Alters herannahen sieht,kauft er sich in der heiligen Stadt ein Haus, um dort zu sterben.
Die Wellen des Ganges, welche zuweilen in mächtigem Anprall ans Ufer schlagen, Stärkeren weichen mußten und in das gewaltige Strombett versanken. Jetzt bilden fie den Untergrund,auf welchem neue Häuser sich erheben, denn in Benares ist Grund und Boden viel zu kostbar. um ihn unbenutzt sich selbst zu überlassen.
Indischer Süßigkeiten-Verkäufer.
[190]Reise einer Schweizerin um die Welt.Nun zu den Badenden. In langen Reihen ziehen sie unablässig die hreiten,steinernen Ghals hinunter, die Reichen und Armen, die Alten und ungen. die Manner mit einem Lendentuch drapiert, die Srauen in ihre buntfarbigen. oft seidenen Sari,lange, bunte Gewänder, gehüllt. Sie scheuen es nicht. damit in das schlammige Wasfer zu tauchen, ebensowenig legen sie ihre oft kostbaren Halsbander, Arm und Sußspangen ab. Im Gegenteil, durch die Berührung mit dem heiligen Strome erhalten auch diese Sachen, die ihnen lieb und wert sind, ihre besondere Weihe.
Dem eigentlichen Bade geht eine lange Vorbereitung voraus. Mit den Singerspitzen wird zuerst Wasser aus den blinkenden, schöngeformten Metallgefäßen, die jeder Badende mit sich bringt, entnommen, die Cropfen in der flachen Hand gerieben und Augen, Wangen, Stirne und Brust bestrichen. Hierauf wird das ßHaupt mit dem kostbaren Naß bespritzt, die Sußsohlen reibt man an den Steinfließen ab, und dann erst darf in den heiligen Strom gestiegen werden, um sich und all seine Suünden im entsühnenden Wasser unterzutauchen. Allerliebst ist's, die Kleinen zu sehen, wie ernsthaft sie jede Bewegung Vaters und Mutters nachahmen, wie auch sie eifrig mit der hohlen and Wasser aus dem Strome schöpfen und es schlürfen, damit dem inneren Menschen sein Teil zukomme von dem kostbaren Naß.
In diese unablässig wechselnden, im ganzen schönen und heiteren Bilder fallen gleich dunkeln Schatten zwei Erscheinungen, die Witwen und die Sakire. Unheimliche Überbleibsel einer barbarisch fanatischen Seit, stehen sie vor uns.
Äußerlich zeichnet sich die Witwe durch kurzgeschnittenes Haar und Abwesenheit jedes Schmuckes aus. Die Engländer haben zwar mit großer Mühe den schrecklichen Witwenverhrennungen ein Ende gemacht, allein immer noch gilt bei den Hindus eine Srau, die ihren Mann verloren, für eine von den Göttern Gebrandmarkte. Ihr Cos ist das denkbar traurigste. Von den Schwiegereltern, bei denen sie seit der Verheiratung gelebt, wird sie meistens verstoßen, den eigenen Eltern ist sie im Caufe der Jahre fremd geworden und findet zuweilen auch bei diesen keine Aufnahme mehr. Mittellos,freundlos, ihrer Rinder beraubt, steht sie da und fällt in ihrer Not gar so oft dem Caster anheim.
Am traurigsten ist das Schicksal der Kinderwitwen. Wenn auch die englische Regierung gesetzlich verordnet hat, daß ein Madchen erst nach erreichtem zwölften Jahre in die Che treten darf, so wird es doch schon meist im fünften und sechsten getraut. Das kleine Mädchen bleibt zwar die nächsten Jahre im Elternhause, sollte aber in dieser Zeit der Knabe, mit dem es verheiratet ist, sterben, so fällt ihm das schwere Cos einer indischen Witwe auf Lebenszeit zu. Die Eltern behalten zwar das Kind im Hause, aber ihre Liebe ist ihm verloren, es gilt ihnen für ein von den Göttern bestraftes. Ihrem Glauben nach hat es dereinst, vielleicht vor Jahrhunderten, in irgend einer Gestalt seiner Seelenwanderung ein vergehen begangen, für das es jetzt büßen muß. Sein Anblick bringt Unglück, scheu weichen die anderen Kinder der kleinen Witwe aus. Außerlich auch ist die Kleine vom Unglück gestempelt. Des Kindes 8 mauniae: ehen das kurze Haar, der Mangel jedes, auch des kleinsten
* glücklicheren Altersgenossinnen.[]Leichenverbrennung. 8. 492.) [] Benares: Ansicht vom rechten Ufer aus. (5. 493.)
[492]Reise einer Schweizerin um die Welt.In Benares habe ich die ersten Pogin gesehen. Man kennt sie im Abendlande besser unter dem mohammedanischen Namen Sakir. Cinen s chrecklichen Anblick bieten diese indischen Asketen. Wirr und lang hängt ihr Haar oft bis zu den Schultern herab, die blutunterlaufenen Augen schauen aus einem mit Asche weißlich bestrichenen Antlitz ekstatisch unheimlich hervor, den mageren, schmutzigen Leib bedeckt nur das notwendigste CLendentuch. Der eine hat sich einige Kugeln seines Rofenkranzes unter der Haut durchwachsen lassen, ein anderer seine Rechte so lange geballt, bis die Nägel durchs Sleisch gedrungen sind, ein dritter den Arm unablafsig emporgehalten, bis er steif und vertrocknet nicht mehr aus dieser CLage bewegt werden kann. Sonderbare Heilige einer längst verschwundenen Periode! Abstoßend und doch wiederum rührend und in ihrer Art bewundernswert, denn das Heil ihrer Seele gilt ihnen mehr als alle Güter der Welt.
Cangfam bewegte sich unser Boot in der Richtung des ManikarnikaGhats.Rauchsaulen und Brandgeruch kündigten uns von weitem die Nähe jener Stätte an,wo der fromme Hindu „sich in die Elemente auflöͤst“, d. h. wo er verbrennt und seine Gebeine in den Sluß geworfen werden. Auf der Sahrt an den Ganges waren uns zwei Leichenzüge der einfachsten Art begegnet. Auf einer schmalen,an zwei langen Bambusstangen befestigten Matte ruht der TCote, mit einem leichten Cuche umhüllt, weiß, wenn ein Mann, rot, wenn eine Srau darunter liegt.Mit eiligem Schritte tragen ein paar Männer den vor wenigen Stunden erst Dahingeschiedenen.
Diie eine der Ceichen wurde, als wir an den Ghat heranfuhren, soeben in die Sluten des heiligen Stromes getaucht. Sugleich schöpften die Umstehenden Wasser in der hohlen Hand und bespritzten damit das Antlitz des Coten, eine Sitte, die mich an das europäische Erdschollen auf den Sarg werfen erinnerte.
Unterdessen ist der Scheiterhaufen gerüstet. Der Tote wird hinaufgelegt und so mit Holz bedeckt, daß nur noch die Süße sichtbar sind. Der Mann, welcher, in weißes Linnen gehüllt, sich jetzt nähert, ist, wenn nicht der Sohn, so doch der nächste Verwandte oder Sreund. Ihm liegt es ob, den Scheiterhaufen an allen vier Enden in Brand zu setzen, worauf er denselben, die lodernde Sackel in der Hand, mehreremal zu umschreiten hat. Die Ausübung dieser Pflicht hat ihn zum Unreinen gemacht.Wahrend der nachsten zehn Tage wird niemand mit ihm verkehren, täglich muß er innerhalb dieser Seit mehrmals Opfer darbringen und im Ganges baden. Am Ende de Periode hat er sich überdies noch einer großen Reinigungszeremonie zu unterwerfen.
Unterdessen lag die zweite Ceiche, die Süße vom heiligen Strome umspült, neben einer anderen unbeachtet am Strande. Den roten Tuchern nach sind beides Srauen,gehören also zu dem Geschlecht, welches nach der Meinung der Bindu „jeder Zucht spottet, und deren Verstand geringes Gewicht hat!. vielleicht ist dies die Urfache der Vernachlassigung, vielleicht auch gehören sie zu den Armen. In dem Salle wird nur das ganz unumgänglichst notwendige Holz auf sie geschichtet werden und nicht gewartet. bis die Leichen völlig verkohlt sind. Kaum ist das Seuer verglommen, so ehren die Totenbesorger“ Asche und halbverbrannte menschliche Überbleibfel zusammen []Große Moichee in Benares. (5. 493) [] Die heilige Stadt Benares.
493 und schütten oder stoßen das ganze in die sündentilgende Slut. Dicht daneben baden Manner und Srauen. Unbekummert schlürfen sie das Wasser, auch wenn Leichenteile an ihnen vorbeischwimmen.
Den ganzen Tag, von früh bis spät, lodern am ManikarnikaGhat Scheiterhaufen,werden Leichen die steinernen Stufen hinuntergetragen zum letzten sündentilgenden Bade.Wie heute ist's seit Jahrtausenden gewesen, wird so bleiben vielleicht bis zum Ende der Welt. Auch der heilige Ganges ist unvergänglich. Die Götterbilder alle, die Sühn und Dankopfer, welche ein Geschlecht nach dem andern unter heißen Gebeten in seine Tiefe versenkt, bewahrt er treu in seinem Schoße, und immer wieder wälzt er in seinen Sluten neue Blumen-, neue Leichenteile, neue auf langen Papierstreifen geschriebene Gebete rastlos dahin.
Der Ganges besitzt in Benares eine Breite von 626 Meter, ist also ungefähr wie der Rhein bei RKöln. Wenn die mächtigen HimalajaGletscher im ßochsommer etwas zu schmelzen beginnen,schwillt auch der Sluß an und verbreitert sich bis zu einem Kilometer. Ode und verlassen liegt sein rechtes Ufer, dort zu sterben verleiht keine sHeiligkeit. Nur der Maharadscha von Benares scheint kein Gewicht darauf zu legen, denn sein Palast, den wir im Caufe des Tages besuchten,liegt am Sudufer des Ganges. Mit Ausnahme der schönen Aussicht war in der im schlechten Geschmack europäisierten Residenz wenig zu sehen.
Zwei Genfer Spieluhren wurden uns mit besonderem Nachdrucke gezeigt. Sie bildeten offenbar den Stolz und das Entzücken der Dienerschaft.
Kehren wir zum linken Ufer des Ganges zurück. In der Reihe der indischen Cempel und Paläste hat sich ein großer, fremdartiger Bau gedrängt. Seine zwei schlanken Minarets überragen die ganze Stadt, eine Moschee bildet somit seltsame Ironie des Schickfals das Wahrzeichen Benares, der Hochburg des Brahmanismus. Auch ist ihr Anblick dem frommen Hindu ein beständiger Greuel. Da der sdof zwischen Mauer und Moschee den Brahmanen gehört, gereicht es diesen nicht zur geringen Genugtuung, den Mohammedanern den Eintritt durch das Haupttor verbieten zu können und sie hiermit zu nötigen, durch ein Seitenpfoörtchen in ihre Moschee zu schlüpfen. Dieser Eingang versinnbildlicht genau die jetzige Stellung des Mohammedanismus in Benares, welcher im XVII. Jahrhundert den Hinduismus auf einige Zeit vertrieben hatte.
Aurangseb, Großmogul von ßBindostan (1658 -1707), der gewalttätigfanatische Enkel des milden, toleranten, großen Akbar, hat diese Moschee an Stelle eines wundervollen, indischen Cempels den Hindu zum Ärger erbauen lassen. Der Herrschaft Aurangsebs und seiner Nachfolger ist es überhaupt zu verdanken, daß das alte
Hogin oder Fakir.[]Reise einer Schweizerin um die Welt Benares keine kunstvollen Cempel und Paläste aus früheren Seiten mehr besitzt, sie wurden damals alle vernichtet.
Stundenlang waren wir langsam stromauf und abwärts gefahren, ich konnte mich von dem eigentümlichen eigenartigen Bilde nicht losreißen. Die allmählich beinahe unerträglich heiße Sonne, die Blendung des Wassers mahnten daran, den Schatten der Stadt aufzusuchen, und nach stürmischer Verhandlung mit den sechs Ruderleuten, von denen jeder ein CxtraBakshish beanspruchte, vertauschten wir das Boot wieder mit dem Wagen.
Zunächst fuhren wir zum „Goldenen Cempel“.
Cin Gäßchen mit einem Gewirr von malerischen und unmalerischen Winkeln, von Blumenverkäufern und anderen Menschen, die uns alle anbettelten, alle auf uns einstürzten, so war der erste Cindruck! Von Betrachten der Architektur keine Rede!Jemand schob uns die Treppe hinauf. Unmittelbar vor uns stehen zwei hohe, spitz auslaufende Türme und eine runde Kuppel in Sorm der umgestülpten Cotosblume.Alle drei sind mit Kupferplatten bedeckt, über welche sich eine massive Vergoldung zieht. „Goldenes“ gibt's sonst nichts hier zu sehen, nur Schmutz und Götzendienst in der niedrigsten, traurigsten Gestalt. Wir bedauern es auch keineswegs, nur durch eine Maueröffnung in den angrenzenden Tempel schauen zu dürfen, wo eine bunte Menschen und Kuhmenge durcheinanderwogt.
Ja Kühe: Sie gelten hier für heilig, besitzen eigene Tempel, laufen frei und ungehindert in der Stadt herum, wenn sie Lust haben, und kehren, wenn sie müde sind, in ihre Tempel zurück. Schon in aller Srühe, bevor sie ihren eigenen Morgenimbiß zu sich nehmen, pflegen Brahmanen die heiligen Ciere zu füttern. Täglich schmiert das Hinduweib Türpfosten und Mauern ihrer Hütte mit Kuhmist ein, als Mittel gegen böse Geister. Wo Kühe über Nacht lagern, gilt der Platz für „rein“, natürlich im religiosen Sinne, und der Sterbende, welcher den Schwanz einer Kuh festhält,wird leichter dahinscheiden und zudem freier von Sünden drüben ankommen.
Auf den Ghats schon hatte ich mit Erstaunen die vielen weißen Kühe gesehen,jetzt fanden wir eine Anzahl ihrer Schwestern, die in den Kolonnaden des Kuhoder Annapurna· Tempels „Tiffin“ hielten. Hier auch war es uns Ungläubigen nicht gestattet, die erste Schwelle zu überschreiten. Sudem stand jedes Verlangen darnach in uns still; der Schmutz, respektive „Mist“, hätte einem unserer bernischen Kuhställe ältesten Systemes alle Ehre gemacht.
ide A e Sien und Auhdarstellungen noch die anstänOpfer zu in und sie mit ne n 8* Mesr werden nicht mide hnen n zu schmücken. Letztere Sitte haben 8 sl ich bakshishspendenden Sremden über eriger Brahmane einen goldigleuchtenden Cagetesgeworfen und stürmisch dafür Bakshish gebettelt. Wir []Der goldene Tempel. (S. 494.)
[196]Reise einer Schweizerin um die Welt.waren einige Schritte weiter gegangen, da verfolgte mich zum nicht geringen Schrecken meines Reifegefährten ein Stier. Ich nahm dies gelassen hin, ahnte mir doch, daß es keineswegs mir, sondern meinem schönen, frischen stranze galt. Nachdem dieser erobert und gefressen, trollte denn auch das Tier harmlos und friedlich ab.
Ganz nahe vom „Goldenen Tempel“ ist der hochheilige Gyan kup, der „Brunnen des Wissens“, eine Sisterne, in welche beständig Blumenopfer geworfen werden und deren zersetztes, üͤbelriechendes Wasser mit ßochgenuß von den Hindus getrunken wird. Man wundert sich, daß die ganze Gesellschaft nicht an Cholera und CTyphus dahinstirbt. Mein Reisegefährte mußte sich nicht nur der Schuhe, sondern auch der Strümpfe entledigen, um einen Blick in die Tiefe der Sisterne zu tun und dabei eine Nlase voll „Parfüm“ einzuatmen. Mir als untergeordnetem weiblichen Wesen wars von vornherein untersagt, hinunter zu schauen in den Brunnen der Weisheit. Ich betrachtete mir unterdessen, wie die zahlreichen Pilger sich die Knie an den Säulen und
Gittern rieben, ihr Haupt mit Wasser bespritzten und Reiskörner und Blumenblätter auf die Erde warfen. Andere ließen sich durch Priester die Kastenzeichen auf die Stirn malen, weiß, rot,gelb, je nachdem sie sich zu Brahma, Civa oder Vishnu bekannten. Unaufhörlich wurde an eine Glocke und einen anderen zranzartigen Metallgegenstand geschlagen, und diesem Getöse vermischte sich das wahrhaft sinnverwirrende Geschrei der sich zum Brunnen stauenden und stoßenden Pilger und Beitler.
Hlücklich und geborgen fühlte ich mich daher erst wieder im Wagen. Unsere nächste Station war der Durga- oder Affentempel. Durga, auch Kali genannt, der Schwerzuganglichen, der finsteren Gattin Civas, die jeden Tag blutige Siegenopfer fordert, ist dieser Cempel geweiht. Zugleich bildet er die Zeimstätte der Affen, von denen eine Klasse wenigstens, die Humman Gemnopithecus entellus), in Indien zu den heiligen Tieren gezählt wird.
Die „Vettern“, wie die Inder sie nennen, vermehren sich in Benares im voll2 e 9 Heiligkeit wahrhaft erschreckend, so daß hie und un nsnen muß. Da die Lingebornen die Tötung heie r ee 8 darf dagegen an einen Massenmord nicht e eezuche Zeserins ihr moglichnes. um die zu verletzen. Die Richter sind angewiesen, jeden aufs strengste
Wasserträger.[]Verbrennungsstätte Benares. (5. 492.) [] Die heilige Stadt Benares.
497 zu bestrafen, der sich ein heiliges Rindvieh aneignen oder gar es schlachten würde.Überall auf dem Cande stehen Verzeichnifse der den Hindu heiligen Tiere angeschlagen mit hoher Strafandrohung, falls eines erschossen oder sonstwie getötet würde.
So ist denn das einzige Mittel, sich der Affen zu entledigen: Cuftveränderung.Daß diese jedoch nicht immer zum Siele führt, beweisen folgende Anekdoten:
Cine Anzahl „Vettern“ wurden einst forgfältig in verschiedene geschlossene Ghari verpackt und aufs Land hinausgefahren,um dort ausgesetzt zu werden. Offenbar aber betrachteten die Affen dies als einen zu ihrem Vergnügen veranstalteten Ausflug, eine nette Aufmerksamkeit der englischen Regierung, und als die Wagen leer heimwärts fahren wollten, hockten sie hinten auf und kamen wieder vergnügt nach Benares zurück. Die Kutscher hatten es natürlich nicht gewagt, die „deiligen“ mit dem Stocke wegzujagen.
Ein andermal versuchte man's zu Wasser und setzte die braunen Gesellen aufs rechte unbewohnte Ufer des Ganges. Nachdem sich die armen Vettern dort mehrere Tage grausam gelangweilt und dazu ihr gewohntes reichliches Sutter schmerzlich vermißt hatten, faßten sie eines schönen Morgens einen raschen Entschluß. Sie überfielen und erschreckten den Sährmann damals gab's weder Schiff noch Stahlbrücke dermaßen, daß dieser, der großen Überzahl nachgebend, sie auf der offiziellen Sahrgelegenheit wieder nach Benares übersetzte.
Was gegenwärtig geschieht, um den allzu großen Affensegen einzudäͤmmen, weiß ich nicht. In langer Reihe hockten sie hoch oben auf den roten Mauern des schönen Tempels, während andere im ganzen mochten's zweihundert sein in Gesellschaft einiger Hunde und Siegen uns entgegenliefen. Stürmisch bettelten die Tiere, stürmischer noch die Priester, so daß ich außer stande war, mir die Architektur des Tempels anzusehen.
Während mich die Affen nicht wenig belustigten, war mir die freche Zudringlichkeit der Priester höchst unangenehm. Ungebildet und unverschämt, von dem Aberglauben und der Dummheit des Volkes und der Sremden lebend, gehören die Tempelpriester in Benares zu den niedrigsten aller Brahmanen und werden nicht nur von ihren gelehrten Kastenbrüdern, den Panditen, sondern sogar vom volke verachtet.
Wie die Priester, so ist auch die Religion zu einem rohen, wüsten, niedrigen Setischdienst ausgeartet, in dem keine Spur von den idealen Göttergestalten des Rigveda, noch dem ernsten Suchen nach einem unbekannten Gotte zu finden ist. Von der aus dem Brahman entstandenen Dreieinigkeit: Brahma, Vishnu. Civa, wird
C. von Rodt, Reife um die welt. 32
Affentempel.
[198]Reise einer Schweizerin um die Welt.besonders letzterer in wilden häßlichen Orgien in Benares gefeiert, während der Dienst Vishnus ein milderer, feinerer ist.
Das Kastenwesen treibt in der modernen HinduReligion üppigere Blüten als emals Es wurde mir gesagt, die ursprümglichen vier Kasten spalteten sich gegenwärtig in weit über zweihundert. Cin soindu hoöͤherer Kaste darf keine Speise berühren,welche von einem Manne einer unteren Kaste oder gar eines anderen Glaubens bereitet worden ist. Neben der Surcht vor Dämonen beherrscht den Hindu namentlich die Surcht vor Verlust seiner Kaste. Auch der Glauben an die Seelenwanderung ist bei Gebildeten und Ungebildeten gleich rege. Er hat seinen Ursprung in der Überzeugung, daß Übel aus vorhergegangenem Übel hervorkommt, und daß die Strafe durch darauffolgende Cxistenzen gebüßt werden muß. Der menschlichen Seele drohen nicht weniger als 84 Tiergattungen, die sie durchwandern muß, und ihr sehnlicher Wunsch ist daher, sich frei zu machen von dem qualvollen streislauf all dieser Geburten uind im selben Himmel leben zu dürfen wie Brahma.
Während der große vVolkshaufe diese Sreiheit durch Setischanbetung und Geldopfer an die Priester zu erlangen strebt, suchen die Panditen, d. h. die gelehrten Brahmanen, welche mit den habgierigen Priestern und den abscheulichen Kulten des volkes durchaus in keinem Zusammenhange stehen, ihre Erlösung von der Last all jener Existenzen auf andere Weise. Die Panditen glauben sie durch ein Leben zu erlangen, welches dem Studium der Veda, der Loslösung und Entäußerung von dieser Welt und der Askese geweiht ist. Damit sind sie zur höchsten Erkenntnis gelangt und haben ihrer Meinung nach keine neue Cxistenz, höchstens nur eine Wiedergeburt in göttlicher Würde nach dem Abschluß dieses Leibeslebens zu erwarten.
Unsere Kutscher jeder indische Pferdelenker hat seinen Diener führten uns ungeheißen in den Anand-Bagh-Garten, wo während über zwanzig Jahren ein Mann lebte, welcher in ganz Indien als der „Heilige von Benares“ bekannt war. Dieser Mann, Sree Swami Bhaskaranand Saraswati, wie sein späterer Name lautet, wurde als der Sohn einer angesehenen Brahmanenfamilie im Distrikte Cawnpore 1833 geboren. Srühzeitig schon war er so tief in die alten Sanskritlehren eingedrungen,daß dem achtjährigen Knaben die heilige Schnur der Brahmanen umgelegt wurde.achdem er verheiratet und mit achtzehn Jahren vVater eines Sohnes geworden war,zlaubte er, seine Pflichten gegen die Welt erfüllt zu haben. Er verließ Heimat und Samilie, um in Ujjain weiter zu studieren, dann zog er als Asket durch ganz Indien,betete an allen heiligen Schreinen und entsagte der Welt, um immer mehr zum Philosophen und gelehrten Sanskritkenner heranzureifen. In seinem vierzigsten Jahre kam er nach Benares, siedelte sich im Anand-Bagh-Garten an, wo ihm die Erde als Bett,ein schattiger Baum als Schirm diente. Seine Nahrung bestand aus einigen Bananen und Reis, die ihm der Erstgekommene jeden Morgen spendete, Geld nahm er keines an. Nach dem Urteil seiner Seitgenossen und Schüler war Swami Saraswati ein Philosoph. welchem Gott nicht nur der Weltenschöpfer, Beschützer und Sührer war,sondern das Ceben feines Lebens, die Seele seiner Seele, sein eigenes Selbst.
Der heilige Mann muß einen wunderbaren Cindruck nicht nur auf seine Candsleute, sondern auch auf europäische Besucher gemacht haben. Man fühlte, es war []Am Ganges. (S. 489.)[]Reise einer Schweizerin um die Welt.ihm ernst mit seiner Religion, und dabei soll eine unendliche Milde. Ciebe und liachsicht gegen alle seine Mitmenschen von ihm ausgegangen sein. Am CLingang des Garlens steht sein Marmorbild. Aus den schwarz gemalten Augen strahlte mir ein merkwürdig tiefer, seelenvoller, gütiger Blick entgegen, der mich lange in seinem Banne hielt.
Einer seiner Schüler, ein gelehrter Pandit, hat seine Stelle als Einsiedler im Harten eingenommen, auch er prasentiert sich würdigfreundlich, doch spricht er kein Englisch, wie sein Vorgänger. Wir unterhielten uns vermittelst eines Dolmetschers und bekamen ein Büchlein mit kurzer Cebensbeschreibung des Heiligen. Eine Rupie,die wir dem Panditen dafür etwas verlegen in die Hand drücken wollten, wies er mit Würde ab. Ich erwähne dies, weil wir mit Ausnahme eines anderen Salles,wo es zudem aus Zorn geschah, niemals etwas unentgeltlich in Indien erhalten haben.In der großen Gelehrsamkeit des verstorbenen Heiligen, glaubte man dadurch sein Andenken am besten zu ehren, indem man eine Sanskritschule gründete, welche sechs Panditen und zweihundert Schüler beschäftigt. Sie bestrebt sich, möglichst viel Bildung zu verbreiten nach dem Motto: „Wissen bedeutet Macht!.
Das jetzige Benares ist eine Stadt von ungefähr 250,000 Einwohnern, deren Zahl zuweilen bei Anlaß religiöser Seste bis auf 350,000 Menschen anschwellt.Interessant ist eigentlich nur das sinduDiertel, wo das ganze industrielle Benares in engen Gäßchen und noch engeren Buden lebt und arbeitet. Da werden im kleinsten Raume wunderbare Stickereien auf bunter Seide, formvollendete, in der ganzen Welt bekannte Metallgefäße und Nippfachen gearbeitet, und Goldschmiede üben mit den primitivsten Instrumenten ihre hohe sKunst. Und dabei das Menschengewühl,die bunten Kleider, die Srauen mit den armbandgroßen Nasenringen, die gräßlichen, bettelnden Sakirs! Unseren zweiten Kutscher hatten wir in dieses Cabyrinth mitgenommen, nichtsdestoweniger hing sich ein sogenannter Sührer an unsere Sohlen, den wir weder auf gute noch schlechte Manier los werden honnten. Unbarmherzig hieb er auf all die Eingeborenen, Männer und Srauen, los, damit sie nicht nur aus dem Wege gehen, sondern uns nicht einmal streifen sollten. Unserem republikanischen Sinne widerstrebte diese Behandlung, die sich übrigens viele Engländer dem Hindu gegenüber zu Schulden kommen lassen.
Vvon einem Sträßchen zum andern,
500
Der Peilige von Benares.[]Brunnen des Wissens. (5. 496.) [] Die heilige Stadt Benares.
501 um eine Ecke nach der andern ging unsere Wanderung. Sie schien ebenso unentwirrbar und ebensowenig ein Ende nehmen zu wollen, wie die auf und abwogende Völkerwanderung.
Müde und abgespannt von allem Gesehenen und Erlebten, fuhren wir abends ins Hotel de Paris zurück, das fern vom Getriebe diefer fremdartigen Welt mitten in einem Garten liegt. Dort genossen wir nach zwei auf der Eisenbahn nichts weniger als komfortabel verbrachten Nächten der wohlverdienten Ruhe.
[502]Reise einer Schweizerin um die Welt.stapitel 33.Lucknow unõ Cawnpore, eine Erinnerung au den Mililäraufstanö 1857.wie wir nicht zu Watzler kamen. überall „Certisicate“. Die englischostindijche RKompagnie. Ihre Macht,Blütezeit und Sall. Die Mutiny. Ursachen. cucknow. Die Stadt. Ihre Bauten und Gärten.Die Martiniere. General Martin. Die Residenz. Sir Penry Lawrence. Belagerung und Befreiung.Cawnpore. Nana Sahib. General Wyheeler und die Belagerten in Cawnpore. Nana Sahibs Verrat.Metzelei. Der Brunnen. Unser Rutscher. Das Denkmal. Eingebornenviertel. Schlangenzauberer.Abfährt nach Agra.
Ansere beiden nachsten Stationen nd mehr ihrer historischen Erinnerungen als ihrer Bauwerke wegen besuchenswert. Watzlers Hotel in CLucknow dildet zudem für die „Ostindienresidenten“ einen ganz besonderen Anziehungspunkt, und schon in Birma wurde uns aufs wärmste empfohlen, ja bei Watzler,dem besten Gastwirt Britisch Indiens,abzusteigen. Daß wir nicht in dieses Eldorado gelangt, haben wir dem schlauen Pirt oder Geranten des Hôtel de Paris in Benares zu verdanken. Der Biedere hatte schon bald nach unserer Ankunft gefragt, wohin wir zunächst nach Benares unsere Schritte zu lenken gedächten. Als wir harmlos Watzlers Hotel in Cucknow als nächstes Siel nannten,hieß es:
⁊O very welll Mr. Watzler is aà very dear friend of miné. Ich will ihm D erhalten.“ Richtig sandte uns denn auch der «very dear friend, einen Portier an den Bahnhof, der uns nach dem Hotel brachte. Erst nachdem wir häuslich eingerichtet, bemerkte ich, daß wir uns in einem ganz neuen Sause: «Civil and Military-Hotel- befanden, und Watzler []Straßenbegießer.[504]
Reise einer Schweizerin um die Welt.etwa fünf Minuten davon entfernt lag. Zum Umziehen fühlten wir uns zu mide e war auch schon Abend, und wir befanden uns hier so weit behaglich. So sind wir bei alledem nicht in das „beste“ Hotel Indiens gelangt, wir haben nur gelernt,wie man hier zu Cande Reklamen für ein neues Haus macht.
Eine andere Eigentümlichkeit ist mir in Indien aufgefallen. Bevor man abreist,erscheint der Wirt oder sein Vertreter, meist ein Halfcast, mit einem Buch und der Bitte, ein Certificate, d. h. ein Loblied auf sein Haus hineinschreiben zu wollen.Gutmütigschwach, vielleicht etwas feige, wie in dieser Beziehung die meisten Menschen find, rühmen sie nun in diesem Buch, auch was nicht zu rühmen ist. Sie wollen dem Mann nicht schaden, gehen zudem auch fort, um wohl niemals wieder hieher zu kommen. Nur hie und da steht eine deutsche, derbe Kritik dazwischen, die aber kaum von allen Lesern, am wenigsten von demjenigen, welchem sie gilt, verstanden wird.Was mich anbetrifft, habe ich mich im Salle von Unzufriedenheit einfach geweigert,üͤberhaupt etwas in das betreffende Buch zu schreiben. Die „Seugnissucht! befitzt jeder Sührer, jeder Händler. Auch wenn ich gar nichts kaufte, wünschte man ein Certificate.tier in CLucknow, einem der Punkte, welcher 1857 am meisten durch den furcht„Indien“ unterbrochene Geschichte dieses Landes wieder aufzunehmen. Zunächst wollen wir uns die englischostindische Kompagnie betrachten. Im Dahre 1600 ist sie auf Ansuchen reicher Condoner Kaufleute durch einen Sreibrief der Königin Elisabeth entstanden. Sunächst erhielt die « Governors and Company of merchants of London trading to the East Indies- nur auf fünfzehn Jahre das Privilegium des Handels nach allen Plätzen in Afien, Afrika und Amerika, die zwischen dem stap der Guten ßhoffnung und der MagelhaesStraße liegen. Sugleich war ihr ein eigenes Siegel, ebenso die Wahl eines Gouverneurs und zwanzig Direktoren zugestanden, sowie die Erlaubnis, Korporationsgesetze zu entwerfen. Die mit einem Kapital von 72,000 Pfund Sterling ausgestatteten ersten fünf Schiffe machten glänzende Geschafte. Im Jahre 1608 erwarb sich die Kompagnie vom damaligen Großmogul das Recht des Handels und der Niederlafsung für die Westküste von vorderindien, aber erst 1612 gelang es ihr, die siegreich widerstrebenden Portugiesen zu vertreiben und ihre erste Iliederlassung auf dem Kontinent Ostindiens zu gründen.Auch gegen die ßollãnder hatte sie zu kaämpfen, ehe sie sich 1640 in Madras und am Hugli festsetzen konnte.
Im Jahr 1661 bestätigte Karl II. nicht nur die früheren Privilegien, sondern verlieb der Kompagnie Sivilgerichtsbarkeit, Militärgewalt und das Recht, mit den Unglaubigen je nachdem Krieg zu führen und wieder Srieden zu schließen. Etwas spater erhielt sie zudem Erlaubnis, Sestungen zu bauen, Truppen auszuheben, Kriegsgericht zu halken und Munzen zu schlagen. So begünstigt, machte die Gesellschaft eee D mußte sie sichs gefallen lassen, sich mit einer 8 eer * 9 Namen Vnited East India CompanyIen ve n e nissen Indiens gewann sie großten Einfluß.zosen all ihre Errungenschaften in SüdIndien []Imambara und Moschee in Lucknow. (S. 506.) [] Cucknow und Cawnpore, eine Erinnerung an den Militäraufstand 1857. 505 1763 zu entreißen, sondern auch ihre Herrschast am unteren Ganges zu erweitern und zu befestigen.Klug wußte sie dabei, die zwischen Großmogul und tributären Sürsten und Statthaltern entstandenen Swistigkeiten zu ihrem Vorteil auszunutzen.
In den Jahren 1800 1820 folgte die Unterwerfung der Mahratten nach langwierigem Kriege,1826 diejenige eines Ceiles von Birma. In dem ersten afghanischen Kriege erhielten die Briten zwar eine Schlappe, allein schon ein Jahr darauf,1843, wurde das Land des Emir von Sindh durch sie erobert und zur englischen Provinz gemacht. Von 18451849 lagen sie im Kriege mit den Sikhs, deren CLand ebenfalls genommen wurde,und so kam das ganze Pendschab unter britische Macht. Von 1848-1856 folgten noch eine ganze Reihe Gebietserweiterungen, worunter das Königreich Oudh die bedeutendste war.
Was die Beziehungen der East India Com-pany England gegenüber anbetrifft, hatten sich diese vollständig verändert. Die Gesellschaft war im Laufe der Jahre allzu übermütig und allmächtig geworden, und 1874 wurden ihr zur Strafe für ihre Mißwirtschaft alle souveränen Rechte entzogen. Im Jahre 1814 behielt sie nur noch das Monopol für den Tee, während der übrige Handel allen Briten freigegeben wurde. Nicht genug damit; in Indien bildeten sich Volksvereine, und 1855 wurde eine Petition an das Parlament abgesandt, die Macht der stompagnie ganz zu beseitigen. Der Aufstand der Sepoys steigerte noch die feindselige Stimmung gegen die Gesellschaft, und es erfolgte 1888 die Annahme eines neuen Gesetzes für Indien, wonach die hsHerrschaft der Kompagnie unmittelbar an die Krone England überging.
Die Mutiny, der furchtbare Militäraufstand im Jahre 1857, welcher sich teilweise in Cucknow abspielte, hatte sich seit Jahren vorbereitet. Man klagte, die Verträge mit den einheimischen Sürsten würden nicht gehalten, die Besteurungen wurden von Jahr zu Jahr drückender, die Beamten, Richter und Offiziere saugten das Cand aus und behandelten die Eingeborenen zudem mit tiefer Verachtung. Diese Umftände alle hatten im ganzen großen Reiche einen brennenden hsaß gegen die fremden Herrscher erzeugt und einen Zündstoff gehäuft, der bei der ersten Veranlassung in Slammen ausbrechen mußte. Es bildete sich eine geheime Verschwörung, an welcher die sonst einander feindlichen Mohammedaner und Hindu sich mit gleichem Eifer beteiligten. Diese verschwoörung war um so gefahrvoller, als sie Cingang in die Armee gefunden hatte,die weitaus zum großten Teil aus Cingeborenen, Sepoys, bestand, die, mochten sie an Mohammed oder an die Götter der Brahmanen glauben, im fanatischen Haß gegen die christlichen Unterdrücker übereinstimmten. Waren doch alle höheren Militärstellen in den KZänden der Europäer, die voll Stolz und Übermut sich von den Eingeborenen
PinduFrauen.
[506]Reise einer Schweizerin um die Welt.absonderten, in Luxus und Üppigkeit dahinlebten und sich um das Woh der Inder nicht im geringsten kümmerten. Nur ihrer wenige vermochten sich muhsam aus der großen Masse der Gemeinen auf die unteren Stellen emporzuschwingen, und nur hie und da erlangte der eine oder andere im Alter den Hauptmannsrang.
Ein Umstand eigener Art förderte den Aufruhr im Heere. Man hatte neuerdings Enfieldgewehre eingeführt, die Patronen dazu wurden mit Schweineschmalz und Rindertalg gefettet. Da den Mohammedanern das Schwein ein Greuel, den hHindu das Rind heilig ist, verletzten diese Patronen gleichermaßen die Gefühle der Angehõörigen beider Religionen. Der Aufstand begann am 9. Mai 1857 in Mirut bei Dehli und breitete sich bald über die Garnisonsstädte Horde und Mittel-Indiens aus. Erst im
Jahre 1859 konnte er ganz unterdrückt werden, und die Grausamkeit der Engänder stand jetzt derjenigen der Inder kaum nach.Cucknow, die Hauptstadt des erst ein Jahr vorher annektierten Königreichs Oudh, wurde der Schauplatz einer monatelangen Belagerung.Cucknow oder Lakhnau ist mit seinen 280, 000 inwohnern die viertgrößte Stadt des britischindischen Reiches. Ihre Sehenswürdigkeiten verteilen sich in die Spuren jener denkwürdigen Belagerung und in die ganz modernen Bauten der ehemaligen welche ein wunderbares Gemisch von französischeitalienischem Stile bilden.
Schon in aller Srühe fuhren wir zur Imambara, einem mohammedanischen Riesenbau, mit Moschee, weitem ßofe und tiefem Marmorbrunnen. Von da zum Kaiserbagh, einem viereckigen, schön gehaltenen Gartenplatz, um welchen sich die Palastbauten ziehen. Sie müssen mir entweder sehr wenig Eindruck gemacht,oder ich muß an jenem Morgen besonders abgestumpft gewesen sein, denn sowohl Tagebuch als Gedächtnis schweigen vollstaäͤndig darüber. Auch die verschiedenen end re ziehen in so unbestimmten Umrissen an mir vorüber,aß ich eine Beschrei ni nur die m v F 2 αartinière und verschiedene Baghs.uheren meist auf hügligem Terrain angelegt, wetteifern Kunst und Natur in bildet 8 de resche Parks hervorzuzaubern. Auch hier, wie in Singapur,unkelrote Erde einen schönen Kontrast mit dem saftigen Grün des Rasens.
Mehlmahlende PinduFrau.[]Banketthalle in Lucknow. (5. 500.)
[508]Reise einer Schweizerin um die Welt.den dunkeln eleganten Araukarien und den in jedem windhauch sich bewegenden,feingefiederten Palmen. Rot schimmerten dazwischen Poinsettia- und SlamboyantBäume, und feurig in purpurner Sülle rankte sich an jede Mauer, jedes Gartentempelchen die Schmetterlingsblüte der Bougainvillea. Wingfields.Park gebührt die Krone unter den Gärten Cucknows.Das eigentümlich barocke vieltürmige Schloß, welches weithin sichtbar aus hohen Bäumen emporsteigt, ist die Martinieère, der Phantasiebau des Sranzosen Martin.wie ein indisches Maärchen klingt die Geschichte General Martins, des Sohnes eines Böttchers aus Cyon, welcher als gemeiner Soldat nach Indien kam und allmählich immer höher stieg, bis er zum Range eines Generalmajors gelangte. Sugleich mit seiner Stellung wuchs auch fein Reichtum. Was er anrüuhrte, verwandelte sich gewissermaßen in Gold, und bald kam er in den Sall, dem Nabob von Oudh, in dessen Dienste er 1776 getreten war, bedeutende Summen zu borgen. Dies und erfolgreiche IndigoKultur machten ihn zum steinreichen Manne. Man erzählt, der Nabob haätte ihm für die Martiniere eine Million Pfund Sterling angebolen. allein beide starben, bevor der Bau ganz vollendet war. Sein großes Vermögen bestimmte General Martin in seinem Testamente zur Gründung einer Erziehungsanstalt. Als die Martiniere im Jahre 1800 vollendet war., zogen über 100 Knaben in den Neubau, und seit dieser Seit werden hier jeweilen 150 bis 200 mittellose Curopäer und Halfeast-Knaben zusammen unentgeltlich erzogen.hebe S der Kapelle. Bei dem Aufstande ys F z3 eine zerstreut. Die Engländer konnten sie wurde das Monument erneut. Es stellt r vor, inen einfachen Sarkophag behütet.Dann fuhren wir nach der Residency oder Bailie Gucd.16. Mai bis zum 23. Noreaber 1887 1800 m uard. n welcher rom *2 ann und 800 Srauen und Kinder in täglicher Codesgefahr, unter Krankheit und Entbehrungen aller Art, ein eingeschloffen waren und sich gegen 15,000 Rebellen zu verteidigen hatten. Cady Inglis, die Gattin des Befehlshabers jener Garnison, hat ihr Tagebuch aus jener Zeit veröffentlicht.
BailieTor in Lucknow.[]Cucknow und Cawnpore, eine Erinnerung an den Militäraufstand 1857. 509 Mit ihren drei kleinen Kindern gehörte sie zu den Belagerten der Residenz. Sie sah ihre Sreunde dahinsterben, litt Mangel aller
Art und erkrankte dabei noch an den Pocken. Wie viel Leid,
Blut, Krankheit und heldenmütige Aufopferung stehen in den schlichten, einfach geschriebenen Seilen! Ich hatte das kleine Buch wenige Wochen vor meiner Abreise gelesen, und als ich durch das Bailie-Tor den
Schauplatz jener furchtbaren Tragödie betrat, vermeinte ich, schon einmal in der Residenz gewesen zu sein. Geradeswegs schritt ich auf das Paus Dr. Sayrers zu, wo der Generalmajor, Sir Henry Cawrence, der tapfere, edle, fromme, erste Verteidiger jener Garnison,den 4. Juli 1857 den Heldentod erlitten.
Die verschiedenen Gebäude, aus denen die Residenz bestand, sind in einem großen,646 Meter langen Park zerstreut. Ein sauch von Srieden, von Seierlichkeit herrscht hier, als stände man auf geweihtem Grund. Unwillkürlich tritt der Suß leiser auf und die Stimme fällt zum Slüsterton herab. Nur die englische Slagge oben auf dem Turme rauscht laut im Winde. Die Slagge, welche auch während jener Schreckensmonate der Belagerung niemals von ihrem Standort verschwunden war. Und diese Ruinen, die beredtesten, rührendsten, die ich gesehen, die stummen Seugen jener furchtbaren Seit! Wie die Wunden in den Herzen der am Leben Gebliebenen allmählich vernarbten, so hat sich auch an das zerschossene und zertrümmerte Gemäuer leise und lind grünes Sweigwerk geschmiegt. Maréchal Niel-Rosen ranken in üppiger Sülle an Pfeilern und Säulen empor, und die purpurne Bougainvillea,mein Liebling, quillt wie ein Blutstrom an den Mauern hinunter. Was Konnten sie alles erzählen, die stummen Steine der großartigen Banketthalle, die, der Schauplatz fröhlicher Offiziersgelage, jetzt während der Belagerung in ein Hospital verwandelt wurde. Cod, Jammer und Schmerz zogen hier ein, und kein Chloroform war mehr da, um die Qualen der armen Verwundeten zu lindern, ihre Schmerzen zu betaäuben!
Wir durchwanderten wie im Traume die verwüsteten Häuser, schritten über den grünen Rafen, unter den so viele Minen gelegt worden waren, zogen um die verschanzungen, erstiegen den Hügel, den ein großes, marmornes Erinnerungskreuz schmückt, und standen lange auf dem Turme, von welchem aus man das ganze Belagerungsterrain überblichen kann. Su unseren Süßen lag ein kleiner, überfüllter,wohlgepflegter Sriedhof. Dort schlummern zweitausend Maänner, Srauen, Kinder der Auferstehung entgegen, die englischen Opfer der schrecklichen Mutiny. Ein ganz
[510]Reise einer Schweizerin um die Welt.einfaches Monument bezeichnet das Grab Sir soenrn Cawrences. Schon mit dem Tode ringend bat er, ihm folgende Inschrift zu setzen:Hier liegt Heinrich Lawrence,
Welcher versucht hat, seine Pflicht zu erfüllen.Gott sei seiner Seele gnädig!Geboren den 28. Juni 1806.Gestorben den 4. Juli 1867.Drei Monate lang harrten und hofften die Belagerten auf Hülfe. Endlich, Ende September, traf sie ein, die kleine Heldenschar des Generals Havelock, welche von Kalkutta aufgebrochen war, um den bedrängten Waffengefährten beizustehen. Durch Sümpfe und Morast, durch Barrikaden und Haufen von Rebellen führte ihr Weg.Cholera und Sieber hatten sich an ihre Sersen geheftet, und ein heftiger Kampf bei Satehpur ihrer gewartet. Als Sieger gingen sie daraus hervor. Schrien doch auch Cawnpores Greuel um Rache. Endlich stieß General Outram mit Verstärkungen zu sdavelock, und Ende September erreichten sie Lucknow. Aber noch hatte die Erlösungsstunde nicht geschlagen. Während die Sahl der Rebellen in der Stadt immer größer geworden, war die Garnifson in der Residenz täglich geschmolzen. Havelock und Outram hatten nicht mehr als 2600 Mann mit und schlugen sich daher mit schweren Verlusten durch zu den Eingeschlossenen, welche sie als rettende Engel jubelnd begrüßten.Bald gelangte man jedoch zu der traurigen Erkenntnis, daß es unmöglich sei, mit der geringen Mannschaft, mit all den Srauen, Kindern und Kranken die Schwärme der Rebellen zu durchbrechen. Man mußte sich entschließen, gemeinsam neuer Verstaäͤrkungen zu harren.
Taglich waren indessen die Rationen kleiner, die Belagerten erschöpfter geworden.Da endlich kam die Rettung: Sir Collin Campbell mit 7000 wohlbewaffneten Soldaten. Die Sitadelle wurde gestürmt, die so lange Eingeschlossenen den 23. November befreit. Acht Tage später starb General savelock an der Cholera.
Erst im Marz 1868 konnte nach fünftägigem, mörderischem Kampfe die Stadt Cucknow erobert werden. Surchtbar war die Rache der Engländer, zu Hunderten ließen sie die Sepoys vor die Kanonen binden und „wegblafen“, oder am Galgen sterben. In mannshohen Haufen wurden die Leichen aufeinandergeschichtet. mit wunderbarer Kaltblütigkeit ertrugen die Rebellen Marter und Cod, ja, sie drängten fich vor die Mündung der Mordgeschütze, um desto rascher des verzweiflungsvollen Daseins ledig zu werden.
Mit Trauer im Herzen verließ ich das jetzt wieder stattlich aufblühende CLucknow, Itn so viel Cod und Tranen gesehen, und füglich hätten wir
Abalen Cawnpore Rhanpur) beiseite lassen können, denn sie follte uns auf neue Gräber, zu neuen Stätten des Greuels bringen.uf anh * uns unmittelbar vor Erreichung des Ziels
34 nges führte, waren wir in Cawnpore. Da unser Reisebuch den dortigen Gasthöfen wenig Cob zollt, beschlossen wir, wie die Reisenden es meistens tun, einen Zug zu überschlagen, vier oder fünf Stunden in []Ruinen der Residenz in Lucknow. (5. 608.)
[512]Reise einer Schweizerin um die Welt.Cawnpore zu weilen und dann zu der freilich ungemütlichen Stunde von ein Uhr nachts in Agra einzutreffen.
Durch zollhohen Staub wateten wir dem kleinen Hotel gegenüber dem Bahnhofe zu. Es lag buchstablich in Rosen gebettet, freilich waren die schoöͤnen Blumen nahezu bis zur Unkenntlichkeit mit einer weißen Schicht überzogen. Schon in Lucknow hatten wir viel Staub geschluckt, und von nun an sollte er eine unserer Plagen in Indien bilden. Wenn ich daran zurückdenke, werde ich mich hier niemals mehr über den Staub beklagen, was ist er im vergleich zu demjenigen eines Candes, wo es monatelang, in einigen Gegenden jahrelang nicht regnet?
Cin Wagen war bald bei der Hand, und nun begann eine Wallfahrt von einer Grab, einer Erinnerungsstätte zur andern. Ungeheißen hielten der Kutscher, ja, mir schien auch die Pferde vor jeder Inschrift, sie waren es so gewohnt.
In Cawnpore hat die Mutiny am gräßlichsten gewütet. Hier stellte sich Nana Sahib, der Sohn eines Brahmanen im Dekhan, den der letzte Peschwa der Mahratten an Kindesstatt ängenommen hatte, an die Spitze der Cmpörung. Er war ein kluger Mann, der europäische Bildung besaß, die Engländer aber glühend haßte, weil sie seine Ansprüche auf das Erbe seines Adoptivvaters nicht anerkennen wollten.
Den 6. Juni 1857 begann er, die kleine Garnison mit ihrem Kommandeur Sir sough Wheeler, zu belagern. In aller Cile hatte dieser in ein durch Holzbuden und Gruben flüchtig befestigtes Lager etwa tausend Engländer, worunter mehr als die
Gesellige vereinigung. Straßenleben in Cawnpore.[]GO 8*
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Gitterwand im Tadsch. (5. 518.) [] Cucknow und Cawnpore, eine Erinnerung an den Militäraufstand 1857.
513 sdälfte Srauen und Kinder waren, unter den Schutz von 8300 Soldaten gestellt. Drei Wochen lang ertrugen die Belagerten Hunger, Erschöpfung und einen erbarmungslosen Kugelregen, der von allen Seiten auf fie einfiel. Die Toten wurden von ihren Leidensgenossen in einen tiefen Brunnen innerhalb der Befestigung gelegt, und ihre Zahl stieg auf 2580. Ein Kreuz bezeichnet die Stätte und eine Inschrift üͤberliefert ihr Andenken der Nachwelt.
Am 27. Iuni versprach Nana Sahib General Wheeler, falls er kapituliere, freien Abzug ihm und seinen Schutzbefohlenen gewähren zu wollen.
Mit Angst, von trüben Ahnungen erfüllt, verließen etwa 460 Personen das
Cager und begaben sich an das Ufer des Ganges, wo Kähne in Bereitschaft lagen, um sie stromabwärts zu führen.saum aber hatten sie die Sahrzeuge bestiegen, so wurden sie mit Seuerkugeln beschossen, wodurch diese in Brand gerieten.
Allen drohte der Cod in der schrecklichsten Gestalt; wer den Slammen oder den Wellen entrann, fand seinen Untergang durch Slintenschüsse und die Säbelhiebe der Sepoys.bier Manner nur konnten sich durch Schwimmen retten, sie allein blieben lebendige
Zeugen des furchtbaren Blutbades in Cawnpore. Nana Sahib hatte zwar inmitten der Metzelei Befehl erlassen, keine Srauen mehr zu toten, und infolgedessen waren bei 130 verwundete und halb ertrunkene Srauen und Kinder in die Stadt zurückgebracht und im sogenannten gelben Haus eingesperrt worden, nur um etwas später um so gräßlicher hingemetzelt zu werden.
General Wheeler und seine Soldaten waren unterdessen gefangen nach Cawnpore zeschleppt worden, wo sie der Reihe nach aufgestellt und, sich die Hände reichend,fämtlich erschossen wurden.
Aber jetzt nahte die Vergeltung. General Havelock stand vor den Toren der Stadt. Noch eine Bluttat beging Nana Sahib. Er ließ die wenigen Gefangenen,die noch lebten, und die Srauen und Kinder aus dem „gelben Hause“ herausreißen und durch Henker mit Schwertern und langen Messern dahinschlachten. Bald hörten zwar die Schreie auf, allein das Stöhnen klang noch die ganze Nacht hindurch. Am andern Morgen wurden die Toten und die Sterbenden, auch einige nahezu unverletzte Kinder, in einen tiefen Brunnen geworfen.
Wenige Tage darauf erlitt Nana Sahib und sein Heer eine gänzliche Niederlage.Slüchtigen Sußes eilte der verräterische Heerführer feiner Stammburg Bithur zu, allein
C. von Rodt, Reise um die Welt 33
Schlangenbändiger. (5. 516.)
[314]Reise einer Schweizerin / um die Welt.Sslammen schlugen ihm dort entgegen, und weiter floh er nach Nepal. wie und wann er auf dem Wege dorthin zu Grunde gegangen, weiß niemand, seine Spur war verloren auf alle Seiten.
Man begreift den Schmerz, die Wut der englischen Soldaten, als sie in jenen Brunnen hinunterschauten. „Ich sah hinab“ schreibt ein Offizier „solch Ungeheuerliches habe ich niemals gesehen und hoffe niemals Ahnliches wieder zu sehen in meinem ganzen Leben. Die Koörper waren nackt, die Glieder abgehauen. Ich habe den Cod in allen möglichen Sormen gesehen, in dieses Brunnenloch aber konnte ich nicht mehr schauen.“ Ein Morden ging los gegen die Sepoys, bei welchem oft die rohesten Henker in Ohnmacht fielen, und Greuel kamen vor, die jenen eben geschilderten kaum nachstehen.
Unser HinduKutscher war wohl geschult. Mit Empörung sprach er in feinem gebrochenen Englisch von den Bluttaten seiner Landsleute an den weißen Überwindern,von den Leiden seiner Stammesgenossen erwähiite er kein Wort. Wir hatten ihm gesagt, daß wir keine Engländer wären. Hielt ihn dennoch die Surcht ab, eine Canze zu brechen für seine gemordeten Brüder, oder ist jeder Sunke Sreiheitsliebe und Patriotismus in diesem geknechteten Volke erlosche?
Wir standen vor dem schrecklichen Brunnen, den die Pietät der Überlebenden in eine liebliche Stätle verwandelt hat. Ein Hügel wölbt sich jetzt darüber, auf welchem ein schönes gotisches Oktogon sich erhebt. In der Mitte steht die weiße Marmorstatue des Engels der Auferstehung. Die Arme über die Brust gekreuzt, hält er in jeder dand eine Sriedenspalme. Auf dem Monumente stehen folgende Worte:
Diese sind es, die gekommen sind aus großer Trübsal“, und darunter: Gewidmet dem ewigen Andenken an viele Christen, befonders Srauen und Kinder, welche hier in der Nähe grausam von den Dienern des Rebellen Nana gemordet und sterbend und gestorben vereint in den tiefen Brunnen hinuntergeworfen worden sind den 5. Juli 18853.
Meine Augen füͤllten sich mit Cränen, kaum konnte ich den Schluß der Inschrift lesen. Noch zu andern Erinnerungsstätten sollten wir geführt werden, allein für mich war das Maß des Traurigen zu viel geworden.
„Was, Lordship und Ladyship, nicht einmal den Ghat, wo die Engländer auf den brennenden Schiffen zu Grunde gingen, wollen Sie sehen“, meinte vorwurfsvoll der Rutscher. Nein. wir sind ja keine Engländer, keine Lord. und Ladyship“.Aber die Sahib und Memsanib (sderren und Damen) lieben es alle, so genannt zit 9 um Ihnen zu gefallen“, wimmerte die feile Roffelenkerseele.sie auf einer hohen Tempelmaug igen Affen. Ahrer fünf oder sechs hockten
4 h Iempelmaner. Die mit weißem Haar umränderten Gefichter gaben ihnen eine täuschende Ähnlichkeit mit ehrwürdigen, bärti l Mit großem Geschick fingen sie die Gaben auf, wel 92 raen aiten W Straße spendeten, aber wehe, wenn eine an w qe ihnen ihre Gonner auf der war, mit Wucht wurde * dem nne oerfehlte niemals ihr Siel. an den Kopf geworfen und []Der Gedächtnisbrunnen in Cawnpore. (5. 514.[52]5.20
Reise einer Schweizerin um die Welt.Cawnyore ist eine sehr belebte Stadt, die übrigens mehr als 185,000 Cinwohner zählen soll. Wie in Benares werden in den engen Straßen des Eingeborenenviertels alle möglichen Industrien betrieben.
Zum erstenmal sah ich hier einen sogenannten Schlangenzauberer (nake charmer).In einem Korbe hielt er zwei Kobra, die durch Entfernung der Giftzähne unschädlich gemacht zu werden pflegen. Auf den Ton einer Art Slõte hin belebten sich die Tiere sofort, richteten sich hoch empor, blähten den glatten Kopf auf und horchten, sich leicht im Takte wiegend, mit Entzücken auf die sanfte Melodie. Als diese verklungen war, legten sich die beiden in ihren Korb zurück. Ein für mich viel jammervolleres Schauspiel war der Kampf einer Schlange mit einem Ichneumon. Letzterer, eine Art Marder, gilt für den erbittertsten Seind giftiger Reptilien. Mit einem Sprunge hatte er blitzschnell die Kobra um den Hals gepackt und ihn anscheinend durchbissen.Tot, starr und steif lag die Schlange lange Seit da, und ihr Besitzer reichte sie zum Befühlen im Kreise herum. Dann fing er eine lange Beschwörung an und beträufelte mit einer Slussigkeit die tiefe Halswunde, welche sich sofort schloß. Abermals wurde zur Slöte gegriffen, bei deren Cönen die Schlange sich neu belebte. Anscheinend gesund wurde fie hierauf in einen Sack gepackt und zu neuer Marter aufgehoben.
Natürlich mußten wir als einzige Sremde die Kosten der Unterhaltung allein bestreiten. Neue Tiere wurden offenbar zu unsern Chren aus Säcken geholt, allein ich hatte genug des graufamen Spiels.
Nach gutem Diner verließen wir Cawnpore, kamen mitternachts in Tundla an,woselbst eine höchst unangenehme Umsteigerei unser wartete, und fröstelnd und müde erreichten wir nachts zwischen ein und zwei Uhr Agra, die Residenz Akbar des Großen,die Stadt des Tadsch.
7 [] Taj Mar []S. 517.) []
Agra und Sathepur, die Schöͤpfungen eines großen Kaisers.
Agra und Sathepur, die Schöͤpfungen eines großen Kaisers.
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7
Agra uns FJathepur, die Schöpfungen eines großen Raisers.
Der Tadsch. Akbar der Große. Sahrt nach Sikandra. Ziehbrunnen. Akbars Grab. Sein Sarkophag.Musizierende Jugend. Mausoleum des Persers I'ti madudaulah. Parmonie zwischen Runsiwert and Umgebung. Ausflug nach FathepurSikri. Reges Leben auf der Straße. Dak Bungalow.ßrab Salim Chistis. Siegestor. Kin gewaltiger Sprung. Bir Bals Paus. Paus der türkischen königin. Die drei Srauen Akbars. Mirjams Paus. Paus der Träume. Panch Mahal. Piram Minar. Sort in Agra. Palastbauten. Die letzten Jahre Shah Jehans.
Ner späten Ankunft ungeachtet, fühlte ich mich am folgenden Morgen früh zeitig tatenbereit und munter. Im Gedanken an den Tadsch war jede Müdigkeit verschwunden. Mein Reisegefährte schien weniger bei der Hand. Als ich ihm jedoch von seinen beiden Landsleuten erzaäählte, die wie wir, von Cucknow und Cawnpore kommend, Agra verlassen hatten, ohne den weltberühmten Tadsch gesehen zu haben, war es ihm denn doch darum zu tun, die Ehre Amerikas zu retten. Als man nämlich jenen zweien auf ihre Srage hin „Was ist der Cadsch?“ geantwortet: „Ein Grabnal“, sollen sie gefagt haben: „O, wieder ein Grab. nein, davon haben wir übergenug gesehen, laßt uns lieber ans Pferderennen nach Bombay reisen!“ Die beiden haben wirklich Agra verlassen, ohne den schönsten Bau Indiens, das herrlichste Grabdenkmal auf der Welt, gesehen zu haben.Was ist der Tadsch oder Taj, möchten auch hier manche fragen? Die gewiß etwas unklare, wohl recht unlogische Antwort drängt sich auf meine Lippen:
[5148]Reise einer Schweizerin um die Welt.Denken Sie sich das Herrlichste, was Kunst und weißer Marmor hervorzubringen vermögen.“
Bild und noch weniger eine Schilderung, auch von der glänzendsten Seder,kann den wunderbaren Reiz, die üͤberirdische Schoönheit des Tadsch anderen klar machen! Eine Schönheit, von der noch nie jemand, wie hoch auch seine Erwartungen gespannt sein mochten, enttäuscht sich abgewandt hat. Ja, glücklich derjenige, welchem es vergönnt ist, den Tadsch zu fehen! Es gibt Landschaften, auch Werke von Menschenhand, deren Anblick denjenigen, welchem er zu teil geworden, gleich einen kostbaren Besitz durchs Leben begleitet. Das fühlte ich angesichts dieses ,Craumes in Marmor“!.Die naämliche Empfindung hatte sich meiner beim Anschauen der wunderbaren NiagaraSälle, und einstmal oben auf der Akropolis in Athen bemächtigt.
Der Tadsch, das schönste Denkmal trauernder Gattenliebe, befindet sich sonderbarerweise gerade in Indien, dem Lande, wo die Srau am wenigsten Ansehen genießt.
Der Großmogul Shan Jehan hat ihn zu Chren seiner Lieblingsgattin Arjimand Banu, oder MumtazeiMahal, „die Auserkorene des Palastes“, wie dieser Name in der Übersetzung lautet, erbaut. Mumtazi-Mahal ist 1629 gestorben; der Bau ihres Grabdenkmals ist ein Jahr später begonnen worden und hat, um gleich mit der leidigen Statistiß fertig zu werden, 17, nach anderen gar 22 Jahre gedauert.Man schätzte die Zahl der Arbeiter auf 20,000, die Kosten auf nahezu 32 Millionen Rupien. Aus Jaipur kam der weiße Marmor, China lieferte den Bergkristall, Tibet CTürkisen, Persien Onyrx und Amethnysten, Bagdad Karneolsteine, Ceylon Saphire und Capis Lazuli, Arabien Korallen, und Indien endlich Diamanten und Granaten.
Aus diesen Edelsteinen sind Mofaik und Arabesken entstanden, deren heraldische Blumen sich in köstlichen feinen Girlanden, namentlich um die schneeweißen Marmorwände der Innenräume und die beiden Sarkophage, winden. Koransprüche und feine Cinienornamente, meist aus buntem Marmor eingelegt, schmücken die Sassade, und nur am Suße zeigen die weißen aufgestellten Marmorplatten große steife, aber wunderbar gearbeitete Blumen, die weiß im Hßochrelief aus dem weißen Stein hervortreten.
Im hochragenden Kuppelbau, der sein Licht gedämpft durch die Türe und einige durchbrochene Marmorplatten empfängt, stehen hinter einer DDOartigen Gitterwand die beiden Sarkophage. Es sind Kenotaphe, d. h. die beiden Toten ruhen nicht hier, sondern in zwei genau diesen entsprechenden Sarkophagen im Untergrund. Die Sarge sind mit wunderbaren Intarsien geschmückt, derjenige der Mumtazi Mahal ist der bei weitem reichere, jener Shah Jehans aber etwas höher gestellt.Der Kaiser hat den Gedanken gehabt, auf dem gegenüberliegenden Ufer des JumnaSlusses einen zweiten Tadsch als Ruhestätte für seine eigenen Gebeine zu erbauen,Aen als das Werk gerade im Beginne war, und sein Sohn Aurangzeb,hon bei Lebzeiten des Vvaters die Herrschaft an sich gerissen, hat ihn einfach an der Seite seiner Gattin bestatten lassen.Der F * 7 pem hiner ane we du Echo, Allah klang's weich und har31 Ro 9 e F ah tönte es lauter wieder von der mit u und verzierten hohen Kuppel.[]Fathepur. Der vierstöckige Bau links vorn ist Panch Mahal. (5. 530.)
[540]Reise einer Schweizerin um die Welt.Die Sassung entspricht der Perle. Der Tadsch liegt mitten in einem großen,herrlichen Garten. Ceise murmeln die Springbrunnen, die sich in langer Reihe vom hohen Eingangstor bis zum schneeweißen Grabdenkmal ziehen, leise auch flüstern die dunkeln Bäume, die farbenprächtigen, duftenden Blumen. Unhörbarer noch als sonst fällt hier der Schritt des braunen Sohnes Indiens, und auch der Mund des geschwätzigsten Globetrotters wird stumm beim Anblick dieses Wunderbaues.
In unvergänglicher Pracht blüht und grünt der Garten Sommer und Winter,und nahezu das ganze Jahr wölbt sich ein tiefblauer, leuchtender immel uüber dem Tadsch. Als ob Himmel und Erde sich vereinigen wollten, seine Schönheit zu heben,
Moschee in FathepurSikri.so verleiht ihm jede Tages-, ja auch Nachtstunde einen neuen Zauber. Man weiß nicht, bei welcher Beleuchtung, zu welcher Seit man dem Tadsch die Palme der Schönheit reichen möchte. Im geheimnisvollen Zwielicht des kommenden Morgens,in der glühenden Sommerpracht des Tages, im Slammenmeere des untergehenden Helios, im zarten Silberglanze des Mondes zeichnen sich immer neu, immer zaubervoll die klassischen Schönheitslinien der schneeweiß leuchtenden Kuppel, der vier schlanken, gen Himmel weisenden Minarets ab und künden immer wieder aufs neue das Cob jener indischen Sürstin, die ihrem Manne die „Erkorene oder die Perle des Palastes“ gewesen ist.
Agra teilt mit Dehli den Ruhm, eine der indischen Prachtstädte zu sein. Ihre Bauten stammen aus der Glanzperiode des Kaiserreiches Hindostan und verkündigen []Tor zum Grabe Albars in Sikandra. (5. 522.) [] Agra und Sathepur, die Schöpfungen eines großen Kaisers.
1 der Nachwelt nicht nur den märchenhaften Reichtum der Großmogule, sondern mehr noch ihr feines Kunstverständnis. Ich weiß nicht,welcher Künstler diese indischen Kaiser mit „Citanen verglichen hat, welche den Plan jener Burgen und Bauten entworfen und ausgeführt, fie aber als Goldschmiede und JZuweliere vollendet haben“.
Ein Name tritt leuchtend in ihrer Reihe hervor: Akbar. Den „Großen“ haben ihn nicht schmeichelnde Höflinge, sondern die streng abwägende Weltgeschichte genannt. Der slame, welchen ihm sein Volk gegeben, ist eigentlich noch schöner, er heißt: „Hirte des Nenichengeschlechtes.“
Akbar Jelladdin Mohammed, der großte und weiseste aller indischer Kaiser,wurde den 14. Oktober 1542 zu Amarkote in Sindh geboren. Sein vater sHumajun war damals ein unglücklicher Slüchtling, den der afghanische Statthalter Sher Khan des Chrones beraubt hatte. Humajun holte sich in Persien ein Heer und gelangte 1s56 mit Hülfe desselben wieder in Besitz Agras und Dehlis. Ganz kurz darauf starb er, und der kaum vierzehnjährige Akbar wurde Großmogul.
Der Knabenkaiser regierte zunaächst unter der Vormundschaft seines Großwesirs Bahram Khan, sehr bald aber machte er sich selbständig, und immer mehr prägte sich in seinem Charakter jene merkwürdige Mischung von straft und Weichheit aus,die seine Größe bildete. Gewaltig nach außen, schlug er die Empörer, dehnte seine Eroberungen über das ganze nordliche Hindustan, einschließlich Kaschmir, das heutige Afghanistan, Gudschrat und die Indusländer aus. Nach innen gütig und milde,gerecht, versöhnlich seinen Seinden gegenüber, trachtete er nach allen Kräften, seinem Dolke wohlzutun. Er hob die inländischen Getreidezoöͤlle auf, befreite die Candarbeiter vom Kriegsdienst, verbot die gewaltsame Eintreibung der Geldgeschenke. Er beförderte Industrie und Landwirtschaft, Kunst, Poefie und Wissenschaft.
Vor allem aber leuchtet die religisse Duldsamkeit Akbars hervor, die ihn weit über alle seine Seitgenossen erhob. Den Hindu und Mohammedanern errichtete er Schulen, auch den Christen zeigte er sich freundlich gesinnt. und den vielverfolgten Harien gestattete er freie Ubung ihrer Religion.
Akbar war ein Suchender nach göttlicher Wahrheit. Von Geburt ein Mohammedaner, widerstand die starre Unduldsamkeit und Ausschließlichkeit der Koranbekenner seinem großen Herzen. An seinen Hof berief er gelehrte Panditen, Parsi- und Lama
Ziehbrunnen.
[522]Reise einer Schweizerin um die Welt.priester, aus Goa ließ er portugiesische Missionare kommen und die vier Cvangelien ins Persische übersetzen. Aus diesen verschiedenen Religionen hat Akbar sich eine neue gebildet, die er felbst den „göttlichen Glauben“ nannte. Dem Christentum und dem Islam entnahm er die Idee des einen Gottes, dem Brahmanismus die Moral der Seelenlehre und den Parsen die Sormen ihres Gottesdienstes.
Akbars nach außen so glänzende, glückliche Regierung wurde nach innen durch ungeratene Söhne schwer getrübt. Der Tod hatte ihm Swillingsknaben in zartem Alter geraubt, ein dritter endigte als Crunkenbold, und der vierte, Salim, welcher sein Nachfolger unter dem Titel Jehangir werden sollte, empörte sich öfter wider den vater und verursachte ihm manche trübe Stunde. Akbar ist den 18. Oktober 1605 in Agra gestorben. Sein Grab liegt in dem acht Kilometer entfernten Dorfe Sikandra. Dieses bildete denn auch das Siel unserer Nachmittags-Ausfahrt.
Cine lange, staubige, einförmige Allee führt hin. Staubschwer und grau hängen die Blaätter von den Bäumen herunter, und die ganze Landschaft sieht einer Wüͤste gleich, aus der sich nur hie und da die Trümmer verfallener Grabstaätten erheben.will sich der Landmann einen grünen Sleck, und seiner Samilie Wafsser sichern,so muß er einen tiefen Schacht graben und zwei Ochsen anstellen. Diese werden auf einem, zum erhöhten Brunnenrand ansteigenden Erddamme hin und hergetrieben und setzen dadurch das über ein schmales Rad laufende Seil in Bewegung. Das oder die daran befestigten Schöpfgefäße, welche das Wasser aus der Tiefe bringen,bestehen aus großen Lederbeuteln.
Akbars Grab liegt in einem schönen, stillen Garten, zu dem, wie beim Tadsch,ein mächtiges Cingangstor führt. Habe ich seiner bei der Beschreibung des Tadsch nicht erwähnt, so will ich jetzt hier das Sikandra-Tor näher beschreiben und, was noch besser, es im Bilde vorführen. Seiner Größe nach verdient es eher den Hamen eines Prunkgebäudes als einer einfachen Eingangspforte. Ein herrlich Kunstwerk fürwahr, aus rotem Sandstein von oben bis unten, mit feinen Ornamenten von weißem Marmor eingelegt und förmlich übersäet! Auch die Minarets, welche sich an den vier Enden des flachen Daches erheben, sind weißer Marmor. Hohe, steile Treppen, wie alle in Indien, führen auf die Terrasse, die das Gebäude krönt. Von hier aus sieht man Akbars Grabgebäude, das er sich noch zu Lebzeiten errichtet.Gerade gegenüber und darüber hinweg glänzen die gelblichen Wasser des Aumnaflusses.Im Westen steht die evangelische Missionsanstalt. Sie hat sich in den Crümmern des prunkvollen Mausoleums angesiedelt, welches Akbar seiner christlichen Srau namens Mirjam dereinst erbaut hat. Ganz in der Serne, in südwestlicher Richtung, taucht in leichten Dunst gehüllt die gewaltige Steinmasse des Siegestors der Stadt SathepurSikri empor, Akbars Stadt, die wir morgen besuchen wollen. Im Südosten steht der Tadsch und die Stadt Agra mit ihrer trutzigen, roten Seste.
Cin breiter, wohlgepflegter Weg führt zum Grabgebäude Akbars, dessen Anlage ganz anders ist als alle übrigen. Viel wuchtiger, sozusagen männlicher als der ideale Tadsch, macht auch dieses Mausoleum einen großen Eindruck. Vier Cerrassen, die sich nach oben verkleinern, türmen sich übereinander. Drei find aus rotem Sandstein, die vierte, oberste aus weißem Marmor. Säulengänge mit schönen Bogen laufen um alle []
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Daus der türkischen Königin in Sathepur. (5. 530)
[524]Reise einer Schweizerin um die Welt.Terrassen. Die Außenwand der obersten besteht aus ganz durchbrochenem weißem Marmorgitterwerk, jede Süllung weist eine verschiedene Seichnung. Ich habe derartige Arbeit nirgends auf der
Welt, ausgenommen in den Prachthdauten Agras und Dehlis, gesehen.
In der Mitte der obersten Cerrasse steht der einfach schöne, weiße
Sarkophag Kaiser Akbars. „Gott ist der Größte“ und „Möge Sein
Ruhm leuchten“, lauten die beiden
Inschriften. Auch dieser Sarg ist leer. Die Leiche des großen Sürsten ruht vier Stockwerke tiefer, unmittelbar darunter, in einem dunkeln, unterirdischen Hewölbe.
Am Kopfende des oberen Prunksarges steht eine schöne, weiße Marmorsaäule.Linst ist sie vergoldet und mit dem berühmten Diamanten KohiNur gekrönt gewesen,bis ihn der persische Croberer Nadir Schah von hier wegnahm. KohiNur, ins Deutsche übersetzt ‚Berg des Lichtes“, fiel 1813 in die Zände des Sikhfürsten Randschit Sing und ging 1849 in den englischen Kronschatz über.
Ein drittes Mausoleum noch sollten wir an diesem Tage sehen. Statt ins Hotel zurück, fuhren wir durch die volkreichen Straßen des Eingeborenenviertels, wo es nicht nur zu sehen, sondern zu hören genug gab. Eine muntere Bubenschar schlug jeder zwei Stäbe aneinander und sang unter dieser klappernden Bewegung aus voller Kehle. Voran, meist rückwärts laufend, um seine Schutzbefohlenen besser im Auge zu behalten, rannte flötend der Musikdirektor, ein richtiger Rattenfänger von Hameln.Unser Weg füuhrte über eine lange, mit Stroh bedeckte, sehr schwankende Pontonbrücke ans linke Ufer der Jumna.
ELinige Schritte weiter, und wir standen vor dem zierlichsten, feinsten Grabdenkmal in Agra, das nicht aus schwerem, hartem Stein, sondern aus leichten, feinen Spitzen gewoben scheint. Hier noch mehr als bei Akbars Grab feiert die ganz durchbrochene Marmorarbeit, welche sich wie ein Cüllgewebe über die Bogenfenster legt, ihre Criumphe.Die feinen Blumen- und Linienornamente der Ende des XVI. Jahrhunderts aus Slorenz nach Indien verpflanzten sogenannten Pietra duraMosaikkunst füllt in zarten Zeichnungen und Sarben wie im Tadsch jede weiße Släche aus. Das Grabmal ist dem Schatzmeister Jehangirs und Schwiegervater Shah Jehans, dem Perser Ittimadu-daulah, errichtet. Er war der vVater der Mumtaz-i-Mahal. der „Auserkorenen des Palastes“
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Weit entfernt, den großartig edeln Cindruck des Tadsch hervorzurufen, mochte man das vielleicht noch feiner ausgearbeitete Mausoleum des Perfers einem aus Elfenbein geschnitzten, köstlichen Schatzkästchen vergleichen. Gebäude und Garten stehen []Grab des Persers J'ti-madudaulab. (5. 524) [] Agra und Sathepur, die Schöpfungen eines großen Kaisers. 525 auch hier in wunderbarer Übereinstimmung. Ich könnte mir das eine nicht ohne das andere denken. Es ist, als ob die stimmungsvolle Umgebung einen nicht kleinen Teil zu dem geheimnisvollen Sauber beitrüge, der diese indischen Kunstdenkmäler umgibt. Wie anders bei uns, wo leider so oft die herrlichsten Bauten, die stolzesten Kathedralen sich mitten aus einem wüsten Gewirr von Häusern und Menschenlärm erheben.
Im sehr mäßigen Gasthof war an Ausruhen wenig zu denken. Kaum lag oder schrieb ich einen Augenblick, so pflegte es regelmäßig sachte an die Türe zu kratzen und eine braune Hand einen Gegenstand zum Kaufen hereinzustrecken. Ein wehklagendes memsahib ertönte ebenso regelmäßig und die ach wie oft gehörten Worte «Please buy, J am poor man». Dabei wurde meist ganz geraäuschlos ein schweres Paket losgeknüpft und die schmutzige Matte meines Simmerbodens in einen Kaufladen verwandelt. Was lag da nicht schon alles, wenn ich ärgerlich über die Störung aufschaute: Silber, Schmuck, Stickereien, Mosaikarbeiten, Shawls, Souvenir-Loffel! Ich erinnere mich an eine riesige, dreizachkige Gabel, die mir immer wieder vorgeführt wurde. „Was soll ich damit machen?“ «Oh yes memsanib, das ist eine Coastgabel.Very nice, very comfortable for travelling. Please buy, J am poor man.»Einst nach so energischem «Jao» (Pack dich), daß der glückliche Toastgabelbesitzer es für richtig hielt, dem Wink schleunigst zu folgen, sah ich ihn mit Hülfe der Gabel,die er als Schuhlöffel benutzte, in seine auf der Türschwelle gelassenen Pantoffel schlüpfen. Meinen Blick bemerkend und fein Nutzen daraus ziehend, rief dieser Meister der Reklame: «Look, memsahib, very useful, help on slippers» (Sehr aützlich beim Anziehen der Pantoffel).
Den ganzen folgenden Tag füͤllte der Ausflug nach dem acht Stunden entfernten SathepurSikri aus. Sathepur, „Siegesstadt“ hat Akbar sie genannt, als er sich nach dem Siege von Guzerat eine Stadt erbaute, wo ihm nach der Prophezeiung Salim Chisti, des Heiligen, ein Sohn und Nachfolger geboren werden sollte. Auch die lange schattige Landstraße, welche Agra mit Sathepur verbindet, ist Aßbars Werk und groß noch heute der Verkehr darauf.
Sreilich jetzt ein anderer! An Stelle der prunkvollen Aufzüge des Großmoguls und seines glänzenden Hofstaates sind originelle ZebuKarren und noch originellere vergitterte, hölzerne Kamels Wagen getreten. Letztere, die ersten aund einzigen, welche ich jemals gesehen, waren mit rot und gelbgekleideten, sich bei unserem Anblick ängstlich verhüllenden Weibern vollgepfropft. Sahlreiche Gräber, verfallene einzelne Lehmhütten und aus demselben Mate
Musizierende Knaben auf der Straße in Agra.
[526]Reise einer Schweizerin um die Welt.rial gebildete Dörfer lagen am Weg,. und unser Wagen pflegte jeweilen ganze Scharen nackter sinder und mit engen Hosen bekleideter junger Mädchen herbeizulocken. Alles trug Nasenringe,alles rief Bakshisf Auch Tiere aller Art verkzürzten die Einförmigkeit des Weges. Über unseren ßäuptern flogen schreiende, grüne, langgeschwänzte Papageien, in gleicher Menge wie bei uns die Spatzen. Krähen, Tauben und Geier zogen einträchtig und ebenso zahlreich neben ihnen dahin. Auf dem Selde, besser Sandwüste genannt, spazierten ekelhafte Riesengeier mit nackten, langen Hälsen, weideten eigentümlich braun- und weißpunktierte Schafe, langohrige Siegen, eine Menge magerer Esel, Kühe, Wafferbüffel.ie so oft in Nordindien fragten wir uns auch hier: „Was mögen die armen Tiere in diesem Staub- und Steingerolle zu fressen finden?“ WBBW Je mehr wir uns dem Siele näherten, um so zahlreicher begegneten uns mit schönen, tiefroten Sandsteinplatten schwerbeladene Wagen. Sie kamen aus Steinbrüchen, die in der Nähe Sathepurs liegen. Auf solch einem roten Hügel und mit diesem Material ist Akbars Stadt erbaut. Cine mehrere Kilometer lange, stattliche krenelierte Mauer umgibt den jetzt verlassenen Ort. Durch Akbar ins Leben gerufen,endet mit dem Tode des Kaisers auch die Geschichte Sathepurs, denn keiner seiner Nachfolger hat jemals dort seine Residenz aufgeschlagen. Akbars Stadt ist aber gerade so geblieben, wie zur Seit ihrer Gründung, kein fremdes Element hat sich darin breit gemacht. Manches freilich ist in Crümmer gefallen, so z. B. die kleinen Kaufladen rechts und links vor dem Cingangstor und das Gebäude, von dessen Oberstock die Musikanten ihren Willkommgruß ertönen ließen, wenn Akbar die Stadt betrat.Der Kutscher lieferte uns zunächst im Dak Bungalow ab. Dak Bungalows heißt man in Indien die von der Regierung erstellten Haäuser, welche an kleinen Ortichaften die Stelle von Gasthöfen einnehmen. Werden fie häufig besucht, so findet man einen Hüter vor, der gegen bestimmte Taxe gerne eine einfache Mahlzeit kocht und ein Nachtquartier bereitet. An abgelegenen Orten dagegen, wohin sich seltener ein Reifender verirrt, ist das Dak Bungalow, wie unfsere Bergklubhütte, einfach eine Unterkunftsstätte, bei welcher freilich ein Badezimmer niemals fehlt. Bedienung und Mundvorrat muß sich jeder selber mitbringen, das notwendigste Kochgerät findet er vor. Wer zuerst kommt, hat das Recht, waährend 24 Stunden im Dak Bungalow zu bleiben, dann aber muß er dem nächsten Ankömmling den Platz räumen.In Sathepur ist der Dafter Khana, das ehemalige Archivgebäude, in ein Dak Bungalow verwandelt worden und besitzt ein hohes, kühles Speife und mehrere
ZebuRarven.[]Säule im Ratssaal von Sathepur. (S. 530.)
[528]Reise einer Schweizerin um die Welt.scheinbar ganz komfortable Schlafzimmer. Wir bestellten uns einen Curry und Reis,im unserem vom Hotel mitgebrachten, recht skizzen und schattenhaft ausgefallenen stalten Tiffin kräftig nachzuhelfen.
Mit einem Suhrer behaftet, der übrigens so sehr an Asthma litt, daß wir den armen Menschen bald zurückschickten, zogen wir durch Akbars Stadt.
Auch hier war ein Grabdenkmal aus weißem Marmor im Spitzengewebestil unser erster Anblick. Der darin Ruhende ist der schon erwähnte Heilige „Salim Chisti'. Der Baldachin, welcher sich über dem Sarkophage wölbt, ist reich mit Perlmutter eingelegt und mit Straußeneiern verziert. An einem Gitter hängen Kleider
Grab Salim Chistis.fetzchen, welche kinderlose Srauen, sowohl Hindu als Mohammedanerinnen, hier aufhangen, wenn sie die Sürbitte des Heiligen anflehen. Der Sage nach enthält das kleine Grab im Schatten der benachbarten großen Moschee die CLeiche des Söhnchens Salims Chisti, welches er opferte, damit Akbars heiß ersehnter Erbe Jehangir, der dem Vater später so viel Kummer verursachte) nach der Geburt am Leben bliebe.
Unweit der schönen Moschee steht das großartige 49 Meter hohe Siegestor,dessen Höhe noch durch eine lange hinanführende Treppenflucht gesteigert wird. Großartig ist das Cor, groß und fremdartig auch der Blick von oben hinunter auf die weite ausgetrocknete Ebene und die elenden, meist dachlosen Lehmhütten der Dörfer sathepur und Sikri, die sich zu Sußen der verlassenen Siegesstadt angesiedelt haben.Inwendig am Torbogen stehen die Worte: „Isa (Jesus) der Sriede sei mit ihm []Agra und Sathepur, die Schöpfungen eines großen Kaisers. 529 sagte: Die Welt ist eine Brücke, schreite über sie, aber baue kein Haus auf ihr. Das Ceben währt eine Stunde bloß, widme diese Stunde der Andacht.“
Nur mit einem Lendentuch bekleidete Männer und Jungens hatten schon lange versucht, unsere Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Unwillkürlich folgten wir ihnen durch verfallene Wege und Stufen zu einem schlammigen, grünen Teiche. Die hier 24 Meter hohen Stadtmauern ragen drohend darüber empor. Wir sahen uns plötzlich allein. Unversehens erschienen unsere Begleiter auf den Mauerzinnen. « How much for a jump? ließ sich eine Stimme aus der Höhe vernehmen. Wir unterließen das Angebot.
Bir Bals Paus.
Plotzlich klatschte es gewaltig im Wasser, ein schwarzer Kopf tauchte auf, kräftige bronzefarbene Arme und Beine arbeiteten sich durch den Sumpf, und einen Augenblick später stand ein grünes, triefendes Menschenkind vor uns. One Rupie, Bakshishl So viel ist uns dieser freilich merkwürdige Sprung doch nicht wert, um so weniger,als von oben demnächstige Wiederholungen drohen. Wir geben sechs Annas, und zum zweitenmal in Indien wird unser Bakshish zurückgewiesen. One jump, one rupie!Stolz lieb' ich den Spanier!
Mit einer ausführlichen Beschreibung all der schönen Bauten in Sathepur will ich den Leser verschonen und ihm nur einige Bilder mit kurzen Erläuterungen vorführen.
Das reizendste Haus in der ganzen Stadt hat einer Srau angehört. Ein vater hat es für seine geliebte CTochter bauen lassen. Bir Bal hieß er und war der kluge
C. von Rodt, Reise um die Welt. 34
[530]Reise einer Schweizerin um die Welt.und gelehrte Ratgeber und treue Sreund Akbars, dessen neuen „göttlichen Glauben“er auch angenommen hatte. Im JNahre 1686 ist Bir Bal an der Spitze und mit seiner ganzen Armee den Heldentod in der Nähe von Peshawar gestorben. Der nördliche, vortrefflich erhaltene, kleine Palast besteht ganz aus rotem Sandstein, kein Stückchen Holz. ist beim Bau verwendet worden. Von innen und von außen zeigt er gleich herrlich ausgeführte Skulpturen. Die Worte viktor Hugos könnten hier am bezeichnendsten angewendet werden: Si ce n'était le plus mignon des palais,ce serait une cassette de bijoux des plus gigantesques.
Die Palme der Schönheit dürfte ihm, was den Wert der Skulpturen betrifft,das Haus der türkischen Königin streitig machen. Dieses, eigentlich nur aus einem Zimmer mit vorbau bestehend, ist über und über, auch die Deche, mit Blumen- und Sruchtranken und den mannigfaltigsten Ornamenten verziert.
DDD hatte, besaß er, der Vorürteilsfreie, noch zwei geliebte Srauen: Mirjam, eine portugiesische Christin, und eine Srau indischer Religion, die Sage macht aus ihr eine Tochter des mächtigen Maharadscha von Jaipur. Mirjams kleines shaus, einst wegen seiner reichen Vergoldung das „Goldene“ genannt, zeigt inwendig nur noch verblaßte Sresken, wovon die eine aber deutliche Spuren von Engelsflügeln aufweist. Auch Mirjams Garten, jetzt freilich eine vertrocknete Steinwüste, wird gezeigt, denn verschwunden ist der Teich, welcher die großartigen Wasserwerke speiste.
Den größten Palast besaß die Hindufrau mit Hof und Empfangsräumen, Erkern und wunderbaren Dachkuppeln. In der Nähe steht Akbars Khwabgah oder Schlafgemach, buchstäblich ‚Haus der Träume! übersetzt. Während er die HSeimstätten seiner SsSrauen mit allem Glanze ausstattete, hat er sich mit dem Einfachsten begnügt.Interessant ist, daß Akbar vom Kßaus der Träume aus durch einen unterirdischen Gang, welcher im 19. Jahrhundert zugeschüttet wurde, ungesehen nicht nur zu seinen Srauen, sondern auch an alle anderen Punkte der Stadt gelangen konnte.
Im Ratssfaale steht eine schöne Säule mit mächtigem terrassengekrönten Kapitäl,von welchem vier Galerien in die vier Ecken des Raumes ausstrahlen. Man erzählt,der Großmogul sei bei den Ratsversammlungen in der Mitte des Kapitäls gesessen,wãährend die vier CEcken von seinen Ministern in Beschlag genommen worden wären.Um sich dann von der Anstrengung solcher Versammlungen zu erholen, hätte der Kaiser im Nebenhause mit den Damen des Kofes Versteckens gespielt. Historiker pflegen diese Erzählung streng in das Gebiet der Sabel zu verweisen. Größere Wahrscheinlichkeit beansprucht ein Pavillon, dessen vorhof als Schachbrett ausgelegt ist. In der Mitte steht eine breite, steinerne Bank, von welcher aus Akbar seine Schachfiguren, die aus lebenden Shklavenmädchen bestanden, in Bewegung fetzte.
Dicht dabei erhebt sich ein merkwürdiger Bau, dessen Stil an Akbars Grab in Sikandra erinnert. bier allmählich sich verkleinernde, von einem Kiosk gekrönte Stockwerke bilden den Panch Mahal, welcher den Schönen am ßofe des Großmogul zu gefelliger Vereinigung, quasi als Damenheim“, diente. Wunderbar skulptierke Saulen tragen jeweilen den Oberstock. Jedes Säulenpaar ist verschieden. Das **artige Motiv, welches ich im Cadsch Mahal und in Monreale bei Palermo gesehen.[]Säulen im Panch Mahal. (8. 530.) [] Agra und Sathepur, die Schöpfungen eines großen Kaisers. 5831 kommt auch hier zur Geltung. Originell ist ein aus Elefantenkõopfen bestehendes Kapitäl, deren Rüssel sich meinanderschlingen.
Daß Akbar eine besondere Vvorliebe für diese klugen Tiere hatte,zeigt das Elefantentor und der sogenannte Hiran Minar, ein hoher mit steinernen Elefantenzähnen gespickter Turm. Unter diesem sollen die Lieblingselefanten des Kaifers bestattet sein. Auch die Pferde und Kamelställe sind wohl erhalten und geben Kunde von dem großartigen Marstall des Großmoguls.
Die Stunden in Sathepur flogen dahin, und ungern nur trennte ich mich von dieser seit dreihundert Jahren verlassenen Stadt, deren wohlerhaltene Mauern immer noch lebendige Kunde geben von dem merkwürdigen, weisen und milden Mann,den die Nachwelt als den größten und besten Herrscher Indiens kennt.
Auch von den Gebäuden in Agra aus den Seiten der Großmoguln ließe sich manches erzählen. Cinmal noch tritt uns darunter ein Bau Akbars, kräftig, markig, wie er selber, vor Augen: die gewaltigen Mauern des 1566 erbauten Sorts. Die Paläste,welche darin stehen, sind das Werk seines Sohnes Jehangir, mehr noch seines Enkels Shah Jehan, der zwar entfernt nicht an die Größe Akbars herankommt, ihn aber an feinem Kunstsinn übertrifft. Von ihm stammt die große Perlmoschee und die kleine niedliche Naginah Musjid oder EdelsteinMoschee für die Damen des Hofes,der Diwani-Am, der MachiBhawan und der herrliche DiwaniKhas oder Ratsfaal,von welchem aus eine Treppe nach dem Jasmin-Turme führt, dem Wohnsitze der geliebten MumtaziMahal. Der achteckige Bau ragt über die Umfassungsmauer hinaus und scheint über dem Slusse und dem weiten Lande zu schweben. Sein Nachbar ist der goldene Pavillon, so genannt nach den vergoldeten Kupferplatten seines Daches.Dort sehen wir die kleinen Schlafgemächer der Hofdamen. Tiefe Löcher in der Wand,gerade weit genug, um einen schlanken Srauenarm durchschlüpfen zu lafsen, zeigen noch, wie und wo dereinst sie ihren Schmuck verwahrt haben.
Wie könnte man die herrlichen Bauwerke beschreiben, die feinen Skulpturen,die herrlichen Pietra dura-Arabesken, bei deren Schöpfung die märchenhaften Reichtümer Indiens fich entfalten konnten? Traumbefangen, glücklich schritt ich durch die herrlichen Hallen, deren sich eine an die andere reiht, und wenn das Auge sich zuweilen satt geschaut an dem leuchtenden Marmor, den reizenden Ornamenten, dann konnte
Diran Minar.
[532]Reise einer Schweizerin um die Welt.der Blick hinausschweifen in die weite, fremdartige Candschaft, oder hineintauchen in die Cropenpracht der Gärten, welche immer noch in Blüte stehen wie einst zur Zeit der alten Großmoguln.
Im Khas Mahal rufen drei kleine Simmer wehmütige CErinnerungen wach.Hier ist Shah Jehan sieben Jahre lang durch seinen gewalttätigen Sohn Aurangzeb
Das Siegestor in Sathepur-Sitri. (5. 528.)in Gefangenschaft gehalten worden. In dem schönen Erker, dessen Blick auf den Strom und den herrlichen Tadsch geht, ist er gestorben, das brechende Auge noch auf sein Meisterwerk, das Denkmal seiner unvergeßlichen Mumtazi-Mahal, gerichtet.Lin eigentümlich Verhängnis! Der Sohn empört sich wider den Vater und wird später durch den eigenen Sohn dafür bestraft. Und so drei Generationen durch:Jehangir gegen Akbar, Shah Jehan gegen Jehangir. Aurangzeb gegen Shah Jehan![]*
Zenana im Sort in Agra. (S. 531.) []
Alt⸗ und Neu⸗Dehli.
Alt und NeuDehli.
5596
Alt- unö Neu-Mehli.lleuDehli. Der letzte Großmogul. DiwaniRhas. Pfauenthron. Austin de Bordeaux. Frauengemächer.Badehallen. Moti Musjid. Aurangzeb. Diwanie Am. Jumma Musiid. Der Schatz der Moschee.Lhandni Ehauk. Pändler. Puruna Rilla. AltDehli. Rilla RonaMoschee. Serozabad. Rotila.Acola·Säule. FerozShah. Ralan Musijid. Pumayuns Mausoleum. Grab Jehanaras, Tochter Shah Jehans. Großmogul Mahommed. Amir Rhusrau. sAizamudin Auliya. Die Wächter seines Grabes.kut'bMinar. die eiserne Säule. MoscheeRuine. Altamshs Grab. »Alaudins Tor. Dat Bungalow.KashmirTor.
Eine nahezu den ganzen Tag dauernde Eisenbahnfahrt brachte uns nach Dehli, der Residenz der Großmoguln seit Aurangzeb. Shah Jehan, sein Dater, hatte im Jahre 1688 das Sort erbaut und damit den Hrundstein zum modernen Dehli gelegt.TeuDehli hatte im XVIII.Jahrhundert durch Perser, Afghanen und Mahratten manche Unbill erfahren, allein das Schlimmste sollte die Mutiny im September 1887 der Stadt bringen. Seit 1804 schon stand Dehli unter englischer errschaft, und die Bedeutung der einst allmächtigen Großmoguln war auf ein Schattenkönigtum herabgesunken, das nunmehr auch jetzt sein Ende finden sollte.Nachdem die unglückliche Stadt wochenlang Tag und Nacht mit Seuerkugeln und anderen verderbenbringenden Wurfgeschossen bedrängt worden und der Tod die Zahl der Aufständischen schon bedeutend vermindert hatte, wurde ein allgemeiner Sturm angeordnet, der, mehrere Tage fortgesetzt, endlich Dehli wieder in die Gewalt der Engländer brachte. Wir wollen lieber einen Schleier werfen über die grausigen Caten, die in der eroberten Stadt vollbracht wurden; rühmte sich doch der englische
[534]Reise einer Schweizerin um die Welt.
Frauengemach im DiwaniKhas.General Cooper, in kurzer Seit ungefähr 500 Sepoys vom Leben zum Tode befordert zu haben.
Der alte, achtzigjährige Herrscher Bahadur Shah hatte sich mit seinen Soöͤhnen und Enkeln geflüchtet. Man holte sie beim Grab ihres Ahnen humayun ein, der Hreis wurde gefangen nach Kalkutta geschleppt, seine Sshne und Enkel, 24 an der Zahl, auf der Stelle erschossen. Bahadur Shah starb als 88jähriger Greis 1862 in RKangun in der verbannung. Mit ihm sank der letzte Kaiser von Hindostan, der letzte des ruhmreichen Geschlechtes der Barberiden, welches einen Akbar hervorgebracht, zu Grabe. 9
Dehli, dessen Cinwohnerzahl zur Seit der Großmoguln derjenigen von Condon gleich kam, ist jetzt höchstens noch von 200, 000 Menschen bewohnt und macht im ganzen einen recht verfallenen, schmutzigen Eindruck.
Wir waren zu spat angekommen, um noch an demselben Nachmittag eine Sahrt zu unternehmen, so bewegten wir uns nur im Bereich des komfortabeln MaidenHotels.Der Wagen dagegen, welcher uns den folgenden Morgen abholte, übertraf an Baufälligkeit und Härte alles je Dagewesene.
Unser erster Besuch galt hier dem Sort, dessen Mauern, wie in Agra, die kostbaren Bauten der Großmoguln einschließen. Mein Erstes war, dem weißen, nach allen Seiten offenen Marmorpavillon des DiwaniKhas zuzueilen, ungeduldig, das Hebaude zu sehen, welches sein Schöpfer mit der stolzen, persischen Inschrift geschmückt:„Und gibt es ein Eden der Wonne auf Erden Du findest es hier! Und nur hier kann's dir werden!“[]DiwaniRhas. (5. 534.)
[536]Reise einer Schweizerin um die Welt.Hier hat einst der berüuhmte Pfauenthron gestanden, den der persische Croberer Nadir Shah im Jahre 17389 mit dem berühmten Koislur entführte, und welcher jetzt noch den königlichen Palast in Teheran schmückt. Der massiv goldene, mit kostbaren Steinen besetzte Thron soll eine Laänge von 1.80 Meter und eine Breite von Lꝛo Meter messen und auf sechs massiv goldenen Süßen stehen. UÜber dem Sitze schwebt ein goldener, von zwoölf Säulen getragener Thronhimmel, mit den seltensten Edelsteinen besäet und einer Sranse köstlicher Perlen verziert. Hinter dem Sitze stehen zwei lebensgroße, radschlagende Pfauen, deren natürliches Gefieder durch Saphire, Rubinen, Smaragde, Perlen und andere in den Sarben passende Edelsteine treulich nachgeahmt ist. Swischen den Pfauen steht ein aus einem einzigen Smaragde geschnittener Papagei in Lebensgröße.
Dieser Thronsessel ist für Shah Jehan, dessen jährliche Cinkünfte über 600 Millionen Sranken betrugen, durch Austin de Bordeaux ausgeführt worden. So nannte sich ein französischer Abenteurer, welcher seinerzeit durch geschickte Sälschungen wertvoller Edelsteine verschiedene europäische SMürsten betrogen hatte und daraufhin zu einer Cuftveränderung genötigt worden war. Er kam nach Indien, wo sich der wirklich geniale Mensch Shah Jehan bald unentbehrlich zu machen wußte und zu hohem Ansehen und Reichtum gelangte. Nach seinen Entwürfen und unter seinem Einflusse sind die meisten Prachtbauten Agras und Dehlis entstanden. viele nennen ihn den Schöpfer des Tadsch. Mir widerstrebt der Gedanke, daß dieses edelste, reinste Bauwerk seinen Ursprung einem Abenteurer und Glücksritter verdanken soll.
Das Herrlichste am Diwani-Khas ist die Decke mit ihrer schweren Bemalung von Gold und Blau. Auch die mit Pietra dura-Arbeit eingelegten, weißen Marmorpfeiler und Bogen zeigen Goldornamente. Leider ist die 1891 vorgenommene Restauration allzu goldig, protzig ausgefallen.
Köstlich sind die anstoßenden Srauengemächer. Die tiefe Nische des einen bildet eine fein durchbrochene, herrlich gearbeitete Marmorwand, welche den Senana-Bewohnerinnen erlaubte, ungesehen hinüberzuschauen in den Diwani-Khas. Sie wird durch eine Wage in Relief gekrönt. Durch die Srauengemächer ziehen sich offene, flache Kanäle mit eingelegten Wellenmustern, und dienten wohl dereinst dazu, Kühlung in die schönen Räume zu bringen. Auch diese Senana besitzt ihren Saman Burj oder Jasminturm, und die weite Aussicht, die er gewährt, ist derjenigen von Agra fehr ähnlich.
Etwas nördlich liegen die Bäder, drei Räume mit herrlichen Mosaikböden, deren buntfarbene Blumengirlanden einem schönen, kunstreich gewobenen Teppiche ahneln.In jedem Simmer ist ein anderes Muster. Große Badebassins sind in der Mitte eingelassen, und zuweilen laufen auch noch den Wänden entlang Kanäle. Die eingelegte Arbeit des einen ist so gehalten, daß, wenn Wasser durchfließt, Sische darin zu schwimmen scheinen. Auch hier tragen die weißen Marmorwände koöstliche Blumenranken in Karneol, Jade, Korallen und Cürkisen. Leider haben vandalische Dände viele der kostbarsten Steine herausgebrochen. Ebenso vandalisch kommen mir übrigens die gegenwärtigen Erneuerer vor. Den roten Sandstein in Agra streichen fie weiß an, den gelblich gewordenen Marmor der stalaktitengewolbartigen Decke der Bäder []Fort in Dehli. Lahore-Cor. (S. 534.) [] Alt und NeuDehli.
537 in Dehli übertünchen sie ebenfalls weiß, und die bunten Scheiben,durch welche das LCicht von oben geheimnisvoll dämmernd eindrang,werden durch gewöhnliches weißes Glas erfetzt.
Einst haben wunderbare Gärten und plätschernde Sontainen den Palast umgeben, der allem nach zum Herrlichsten gehört haben muß,was der Osten kannte. Was für kostbare Schaätze an Schönheit, das zeigen uns noch seine spärlichen Überreste. Ewig schade wahrlich für das, was roher Unverstand niedergerissen hat, um an seiner Stelle Baracken für die englischen Soldaten zu errichten! Der englische Architekt Sergusson, der seinerzeit eine erste Autorität auf dem Gebiete herlmoschee in Dehli.der indischen Architektur war,nannte die eben beschriebenen Bauten die Perlen des früheren Kaiserpalastes, „aber“, fügte er hinzu,‚ohne die sie verbindenden Hsöfe und Gänge verlieren sie ihre ganze Bedeutung und mehr als die dälfte ihrer Schönheit. Jetzt in der Mitte eines britischen Kasernenhofes gelegen, erscheinen sie wie zostbare Steine, die aus ihrer Safsung eines herrlichen Stückes orientalischer Juwelierarbeit herausgebrochen, aufs Geratewohl auf eine Unterlage von gewöhnlichem Mortel versetzt sind“.
Auch hier im Sort gibt's eine MotiMusjid oder Perlmoschee, wie überhaupt die nNamen der Bauwerke
[538]Reise einer Schweizerin um die Welt.
Jumma Musjid oder FreitagMoschee. (5. 540.)Agras und Dehlis übereinstimmen. viel kleiner als ihre schöne Schwester im AgraSort, bietet die hiesige durch die makellose Weiße ihres aus Jaipur stammenden Marmors,ihre vergoldeten Kuppeln, die niedlichen, einem Taubenschlag ähnlichen Cürmchen ein durchaus harmonisches Bild nach außen und innen. Steht man drinnen und schaut empor in die Wolbung der drei Kuppeln, so scheinen sie jede aus einer großen Sonnenblume gebildet, deren Riesenblätter sich natürlich und ungezwungen der Sorm der Kuppel anschmiegen. An den Bogen der Pfeiler wiederholt sich das SonnenblumenMotiv im kleinen, diesmal mit Blatt und Stengel. Hier ist jede Sarbe vermieden,und nur weiße Marmorblumen-Reliefs schmücken den im matten Perlenglanz schimmernden reizenden Bau.
Aurangzeb, dem grausamen fanatischen Sohne Shah Jehans, verdankt die Moti Musjid ihre Entstehung. Wir haben ihn schon kennen gelernt als Erbauer der großen Moschee in Benares, welche er den Hindu zuleide in diese vochburg des Brahmanismus gesetzt. Die Verfolgung der Hindu, die unter den vorherigen Großmoguln, besonders unter Akbar, so viel Vergünstigungen genoffen, wurde von Aurangzeb mit heißem Cifer betrieben. Im übrigen hat er viel zum außeren Glanze des Mogulreiches,welches er von 1668 1707 beherrschte, beigetragen. Er führte zahlreiche glückliche Kriege, die ihm den Namen Alamgir (Welteroberer) verschafften, und erweilerte sein Reich um ein bedeutendes durch die vollige Einverleibung Bidschapurs und Golkondas.Aurangzeb ließ seine drei Bruder ermorden und seinen Vater bis zu dessen Cod gefangen halten, 1666 entledigte er sich auch eines unbequemen Sohnes durch Gift, während der andere nur durch rasche Slucht nach Persien diesem Schicksale entgehen konnte.[]DiwaniAm. (5. 540.)
[540]Reise einer Schweizerin um die Welt.In meinen Augen vielleicht noch schöner als der DiwaniKhas, die PrivatAudienzhalle, ist der DiwaniAm, die offentliche Audienzhalle. Aus rotem Sandstein erbaut, bieten die schönen Bogen und einfach harmonisch skulptierten Saäulen einen herrlichen Anblick. Ein Wunderwerk ist die jetzt durch ein Gitter abgeschlossene kaiferliche Empore, oder vielleicht wende ich besser das Wort Chron dafür an. Ein von vier weißmarmornen Säulen getragener Prachtbaldachin schwebt darüber, beides liber und über mit der bekannten Pietra dura-Mosaik ausges chmückt. Durch eine hinter dem Throne angebrachte Cüre konnte der Kaiser direkt von seinen Privatgemächern hierher gelangen. Die ganze Rückwand ist besonders reich mit farbigen Malereien und Mosaik überdeckt. Auch hier sind viele der kostbarsten Halbedelsteine herausgebrochen worden. Was bleibt, zeigt uns in formvollendeter Darstellung die bekanntesten Blumen, Srüchte und Vögel Hindostans. Auch dieser Thron ist ein Werk Austin de Bordeaux.
Da es Sreitag, somit mohammedanischer Sonntag war, fuhren wir zu der dem Sort gegenũbergelegenen großen Jumma Mosjid. Wie die gleichnamige Moschee in Agra ist auch sie eine Schöpfung Shah Jehans, aber während er erstere im Namen seiner geliebten Cochter Jehanara vollendete, ist die hiesige nach seinem Plane durch Aurangzeb ausgeführt worden. Shah Jehan schmachtete während des Baues in dem Gefängnisse, das der unnatürliche Sohn ihm bereitet hatte.
Wãährend sechs Jahren sollen 5000 Menschen an dem Riesenwerk gearbeitet haben, welches sich auf gewaltigem Unterbau hoch über das alltägliche Treiben der Stadt emporhebt. Je eine Treppenflucht von vierzig Stufen führt zu jeder der drei Pforten, wovon die östlichste, ein mächtiges Gebäude an und für sich, einst nur dem Großmogul, nun allein dem Vizekönig geöffnet wird. Wir traten in den weiten Hof.In dichten Scharen stauten sich die Andächtigen, und nur mit Mühe gelang es uns,emporzuklimmen aufs flache Dach, von wo wir herunterblicken konnten auf die bunte Menge, welche sich zu den religiösen Waschungen um ein schönes Marmorbecken drängte, in dessen Wassern sich die tiefblauen Töne des himmels in herrlichem Sarbenspiele widerspiegelten. Weiter schweifte der Blick hinaus auf die Jumna und hinein in die große Stadt, deren flache Dächer aus schönen, grünen Bäumen hervorlugen und aus dieser Entfernung viel anziehender aussehen, als wenn man sich mitten im Gewirre bewegt. Wie riesengroß ist diese Moschee! Der Hof soll osoo Ouadratmeter messen, das Gebaude selbst 66 Meter lang und 40 Meter breit en e bizarr und in meinen ere e * wen Narmorstreifen ruhige harte Wirkung hervorbringend einBeim Hinuntersteigen winkte uns ein Alter geheimnisvoll heran: „Kommen Sie mit, ich will Ihnen den Schatz der Moschee zeigen, den Pantoffel des Propheten und ein Haar seines Bartes; es kostet nur eine Rupie!“ Da uns der Anblick keinen einer Rupie entsprechenden Genuß versprach, verzichteten wir, allein der biedere Alte marktete fich selber so herab, daß, als wir unten angelangt waren, die Taxe ohne unser Dazutun nur noch zwei Annas betrug. Das ließ sich schließlich dran wagen![]Chandni Ehauk mit der Goldenen Moschee. (5. 541.) [] Alt und NeuDehli.
541 Der riesige, sehr abgetragene Pantoffel war ganz poetisch mit frischen füßduftenden Plumeria. Blüten angefüllt, und das feurigrote Haar des Propheten machte einen recht borstigen Eindruck. Weit interessanter erschienen mir einige schöne, alte KoranAbschriften aus dem VII. Jahrhundert.
Müde von den mannigfachen Eindrücken, ließen wir uns ins Maiden-Hotel zurückfahren. Der Weg, welcher vom Sort in gerader Linie führt, heißt Chandni Chauk, oder übersetzt „der im Mondschein strahlende Markt“, und ist die schönste,breiteste Straße Dehlis. Hier wohnen die großen ZRuweliere und reichen Kaufleute,aber nichtsdestoweniger ist man vor sändlern und Unterhändlern zudringlichfter
Hof der Jumma Musjid während des Sreitaggebetes.Art seines Lebens nicht sicher. Nicht nur regnete es „Sirmenempfehlungen“ in unseren Wagen, sondern ihre Vertreter kletterten auf den Wagentritt und wollten uns mit Gewalt in ihre Verkaufsbuden zerren. « Only come and look, not buy», hieß es da meist. «Don't go to him», auf einen weisend, der von der anderen Seite unseren Wagen erklimmen wollte, «he great liar, he big thief, he my brother,Jam honest man. Please buy my shope. So verzichteten wir überhaupt, hier einzukaufen.
Als ich mich nochmals umwandte, sah ich die beiden feindlichen Brüder in traulichem Gespräche beieinander stehen, Blutsverwandte fürwahr im Lügen und Betrügen, lauerten beide auf neue Beute.
In der Mitte des Chandni Chauk steht eine schöne, kleine Moschee, die „Goldene“,nach ihren drei vergoldeten Kuppeln, genannt. Hier in der Nähe stellten die Eng
[242]Reise einer Schweizerin um die Welt.
Puruna Rilla oder Indrapat.länder 1867 die Ceichname der von ihnen erschossenen Prinzen dem volke zur schrecklichen Mahnung öoffentlich aus.
Im Maiden Hotel wurden wir abermals von Haändlern gepeinigt. Ein bestimmter Platz freilich ist ihnen angewiesen, so daß man wenigstens von ihren ungebetenen Beuchen im Simmer, wie dies in Agra der Sall war, sicher ist. Man muß jedoch mmer an ihnen vorbei und fällt zuweilen doch ihren Cockungen zum Opfer. Dehli ist groß für ganz herrliche Stickereien, gewobene, mit Gold und Silber durchzogene Stoffe, für etwas buntschreienden Email-, Gold- und Silberschmuck und überraschend gute Miniaturmalereien auf Elfenbeinplättchen.
Auf energischen Protest hin erhielten wir einen etwas weniger baufalligen Wagen für den Nachmittagsausflug nach AltDehli und kamen vorerst, nach einer Sahrt von vierzig Minuten, vor das alte Tor Puruna Killa oder Indrapat, welches füdlich von TeuDehli liegt. I
Ins graue Altertum verliert sich die Geschichte Dehlis. Man erzählt von einer Stadt Indraprastha, welche im XIV. Jahrhundert v. Chr. durch arische Einwanderer unter einem Konige namens Yudifshthira erbaut worden war. Die Mahabharata, das alte indische Nationalepos, nennt Indraprastha die Residenz der Pandawa oder Sonnenainder, deren Cand für das Hauptreich Indiens galt. Indraprastha besaß mit Gold gepflasterte Straßen, der Staub wurde mit kostlichen Essenzen davon abgespült, der Palast der Sonnenkinder strahlte von Diamauten, Smaragden und Rubinen, und die Bazare waren angefüllt mit kostlichen Perlen und goldenen Gewändern. Allein auch die Sonnenkinder sind sterblich, und ihre Zerrlichneil erlosch und mit ihr der []Humayuns Grab. (S. 546.)
[544]Reise einer Schweizerin um die Welt.Glanz des alten Indraprastha. Erde und Schutt bedeckte schon damals die herrliche Stadi, als ums Jahr 1460 n. Chr. die mohammedanische Dwnastie der Pathanen die Tutzige Seste erbaute, vor deren immer noch gewaltigem Mauerwerk wir jetzt standen.
Die letzte steil emporführende Strecke waren wir zu Suß durch das menschenleere,an Erinnerungen und Steinen gleich reiche dürre Blachfeld geschritten. Einmal innerhalb des noch stalllichen Tores, nahm die feierliche Stille ein jähes Ende. „Vabsshish,Saushishhla aischte es durch die blaue Cuft, und ein Dutzend halbwüchsiger Bengel.bekleidei oder im Urzustand, hefteten sich als Sührer an unsere Sohlen. An Stelle des stolzen Indraprastha der Sage hat sich ein ziemlich elendes Hindudorf der Wirklichkeit angesiedelt. Der Duft der köstlichen Essenzen ist zu übeln Gerüchen geworden,das Goldpflaster den Abfällen von Menschen und Tieren und dem Staub und Schmutz gewichen, die freien Sonnenkinder haben sich in ein elendes, feiges Sklavengeschlecht verwandelt. Ein kostbares Kleinod freilich birgt immer noch die hohe Mauerumwallung Puruna Killas: die Killa KonaMoschee, ein großes, stilreines,wohlerhaltenes Gebäude aus dem Jahre 1641. In rotem Sandstein ausgeführt, kommen zu den weißen Marmoreinlagen noch berzierungen aus dunkelm Schiefer. Wunderschön ist die Schrift der Roran-Sprüche, welche aus- und inwendig die Moschee zieren.von dem Pavillon oben auf dem Turme schauten wir herunter auf das moderne ärmliche Indrapat.
In der Mitte erhebt sfich aus rotem Sandstein wohlerhalten ein zweistöckiges mit einem achteckigen Pavillon gekröntes Oktogon. Großmogul shumayun, der vVater Kaiser Akbars, hatte hier seine Bibliothek und zugleich seine Sternwarte. Als er eines Abends hinaufgestiegen war, um sich am Anblick der aufgehenden Venus zu erfreuen, strauchelte der Kaiser, stürzte die Treppe hinunter und starb wenige Tage darauf an den Solgen der erlittenen Verletzungen. Sein schönes, unweit gelegenes Mausoleum sollten wir den folgenden Cag sehen.
Aber Indraprastha bildete nur einen Teil Alt-Dehlis. Unter dem gewaltigen Trummerfelde, welches 10,400 Hektaren ausfüllt, sollen nicht weniger als sieben Städte liegen, Städte, die von indischen Sürsten erbaut und beherrscht worden waren. Von einem Maharadscha Delu, der hundert Jahre vor Christo lebte, soll der Name Dehli abgeleitet worden sein. Im Jahre 1014 wurde Dehli vom Sultan Mahmud von Ghasni erobert,und vom Jahre 11931517 beherrschten die fünf türkischen oder GhariDynastien von Dehli aus das große hindostanische Reich.
Von Indrapat brachte uns der Wagen über Schutt und Trummer nach dem völlig verfallenen Sort von Serozabad,welches Seroz Shah Tughlak
Fort von Ferozabad mit Rotila und LatSäule.[]t 3 J. b 1
W I J unhe
Mausoleum des Rönigs Altamsh. (5. 550.) [] Alt und NeuDehli.
545 351 1388), der dritte Herrscher der dritten Dynastie, 1354 erbaute.Nur ein Bauwerk hat dem furchtbaren Überfall des lahmen Tamerlan widerstanden. Seine massigen Mauern heben sich in drei sich verjüngenden Stockwerken empor, während das Erdgeschoß unter Schutt und Gestrüpp im Boden ruht. Kotila heißt der sonderbare Bau. Seinen Leib durchbohrt eine schlanke Saäule, welche hoch über das flache Dach hinausragend allmählich dünner wird und in einer abgebrochenen Spitze endet. Einst trug sie eine vergoldete Mauerkrone und hätte den Namen: Goldenes Minaret.
Eine ehrwürdige Säule, denn sie kommt aus dem grauen Altertum! 2160 Jahre sind verschwunden, seit der fromme buddhistische Konig Acoka, der Liebevolle, feine milden Verordnungen, feine Grundsätze und Taten auf ihr einmeißeln ließ. Damals war wohl die Sahl dieser „Cat“ genannten Säulen eine große, aber wenige nur sind der Nachwelt erhalten geblieben. Im XIV. Jahr-hundert hatte der Kaiser Seroz Shah zwei dieser Lats nach Dehli schaffen lassen, um sie als Wahrzeichen des großen Umfanges, den er der Stadt gegeben, an den beiden Enden derselben aufzustellen. Vergeblich versuchten Seroz Shah und seine Gelehrten,die krausen, seltsamen Schriftzuge, mit der die Säulen bedeckt sind, zu entziffern. Der Heuzeit erst ist es vergönnt gewesen, das Rätsel der Säulen zu loösen.
Cange noch kletterten wir in der alten Kotila herum. Eine Hindufamilie mit zahlreicher Nachkommenschaft hat sich drin eingenistet und auch ein Coter seine letzte Ruhestätte hier gefunden. In einem finstern, kellerartigen Raum stießen wir unverfehens auf einen roh gearbeiteten Sarg, den die Liebe mit süßduftenden Blumen und zartgrünen Ranken geschmückt hat. Sie sind hier in den Trümmern entsprossen, denn stellenweise lacht's sonnig und grün aus Schutt und Geröll hervor, als ob es das Blut verdecken wollte, welches die grausamen Tatarenhorden des furchtbaren Tamerlans vor 500 Jahren hier vergossen haben. Die Chronik erzählt, daß sie die glänzende Stadt innerhalb fünf Tagen in einen Crümmerhaufen verwandelt und in einer einzigen Stunde 100,000 Menschen abgeschlachtet oder lebendig mit Steinen und Mortel zu Türmen aufgemauert haben. Der grausame Sieger wollte keine Hindusklaven mit sich nehmen, da sonst auf dem langen Wüͤstenwege Hungersnot ausgebrochen wäre.
Was der milde Seroz Shah für das Wohl seines Candes und vVolkes erbaut,
C. von Rodt, Reise um die Welt.
[546]Reise einer Schweizerin um die Welt.ist wenige Jahre nach seinem Tode unter roher Seindeshand zertrummert worden.Nur ein Gebäude, und zwar ein wohlerhaltenes, stammt noch aus jener Seit, die stalan Musjid oder Schwarze Moschee.
Durch enge, übervölkerte Straßen wand sich mühsam unfer Wagen. SBu Suß wären wir kaum hingelangt, denn das ganze Quartier, namentlich die liebe Jugend folgte uns Bakshish brüllend. Als ich, endlich oben an der steilen Treppe stehend,zurückschaute, zählte ich nicht weniger als sechzig Kinder, die mir bittend die Rändchen entgegenstreckten.
Die aus dem Jahre 1886 stammende Kalan Musjid soll das charaßkteristische Bild eines indisch mohammedanischen Baues des XIV. Jahrhunderts bieten:ein viereckiger, von einem KreuzA mit einer Menge kleiner Kuppeln geschmückt. Spärliches Licht dringt durch einige in den dicken Mauern angebrachte Offnungen,welche zudem noch mit rotem GHitterwerk überflochten sind. Man köonnte in dieser Moschee das Gruseln lernen, dabei ist alles schmutzig, und reichlich verdient sie ihren schwarzen Namen.
Srüh am folgenden Morgen fuhren wir nach dem vier Stunden von Dehli entfernten Kut'b Minar. Bis Indrapat folgten wir demselben Wege wie am Tage zuvor, dann, uns gen Süden wendend, gelangten wir 20 Minuten später zu dem schönen Mausoleum Humayuns, welches seine Gattin Haji Begam ihm erbauen ließ. Cin würdig schönes,großes Grabgebaude mit zwei Cingangstoren! Es hat das Muster zum Tadsch Mahal abgegeben, ist aber von letzterem an Schönheit und Poesie weit übertroffen worden. Der Sarkophag des Kaisers steht gerade unter der großen Kuppel und ist ganz schlicht aus weißem Marmor, ohne jedwelchen Namen oder Datum. Auch Humayuns Gattin und mehrere Glieder der kaiserlichen Samilie liegen in schmuckund namenlosen Särgen in slebenräumen bestattet. Vom schonen Dache aus überschaut das Auge das Cand, welches hier einem großen Sriedhofe ähnlich sieht, denn überall ragen Gräber und Maufoleentrümmer empor.Die stimmungsvollste Grabanlage und einen der poetischsten, echtesten Slecken Erde
Grab Mohammed Shahs.[]Alt und NeuDehli.
547 im weiten Indien fanden wir in der Nähe des eben beschriebenen PrachtMausoleums. Hier ruhen:Ein großer Heiliger, Nizamu-din Auliya; ein berühmter dichter,Amir AKhusrau; ein Großmogul,Mohammed Shah, und mehrere staiserkinder.Unter letzteren tritt die rührende Gestalt Jehanaras, der frommen Tochter Shah Jehans,uns menschlich nahe entgegen. Eine zweite Antigone, ist sie die treue Gefährtin und Pflegerin ihres Vaters im Unglücke geblieben. Sieben Jahre lang hat sie treulich seine Gefangenschaft geteilt,und als er gestorben, verließ sie den glänzenden Hofstaäat von Dehli, um die übrige Zeit ihres CLebens in Gebet und Werken der Barmherzigkeit im Verborgenen zu verbringen. Nicht unter der kostbaren Kuppel des glänzenden Cadsch Mahals, sondern hier auf dem stillen Sriedhofe unter dem blauen Himmelsdom wünschte sie bestattet zu sein. Jehanara lebt im Andenken des Volkes fort, und täglich findet sich eine Hand,welche auf den schönen, schneeweißen MarmorSarkophag eine frische, grune Ranke legt. Zu Häupten des Sarges steht eine hohe Marmortafel mit den Worten: „Gott ist die Auferstehung und das Leben“, und darunter persische Verse, deren Anfang in der Übersetzung ungefähr so lauten mag:„Gebt mir nicht reichen Schmuck, und laßt nur sprossend CLaub Ein Leichentuch mir sein, es berge meine Glieder!hergängliches ruht hier: die arme Jehanara,Ihr Vater, Shah Jehan, Gebieter, Salim Chist war! u. s. w.
Die Jahreszahl 1681 steht auf dem Steine.
An dem Grabe des Großmoguls Mohammed mit seiner herrlichen Eingangspforte und dem koöstlichen Marmorgitterwerk gedenkt man eines blutigen Blattes aus der Geschichte NeuDehlis. Unter ihm war es, daß der Schah von Persien,sladir, NTs9 die Stadt einnahm, brandschatzte und die Einwohner so lange hinmetzeln ließ, bis Mohammed ihn für sein Volk um Gnade anflehte. Da antwortete Nadir:Niemals darf ein Kaiser von Indien vergeblich um etwas bitten“, und ließ sofort dem Morden Einhalt tun. Nadir schleppte unermeßliche Schätze aus Dehli mit sich fort im Werte von ungefähr 1200 Millionen Sranken, außerdem noch den auf Is Millionen Sranken veranschlagten Pfauenthron.
In dem Dichtergrabe ruht: Amir Khusrau, dem seine Zeitgenossen er starb schon 1816 in Dehli den nach unseren Begriffen gar nicht schmeichelhaften Beinamen Tutii-Hind, „Papagei von Hindostan“, wegen der Anmut seines Stiles,oerliehen. Seine Gunst bei Kofe und sein Ruhm waren so groß, daß von fern und nah Besucher herbeieilten, um den Dichter kennen zu lernen, dessen Lieder teilweise noch jetzt im Volksmunde fortleben.
Mausoleum des heiligen Nizamudin Auliya.
[548]Reise einer Schweizerin um die Welt.In dem schoönen Kuppel-Mausoleum, welches ein prächtiger Säulengang umgibt,ist Hizamudin Auliya, der größte Heilige der hochangesehenen ChistSekte, bestattet.Seinen Sarkophag bedecken kostbare Cücher und Blumen, und schattenspendende, rot und weiße, gestickte Tücher hängen auch zwischen den Säulen des Vorbaues herunter.Schöne Bäume verleihen der ganzen Anlage eine poetische Weihe, welche freilich zum Schluß etwas durch die Angehsrigen des Heiligen aus dem Gleichgewicht zu kommen drohte. Die Ehre, Wächter dieses Heiligtums zu sein, wird nämlich jeweilen fünfzig slachkommen der Samilie Nizamudins zu teil, welche diesen Posten reichlich dazu ausnützen, ein beschauliches Leben zu führen und jeden Sremdling als ihre Beute zu betrachten. Die „Tätigeren“ aus der Gesellschaft kauern im Badkostüme auf dem Dache des Tempels, bereit, auf den leisesten Bakshish-Wink hin sich in die übelriechenden, schwarzen Sluten eines tiefen Teiches zu stürzen.
Die Legende erzählt folgendes über seine Entstehung: Großer Wassermangel herrschte in jener Gegend, deshalb rief der Heilige, der zugleich ein mächtiger Sauberer war, diesen Teich ins Dafein, dessen Tiefe bis 16 Meter betragen soll und dessen Ab oder Zufluß kein Mensch kennt. Hierauf segnete er ihn und bewirkte dadurch, daß niemals jemand ertrinkt, der hineinfällt.
Eingedenk unserer Erfahrung in Sathepur, verbaten wir uns jedwelchen Sprung in die Ciefe, was eine solche Empörung unter den heiligen Sproößlingen hervorrief,daß sie uns mit höchst unheiligen Schimpfreden entließen.
Auch auf dieser Straße begegneten wir zahlreichen Srauen, jedenfalls waren es Mohammedanerinnen, denn jedesmal, wenn ein Mann nahte, verhüllten sie ängstlich ihr Antlitz. Sie tragen hier alle ganz kurze Jäckchen, welche kaum die Brust bedecken und den Leib bis zum Nabel bloß lassen, während ein langer, faltenreicher Rock die untere Partie des Körpers verhüllt.
Endlich waren wir beim Kut'b Minar angelangt. So heißt eine großartige Säule,deren Höhe 72 und deren Breite etwas über 16 Meter Durchmesser an der Basis beträgt. In fünf sich verjüngenden Stockwerken strebt sie frei und hehr zum blauen Ather empor. Die drei unteren Etagen sind roter Sandstein, die zwei obersten weißer Marmor. Aus welcher Seit mag wohl diese Säule stammen, welche den Namen Polarstern Minaret“ traägt und mahnend „zum Himmel und zur Achse des Weltalls mpordeutet ?
Die Sage erzählt uns von einem Hindu-König wir befinden uns auch hier auf den Trümmern einer der sieben Städte Alt-Dehlis welcher seinem verwöhnten Lochterchen zuliebe diesen ‚„Lug' ins Cand! erbauen ließ, damit es von oben die heiligen Sluten der Jumna dahinfließen sehen könne. Die schönen Inschriften kalligraphische Wunderwerke dagegen deuten auf späteren mohammedanischen Ursprung. Jedenfalls aber befitzt Kut'b Minar das ehrwürdige Alter von nahezu achthundert Jahren und gehort wohl zu den hochsten und originellsten Cürmen der Welt. Hoch und heiß freilich war seine Erklimmung.
Unser Polarstern Minaret besitzt hier einen Rivalen, einen schwarzen, der keineswegs an Schönheit mit ihm wetteifern kann, ihn aber als Merkwürdigkeit noch übertrifft. Es ist dies eine massive, schmiedeiserne Säule, deren sdöhe 7 Meter und []Alt und NeuDehli
549 deren Durchmesser 48 Centimeter beträgt. Die eiserne Säule erzählt uns in tief eingegrabenen Sanskritzeichen ihre Geschichte. Sie nennt sich „Ruhmes-Arm des Radscha Dhava“, welcher sie errichtet,nachdem er mit starkem Arme das Volk der Vahliker besiegt und die Herrschaft auf Erden wahrend langen Jahren festgehalten hätte.
Man staunt über die Kunstfertigkeit der Hindu, die im IV. Jahrhundert einen Säulenschaft von dieser Länge in einem Stück zu schmieden ver
Kut'b Minar.standen. In Curopa hat man erst vor kurzem dies zu stande gebracht. Dabei zeigt die 1400jährige Säule kein Sleckchen Rost, und die Inschrift ist noch so scharf und alar in den Konturen, als ob sie gestern erst eingemeißelt worden wäre.
Die eiserne Säule steht in einem Hofe, um den sich die Ruinen einer im Jahre 1191 begonnenen Moschee aufbauen. Wie schön sie war,zeigt noch der hohe, reich
Kut'b Minar und Moschee-Ruinen.
[550]Reise einer Schweizerin um die Welt.ornamentierte Torbogen, dessen Sugen und Locher jetzt grüne, langschwänzige Papageien zu Nestern erkoren und schreiend schwarmweise umflattern. Nicht weniger als 27 Hindu Tempel haben dieser Moschee weichen und zum Material dienen müssen.Aus den Säulen von Hindus, Buddha- und JainCempeln find die Kreuzgänge gebildet worden. Jeder neue Herrscher hat einen neuen Hof, ein neues Gebäude noch daran fügen wollen.Schön erhalten ist das Mausoleum Altamsh's, des vierten Koönigs der ersten Dynastie. Er ist schon 1285 gestorben, sein Grab in Indien bekannte.In verschiedener
Inschrift des Rut'b Minar.
Zchrift geschriebene Koran Sprüche ziehen sich als breite Bänder durch das Innere, welches von oben ein etwas daämmeriges Licht erhäͤlt. Modern und unschön dagegen ist der obere Teil des
Sarkophags.
Auch das sogenannte Alai Darwazah, das im Jahre 1310 von Alaudin erbaute Cor, ist ein Meisterwerk arabischer Kunst.
Kut'b Minar besitzt sein Dak Bungalow. Wir hatten zwar unseren Tiffin vom Maidenßotel mitbekommen, dieser war aber unterwegs bis auf einige unappetitliche Uberreste verschwunden. Jedenfalls hatten unsere Kutscher die Seit, während wir Gräber besuchten gut angewandt und sich ungeachtet, daß unser Essen nach Hindusatzungen eigentlich unrein sein follte, dasselbe zu Gemute geführt. So mußte im Dak Bungalow neu für uns gekocht werden, und nicht weniger als fechs dienstbare Heister suchten unsere Wünsche zu erraten. Die Rechnung fiel entsprechend aus.
Die eiserne Säule.[]AV [] Alt und NeuDehli.
551 Schon hatte sich die Nacht auf das malerische KaschmirTor gelegt, als wir auf dem Rückweg durch dasselbe fuhren. Dunkler noch starrten mich die Locher und Breschen an, welche die Mutiny in dasselbe geschlagen. Welch grausamer Kampf hat im Jahre 1887 hier getobt, von wie viel sheldentum sind diese Steine stumme Zeugen gewesen! Ja, etwas Schreckliches ist's um den Krieg, und schaudernd dachte ich daran, daß eigentlich jeder Soll Dehlis mit Blut getränkt sei.
Ob wohl in jenen Septembertagen des Jahres 1887 der Mond ebenso hell auf all die Toten geschienen hat, wie er uns jetzt leuchtete? Es ist etwas Eigentümliches um diesen indischen Mond! Bei seinem Anblicke verstand ich zum erstenmal die Psalmworte: „Daß dich des Tages die Sonne nicht steche, noch der Mond des Nachts“,
Aläudins Tor.oder die Prophezeiung Jesaias: „Und des Mondes Schein wird sein wie der Sonne Schein“. Hier ist sie schon erfüllt. Ja, dieser wunderbare Schein, nicht die Zukunft,die Vergangenheit spiegelt er wider. Ist es doch, als ob ein glühender Erinnerungshauch an jene versunkene Pracht entschwundener Jahrhunderte sich dort oben angefiedelt hätte. All die Diamanten und Rubinen, an deren tausend Sacetten sich die Strahlen des Mondes gebrochen, all die goldenen Kuppeln, die in seinem Glanze zauberhaft sich belebten und sein Licht wiedergaben, funkelnd in den spielenden Wassern der entzückendsten Gärten, die eine prunkende, schönheitlechzende Einbildungskraft zum Vollgenuß erschaffen hier strahlt er unverändert hernieder. geheimnistrunken, wunderbar.wie matt erscheint im Vergleich das freundlich bleiche Mondgesicht unseres nor
[562]Reise einer Schweizerin um die Welt.dischen Himmels, diese ewig lächelnde, in der Phantasie eines Heine oft auch grämlich herunterblickende Sratzel Unsere Großväter haben den Mond besungen, unsfere Groß,mütter ihn angeschmachtet. Heute, in dem kKlugen, vielwissenden, aber ach so empfindungsarmen Heute, wird er nur noch durch unsere von keinem biederen Nachtwachter zur Ruhe gewiesenen Schnauzer und Spitze mit hündischer Selbstherrlichkeit angekläfft und angeheult.
O wonniger indischer Mond! Blendend glanzvoll umweben deine Strahlen die sden Ruinen, barmherzig verwandeln sie den entsetzlichen Staub des Tages in glitzerndes Silber. Uns selber aber mutest du an nicht als ausgebrannter Krater o nein!als feurig warmes, zu Sleisch und Blut gewordenes Maärchen aus alten Seiten![]
Die Residenz eines Maharadscha.
Die Residenz eines Maharadscha.
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Die Resiöenz eines Maharaöscha.
Ankunft im Raijar-iPind-Hotel. Der Maharadjicha. Tauben. Jaipur, die rojenfarbene Stadt. Straßenleben. Jey Sing II. Palast des Windes. Baustil. Objervatorium. Palast und Gärten des Maharadscha.AlligatorenTeich. Marstall. Schule des Maharadscha. Bibliothek. Runstgewerbeschule. Pändler im Botel. Der öffentliche Garten. Albert-Hall. Sinnsprüche. Museum. Ronzert und Mujsikdirektor.Die Suhörer. Rajputen. Etka. Die Senana. Elefantenritt nach Amber. Unser Elejfant. Palast in Amber. Baksihish. Abreise von Jaipur.
Die Arone aller schlimnen Ankuünfte und schlechten indischen Gasthofe,schwanke ich keinen Augenblick, Jaipur und seinem KaisarisindHotel zu erteilen.Geisterstunde war's, als wir nach langer Sahrt dem Waggon entstiegen.Trieb ein böser Spuk sein Spiel mit mir? Ich fand mich ploötzlich in eine Winterlandschaft versetzt. LeuchD nen hellen Schein auf eine weiße, unabsehbare Släche, und, o Macht der Einbildungskraft, eisig kam mir der Wind vor, welcher mich anblies. Schnee in Jaipur? Unmöglich! Ich bückte mich zur Erde und ergriff eine Handvoll des weißen „Schnees“. Staub war's und heller Sand, der mehrere Soll hoch hier lag. Seit drei vollen Jahren ist in Jaipur kein Regen gefallen.
Im Gasthofe herrschte Totenstille. Nur einige melodische Schnarchtöne klangen aus der Tiefe. Sie kamen aus einer Anzahl lebendiger Knäuel hervor, welche auf den Steinplatten der Vorhalle lagen: die Wächter und Boys des Haufes. Endlich hatten wir mit soülfe des Kutschers ein paar davon wachgeschüttelt. Schlaftrunken geleitete mich der eine Boy in ein Simmer. wo ein langer Engländer soeben den
Frauen, die sich zu einem religiösen Feste begeben.
[241]Reise einer Schweizerin um die Welt letzten Stadien seiner Nachttoilette oblag. Ein beidseitig empörter Ausruf! Sho-ckingl! Eine zweite Expedition führte mich über die mondbeschienene Außentreppe. Oben angelangt,fiel's dem Boy ein, hier sei kein Zimmer frei. Wir pilgerten weiter. Das nächste war ein Raum, in welchem die leere Bettstelle ohne jede SZugabe stand.Boy und Bett, beides Dinge, welche jeder reisende Engländer, wie schon gesagt, durch Indien mit sich schleppt, sollte ich hier schmerzlich vermissen. Ich riß meine Decken aus dem Plaid, mein Reisegefährte DD tücher o frage nicht woher und ich machte mich dran, mein Nachtlager herzurichten.
Mein Reifegefährte war unterdessen in ein anderes CLokal gebracht worden, wo ein ordentliches Bett stand, allein das war schon besetzt. Knurrend sprang erst auf wiederholte energische Aufforderung ein großer, schwarzer Hund daraus. Wahrend der beiden Tage, die wir in Jaipur verbrachten, traf mein Sreund beinahe jedesmal,wenn er in sein Simmer trat, den sund auf dem Bette. Offenbar füühlte er sich hier als Herr und Gebieter.
Jaipur, Dscheypur, Jeypur oder, wie es englisch geschrieben wird, Jeypore ist die 1728 neugegründete Hauptstadt der Rayputana, eines aus vierzehn tributpflichtigen Staaten zusammengesetzten Candesteiles. Der Maharadscha von Jaipur regiert gleich den anderen einheimischen Sürsten mehr oder weniger selbständig. denn auch er besitzt gleich den Herrschern von Djokjokarta und Solo in Java einen leitenden „Bruder“ in Gestalt des englischen Ministerresidenten. Um diesen Maharadschas nach Möglichkeit englische Anschauungen einzuimpfen, pflegen sie als Knaben in eigens dazu von England gegründeten Schulen erzogen zu werden.
Als wir durch bodenlosen Staub in der Srühe des folgenden Tages der 2 Kilometer vom KaisariHindSamilyBHotel entfernten Stadt zufuhren, war mein erster Name für dieselbe „Taubenstadt“. Gleich dichten, stahlblauen Wolken schwebten die niedlichen Ciere vor uns her und ließen sich furchtlos vor den Bufen unserer Pferde nieder. Es war wohl Sütterungsstunde. Ihre Sahl übertraf bei weitem diejenige der venetianischen Markustauben.[]Stadttor in Jaipur. (5.556.)
[556]Reise einer Schweizerin um die Welt.Jaipur, „die rosenfarbene Stadt“, lautete meine nächfste Benennung, denn schon das mit weißen Stuckverzierungen geschmückte Cingangstor und alle Häufer der breiten.luftigen Straßen hatten einen rosa-Anstrich. Dieses Rosa paßte zu den malerisch drapierten, schönen Reitern auf stolzen Rossen, den Kamelkarawanen, originellen ZebuKarren zu den riesigen Elefanten, deren Gesichter grün und rosa bemalt waren und die schwerfällig neben uns einherschwankten. Das Ganze sah aus wie ein lustiger Saschingszug, freilich wie ein immerwährender, der besonders abends beim Gaslichte gedrängter, zahlreicher, phantastischer wurde.
Wohltätig berührte uns der Abstand zwischen der armfeligen, abgestumpften stulibevoöͤlkerung, welche wie uns wenigstens vorkam in den übrigen Städten Inner Indiens vorherrscht, und dem hiesigen, freien, fröhlichen, originellen Volksleben.
Der Maharadscha Jen Sing II., welcher Jaipur erbaute, muß ein genialer Kopf,ein leidenschaftlicher Dilettant in Architektur und Astronomie gewesen sein. Seiner Phantasie ist der Rawah Mahal oder Palast des Windes entsprossen, ein fünffstöckiger Bau, der nur aus einer Sassade und einer Unmenge großerer und kleinerer Erker besteht. Jey Sing hat jedenfalls auch den Baustil der übrigen Häuser Jaipurs hervorgerufen, denn die Erkerchen des Windpalastes wiederholen sich überall in der Stadt, ebenso die flachen, mit einem hübschen, skulptierten Steingeländer geschmückten Dächer. CEine Spezialität sind die Senster, welche nur kleine öffnungen aufweisen,während schön durchbrochene, butzenscheibenähnliche Steinmetzenarbeit den übrigen Raum ausfüllt. Hitze und Sonne wird dadurch abgehalten, und man sieht hinaus,ohne gesehen zu werden.
Doch weit bedeutender noch sind Jey Sings Leistungen als Astronom. In Benares, Dehli, Muttra und Ujjain hat er Observatorien gebaut, das groößte in Jaipur. Cinen beträchtlichen Raum ausfüllend, stehen eine Menge sonderbarer, meist sehr großer gemauerter Vorrichtungen, welche mit fein gradierten Marmorfkalen versehen sind, unter freiem Himmel. Die Sonnenuhren, Gnomen und Quadranten,alles Erfindungen des genialen Sürsten, sollen für Astronomen von größtem Onteresse sein. Der Zweck mancher der Instrumente ist jetzt nicht mehr ersichtlich. Man ließ sie sehr verfallen, und erst im Jahre 1901 wurden gründliche Reparaturen vorgenommen.
Vom Palaste des Maharadscha weiß ich wenig zu erzählen. Er bildet, wie alle derartigen Gebäude im Orient, eine unglückliche Mischung von einheimischem gutem und europäischem schlechtem Geschmack. Ein vielverheißendes, in Messing schön gearbeitetes Prunktor führt in ein Gewirr von mit Menschen angefüllten, schlecht gehaltenen söfen und sofchen. Auch hier herrscht die beliebte Rosafarbe, während die von Jeny ne erbaute, riesige Mauer, welche sich um das ganze Palastareal zieht, dunkel rot ist.
Die Gärten sehen dürr und verwahrlost aus. Srüher, wo es wohl mehr regnete,spielten dort Hunderte von Springbrunnen, wasserreiche Kanäle zogen sich nach allen Richtungen und fandten Bäumen und Blumen kuühle Erfrischung zu. Ausgetrocknet liegen Bassins und Kanäle, nur ein einziger Weiher ist mit grünlich trägem PVasser angefüllt. Heilige Alligatoren mit Kind und Kegel schwimmen darin oder []Dawah Mahal oder Palast des Windes. (S. 556.) [] Die Residenz eines Maharadscha.
557 walzen sich vielmehr im Sand und Schlamme. Ein Pfiff des Wärters zwei Untiere kommen heran,zwei greuliche Riesenschlünde öffnen sich und schnappen träge nach dem Leckerbissen, welchen der Wärter, an einen Saden gebunden, neckend ihnen abwechfelnd vorhält und wieder entzieht. Hungrig sind sie nicht, ebensowenig wie die schönen, wilden Bestien im Cigerhause am Ende der langen Haupistraße.
Auch die Pferde des Maharadfcha leiden offenbar keinen Mangel, es bildet der Marstall den interessantesten, schönsten Teil des ganzen Palastviertels. Um einen riesigen, natürlich rosafarbenen Hof gruppieren sich die Ställe für nahezu 400 Pferde.Ein jedes hat seine eigene Abteilung, seinen eigenen Wärter und sein eigenes Sutter,welches in steinernem Troge gar so appetitlich ausschaut: Cine Art Grahambrot,füße, zarte Rüben und schönes, grünes Hafergras, dessen Beschaffung in dem ausgedörrten Jaipur sicherlich Unsummen kostet, bilden die Bestandteile des leckeren Mahles.
Scheckige und sogenannte glasäugige Pferde scheinen hier besonders beliebt.Was mir nicht gefiel, war, daß man jedes Pferd außer am Kopfe noch an einem oder gar beiden Hinterfüßen gefesselt hatte, eine Sitte, die mir auch bei den Tieren des englischen Militärs auffiel. Unsere diesbezügliche Srage wurde damit beantwortet, es geschehe, um die Pferde am Hintenausschlagen zu verhindern. Wohl davon kames,daß die vielen Reitpferde, die wir auf unseren Sahrten durch Jaipur jeweilen antrafen.alle ein klein wenig den Suß nachschleppten. Auch im Stalle hatten die meisten ihren oder ihre Reiter, keine menschlichen, sondern Krähen und TCauben, die stolz auf Pferdesrücken balancieren; dazwischen leben sie herrlich und in Sreuden von den überreichen Sutterabfällen.
Ein oft gesehenes Bild im Osten sind weidende Pferde und Rinder und zwei,drei, ja vier Vögel, welche auf ihrem Kopf und Rücken eifrig herumpicken. Die großen Tiere halten den kleinen beflügelten Wesen geduldig still, ja freuen sich ihres Besuches, denn sie werden dadurch vom Ungeziefer befreit. Ein inniges Sreundschaftsverhältnis besteht sicherlich oft zwischen dem ungeschlachten Wasserbüffel und dem zierlichen Vögelchen. Unwillkürlich mußte ich stets dabei an die hübsche LafontaineSabel von dem Löwen und der Maus denken.
Man sagt dem Maharadscha von Jaipur nach, er beschäftige sich ausschließlich mit schönen Pferden und hübschen Mädchen, allein fürstliche Sreigebigkeit bei der
Markt in Jaipur.
[558]Reise einer Schweizerin um die Welt.Doltation aller in der Stadt zu Nutz und Srommen seines Volkes existierenden Institute darf man ihm nicht absprechen. Sind diese auch größtenteils von seinen vorfahren gegründet, so gibt er wenigstens ungeschmälert und reichlich die Mittel zu ihrem Sortbestand und Gedeihen. Die Schulen z. B. sind nicht nur frei, sondern jede Samilie erhält für jedes ind, das sie zur Schule schickt, eine bestimmte Summe im Jahre geschenkt. Sehr lebhaft interessierte mich der Besuch in der „Schule des Maharadscha“, wo bei 1400 Jungens aller Stände und Religionen Parsi, Mohammedaner und Hindu sitzen auf den Schulbänken nebeneinander auf seine sosten eine recht tüchtige Bildung erhalten. Auch alle Altersstufen sind vertreten,vom sechsjährigen ABC-Schützen bis zum gereiften, bärtigen Manne. Die in der Schule abgelegte Maturitätsprüfung gestattet sofort den Cintritt in die Universität skalkutta. Von Sprachen wird gelehrt: Hindostani, Sanskrit, Englisch, Persisch und Arabisch.shöflich und zuvorkommend führte uns der Vizedirektor, ein Brahmane, durch die ganze Anstalt. Wohlerzogen standen groß und klein auf, als wir eintraten, und die Lehrer, welche uns alle vorgestellt wurden, grüßten mit tiefstem Salaam. Die Schüler saßen je zu sechs oder zwolf in einer Klasse, sahen wohlgenährt aus und waren im ganzen gut, einzelne sogar reich gekleidet. Um die hellen, luftigen Schulzimmer lief ein Sries mit teilweise ins Englische übersetzten Sinnsprüchen aus den Schriften des Confucius, der Mahabharata, dem Koran, ja sogar der Genesis. Ich wünschte nachträglich, ich hätte einige der besonders schönen Sprüche abgeschrieben.Nur das Motto Jey Sings, des Astronomen, haftet in meinem Gedächtnis: „Cugend führt zum Sieg“, und der Wahlspruch des „Heiligen von Benares“: „Keine Religion ist höher als die Wahrheit“.
Die Schule des Maharadscha ist im Jahre 1844 mit vierzig Schülern eröffnet worden.
Eine Bibliothek von über 183,000 Bänden mit einem großen Lesesaal, wo alle moglichen Seitschriften aufliegen, steht Sremden und Einheimischen gratis zur Verfügung. Der Maharadscha foll jedes Jahr bei 6000 Sranken für Neuanschaffungen daran wenden.
Ebenfalls eine Schöpfung des Sürsten ist die Kunstgewerbeschule, wo Cloisonne-Metall, Silberarbeit, eingelegte Waffen, Weberei und Sayencemalerei, teilweise von alters her betriebene Industrien, unter tüchtigen Lehrern ausgeführt werden. Auch hier ist der Unterricht frei. Anschließend daran find zwei große Ausstellungssäle,wo man die in der Schule gearbeiteten, großen und kleinen Gegenstände zu fixen Preisen kaufen kann. Was für eine Errungenschaft dies im Osten ist, kann nur derjenige ermessen, welcher die langen Verhandlungen um Wert oder Unwert der zu kaufenden Ware durchgemacht hat. Nichtsdestoweniger sind die Einkäufe in der fäulengeschmückten vorhalle des Kaisari-hindHotels äußerst spannend, unterhaltend und vom kunstlerischen Standpunkte aus malerisch, denn prachtvolle Charakterkopfe befinden sich unter den ssändlern. Spitzbuben und Gauner sind sie freilich alle,und besonders im Handel mit Steinen gilt's, auf der Zut zu sein. Jaipur ist das Cand der Granaten, englisch garnets genannt. Auch an gelben Topasen und []Pof im AlbertHallMuseum. (S. 560.)[]
Reise einer Schweizerin um die Welt.Amethnysten scheint Überfülle zu herrschen, denn handvollweise wurden sie aus allen moglichen Geheimtaschen und schmutzigen Taschentüchern hervorgeholt. Die Preise pflegten zwar erst nach heißen Kämpfen von zehn auf eine halbe Rupie zu sinken.Auch letzteres mag noch zu viel sein, denn die Steine haben meistens Sehler und werden zudem von den Eingebornen oft schlecht geschliffen.
Das großartigste Geschenk der Maharadschas an ihre Rajputen, wie das Volk sich nennt, sollten wir nachmittags kennen lernen. Unmittelbar vor der Stadtmauer Staubwüste aus, drinnen aber, o Wunder! ist's ein grüner, blühender, tropischer, wohlgepflegter Park. Seine Ausdehnung beträgt nicht weniger als 28 Hektaren, sein Unterhalt koftet den Maharadscha jährlich über 50,000 Sranken. Ein kleiner Tiergarten gehört dazu mit großem Teiche, in welchem allerlei Wasservögel, dickschnäblige Pelikane, rosenfarbene Slamingo, langbeinige Störche, farbenbunte, chinesische Enten, im Schatten herrlicher Bäume ein sorgenfreies, etwas zänkisches Dasein führen. Auch betreffs guter Verpflegung haben Tiger und Leoparden in Jaipur sich nicht zu bekalagen, sind sie doch quast pensionierte Rentiers. Große Stücke faftigsten Sleisches lagen in den Käfigen herum, und schon nahte der Wärter mit neuem vVorrate. Eines freilich, das Beste, entbehren sie, die Sreiheit.
Mitten im Garten erhebt sich ein stolzer Prachtbau, der jeder europäischen Großstadt zur Sierde gereichen wurde. AlbertHall heißt er zu Ehren des jetzigen Königs von England, der als Prinz von Wales im DNahre 1876 den Grundstein dazu gelegt hat. Von seinem Besuch in Jaipur auch stammt die in dieser Landschaft fremdartig aufdringliche große Inschrift: « Welcomes», welche in weißen Lettern das felsige Tigerfort schmückt. Mõge dieses « Welcome» übrigens lange noch stehen bleiben,denn wenn einmal englische Truppen hier einziehen, um dem selbständigen Staate der Rajputen ein Ende zu machen, so wird dieses « Welcome, sicherlich schleunigst verschwinden.
Einstweilen freut sich das Volk noch an dem freien Zutritt in den herrlichen Harten, wo keine Aufschrift « not for natives ihm von den Bänken entgegenstarrt,freut sich auch an dem schönen AlbertHallMuseum, in dessen eleganten Räumen a mit vorliebe neugierig, gewiß aber auch wißbegierig und immer anständig ewegt.st Ve ene Sftns eee des jetzigen Maharadscha von DNaipur,geländern, große und un mit * 3 mi on eren nan- o ee, α wönte Pavillons, herrlich ornamentierte,orgfältig dearbeueten se ee F 7 Funete unter denen mir die folgenden am besten geflelen val Sorhhe augecvacht
Wie durch kristall' ne Perlen blinkt der Silberfaden,
So auch durch gute Taten strahlt die Ciebe.
*Tot nennt man einen, der, obalech er atmet, lebt!Doch niemals einen guten Zweck verfolgt.[]Tigerfort in Jaipur. (5. 560.) [] Die Residenz eines Maharadscha.
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Wer kleinlich denkt, der frägt: Bist du von unserm Stamm?Wer groß und edel fühlt, fieht in der Menschheit seine Brüder.*F3 Dem Aufrichtigen gibt Gott Gedeihen und Gnade,herirren kann sich keiner auf ebenem Pfade.
*(Auf einem Siegel Kaiser Akbars.)Zzum Mutigen, der wagt, gesellt sich auch das Glück.Ein Schwächling rührt sich nicht, harrt auf des Schicksals Gunst.
Mit derselben Sorgfalt wie der Außenbau ist auch das darin befindliche Museum ausgestattet. In musterhafter Ordnung und Übersichtlichkeit liegt alles vor dem Besucher: moderne und alte Kunst und Industrie von ganz Indien; fehlt das Original,so ersetzt es eine möglichst getreue Kopie. Eine schöne, naturhistorische und ethnographische Sammlung indischer Produkte interessiert den Curopäer, während zu utz und Srommen des Eingeborenen Ansichten aus allen Weltteilen, Abbildungen europäischer Pflanzen und Tiere u. s. w. ausgestellt sind. Die Rajputen und Rajpütchen scheinen dies auch wirklich zu schätzen. Sie drängen sich ordentlich dazu. Eigentlich staunenswert für ein Volk. das nach dem Ausspruch der Engländer durchaus bildungsunfähig sein soll!
Als wir das Museum verlassen und eine Strecke gefahren waren, glaubte ich an eine Gehörtäuschung. Aus der Serne klang unverkennbar der blaue Donauwalzer.Strauß in Jaipur! Inmitten einer aus Cingeborenen zusammengesetzten Musikkapelle stand der Direktor mit weißem Haar und unverkennbar germanischen Gesichtszügen.Im Laufe des Konzertes suchte ich die Gelegenheit, ein paar Worte mit ihm zu wechseln. Er ist wirklich ein Deutscher und seit 25 Jahren schon am Hofe des Maharadscha. In seiner Stellung als Musikdirektor bezieht er einen Monatsgehalt von 500 Rupien, hat freie Wohnung, einen Wagen zur Verfügung u. s. w. Wenn V seinesgleichen, so konnte mancher den Mann beneiden. Von beiden Dingen soll letzteres am schwersten zu ertragen sein.
Der Direktor rühmte das gute Gehör, den Sleiß und Gehorsam seiner Schüler.Präzis und fein wurde gespielt, und nach all den Monaten, wo ich jeder Musik entbehrt, war dieses Konzert ein Hochgenuß. So schien es auch für die Einheimischen zu sein, welche reich und arm zahlreich anwesend waren; der Eintritt ist frei.
Sremdartig genug mutete mich das Publikum an. nicht wie bei uns saß es ehrbar auf Stühlen, sondern hoch zu Roß oder Elefant, auch in Sahrzeugen aller Art,vom originellen einheimischen Büffelwagen bis zum europaäischen eleganten Candauer.Wahrend die Musik spielte, stand alles still. In den Pausen dagegen entfaltete sich der schönste Korso auf den breiten, feingekiesten, tadellos gehaltenen Wegen. Vornehme öflinge, in Samt und Seide malerisch drapiert, mit bunten, herrlichen Turbanen,mit wunderbar gearbeiteten Schwertern und Lanzen, jagten auf feurigen Rossen dahin,deren bunte Schabracken und phantastisches Geschirr schön mit dem Aufzug ihrer Reiter harmonierte. Andere saßen zu drei und vier in hocheleganten CLandauern:zwei Boys vorn auf dem Bocke, zwei palmfächerwedelnde Diener hinten. Dazwischen
C. von Rodt, Reise um die Welt. 36
[5362]Reise einer Schweizerin um die Welt.ritt ein fünfjähriges Bübchen in kostbarem Gewande, einen Dolch im Gürtel, mit einem großen Turbane, dessen Last das feine söpfchen auf die Seite bog. Der arme reiche kleine Bengel hatte ein Gefolge von nicht weniger als sechs Mann hinter sich. So mochten wohl einst die Klienten die vornehmen Römer begleitet haben.
Stolz und frei, mit königlicher Haltung, das schöne Antlitz von einem schwarzen,wallenden Barte eingerahmt bewegen sich die Rajputen, deren Name „Koönigssohne“bedeutet. Ihnen gebührt die Palme der Schoönheit unter allen Hindustämmen.
Der zweirädrige ZebuWagen, Ekka genannt, von dem ich schon in Agra ein Bild gebracht, ist in Jaipur besonders originell, und ein paar Prachtexemplare waren
Ekta mit Zebu.auch beim Konzert anwesend. Über dem Sitze schwebt ein baldachinartiger Aufbau,der oft mit schon bestickten, weißen und roten Tüchern verhüllt ist. Die langen Börner der Sebu stind grün und rot angestrichen und an der Spitze mit einem kleinen Messingfutteral verziert. Die Sebu oder Buckelochsen GBos indicus) haben hier meist eine schneeweiße Sarbe, sind wohlgenährt, feurig und laufen mit den Pferden um die Wette.
Eines nur vermißten wir bei diesem Konzert das Beste, wie mein Reisegefährte meinte die Srauen. Einige arme Kuliweiber mit ihren Kindern waren wohl da,allein solche aus den besseren Ständen fehlten. Wo sind sie? In den Zenana, den von der äußeren Welt abgeschlossenen indischen Srauengemächern. Dort verleben und vertrauern sie ohne jedwede geistige Anregung oder Beschäftigung ihre Lebenszeit als unglückliche Gefangene. Ihre einzige Aufgabe besteht darin, ihren Serrn und Gebieter mit möglichst vielen Sohnen zu beschenken, sind es Cöchter, so verschlimmert sich wenn möglich noch ihre Stellung. In den letzten Jahrzehnten erst fälli etwas Licht []Amber. (5. 565.)
[564]Reise einer Schweizerin um die Welt.in die düsteren Sellen der Zenana, und zwar durch die Missionarinnen. Ihnen ist es gestattet, in dieses jedem fremden Manne streng untersagte Bereich zu dringen, und dankbar und freudig werden sie von den meisten indischen Srauen aufgenommen.Hier bietet und böte sich noch für viele ein weites,schönes Seld für Srauenarbeit.INach einem mehr als frugalen Diner im KaisariHindHotel, dessen Half cast-Wirt mit demjenigen von Madras mir noch heute als die ärgsten Gauner auf meiner Weltreise vorschweben, galt es, Vorbereitungen zu treffen auf den Ausflug nach Amber. Ich hatte zwar im Murray und verschiedenen Reisebeschreibungen gelesen, der Maharadscha pflege galanterweise den Reisenden zu diesem Ausfluge einen Elefanten zur verfügung zu stellen. Ob diese Artigkeit aufgehört, oder ob der Wirt auch hier sein Schäfchen ans Crockene bringen wollte, kurz, es hieß, ein Elefant koste für den kaum stündigen Ritt dreißig Rupien. Unseren Clefantenritt wollten wir aber à tout prix nicht missen, und da zwei junge Studenten aus Montpellier denselben heißen Wunsch hegten, beschlossen wir, uns in den Dickhäuter zu teilen.An folgenden Morgen in aller Srühe brachte uns ein Wagen durch Staub und Sandwolken an den Suß des Selsberges, auf dessen Kamm sich die Crümmer der alten Hauptstadt ausbreiten. Im Altertum schon war der am Cingang einer tiefen Schlucht malerisch und sicher gelegene Ort bewohnt, und als die Rajputen im Jahre 037 die Bergfeste erstürmt hatten, hielten sie sie fest, bis 1728 der Maharadscha Jey Sing seine originelle Residenz Jaipur erbaute. Amber wurde auf eine Prophezeiung hin verlassen, welche besagte: „Das Herrscherhaus kann am selben Orte nur eine gewisse Seit blühen und gedeihen.“
Da stand schon unser Elefant! Ein Riesentier! Der Gedanke an den Aufstieg lief mir, der Hitze ungeachtet, kalt über den Rücken. Er war hübsch aufgeputzt, der Biedere, sein Gesicht rosa bemalt, sein Rüssel blau und orange. Auf dem Kopf trug er ein kokettes, gekraustes Häubchen, wie eine alte Dame. Über der langen, buntfarbigen Decke ruhte auf dem breiten Rücken des Tieres ein viersitziges Traggestell,an welchem unten ein Brett für die Suße befestigt war. Auf dem Halse des Kolosses saß der Mahout oder Elefantentreiber, welcher mit den Süßen und einem kleinen,stachlichten Instrumente, Ankus genannt, das Cier lenkt.
Artig machte der Dickhäuter seinen Salaam, indem er den Rüͤssel gegen uns schwenkte, worauf Mahout und Kornaks unisono Bakshish schrieen. Von letzterer
Ritt nach Amber.[]AlberthallMuseum in Jaipur. (5. 560.) [] Die Residenz eines Maharadscha.
565 Spezies gaben uns nicht weniger als drei, und zudem noch eine Kornakin, wohl zu meinen Ehren, das Geleit. Der Elefant ließ sich zu meiner nicht geringen Erleichterung auf die Knie nieder, eine kleine Leiter wurde gebracht, und sonder Mühe erkletterte ich meinen Sitz.sHHa, da thront man in erhabener Höhe! Weit unter mir sind der Staub und die bakshishbettelnden Kornaks, denen sich ein Trupp leichtgekleideter Kinder und einige struppige Sakirs angeschlossen. Etwas geschüttelt, recht langsam geht's bergan,man koönnte mit Leichtigkeit daneben Schritt halten.
Die Aussicht wird immer schöner oder vielmehr eigentümlicher, denn der Weg führt durch eine Wüste. Als sei ein böses Sterben durch das Land gezogen, so leer,so verlassen steht Amber. Cinks an steilem Selsgrate steigen die Mauern, Bastionen und Türme der alten Befestigung, die sich 120 Meter höher als die Stadt befindet,empor. Sur Rechten zieht sich ein einst grüner Bergzug, auf dessen durch Trockenheit ausgedörrtem Boden noch Mauerreste stehen. In dem Einschnitt der beiden hohen Berge liegt gleich einem Bilde von Malershand Amber, richtiger Ambir, die alte Hauptstadt der Rajputen.
Im weiten Palasthofe ließ sich unser braver Elefant auf die Knie nieder, und wir kletterten hinunter. Auch hier oben herrscht ein merkwurdiges Durcheinander von angefügten, mit engen Gängen und Treppen verbundenen Bauten. Suweilen in der heißesten Jahreszeit soll der Maharadscha auf einige Wochen hier hinaufziehen. Dann oöͤffnet sich wohl der große Saal, dessen Wände mit Marmorreliefs geschmückt, dessen weiße Decke mit Goldlinien und kleinen Spiegelchen ganz übersäet ist. Durch das durchbrochene Gitter in der Höhe durften einst die geliebtesten Bewohnerinnen der Zenana in den säulengetragenen Saal verstohlen herunterschauen, wenn ihr Gebieter,der Maharadscha, darin Vorstellungen und Sestlichkeiten veranstaltete. Durch einen langen, verfallenen Gang gelangten wir in diese Senana, wo der Sage nach der letzte mohammedanische Herrscher 928 Srauen gehalten haben soll. Ranis oder Königinnen waren 28 darunter, die übrigen deren Gespielinnen und Dienerinnen.
Süße Orangendüfte drangen aus dem Garten herauf, diese Bäume allein schienen der allgemeinen Dürre Trotz zu bieten.
Wunderbar ist die Aussicht auf die Ruinen der seit nahezu zweihundert Jahren verlassenen Stadt,auf die felsigen Berge, das die graue RajputanaCbene.Grau, braun, gelb ist die
Rleine Beitler in Amber.
[566]Reise einer Schweizerin um die Welt.Sarbenzusammenstellung, in welche nur der blaue Himmel und das Grüun der Orangen und einiger BanyanBäume hellere Töne wirft. I
Am Suße der Burg liegt ein kleiner Tempel, wo Sliegen in dichten Schwärmen sich sammeln und jeden Morgen eine Siege der blutgierigen Göttin Durga geschlachtet wird. In fruheren Seiten wurde ihr taäglich ein Jüngling geopfert. Da geschah es, so erzählt die Sage, daß der Mund der Göttin sich eines Morgens grollend verzogen hatte. Entsetzt hierüber, suchten die Gläubigen Trost und Rat bei dem gelehrtesten Priester, welcher antwortete: „Wißt es, die Göttin ist der Menschenopfer überdrüssig, sie verlangt in Zukunft jeden Morgen eine schwarze Ziege.“ Und so wird es noch heute gehalten.
Denselben Abend brachen wir nach Bombay auf. Die während beiden Cagen unauffindbare Dienerschaft des KaisariHindSamilyHBHotels schoß jetzt wie Pilze nach einem warmen Regen hervor. Der eine hatte das Bett gemacht, der zweite das Simmer gekehrt, der dritte Wasser zum Bade getragen, der vierte die Lampe angezündet, der fünfte die Schuhe geputzt, der sechste das chota hazirs gebracht, der siebente und achte bei Tisch aufgewartet, der neunte kurzum, es meldeten sich beim Abschied nicht weniger als dreizehn Leute, von denen wir drei wirklich gesehen. Und der Wirt?Dem strichen wir ruhig elf Rupien von der Rechnung, die er uns irrtümlich darauf gesetzt. Ohne Widerrede ließ er's geschehen, da er sich den letzten Augenblick nur als Stellvertreter des eben zurückgekehrten Hotel-Besitzers entpuppen mußte.
Auf dem Bahnhof war großes Gedränge. Der Maharadscha sollte abreisen, und zwar nach Benares. Dort gedachte er, im heiligen Strome seine Sünden abzuwaschen,ehe er die weite Reise nach London zur Königskrönung antrat.
Cine Stunde Verspätungl! Bohen Häuptern ist es erlaubt, unpünßktlich zu sein,und einem Maharadscha von Jaipur, der eine Jahresrente von 26 Millionen Sranken p soll, erst recht. So mußten wir abreisen, ohne ihn zu Gesicht bekommen zu haben.
Wie man auf den Rücken des EFlefanten gelangt.[]Bahnhof in Bombay. (5. 568.) []
Bombay.
Bombay.
567
Homban.
Dürre Gegend. „Flamme des Waldes.“ weilige Affen. Bahnhof in Bombay. Der Dhobie. MalabarDill. Türme des Schweigens. Die Parsen. Soroaster. ZendAvesta. Gute wirkungen der Lehre zoroasters. Verfolgung und Slucht nach Indien. Rleidung der Parsen. Turmeinrichtung. Fahrt durch Bombay. Pest. Ihre SFolgen. Markt. Pompelmus. Eingebornenstadt. Baumwollmarkt.Ausflug nach Elefanta. Die Rinder des Eilandes. Der Selsentempel. Noch einmal die Parsen.
Eine nahezu endlose Sahrt liegt zwischen Jaipur und Bombay: zwei volle Tlächte und ein ganzer Tag im Eisenbahnwagen! Als ich den ersten Morgen früh aufwachte,uhren wir durch eine graugelbe Ebene, aus der sich ganz unvermittelt zerrissene, blaue, schon gezackte Bergketten erheben.
Welch dürres, trostloses
Cand! Elendes vVieh sucht eine Nahrung, die der Boden hier ihm nicht spenden kann, und noch elendere Menschen drängen sich, zu Skeletten abgemagert, jammernd an den Sug heran! Weiter, nur weiter!
Oasen in der Wüste sind die meist freundlichen Stationshäuschen mit ihrem sorgfältig gepflegten Busch- und Blumenschmuck, und fremdakrtig flammen oft die rotgelben Blüten eines Baumes empor, welchem die Engländer den ebenso poetischen wie zutreffenden Namen «Flame of the Foreste gegeben haben. Blattlos steht der sonderbare Baum, durchs ganze Land zerstreut, vereinzelt da. Jeden Sweig schmücken rotgelbe Slammen, die einen eigenartigen Sarbenzauber in der dürren Einsöde verbreiten.
Nachmittags änderte sich das Bild. Wasser, der Sauberer, erscheint und in seinem Gefolge wogende Selder und hohe, saftgrüne Bäume. Wie im Sturme neigen sie sich
[568]Reise einer Schweizerin um die Welt.unter der Last zahlreicher,kräftig behender Affen.liemals habe ich sie in so großer Menge gesehen; oft hockten bis sieben auf einem Baume, oder eine ganze Gesellschaft kauerte auf dem Damm und musterte mit ernsthaft listigen Auglein den Bahnzug und seine Passagiere.Zutraulich, im Vollbewußtsein ihrer Heiligkeit,kamen zuweilen ein paar „vetter“ bei den Stationen bettelnd vor die
Wagen. Mein Cakevorrat schwand sichtlich auf dieser Strecke.
An Ahmedabad sind wir vorbeigefahren; leider, mußte ich mir nachträglich sagen. Auch Baroda wäre interessant gewesen, doch mein Gefährte war so Indienmüde! „Nur weg aus diesem Lande an einen Ort, wo man ein vernünftiges Nachtlager findet, wo ein amerikanischer Magen wieder ordentlich arbeiten kann und nan nicht ausschließlich darauf angewiesen ist, Staub zu schlucken.“ So sprach er,und ähnlich klagten alle die Reisenden, die wir auf unseren Kreuz- und Querzügen durch Indien trafen.
Die zweite Nacht fuhren wir unweit der Meeresküste entlang, und früh um sieben Uhr lag Bombay, die stolze Handelsstadt, vor mir. Schon der pompöse Bahnhof im gotischindischen Stile läßt auf den Reichtum und die Größe der Stadt schließen,die Kalkutta an Schönheit weit überflügelt.
Augenblicklich fühlte ich mich nach der 36stündigen Sahrt zu abgestumpft, um den Prachtbau nach innen und außen gehoörig zu würdigen, doch habe ich dies den nächsten Tag nachgeholt.
Im wohlgehaltenen Great Western-Hotel, welches mir nach den Z3uständen in Jaipur ein Paradies auf Erden schien, nahm ich rasch ein Bad und rüüstete meine Wasche für den Dhobie. So heißt der indische Wäscher. Ich hatte hier Gelegenheit,ihn einmal auf dem Selde seiner Tätigkeit zu beobachten, und begriff nun die zerschlagenen Knöpfe und Risse, die mich jedesmal mit Sorge und Trauer erfüllten,wenn die Wäsche zurückkam.
Um neun Uhr schon war ich fix und fertig. Wir fetzten uns in einen Wagen,um vorerst zur Post zu fahren, wo, wie stets, eine Menge Briefe und Karten mich erwarteten, dann ging's nach Bombays schönster Vorstadt, nach MalabarHill. Eine wundervoll gehaltene Straße wie überall, wo England herrscht führte uns sachte auf die Höhe. Links und rechts vom Wege liegen elegante Villen und weiße Bungalows im Grünen, und in einem derselben wohnt Mrs. M. eine Landsmännin
Dhobie.[]Bombany.
569 meines Reisegefährten. Sreundlich bewillkommte uns die schöne Amerikanerin in ihrem reizenden Heim, das mit Kuriositäten aller Länder angefüllt ist. Das Schönste aber war der Ausblick auf das weite, blaue Meer. Wie hatte ich mich schon danach gesehnt auf der langen, staubigen Landreise! Jetzt winkte es mir so blau, so verlockend durch die Palmenhaine, welche auf MalabarHill wachsen.
„Glorreiches Meerl befruchtend, jauchzend, klagend,
50o flutest du dahin durch alle Sonen,
Unendlich, unerschöpflich, unbezwungen,
Entfesselt, ohne Ruhe, ewig drängend,
Und doch wie eine Träne, leicht durchdrungen
Dich an den dunkeln Saum der Wolken hängend,
Vft freudestrahlend, oft in stiller Crauer!“ Dranmor.
Mrs. M. ließ uns nicht mehr fort. Wir nahmen den Tiffin bei ihr und schlenderten dann langsam, aber auch so noch schwitzend, vollends auf MalabarHills V wohlgepflegter Wege und lauschiger Plätzchen, aber der bleiche Cod birgt sich darin. Hier von dichtem Grün umsponnen stehen die fünf Cürme des Schweigens. Kein Mensch darf unmittelbar ihr Bereich betreten, kein Parsi, noch weniger ein Europäer. Allein die Träger, welche die Toten auf den Curm legen. Ihre Hände stecken in Handschuhen, nur mit Sangen berühren sie die Leichen. Jedesmal nachher müssen sie
Turm des Schweigens in Bombap.[]W
Reise einer Schweizerin um die Welt.ihre Kleider wechseln und waschen, und doch gelten sie für unrein, wie bei uns einst der Henker. Sie bilden eine besondere Kaste, und kein anderer Parst würde mit ihnen Umgang pflegen.
Nach der Lehre Soroasters sind die Toten unrein. Die heiligen Elemente, Seuer, Wasser,Erde, dürfen daher nicht durch sie entweiht werden,sondern sie sollen den Vögeln zur Speise dienen.
Vvon ferne sahen wir die weißen Mauern der niedrigen, breiten Türme. Große,eklige, wohlgenährte Geier saßen darauf und warteten auf neuen Sraß, täͤglich drei bis vier Leichen, in Pestzeiten noch viel mehr.
Wir wandten uns ab und setzten uns dahin, wo man hinunterblickt auf das schöne Meer, die Inseln, die Palmenhaine und die große Stadt, welche dereinst die um ihrer Religion willen nach Indien geflüchteten Parsen gastlich aufgenommen hat. Ihre Menschenfreundlichkeit zu bereuen, hat sie keinen Anlaß gefunden, so wenig wie Deutschland, als es den französischen Protestanten Suflucht gewährte.deute gehoren die Parsen zu den besten, angesehensten, reichsten Bürgern Bombays.
Ihre Geschichte geht Jahrtausende zurück nach Ost-Iran (Baktrien). Gleich den stammverwandten Ariern am Indus, verehrten auch die Iranier die Naturmächte: Die Sonne, welche den Winterfrost und die Schneemassen von den Bergen verschwinden läßt,die Morgenrote, welche die Nebel der slacht vertreibt, und das lodernde Seuer, der irdische Abglanz des himmlischen Lichtes. Deutet ja doch die aufsteigende Slamme die Sehnsfucht der Menschenseele nach der ewigen Lichtquelle symbolisch an. Den ersten Rang behauptete bei den Iraniern der Sonnengott Mithras. Allein nicht immer leuchtete die Sonne und herrschten nur wohltätige Lichtmächte, sondern versengende Winde, verheerende Stürme zogen durchs Land, und die Schrecknisse der Wüste wurden als feindliche Dämone gefuürchtet.
Geraume Seit schon vor dem VI. Jahrhundert vor Christi Geburt brachte ein alter Weiser namens Sarathustra oder Soroaster diesen Naturdienst in ein System und legte die einzelnen Lehren und Vvorschriften in einem heiligen Buche, Zend-Abesta,nieder. Von der Wahrnehmung ausgehend, daß sowohl in der Natur, wie in der Menschenseele Gutes und Boses vorhanden sei, schied er das Weltall und alles Gefchaffene in zwei Reiche: In die reine Lichtwelt, welche der Götterfürst Ormuzd (Ahuramasda)beherrscht und wo alles Gute, Reine, Heilige Platz findet, und in die Welt der sinsternis, welche der „Arggesinnte“ Ahriman (Aramainjus) lenkt, und der alles []Bombay.
571 Verderbliche, Lasterhafte und Unheilige inne wohnt. Als Helfer des Ormuzd erscheinen die Amschaspands, sechs Personifikationen ethischer Ideen, nebst Sraosha, dem Genius des Glaubens, und Aetar, dem Seuer. Um Ahriman scharen sich die Drudsh, der Cügengeist, das AhemMano, die schlechte Gesinnung, Aeshma, die Mordgier und Grausamkeit, und die Daevas, die bösen Geister.
Von Anfang an war das Prinzip des Guten und des Bösen vorhanden, aber Ormuzd war der Mächtigere, er erschuf die Welt unbehindert von dem feindlichen Widersacher, als ein Lichtreich, worin nur Gutes und Reines sich befand. Als er sich aber in seinen himmlischen Wohnsitz zurückgezogen hatte, eilte Ahriman in Schlangen-gestalt durch die Welt und füllte sie mit feindlichen Geistern, mit unreinen und schädlichen Tieren, mit Lastern und Süunden. Wenn Ormuzd durch seine Amschaspands es versucht, die Menschen auf dem Pfade der Tugend und Sittenreinheit zu halten,so lauert Ahriman mit den Daevas auf die Gelegenheit, in unbewachten Stunden in die Herzen der Sterblichen zu dringen und sie auf den breiten Weg des Lasters und der Unreinheit zu führen. Cin ewiger Kampf, ein unaufhörliches Ringen besteht zwischen Ormuzd und Ahriman um die Herrschaft über die Erde und das Menschengeschlecht. Aber am Ende der Cage wird das gute Prinzip siegen, das Lichtreich erfüllen die Welt, und ein Sustand ewiger Glückseligkeit eintreten. Dann erhalten die treuen OrmuzdDiener, deren Seelen nach dem Code bei der Prüfung auf der Brücke Tschinavat rein erfunden werden, einen verklärten lichten Leib, der keinen Schatten wirft, und genießen am Throne der Lichtgottheit eines ewigen Glückes und himmlischer Herrlichkeit. Darum muß der Sromme den bösen Geistern mit allen Kräften entgegentreten, er muß das „gute Gesetz“, welches Ormuzd durch Sarathustra ihm geoffenbart hat, durch Seuerdienst und Gebet, fromme Worte und Handlungen treu befolgen.
Während dem Inder die ganze Natur als Opfer des Übels und der Vergänglichkeit erscheint, ist dieses Opfer dem Parsen nur ein von Ahriman herrührender Teil derselben. Seine Lebensaufgabe besteht daher nicht, wie bei dem Onder, in der Auflsössung und Vernichtung des materiellen Daseins, sondern in der Bekämpfung der Arges finnenden Dämonen, sowohl in der äußeren Natur als in der eigenen Brust,damit die Lichtgeister, die Diener des Ormuzd. die Herrschaft erhalten.
Dies war die Grundlage von Sarathustras Lehre, die er in der Zend-Avesta niedergelegt hat, und so wirksam bewies sie sich Brunnenszene im indischen Bombay.
[572]Reise einer Schweizerin um die Welt.im sittlichen und werktätigen Leben, daß die aältesten Schriftsteller der Griechen die Sittenreinheit, die Wahrheitsliebe und Arbeitsamkeit der JIranier ruhmend hervorheben. Das Seremoniell und die Reinigungsvorschriften, womit später die Priester, hier Magier genannt, die Cichtreligion in einen knechtischen Gesetzesdienst verwandeln wollten, haben niemals tief genug ins praßktische Leben eingegriffen, um, wie in Indien, das tatkräftige Handeln zu lähmen. Das Kastenwesen fand keine Entwicklung, ebensowenig ist je ein Traum und Büßerleben als höchstes Lebensziel aufgestellt worden. Die Iranier haben ein großes, historisches CLeben entfaltet, mächtige Persönlichkeiten, wie Ryros und Dareios, sind aus ihnen hervorgegangen, und weithin durch das CLand der Meder und Perser verbreitete sich die Lehre Sarathustras als Staatsreligion.
Allein andere Seiten kamen. Die Scharen der Mohammedaner drangen ein und unterwarfen in rastlosem Siegeslaufe ganz Persien dem Halbmonde. Grausam wurden die Anhänger Sarathustras gezwungen, ihrem Glauben abzusagen. Nicht alle aber wollten die Avesta mit dem Koran vertauschen, lieber verließen sie das CLand ihrer Väter und zogen wie vor Jahrtaufenden ihre Stammesgenossen, die Arier, nach Indien. Auf ein kleines Häuflein sind die Parsen zusammengeschmolzen, auf achtzig,höchstens hunderttausend. Von diesen leben ungefähr die Hälfte in der Stadt Bombay,eine festgeschlossene Gemeinde unter dem mächtigen Schutze Englands.
Cange saßen wir auf unserer schönen Bank, versunken in die wundervolle Aussicht. Da nahten sich Schritte: 5wei Männer und ein junges Mädchen. Parsen waren's.Man erkennt sie sofort an der Kleidung. Die Männer tragen eine häßliche, steife Kopfbedeckung und einen glatten, enganliegenden Rock, zuweilen weiß, meist schwarz.Die Kleider der Srauen dagegen erinnern an griechisches Gewand. Ganz besonders reizend sah dieses junge Mädchen aus. Auf dem feinen, unter der Cast der dichten Haarflechten etwas geneigten Köpfchen balancierte gleich einer Cerevismütze ein kleiner,silberdurchwirkter Deckel. In zarten Sarben und schönem Saltenwurfe legte sich helle Seide um die hohe Gestalt der anmutigen Jungfrau. a
Traurig dachte ich: „Auch dich holt über kurz oder lang der Geier.“ Überlegt man sich's aber näher, so ist die Aussicht, langsam in der Erde zu verwesen, keine angenehmere. Die moderne Cheorie freilich verwirft den früheren Glauben, daß die
Bei Bombay.[]Ein Parsi. (S. 672.) [] Bombay.
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Ceichen durch Würmer gefrefsen werden.Bei den Geiern geht's wenigstens schnell.Man sagt, jede Leiche verwandle sich unter den Schnäbeln der Geier innerhalb einer Stunde in ein Shelett.
Das Modell eines Curmes im kleinen Maßstabe wird gezeigt und erklärt.
Die Größe der wirklichen Cürme, worunter ein besonderer für Selbstmörder,beträgt T,ß Meter in der Höhe und 90 im Umfang. Drinnen ist ein großer,gegen die Mitte zu sich neigender Rost,der aus drei ringförmigen Abteilungen besteht. In die äußerste kommen die Männer-, in die mittlere die Srauen,in die innerste, kleinste die Kinderleichen.In der Mitte des Rostes ist ein großes Coch, in welches von Seit zu Seit die von Sonnenbrand und Wind gebleichten Gebeine durch die „Cotenträger“ gekehrt werden. Auch dazu versehen sie sich mit Handschuhen und Sangen. Die heftigen Tropenregen weichen vollends die Knochenreste und Staubatome allmählich auf, so
Ein anderer Beweggrund noch hat zu dieser eigentümlichen Bestattungsweise Anlaß gegeben. Zarathustra sagte nämlich: „Reich und arm müssen sich im Tode begegnen.“Dies Wort ist buchstaäͤblich aufgefaßt und erfüllt worden. Ein gemeinsamer Curm nimmt den Staub aller Parsen auf, denjenigen des reichen Jamfhidiji, den England zum „Sir!“ gemacht, und anderer Millionäre und denjenigen der armen Bewohner des ParsiAsyls.
Nochmals kehrten wir zu Mrs. M. zurück, welche uns in mehrstündiger Sahrt in Bombay herumführte, in dem eleganten Bombay. Das Pittoreske mit der Blacktown sollten wir am folgenden Morgen kennen lernen. Von Malabar-Hill nach MalabarPoint und durch Breach Candy, einen herrlichen Weg, an welchem der Indische Ozean seine Wogen branden läßt, fuhren wir nach Camballasdill hinauf.Auch hier findet sich eine BungalowAnfiedlung, schöne, komfortable Wohnstatten im Grünen für die besitzende Klasse.
Bombay, eine Stadt von nahezu einer Million Cinwohner, setzt ihren Hauptstolz in die schönen, öffentlichen Gebäude, welche fsich zumeist im sogenannten „Sort“ der Esplanade entlang ziehen. Gotik bildet auch hier wie beim Bahnhof den Hauptstil.ine Gotik, welche von der indischen Architektur die Kuppeln entlehnt und im ganzen mit dieser Vermischung glüückliche Resultate erzielt. Erwähnenswert sind Universität und Bibliothek. Der Glockenturm, welcher auf englischem Boden niemals fehlen darf, das riesige Gerichts- und das große Postgebäude. Etwas weiter steht das mit Kuppel gekrönte Stadthaus. Eine Menge wohltätiger Anstalten schmücken
[574]Reise einer Schweizerin um die Welt.Bombay, zum großen Teil Stiftungen frommer Parsen. Weite, luftige Plätze, tadelloses Pflaster, sorgfältig gepflegte Anlagen heben noch den stolzen Glanz dieser Prachtbauten.
Elegante Menschen, elegante Equipagen bewegen sich in den Straßen! Kein einziges Anzeichen deutet auf das schwarze Gespenst der Pest, das seit dem Jahre 1896 in Bombay herumschleicht. Sreilich sucht es sich seine Opfer nicht hier, sondern zumeist bei den farbigen Menschen in den engen, schmutzigen Straßen der „schwarzen Stadt“, wie das Viertel der Eingeborenen genannt wird. Vom 8. August 1896, wo die Pest ihren Cinzug hielt, bis zum 30. Juni 1897 hat sie laut dem Reisehandbuch
Verbrennung von Pestleichen in Bombay.Murray 27.597 Opfer in Bombay gefordert. Seit dieser Seit hat der böse Gast die Stadt nicht mehr verlassen, sondern tritt nur je nach der Jahreszeit gelinder oder stärker auf. Der März ist der gefährlichste Monat, und so lautete die Siffer auf 1400 Pesttote in der Woche, als wir in Bombany waren, eine recht beängstigende Zahl, welche verstärkte, übrigens gewiß notwendige Vorsichtsmaßregeln hervorrief.Auf der Weiterreise sollten wir nicht wenig von den Plagen der «plagues, wie der englische Name für Pest lautet, erfahren und zu leiden haben.
In Bombay selbst herrscht keine Panik mehr vor dem unheimlichen Gespenst,man kennt es jetzt schon zu lange. Ich ließ mir erzählen, daß von hundert Patienten etwa sechzig dem Tode verfallen seien. Die Krankheit beginnt meist mit allgemeiner Erschlaffung, worauf heftiges Sieber und Delirium folgen. Wenn beides den höchsten Hrad erreicht hat, bilden sich Beulen in der Haut und Drüsenanschwellungen. Im []Bombay.günstigen Salle brechen ein zelne CLymphdrüsen auf,
Eiter entleert sich, und nach reichlichem Schweiße erfolgt Genefung.
Sinanziell zieht diese jahrelang dauernde Epidemie einen enormen Schaden für Bombay nach sich, nicht nur in bezug auf finanzielle Opfer, welche sanitarische Maßregeln und Einrichtungen, Spitäler und Barackenbauten nach fich ziehen, sondern sie wirkt auch lähmend auf den Handel. Immer noch sind die Schiffe aus Bombay sie mögen im wellentlegensten Hafen der Welt ankern quarantänepflichtig. Che wir auf einem Schiffe des Norddeutschen Cloydes, welches aus Pokohama kam, in Neapel einfahren sollten,bat man uns inständigst, ja nicht den Namen Bomban auszusprechen. Wir hatten uns nachher noch in einigen südindischen Städten und in den NilgirieBergen aufgehalten, Ceylon durchstreift, Agyptens Erde berührt, einerlei. Schon das Wort Indien genügte, um Verdacht zu erregen. Als in Neapel der Arzt aufs Schiff kam, befragte er jeden einzelnen Passagier über das woher? wohin? Die Reihe kam auch an mich. Bedeutsam schaute mich der Kapitän, der den Doktor auf seinem Rundgang begleitete, an und fragte: „nicht wahr, Sie kommen aus sdongkong? Ich beijahte.Von ßongkong war ich ja auch dereinst gekommen.
Den folgenden Morgen fuhren wir früh der Hitze wegen auch in Bombay hat Morgenstunde Gold im Munde nach dem CrawfordMarkt. Welch buntes Leben und Treiben trafen wir hier! Männer und Weiber von der dunkelsten Sarbe in jeder Schattierung aufwärts bis zum oft nur für ein stennerauge vom Weißen unterscheidbaren Curasier! Wundervoll find die verschiedenen, gedeckten Hallen angelegt und wundervoll rein und ordentlich gehalten. Was gäbe es da nicht für Stillleben zu malen von Blumen und Sruchten, Gemüsen und Spezereien, schöngefiedertem Geflügel und form und farbenreichen Cropenfischen!
Erfreut stürzte ich mich auf einen meiner geliebten Pummelo oder Pompelmus,wie sie in Java heißen, eine sehr erfrischende Srucht, die am meisten Ähnlichkeit mit einer Riesenzitrone bietet. Ich finde hier nachträglich, daß wirklich ihr lateinischer Name Citrus decumana lautet. Pompelmus aß ich fur mein Leben gern. Auf seinem Baume sieht mein Liebling ganz befonders nett aus. Da gucken die oft riesigen,gelben Srüchte zwischen großen, glänzenden Blättern hervor, und große Blüten schaukeln wie weiße Schmetterlinge daneben. Sreilich gefährlich sitzt es sich unter dem Pompelmusbaume, eine Srucht auf die Nase o weh!
Baumwollmarkt in Colaba.
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[576]Reise einer Schweizerin um die Welt.
Rleine Bettler.
Ungeachtet der Pest sind wir auch in der Blacktown gewesen. Die teilweise breiten Straßen und die Reinlichkeit überraschen mich, auf letztere wird wohl jetzt ganz besonders energisch gehalten. Dasselbe Leben herrscht, wie in den Eingeborenenvierteln anderer indischer Städte, auch hier fehlt anscheinend jede Spur des unheimlichen Gastes.nücht wenig belebt ist der Baumwollenmarkt, der auf der kleinen mit Bombay verbundenen Insel Colaba seinen Sitz hat. Bombays Hauptexport ist die Baumwolle und sein Hauptabnehmer jetzt Deutschland. Bevor die Baumwolle versandt wird,preßt man sie in Ballen von 392 Pfund ganz fest zusammen. Übrigens wird ein guter Teil hier selber verarbeitet; nahezu hundert Spinnereien sind im Betriebe.
Auf Apollo Bandar fanden wir uns zur Sahrt nach dem Eiland Elefanta oder,wie es die Cingeborenen heißen, Gharapuri ein. Cook liefert zu verhältnismäßig hohem Preise eine kleine Dampfbarkasse dazu. Mit uns nahmen noch zwei Herren teil am Ausfluge. Ungemein rasch durchschnitt das kleine Sahrzeug die tiefblaue See,und schon nach einer Stunde landeten wir an einer langen Reihe schlüpfriger Sementblöcke, die nur zur Ebbezeit aus dem Wasser ragen. Kaum balancierten wir auf dem ersten Stein, so war eine Bettlerbande schon bei der Hand, deren Zahl mit jedem Zementblock anzuschwellen schien. Goldkäfer, rote Beeren, Muscheln, Steine, Stocke,Blumen sollten wir kaufen, der eine wollte mich zudem über den Damm ziehen,der andere von hinten stoßen. Aus welchen Lochern mochte sie wohl hervorgekrochen sein, diese ganze Jungmannschaft, die ihre bloßen Köpfe und Korperchen so unbesorgt der heißen Sonne zur Sielscheibe bot! Drollig genug ist sie übrigens, diese unverschämte.[]Bombay. Die schwarze Stadt. (5. 576.) [] Bombay.
577 zudringliche kleine Gesellschaft! Man möchte sich umschauen, die herrliche Aussicht bewundern, unmöglich, man hat zu viel zu tun, dem kleinen Gesindel zu wehren.Durch einen Kokospalmenhain wanderten wir auf bequemen Steinstufen 76 Meter bergan zu einem schönen Selsentempel. Ich kenne sie von Ägypten her, jene geheimnisvollen, aus einer Steinmasse kunstreich gemeißelten Wohnstätten der Götter.Gedrückter, weniger fein ausgearbeitet und besonders ohne die schönen, farbenreichen Malereien seiner ägyptischen Vorbilder, liegt der Cempel von Elefanta im Schmucke einer tropischen Vegetation vor mir. Von der die Eingangspforte weit überragenden
Tempel von Elefanta.Selsmasse, hängen lange Schlingpflanzen gleich einem Schleier herunter und verbreiten ein geheimnisvolles Dämmerlicht in das Innere.
Wann ist er wohl entstanden? Keine Inschrift deutet darauf. Die Archäologen raten auf eine Seit zwischen dem VIII. und XII. Jahrhundert. Wohl an dreißig Säulen scheinen die Decke oder vielmehr den Berg zu tragen. Sie sind von sonderbarer Beschaffenheit. Auf dem hohen, einen glatten Würfel bildenden Sockel sitzt ein reich ornamentierter Schaft, der, sich nach oben verjüngend, ein gerundetes Kapitäl trägt. Aus dem 39 Meter tief in den Sels gehauenen Tempel scheint eine kolossale,dreiköpfige Büste uns entgegenzuschweben, die sogenannte Trimurti: Brahma, vishnu,Civa.- Neuere Sorscher freilich sagen, sie stelle Civa allein dar, und zwar in seinen drei Cigenschaften als: Schöpfer, Erhalter und Serstörer. Swei riesige Dwarapalas,
C. von Rodt, Reije um die Welt. 37
[578]Reise einer Schweizerin um die Welt.Torwächter, liegen zu Suzen der 5 Meter hohen
Büste. Gewiß ist der
Tempel Civa geweiht,denn überall erscheint sein in Stein gemeißeltes Bild.
Da sehen wir ihn als
Arddhanari, als Wesen,in welchem das männliche und weibliche Geschlecht noch unentschieden zum Ausdruck gelangt.
In der ältesten indischen
Zage dachte man sich die
Gottheit geschlechtlos. Der
Künstler hat es aufs feinste verstanden, der rechten Hälfte des Gesichtes männliche, der linken weibliche Zuge zu verleihen.
Civas Hochzeit mit Parvati ist ein drittes Bild. Schon seine Grsße stellt ihn unendlich hoch über die arme kleine, verschüchterte Parvati, die heute zum erstenund auch zum letztenmal den Platz zur Rechten ihres Gebieters einnehmen und mit ihm essen darf.
Ein zweiter Chrentag steht ihr in einem anderen Bilde bevor, nachdem sie ihrem errn den ersten Sohn geboren, Ganefh oder Ganesa, den Gott der Weisheit, welcher später stets mit einem Elefantenkopf dargestellt wird. Civa und Parvati sitzen nebeneinander, und eine Schar untergeordneter Götter und Göttinnen schütten vom Himmel Rosen auf die zwei herunter. Kunstvoll ist die Wolkenbildung aus dem Stein gemeißelt. Eine Wärterin hält den kleinen Göttersohn auf der Hüfte, wie auch noch heutzutage die HinduMWeiber ihre Aleinen tragen.
Nur ein Bild noch dessen Stoff der ältesten indischen Sage entlehnt ist: Dahsha,ein Sohn Brahmas, aus dessen rechtem Daumen er hervorsprang, um die Welt zu bevölkern, besaß sechzig Töchter, welche die Mütter aller geschaffenen Wefen wurden.Ziva heiratete eine dieser Töchter, namens Durga. Eines Cages nun begann Dahsha ein Opfer nach altem Ritus, wozu nur die Götter der veda eingeladen waren. Civa und seine Srau Durga wurden ausgeschlossen. Durga ärgerte sich gewaltig darüber, und zudem quäͤlte fie die Neugier gar sehr. Uneingeladen fand fie sich zum Opfer ein und wurde schlecht empfangen. Wütend darüber warf sich die Goöttin ins Seuer. Da erschien Civa in seiner schrecklichsten Gestalt als vVira Bhadra,er trieb die Götter und Opferbringenden wild auseinander, und seinen Schwiegervater Dahsha mit gewaltiger Rechten ergreifend enthauptete er ihn, während er mit einer dritten Hand ein Gefäß hielt, in welches das Blut hineintraäͤufelte. Das Haupt zerhackte er in tausend Stücke. Als aber Civas Zorn sich besänftigt hatte, setzte er den Kopf eines Widders auf Dahshas Schultern, damit dieser immer eingedenk sein
Am Meeresstrande.[]Bombay.möge der Macht seines Bezwingers. Die ganze Gruppe soll den Sieg Civas über das alte Ritual der sdindu versinnbildlichen.
Die Körper sämtlicher Reliefs sind sehr weich aufgefaßt und machen einen schlaffen, etwas schwammigen Eindruck, da Knochen und Muskulatur stark zurücktreten. Böse ist übrigens all diesen Bildern und -Zaãulen aus der Heidenzeit mitgespielt worden. Mit stanonen haben die portugiesischen Christen aus Goa darauf geschossen in demfelben blinden mißverstandenen Religionseifer, der bei uns die Bilderstürmer nach der Reformation beseelt hat.
Als wir den düsteren Selsentempel verlassen, leuchteten Rimmel und Meer noch einmal so farbenprächtig. Zu einem ruhigen Genuß kommt man freilich nicht. In früheren Jahren klagten die Reisenden über die vielen Giftschlangen auf dem schönen Selseneiland. Ich habe keine gesehen. Nur die kleinen, bronzefarbenen, bakshishbettelnden Quälgeister waren für uns die Schlänglein in diesem Paradiese.
Die Sonne neigte sich zum Untergange, als wir wieder in ApolloBandar landeten. Zahlreiche Parsen spazierten auf der schönen Strandpromenade. In der Hand hielten sie die Avesta, deren uralte Schriftzüge wohl die wenigsten von ihnen entziffern können, und ihre Lippen murmelten die von Kindheit an gewohnten Gebete in der uralten, längst erloschenen Sprache. Jeden Abend pflegen sich die frommen Parsen hier einzufinden, um das leuchtende Tagesgestirn untergehen zu sehen. Männer und Srauen,sßnaben und Mädchen, Mütter mit ihren Kindern auf den Armen, alle finden sie ich ein. Der Anbetung der Sonne und des Seuers, der beiden wärmenden, lichtreichen Clemente, sind die Parsen durch alle Jahrhunderte treu geblieben, sie hat ste auch in die neue Heimat begleite.
PinduFamilie.
579 [5980]
Reise einer Schweizerin um die Welt.
Haldarabaðö.Die Plage der Pest. To be kept under observation. Der Parsipriester. Landjchaftliches. Kin „Family house“, Der Nizam von Paidarabad. Im Spital. Die Stadt Haidarabad und ihre Bewohner.Leoparde als Jagdhunde. Das Militär des Kizam. Palast Sir Salar Jangs. Ausflug nach Golkonda. Rönigsgräber. Das Sort. Aussicht. Die Post des Aizam. Eine Pochzeit.
Als wir abends aus der schönen Bahnhofhalle von Bombay abfuhren,waren wir noch ahnungslos, in welchem Grade die Pest, hier «plague genannt, eine Plage für uns werden sollte. Kaum waren wir eine Stunde unterwegs, so traten ein Herr und eine Dame in unser Coupé. Su meinem Erstaunen ergriff letztere freundlich meine Hand und fragte teilnahmsvoll, J W wie ich mich befände, ob mich nicht fröre, ich keine Schmerzen hätte u. s. w. Mein Reisegefährte mußte unterdessen von dem Herrn dieselben Sragen über sich ergehen lassen.
„Sind die beiden verrückt? Bin ich verrückt? Endlich klärte sich alles auf,die zwei waren Arzt und Arztin. Schließlich schrieb der Doktor mit Bleistift noch folgende Worte auf unsere Sahrkarten: « To be kept under observation.»
Als wir herausschauten, wurden etwa zehn Eingeborene als pestverdächtig aus dem Bahnzuge herausgeholt und standen jammernd auf dem Perron. Sie sollten in Baracken untergebracht und dort einige Cage beobachtet werden. Ob die Angst wohl nicht zuweilen Gesunde in Kranke verwandelt? Anderenteils begreift man die strengen Maßregeln der Engländer und ihr Bestreben, der Verbreitung der schrecklichen Krankheit zu steuern.
Endlich fuhren wir weiter. Ärgerlich hatte mein Reisegefährte das « to be kept under observation, mit einem Gummi sorgfältig ausgewischt. Einige Stunden
Mörtelmühle.[]Teich und Moschee in Paidarabad. (5. 585.) [] Haidarabad.
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4 später erschien wieder ein ärztliches Paar.Diesmal streckte Mr. W. der leidlich hübschen Dame sofort die Hand entgegen, die verstand aber keinen Spaß, sondern meinte fchroff abweisend: »There is a doctor for you.» Nach abermaligen, eingehenden Sragen so angelegentlich hat sich wohl nie jemand nach meinem Wohl erkundigt wurden unsere Billette geprüft. Dieser Doktor war schlauer, er schrieb das ominöfe «to be kept under observation» mit roter Tinte an.
Srühmorgens bekamen wir einen Waggongefährten, einen ParsiPriester mit weißem Haar und freundlichem,gütigem Gesichte. Bis Haidarabad sollten wir zusammen fahren. Er sprach einige Worte Englisch, wir befreundeten uns bald. Auf jeder Station nahezu begrüßten ihn Glaubensgenossen und brachten ihm alle moöglichen Kuchen, von denen er uns jedesmal einen guten Teil aufdrang. Um ihn nicht zu beleidigen, würgte ich möglichst viel davon herunter, mehr als mir lieb und gut war. Dabei versicherte der Parst uns immer wieder gerührt, «you are my father and mother», obschon er jedenfalls älter war als wir beide.
Die Doßktoren hielten fleißig Umschau. Ein eingeborener Arzt bemühte sich um den Parsipriester, und drei Askulape verkehrten von nun an in unserem Waggon.Den Tag vorher erst waren die Kontrollvorschriften infolge stärkeren Auftretens der Epidemie verschärft worden, daher dieser für uns so lästige Amtseifer.
Seit Bombay waren wir ununterbrochen in füdöstlicher Richtung gefahren. In der Nacht hatte unsere CLokomotive eine mächtige Steigung zu überwinden gehabt,und eine phantastische Berglandschaft war im hellen Mondschein vor mir aufgetaucht,als ich schlaflos zum Senster hinausblickte. Ich las den folgenden Morgen im Murray,daß es die Bhor Ghat gewesen, eine der pittoreskesten, interessantesten Bahnstrecken Indiens. Den folgenden Mittag waren wir in Wadi. Bis hierher hatten wir die Cinie BombayMadras benutzt. Nun aber vertauschten wir sie mit der Staatsbahn des Nizam von Haidarabad, diesem größten aller Eingebornenstaaten in Indien. Die Candschaft zeigte sich hier etwas grüner als im Norden. Tabak, Baumwolle und einige Reisfelder erschienen, und die schon erwähnten « Flames of the Forest»Baäume ließen auch hier ihre wunderbaren Sarben spielen. Als wir uns saidarabad näherten, lagen überall riesige, graue, rosageaderte Granitblöcke herum.
Müde kamen wir gegen Abend an. Man hatte uns ein sogenanntes « Family house als Hotel warm empfohlen, ich erinnere mich nicht mehr an den Namen.Cebhaft steht mir aber das Chepaar vor Augen, das es führte. Es waren Engländer, sie eine geläͤhmte, jüngere Srau, auf deren vergrämtem, verdrießlichem Ge
[582]Reise einer Schweizerin um die Welt.sicht die Sorge deutlich geschrieben stand. von ihrem Ruhebette aus leitet fie den
Sausstand, denn seit zwei Jahren kann sie keinen Schritt mehr gehen. Dabei ist sie offenbar der arbeitende Teil, der das Haus über Wasser erhält. Er nimmt's leicht,amüsiert sich und bramarbasiert. Bei Tisch er aß mit führte er das große
Wort, bediente sich stets zuerst, renommierte mit Wetten, die er gewonnen und verloren, mit Jagden, Rennen, Pferden u. s. w. Ein liebenswürdiger CLump aus guter
Samilie, der sich jetzt von seiner kranken Srau erhallen läßt! Das mitten in einem großen, füßduftenden
Garten gelegene Haus war hübsch, der Tisch nett gedeckt, das Essen gut, in den
Simmern hübsche Gegenstände aus besseren Tagen,aber häuslicher Sturm lag in der ganzen Atmosphäre.
Der Staat Haidarabad foll 22,600,000 ektaren umfassen und eine Bevölkerung von 102/3 Millionen
Menschen zählen. Beherrscht wird er durch « His High-ness the Nizam naturlich
„von Englands Gnaden“,denn der englische Ministerresident hält ein wachsames
Auge über den Süursten.
Dieser foll etwa vierzig Jahre zählen, ein Bekenner des
Islam sein, etwas Englisch sprechen und sich hundert und etlicher Srauen erfreuen.
Die Bilder zeigen einen
Mann mit schwarzen, schwärmerischen Augen, leicht gewelltem Haupthaar, einem stattlichen Vollbart und von gelblicher Hautfarbe. Unser Wirt sprach ziemlich weg werfend als «the fellowy von ihn. V
Die ßauptstadt Haidarabad soll mit ihren Vorstädten bei 460, 000 Einwohner zäͤhlen und ist fehr weitläufig gebaut. Sie ist von einer weißen Mauer mit Sinnen umzogen und liegt am MusiSlusse. Haidarabad besitzt bedeutende Baumwollmanufakturen und Papierfabriken. Srüher war hier Hauptmarkt für Diamanten und andere CEdelsteine, die im nahen Golkonda geschliffen wurden.
Den folgenden Morgen sfaßen wir schon sehr frühe im Wagen. Wir mußten
Der Nizam von Paidarabad.[]Ein ParsiPriester. (S. 6581.)
[584]Reise einer Schweizerin um die Welt.zunächst auf dem Kriegsministerium die Erlaubnis erlangen, Golkonda zu besuchen,dann uns im Spitale zeigen, weil wir von Bombay kamen. Wãhrend wir sofort nach Abgabe unserer Karten beim Kriegsminister bereitwilligste Erfüllung unserer Wunsche und überdies noch Cintrittskarten zum Palast des Nizam erhielten, gab es im Spitale ein langes Warten. Der Hauptarzt, ein Hindu, operierte. Wir warfen einen flüchtigen Blick in verschiedene offenstehende Krankenzimmer, die einen reinlichen,geordneten Cindruck machten. Eine Hindufrau rannte eilig an uns vorbei. Auf dem Arme trug sie ein großes Mädchen, es war tot. Nr. W. ergriff seine Hand,um sich zu vergewissern und erregte dadurch die Aufmerksamkeit eines Wärters.Er riß die Leiche aus dem Arme der unglücklichen Mutter, die sich flehend zu seinen Süßen niederwarf. Vergeblich! Das tote Kind wurde hier behalten, die Srau fortgeschickt. Warum dies geschah, haben wir nicht erfahren, wir konnten nur der unglücklichen Mutter ein Geldstück in die Hand drücken und es bedauern, unwissentlich die Veranlassung gewesen zu sein, daß sie ihren Liebling nicht behalten durfte.
Über eine Brücke, unter welcher der Musi träge und spärlich fließt, gelangten wir durch das schöne Afzal Gung-Tor in die Stadt, die zwar nicht die breiten Straßen und zierlichen Rosahäuser Jaipurs besitzt, wohl aber in ihrer Bevölkerung viel Ähnlichkeit zeigt. Kühne, schöne Reitergestalten galoppieren wie dort auf feurigen Rößlein an uns vorbei. Waffen tragen sie alle, schön verzierte von einem goldenen Güͤrtel lang herunterhängende Dolche oder Schwerter. Auch ihr Gefolge ist bewaffnet, und mancher friedliche Kaufmann ahmt die ritterliche Sitte nach und gürtet iich mit einem Schwert. Cinzelne Reiter tragen Jagdfalken auf dem Kopf oder der Saust, wie man's bei uns auf ganz alten Bildern sieht, sonderbare Jagdhunde liegen da und dort auf weichem Polster an fester Kette. Unheimliche Gesellen sind diese Jagdhunde Haidarabads: Ceoparde. Paarweise zumeist nimmt man sie mit zur Jagd.Die Augen werden ihnen verbunden, bis das Opfer, die schnellfüßige Antilope, nahe genug ist, dann werden sie losgelassen. Haben sie ihre Beute erreicht, was meist mit wenigen Sätzen geschieht, so werfen sie diese auf die Erde und saugen ihr das Blut aus dem Nacken.
Sehr malerisch sieht die Kavallerie des Nizams aus. Ein grüner, rot eingefaßter Waffenrock umhüllt den schlanken Korper, eine breite, rote Leibschärpe schlingt sich um die Taille, die außerdem ein brauner Ledergürtel umschließt. Die Kniehosen sind braungelbes Leder, die Gamaschen bestehen aus schwarzen, gleichmäßig und kunstvoll bis ans Knie gewickelten Cuchstreifen. Weiß sind die Strümpfe und zierlich die schmalen, braunen Schnabelschuhe. Cin dunkelblau und gelbkarriertes Tuch windet sich turbanartig um eine spitze, rote Mütze, dessen lange Enden über die Schultern hdinabflattern. Als Epauletten blitzen stählerne, ineinandergeschlungene bei jeder Bewegung leise erklirrende Ketten, auf die ihr Besitzer große Stücke zu halten scheint.Auch die übrigen Native-Truppen sehen recht gut aus in ihren gelben Drilluniformen und den großen, gelben Curbanen. Sie werden von englischen Offizieren in englischer Sprache einexerziert. Die hier stehenden englischen Truppen werden auf Kosten des snems unterhalten. Das acht Kilometer nördlich von Haidarabad gelegene Kankonnement in Sekunderabad ist eines der größten in Indien.[]Afzal GungTor in Daidarabad. (5. 6585.) [] Haidarabad.
5858 Als wir durch das Afzal GungCor gefahren, befanden wir uns in einer Straße, welche die ganze weite Stadt durchläuft. An ihr liegt der Palast des im Jahre 1883 verstorbenen Sir Salar Jang Bahadur, des während dreißig Jahren allmächtigen Minister. Die Engländer halten sein Andenken in hohen Ehren, denn seinem Einfluß war es hauptsächlich zu verdanken, daß Haidarabad, der größte Dasallenstaat, sich an dem Militäraufstande 1857 nicht beteiligt hatte. Der ein weites Areal einschließende Palast enthält mehrere, im ganzen schön gehaltene Härten, in denen prächtige, buntblätterige Krotonbüsche das Auge entzücken. Von den Sälen weiß ich wenig zu erzählen. Einige sind ziemlich geschmacklos mit weißen und bunten Glassftückchen übersfäet, ein anderer, was originell und schön aussah, von oben bis unten mit alten, gemalten, chinesischen Kacheln eingelegt.Interefsant ist eine Sammlung alter Waffen und Panzerhemden.
Unweit des Palastes,ebenfalls an der HBHauptstraße, liegt der Char Minar mit vier Minarets,wohl das älteste Gebäude der Stadt. Hier kreuzen sich vier Straßen, und über jede wölbt sich an diesem Knotenpunkt ein 16 Meter hoher Bogen.
Dies und die finstere, große MekkaMoschee sind wohl die einzigen charakteristischen Gebäude in der sonst wenig architektonische Schönheiten bietenden Stadt.
So brachen wir denn bald auf nach dem 25/23 Stunden vom Char Minar entfernten Golkonda. Golkonda! ein Name, der in der ganzen Welt mit mäcchenhaften Reichtümern verbunden wird! Wer hat nicht schon von den Schätzen Golkondas zehört? Diamanten sollen übrigens dort niemals gefunden worden sein, wohl aber geschliffen, vielleicht genügte dies, um den Ruf der Stadt durch alle Lande zu verbreiten. In dem zerfallenen Sort, das einem Adlerhorste gleich an hohem Selfen alebt, werden die Schätze des Nizam und seine Gefangenen verwahrt. Von beiden haben wir nichts gesehen.
Eine heiße, staubige, lange Sahrt führte uns allmählich zu der alten Hauptstadt des Kutb ShahiKönigreiches, die von 16121687 in Blüte stand, um durch den grausamen Aurangzeb von Grund aus vernichtet zu werden. Nur die Ruinen des Sorts und die mit halbrunden Bastionen verstärkte Sinnenmauer, die sich wohl 120 Meter über der Ebene erheben, sind stehen geblieben, und dazwischen liegen seit grauen Urzeiten phantastisch geformte, riesige Granitblocke. Welchem Jahrhundert,
Straßenszene.
[326]Reise einer Schweizerin um die Welt.
Das Sort von Gollkonda.welchen Umwälzungen der Natur sie ihr Entstehen verdanken, wir wissen es nicht,wir können hier nur die naive im Volksmunde lebende Legende erzäͤhlen: „Als der Schöpfer das Weltall erschaffen hatte, war ihm noch eine Menge Baumaterial übrig geblieben. Allein müde und arbeitsunlustig, suchte er sich in Indien eine weite Ebene aus und warf all die Bauklötze in buntem Durcheinander dorthin.“
In all dem Stein-Wirrwarr stehen die Gräber der Könige von Golkonda.Wie beim Taj Mahal umgab einst jedes ein blühender, wohlgepflegter Garten. Bei der langen Belagerung durch Aurangzeb kampierten seine Soldaten darin, und die Prachtmausoleen dienten als Baracken. Kanonen wurden auf die Kuppeln und Dächer geschleift und von dort aus das Bombardement auf das Sort geführt. Was der Krieg verschont, hat die Seit angegriffen und die Sammelwut gewissenlofer Menschen sich zu nutze gemacht. Diese haben sich nicht entblödet, die schön emaillierten Siegel und feinen Ornamente, die einst die Grabstätten zierten und zu den bewundernswertesten mohammedanischen Bauten weit und breit machten, mit roher Saust loszubrechen und fortzuschleppen. Sie gehen hoffnungslosem Verfall entgegen,wie das unvollendet gebliebene Grab des letzten Königs von Golkonda, Abul-Hassan.Als der Großmogul vor den Toren der Stadt erschien, war der König eben mit dem Bau seines Mausoleums beschäftigt. Seine Leiche sollte darin ihre letzte Stätte nicht finden. Aurangzeb ließ den Besiegten in die Sestung Daulatabad werfen, wo er 101 als Gefangener starb.
Sir Salar Jang, der schon erwähnte Minister des Nizam, hat sich dieser dem derfall geweihten Mausoleen angenommen. Die sieben besten wurden restauriert und []
Brücke über den Must. (5. 584.)
[588]Reise einer Schweizerin um die Welt.wie einst mit Gärten und Wasserbecken umgeben. Besondere Wächter sind dafür angestellt und stehen mit unseren Kutschern in edelm Wetteifer, was Ausbeutung der Sremden anbetrifft. Wir müssen schon jedes einzelne besuchen. und sonderbarerweise ist dabei jedesmal der Schlüssel verloren. Cifrig wird danach gefahndet, dre oder vier Personen machen sich suchend auf den Weg, und Bakshish, Bakshishl tonts von allen Seiten. Sieht man die Armut der Menschen, so schickt man sich willig in das fortwährende Geben und spart lieber an etwas anderem. Das schönste Grab ist dasjenige des Erbauers der Stadt Haidarabad, Mohammed Kuli Kutb Shah, welcher 1625 starb. Das Mausoleum ist 655 Meter hoch, wovon die Kuppel allein 21 Meter einnimmt. Der sechste König, Abdulla Kutb Shah, gestorben 1672, hat 48 Jahre regiert. Sein Grab zeichnet sich durch hübsche Minarets und schöne Skulpturen aus.
Auch einige Begams liegen hier begraben. Im Mausoleum der einen feierten die Srauen ihr Sest. Sie tragen, was ich sonst auf dieser Reise nirgends gesehen,einen langen Schleier, der von der Stirn bis zu den Knien herabwallt und nur eine Gffnung für die Augen freiläßt. Mr. W. durfte mich natürlich hierher nicht begleiten,so stürzte sich die ganze bakshishschreiende Schar auf mich, und bald war sämtliches Kleingeld, womit ich mich vor jedem Ausflug versah, in den braunen Händen verschwunden. Ob die armen Weiber auch dieses ihren strengen Gebietern abliefern müssen? Mit leerer Casche, aber mit Blumen und Srüchten aus dem schönen Grabesgarten beladen, kehrte ich zum Wagen zurück, der uns vor die Sestung brachte.
Vor dem festen Granittore, dessen gewaltige TeakholzSlügel mit Metall schön verziert und mit scharfen Spitzen gegen das Eindringen der Elefanten versehen sind,fanden wir vier Wachen, die mit hochwichtiger Miene unsere Personen und Einlaßkarten prüften. Vor den acht Toren, die einst das Sort schützten, sind noch vier im Stande. Sudem war oder vielmehr ist noch jetzt Golkonda durch eine 21 Kilometer im Umkreis messende Sinnen-Mauer geschützt und durch einen breiten jetzt teilweise ausgefüllten Wassergraben. Auf den Bastionen, deren man 87 zählt,steht noch ab und zu eine alte Kanone aus der Seit der Könige, die durch Aurangzeb vernagelt worden ist, um sie unbrauchbar zu machen.
Ein steiler Weg führt von dem Tore den Berg hinan, welcher sich 180 Meter über der Cbene erhebt. Von allen Seiten umgaben uns Ruinen, hier glaubt man noch,die Quartiere der königlichen Soldaten, dort eine Moschee, eine Musikhalle, Paläste und Häufer der Adeligen und Beamten zu erkennen. Einst ist Golkonda dicht bevölkert gewesen, so dicht, daß der Aussage alter Bücher nach der Baugrund innerhalb der Befestigungsmauer Sr. 35 per Quadratmeter gekoftet hat. Auf dem Gipfel,den wir auf verfallener Treppe vollends erklommen, breitete fich einst der Königspalast aus. Die ungewöhnlich dicken Mauern und stolzen Bogen zeigen die Überreste einer großartigen Burg. Noch steht das flache Dach, auf welches man vermittelst hoher Stufen gelangt. Weit ist da oben der Ausblick, köstlich auch die kühle, reine Cuft nach dem heißen, mühsamen Aufftieg.
Wir fühlten uns als Könige, ein breiter Stein gab den Chron ab, und Golkonda mit seinen märchenhaften Schätzen lag zu unseren Süßen. Auch ohne Schätze bezaubert das in Schutt und Trümmer verwandelte Golkonda. Eine Märchenstadt noch so []Grab der Begam in Golkonda. (5. 588.)
[590]Reise einer Schweizerin um die Welt.in dieser Landschaft, umgeben von malerischen Bergzugen, überwölbt von einem strahlenden Himmel. Vereinzelte Palmgruppen stehen zwischen den Ruinen, und die eigentümlichen Granitblöcke,aus denen sich auch eine schwache Phantafie Säulen und Pfeiler, Elefanten und Riesenvögel vorzaubern kann, beleben die weite Ebene. Kein Mensch weit und breit, kein Sührer hat sich an unsere Sohlen geheftet, wir find in Wirklichkeit die Herrscher. Da huscht's an uns vorbei. Trägt sie kein Krönlein,die Schlangenkonigin von Golkonda? Auch Rieseneidechsen hausen hier. An einem Dornbusch hängt ein wunderbar glänzendes Gewebe, fein und weich wie die schönste Seide, wie Gold in der Sonne leuchtend. Eines der Tiere hat sein Schuppengewand hier abgestreift. Cruggold von Golkonda, ich habe dich mitgenommen als eines jener Andenken, die nur für ihren Sinder Wert besitzen. Vergessen lag die federleichte Züͤlle zwischen den Blättern meines Reisehandbuches. Heute habe ich es geöffnet,um Golkonda nachzuschlagen, das glänzende Gewebe von Gotteshand ist dabei herauszgefallen und hat lebhafter als alles Gedruckte und Gelesene mir jene Stunde im verfallenen Koönigspalast der alten Märchenstadt ins Gedächtnis zurückgerufen.
Auf weitem Umweg fuhren wir nach saidarabad zurück. Wir kamen an schönen künstlichen Teichen vorbei und sahen in der Serne den Palast des Nizam. Müde fühlten wir uns beide. Ich ahnte, was wir dort sehen würden: Europaische Geschmacklosigkeiten, indischen Schmutz und verfall und Scharen fauler Diener und Parasiten, und wirklich, es solle sich so verhalten.
Cieber gingen wir noch auf die Post, denn « His Highness the Nizam- führt seine eigenen Briefmarken und seine eigene Münze. Letztere fanden wir bei einem auf der Straße kauernden Wechsler. Das Kupfergeld besteht aus ganz unregelmäßig geschnittenen, dicken, mit kunstvollen Schriftschnörkeln übersäeten Wüürfelchen. Sechs Stüch gehen auf eine „Anna“. Gut, daß auf dem Postgebãude His Highness the Nizams General Post Office- zu lesen steht, sonst wären wir unzweifelhaft an der baufälligen Hütte vorbeigewandert. Den Menschen nach zu urteilen, die drin verkehrten, scheint die Post des Nizam es existiert zudem eine englische keine übeln Geschäfte zu machen. Die beiden Angestellten, die gleich Affen in der Menagerie hinter holzernem Gitter hockten, hatten alle Hände voll zu tun. Endlich erhielten wir aus einer Truhe, die den Neid jedes historischen Museums erregt hätte,die gewunschten Marken und Karten. In der Pension angelangt, beschrieb und andte ich sie sofort an einige sammelnde Sreunde ab, obschon man mir prophezeite,sie würden niemals ankommen, da nur englische Marken Gültigkeit hatten; aber sie
Frauen in Golkonda.[]Kõnigsgräber in Golkonda. (5. 586.)
[592]Keise einer Schweizerin um die Welt.sind doch alle befördert worden.Ansichtskarten gibt's dagegen noch keine in Haidarabad. Erleichtert seufzte ich auf: Gottlob!Abends beim Diner hörte ich plötzlich dumpfe Trommelschlage und ein Wirrwarr mehr oder weniger musikalischer Töne. „Eine sdochzeit!“ Wie elektrisiert, ließ ich alles im Stich und rannte in wilder Hast durch den Garten auf die Straße. Gerade zur rechten Zeit! Sechs riesige Elefanten schritten majestätischen Ganges,dichte Staubwolken aufwirbelnd, an mir vorbei. Bei eleganten Hochzeiten dürfen sie nicht fehlen. Aus sorgfältig gemalten Gesichtern schauten die listigen, gutmütigen Auglein vergnügt hervor, während der lange Rüssel wie ein großes Sragezeichen neugierig hin und herpendelte und das lächerliche Schwänzchen mit dem Büschelchen am Ende zur Musik den Takt schlug. Prächtige Samtdecken lagen auf den Rücken der Dickhäuter, und darüber schwebte die „Howdah“, ein vergitterter, mit einem Baldachin bedeckter Sitz für vier Personen. Sarbenprächtige Gestalten saßen darin,deren bunte Turbane gleich phantastischen Riesenblumen herunternickten. Vom Bräutchen zeine Spur! Der schoöne, papageigrüne, juwelenbesäete Bräutigam wurde auf einem mit rotem Samt beschlagenen Palankin getragen, dem eine festliche Menge zu Suß folgte.Plötzlich stand alles still. Geschäftige Hände breiteten eine große Decke über den Straßenstaub, und die Spitzen der Gesellschaft kauerten darauf nieder. Aus dem Dunkel einer Seitenstraße traten sogenannte Nautsch-Mädchen hervor, keine graziöͤsen Gestalten in lichten, luftigen Gewändern, wie ich mir die Bajaderen vorzustellen pflegte.der herben Enttäuschung! Nein, braune, mittelalterliche Srauen in faltenreichen Röcken, überladen mit buntem Sierart, boten fich meinen erwartungsvollen Blicken dar.Diese reifen Sirenen trampelten ihre langsamen, vorwiegend in Körperverrenkungen bestehenden Reigen mit staubigen Lederschuhen ab. Schuhe, wie bei uns eine derbe Bauernmagd sie tragen mag. Ob wohl durch diese traurige Auswahl dem Bräutigam die Vergänglichkeit aller weiblichen Reize von vornherein in Aussicht gestellt werden sollte? Sackeln beleuchteten mit ihrem bald grellen, bald ersterbenden Scheine dieses interessante Intermezzo, nach welchem die Gesellschaft sofort wieder aufbrach.srüh am folgenden Morgen fuhren wir nach Wadi zurück und wandten uns von da in langer, ermuüdender Sahrt dem südlich gelegenen Madras, der Hauptstadt des TamilCLandes, zu.
ANautschTänzerinnen.[]Madras: Senate House. (S. 593.) [] Madras.
5
22 2 stapitel 39.MasGras.
Pestplagen. Potel Connemara. Panka. TamulFrauen. Wohnungen. TamulSchule. Palmwein. Pitze.Ein Wahrsager. Das elegante Madras. Die Marina. Fischerboote. Sliegende Punde. Botanischer Barten. Eingeborenenviertel. Ein drolliger Bettelbrief. Misstonar Schwartz. Ärger in Pülle und Fülle. Absjchied von Madras.
Am fieben Uhr früh follten wir in Madras eintreffen. Noch herrschte nächtliches Dunkel, als drei Persfonen im Waggon erschienen: Arzt, Ärztin und ein Beamter mit ellenlangen Sormularen. An die beiden ersteren war ich schon gewöhnt, und mechanisch streckite ich ihnen noch halb im Schlafe die Hand zur Befühlung des Pulses entgegen. Was aber wollte der dritte im Bunde?
Haidarabad war pestfrei, und wir kamen von da, leider aber hatten wir unüberlegt gehandelt. Um uns die Muhe zu sparen, immer wieder neue Sahrkarten zu lösen, nahmen wir ein Billet BombayHaidarabadMadras
ErodeCuticorin. Auf diesem stand jetztin unauslöschbarer, roter Schrift das ominôõse: «to be kept under observation-zu lesen. In peinlicher Genauigkeit mußten die Sormulare ausgefüllt und von uns unterschrieben werden. Wir verpflichteten uns hiermit, während fünfzehn Tagen uns im Spital des Ortes, wo wir gerade waren, ärztlich untersuchen zu lassfen.
Ich kann nicht behaupten, daß ich gerade sehr wohl gelaunt in Madras eintraf.Das Hotel Connemara, das dort nach indisch-britischen Begriffen das beste sein soll,verbesserte auch nicht meine Stimmung. Kein Mensch nahm sich nur die Mühe, uns anständige Simmer anzuweisen. Alles schien noch zu schlafen. Endlich nach langem serumirren in dem weiten Haufe wählten wir selber, was uns am besten paßte,
C. von Rodt. Reise um die Welt. 38
In der Eingeborenenstadt.
[594]Reise einer Schweizerin um die Welt.und ließen uns soweit moglich mit Hülfe anserer GepäckKulis häuslich nieder.kine weitere angenehme Eigenschaft der indischen Hotels ist, daß der Reisende selber zu sorgen hat, daß sein Gepäck ns Zimmer befördert wird. Er muß auch die Kulis, die zu diesem Swecke tels das Gasthaus umlagern, extra bezahlen und genau aufpassen, daß nicht ihrer zehn sich in eine Gepäckanzahl teilen, die zwei leicht bewältigen könnten.
Endlich war alles in Ordnung. Ich hoffte auf etwas Ruhe nach der zwanzigtündigen CEisenbahnfahrt. Nein! Da neldeten sich Wahrfager, Händler, Photozraphen, Pankazieher, letztere um den hescheidenen Preis von zwei Annas per
Tag und drei per Nacht. Panka oder
Punka sind an der Zimmerdecke beweglich angebrachte, große Sächer aus geflochtenen Matten oder Leinwand, die mit einem Stricke in schwingende Bewegung gesetzt werden. Dieser Strick zieht sich durch ein in der Wand dafür angebrachtes Loch ins vVorzimmer, wo ihn ein Kuli in beständiger Schwingung erhalten muß, „Panka boy!“ Dieser Ruf ertönte alle Augenblicke. In den großen Hotels und auf den großen Schiffen sind jetzt überall elektrische Pankas angebracht.wir sehnten uns hinaus. Vorläufig nicht ins elegante Madras mit seinen ruropäischen Prachtbauten, sondern ins Madras des Camillandes. So heißt der füdliche Teil Indiens im Gegensatz zu dem übrigen Riesenreich ein kleiner, aber immerhin mit fünfzehn Millionen Menschen bevölkerter Distrikt. Diese haben ihre besonderen Sitten und Sprache, dunklere Hautfarbe als die nördlicheren Inder, scheinen lebhafteren Heistes, und die Srauen bewegen sich freier. Brunnenszenen, wie wir sie bei unserer ersten Sahrt durch das Eingeborenenviertel beobachten konnten, kommen nur in SüdIndien vor. Scharenweise drängten sich die Weiber um den Guell. Dem Wasser wird reichlich Seit gelassen, in den schönen Metallkrügen überzulaufen, denn nach derzenslust ergehen sich die flinken Sungen, und die Schleusen weiblicher Bereds amkeit tun sich weit auf. Was mag da alles verhandelt werden? Jedenfalls keine hohen Sragen,die Bildung der Tamulfrauen ist gleich Null. Eher werden sie vielleicht über ihre Männer oerhandeln. „Die Srau hat keinen andern Gott auf Erden als ihren Mann, er mag nun arumm oder gerade sein“, lautet eine Vorschrift. Cine andere: „Sie hat keine Sreude,als durch ihren Mann. An ihn soll sie allezeit denken; weint er, so soll sie auch weinen, singt er, soll sie entzückt fein, ist er abwesend, so soll sie Trauerkleider anlegen,nur einmal des Tages essen, weder ihre Zähne putzen, noch ihr Haar schmücken.
Unterhaltung am Brunnen.[]Madras: Stadtteil in der Kähe des Dafens. (S. 609.)
[596]Reise einer Schweizerin um die Welt.stommt er heim, soll sie bereit sein, ihn zu empfangen, ihm ein angenehmes Lager zum Ruhen anweisen und ihm feine Cieblingsgerichte vorfetzen“ Der Mann ruft seiner Srau im gewöhnlichen Leben: «ãadi, was Sklavin bedeutet; die Srau dagegen nennt ihn: „eiah“,„gnädiger Herr“, und wenn sie von ihm redet,darf sie niemals seinen Namen aussprechen, sondern muß seiner in der dritten Person und als ejesàman(Gebieter) erwahnen.
Durch das dichtbevölkerte Cingeborenenviertel, durch schattenüberwölbte Alleen ging die Sahrt immer weiter. Hinaus zu den Palmyrapalmen, zu den Vorfern.Recht bescheidene Hütten nach unseren Begriffen sind hier unter schönen Bäumen verborgen, die Wohnstätten der Brahmanen und Cudra, denn auch im Tamilland gibt's Kasten und zwar sehr viele. In der Sonne, mitten im Selde, stehen die Hütten der kasten und rechtlosen Paria, der verachtetsten Menschen in Indien. Ein Coch ersetzt die Tür, Palmblätter und binsenartige Gräser bilden das Dach und oft auch die Wand, einige zerschlagene Töpfe den Hausrat.
Cautes Kindergeschrei aus der „besseren“ Dorfseite lockte uns in einen verandaartigen Raum: das Schulhaus. CEine Jungenschar hockte auf kleinen Binsenmatten.Die Kleineren malten mit dem Singer im Sand einen Buchstaben, den ihnen der Cehrer vorsang und der von ihnen nachgebrüllt wurde. Cieß mal einer im Schreien nach, so erteilte ihm der Lehrer einen Hieb, und heulend bruüͤllte der Gemaßregelte weiter. CLaut muß es zugehen in der Tamulenschule, moglichst laut. Die ABC-Schützen haben's übrigens nicht leicht, denn sie müfsen nicht weniger als 247 Schriftzeichen erlernen. Die älteren Schüler schreiben mit eisernem Stifte, den sie senkrecht in der Saust halten, auf Palmblätterstreifen.
Wegen Sprachunkenntnis konnte ich wiederum auch hier vieles nicht erfahren,was mich interessierte. Ein Aufsatz HB. Gehrings über Schulverhältnisse in Südindien hat mich feither auf die beste Art und Weise sowohl in diesem, als in anderen Punkten aufgeklärt. Gehrings Buch „SüdIndien“ enthält des Interessanten und Lehrreichen in sülle und Sulle. In unserem Cande, wo Schulpaläste wie Pilze aus dem Boden schießen, und die liebe Jugend mit Samthandschuhen angefaßt sein will,werden die Sustände der CLandschulen Südindiens, die von der englischen Regierung nicht unterstützt sind, wie ein Märchen klingen. Gehring erzählt ungefähr folgendes:[]Landstraße in Madras. (5. 596.) [] Madras.
597 Das Cinkommen des Lehrers besteht zum größten Teile aus Geschenken an Geld,Cebensmitteln und Kleidern, die ihm bei Gelegenheit jedes Samilienfestes zu teil werden, ferner an regelmäßigen Naturallieferungen. Mit Schneider und Wäscher ist ein Abkommen getroffen, das für unentgeltlichen Unterricht ihrer Kinder unentgeltliche Gegenleistung in ihrem Handwerke bedingt. Das nötige Brennmaterial,das oft statt aus ßolz aus einem getrockneten Sladen Kuhmist besteht, bringen die Kinder jeden Morgen mit in die Schule. Sogar für das sogenannte „ölbad“des Herrn Lehrers wird gesorgt, liebt doch auch er es, sich mit Ol einzureiben.Jeden Samstag ziehen die Kinder singend von Haus zu ßaus, mit einem Topfe und Coffel bewaffnet, um den Bedarf sowohl für den Körper, als für die CLampe des Erleuchters der Jugend zu erbetteln. Im ganzen erfreut sich der Lehrer einer recht geachteten Stellung im Dorf, und kann sich als Winkeladvokat und Schreiber nebenbei manchen Groschen verdienen. 1
Der Unterricht beginnt mit Sonnenaufgang. Über das Eintreffen der Kinder wird von dem Schüler, der zuerst da ist, genau Buch geführt. Dieser geht bei Schluß des Unterrichts straflos aus; der zweite erhält dagegen für seine Unpünktlichkeit einen Hieb, der dritte zwei, der vierte drei u. s. w., damit sie lernen, auf die Minute zu erscheinen. Das Mittel ist probat, es findet zwischen den Kindern jeden Morgen ein wahrer Wettlauf nach der Schule statt. Bis acht Uhr wird gerechnet und geschrieben, dann zieht die ganze, noch ungewaschene Gesellschaft mit über die Brust gekreuzten Armen und das Einmaleins singend zum Teiche oder Slusse, um zu baden.ach dem Bade, bei dem die Sähne sorgfältig geputzt und der Mund gespült wird,malen fich die Kinder ihre Götzen, zeichnen die rotweiße VishnuGabel oder die drei weißen CivaStriche auf Stirn,
Brust und Arme, und ziehen dann fingend zur Schule zurück, um ihre haäuslichen Aufgaben herzusagen. Wer sie nicht kann, muß zur Strafe dableiben. In diesem Sall pflegt die Mutter mit ein paar jüngeren Sproßlingen zu erscheinen, um den armen,noch nüchternen Ältesten loszubetteln,was meist hilft. Die große Prügelprozedur, die Strafe für die in der Srũhe notierten Verspätungen, hat jetzt stattgefunden, und die müden, hungrigen Jungens erheben einen Bittgesang, um zum Essen nach Hause gehen zu dürfen. „Aber kommt mit der nafsen Hand wieder“, ruft ihnen der Cehrer nach. Das will sagen: „Nachdem ihr gegessen das geschieht mit den Singern und die Hände Tamulin mit Rindern.[]z98
Reise einer Schweizerin um die Welt.gewaschen, habt, so kommt so schnell wieder, daß eure Hände nicht Seit haben,trochen zu werden“
Sehr barbarisch sind die Strafen für ernstere Vergehen, die Jungens werden,mit den Händen in Strickschleifen haängend, an die Decke gezogen und ihnen dabei die Waden durchgebläut, oder sie müssen mit einem an einer Kette ans Bein geschmiedeten, großen sHolzblocke herumgehen. Eine andere Strafe ist, Z0mal die Kniebeuge zu machen und mit der linken shand das rechte, mit der rechten Hand das linke Ohrläppchen in die Länge zu ziehen. Schulzwang herrscht keiner, doch schicken die Eltern gerne die stnaben in die Schule, von den Mädchen wird dabei vollig abgesehen. Letzteres ist bei den Tamulen überhaupt ein recht unwillkommenes Geschöpf.„Ach, nur ein Mädchen“, rufen die enttäuschten Eltern, und doch ist eine kleine Tamulin ein ganz allerliebstes Geschopf mit großen, seelenvollen, dunkeln Rehaugen und sanften, einschmeichelnden Bewegungen. Intelligenz, Anstelligkeit und Sleiß wird ihr nachgerühmt. 2*
Auf dem ganzen Wege schon hatten wir an den Palmenstämmen irdene Töpfe und Krüge hängen sehen. Jetzt bemerkten wir einen Mann, der von einer Strickschleife gehalten und möglichst entfernt von der rauhen Rinde, die seinen nackten Beinen übel mitgespielt hätte, sich nur mit den Süßen an den Stamm stützte. Aus einem tiefen Einschnitt im Baume floß ein weißlicher Saft, den der Mann in ein rundes Gefäß auffing. Meist werden diese Schnitte an der Blattkrone gemacht. Bei zehnjährigen Stämmen fängt man an und kann diese Prozedur an die zwanzig Jahre lang fortsetzen. Bald jedoch nach der ersten Saftentziehung krümmt sich der Stamm,und der Baum wird mehr oder weniger ein strüppel. Wir ließen uns das Gefäß reichen,um auch einmal Toddi, so wird dieser Palmenfaft genannt, zu kosten. Er schmeckte nicht viel anders wie Kokosmilch; in gegorenem Sustande trinkt man ihn als leicht berauschenden Palmenwein, und benutzt ihn in einem noch späteren Stadium als Essig. Eingekocht liefert er SZucker. Man rechnet etwa vier Kilos davon auf einen Baum.Verschiedene Palmen, z. B. die Palmyra und die Kokospalme und einige PhonixArten, produzieren Palmenwein, ich habe seine Ausbeutung jedoch nur im Tamul-Cande gesehen.In Hitze aufgelöst kehrten wir ins Hotel zurück. Madras ist eine Bratpfanne und gehört zu einer jener Stationen meiner Reise, wo ich nie aus dem Schwitzen herauskam. Wie oft pflegte ich nachts mein ewig nasses
Geldwechsler.[]Gewinnung von Palmwein. (S. 698.) [] Madras.
599 Kopfkissen umzudrehen! Dabei ist das Schlafen unter den unumgänglich notwendigen MoskitoNetzen keineswegs kuühl.
Nach dem Ciffin erschien ein Wahrsager auf unserer Veranda. Mein Reisegefährte reichte ihm eine Rupie und seine Hand, aus der er ein großes vVermögen 'auf September des Jahres herauslas. Angeblich um seinen prophetischen Sinn zu schärfen,verlangte und erhielt er eine zweite Rupie, worauf der verheißene Geldsegen sich in das Vermögen eines Maharadscha verwandelte. Eine dritte Rupie zur weiteren Anregung wurde abgeschlagen, kam doch selbst meinem etwas abergläubischen Sreund eine abermalige Steigerung unheimlich vor, und wollte er sich mit den Schätzen eines Maharadscha begnügen. Auch meine sand wurde ergriffen. Da ich jedoch keine Cust verspürte, sie mit mehr als einer halben Rupie „kreuzen“ zu lassen, so hielt sich der Biedere nicht verpflichtet, mir Glück oder Reichtum zu prophezeien, sondern begnügte sich einfach damit, meinen Charakter zu analysieren. Cin Ausspruch dabei entzückte ganz besonders meinen Gefährten, er hieß: «Sometimes very clever, and sometimes not at all!» Bei jeder Gelegenheit, natürlich vorzugsweise, wenn ich etwas Ungeschicktes beging, bekam ich seither diesen salomonischen Spruch zu hören.
Unser erster Nachmittagsbesuch galt dem Spitale, wo man uns nicht den Puls fühlte, wohl aber zu unserem Leidwesen eröffnete, daß die in Haidarabad und auf der Eisenbahn verbrachten Cage nicht angerechnet würden, sondern die fünfzehntägige Quarantäne erst mit Madras anfinge. Im übrigen waren wir frei, zu gehen, wohin wir wollten.
Vom Spital fuhren wir nach dem eleganten europäischen Madras, das den Kern zu einer Stadt bildet, die mit ihren Vorstädten, Gärten und Seldern annähernd eine Släche von 6240 Hektaren bedeckt. Die Einwohnerzahl erreicht nahezu eine halbe Million, unter der sich 50,000 Mohammedaner und 40,000 Christen aller Konfefsionen befinden.
Madras besitzt viele schöne öffentliche und Privatgebäude, Kirchen, weite Plätze,mit herrlichen Bäumen bepflanzte Alleen und ist auch in ihrem Nativeé-piertel eine reinliche Stadt. Die Bungalow der hoöheren englischen Beamten liegen in großen,schönen Parks, und zwar sind diese so weitläufig, daß man von seinem Nachbarn nichts hört noch sieht. Durch diese Platzverschwendung erklärt sich der enorme Umfang der Stadt. Dabei fehlt es nicht an öffentlichen Gärten, worunter der Volkspark nicht weniger als 470 Hektaren einnimmt. Der gazellenreiche, herrliche Cschipak, von den Engländern in Chepaukpark umgetaufte Garten, war einst der Besitz des Nabob.Schattenbäume, wuchernde Schlingpflanzen und farbenprächtige Blumen gedeihen hier um die Wette, und herrlich sind jeweilen die Ausblicke auf das nahe Meer.
Eine breite und sich meilenweit erstreckende Straße, die Marina genannt, zieht sich längs des Ozeans, der Korso aller Bewohner von Madras, die im Besitze irgend eines Sug- oder Reittieres sind. Swischen fünf bis sechs Uhr abends brennt die Sonne nicht mehr, und kühl weht's von der See. Elegante Equipagen mit hocheleganten,nicht selten merklich gemalten Damen, gewandte Reiter auf schönen Pferden, dazwischen von Dandies gelenkte sogenannte Schmetterlinge, kleine, zweiräderige Miniaturwägelchen, rasen dahin. Dazwischen klappern im bedächtigeren Tempo rohgezimmerte,
[500]Reise einer Schweizerin um die Welt.
Madraser Jugend am Strande.einheimische, von Sebu gezogene zweiräderige Karren, Ochsenbandi genannt. Jedes Gefährt aber, mag es modern oder alt sein, wirbelt eine gewaltige, rote Staubwolke empor. Dies und das unruhige Getriebe ließen uns bald den Wagen verlassen. Durch tiefen Sand wateten wir dem Wasser zu, wo eben Sischer mit sonderbaren helmartigen Strohmützen ihren Sang bargen. „Catamarans“ nennen sie ihre aus vier oder fünf schwarzen, nach vorn etwas gebogenen Baumstämmen gefügten Sloße.Zwei Kokosfasernstricke halten das Ganze zusammen. Sobald das Sloß auf den Strand geschoben, löst der Sischer die Stricke, steckt sie ein, und vom ganzen Boote bleiben nur einige Stämme im Sande liegen. Daß uns bald eine Kinderschar umringte, brauche ich nicht zu erwähnen. Ungekämmt flattert das wirre Haar im Winde. Die höchst einfache Toilette besteht, wenn's gut geht, aus Hhalsband, Ringen um die Sußknöchel und Schnur um die Lenden. Die wohlhabenderen Kinder in der LingebornenStadt tragen dagegen die Knaben oft schoöne Silberbehänge um die Lenden, die Madchen ein silbernes oder blaugläsernes Herzchen.
Als wir zum Gasthofe zurückfuhren, war die Nacht schon angebrochen. Schwer und dunkel kreiften fliegende Hunde über unsern Häuptern, die Slügel hatten eine Spannweite von weit über einem Meter. Ich mußte an unseren lieben Napitän auf der „Deli“ denken, der mir erzählte, wie manche Wundermär er als junger Seemann seiner Mutter nach jeder Seereise aufgetischt. Andächtig hätte sie diesen Erzählungen gelauscht und alles geglaubt, auch das Unglaubhafteste. Einmal aber erzahlte er []Hartie im botanischen Garten in Madras. (5. 601) [] Madras.
601 von fliegenden Sischen, da hätte die Mutter gefagt: „Sliegende Sische? Schwatz' doch nicht so dumm! Jetzt weiß ich, daß alles erlogen, was du mir bis jetzt erzählt hast!“Meine fliegenden hunde sollte ich den folgenden Morgen zu HBunderten gleich gewaltigen Srüchten an den Bäumen des botanischen Gartens hängen sehen. Den stopf nach unten, von welchem nur zwei spitze Ohren hervorsahen, schliefen sie, in ihre großen Slügel wie in einen Mantel gehüllt.Ilach heißer Nacht saßen wir den folgenden Morgen schon früh im Wagen.Zunächst wurde der unvermeidliche Spital abgemacht, dann ging's in den botanischen Garten, klein zwar, aber eine Perle! Einen poetischeren Ort kann man sich nicht träumen. Waldige Hügel, von blühenden Schlingpflanzen umrankte Lusthäuschen und schilfumsponnene, stille Teiche, auf denen weiße und rote Wasserblumen schwimmen, schweben mir immer noch vor. Ich fand hier auch den Hamen des Baumes, dessen wundervolle Blüten auf allen Straßen lagen, und die einem großen, gelben Abutilon mit dunkelm Kelche ähnlich sehen. Er heißt: Hibiscus tiliaceus.Auch meinen Sreund Pompelmus, den originellen , Wurstbaum“! und den großblätterigen birmanischen Teak-Baum fand ich hier.Vom Besuch des gewiß recht inleressanten Museums hätte ich wenig,die Hitze war zu groß. So zogen wir dann nochmals ins Cingeborenenviertel, das jenen Morgen recht nett und schmuck aussah. Vor allen ßäusern war gekehrt und mit gelbem und weißem Sand eine Auswahl der kunstreichsten Siguren hingestreut worden.Mancherlei ergoötzliche Szenen spielten sich unter dem viel lustigeren Volke, als in slordIndien ab. Selbstverständlich wurden wir von allen Seiten und gewiß in den beweglichsten, beredtesten Worten angebettelt. Die Camulsprache soll besonders bilderreich sein. Schade, daß wir nichts verstanden! Sogar die Cinrichtungen der Bettelbriefe kennt dieses intelligente Volk, und ich kann mich nicht enthalten, als Müsterchen einen solchen, wenigstens im Bruchstück, hier abzuschreiben. Er ist an einen Engländer gerichtet, und ein Missionsblatt hat ihn unlängst veröffentlicht.„Sehr geehrter Herr!Ich falle Ihnen zu Süßzen, bitte, retten Sie mein Leben, und machen Sie mich glücklichl Ich habe das stärkste Verlangen, Ihr Veloziped zu besitzen und damit zu fahren. Durch diesen Gedanken beunruhigt, finde ich keinen Schlaf mehr, weder bei Tag noch bei Nacht. An meinem Leibe bin ich
[392]Reise einer Schweizerin um die Welt.schon halb verfallen, und wenn es so fortgeht, so weiß ich nicht, was mein
Ende sein wird. Ich habe kein Geld, um das
Veloziped zu kaufen.
Ihre Hoheit darf nicht glauben, daß Sie mich nur mit einem etliche
Rupie werten Veloziped beschenken, sondern mit meinem Leben selber,das vielleicht Ihrer Hoheit all Ihr Lebenlang zu Dienst geweiht sein wird. Jetzt bin ich ein hülfloser Patient und Sie sind ein Arzt geworden.
Wenn Sie mir Medizin geben, werde ich besser,sonst nicht. Bitte, seien
Sie freundlich gegen mich. Gott wird an Ihnen sein Gefallen haben, und das ist nötig zum Glück eines Menschen. Möge
Gott in Ihrer Hoheit Herzen Mildtätigkeit erregen. CLassen Sie Ihren großen, freundlichen und edeln Sinn Ihren freigebigen Händen befehlen, diesem unglücklichen Menschen Ihr wunderschönes Veloziped zu schenken! Ich bin, mein Herr, Ihr gehorsamster Diener N. N.“
Mehr als irgend wo anders in Indien, gibt es in Madras Christen, Kirchen und Missions anstalten. Großartig geradezu ist die christliche, von 7. bis 800 Zöglingen,meist Tamulen, besuchte Bochschule. Sie können auch Heiden fein, müssen sich jedoch verpflichten, an dem christlichen Religionsunterricht teilzunehmen.
Madras besitzt die älteste Kirche in Indien, die schon 1680 eingeweihte, jetzt neu hergestellte Marienkirche. Interessant darin ist das Grabdenkmal des Missionars Schwartz, das die sonst wenig missionsfreundliche, ostindische Handelsgesellschaft errichten ließ. Schwartz, der im XVIII. Jahrhundert in Südindien wirkte, wußte die Herzen aller zu gewinnen. Er galt für ebenso klug, als fromm, und war der treueste Sreund und Berater des heidnischen Rönigs von Tandschaur lenglisch Tanjore),der ihm sterbend die vormundschaft seines Sohnes übertrug. Daß Schwartz sich auch dessen Liebe und verehrung erworben hat, beweist ein zweites Denkmal in Tandschaur mit folgender, von dem jungen Süürsten in englischer Sprache verfaßten Inschrift.„Sest warst du, weise, demütig,Kedlich, rein, unverstellt, gütig, WPF Vater der Waifen, der Witwen Stütze,Tröster in jeglicher Trübsalshitze;Denen in Sinsternis helfend zur Klarheit,Wandelnd und weisend die Wege der Wahrheit,Segen den Sürsten, den Völkern und mir.Daß ich, mein Vater, nachwandele dir,Wünschet und bittet dein Serfodschi hier.“Unfer Abschied von ConnemaraHotel sollte noch stürmischer werden als die Ankunft. Natürlich hatte sich diesmal der Wirt, ein CEurasier, eingestellt. Galt es []Im botanischen Garten zu Mädras. (5. 601.) [] Madras.
603 doch, Geld einzuheimsen, und zwar gebührendes und ungebührendes. Ein voller Tag wurde einfach mehr berechnet. Wutentbrannt kam mein Reisegefährte auf den Bahnhof.Er, der sonst allzeit Gelassene, sollte auch hier Grund zum Ärger vorfinden, und mit solcher Offenheit äußerte er sich laut über die Cisenbahngesellschaft als Diebsbande und englische Mißwirtschaft im allgemeinen, daß ich zitternd dem Augenblick entgegensah,wo ihn der Stationsvorstand verhaften ließ. So freute ich mich nicht wenig, als wir endlich in dem schmutzigen, niedrigen Waggon saßen, das der reichen Madras Railway Company, die glänzende Geschäfte machen soll, wenig würdig war. Mein Sreund brummte noch lange, und erst als ihm ein Mitreisender erzählte, der Volkswitz hätte die Initialen der Madras Railway Company, M. R. C., in Many Rogues Com-bineds verwandelt, gewann er seine gute Caune wieder.
Mich tröstete die herrlich grüne LCandschaft, eine Wohltat nach dem dürren Nordindien, und schon am folgenden Tage sollten die wunderbaren Nilagiri-hills uns für jede auf dem heißen Madraserboden exlittene Unbill reichlich entschädigen![204]
Reise einer Schweizerin um die Welt.
In den Blauen Bergen.llach den Kilagiris. Tonga. Hôtel Shorenam. Mrs. Schnarre. Uti. Blumen. Die Todas. Pochzeitsund Totengebräuche. Ihre Kleidung und Wohnung. Tiriri. Gebete. Badagas. Die Pügel. Rlima bon Uti. Der botanische Garten. EhininPflanzung. Auf Bergeshöhe. Die Krähen. Abschied von Uti.
Hat eine gütige See mit ihrem Sauberttabe mich berührt? Hat das alte Wunderland auch für mich ein Wunder bewirkt?Wo sind Staub, Hitze, Dürre, Krankheit?Wo all die ekligen Gebrechen, die Not, Hunzger und Elend in ihrem düstern Gefolge mit sich führen? Wo sind sie geblieben? Vertummt, ploötzlich verschwunden der unaufhörliche, die glühende Cuft wie ein greller Mißton durchzitternde, an jeder Straßenecke,an jeder Cempelsaäule sich aufdraängende Schrei:Bakshishl Bakshish! Wie ein schlimmer Traum scheint alles das vergessen, und froh dehnt fich meine Lunge in reiner, lang entbehrter Bergluft. Und dieser farbenprächtige,beftrickend süßduftende Blumenflor! Nicht tropische allein, auch aus der Heimat, der fernen, begrüßen mich traute Bekannte, Kinder unserer Gärten und Selder. Und wie sie hier blühen und wuchern in buntglühendem Hewande, größer, schöner, gleichsam durchströmt von nie endender Lebenslust!
Droben aber auf freier Bergeshöhe, da steht Shoreham house kein banales sdotel ein trautes, villenartiges Heim, sanft umrauscht von mächtigen Baumkronen und o, so willkommen dem Müden in seiner glückverheißenden Stille!
Wie heißt dieser Ort, den ich scherzend in Erinnerung an die Inschrift im DiwaniKhas meinen ⁊heaven of bliss- nenne? „Utakamand“ oder, wie die Engländer schreiben, Ootacamund». Doch kein Mensch quält sich hier mit dem langen ndischen Namen, sondern sagt und schreibt ruhig Uti oder englisch Ooty. Wohl-dekannt und geliebt von den in Südindien lebenden Engländern, die sich jeden Sommer rote Wangen und neuen Lebensmut da oben holen, liegt Uti keineswegs []Straße nach Uti. Im Vordergrund einige Tongas. (S. 605.) [] In den Blauen Bergen.an der Touristenheerstraße.Selten nur biegt ein Reisender von der Route Madras Cuticorin ab und verirrt sich in die Nilagiri-hills oder, wie sie auch heißen, die Blauen Berge.
Unvermittelt stiegen sie blau und duftig aus der fieberschwülen Ebene empor, die wir matt und müde die ganze lange Nacht durchquert, um endlich nach
16stündiger Sahrt in Mottupaleiam, am Suße der
„Blauen Berge“, anzulangen, Dort erwartete uns die vor drei Jahren erbaute NilagiriBergbahn, eine Schopfung unserer « Many Rogues Combined Company». „Sie sieht auch danach aus,“ brummte mein Reisegefährte, „sehen Sie sich doch diese alten, ausrangierten,niedrigen Waggons, diese schlechten Sitze und kleinen Senster an.“
Wirklich könnte die Sahrt, die uns 2000 Meter hoch durch die herrlichste Bergszenerie emporführt, sich viel genußreicher bei offenen Wagen, wie die Darjeelingund unsere Bergbahnen sie führen, gestalten. Hier genießt nur der Glückliche, dessen Sitz am linken Sensterchen liegt, den Ausblick auf die wilden Bergbäche und kühnen Wasserfälle, auf die blauen Berge und dicht bewaldeten Hügel. Nach drei Stunden sind wir droben in Kunnur, einer 2000 Meter hoch liegenden Ortschaft, die eine geschütztere Gesundheitsstation bietet, als das 660 Meter höhere, windumwehte Uti.
Die anderthalb Stunden, die uns von diesem trennen, legen wir in der Tonga zurück. Die Conga, der landesübliche Wagen, möchte ich wohl am besten einem gewaltigen Sasse vergleichen, das sich auf zwei Rädern schaukelt. Man kriecht hinein,zwei Plätze sind nach der Vorderseite, zwei nach der Rückseite angebracht. Man sitzt freilich im Schatten, aber wo bleibt die Aussicht? Weshalb die Engländer dieses Gefährt adoptierten, ist mir nicht recht erklärlich, jedenfalls nicht der Straßenverhältnisse wegen, denn diese sind tadellos. Kein Steinchen liegt auf der rötlichen Erde,keine schwierige Steigung gilt's zu überwinden. Im allgemeinen wird die Conga durch Ochsen gezogen, in diesem Salle jedoch, wo sie die Stelle eines Postwagens vertritt, sind Pferde vorgespannt. Schritt wird nicht gefahren, in munterem Trabe geht's bergauf, dafür aber gibt's alle halbe Stunden neues Vorgespann.
Und nun, trautes Bungalow, tritt hervor, das den fremden Wanderern so schnell zur Heimat geworden, in dem alles harmonisch ist, bis auf den Namen seiner Besitzerin, Mrs. Schnarre! Er klingt so deutsch, und doch ist seine Trägerin eine Albionstochter reinsten Wassers. Schön ist sie nicht, Mrs. Schnarre, eckig, knochig,ältlich, allein mit mütterlicher Sorgfalt umgibt sie ihre beiden Gäste, frägt nach
Rückansicht unseres Boys.
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[606]Reise einer Schweizerin um die Welt.ihren Cieblingsspeisen und sorgt, daß sie weich und warm gebettet liegen. Ihr Boy, diesmal unsere einzige, ausschließliche Bedienung, entpuppte sich als Perle, die mich mit seiner ganzen Spezies aussöhnen konnte. Unhorbar umschwebt er uns, hält die Zimmer in tadelloser Ordnung und empfängt uns abends mit lustig prasselndem Kaminfeuer und hellbrennenden Lampen.wir waren einzige Gäste. Die indo-englischen Samilien kommen nicht vor April oder Mai, und, wie gefagt, fremde Touristen verirren sich kaum in dieses Paradies. So konnten wir uns nach jeder Hinsicht ausdehnen. Jedes besaß sein Schlaf, Ankleide- und Badezimmer,außerdem hatten wir einen großen, gemeinschaftlichen:Salon, wo uns die Mahlzeiten serviert wurden, und des Abends, wenn ein kühler Wind über das Tal strich, ein gewaltiges Kaminfeuer, das uns traulich durchwärmte. All diese Herrlichkeiten, die fünf im Osten üblichen Mahlzeiten, Seuerung und. Bad inbegriffen, kosteten fünf Rupien, ungefähr 72/2 Sramken täglich. In stiller Ruhe und wohltätiger Einförmigkeit flog eine Woche dahin, ich schrieb viel, flickte meine reisemüde Garderobe, und über Cag fuhren und spazierten wir stundenlang. Wie gut ging sich's in dieser schönen, leichten Bergluft, wie gesund war's, sich wieder einmal tüchtig auszulaufenl Die einzige, lästige Pflicht war der tägliche Besuch des eine halbe Stunde entfernten Spitales.
Uti, ein freundliches, englisches Städtchen, das sich in einem von hohen HBügeln umgebenen Tale lang hinzieht, besitzt einen reizenden, blauen See. Die rötliche Erde hebt sich scharf von dem bläulichen Laube der Cukalypten, dem dunkeln Grün der Akazien, Melanoxylen, der Sypressen, Sedern und CEichen ab. Schne, rote Blüten leuchten dazwischen. Die an den italienischen Seen als Büsche das Herz erfreuenden herrlichen Rhododendron sind hier zu Bäumen geworden, an Groöße und Stärke hinter keinem heimatlichen Apfelbaum zurückstehend. Unsere Lieblingstopfpflanzen, die sogenannten englischen Geranien und die füßduftenden Heliotrope, hat das salima der Nilagiri in undurchdringliche, über mannshoch ragende Hecken verwandelt,deren Blüten ungepflegt und ungepflückt zu Taufenden dahinwelken. Und die steife,weiße, feierliche Kalla? Wie stolz find wir, wenn sie bei sorgfältigster Pflege uns die Ehre antut, im Simmer zwei oder drei ihrer weißen Düten zu entfalten. Hier wuchert sie als: Unkraut an allen Pfützen und Bächlein des Tales. Sürwahr ein Stückchen Paradies, das in den blauen Bergen hängen gebliebeennn
Wer sind die Ureinwohner dieser sHöhen? Ein sonderbarer Menfchenstamm. Er nennt sich ‚Herr des Bodens“ und behauptet, die Götter hätten seine Vorfahren hier
Straße in Uti.[]Der See von Uti. (8. 606.) [] Büffelopfer bei einer Gedächtnisfeier. (S. 608)
[608]Reise einer Schweizerin um die Welt.auf der Scholle, vielleicht auch aus der Scholle, geschaffen. Die helle Gesichtsfarbe,die kühn gebogene Adlernase, die hohe, kräftige Gestalt, die nahezu europaischen Gesichtszüge, alles das bildet ein Rätsel für den Sorscher, und keine Chronik, kein Baudenkmal, keine Inschrift helfen es lösen. Die Codas, so heißen die Leute, sind ein aussterbend Geschlecht. Im ganzen msgen sie nur noch neunhundert, höchstens tausend Köpfe zählen. Ein Toda wird niemals ein Mädchen aus anderem Stamme Dhres Mannes geworden, auch wenn diese schon Srauen haben. Die dabei etwas verwickelt erscheinende Vaterschaftsfrage wird aufs einfachste gelöst. Das älteste Kind wird als dasjenige des ältesten Bruders anerkannt, das zweite dem nächstkommenden Bruder zugesprochen u. s. w. Daß aber zwischen den Gatten, zwischen Vätern und stindern ein inniges Verhältnis herrscht, kann nicht behauptet werden. Dem kleinen Madchen ergeht's auch hier herzlich schlecht. Da die väter sich alle nur Söhne wunschen, werden in den Samilien, oder vielmehr wurden, denn die Engländer sind energisch dagegen eingeschritten, die Cöchter jeweilen bis auf eine erdrosselt.
Hoöchst einfach sollen sich die Hochzeits-Seremonien abspielen. Am Tage der Cheschließung wird die Braut in das saus ihres zukünftigen Gebieters gebracht. Dort muß sie sich zur Erde legen, und der Bräutigam setzt zuerst den rechten, dann den linken Suß auf ihr Haupt. Darauf muß sie Wasser zum Kochen herbeiholen, und durch diesen Akt ist sie zur Srau, nicht aber zur Serrin des Hauses geworden. Ihr sRaufpreis beträgt ungefähr dreißig Rupien.
Die Sestlichkeiten, die bei der Hochzeit vollstaändig unterbleiben, finden einen um so lebhafteren Ausdruck bei Leichenverbrennungen, wobei getanzt, musiziert und abwechselnd geweint und geklagt wird. Misfsionar B. schreibt darüber: „Wie der Indianer sein Jagdgewehr, so nimmt der Toda seine Büffel im Tode mit, um sie im
Jenfeits wieder zur Weide zu führen und von ihrer Milch sich zu ernaäͤhren. „Begleite den Geist deines Herrn in das große Cand!“so heißt der Befehl, der jedem Büffel besonders erteilt wird, wenn er unter den Keulen der Todas, meist auf einen Schlag, sterbend zusammenbricht. Dann wird die Leiche des Toda auf den Scheiterhaufen gelegt und dieser angezündet. Doch damit ist der Vertorbene nicht vergessen. Nach Jahresfrist wird abermals eine noch größere Totenfeier gehalten, und noch mehr Büffel werden dem Geschiedenen nachgesandt. Schmausen und Wehklagen wechseln bei dieser wunderlichen Seier wieder miteinander ab. Stirn an Stirn gelehnt, sitzen die ernsten Männer zu zweien nebeneinander und jammern dem Verstorbenen nach: „Wie ist jetzt dein Be[]Todas. (5. 607.) [] In den Blauen Bergen.
609 finden, o Bruder?“ „Leidest du am Sieber?“„Gedeihen deine Büffel?“ „O, warum hast du uns so bald verlassen?“ Heulend stimmen die Weiber in diese Cotenklage mit ein. Ihre Gebärden zeugen von tiefstem Schmerz, ihr ganzer Leib zittert und erbebt können sie wenige Minuten später sich wieder miteinander unterhalten, als ob gar nichts geschehen wäre. In früheren Seiten wurden oft bei dieser Jahresfeier an die vierzig bis fünfzig Büffel totgeschlagen.“
Bei unserem ersten Ausgange begegneten wir einigen Todas. Männer und srauen drapieren sich auf dieselbe Weise in ein grobes, baumwollenes Cacken, das einige bunte Streifen schmückt. Nackt bleiben dabei die rechte Schulter und der rechte Arm. Kopf und Sußbedeckung fehlt gänzlich; erstere wird durch eine Überfülle tiefschwarzer Haare reichlich ersetzt. Die Männer tragen zudem meist einen gewaltigen Bart. In schönen, glänzenden Cocken wallt das Haar der Srauen herunter, ein Gesicht umrahmend, das oft hübsche, regelmäßige, selten aber sympathische Züge zeigt. Schwere Messingarmbänder und Singerringe scheinen unter den Toda-Srauen, die gleich ihren Männern sich eines hohen stattlichen Wuchfes erfreuen, beliebt. Charakteristisch ist ein keulenartiger Stock, den die Codas bei jedem Gange auf den Schultern tragen. Er ist ihr unzertrennlicher Begleiter, und um die Gewißheit zu erlangen, ihn auch im Jenseits wiederzufinden,wird der Stock jeweilen mit der Leiche seines Besitzers verbrannt.
Oberhalb Utis, abseits vom Wege, befindet sich hie und da eine CodaAnfiedlung,Mand genannt. Mehr als drei bis vier eigentümlich geformte Häuser sollen selten beieinander stehen.
ZSolch ein Mand bildete das Siel unserer ersten Sahrt. Wir hatten uns einen leichten offenen Wagen verschafft und fuhren mit Entzücken auf den herrlichen Straßen und Wegen dahin, die, von Rhododendren und Koniferen eingerahmt, mehr an Parkanlagen als an Landftraßen erinnern. Warm freilich brannte zuweilen die indische Sonne, allein immer wieder kühlte ein leichter Wind ihre Gluten. Wie lebhaft genossen wir diese Wagenfahrten im Cale von Uti. Aber wie wenig verständnis für diese Begeisterung fanden wir leider bei unserem Kutscher und den Pferden.Jedesmal, nach kaum einer Stunde Sahrt, erlagen die drei einem Anfall von Heimweh und wandten ihre Köpfe dahin, von wannen sie gekommen waren. Da galt es scharfes Aufpassen, wenn wir auch wirklich an das uns vorgenommene Siel gelangen wollten, sonst wehe uns schlug der Rosselenker einen Seitenweg ein, und unversehens befanden wir uns wieder unten am sügel, auf dem Hotel Shoreham liegt.
C von Rodt, Reise um die Welt. 39
Botanischer Garten in Uti.
[310]Reise einer Schweizerin um die Welt.In füßem Nichtstun hockten einige Todas, Männlein und Weiblein und einige Kinder, auf den verfallenen Mauern, die ihren Mand umgrenzten. Weder erfreut noch ärgerlich schienen sie über unseren Besuch. Bettelhaft zudringlich, wie man sie uns geschildert, fanden wir sie nicht. Eine halbe Rupie, die wir verteilten. nahmen sie allerdings gerne in Empfang. Durch ein enges, nachts mit einem Brelte verschlossenes Coch kriechen sie in ihre komischen, halbrunden, tonnenartigen, mit Binsen gedeckten Wohnstätten. Da drinnen aber ist es fürchterlich, der Cuft nach zu urteilen,die der Cuke entstrsmte. Mr. W. kletterte hinein; an den höchsten Stellen nur konnte er aufrecht stehen. Auf einer Seite wird gekocht, auf der anderen geschlafen. Tags über halten sich die Todas offenbar im Sreien auf.
Ein folgender Tag brachte uns zum Tiriri oder heiligen Mand ), ein noch eigentümlicheres pyramidenartiges Gebäude, in das man auch durch ein Kriechloch gelangt. Der Priester des Heiligtums, Palal genannt, unterscheidet sich in der Kleidung nicht von den übrigen Codas, während der Kawilal, sein Diener, nur einen Stoffstreifen um die Lenden tragen darf. Die beiden wohnen von der übrigen Welt getrennt ganz allein hier. Der bei seinen CodaBrüdern in hohem Ansehen stehende und für einen großen Sauberer geltende Palal nährt sich ausschließlich von Milch und führt ein Gebetsleben. Dem Kawilal dagegen liegt die Bewachung der heiligen Buffelherde des Tiriri und das bei den Todas für heilig geltende Geschäft der Butterbereitung ob. Im Tiriri soll die heilige Büffelschelle aufbewahrt werden, in der sich die Hauptgottheit, Hiriadewa genannt, personifiziert. Dieser bringen die Priester ihre Gebete und Milchopfer dar. Die Gebete sind kurz: „Moge alles wohlgeraten“ oder „moge alles glücken“ lautet zumeist deren einfacher Inhalt. Beim Beten legen die Codas den rechten Daumen auf die Nasenspitze und berühren mit den übrigen gespreizten Singern die Stirn. Bis jetzt hat sich die Arbeit der Missionare an den Todas als völlig nutzlos erwiesen, kein einziges Glied dieses Volksstammes, der fich von allen übrigen Indern unterscheidet, ist zum Christentum übergetreten. Ebensowenig ist es der Mifston gelungen, bei andern Bewohnern der nilagiris, bei den aasfressenden Kohtas und den als Zauberern berühmten Kurumbas, irgend einen Einfluß zu erlangen. Etwas mehr Erfolge kann die Basler Misstion verzeichnen, denn diese wirkt in den Nilagiris bei den ackerbautreibenden Badagas, einem 1520,000 Köpfe zäͤhlenden Stamme. Diese, sowie die vorher genannten, sind den Todas,als den Herren des Bodens, tributpflichtig. Die Badagas teilen sich in achtzehn Kasten ein, unter welchen diejenige der Wodearu riester) dieselbe Rolle wie die Brahmanen spielt. Die Religion der Badagas besteht aus, dem niedrigsten Setischdienste,wobei nicht nur den Vorfahren, sondern auch alten Messern und dergleichen göͤttliche Herehrung gezollt wird. Bei den Leichenverbrennungen spielen eine Art Cotentanz und die Übertragung der Sünden des Verstorbenen auf ein Büffelkalb eine Hauptrolle. Die Badagas bauen sich weniger primitive Häuser und kleiden sich besser als die Todas. Auf dem Kopfe tragen sie einen großen Turban.Doch genug von den Bewohnern der. Blauen Berge, so interessant sie auch sein mögen. Blicken wir uns noch etwas in der schönen, entzuckenden Gegend um. Die Quelle: 5. Gehring. Sudindien.[]Eine CodaSchönheit. (S. 609.) [] Tiriri. (S. 6GIO.)
[612]Reise einer Schweizerin um die Welt.Täler hier bilden keine Släche, kein Plateau, sondern gehobenes, gewelltes Hügelland, das je nach der Bodenfeuchtigkeit bewaldet oder kahl erscheint. Eine Stelle besonders, wenige Kilometer von Uti entfernt, the Downs bie Hügel) genannt, läßt diese Cigentümlichkeit der Nilagiris besonders hervortreten. Wir haben einen ganzen Tag in den Downs verlebt, sind von einem Bügel zum andern geklettert, um immer wieder Ausblicke auf die fremdartige Gebirgswelt zu gewinnen, oder find auf den würzigen Rasen gesessen, der wohltätigen Ruhe und Stille in vollen Sügen genießend. Obschon man nur selten eines einsam wandernden Toda, Badaga oder sdindu, einer Hütte oder Schafherde gewahr wird, durchkreuzen doch schöne Straßen die Downs nach allen Richtungen. Wo sie wohl hinführen mögen?
Augenblicklich sind wir die einzigen Sremden in Uti. Später aber werden englische Gäste diese sden Straßen beleben, Jäger und Sportsleute, blasse Srauen und sinder. Und wenn die Gäste aus der heißen Ebene luft- und ruhebedürftig sich eingefunden haben, dann regnet es tage, wochen und monatelang. Oft während neunzig bis hundert Cagen! Dann sammelt Mutter Erde genug Seuchtigkeit, um ihre Pflanzenkinder wahrend 8/2 Monaten frisch und lebenskräftig zu erhalten, denn in dieser ganzen darauffolgenden Seit wird nur der Tau sie benetzen. Die Durch-schnittstemperatur beträgt in dem 2250 Meter hoch gelegenen Uti 14 Grad Celsius,der Unterschied zwischen der wärmsten und kühlsten Jahreszeit 4,1 Grad Celsius.
Mein Lieblingsspaziergang bildete immer wieder der botanische Garten, der schonste, jedenfalls der mir liebste, gerade weil ich ihn so gründlich kennen lernte.Wenn ich die Augen schließe, liegt er vor mir, der sanft ansteigende Park, der sich erst hoch oben auf Bergeshöhe in so leisem Übergange verliert, daß sich schwer bestimmen läßt, wo menschliche Kunst und Pflege aufhört und Gottes freie, unbeschnittene Natur beginnt. Ich sehe sie lebhaft noch im Geiste, die weiten, smaragdgrünen Rasenflächen und dunkeln, fremdartigen Baumgruppen, zwischen denen immer wieder das Kind dieser Berge, der hohe Rhododendron, flammt. Ich hoöre das Murmeln des Baches, der bald hell aufglitzernd im Sonnenschein, bald trübe vom Schatten des hohen Schilfes, Kühle und Erfrischung spendend den Garten durchschneidet. Noch atme ich den Duft all der fremden und heimatlichen Blumen, deren Sarbenpracht mit den herrlichen, sie umgaukelnden Schmetterlingen wetteifert.
Caßt uns die Mitte einschlagen, die hier den schmalen Weg bedeutet. Sie führt zu einer Terrafse empor mit kunstvollen Blumenrabatten, weißem Tempelpavillon und stillem Teiche, aus dessen tiefen Wasfern mannigfaltiges Pflanzenleben []Ein Mand. (5. 610.) [] Im botanischen Garten in Uti. (S. 612.)
[14]Reise einer Schweizerin um die Welt.hervorsprießt. Weiter geht's durch eine tiefe Talmulde, wo weißen Daturaglocken betäubende Düfte entströmen, knorrige, bizarr geformte Kakteen aus den weißen Steinen hervordringen und Baumfarne die anmutigen, federnden Kronen leise bewegen.Droben, etwas entfernt von der beständig schneidenden und stutzenden Schere des Härtners, wagen es Geranien, Heliotrope und die farbenleuchtenden Kapuzinerchen,uingebunden fich zu verbreiten. Sie schlingen sich an den Gärtnerwohnungen empor und wuchern frei als hohe Büsche und Hecken am Wege.
Immer noch weiter! Schon ganz in der Ciefe erblicken wir die jätenden, im Grase kauernden Kulis, deren weiße Turbane Riesenblumen gleich durch das Grün leuchten. Waldesstille umhüllt uns. Nur das Plätschern unfseres treuen Begleiters, Baumwurzeln, als wollte es die ewige Uhr des Waldes vorstellen, sonst kein Caut weit und breit!
Auf steilem Pfade kletterten wir in dem engen Talkessel immer höher empor,bis zur ChininPflanzung. Schön sind sie nicht, diese Bäume, deren Rinde ein deilmittel von unschätzbarem Werte enthält. Unansehnlich und kummerlich von Wuchs,ist auch das Laub kleinblättrig und matt in der Sarbe. Sind die Bäume einmal acht Jahre alt, so wird während der Regenzeit die halbe Rinde abgeschält, die andere sälfte kommt im folgenden Jahre an die Reihe. Sorgfältig werden die entblößten Stellen mit Moos umwickelt, und unter dieser Decke wächst eine neue Rinde, die biel wirkungsvoller und besser als die erste sein soll. Cin Jahr wird dem Baume Ruhe gegönnt, dann muß er wieder seine Hülle hergeben. Wir haben ein Stückchen losgelöst und gekostet. Ganz furchtbar bitter schmeckte es!
Seit das Chinin fabriziert wird und in Java, Ceylon, Peru und Südindien große Plantagen bestehen, ist der früher sehr hoch geschraubte Preis wesentlich gesunken. Im Jahre 1822 bezahlte man 1716 Sranken pro Kilogramm, 1893 waren es 38 Sranuken. Damals schien das Antipyrin das Chinin völlig verdrängen zu wollen. In den letzten Jahren dagegen sind Preis und Ansehen des in den Tropen geradezu unentbehrlichen Chinins wieder im Steigen begriffen. Die englische Regierung soll gute Refultate mit ihrer Chininpflanzung am Dodabeta erzielen, auch staffee und Tee gedeihen ausgezeichnet in den niedrigeren Regionen der Nilagiris.
Oberhalb der Chinchona Daldung teilt sich der Weg. Rechts fuhrt er auf den 2680 Meter hohen DodabetaGipfel, den höchsten Berg Sudindiens, links auf den,was die Aussicht betrifft, noch interessanteren 2490 Meter hohen Snowdon. Wir sind auf beiden Höhen herumgeklettert und haben heruntergeschaut auf unser liebes Uti. seinen klaren See und seine schmucken PRäufer. Wir haben ins ApfelsinenCal unsere entzückten Bliche versenkt, dort, wo die goldenen Srüchte wild wachsen, und haben so manche Bergspitze, so manches tiefe Waldtal erblickt, die nicht nur für uns,fondern für jeden Curopäer noch unbekanntes Cand sind. Dort herrschen im vollgenuß unumschränkter Sreiheit schwarze Baären, schöne Konigstiger, flinke Pantherkatzen. Wildschweine, Hirsche und Schakale. Lange saßen wir auf der Bsöhe des Snowdon, und als ich emporschaute zum blauen Himmelszelt, kreisten über unferen däuptern schneeweiße Salken mit schwarzem Sleck zwischen den Slügeln. Wie Silber glänzte ihr Gefieder in den Strahlen der Sonne.[]The Downs. (5. 612) [] In den Blauen Bergen.
615 Ein vertrocknetes Sträußchen weißer Veilchen ist mir dieser Tage in die Sände gefallen. Es stammt aus dem Garten unseres Bungalow in Uti. Weiße Veilchen,sdeliotrope und Rosen, wie üppig gedeihen sie, wie süß duften sie dort! Wer mag sich dies Jahr wohl an ihnen erfreuen?Und meine Sreunde, die Krahen?Sicherlich haben sie mich vermißt! Sie hausten auf den hohen Bäumen vor dem Zause und flogen mir jedesmal zu, wenn ich in die nNähe kam. Auch im Simmer suchten sie mich auf, und war ich nicht at home, so hinterließen fie ganz frech eine bisitenkarte, die unsere Perle von Boy mit Sorn erfüllte. Waren sie satt, so vergrub der Krähenvater, sorglichen Sinnes und klug bedacht auf die Zukunft, einen extraguten Bissen in den Schoß der Erde. Geschickt bediente er sich dazu des Schnabels und der Klauen. Er erinnerte mich an meinen gelben vierfüßler zu Hause, der sorgfältig unterwegs große Knochen oder alte Schuhe sammelt und, nachdem er sich mühsam damit eine Weile geschleppt, sie in ein Coch versenkt. Jedenfalls beabsichtigt er, diese kostbare Beute auf dem Rückwege zu holen, was aber sein Hundegedächtnis regelmäßig vergißt. Wie es der Rabenvater mit seinen verborgenen Schaätzen gemacht, konnte ich nicht in Erfahrung bringen.Und nun, mein Uti, du Paradies im fernen indischen Reiche, Lebewohl und abermals Lebewohl!
Partie im botanischen Garten.[316]
Reise einer Schweizerin um die Welt.
Madura.
Fahrt nach Madura. Unangenehmer Aufenthalt in Tritjschinapalli. Aachtquartier in Madura. TeppaTeich. BanyanBaum. Gopura. Großer Tempel. Säulen, Götterbilder und Yali. Ohrenschmud.Goldener Lilienteich. Geschichte der Königin Mangammal. TempelElefanten. Prozession. Tamulijche Frauen. Aberglaube. Pudu Mandapam. Gouvernementsgebäude. Nach Tuticorin. Überfahrt nach olombo.Wie Verstoßene aus dem Paradiese kamen wir uns vor,als wiederum Lärm, Bakfhishgeschrei und die ganze Hitze Süͤdindiens sich in Mettupalaiam über uns ergoß. Surück ging's auf demselben Wege bis Erode, wo wir von den «Many Rogues Combined - endgültigen Abschied nahmen, um mit der etwas reinlicher gehaltenen, besser ausgestatteten, südindischen Bahn nach Madura weiter zu reisen.
Auf dem Wege liegt Tritschinapalli oder, wie die Engländer es nennen, Trichinopoly, eine durch ihre Tempel und zwei Selsen beruüͤhmte Stadt. Da wir uns nach Ceylon fehnten und länger als geplant in Uti geblieben waren,hatten wir beschlossen, Tritschinapalli unbesucht zu lassen. Und dennoch einen Aufenthalt, einen recht unangenehmen, unfreiwilligen, mußten wir dort uns gefallen lassen. Der Sug kam zür ungemütlichen Stunde von 3 Uhr morgens an, und vor 6 war keine Möglichkeit vorhanden, fort zu kommen. Im Waggon durften wir nicht bleiben. Mr. W.wurde im Wartesalon füt Herren, ich im Damenzimmer untergebracht, wo ein weiter,eidlich komfortabler Lehnstuhl statt eines Bettes mir seine Arme entgegenstreckte.
Gopura.[]m cdu *ra
Eine düster brennende Stalllaterne beleuchtete mit unbestimmtem Scheine den unverschließbaren, unheimlich großen Raum, der in seinen dunkelsten Ecken Moskitos und Eidechsen zur reichen Auswahl bot.ach einer halben Stunde erlosch die Laterne, StreichD um Ruhe und Schlaf war!s für die noch übrige Seit übel bestellt.
Ich freute mich, endlich wieder im Waggon zu sitzen. Die herrliche, tropische Landschaft versüßte die unerhört langsame Sahrt der letzten zwei Stunden. Aufenthalte mitgerechnet, bewältigte unser Sug nur 8 Kilometer in der Stunde.
An Madura, indisch Madurei, durften wir aber nicht vorüberfahren, sagt doch ein tamulisches Sprichwort: „Wer Madurei nicht gesehen hat, ist ein Kadurei“ Ejel).Im Stationshause selber fanden wir gute, reinliche Simmer. Leider gingen meine Senster auf den Perron der Bahnhofhalle, und da, wie schon früher erzählt, die sdindu es vorziehen, stunden, ja tagelang auf der Station den Zug abzuwarten, statt auf die bestimmte Seit einzutreffen, wird man mir gerne glauben, wie illusorisch unaufhörliches Geschwaätz, Kindergeschrei, Manövrieren der Süge, Hitze, Moskitos meinen Schlaf gestalteten. O Uti, wie sehnsuchtsvoll gedachte ich deiner und der stillen, kühlen Nächte, wo der durch die hohen Bäume faufende Wind das einzige Geräusch bildete!wir waren mittags angekommen, ruhten etwas und ließen die grausamste shitze vorübergehen, dann fuhren wir aus. Dunkle Wolken standen drohend am Himmel, doch da die alte Srau, die unsere Simmer besorgte, erklärte, es hätte im März niemals in Madura geregnet, beruhigten wir uns und fuhren zunächst zum eine Stunde von der Stadt entfernten TappaCeich oder vielmehr See. Rot und weiß gestreifte Mauern umgeben die stille Wasserfläche, in deren Mitte eine künstliche Insel mit schönen Bäumen, einem Gopura ähnlichen Turm und vier Pavillons sich erhebt. Cine Toteninsel, denn unter dem Turm ruht die Leiche Tirumala Naikens, des bedeutendsten Mannes aus dem Geschlechte der Naiker, das von 1420 bis 1787 in Madurei, der Hauptstadt des einst mächtigen Pandia-Reiches, seinen sderrschersitz aufgeschlagen hatte. Wir werden Cirumalas Iamen noch öfter begegnen,denn infolge eines Gelübdes war er der Erbauer der größten Bauwerke der Stadt.Tirumala lebte um die Mitte des XVII. Jahrhunderts und herrschte 36 Jahre.
Unweit des TappaSees steht von Palmen umgeben, abseits vom Wege, ein
Teppa Rulam in Mädurga.
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[618]Reise einer Schweizerin um die Welt.riesiger BanyanBaum (Ficus indica). Er soll eine Släche von 56 Meter im Umkreis beschatten, und 106 Cuftwurzeln haben sich in dicke Stämme verwandelt, an denen große, grüne Cidechsen langsam auf- und abkrochen und uns mit unheimlichen Augen anglotzten. Immer dunkler war der shimmel geworden. Plötzlich strömte es fündflutartig auf uns nieder, und schutzsuchend klammerte ich mich an einen Baumstamm. Da fühlte ich etwas Kaltes im Nacken und etwas Weiches. Jämmerlich ging mein Mut in die Brüche, ich schleuderte das Tier es war eine jener dickköpfigen,großen Cidechsen von mir und lief in wilder shast dem ziemlich entfernten Wagen zu. Unsere Kutscher hatten sich hineingesetzt, während ein paar weinende Kinder unter diesem kauerten. Alles schien erschrocken, überrascht. Eine Minute später hörte der Regen auf, die Sonne brach hervor und spiegelte sich in den Causenden von Wassertropfen, welche die gefiederten Palmenkronen schwer zur Erde sich neigen ließen.In der Serne ragten die wunderbaren GopuraTürme hoch über den flachen Dächern der Stadt empor. Gopura nennt man diese von oben bis unten mit bemalten Ornamenten, skulptierten Götter und CTierbildern geschmückten oblongen Cürme, deren sdöhe zwischen 18 und 45 Meter variiert. Sie perjüngen sich beträchtlich gegen oben und enden in einem schmalen, etwas gewölbten Dache mit urnenartiger Verzierung. Die beiden Schmalseiten laufen in einem radähnlichen Knaufe aus, dessen Spitze eine Teufelsfratze mit fürchterlichem Gebiß und lang herabhängender Sunge bildet. Das Innere, das wir nicht betreten durften, wird durch ein Tor und über demselben sich bis oben abstufende CLuken erhellt. Die Gopuras sind eine Eigentümlichkeit Süd-Indiens. Sie machen in dem Reichtum und der Mannigfaltigkeit ihrer farbenreichen Skulpturen einen wunderbaren Eindruck. Betrachtet man sie jedoch in der Nähe, so sind die einzelnen
Hruppen roh und grob gearbeitet.Mystisch großartig erscheint die im viereck 254 ) 218 Meter erbaute und von neun Gopuras umgebene Tempelanlage, größtenteils das Werk Tirumala Naikens. Sie besteht aus einem Tempel des Civa, der unter dem Namen Sundira Pandian Madura beherrschte,und aus einem Tempel der fischäugigen Göttin Minatschi, aus der die Ortslegende die Gattin des menschgewordenen Civa machte. Dazwischen steht rauch und altersgeschwärzt die Halle der tausend Säulen. In den tiefen Nischen sitzen furchtbare, groteske Götterbilder, und aufgeschreckte Sledermaäuse schwirren ungestüm hervor, jedesmal,wenn die baßßshishgierigen Priester flackernde Lampen emporhalten.
Hor dem Tempel.[]Gopura und Eingangstor des großen Tempels. (S. 618.)
[320]Reise einer Schweizerin um die Welt.Schwer ist es, sich in all dem Wirrwarr von HZallen, Cempeln, kleineren Heiligtümern,Saulenreihen und Gottheiten zurechtzufinden. Letztere, teilweise genial und phantafievoll aufgefaßt, erscheinen öfter noch als greuliche Sratzen. An Säulen und Kapitälen spielt der sogenannte Yali, der heraldische Löwe SũdIndiens, eine große Rolle.Meist windet sich aus seinem Rachen ein langer Rüüssel, den er mit beiden Tatzen umfaßt hält. Die schönsten Granitskulpturen sind leider weiß übertüncht. Ich vermute, die Engländer, in ihrer Vorliebe für weißen Anstrich, haben auch diesen verbrochen.
Ganz wunderschon ist ein großer, heiliger Ceich innerhalb des Tempelvierecks. Ringsum ziehen sich Arkaden, und große Sreitreppen führen ins Wasser. Wir sahen dort ähnliche Szenen wie in Benares. Ist das Bad vorbei, so zeichnen sich die Vishnuiten und Civaiten ihre Kastenzeichen auf Stirn und Brust. Die Srauen malen sich einen rotgelben Sleck zwischen die Augenbrauen und bestreichen das Gesicht mit einer dicken Schicht ochergelber Schminke. Das nötige Material dazu ist in kleinen Haufen auf der Erde ausgebreitet.
Abscheulich ist die hier herrschende Mode, die Ohrlöcher so auszudehnen, daß der untere Ceil des Ohrläppchens unter der schweren Last der Ringe nahezu bis auf die Schultern herabhängt. Oft ist zudem noch die ganze Ohrmuschel durchlöchert und mit kleinerem Schmucke verziert. Welch sonderbare Caunen zeigt doch die Mode!Hier sind's die Ohren, in China werden die Suße verkrüppelt. und bei uns schnürt man die Caille zusammen.
Der Teich führt den poetischen Namen goldener Lilienteich, und ein Gemach wird innerhalb der Arkaden gezeigt, wo eine Königin aus dem Geschlechte der Naiker gelebt und gelitten. Sie hatte einen Mann lieb, den sie nicht lieben sollte, und um dessentwillen ihr Volk sie zum Hungertode verurteilte. Sie wurde ergriffen, eingesperrt,und damit ihre Qual noch verstärkt würde, setzte man taglich leckere Speisen in ihre Nähe, die sie wohl sehen und riechen, aber nicht erreichen konnte. Das Bild ihres liebhabers, des Brahmanen Achchaya, ist der Nachwelt aufbewahrt worden, fowohl als Statue im westlichen Arkadenflügel, wie als Malerei auf der Decke des Raume
Goldener Lilienteich.[]Säulenhalle im großen Tempel in Madura. (5. 619.) [] Madura.Auch die Züge der unglücklichen Königin hat der Maler daneben verewigt. Ob sich jemals ein Dichter gefunden, der den tragischen Stoff poetisch verwandt hat, ist mir unbekannt. Phantastisch genug ließe sich in dieser Umgebung diese Liebesepisode ausschmücken. Tantalus, der unglückliche Schwätzer, der Verräter olympischer Geheimnisse wer kennt nicht die Sage seiner durstigen Qualen? ist öfter besungen und als warnendes Beispiel der Nachwelt vorgemalt worden. Hier, wo es sich um stille Srauenliebe handelt, scheinen die Dichter zu schweigen, und ein keuscher Schleier verhüllt die weichen Süge der Schuldigen vor des Publikums profanen Blicken. Nicht immer wird in der Gegenwart mit ihrer Ehre verlustig gewordenen Sürstinnen so rücksichtsvoll verfahren. Doch das war ja ehemals, lang, lang ist es her. Die Chronik versetzt die Geschichte ins Jahr 1706; der Hame der Suürstin lautete Mangammal.Als wir den Tempel verließen, herrschte sehr lebhaftes Treiben auf der Straße und, wie immer, ein ßeidenlärm. Dieses bei uns öfter angewandte Wort ist hier richtig am Platze, besonders wenn es sich für das heidnische Volk drum handelt, einen ihrer Götzen zu feiern. Eine Prozession war im Gange, und schon standen die großen,schöngeschmückten Cempel-Elefanten in Reih' und Glied marschbereit. Etwas Seit fanden übrigens Cornaks und Elefanten doch noch, um schnell die Sremden anzubetteln. Die Gelegenheit durfte nicht versäumt werden. Die Dickhäuter machten Salaam und streckten uns ihre Rüssel entgegen, und laut brüllten ihre Sührer: Bakfhifh!Bewundernswert ist's, wie die Elefanten die kleinste Münze mit ihren Rüfseln von der Erde zusammenklauben, sie festhalten und ihrem Reiter überliefern können. Sie selber lieben fehr Kokosnüsse; ein Druck und ein Schluck, die großen, steinharten Srüchte sind zermalmt und gefressen. Die klugen Ciere verstehen es übrigens prächtig,einen allzu sparsamen Sremden zu strafen. Bleibt der erwartete Tribut an klingender Münze oder Naturalien aus, so erhält der Ungroßmütige einen wohlgezielten Wafserstrahl aus ihrem Rüssel.Unter einem Gold und Seide starrenden Baldachine wurde ein mit kostbaren Juwelen übersäetes Götzenbild auf Besuch in einen anderen Tempel getragen.Eine jauchzende, jubelnde,Sahnen und Sonnenschirme tragende Menschenmenge folgte.Abends, nach dem Essen im Wartesaal, fuhren wir Tempel Elefant.
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[322]Reise einer Schweizerin um die Welt.nochmals zum Tempel, dessen Cingangshallen jetzt m Lichte unzähliger Lämpchen schön beleuchtet waren, während die wunderbaren Steinfiguren im intergrunde noch phantastischer, teuflischer zu grinfen schienen. J Madura, eine Stadt von 87.000 Cinwohnern,liegt von Palmenhainen ganz umgeben. Dazwischen wechseln Reis- mit Baumwollenfeldern ab, letztere sind augenblicklich mit schönen gelben Blüten übersäet. Die Hauptindustrien bilden Spinnerei und Weberei, letztere wird in den Samilien allgemein betrieben. Durch die rotweißen Striche, womit die Sockel vieler Häuser angemalt sind, gewinnt das Eingebornenviertel ein schmuckes, festliches Anfehen.Wunderhübsche Kinder gibt's hier, dabei sehen sie besser genäͤhrt, munterer als im Norden aus. Die jungen Srauen sind schön gewachsen und graziös in der Haltung. Sreilich werden sie sehr bald alte häßliche, ja sehr häßliche Weiber. Swolf-,ja zehnjährig schon sind sie gezwungen, dem Manne, den die Eltern für fie gewählt, zu folgen. Ein Ujahriges Camul-Madchen muß unbedingt verheiratet sein. Ist es mit zwölf Zahren noch im elterlichen Hause, so darf es niemals ohne Erlaubnis der Mutter allein ausgehen. Es wird auch den Blicken der Männer im entzogen und soll selbst nie einen Mann ansehen. Die erste Begegnung mit dem Bräutigam findet in den meisten Sällen erst am Hochzeitstage statt. Nach Gehring ist das tamulische Schönheitsideal folgendermaßen beschaffen: „Runder Kopf, volles Geficht, große Augen mit vielem Weiß, spitzige Nase, kurzer Hals, schlanke TCaille,sonst aber moglichst untersetzte Sigur. KRrauses Haar dagegen, Muttermale, Stottern und Stammeln beim Sprechen, schlürfender Gang oder starkes Auftreten mit der Serse geben zu ernsten Bedenken hinsichtlich des Charakters Anlaß, und schon manche Verlobung ist daran gescheitert.“
Es gibt kaum ein abergläubischeres Volk als die Tamulen, und bei der Brautwahl gar darf kein Seichen außer acht gelassen werden. Ein Brautwerber, der auf dem Wege zum Elternhause der Erwählten eine Katze, ein Schwein, eine Schlange oder gar eine Witwe trifft, wird schleunigst umkehren und seinen Antrag auf längere Seit verschieben. Die Eltern der zukünftigen Braut achten ihrerseits auf den Schrei der dauseidechse, ehe sie die Werbung annehmen. Nur bei zunehmendem Monde darf geheiratet werden, und auch die Sterne sind zu beachten. Auf Goldschmuck und JZuwelen wird der größte Wert gesetzt, und eine Tamulfrau aus angesehenem HBause hat NMafe, Haare, Hals, Arme, Singer, Süße, Sehen mit Sierrat über und über behangen.bon den Ohrringen habe ich schon gesprochen.
Da es den Abend vorher zu spaät geworden, hatten wir den Besuch des Pudu Mandapam, einer Säulenhalle neueren Datums, unterlassen, was wir jetzt nachholten.hon 1628 bis 1645 wurde daran gebaut, dabei die Riesensumme von 25 Millionen
Mit Schmuck überladene Frauen.[]Palast Tirumalas, jetziges Regierungsgebäude. (S. 624.)
[824]Reise einer Schweizerin um die Welt.Sranken aufgewandt, und doch ist dieses größte Werk Cirumalas unvollendet geblieben.bier Säulenreihen tragen ein flaches Dach. CEinzelne Glieder der Dynastie Naiken sind öfter darin, aus Stein gehauen, abgebildet. Tirumala erkennt man stets daran,daß ein Chronhimmel über seinem Haupte schwebt. Cin naives Bild stellt Gott Civa dar, der sorglich ein Dutzend Schweinchen an seine Brust drückt. Die Sage erzählt,einer der Sürsten hätte auf der Jagd ein wildes Mutterschwein getötet, deren hülflos schreiende Jungen einem sicheren CTode entgegensahen. Da erbarmte sich der Gott der berwaisten, er verwandelte sich in eine große Sau und säugte die zwölf Serkelchen.Pudu Mandapam ist leider ganz zur Markthalle geworden, Buden sind allenthalben in die schönen Säulen eingebaut, und das Marßkten, Schreien und Treiben erinnert lebhaft an die Shwe DagonPagode in Rangun. Hier hängen zudem noch eine Menge Käfige mit heiligen Papageien, unter denen ein zitronengelber mir besonders auffiel. Auch heiliges Rindvieh spaziert frei in der schönen Tempelhalle herum und hinterläßt seine Spuren.Ein stolzer Bau mit schwerer Säulenhalle und Stuckdekorationen ist der Palast Cirumalas, der, von den Engländern wohl allzusehr modernisiert,jetzt als Gouvernementsgebäude dient.Cin 16 Meter hoher Saal wird unter dem Namen Tirumalas Schlafgemach bezeichnet. In der Mitte der Decke sind vier Locher. Die Sage erzählt: Ketten und Haken, die an den Löoöchern befestigt waren, hielten das Bett schwebend über dem Sußboden. Einst aber stieg ein frecher Räuber aufs Dach,bohrte eine Offnung, kletterte an der einen Kette bis auf das Lager des Sürsten und bemächtigte sich der Kronjuwelen. Endlich nach langer Seit wurde der Dieb ausfindig gemacht, allein kein Mensch konnte in Erfahrung bringen, wo er den gestohlenen Schatz verborgen hielt. Da versprach Tirumala dem Dieb einen großen auf seine Nachkommen vererblichen Grundbesitz, falls er die Juwelen zurückbrächte, auch sollte er mit keinen Sragen gequält werden. Der Einbrecher ging darauf ein, der Sürst hielt sein dersprechen, allein gleich darauf gab er Befehl, den Mann zu enthaupten. Vom Dache des Palastes aus genießt man eine herrliche Aussicht über Madura, die eigenumlichen Gopuraturme, die heiligen Teiche, deren mehrere in der Sonne blitzten, und die unzähligen Palmenhaine. Ein schönes, fremdartiges Bild! Unnõtig, zu erwähnen,daß wir auch hier die Bekanntschaft des Spitales machten. Heute war der letzte Tag,doch erst in Tuticorin sollten wir vom Pestverdacht reingesprochen werden.
Dichungel.[]Madura.
625 Mittags traten wir unsere letzte Eisenbahnfahrt durch Indien an. Sie sollte uns nach fünfstündiger Reise ans Meer nach Tuticorin bringen. Malerisch genug erscheint die CLandschaft. Gleich hinter Madura erheben sich schöne eigenartige Selsklötze, deren einer deutlich die Sorm eines Elefanten zeigt. Auf seinem breiten Rücken ist ein Cempel erbaut worden. Schöne große Agaven und gelbblühende Kahkteen bilden dichte, unübersteigbare Hecken. Das lichte Grün der Reisfelder wechselt mit Baumwollstauden ab, auch das langweilige Teekraut ist sichtbar, und auf den im Westen emporsteigenden Hügeln scheinen ausgedehnte Kaffeeplantagen angelegt zu sein. Sahlreiche Slüsse und noch zahlreichere Ziehbrunnen sorgen für die Seldbewässerung. Der eigentümlich geformte Schirmbaum (Terminalia catappa), den
Am Strande von Ceylon.ich bis jetzt nur vereinzelt gesehen, kommt hier in Menge vor und vermehrt den tropischen Cindruck der Candschaft. Mehr wie je wimmelt es auf den zahlreichen Stationen von Eingebornen; dieses Volk scheint auf einer beständigen Wanderung begriffen zu sein.
In Tuticorin war gerade Seit, in den Spital und an den Hafen zu fahren.Dieser hat nur zwei bis drei Meter Tiefe, und die Dampfer müssen 8 Kilometer weit draußen ankern. Auf altersschwacher Steamlaunch und heftig bewegter See eine höchst ungemütliche Sahrt, freilich war unser Cos golden im Vergleich zu dem der armen Swischendeckpassagiere, die, 500 an der Sahl, wie das vieh auf einer Barke eingepfercht, alle mehr oder weniger seekrank, gleich nach uns auf den Dampfer verladen wurden.
Die fünfzehn Stunden lange Sahrt zwischen Tuticorin und Colombo hat einen bösen Ruf, und da der Anfang wenig Gutes verhieß, waren wir aufs Schlimmste gefaßt.Diesmal follten wir angenehm überrascht werden. Die „Afrika“ war jedenfalls der beste Dampfer der British India Company, den ich getroffen, der Kapitän liebenswürdig,
C. von Rodt, Reise um die Welt. 40
[626]Reise einer Schweizerin um die Welt.das Essen gut, die Kabine geräumig. Wir waren nur vier Passagiere erster Klasse an Bord. Ein hestiger Regen glättete die kürz vorher noch so bewegten Wogen, und nach gemütlich im Salon verlebtem Abend folgte eine für mich vortreffliche Nacht.Infolge der letzten unruhigen Nächte auf dem Sestlande schlief ich unter dem ewigen Ciede der Wellen noch einmal so sanft und fest. Als ich den nächsten Morgen aufwachte, lag Ceylon vor mir:„Es ragt empor, der Schiffer Augenweide,mil Halden, Silberbächen, kühlen Schluchten.
Es streift mit seinem dunkelgrünen Kleide
Bis an den Spiegel seiner Selsenbuchten.
Cianen werfen ihre Blütenschnur von Baum zu Baum; durch buntes Strauchwerk fliegen
Zwitschernde Vögel. Stolze Sorsten schmiegen
Sich an des Bimmels blendendes Azur.“[]Waldpartie auf Geylon. (5. 627.) []
Colombo.
Colombo.
63
5
Ceylon.
Eolombo.
Sijcherboote. Landung in Colombo. Galle Face-Hotel. Schneider. Die Bewohner Eeylons. Verschiedene Religionen. vitktoriaPark. Simmet-Gärten und -Kultur. Colombos nächste Umgebung. JackBaum.Die Rokospalme. Die armen europäisch gekleideten Kleinen. Die Rleidung der wohlhabenden Singhalejen. Swistigkeiten zwischen Reijegefährten. Im SortViertel von Colombo. Die indische Ryähe und ihr SEharakter.
Ein flaches, von stokospalmen umsäumtes Ufer lag vor uns. Große Barken und sonderbare schmale Sischerboote umkreisten die „Afrika“, Boote, wie ich sie bis jetzt nie gesehen: Ausgehöhlte Baumstämme in einer Cänge von etwa 6 Metern.An einer Seite hängen zwei gekrummte, parallele Bambusstaäbe hinunter, verbunden durch einen parallel mit dem Boote laufenden Balken. Dieser, «Outrigger» genannt,schwimmt auf dem Wasserspiegel mit und verhindert das leichte Sahrzeug, umzukippen. Die Ruderer, ein feiner, zierlicher Menschenschlag, könnte man für verkappte Srauen halten, das lange, glänzendschwarze Haar ist zum Sopfe geflochten, am Hinterhaupte heraufgenommen und vermittelst eines runden Kammes, wie ihn namentlich früher unsere kleinen Mädchen trugen, zurückgestrichen. Ein Sarong, hier ‚ Combay“genannt, bildet die ganze Bekleidung.
Die „Afrika“ legte sich ziemlich weit draußen vor Anker. Eine Steamlaunch scheinen weder die Britich India Company noch der Norddeutsche Cloyd hier zu besitzen. So ist der Ankömmling „Strandgut“ für die Barkenbesitzer und muß sich mit Händen und Süßen gegen allzu freche Überforderung zu schützen suchen.
Am grünen Strande Colombos erwartete uns der erfreuliche, lang entbehrte Anblick einer Anzahl Jinrikishas. Sreilich die biederen, häßlichen Chinesengesichter vermißte ich dabei; die Läufer hier sind feingebaute Singhalesen oder schwarze, kräftige Tamulen.
Wir hatten uns zum draußen am Meeresstrande liegenden Galle Face Hotel entschlossen. Hochauf brauste die See und rauschte uns ihr gewaltiges Lied entgegen,
[328]Reise einer Schweizerin um die Welt.
Fischerboot mit Outrigger.als wir auf schöner Straße dorthin fuhren. Ein mit europäischem Komfort und Eleganz ausgestatteter Gasthof! Die Nähe Curopas wurde mir plötzlich beangstigend fühlbar. Was für ein närrisches Ding ist doch das Menschenherz! Wie oft hatte ich mich in den letzten Monaten nach europäisch zivilisierten Zuständen gesehnt, und jetzt wuünschte ich mich wieder in den fernen Osten zurück, wünschte mich am Anfang,nicht am Ende meiner langen, schönen Reisel
Das bis in mein Simmer dringende Braufen der See konnte dessen qualvolle Hitze nicht mildern. Die leichte Arbeit des Auspackens hatte mir unzählige Schweißtropfen ausgepreßt, und zudem mußte ich mich sogleich mit der Kleiderfrage befassen,da, was für Indien gepaßt, für das elegante Colombo allzu abstrapaziert war.
Schneider, erscheine! Natürlich besaß mein Simmerboy zum guten Sreunde den besten aller Nadelkünstler Ceylons, und einen Augenblick später kratzte es sachte an meiner Tür. Diesmal ist's kein langbezopfter Himmelssohn, sondern ein glutäugiger Singhalese, und seine Cohnansprüche übersteigen die Arbeit um ein beträchtliches.Deshalb erhält er nur einen Teil davon, mit der Bemerkung, ich würde mich nach einem billigeren Kollegen umschauen. Eine Stunde später klopft's bescheidentlich. Ein Schneider! Dieser verspricht von vornherein gemäßigte Preise und erhält wiederum ein Stück Arbeit. Kaum ist er verschwunden, so erscheint ein Dritter. Erstaunt und etwas mißtrauisch über diesen Schneiders egen, frage ich nach seinen beiden Vorgängern.Never saw one of them,, lautet die mit der ehrlichsten Miene der Welt gegebene Antwort. Mun ist meine ganze Arbeit ausgegeben. In lobenswerter Punktlichkeit,zenau in derselben Reihenfolge wie vormittags, liefert abends das Trio die verschiedenen []Colombo.
629 Ksleidungsstücke ab und läßt sich einzeln bezahlen. Dann taucht noch einmal Schneider slummer eins auf: We all together, all the same,, lächelt er mich an und läßt mich ärgerlich und nachdenklich über singhalesische Cist und Trug zurück.
Ceylon, „die edelste Perle im Diadem Indiens“, nimmt einen Slächenraum von
5,780, 000 Hektaren ein und wird von über drei und einer halben Million Menschen bewohnt. Diese setzen sich aus folgenden Elementen, nach neuestem Zensus vom Jahre 1900, zusammen: 2,280, 000 Singhalesen, nach der Meinung vieler Anthropologen ein alter Sweig der arischen Rasse.Ihr Idiom soll der alten Palisprache entsprungen sein. Die Singhalesen rühmen sich einer reichen CLiteratur, und ihr großes Nsationalepos Mahawansso!, das schon 470 n. Chr. begonnen und bis zum Jahre 1758 fortgesetzt wurde, gibt uns in metrischer sSorm eine Erzählung ihrer Geschichte und Taten.
Der zweite Volksstamm auf Ceylon besteht aus Malabaren oder Tamulen: 1,0604,000. Aus Südindien, und besonders von der Malabarküste her, in Ceylon eingedrungen, vertrieben sie die Singhalesen aus der nördlichen Hälfte der Insel, der Ostküste und einem Teil des zentralen Gebirgslandes. Kräftiger, von stattlicherem Wuchfe, arbeitsamer als die trägen Singhalefen, verrichten sie zunächst die Arbeit der Bauleute,
Casttrãger, Straßenarbeiter u. s. w.
Swischen diesen beiden Stämmen, die einander wenig freundlich gesinnt scheinen, stehen die fogenannten « Moormen», die „Mohren“, wie in Ceylon die Indo-Araber genannt werden. Ihre Sahl beträgt etwa 209,000, und schon mehr als 2000 Jahre weilen sie auf der Insel. Bis zur Ankunft der Portugiesen im Jahre 1606 lag der sdandel ausschließlich in ihren Händen, auch jetzt noch betreiben sie die Geldgeschäfte und den ganzen Kleinhandel. Sie spielen die Rolle der Chinesen im Osten und der Juden in Europa. Bei einem dieser Moormen kauften wir in Colombo Amethnysten und sogenannte Sternrubinen. Mit seinem hohen, grellen Turbane, dem langen,weißen Burnus und langem, weißem Barte sah er sehr malerisch und ehrwürdig
[630]Reise einer Schweizerin um die Welt.aus, aber ein Gauner war er doch. Zu dieser Cinsicht mußten wir später in Curopa kommen, wo dieselben Steine gerade die Hälfte kosteten.
Die Sprache der Moormen ist teils Arabisch, teils ein Gemisch von Arabisch und Tamilisch, ihre Religion vorwiegend mohammedanisch.
Gegen diese drei Stämme tritt in Ceylon die übrige Bevolkerung sehr zuruck. Reine Curopäer, natürlich vorwiegend Engländer, gibt es kaum 7000 auf der Insel, und die wilden Ureinwohner,die dunkeln Weddas mit wirrem haar und stumpfem Gesichtsausdruck, sind völlig im Aussterben begriffen. Ihre Sahl beträgt nur noch bei 1000. Swischen diesen beiden reinen Rafsen stehen die Eurasier, namentlich die sogenannten „Burghers“, etwa 24,000 Abkömmlinge der Portugiesen und hauptsächlich der Holländer. Ihr Blut ist mehr oder weniger mit singhalefischem und CamulBlut gemischt.Malaien werden 12,000 gerechnet.
Dieser bunt gewürfelten Bevölkerung entsprechen natürlich auch verschiedene Religionen. Die Singhalesen sind meist Buddhisten. Die Tamulen dagegen bekennen sich zu Brahma, die Indo-Araber zu Mohammed. Aus diesen Volksstämmen haben viele sich dem Christentum zugewandt. Man zählt etwa 160,000 einheimische Christen,von denen /s sich zum Katholizismus bekennen. Schon im Jahre 1605 fingen die Portugiesen an, die katholische Religion auf Ceylon zu lehren, und im Jahre 1543 wirkte auch hier der große Missionar Sranzisko Xavier. Sum protestantis chen Glauben bekennen sich die meisten Curopäer und Burghers.
Colombo, die jetzige Hauptstadt, Sitz des Gouverneurs und Haupthandelsplatz,zählt bei 180,000 CEinwohner. Die Stadt teilt sich in das sogenannte Sortviertel,wo einst die Holländer ihre jetzt geschleifte Sestung erbaut hatten, und in die Pettah genannte Eingeborenenstadt. Daran schließen sich die herrlich im Grünen gelegenen Vorstädte und die schöne, weite Csplanade, an deren Ende unser Galle Face-Hotel liegt.
Als es kühler geworden, fuhren wir an einem stillen, schönen, buchtenreichen See vorbei nach viktoria-Park, wo ein Museum mit Produkten und Altertümern der Insel,müde und erhitzt wie wir waren, keineswegs das verdiente Interesse fand. Viel empfänglicher waren wir für den schönen, wohlgepflegten Park, in dem das Gebaãude liegt und der sich allmahlich in die einst beruhmten Simmetgärten verliert. Seit die englische gezwungen sah, ihr einträgliches Simmetmonopol aufzugeben, haben nmetpflanzungen an Wert beträchtlich verloren, und die Büsche sehen etwas
Dorf bei Mount Lavinia.[]Colombo.verwildert und ungepflegt, dafür freilich um so malerischer aus. Ihre schönen, lederartigen Blätter sind immer grün, und als wir einige Sweiglein brachen und daran kauten, fanden wir den Geschmack dieses angenehmen Gewürzes sehr ausgeprägt.Zur Gewinnung desselben schneidet und schält man junge Sprößlinge wãährend der Regenperioden im Mai und November. Die Oberhaut wird dabei mit sichelförmigen Schabeisen abgelöst und die fußlangen, aus der reinen Bastschicht bestehenden Halbröhren zu acht bis zehn ineinandergesteckt, im Schatten getrocknet und schließlich in Ballen von etwa vierzig Kilogramm zum Versand hergerichtet. Der CeylonZimmet (Cinnamomum acutum) gilt für den besten. Im Großhandel kostet ein Kilogramm 2.50 bis 4 Sranken. Die Ausfuhr beträgt jährlich nahezu eine Million Kilogramm in Bündeln oder Sardelen, und eine viertelmillion in Abfällen, sogenannten Chips,die sich beim Schaälen und Surichten der Röhren ergeben. Die bis an die Wurzeln zurückgeschnittenen Büsche pflegen immer wieder neue Schosse zu treiben, und nur wenigen gestattet man, der Gewinnung des Samens wegen zu blühen und sich in hohe Bäume zu verwandeln.
Die Vorstädte Colombos möchte ich einem stundenweit sich ausdehnenden Parke vergleichen, in dem hie und da eine malerische Singhalesenhütte, ein weißes Bungalow hervorlugt. Dazwischen fährt man in einem wundersamen Labyrinthe von hohem Bambus, hellglänzenden Bananen-Büschen, wehenden Kokospalmen, vielstämmigen Banyan-Bäumen. Alles ist grün und frisch, denn an Wasser leidet Ceylon keinen Mangel. Sahlreiche Bächlein schießen überall hervor. Wo mogen sie herstammen? Verfolgt ihren Lauf, ihr findet die Quelle nicht, die sie erzeugt! Bald verstecken sie sich als breite Spiegel unter tausend Kräuter und Blüten, bald bergen
Flußbild.
[332]Reise einer Schweizerin um die Welt.fie sich in ein Geröll von Steinen, die, eiferfüchtig auf all das Grün rund herum,sich grüne Mooskappen über ihre ehrwürdigen, grauen Häupter gestülpt haben. Bald ließen und quillen auch die Bächlein durch zartbefiederte Sarne, und ihre Cropfen und Wasser spielen ein ewiges shaschen und verstecken.
Neben Bananen, Mango und MelonenBäumen bietet der Jachk-Brotbaum (Arto-earpus integrifolia) den Eingeborenen reichliche Nahrung, denn zahlreiche, über 30 Centimeter lange und wohl an zwanzig Kilos schwere, längliche Riesenfrüchte hängen unmittelbar an dem Stamme. Der JackBaum ist dem von mir früher beschriebenen Brotfruchtbaum (Artocarpus incisa) nahe verwandt.
Unter Palmen.Die eigentliche Nährmutter aber der Bevölkerung Ceylons ist die Kokospalme.In dichtgedrängten Reihen umsäumen ihre schlanken Stämme die Küsten und neigen sich weit über das Wasser hin, als trachteten ihre zierlichen Sederkronen danach, die kühlende Seebrise voll einzuatmen und die Sülle des Sonnenlichtes aus erster Hand zu genießen. ßoch streben die silbergrauen Stäͤnmme empor über Büͤsche und Bäume,„einen Wald über dem Walde bildend“. Ein echtes Kind der Kuüͤste möchte ich die sokospalme nennen. Ihre Srucht ist mit einem mächtigen Schwimmgewebe ausgerüstet,und wird dieses auch nach langer Wanderung durch Wellen und Steine abgerieben,so sinkt die bis auf den Steinkern entblößte Srucht noch immer nicht in die Meerestiefe. Wird die Kokosnuß endlich an den Strand geworfen, so beginnt sie alsbald,[]Colombo.
333
Früchte des Jacbaumes.ungeachtet des Salzwassers, in dem sie gelegen, zu keimen, denn die Mutterpflanze hat für ihren Sprößling einen Kokosmilch- und Süßwasservorrat in der Steinschale aufgespeichert, der für die Bedürfnisse des raschwachsenden Pflänzchens auf lange ausreicht. In Java habe ich gesehen, daß die zum Keimen bestimmten Kokosnüsse einfach an Bäume aufgehängt werden, wo sie in freier CLuft zu treiben beginnen. Erst spaäter bringt man die jungen Pflänzlinge ins Erdreich.
Von frischgepflückten, noch grünen Srüchten schmeckt die Kokosmilch am allerbesten. Auf allen Stationen wurden sie an den Waggon gebracht. Mit einem einzigen Messerhieb öffnet der Singhalese die Schale, die zugleich das Crinkgefäß bildet, aus dem man den köstlich erfrischenden Crank schlürft. Auch der Kern, der als schneeweißes Sleisch auf der Innenseite der Steinschale fest haftet, schmeckt angenehm. Er wird zerrieben öfter als Nebengericht auf den Tisch gestellt und zu allerlei Backwerk verwandt. Hauptsächlich aber dient der zerriebene Kern zur Bereitung des Kokosöles, indem man diesen in einem eisernen Copfe mit Wasser kocht, den Schaum mit den darin enthaltenen Verunreinigungen beseitigt und schließlich das oben schwimmende l abschöpft. Dieses tropische Kokosöl wird in großer Menge auch zu uns eyportiert,wo es in dem kühleren Klima zur Kokosbutter wird, denn der Schmelzpunkt dieses Settes liegt bei 26 Grad Celsius. Die getrockneten RKerne der Kokosnüsse dagegen kommen, in Stücke zerschlagen, als „Coprah“ in den Handel. Man sieht sie haufenweise in den Häfen liegen, da fie einen wichtigen Exportartikel bilden. Das aus Coprah“ gepreßte El dient zu technischen Swechken. Aus der harten Steinschale der
[324]Reise einer Schweizerin um die Welt.Kokosnuß werden alle möglichen Artikel gedrechfelt, wie Knoöpfe, Loffel,Schöpfer u. s. w. Die dicke Saferhülle liefert Taue und Stricke, die nahezu unverwüstlich sind, Besen,Matten, Bürsten, Hüte u. s. w. auch wird die Rohfaser in großer Menge exportiert.
Eine Kokospalme bringt durchschnittlich achtzig bis hundert Nüsse im Jahr, sie beginnt im achten Jahre zu blühen und trägt bis zum sechzigsten reichliche Srüchte. Ein Nutzbaum wie kein zweiter, kann jeder Teil an ihm verwandt werden: das Hßolz zu Bauzwecken, die Blätter zum Dachdecken und zu Teppichen, die Mittelrippe zu Kämmen. Mit dem aus dem Stamme fließenden Gummi machen sich die Srauen das Haar hübsch glänzend, das Mark wird als Gemüse zubereitet und aus den noch geschlossenen Blütenscheiden der Toddy und ein brauner Palmzucker gewonnen. Über hundert Millionen Bäume werden auf der schönen Insel gezählt.
Ob wohl dem Sonntag zu Ehren die vielen Eingeborenen so festlich gekleidet sind?Da ich stoße einen Schrei der Entrüstung aus kommt eine Missionsschule, je zwei und zwei sittsame, ernste, kleine, christliche Singhalesen-Mädchen, es mögen an die zwanzig sein. Wie eine Maskerade sieht's aus hier im heißen Tropenland, im Cicht- und Sarbenglanze dieser Natur, denn sie sind genau so gekleidet, wie unfere Kleinen im kalten, trüben Norden. Ein Paar bunte CLappen meinetwegen, sonst aber weg mit den unter diesem Gluthimmel qualvollen, engen Kleidern. Srei sollen sie sich bewegen dürfen, diese kleinen, braunen Sonnenkinder, die in ihrer Schönheit oft an griechische BronzeStatuetten aus der besten Seit erinnern, bei denen jede Bewegung Anmut und Grazie atmet.Auch die jungen Singhalesinnen der oberen Stände scheinen den Engländerinnen ihre Moden abgeguckt zu haben, sie tragen einen modernen schwarzen Rock und eine à cœur ausgeschnittene, spitzenbesetzie, weiße, knappanliegende Bluse. Andere freilich und sie gefallen mir weit besser haben den Körper in möglichst bunte, meist recht auffällig karierte Tücher gehüllt oder tragen zur weißen Jacke den Combay. Auch die Männer der oberen Kaste leiden an der „EuropaManie“. Ihr baupt bedeckt ein schwarzer Silzhut, und wenn's gilt, versteigen sie sich gar zum Schrecklichsten der Schrecken, zum Zylinder. Cange europäische schwarze Jacketts ragen sie, und höchst komisch wirkt darunter der bunte, landesübliche Combay, der
Junge Rokospflanzen und junge Singhalesen.[]Colombo.
635 in dieser Zusammenstellung wie ein Weiberrock aussieht. Die ganz Seinen, Modernen ziehen sich europäische Beinkleider an, über denen jedoch der Combay getragen wird.Wir konnten des Sahrens nicht müde werden, und schon war die heiße Tropennacht angebrochen, als wir uns noch weit draußen vor der Stadt befanden. Noch hatte der Wind sich nicht aufgemacht. Regungslos standen Baum und Busch, und nicht das leifeste Rauschen ging durch die feinen Palmwedel. Tausend Leben aber waren im Walde wach geworden, ein leises Klingen und Wifspern quoll aus dem feuchten Boden empor, als ob die Moose, Sarne und buntfarbigen Blumen sich zum traulichen Plauderstundchen bereit halten wollten. Sernes Wetterleuchten zuckte hie und da durch den schweren Wolkenhimmel. Es bildete unser Geleite mit einer Schar großer Leuchtkäfer,die als Sackelträger den Wagen umschwirrten. Auf dem schönen, stillen See, an dem wir wieder vorüberfuhren, hatten unterdessen einige Wasserrosen ihre Knospen entfaltet,und verwundert, ahnungsvoll schaulen sie in die neue Welt hinaus.Ein großes Schiff aus Curopa war angekommen, und seine Passagiere, die den Speisesaal des Galle Face-Hotel anfuüllten, sowie das Menũ versetzten mich ganz nach Europa. Nur die schönen Srüchte und die zierlichen, runden Schildpattkämme der singhalesischen Boys zaben dem Ganzen einen überseeischen Anstrich. Su meiner Sreude fanden wir hier ganz unerwartet unseren Reifegefääͤhrten der „Singora“, Herrn C. aus Paris. Wir verbrachten den Abend zusammen und erzählten uns unsere gegenseitigen Reiseabenteuer. Auch der unglücklichen Ankunft in jener Silvesternacht auf der „Singora“ und unseres Eindringens in die vermeintlich leeren Kabinen wurde lachend gedacht. Wie lag das schon weit zurück!“Die Begegnung mit alten Reifegefährten hat mir stets große Sreude gemacht.Sie pflegte auch gar nicht selten vorzukommen, da die Globetrotters ja meist dieselben Bahnen wandeln. Eine große Sahl freilich hat kürzere Seit auf ihre Weltreise verwandt. oder verwenden können, auch nicht so viele Abstecher wie wir gemacht, sodaß man sich nach mehrmaligem Treffen plötzlich wohl auf Nimmerwiedersehen aus den Augen verlor. Eine Erscheinung beobachteten wir mehrmals: Sufsammenreisende Sreunde, die sich infolge eingetretener Meinungsverschiedenheiten entzweit und getrennt,
Ceylon. Singhalesijche Ayah.
[536]Reise einer Schweizerin um die Welt.worauf der eine nach Sũüden, der andere nach Norden seine Reise weiter fortsetzte. Wir, durch Zufall oder Schicksal zusammengewürfelte Reisekameraden, pflegten uns bei solchen Anlässen über unser meist gutes Einvernehmen zu gratulieren. Vielleicht trug gerade die „zufällige Reisekameradschaft“ dazu bei, indem sie uns gestattet hätte, ohne Rücksicht auf alte Sreundschaft uns jederzeit zu trennen. Leicht ist es nicht, zusammen zu reisen, besonders da nicht, wo Strapazen, heißes Klima und allerlei Widerwäriigkeiten den Nerven nicht wenig zusetzen.Ich habe neulich in einer englischen Novelle: «The Bene-factress», eine humoristische Behandlung dieses Themas gelesen.
Sie mag ungefähr so lauten:„Es ist eigentümlich, wie gemeinschaftliches Reisen die schlechlesten Cigenschaften des einzelnen Individuums hervorruft. Sehr eigentümlich fürwahr! Denn nichts ist, was dem erwartungsvollen Enthusiasmus, der gegenseitigen Achtung bei der Abreise gleichkame, als höchstens die kühle Abneigung zu Ende der Reise. Zahlreich sind die Sreundschaften, die ein unvorhergesehenes, plotzliches Ende unterwegs gefunden haben, und wenige gibt's, die eine Reise überleben. Aber wenn Horaz Walpole und Gran sich gezankt,wenn Bwon und Leigh genötigt waren, sich zu trennen, wenn eine Menge Personlichkeiten, mit allem begabt, was das Zusammenleben begehrenswert macht, sich schon nach wenigen Wochen gemeinschaftlichen Reisens nicht mehr vertragen können, muß man sich da wundern, wenn schwächere Geister nach ganz kurzer Sahrt mit wahrhaft erschreckender Deutlichkeit die Mängel und Schwächen ihrer Reisegenoffen entdecken?“In der Nacht brach ein gewaltiges Gewitter los, allein es kühlte nicht ab. März und April sollen die heißesten Monate in Colombo sein. Ich habe das Klima noch erschlaffender gefunden als in Batavia. In aller Srühe fuhren wir den folgenden Morgen mit Jinrikishas nach dem sogenannten Sortdiertel, der Europäerstadt. Hier befinden fich in kurzen, ziemlich engen Straßen, die durch schöne Schattenbäume ein freundliches Aussehen gewinnen, die Regierungsbureaux, Geschäftshäuser. das Postgebaude, verschiedene Banken, zahlreiche Läden u. s. w.
Singhalesische Jugend.[]Colombo.
637 Von den Bauten der Holländer sind nur noch einige Batterien, ein altertümlicher Glockenturm und die 1749 erbaute WolfendahlKirche stehen geblieben. Die ersten ssolländer waren im Jahre 1602, hundert Jahre nahezu später als die Portugiesen,auf Ceylon gelandet. Bald traten sie in ein freundschaftliches Verhältnis mit den Eingeborenen und griffen mit diesen vereint die Portugiesen an, die dann auch 1668 aus der Insel vertrieben wurden. Von nun an blieben die Holländer Herrscher, bis auch sie im Jahre 1796 den Engländern das Seld räumen mußten.
Vor allem galt's, auf dem Bureau des Norddeutschen Lloyd sich der schon von Indien aus schriftlich bestellten Plätze zur Sahrt nach Europa zu versichern, denn im Srühjahr sind die Schiffe stets überfüllt. Dann gab's viele Briefe aus der Heimat auf der Post zu holen und auf der Bank Geld zu schöpfen. Mit den «Circular Notes
Straße in Colombo.von Th. Cook und Sohn in London bin ich außerordentlich gut versorgt gewesen.Sie haben den großen Vorteil vor gewöhnlichen Kreditbriefen, daß man so ziemlich in jeder Stadt und jedem Städtchen der Welt dieselben in die Geldwährung des Landes umtauschen kann und sie auch in den Gasthöfen an Sahlungsstatt angenommen werden. So reist man, ohne große Summen auf sich zu tragen, und kann zudem unterwegs seinen Reiseplan veraändern, ohne fürchten zu müssen, in Geldverlegenheit zu kommen, wenn man nicht zur bestimmten Seit in eine vorausbestimmte Stadt und Bank gelangt.
Auch in Colombo mußte ich wieder die Erfahrung machen, daß es nicht gut ist, seine Cinkäufe zu sehr auf das Ende der Reise zu versparen. Wohl ist es dem großen Sremdenverkehr hier zuzuschreiben, daß die Preise der sogenannten Candesfpezialitäten gewaltig geschraubt sind. Die Besitzer der meisten Läden sind Moormen,und nicht leicht handelt sich's mit ihnen, zumal bei einer Hitze von 839 Grad Celsius.Hauptverkaufsartikel sind: Saphire, Mondsteine, Katzenaugen (diese unverschämt
[838]Reise einer Schweizerin um die Welt.teuer), glückbringende Tigerklauen, geschnitzte Clefanten aus Elfenbein und hübsche,bunte Strohflechtereien. Die Perlenfischerei bringt feit drei Jahren außerordentlich schwache Refultate. Noch vor zehn Jahren belief sich der jährliche Gewinn auf b/ Millionen Sransen.
Als wir dem Galle Face- Hotel zufuhren, schwebte plotzlich eine dunkle Wolke lüber meinem Haupte, und lautes, vergnügtes strächzen scholl durch die Luft. „Da sind Ihnen ja Ihre Krähen aus Indien nachgeflogen“, rief Mr. W. Ich habe nun einmal eine Vorliebe für die frechen, schwarzen, hungrigen Gesellen, und nicht wenig freute es mich, heute in dem Buche des berühmten Humoristen Mark Cwain: x More tramps abroad », ein begeistertes Loblied auf meine schwarzen Sreunde zu lesen. Mark Twain nennt die indische Krähe den Vogel der Vögel, den fröhlichsten, selbstzufriedensten Burschen. „Niemals“, so fährt er fort, „ist die Krähe durch Sufall oder auf einmal geworden, was sie ist. Nein, sie ist ein Kunstwerk, das Erzeugnis unvordenklicher Seiten und tiefster Berechnung. Ein Vogel wie dieser kann nicht in einem Tage entstehen. Er hat die Seelenwanderung öéfter durchgemacht als Civa und von jeder Menschwerdung eine Probe behalten und seiner Natur verschmolzen. Im LCaufe seiner fortschreitenden Entwicklung, seines erhabenen Wandels zur höchsten Vollkom DDDD Bänkelfänger, ein liederlicher Priester, ein schwatzhaftes Weib, ein Spitzbube, ein Spoöͤtter, ein CLügner, ein Dieb, ein Spion, ein Angeber, ein Politiker, ein Schwindler, ein Heuchler, ein bestechlicher Patriot, ein Reformer, ein Volksredner, ein Advokat, ein vVerschwörer, ein Rebell, ein Demobkrat,ein Eindringling und ein hartgesottener Sünder. Das wunderbare, unfaßbare Resultat dieser langwierigen Anhäufung alles Verwerflichen ist, daß dieser Vogel keine Sorge,keinen Schmerz, keine Reue kennt. Sein Leben ist eine lange lärmende Glückseligkeit,und leicht und gerne wird er slerben, weiß er doch, daß er bald wieder auf der Bildfläche erscheinen wird, als ein Schriftsteller oder sonst einer dann wird er noch unerträglicher tüchtig sein, sich noch behaglicher fühlen als zuvor.
Wenn die Krähe nicht schläft, lärmt fie immer zu. Sie schimpft, sie lacht, fie schneidet auf, sie verwünscht, sie schachert, sie schleppt beständig etwas im Schnabel herum. Kein anderer Vogel äußert so unverfroren sfeine Meinung. Nichts entgeht ihm, er bemerkt alles und gibt seine Ansicht darüber ab, besonders, wenn es ihn nichts angeht. Und diese ist nie nachsichtig und mild, sondern stets heftig heftig und frivol. Seine Meinungen entspringen keineswegs reiflicher Uberlegung Nachdenken ist nicht seine Sache. Er trägt eben das vor, was ihm zu oberst im Sinne liegt, einerlei, ob es auch etwas ganz anderes ist, etwas, das auf den betreffenden Sall durchaus nicht paßt. So ist einmal seine Art.“[]Ansicht von Kandy. (5. 639.) []
Die alte Königsstadt Kandy.
Die alte Königsstadt Kandy.
330
Die alle Rönigsstaöt Ranön.
Kandy. PeradeniaGarten. SFahrt dorthin. Läden der Eingeborenen. Straßenleben. Der Regenbaum.Riesenbambus. Muskatnuß. Vanille. Talipot-Palme. Der Zahntempel in Randy. Geschichte des zahnes. Der Tempel. CurioLäden. Mondsteine. Der Adams-Pit und seine Legenden. Seine erste,der Kachwelt überlieferte Besteigung. Termiten. Elefanten.
Nach dem Tiffin verließen wir das heiße Colombo, um die Woche, die uns bis zur Ankunft des deutschen Schiffes blieb, in den Bergen zu verleben. Unser nächstes Siel war das zu/3 Stunde mit der Eisenbahn entfernte Kandy.Die freilich nicht sehr alte Königsstadt taucht zuerst im XIV. Jahrhundert n. Chr. in der Geschichte auf. Damals wurde ein Tempel für den berühmten Zahn Buddhas dort erbaut,doch erst nach der Serstörung ihrer früheren Hauptstadt Kotta machten die alten Könige von Ceylon im Jahre 1592 Kandy zu ihrer Residenz. Die „Mahawansso“, das schon erwähnte sationalepos, hat uns die Geschichte der alten Könige von Sinhala (sanskrit Cöõwenwohnort) oder Lanka, wie die Insel in den altindischen Gedichten heißt,hinterlassen. Während nicht weniger als 2358 Jahren ist Ceylon von eingebornen Königen beherrscht worden, deren letzter: Sri Wikrama Radscha Singha, von den Engländern im Jahre 1815 beseitigt wurde. Kandy ist durch die Einfälle der Portugiefen und Holländer so oft zerstört worden, daß außer dem Tempel und dem im Jahre 1600 durch portugiesische Gefangene aufgeführten Konigspalaste das ganze Städtchen modern ist.Der Ort liegt 504 Meter über dem Meere, und wenn auch über Tag die Hitze empfindlich wird, so sind die Abende und Nächte kühl und erfrischend. Wir empfanden
[340]Reise einer Schweizerin um die Welt.dies sehr wohltuend, als wir im Spätnachmittag uns in dem von einem Deutschen gehaltenen, komfortabeln QueensHotel häuslich niederließen. Zunächst bereitete die rasch anbrechende Nacht unserem Sorschungstriebe ein Ende, und ich begnügte mich nach dem Essen mit einem Spaziergang um den meiner Ansicht nach zu künstlich in rechteckige Sorm gebannten, kleinen See. Über meinem Haupte stand das mildglänzende Sternbild des südlichen Kreuzes, und gleich feurigen Sunken stoben unzahlige Ceuchtkäfer über das Wasser, der kleinen Insel zu, die sich dunkel aus seiner Mitte erhebt.
FrüchteVerkaufsbude.Unsere erste Sahrt in der Srühe des folgenden Tages galt dem I/ß Stunden von Kandy gelegenen, botanischen Garten von Peradenia. Schon im Jahre 1821 angelegt, umfaßt er ein Gebiet von 60 ßektaren. Die Sahrt dorthin war an und für sich schon hoher Genuß. Rechts und links von der auch hier tadellos gehaltenen Landstraße liegen im Schatten herrlicher Bäume die Hütten der Eingeborenen und ihre einfachen Verkaufsbuden, wo Srüchte den Hauptartikel bilden. Wie hübsch sehen diese niedrigen Läden aus! Eine einzige Offnung bildet Tür und Senster zugleich.Kostlich duftende Ananas, Granatääpfel, Mangos und feine Annonas sind zierlich auf frischen Bananenblattern ausgebreitet. Von der Decke hängen schwere Bananenbüschel mit Srüchten in allen Reifestadien, und zierliche, rote Rambuttans, deren eigentliche Heimat die SundaInseln sind. Große Kokosnußhaufen liegen auf der Erde, zwischen denen niedliche SinghalesenKinder spielen oder gravitätisch ein riesiges []Die alte Aönigsstadt Kandy.
641 Caladienblatt als Sonnenschirm emporhalten. Unterdessen liegen ihre vVäter im füßen Nichtstun auf Bänken ausgestreckt und schauen ins Grüne. Zuweilen freilich beschäftigt sich der eine oder andere mit Ablesen kleiner, sein Haupt bevölkernder Insekten,zieht es übrigens vor, wenn ein anderer ihm diesen Ciebesdienst erweist. Sahlreiche Haustiere laufen auf der Straße umher: ausgehungerte, struppige Pariahunde, kleine,schwarze Schweinchen, Siegen, Enten und Hühner, letztere so unbesorgt, daß sie sich oft von den Bufen der Pferde zertreten lassen.in ununterbrochener Sug Sußgänger und zweirädriger Ochsenwagen war an jenem Morgen unterwegs. Letztere sind alle mit kleinen Zebu eingespannt, die
Ochsenkarren.ordentlich flink laufen. Ein hohes, gewölbtes, aus Palmblättern, geflochtenes Dach schützt Kutscher und Passagiere vor den heißen Sonnenstrahlen. Unter den Schattenbäumen auf dem Wege bemerkte ich den eigentümlichen Regenbaum aus Südamerika Eithecolobium Saman). Seine niedlichen gefiederten Rosablüten sind von ebenso feinen Blättern umgeben. Nachts schläft der Baum, die Blättchen falten sich zufammen, und der Stengel hängt schlaff hinunter.
Ein freundlicher Alter, der bestunterrichtete Sührer, den ich auf dieser Reise gehabt, zeigte uns das Schönste und Interessanteste und erhöhte durch seine eingehenden Erklärungen den Genuß. Schöne Baumgruppen und wellenförmige Bodenanlage lassen den botanischen Garten mehr als herrlichen von Künstlerhand geschaffenen Park erscheinen, denn als eine streng wissenschaftliche Anstalt, wo die verschiedenen Pflanzen in Reih' und Glied dem Botaniker vorgeführt werden. Ein Sluß, der Mahaweli, um
C. von Rodt, Reise um die Welt.
[342]Reise einer Schweizerin um die Welt nNiesenbambus.zieht ähnlich wie in Buitenzorg den schönen Garten, und an seinem Ufer stehen zahlreiche Büsche des birmanischen Riesenbambus Dendrocalamus giganteus), die großten kxemplare, die ich jemals gesehen. 20 bis 26 Meter dicke Stämme schießen bis 40 Meter aus einer Pflanze in die Höhe und teilen sich oben zum mächtigen, zartgrün gefiederten Strauße. Unmittelbar nach dem Regen im Juni erscheinen die jungen Schosse und wachfen so schnell, daß sie innerhalb 228 Monaten die obenerwähnte döhe erreicht haben. Ja, da kann man wirklich das Gras wachsen sehen und hören,und gewaltig knarrt's in den Riesenpalmen jedesmal, wenn der leiseste Wind hindurchzieht. Als vor einigen Jahrzehnten die Räuberbanden der Dakoits Birma unsicher machten, pflegten sie ihre Gefangenen auf folgende Weise einem qualvollen Tode zu weihen: Sie banden ihre Opfer über einen vorher zurückgeschnittenen starken Bambusschoößling, der rasch durch den Koörper des Unglücklichen wuchs und ihn so ebendigen Leibes aufspießte.
Ein interessanter Südamerikaner ist der sogenannte Sandbüchsenbaum GHura orepitans), dessen Srüchte, wenn sie reif sind, explodieren und mit lautem Knall ihre Samenkörner einige Meter weit auswerfen. Weniger gefährlich ungeachtet seines kriegerischen Namens ist der Kanonenkugelnbaum (Couroupita guianensis), der nach seinen runden, holzartigen Srüchten so benannt wird.
Die Nutzbäume und Büsche nehmen im PeradeniaGarten eine ganze große Abteilunig ein. Da liefert zunächst die Muskatnußallee wertvolle Erträge. Die fleischige,grungelbe, pfirfichartige Srucht platzt auf, wenn sie reif ist, und wirft eine dunkle,zlatte Nuß aus. Eine Anzahl lag auf der Erde, sie sehen niedlich aus mit ihrer []Im Peradenia-Garten. (5. 642) [] Die alte Aönigsstadt Kandy.
648 orangefarbenen, algenartigen Hülle, die als Mazis in den Handel kommt. Auch die dunkle, glatte Schale muß noch entfernt werden, dann erst entpuppt sich der nach Europa gelangende Kern, ein harter, horniger, im Innern braunmarmoriert erscheinender Körper. Im März, Juli und November wird die Muskatnuß geerntet.
Die Vanille, der unser naächster Besuch galt, gehört zu den sogenannt epiphytischen Orchideen, die sich an Baumstämmen emporschlingen und durch Cuftwurzeln ernähren.Bei den schöngefärbten Blüten der Vanille entwickeln sich 14230 Centimeter lange Schoten, die innerhalb eines Monates schon ihre volle Größe erreichen, zur Reife aber noch weiterer sechs Monate bedürfen. Dabei verwandelt sich die ursprünglich grüne Sarbe in Gelb. Bevor sie völlig reif sind, werden fie gepflückt und nach neuerer Methode bündelweise einige Sekunden in kochendes Wasser getaucht, worauf man sie an der Sonne oder in Döorrapparaten trocknet. Sie gehen dadurch vom Gelb ins Braune über, und auf der Oberfläche bildet sich ein mehr oder weniger dichter, weißer,aus ausgeschiedenem vVanillin bestehender Kristallbelag. Die trockenen Srüchte werden dann der Länge nach sortiert und in Bündeln von fünfzig Stück in Blechkästen zum berfand gebracht.
In die Kultur der Sago-Palme und des TapiokaStrauches will ich mich hier nicht weiter vertiefen, Gewürznelken, Kakao-, staffee- und Simmetpflanzungen sind uns alte Bekannte, und so werfen wir nur noch einen flüchtig neugierigen Blick auf Kokain und den javanischen Upas (Antiaris toxicaria), den einst berüchtigten Pfeilgiftbaum.
Bald im Wagen, bald zu Suß durchstreiften wir den herrlichen Garten, der zu allem anderen noch den Reiz hat, immer wieder neue Ausblicke auf das umliegende
Unser FSührer in der Palmenallee.
[644]Reife einer Schweizerin um die Welt.schöne Bergland und den wilden MahaweliSluß zu bieten. Unter den verschiedenen Alleen, die den Park nach allen Richtungen durchkreuzen, interesfierte mich am meisten die noch junge Anlage der TalipotPalmen (Corypha umbraculifera), der größten,stolzesten unter den Palmen Ceylons. Ihr ganz gerader, weißer Stamm erreicht uber 30 Meter Höhe. Sächerförmig strecken sich die einzelnen, einen Halbkreis von Z. 5 Meter Durchmesser bedeckenden Blätter aus der gemeinsamen Gipfelkrone hervor,die wiederum einen Slächenraum von 16-20 Quadratmeter bildet. ECinmal in ihrem
Ceben nur blüuht die Talipot
Palme, und dieser Criumph ihrer Schönheit bringt ihr zugleich den CTod. Die Millionen kleiner, gelblich weißer
Blüten, die in stattlichem
Busche weit über die Blätterkrone hinausragen, verwandeln fich noch in Millionen
Nuüͤfse, dann stirbt der stolze
Baum ab. Dies geschieht zwischen seinem fünfzigsten und achtzigsten Lebensjahre.
Die Blätter der CalipotPalme haben früher bei den Singhalesen ausschließlich die Stelle des Papieres vertreten.
Schmale Streifen wurden daraus geschnitten, gekocht und getrocknet und in den
BuddhaKlöstern beschrieben.Auch jetzt noch stehen sie im Gebrauch. Als wir nachmittags die Bibliothek besuchten,die an den MalagawaTempel stößt, war ein junger Monch eifrig beschäftigt, auf Palmblätter zu schreiben. Er bediente sich einer stumpfen Nadel, um die zierlichen Buchstaben aufzuzeichnen, und schmierte schwarze Sarbe darüber. die in die Schrift eindrang und sie lich machte.
Nachmittags besuchten wir den berühmten Buddha-Tempel in Kandy, der das kostbarste Heiligtum der Buddhisten, das Unterpfand der äffentlichen Wwohifahrt auf Ceylon, den linken Augenzahn Buddhas, birgt. Cin ganzer Sagenkreis hat sich ähnlich wie bei manchen Reliquien der katholischen Kirche um diesen Sahn gewoben. Nach dem Tode des verehrten Lehrers soll ihn ein Schüler nach Puri, einer Stadt an der
Partie im PeradeniaGarten in Randy.[]Die alte Königsstadt Kandy.
845 Nordwestküste Bengalens, gebracht haben Dort bildete er das Kleinod des Tempels,den Gegenstand frommer Anbetung während Jahrhunderten, bis ihn neidische Brahmanen, Seinde des Buddhismus, nach Patna, an das Ufer des Ganges, entführten. Nicht zur Verehrung, nein zur Vernichtung! Aber sonderbar, der heilige Sahn war unvergänglich, weder Seuer noch Wasser konnten ihm den Untergang bereiten. Man warf ihn in einen Glutofen, aus der Slamme wuchs eine schöne,hohe Cotosblume hervor, in deren Kelche der Sahn ruhte. Ein andermal wurde er in einen tiefen, schrecklichen Sumpf versenkt, alsbald verwandelte sich dieser in einen duftigen Cotosgarten, dessen schönste Blume den Sahn trug. Nun versuchte man, ihn auf einem Amboß zu zerschlagen, doch der Sahn bohrte sich in das Eisen ein und blieb unversehrt.
Im Jahre 311 n. Chr. kam der heilige Sahn zum erstenmal nach Ceylon, und zwar sicher geborgen in dem schönen Rabenhaar einer Prinzessin von Kalinga. Bald wurde er der kostbarste Calisman der Insel, denn zahllose Wunder geschahen durch ihn. öfters wechselte sein Aufenthaltsort, ja er kam sogar noch einmal ums Jahr 1316 nach Indien, wurde aber bald wieder durch Prakrama Bahu II. nach Ceylon zuruckgebracht. Da der Sahn befand sich gerade in Jaffna, im Norden der Insel bemächtigten sich die damaligen Herren, die Portugiesen, der heiligen Reliquie. vVergeblich flehten die Buddhisten, sie behalten zu dürfen, ja der König von Pegu bot die Summe von 20 Millionen Sranken als Lösegeld für das unschätzbare Kleinod. Die eerführer erklärten sich damit einverstanden, allein der Erzbischof, erfüllt von Abscheu gegen das heidnische Idol und seine Priester, leistete Widerstand. Angesichts des bizekönigs von Portugal und seines Hofftaates verbrannte er den Sahn Buddhas und streute seine Asche ins Meer.
Allein Wikrama Bahu, der König von Ceylon, wußte sich zu helfen. Aus einem Stüchk Elfenbein ließ er einen neuen Sahn anfertigen, neun Centimeter lang, zwei Centimeter breit. Bald verkündigten die Priester, ein falscher Zahn sei von den Portugiesen verbrannt, der echte gerettet worden. Und das volk glaubte und strömte herbei zu dem neuen Tempel in Kandy, der zu Ehren der „Dalada“, wie die Reliquie heißt,erbaut worden war. Hier ruht sie heute noch im Allerheiligsten, in einem Käfig aus vergoldeten Cisenstangen unter Glas, in einer sechzig Centimeter hohen Dagoba. Nicht genug. Die Dagoba besteht aus sieben ineinandergestülpten, sich immer verkleinernden Metallkästen in Glockenform, und erst unter dem kleinsten, mit kostbaren Juwelen
Zee von Randyp.
[846]Reise einer Schweizerin um die Welt.geschmuckten, soll sich der Zahn, der aus einer rein goldenen Cotosblume emporsteigt,befinden.
Der Tempel selbst bietet wenig Interessantes, er ist unscheinbar und auch nicht groß. Am längsten verweilte ich in der Vorhalle, wo weiße, rote und gelbe Blumen als Opfergabe verkauft werden. Grellbunte Sresken schmücken die Wände und stellen in naiver Malerei die Strafen vor, die den sundigen Buddhisten in der Hölle erwarten.Da wird Trinkern und Opiumrauchern durch Teufel der Mund mit Zangen aufgerissen und Seuer hineingegossen, keifende boöse Weiber werden von Vogeln zerhackt,Jager und Tiermoörder durch Tiger zerrissen, Chebrecher an stacheligen Bäumen auf bösen, ungehorsamen Ninder, die Selbstmörder, Tempelräuber, Steuerwucherer, Mörder und Lügner.
Dreimal täglich findet religiöse Vorstellung statt. Wider Willen ist das Wort meiner Seder entschlüpft, ich nehme es nicht zurück. Von der Andacht der birmanischen und siamesischen Beter fand ich hier keine Spur.“ Blasen auf Muscheln und Klarinetten, Schlagen auf Gongs, Pauken und Trommeln, das Darbringen von Reis,Blumen und Wasseropfern scheinen Laien und Priestern vollständig zu genügen, letztere verbinden dabei noch das einträgliche Geschäft des Bettelns, und zwar Ober und Unterpriester ohne Unterschied.
In Kandy gibt's eigentlich nur zwei lange, allmählich in Landstraße und Dörfer auslaufende Gassen. Viele sogenannte Curio-Läden haben sich in der Nähe des Gueensßotel eingenistet, und bald stand ich auf freundschaftlichem Suße mit einem der HBändler.Der Schlaue huldigte dem Grundsatz: „Kleine Geschenke erhalten die Sreundschaft“,und niemals ging ich von ihm weg, ohne einen Karneol, ein Mondsteinchen, ein mit Pali geschriebenes Blatt der Calipot-Palme erhalten zu haben. Wie hätte ich deshalb anders gekonnt, als alle meine Einkäufe bei ihm zu besorgen! Es war kein Moorman,sondern ein Tamule und seine Spezialität Antiquitäten“ und Mondsteine. Von ersteren lockten mich die alten KandyMesser mit ihren plumpen Schneiden, den rostigen Klingen und den schönen Heften aus ßorn oder Elfenbein, die mit feiner ziselierter Silberarbeit geschmückt sind.
Der Mondstein, eine Varietät des monoklinen Kalifeldspats, wird in Menge bei Kandy gefunden und verarbeitet. Ohne kostbar zu sein, ist er im ganzen Osten gern und viel gesehen und gilt seinen Trägern für glückbringend. Ich habe eine vorliebe für den klaren, glänzenden, farblosen Stein, der zuweilen einen milchig perlmutterartigen Widerschein bildet, zuweilen irisierend Ahnlichkeit mit dem Opal zeigt. In Ceylon werden wunderhübsche Halsbänder aus Mondsteinen verfertigt und zum Preise von 80 bis 100 Sranken verkauft.
Kandy liegt in einem von grünen ßsügeln umgebenen Talkessel. Wohlgepflegte Sahrwege führen auf und um einige derselben. Den schönsten, « Lady Hortons Malk genannt, lernten wir im späteren Nachmittage kennen. Auch in ethnographifcher Beziehung war die Sahrt interessant, denn es wimmelte da oben von hellkaffeebraunen, kleinen Knaben und zierlichen Mädchen, die im grellen Gegensatz zu der Nissionsschule in Colombo ihre nackten Perfonchen höchstens war das oft stattliche Reisbauchlein mit einer bunten Glasperlenschnur ges chmückt spazieren führten.[]Die alte Königsstadt Kandy.
647 Die feinen Gesichtchen, die großen, seelenvollen Augen haben oft einen auffallend schwärmerischidealen Ausdruck, der sich freilich mit dem Alter verliert und auch dem im allgemeinen bettelhaft zudringlichen Wesen der kleinen Schelme durchaus nicht entspricht. Da wir der scharfen Steigung wegen nur Schritt fuhren, blieb uns die kleine Gesellschaft, die sich jedenfalls herrlich amüsierte, den ganzen Weg treu.Einige der Dreistesten hatten sich sogar zu uns in den Wagen gesetzt. Leider war wegen beiderseitig mangelhaftem Verständnis kein Gespräch, ausgenommen das Wort „Bakfhish“, möglich. Ein Stück gingen wir zu Suß. Von hohen, abschüssigen Selsen schauten wir herunter ins Tal, wo der Mahaweli Ganga, Ceylons größter Sluß,
Pohe Päuptlinge in Randy.wild in seinem steinigen Bette dahinrauscht. Bläulich schimmern die meist abgestumpften Kegel und lang hingezogenen Ketten der Berge. Sie erscheinen, die nähern wenigstens, stellenweise recht abgeholzt. Schade, daß „König Tee“, der für den Kaffee eingetreten, Criumphe auf Ceylon feiert, mit seinem langweiligen, mattfarbigen straut, so viel anderes, schöneres verdrängt hat.
Das Wahrzeichen der Insel, der Berg, den man schon vom Meere aus sieht,heißt Adams-Pik. Swar ist er nicht der hoöchste (2280 Meter), wohl aber der berühmteste, heiligste, denn um seine zuckerhutförmige Spitze webt jede der auf Ceylon herrschenden Religionen ihren besonderen Sagenkreis). Auf seinem kahlen Gipfel steht ein Cempelchen. Es wölbt sich baldachinartig über der Sripada, der heiligen sSußstapfe. Die zahlreichen, frommen Pilger, die von nah und fern den Adams-Pik i) Quelle: Ernst Haeckel, Indische Reisebriefe.
[648]Reise einer Schweizerin um die Welt.besteigen, verehren sie, je nach ihrer Konfession, als die Sußspur Civas, Buddhas.Adams, ja sogar des christlichen Apostels Chomas. Dabei soll stets vollständige Eintracht und Duldfamkeit zwischen den verschiedenen Bekennern herrschen. Von den häßlichen Kaämpfen der griechischen und roömischen Christen, deren Schauplatz die Grabeskirche in Jerusalem bildet, keine Spur!vor alten Zeiten glaubte man, das Paradies, wie die Bibel es uns schildert,in Ceylon wiedergefunden zu haben, und so knüpfte sich denn leicht an seinen auffallendsten Bergesgipfel der Name des Stammvaters unseres Menschengeschlechts.Die arabisch mohammedanische Legende erzählt uns: „Unmittelbar nach dem Sundenfall ergriff ein Engel Adam beim Arm und führte ihn auf den Berg, der jetzt seinen Namen trägt. Lange Seit stand Adam hier oben, so lange bis sein Suß sich tief in den harten Gneisfelsen gebohrt und die Spur niemals daraus wieder verschwand.Aus den Tränen des Büßers bildete sich ein kleiner See, dessen wundertätiges Wasser noch heute manches Übel heilen soll.“
In den ältesten Legenden der Buddhisten spielt der Adams-Pik oder, wie sein älterer Name heißt, Samanala eine wichtige Rolle. Buddha soll dereinst unter Blitz und Donner auf die schöne Insel niedergefahren sein. Vorerst vertrieb er die boöͤsen Geister, die bis dahin hier gewohnt, und verkündete seine Lehre von dem Nirwana.Reiche und Arme eilten herbei, seinen Worten zu lauschen, und bald hatte der menschgewordene Gott die Singhalesen alle zu seinem Glauben bekehrt. Damit war Buddhas Aufgabe erfüllt, und er traf Anstalten, wieder in den Himmel zurückzukehren. Da bat ihn der König von Ceylon, ein Andenken seines Aufenthaltes in seinem Reiche zurückzulassen. Buddha gewährte und hinterließ eine sandvoll Haare und den Eindruck seines Sußes. Dieser ist noch heute auf dem Samanala oder Adams-pik sichtbar,gerade auf der Stelle, wo sein Suß die Erde zum letztenmal berührt hat. Dieselbe Legende ungefähr erzählen die Tamulen und Malabaren, doch ist es bei ihnen nicht Buddha,sondern Gott Civa. So ist es begreiflich, daß der Adams-Pik seit vielen Jahrhunderten schon das Siel frommer Pilgerfahrten bildet. Aus der ganzen Insel und auch von Südindien her strsmen jahraus jahrein Männer und Weiber herbei. Die Srauen tragen ihre Kleinen den beschwerlichen Weg hinauf, um sie in die Sußspur, an der nichts Menschliches sein soll, zu legen. Sie glauben damit den Kindern Glück, langes Ceben und Vergebung mancher Süunde zuzusichern.
Die erste Besteigung des Adams-Pik, von der die in ausführlicher Sorm geschriebene Kunde auf die Nachwelt gekommen, ist diejenige des arabischen Arztes Ibn Batuta aus dem Jahre 1340. Stürme hatten ihn dereinst nach Ceylon verschlagen, und während sein Boot tagelang mit den Wellen kämpfte, suchte sein Auge immer wieder die hohe Spitze des Adams-Pik. Als er daher von dem Könige des schönen Eilandes freundlich aufgenommen wurde, hatte er diesen gebeten, ihm zu einem Besuch des hochheiligen Berges zu verhelfen. Der König willigte ein, er gab dem gelehrten Arzte ein großes Gefolge mit, worunter Büßer, die den Weg auf den AdamsPik alljährlich unternahmen, und ließ ihn im Palankin bis an den Suß des Gebirges tragen. Swei nach Adam und Eva benannte Wege führten damals hinauf, der rauhe, beschwerliche BabaWeg (Adam) und der sanftere, leichtere Mama[]Die alte Königsstadt Kandy.
649 Weg (Eva). Ein Pilger mußte beide gehen, um seinem Werk den vollen Wert zu geben. Ibn Batuta schlug den rauhen BabaWeg ein, dessen letztes Ende über eine senkrechte Selswand führt, wo schon seit alters eingehauene Stufen sich befinden.Sromme pPilger haben die Ketten gestiftet, an denen der Hinaufkletternde sich festhalten kann. Ibn Batuta zählte ihrer zehn. Die letzte hieß „Kette der Erkenntnis“,weil sich hier plötzlich ein weiter Blick in einen Abgrund auftat. Dieser Weg über den Selsen wird übrigens immer noch genommen.
Ibn Batuta hat manch Wunderbares auf seiner langen Pilgerreise außer der Sußspur des Menschenvaters Adam gesehen. Da waren's zuerst die Affen am Teiche
Im Slusse bädende Elefanten.Buzuta, die in dichten Scharen an seinen Ufern wohnten und einen alten König besaßen, der eine Blätterkrone auf dem greisen faupte trug und ein Septer im Arme hielt. Ohne eine Chrengarde von vier Trabanten, den gewaltigsten ihres Geschlechtes,die dabei noch stets ihre Knüppel schwangen, pflegte er sich seinem Volke niemals zu zeigen. Eine andere Merkwürdigkeit war der weitberühmte CLebensbaum des Paradieses,der nie ein Blatt verliert. In der sHoffnung, dies koönnte doch einmal geschehen, lagern stets zahlreiche Pilger unter dem Baume. Slsge wirklich eines herunter, so würde der glückliche Besitzer des Blattes es sofort aufessen und sich dabei voöllig verjüngen.Seitdem die herrlichen Urwälder verschiedenen Kulturen, in letzter Seit namentlich dem Tee, zum Opfer gefallen sind, ist auch der Sugang zum Adams-pik viel leichter geworden, und die anstrengende Kletterpartie kann in einem Tage bewältigt werden.Andere Berge noch hatten wir Gelegenheit, auf Lady Hortons Walk kennen zu lernen, nicht Schöpfungen der Natur. noch Werke von Menschenhand, sondern durch
[350]Reise einer Schweizerin um die Welt.den unermüdlichen Sleiß der Termiten entstandene Bauten. In den riesigen Kegeln,die zuweilen eine söhe von 2 Metern und einen Umfang von 10 Metern erreichen,hausen viele Millionen Cermiten oder weiße Ameisen. Ihre lichtscheuen Scharen teilen sich in Arbeiter, Soldaten, die den Bau bewachen, in König und Konigin, die anfangs beflügelt ausschwärmen, dann, nachdem sie die Slugel abgelegt. sich ein Heim gründen. Die Termiten werden im Osten nmicht wenig gefürchtet. Sie zerfressen mit großer Vorliebe Holz, Papier und andere pflanzliche Stoffe, und zwar immer von innen heraus, so daß man ihr Serstörungswerk erst sieht, wenn es vollbracht ist.Ganze HBäuser sollen den Cermiten schon zum Opfer gefallen sein. Es kommt vor,daß ein anscheinend neuer, fester Bau wie ein Kartenhaus zusammenbricht. Man forscht nach und findet alle Balken von Termiten unterhöhlt. Wenig läßt sich gegen diese Ameisenplage tun. Man stellt etwa die Beine von Tischen, Kommoden, Betten u. s. w. in mit Wasser oder Ol gefüllte Becken, das ist alles. Auch Kampfer und Pfeffer scheinen die Termiten von ihrem vVerderbungswerke nicht zu schrecken. Ich hatte einige schöne Schmetterlinge, sorgfältig in einem Kästchen mit Kampfer verwahrt, aus Japan mitgebracht. Als ich es in Singapur öffnete, waren sie vollständig zerfressen.Bevor wir Kandy verließen, unternahmen wir noch eine Ausfahrt ans Ufer des Mahaweli. Da fanden wir zehn Elefanten sich im wohligsten Lebensgenusse einem erfrischenden Bade hingebend. Die tropische Candschaft, die grauen Riefentiere boten ein fremdartiges, anziehendes Bild, ich hatte sie bis jetzt niemals sich so frei und ungebunden bewegen sehen. Mit sichtbarem Behagen ließen sie, auf der Seite liegend, sich schaben und bürsten, füllten ihre Rüssel mit Wasser und bespritzten sich damit an der Stelle, die der Mahout ihnen anwies. Ein junges, kleines Elefantchen machte alles mit. Hatürlich waren's zahme Tiere, und jedes besaß seinen Mahout.Elefant und Mahout sind ja eines, ein Gehirn, ein Kopf, und gewiß bildet der Dickhäuter oft dabei das klügere Element. Ungeachtet seiner Größe, ist der Elefant ein zartes Tier, das leicht zu Sieber und Augenentzündungen neigt. Der Suß ist der empfindlichste Teil, ein Schlag dorthin, und er geht nicht mehr vorwärts. Wird der Elefant wild, was zuweilen geschieht, so zieht der Mahout an einem inwendig mit Nägeln besetzten Ringe, den das Tier am rechten Suße trägt. Die Nägel dringen bei dem Kuck ein, und der Clefant bleibt sofort stehen. Ich stellte meinem Reisegefahrten die Srage,die in Rangun mein Candsmann Herr 5. an mich gerichtet hatte: „Wie oft ist die Länge,die den Umfang des Elefantenfußes ausmacht, in der sdöhe des Tieres enthalten?“slach langem Raten ist man erstaunt, zu hören, daß sie es nur zweimal sein soll.Unsere Clefanten schwammen hierauf vergnüglich noch quer über den Sluß, und als sie endlich landeten, verlangten sie energisch trompetend ihren Tiffin. Während sie sich die Abfälle von Zuckerrohr trefflich schmecken ließen, bettelten uns Mahout,Kornak und eine Schar SinghalesenKinder so nachdrücklich an, daß uns das Cosceißen von dem tropisch entzückenden Bilde weniger schwer wurde.wvrna
F[]Elefanten mit Mahouts. (5. 650.) [] at e.Te ig ön ö 4 K
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Fapitel 44.„Rönig Tee.“
Eijenbahnen auf Ceylon. Tee- und Raffeepflanzungen. Reisegefährten. NAurelia. Keena house. Der nordische Pimmel Aurelias. Garten von Pakgalla. Toilette in Nurelia. Fahrt nach Brookside.SFamilie Murray. Wie der Tee kultiviert und zum Verkauf zubereitet wird. Die Arbeiter. Ihr berdienst. Rücktehr nach Colombo. Ausslug nach Mount Lavinia. Rascher Abschied.In Ceylon reist sich's weit leichter als in Indien. Die Eisenbahnen sind besser gehalten, reinlicher, komfortabler,ja es gibt sogar Schlafwagen nach ähnlichem System wie in Europa, und sein Bettbündel braucht keiner mitzuschleppen.Vorläufig reisten wir bei Tage, um Land und Leute kennen zu lernen. Dabei möchte ich nachholen, daß die Strecke ColomboKandy nach der ersten, durch slachland führenden Hälfte zur interessfant-malerischen Bergbahn wird, die landschaftlich lebhaft an das herrliche Java erinnert. In mannigfachen Krümmungen, durch zahlreiche Cunnel windet sich der Bahnzug zur Paßhöhe von Kadugannava (700 Meter) empor, um von dort wieder hinabzueilen in das grüne,fruchtbare Tal des MahaweliSlusses, wo Kandy, die alte Koöͤnigsstadt, liegt.
Eine zweite Eisenbahnfahrt follte uns vollends in die Berge führen nach der Sommerfrische Ceylons Nuwara Eliya,oder in praktischer, englischer Abkürzung Nurelia. Wir verließen Kandy am vormittag.loch einmal lag der schöne PeradeniaGarten vor uns, dann wandte sich der Weg scharf nach Süden und klomm in endlosen Windungen zu den Regionen nicht des ewigen Schnees,wohl aber des ewigen Tees empor, Berg und Cal, Cee und abermals Tee! Wie schön muß es hier gewesen sein, als die herrlich geformten Berge im Kleide des dunkeln,dichten Urwaldes prangten, als der Mensch noch nicht da war mit seiner Qual, keine Axtschläge die hehre Stille durchzitterten und kein Sterben durch den Wald ging
Riesenbambus im PeradeniaGarten.
[552]Reise einer Schweizerin um die Welt.
Aurelia mit dem Pakgalla im Pintergrund.Doch ich darf nicht alle Schuld auf den Tee werfen, lange vor ihm hat der Kaffee auf jenen Höhen die Herrscherrolle gespielt und schon damals einem guten Stüuck Urwald das Leben gekostet. Schon ums Jahr 1690 war der Kaffee durch die shollãänder auf Ceylon eingeführt worden, allein erst seit 1825 wurde sfein Bau DD betrieben. Im Laufe der Jahrzehnte nahm die saffeeproduktion einen unerhörten Aufschwung. Glänzende Seiten brachen für die pflanzer an, und hoch gingen die Wogen der Spekulation. Da kam in den Siebzigerjahren des letzten Jahrhunderts eine Art Rostpilz Hemileia vastatrix) in die Sträucher. Kein Mittel half dagegen, eine Pflanzung nach der anderen fiel der sKrankheit zum Opfer. Man mußte sich nach neuen Erwerbsquellen umfehen, um aus den Trummern alten Wohlstandes etwas retten zu können, und fand den Tee.Aus bescheidenen Anfängen hervorgegangen, beherrscht der CeylonTee heute den Weltmarkt und liefert den Kauptexportartikel der Insel. Leider steht mir keine Tabelle der letzten Jahre zur Verfügung, ich muß mich mit der Angabe begnügen,daß im Jahre 1875 der erste Ceylon-Tee ausgeführt wurde; damals warens 282 Pfund. Im Jahre 1893, achtzehn Jahre später, erreichte die Ausfuhr die Hohe von 84t/2 Millionen Pfund.
In unserer Coupéecke saßzen Mutter und Kind, ein kleines, verwöhntes Geschöpf,das mit seinem unaufhoörlichen Geplauder und endlosen, oft schwer zu beantwortenden Sragen mich gehörig in Atem hielt. Die Mutter erzählte, die Ktleine hatte in England beständig gekränkelt, jetzt gedeihe sie in dem schönen, gesunden Klima der CeylonBerge wie ein junger Palmbaum. So können hier, wenigstens in den höher gelegenen []„König Tee.“
653 Ortschaften der Insel, die Eltern ihre Kinder bei sich behalten. Ein großer Vorteil im Gegensatz zu Indien! Auch mit einem jungen Mädchen, das neben uns saß,knüpften wir Bekanntschaft an. Miß Murray so hieß sie wollte ihre Eltern,die einen sogenannten «Tea estate- 31/3 Stunden von Nurelia besitzen, besuchen.Sie selbst führt einem Bruder in Kandy den Haushalt. Ihrer sehr herzlichen Einladung, sie und bei dieser Gelegenheit eine Teeplantage zu besuchen, leisteten wir zwei Tage fpäter Solge. W
Beständig hatte sich unterdessen der SZug in Kurven emporgewunden, und die Atmosphäre war fühlbar kühler geworden. Mit dem 780 Meter hoch gelegenen Nanuoya war zwar das Siel unserer langen Cisenbahnfahrt erreicht, nicht aber noch unser Bestimmungsort Nurelia. Cin Wagen erwartete uns auf der Station, und auf schoöner, guter Straße stiegen wir eine Stunde und abermals 300 Meter höher, um vor Anbruch der Nacht im komfortabeln neuen Keena housé- Hotel unseren Einzug zu halten. Keena house liegt einsam auf der Höhe, ein langes, einstöckiges, nicht allzu großes Gebäude. Ein Family house, das aber vielmehr den Eindruck eines Gasthofes macht, als unser liebes Shoreham house in Uti. Sahlreiche Gäste sind hier, denn für Nurelia ist's die beste Seit. Später im Mai machen gewaltige Regenströme und dichte Nebel den Aufenthalt unangenehm. Vvor dem Hausfe steht ein hoher Baum mit gewaltiger Schirmkrone, ein Keena. Er gibt dem Gasthof seinen Namen.Diese Keena (Calophyllum tomentosum) wachfen in großer Menge hier und sehen,
Aurelia: KReenaBaum.
[664]Reise einer Schweizerin um die Welt.obgleich keine Koniferen, den italienischen Pinien täufchend ähnlich. Auch die melancholischen Binsen am See, Knöterich und Brombeerstauden wecken „europäaische Gedanken“ in meinem Herzen, ebenso wie der griesgrämige simmel, der kalte,schneidende Wind. Nein, Nurelia erinnert mich allzusehr an unser betrübliches Klima!Sröstelnd zog ich mich ins Zimmer zurück, ließ mich am prasselnden Kaminfeuer halb braten und schlüpfte nachts behaglich unter dreifache Decke.
Am folgenden Morgen war's schön und warm. Wir fuhren nach dem zwei Stunden entfernten botanischen Garten von Hakgalla. Sunächst ging's an zahlreichen Bungalows, an Rennplatz und verschiedentlichen Criquet· und Lawntennis-Anstalten vorbei, bis wir an den kleinen See von Nurelia gelangten. Ein düsteres Gewässer,von Schilf, Binsen und Moorboden umgeben! Die das enge Tal einschließenden Berge werfen ihre Schatten darein. Wir wenden uns gegen Süden. Steil fällt die bisher steigende Landstraße hinunter, so steil, daß man vermeint, jeden Augenblick in der Talsohle anzukommen. Am Wege wachsen Brombeerranken, an die sich echte Kinder des Südens, geheimnisvolle, weißblühende Passifloren, klammern. Immer wieder diese Kontraste zwischen der ernsten nördlichen Landschaft und den Bäumen und Blüten der Tropen! Wo wir dunkle Tannen erwarten, bewegen die herrlichen Baumfarne ihre leicht grünen Wedel leise im Winde, und in wenigen Cagen werden die knorrigen RhododendrenBäume, die Alpenrosen Indiens, ihre blutroten, leuchtenden Blumen entfaltet haben.
Endlich standen wir an der Pforte des HakgallaGartens. Seine Rückseite lehnt sich dicht an den Suß des schönen Hakgalla-Berges. Vorn von den Terrasfen aus hqt man die schoöne Pypramide des Mamunapik vor sich, und zu Sußen gähnt das tiefe Cal. Auch dieser Garten ist ein Park voll blühender Bäume und Sträucher, farbenfroher Rabatten, von welchen unsere Geranien, Telken und Veilchen mir traulich zuwinken, während phantastisch geformte Orchideen, fremdartige Balsaminen, reizende unbekannte Winden das tropische Element vertreten. Wunderschön ist die schattige, sich den Berg hinaufziehende
Sarn und Moosanlage. Kristallhelle Bächlein sprudeln zwischen all dem Grün, und hochrote Begonien durchleuchten das Ganze in wunderbarem Sarbenspiel. Schmale, mit Steinen eingefaßte Pfade führen
Straße mit Zebu-Wagen bei Aurelia.[]Am Bergeshang.
[356]Reise einer Schweizerin um die Welt.in allen Richtungen durch das uppig wuchernde Chaos. Während ich voll Entzücken, weit hinter Mr. W. und dem Sührer zurückbleibend, darin lustwandelte, raschelte es plötzlich, und eine mächtige Schlange entwand sich unmittelbar vor meinem Suße dem Dickicht. Cin Sprung auf die Seite, und ein anderes Ungetüm ringelte sich vor mir, diesmal ein himmelblaues. Cin Riese aus dem Heschlecht der Regenwürmer, wie ich später erfuhr. Nun aber hatte ich genug gesehen, und eilends rannte ich der Sonne und den
Menschen zu.Nachmittags schlenderten wir im Städtchen oder vielmehr in der Stadt herum. Aus dem einsamen, verborgenen Bergtale, dem Aufenthaltsorte wilder Elefanten,Bären und Leoparden, den zufällig im Zahre 1826 jagende englische Offiziere entdeckt hatten, ist ein fashionabler Kurort entstanden. Die Menschen haben auch hier hinauf ihre sogenannten Bedürfnisse und Ansprüche getragen und erscheinen abends im Srack und ausgeschnittenen Kleide.Was für Lasten legt man sich doch auf, um der Göttin ‚Mode“ Opfer zu bringen!Wir suchten den Photographen Platé auf, der in Colombo hervorragend schone Bilder ausgestellt hatte und auch in Nurelia eine Siliale besitzt. Besser hier als in Colombo im Schweiße seines Angesichtes die Auswahl treffen, dachten wir. Aus einem Musteralbum suchten und schrieben wir forgfältig die Nummern heraus, als wir jedoch die Bilder in Empfang nehmen wollten, waren die meisten nicht da, oder die Platten existierten überhaupt nicht mehr. Wir haben uns dann in Colombo nochmals ans Werk setzen müssen, und da die Umstände uns keine genügende ZSeit dazu ließen, war die Wahl leider keine besonders günstige.
Den folgenden Tag machten wir uns auf den Weg, um Miß Murrays Einladung nach Brookside oder, wie der sogenannte « Tea estate auch heißt, Kandepola zu folgen. Wir hatten große Schwierigkeiten, in Nurelia einen Wagen aufzutreiben,der uns für sehr teures Geld den weiten 36/2 Stunden langen Weg fahren wollte.Dieser wird dadurch den Pferden zur Strapaze, weil er beständig auf und abführt.An schönen, malerischen Punkten fehlt es nicht, bis wir Ul. Stunden vor Erreichung inseres Sieles ins Teereich einbogen. Hügel reiht sich an Hügel, alle nur mit Tee »epflanzt. In Reih und Glied, wie ein Regiment Soldaten, stehen die grünen, ganz
Kleine Singhalesen.[]Die hl. Anna mit der Jungfrau Maria von Murillo. (5. 665.) [] „König Tee.“
657 gleichmäßig gewachsenen Büsche. Ihre Einförmigkeit unterbricht hie und da nur eine ebenso schnurgerade gepflanzte Reihe zierlich gefiederler Grevillea ro-bustaBaume. Diese Kinder Australiens sollen dem Tee etwas Schatten spenden und ihm dabei die Bodenkraft nicht entziehen. In musterhafter Ordnung ist alles gehalten, kein Unkraut wird auf dem schon gelockerten Erdreich geduldet.Der Teebusch ist schon vom dritten Jahre an ertragsfähig und kann es dreißig und noch mehr Jahre bleiben.Bei dem feuchtheißen Klima Ceylons,das ein fortwährendes Wachstum mit sich bringt, ist der Ertrag auch ein ununterbrochener. Jede Woche jahraus jahrein wird Tee gepflückt, d. h. von jedem Busche die immer wieder neutreibenden Schößlinge genommen: das noch zusammengefaltete Herzblatt und zwei größere Nebenblätter. Srauen und Kinderhände verrichten vorzugsweise diese Arbeit, die Sorgfalt und eine leichte Hand erfordert.Unterdessen hatte unser Wagen salt gemacht. Das letzte Stück mußten wir auf schmalem Pfade, einem tiefen Talkessel entlang, zu Suß zurücklegen. Eine Biegung des Weges, eine grüne Wildnis und ein Haus lag vor uns ein Rosenhaus. Bis ans Dach hinauf schlangen sich tiefrote Rosen, und im Garten wogte ein wahres Rosenmeer. Ein Haus wie ein Märchen, und darin blühen sechs Söhne und fünf Tochter. Unsere Bekannte, Miß Hsilda, hat uns erwartet. Wie alte Sreunde wurden wir willkommen geheißen, denn nicht allzuoft verirren sich Gäste an diesen weltabgeschiedenen Ort. Die erwachsenen Söhne sind in Kandy und Colombo beschäftigt,die eine oder andere Schwester führt ihnen in diesem Salle den Haushalt, aber keines der Kinder hat jemals die Insel verlassen. Der Wärme wegen wurde noch vor dem Tiffin der Gang in die Sabrik unternommen, vater Murray, ein stattlicher, weißbärtiger Mann, unsere Sreundin und zwei ihrer Schwestern waren dabei unsere freundlichen Sührer und Erklärer, und was ich vom CeylonCee weiß, verdanke ich ihnen, freilich durfte ich nicht bekennen, daß mir der chinesische CTee unendlich besser schmeckt.Vvor der Sabrik standen Srauen. Sie brachten in großen Körben die heute frisch gepflückten Teeblätter. Diese werden gewogen und sogleich zum Trocknen auf große Bretter ausgebreitet. Je schneller und gründlicher dies geschieht, um so besser wird die Qualität. Sugluft und vermittelst Wasserkraft in Bewegung gesetzte Sächer befordern den Prozeß des Crocknens, der achtzehn bis zwanzig Stunden erfordert.
C. von Rodt, Reise um die Welt. 47
[658]Reise einer Schweizerin um die Welt.Hierauf kommen die Blätter in einen „Koller“, eine Maschine, durch die sie gerollt und zugleich von jeder etwa noch vorhandenen Seuchtigkeit und dem Cannin Gerbsaäure), das dem Tee innewohnt, befreit wird. Ich finde, daß von letzterem immer noch genugend zurückbleibt und namentlich bei der starken Teebereitung der Englaänder sich unliebsam geltend macht. Nach dem Koller“ geht's in den sogenannten „KRoller namentlich das gelbe Herzblatt, hier «golden tipgenannt, durch ein Sieb auf ein darunter gebreitetes Tuch fallen läßt. Was auf dem Siebe bleibt, ist zweite Qualität. Übrigens vermischt man gerne die «golden tips»mit dieser, da sie zum Alleingebrauch zu stark und viel zu teuer wären. Ein halbes Kilo golden tips» soll, wie ich las, auf dem Teemarkt in London oft bis 875 Sranken gelten.Nun kommt das Kraut auf ein Hvolzbrett, wird mit einem feuchten Tuche bedeckt und darf dort gären, bis es den gewünschten hellen Kupferton und Geruch erlangt hat,was ungefähr zwei Stunden dauert. Ist diese Gärung erreicht, so kommt der Tee in einen „Trockner“ genannten Apparat und wird schichtweise in einen Ofen gebracht.Dort bleibt er zwanzig Minuten in einer Hitze von U7 bis 122 Grad Celsius und kommt schwarz und glänzend, trocken und appetitlich, fertig zum Wägen und um 75 Prozent leichter dgraus hervor. Man hat ausgerechnet, daß 2100 Kilogramm grüne Teeblätter 500 Kilogramm trockenen, gebrauchsfertigen Tee ausmachen. Dann kommt der sorgfältig sortierte Tee in große Kisten, wird verpackt und versandt. Der Tee der «Tea State Brookside», die 1184 Hektaren Cand in Kultur hält, kommt ausschließlich nach Rußland. In Detail wird auch nicht die kleinste Portion abgegeben, dagegen hekamen wir während unserem Gange durch die Sabrik verschiedenemal den dunkeln.
Dorsstraße bei Colombo.[]FKönig TCee.“
659 heißen Trank zu kosten. Was der CeylonTee vor dem chinesischen voraus hat, ist die große, peinliche Reinlichkeit beim Trocknen des Krautes. Während in China die Hauptarbeit mit den Singern geschieht, werden in Ceylon die Hände nur zum Pflücken des Tees angewandt.
Noch ein Wort über die Arbeiter in diesen Teedistrikten. Brookside beschäf-tigt ungefähr 200 Männer, Srauen und Kinder. Der ganze Hausstand beteiligt sich dabei. Während die Männer das pflanzen und CLockern des Bodens und die Arbeit in der Sabrik besorgen, pflükken ihre Srauen und Kinder die Blätter.
Die Kleinen lernen gar früh mit dem
Tee umgehen, ist er doch ihr guter Sreund von zartester Kindheit an. Die Mutter nimmt das Neugeborene mit auf die
Arbeit, und während sie Tee pflückt,schlummert das Kindchen wohlgeborgen im Schatten eines CTeebusches. Lernt es erst einmal gehen, dann bietet Sreund Tee eine willkommene Stütze, und weich fängt er das kleine Ding in seinen Armen auf, wenn es einmal ins Gleiten ünd Straucheln kommt. Bald lernt das Händchen ganz von selber das Pflücken der zarten Sprößlinge. Still, geduldig läßt der gute Sreund an sich zupfen, und mit dem sechsten Jahre ist unser Kindchen schon bezahlter Arbeiter der atea estate». Sreilich nicht bei glänzendem Cohne bei uns würde man unter diesen Bedingungen keine Arbeiter finden. Kinder verdienen 12 Cents,nach unserem Gelde etwa 20 Centimes im Tage, Srauen 27 bis 30. Männer 70 Cents.Dabei bekommt die Samilie freie Wohnung, etwas Gartenland und ein bestimmtes Quantum Reis in der Woche. Doßtor, Spital und Medizin stehen zur unentgeltlichen Verfügung, und auf einigen «tea estates» gibt es auch*Schulen. Als wir unsern Rückweg durch die Teefelder nahmen, tauchten überall zwischen den Büschen bronzefarbene, schwarzhaarige Tropenkinder auf. Gleich den Srauen tragen die groößeren Madchen einen Korb am Rücken zum Bergen der Ernte, und ein grellfarbiges Tuch schützt den Kopf vor Sonne und Regen und wirft einen fröhlichen Con in das langweilige Einerlei des Teekrautes.
Ein reichlicher, sehr mannigfaltiger Tiffin erwartete uns im Rosenhause. Rosen schmückten die Tafel, und Rosen trugen die anmutigen Cöchter, die, ganz gegen die Bewohnheit der Curopäerinnen im fernen Osten, dem Boy beim Aufwarten und serumreichen der Gerichte hülfreich zur Seite standen. Uns berührte das hausfrauliche Walten, der fröhlich liebevolle Ton, der in dieser kinderreichen Samilie herrscht, ungemein angenehm. Ungern rissen wir uns los. Cine lange Sahrt und eine noch
Im Tee.
[860]Reise einer Schweizerin um die Welt.läͤngere Nachtreise warteten unser. Wir wollten den folgenden Morgen in Colombo eintreffen, denn schon die Nacht darauf wurde die „Sachsen“, das Schiff, das uns europawärts tragen sollte, erwartet.wWahrend mich die Cisenbahn durch die schöne TropenNacht führte, spielte sich ein schwerer Kampf in meinem Herzen ab, ob ich wirklich schon dem Sauberland Ceylon und den geliebten Tropen Lebewohl sagen oder noch zwei Wochen langer verweilen wollte. Manches ware auf Ceylon noch zu sehen gewesen: die alten sogenannten „Begrabenen Städte“ im sorden der Insel und das „Ende der Welt!“,der wildeste Teil Ceylons. Auf der anderen Seite drängte mein Reisegefährte nach Europa, die Hitze des Roten Meeres von Mitte April an malte man uns als grauenvoll aus, und ich fühlte mich zudem körperlich und geistig müde. Nach den Taufenden von Stunden, die ich in den letzten Monaten zurüückgelegt, schien mir Ceylon ungeachtel der Itägigen Seereise bis Neapel an der Schwelle Europas zu liegen.Ich konnte ja einmal zurückkommen! Warum nicht?
In Colombo herrschte diefelbe Hitze wie das letzte Mal. Ich mußte umpacken,da ich den großen Koffer direkt nach Bern senden und in Kairo und Italien mit Handgepäck auskommen wollte. Wie grenzenlos heiß war's bei dieser Arbeit, wie manchen Schweißtropfen kostete sie! Dann kauften wir uns lange Rohrstüͤhle für die Seereise, die unfrigen hatten wir in Kalkutta verschenkt, da wir sie nicht durch ganz Indien mitschleppen wollten. Wir erteilten den Auftrag, die ausgewählten Stühle den nächsten Vormittag aufs Schiff zu bringen. Daß man auf den sonst in jeder Beziehung ausgezeichneten Schiffen des Norddeutschen Cloyd seine Stühle entweder selber mitbringen oder extra vom Steward mieten muß, finde ich eigentlich einer so weltbherühmten Gesellschaft nicht würdig. Auf sämtlichen Dampfern des Sstillen Ozeans, auf
Potel Mount Lavinia.[]Beduine vom Sinal. Orangenhändler. (ES. 678.) [] Köni Tee. g
661 der kleinen japanischen ‚Kosai Maru“, auf „Wuchang“ und „Hsinyu“ im Gelben Meere,standen den Reisenden Liegestüͤhle zum unentgeltlichen Gebrauche zur Verfügung.
Als die Hitze des Srühnachmittags sich etwas gelegt hatte, fuhren wir mit der Cisenbahn nach Mount Lavinia, einem der schönsten, wenn nicht dem schönsten Punkte in der Umgebung Colombos. Schon die Sahrt ist zaubervoll. Sur Rechten dehnt sich blau und unendlich der Indische Ozean aus. Zur Linken reiht sich Kokospalme an Kokospalme, ein lichter, stets winddurchwehter Wald. Hie und da birgt sich in seinem Schutze ein singhalesisches Dorfchen, eine einsame Hütte. Durch die feinen,langen Palmwedel dringen leuchtende Sonnenstrahlen und werfen spielend ihre Lichter auf den feuchten, sattgrünen Waldboden hinab, wo wunderbare blaue Winden dem dimmel fein Blau abgelauscht zu haben scheinen.
Nach einer halben Stunde stiegen wir am kleinen Stationshäuschen von Mount Lavinia aus, mit uns eine Menge Eingeborener, die hier wie in Indien eifrigen Gebrauch von der Eisenbahn machen. Als wir langfam die breite Straße hinangingen, die zum Gasthofe führt, sahen wir durch eine hohe Böschung von uns getrennt eine Menschenzruppe, die eifrig herunterspähte, fremdländische Typen, nicht Engländer, nicht Eingeborne, wetterharte Männer, über die ein Sturm gefegt, ohne sie ganz zu vernichten! Gefangene, meist kranke Buren waren's. Auf der Sahrt nach standy hatten, wir in der Serne die weißen Selte einer anderen Burenabteilung schimmern sehen. Ich hatte damals gewünscht, sie zu besuchen. Hier waren fie uns nahe und doch fern. Schranken umgaben sie von allen Seiten, und um mit ihnen zu sprechen, bedurfte es einer Spezialerlaubnis dund Spezialaufsicht.Aus der Serne nur winkten wir ihnen daher unsere sympathischsten, herzlichsten Grüße zu. Unter den Gefangenen bemerkte ich einen kaum zehn Jahre alten Knaben.
Mount Lavinia wurde einst von einem englischen Gouverneur als Sommerpalais erbaut. Jetzt ist aus dem hübschen, weißen Gebäude ein großer, eleganter Gasthof geworden. Auf einem ins Meer vorragenden Selsen erbaut, ist das Paus ein echter Luginsland. Köstliche Meeresluft umspielt seine aussichtsreiche Terrasse,nichts Schöneres, Besseres hätte ich mir wünschen können, als hier einige Cage zu weilen und auszuruhen. Die drückende Schwüle des nahen Colombo scheint Mount Lavinia nicht zu kennen! An den schwarzen Selsblocken im Meere, die sich vom gelben Ufersande in grellem Kontraste abheben, brandet die Slut, und die Wogen
Um Strande bei Mount Lavinia.
[662]Reise einer Schweizerin um die Welt.singen ihr ewiges Cied. Hie und da taucht der sopf oder Arm eines Badenden empor, man wagt hier, was in Colombo der zahlreichen Haifische wegen unterlassen werden muß.
Cin Sischerboot landete. Wir eilten an den von schlanken Rokospalmen umäumten Strand und schauten zu, wie die Beute des Meeres geborgen wurde. Grumgoldene, langschnäblige Sische waren's, mit herrlich metallischem Schimmer. Bald umringten uns die schoönen, singhalesischen Sischerjungen, der eine bot uns Krabben,der andere ein niedliches Modell der hiefigen Boote an. «Do you want fresh milk?ꝰ fragten andere, und ehe wir geantwortet, warfen sie schon vom Wipfel der Bäume saokosnüsse herunter. Die letzte Rokosnuß! Andächtig schlürfte ich den mir heute besonders köstlich vorkommenden Trunk.
Dann saßen wir lange oben auf der Terraffe. Cin Gewitter stand am Himmel,und immer näher grollte der Donner. Die See hatte eine stahlblaue Särbung angenommen. Ein dunkler Punkt am ßorizont war allmählich immer größer geworden,und bald ließ die aufsteigende Rauchfäule ahnen, daß ein Dampfer nahte. Wenn's die „Sachsen“ wäre? Doch nein, sie sollte erst in der Nacht oder am folgenden Morgen ankommen.
Drohender wurde der Himmel, und schwere Wolken warfen ihre Schatten auf die Meeresfläche. Im Sturmschritt eillen wir dem Stationshäuschen zu, lange dort wartend, bis ein Bummelzug uns nach Colombo brachte. Längst war die Nacht angebrochen, längst auch saßen die Gäste bei Tische. Ich hatte mich an eine haslige Toilette gemacht. Da klopfte es. „Die ‚Sachfen‘ fährt in zwei Stunden ab.“ Also doch! Nun galt's, sich tummeln, und eiligst raffte ich mein Hab und Gut zusammen!
Cine Stunde darauf fuhren wir unter Donner und Blitz auf schwankendem Boote durch die stockfinstere Nacht der ‚Sachsen“ zu. Alles ging schnell, rasend schnell.Um elf Uhr rasselte die Ankerkette, ein leises, allmählich stärker werdendes Schaukeln! Sahle Blitze ließen hie und da die Küste von Ceylon aufleuchten, zum letztenmal winkten die schlanken Sederkronen der Kokospalmen. Dahin, entschwunden mein schöner Tropentraum!
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Nleeresfahrt.
Nleeresfahrt.
08
Agypten.
Meeresfahrl.
Leben an Bord der „Sachsen“. Eine Reisende wider Willen. Aden. Die TanksPändler an Bord der „Sachsen“. Im Roten Meere. Suès. Ausflug nach Amn Musa. Beduinen. Muscheln. Abfahrt nach Kairo.
Als ich früh aufwachte ich hatte diesmal eine Kabine für mich allein schaukelte unsere „Sachsen“ schon weit draußen im Indischen Ozean. Regungslos, in unendlicher Bläue lagen seine Wasser, und nur die Bewegung des Dampfers ließ eine leise Brise ahnen.Noch war das Deck leer,mit Ausnahme einiger sderren in javanischem Negligéẽ und der Schiffskatze, welche die morgendliche Stille zu einer Deckpromenade mit ihren zwei Jungen benutzte. Sie ist eine Malaiin, das sieht man an der Bildung des kurzen, in einem Knoten ausgehenden Schwanzes, und natürlich weisen die Kleinen dieselbe Eigentümlichkeit auf.Obst und Kaffee werden für die Srühaufsteher hier heraufgebracht. Das eigentliche Leben, oder vielmehr der Tag, beginnt aber erst mit dem Srühstück um neun Uhr.
[864]Reise einer Schweizerin um die Welt.In friedlicher, beschaulicher Stille geht er und noch viele andere dahin. Da gibt's keine Post zu erwarten und zu beantworten, keine Seitung mit aufregenden Nachrichten zu lesen, kein erschütterndes Telegramm zu empfangen. Diesem Mangel will übrigens jetzt die Neuzeit abhelfen. Schade! Bis dahin ist dem Reisenden auf hoher See das Treiben der Welt fern, ja ganz fern geblieben, es hat aufgehoört, für ihn zu existieren, und ist zum flüchtig entschwindenden Craume geworden. Die Welt mit ihrer Geschäftigkeit, ihrem Chrgeiz, ihrem Reichtum und Unglück, ihrer Sreude und ihrem Schmerze, ist verschwunden, Ruhe, tiefe Ruhe, an ihre Stelle getreten. Die auf anderen Schiffen und Meeren einen Teil der Seit ausfüllenden Spiele, Wetten,Deckpromenaden fallen in dieser Zone größtenteils weg, die Hitze ist allzu groß. Bequem hingestreckt liegen die Menschen auf ihren langen Stühlen, sie lefen, plaudern, schlummern oder starren taten und wunschlos in das blaue Wasser. Schreiben gehört zu den großen Entschlüssen. Leider wurde er mir dadurch erleichtert, daß ich keinen langen Rohrstuhl besaß, und mich deshalb ganz gerne des öfteren in den verödeten Speisefaal unter die wehende Punka begab, um an meinen Reife-Crinnerungen zu schreiben.
Ja, um unsere in Colombo gekauften, glüücklicherweise nicht bezahlten Schiffsstüͤhle waren wir durch die verfrühte Abfahrt der „Sachsen“ gekommen, der mürrische Steward hatte keine mehr: zu vermieten, und so hingen wir von dem guten Willen unserer Mitreisenden ab, d. h. wir durften uns in ihre Stühle legen, wenn sie dieselben gerade nicht benutzten.
Die „Sachsen“ war sehr angefüllt mit Passagieren aller Nationen. Globetrotters,Offiziere, Beamte, Kaufleute, die über den Sommer auf Urlaub nach der alten Heimat reisten oder dem Osten ganz den Rücken wandten, ˖Väter und Mütter, die ihre Kinder zur Erziehung nach Europa brachten, eine englische Witwe mit der Leiche ihres Mannes, der fern in China gestorben, daraus bestanden ungefähr die Elemente unserer Keifegesellschaft.
Die Kinderwelt war in Hülle und Sülle vertreten. Meist wurden die Kleinen von ihren japanischen und chinesischen Kinderfrauen, den geduldigsten, freundlichsten,nachsichtigsten Pflegerinnen, die ich jemals gesehen, begleitet. Mit einer alten chinesischen Amah, die ganz leidlich Englisch sprach, habe ich mich zuweilen unterhalten.Ihre Geduld und gute Laune schienen ebenso unerschöpflich, wie die Bosheit und Unart ihrer Pflegebefohlenen. Als ich fie einst ihrer schweren Aufgabe wegen bedauerte,zwinkerte sie bedeutsam mit den Äuglein, machte die bezeichnende Bewegung des GBeldzählens und meinte schmunzelnd: «Money brings much moneyl
Jedenfalls ist sie weniger bedauernswert, als jene arme, junge Bäurin aus den Sabiner Bergen, die ich auf dem Wuchang! zwischen Shanghai und Taku getroffen.Sie begleitete als Amme die Srau und Kinder des spanischen Gefandten nach Pehing· Weinend erzählte fie mir ihre einfach tragische Geschichte: „Ich habe daheim inen guten Mann und Beppo, meinen zweijährigen Jungen. Vor drei Monaten schenkte uns der immel ein kleines Mädchen, das er aber gleich wieder zu sich apm und da wir sehr arm find, ging ich als Amme nach Rom zu der Exzellenza n meinem füßen, schönen Jungen dabei druckte sie zärtlich ihren schwarzgigen. spanischen Pflegling an die Brust. „Nach einigen Monaten“, erzählte sie []Absteigen vom Kamel. (S. 673.) [] Meeresfahrt.weiter, „hieß es, Exzellenza reise mit den Kindern zu ihrem Gemahl, und ich müsse natürlich des Kleinen wegen mit.“ Seit war keine mehr, meinen Fran-cesco zu besuchen, ja nicht einmal, ihm durch einen scrivano pubblico (Geffentlichen Schreiber) einen Brief schreiben zu lassen. Wir kamen noch denselben Tag auf ein großes Schiff, und als wir einige Tage gefahren und ich immer nur
Wasser um mich sah,wurde mir sehr angst. Ich fragte, ob wir noch nicht bald am Siele feien, und da lachten die Leute und fagten „nein, noch lange nicht“. Jetzt fahren wir seit 45 Tagen, und übermorgen sollen wir in China sein. Ach Gott, was werden wohl Francesco und Beppo und die beiden Siegen dazu sagen? Was tun sie ohne mich?Ach, ich werde sie niemals wiedersehen, niemals den langen Weg nach Haufe finden!“und herzzerbrechend schluchzte Marietta.
Unterdessen saß ihre Herrin apathisch und übelgelaunt mit einem französischen Romane auf Deck. Mariettas Gram schien sie wenig zu rühren. „Ich werde die dumme Person nach Italien zurückschicken, sobald ich sie nicht mehr brauche.“ Dann begann sie, ihr eigenes hartes Schicksal zu beweinen, das fie nötigte, ihrem Manne an solch einen schrecklichen Ort wie Peking zu folgen. Über ihren Empfang hatte sie sich wahrlich nicht zu beklagen. Schon an der Barre vor TCaku erwartete sie ihr Gemahl mit einer Steamlaunch, und selten habe ich einen glückseligeren Menschen gesehen. Besonders die Kinder konnte er nicht mehr aus den Armen lafsen, nicht müde werden, seinen ihm noch ganz fremden Jüngsten zu bewundern. Er durfte wohl stolz sein auf das Prachtskerlchen und auch auf seine Älteste, die zehnjährige Carmen. Mit ihrem Rosaschleifchen im Haare schien sie dem reizenden Murillobilde entstiegen, das die kleine Maria als Schülerin ihrer Mutter, der heiligen Anna,darstellt. Das Bild ist Besitz der berühmten Pradosammlung in Madrid und wohl eines der lieblichsten des großen Meisters. Wie menschlich naiv ist die kleine Mutter Gottes als wohl erzogenes Cochterchen aus gutem Haufe dargestellt! Aufmerksam sind die ernsten, schwarzen Augen auf die lehrende Mutter gerichtet, während der Zeigefinger der rechten Hand die eben buchstabierte Stelle fest halt. Swei mit einem Rosenkranze niederschwebende Engelchen deuten auf die hohe Misfion, die der kleinen Maid als kuünftiger Gottesmutter bevorsteht.
Doch ich habe meine Gedanken weit von der „Sachsen“ abgelenkt, gehört es doch zu den Privilegien des dolce far niente an Bord, Muße zu haben, sich in die
Aden.
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[666]Reise einer Schweizerin um die Welt.Vergangenheit zu versenken. Die Gegenwart brachte ja nur als wichtigste Ereignisse da und dort eine Schar spielender Delphine und einen Zug fliegender Sische. Nicht einmal einem Dampfer sind wir bis Aden begegnet.
Abends war's immer wieder der strahlende Sternenhimmel der Tropen, der meine Bewunderung erregte und zugleich mein Bedauern, so gar nichts von Asftronomie zu verstehen. Ich kannte nur zu meiner Linken das Kreuz des Südens, das sich, je länger wir gen Westen fuhren, desto mehr neigte, während zur Rechten des Schiffes das Siebengestirn des Nordens, die Pleyaden, immer höher emporstieg. Und hatte ich lange hinaufgeblickt zum Himmel, dann schaute ich hinunter in das funkelnde Kielwasser, wo Millionen Sterne blitzten. Ein Meeresleuchten, wie damals auf der Sahrt nach Rangun, habe ich freilich niemals wieder gesehen.
Des Abends entwickelte sich auch am meisten Geselligkeit auf der „Sachsen“: da pflegte man sich gruppenweise zusammenzusetzen, oder spazierte auf und ab, was die shitze tagsüber nicht gestattete. Mit der Tischnachbarschaft hatten wir es gut getroffen.Uns gegenüber saßen der bekannte Reifeschriftsteller Hesse-Wartegg und seine liebenswürdige Gemahlin, die berühmte Sängerin Minnie Hauk. Da fehlte es nicht an interessanter Unterhaltung. Herr von HesseWartegg hatte während einiger Monate Indien bereist, auch er war noch unter dem Eindrucke all des Unangenehmen, das der Reisende dort in Kauf nehmen muß.
Den siebenten Tag landete die „Sachsen“ in Aden, wo ein mehrstündiger Aufenthalt zur Cinnahme von Kohlen dienen sollte. Ein fast kreisrunder, erloschener Krater, dessen wildzerrissene Selswände einem Vorgebirge gleich in das Meer sich hinauserstrecken, bildet mit dem arabischen Ufer eine weite Bucht, in der sich die größten Schiffe bergen können. Cangfam lenkten wir dort ein. Gräber sind die ersten Gegenstände, die sich am dürren Strande zeigen, dann eine Kapelle und eine Gruppe weißgetünchter sHäuser, nach den Aufschriften Gasthöͤfe und Dampferagenturen.Beim Anblick dieser Ansiedlung mitten in einer trostlosen Dürre ruft unwillkürlich jeder: Gottlob muß ich hier nicht leben!
Das ist Aden auf den ersten Anblick. Nichts verrät den politisch hochwichtigen Punkt, der, von England beherrscht, zugleich den sandel mit Ost-Indien, der ganzen arabischen Kalbinfel und Ost-Afrika übermittelt.
Wir gehoörten zu den wenigen Passagieren der „Sachsen“, die ans Land fuhren.[]Suẽs. (6. 669.)
[2655]Reise einer Schweizerin um die Welt.Zum erstenmal auf unferer Reise erfolgte die Bootfahrt nach festem TCarif,d. h. die Schiffsleute wurden polizeilich kontrolliert, und auch bei der darauffolgenden Wagenfahrt war gesorgt, daß die Kutscher nicht überforderten.Hinter den mit Befestigungsmauern gekrönten wilden Selsen gibt es ein zweites Aden. Verloren in den Salten eines braungelben Gebirges in einem von starren Höhen umgebenen Kesseltale liegt die regelmäßig aufgeführte neue Stadt und die Garnison. Steil in die üöhe fahrend waren wir allmählich zu einer engen Selsschlucht oder besser gesagt Spalte gelangt, so eng, daß man sich wenige Schritte davor frägt, ob ein Wagen hier durchkommt. Dann schaut man auf die weite Araberstadt mit ihren kleinen einstöckigen Häusern hinab, gelangt weiter zu einem Kamellagerungsplatz und endet schließlich die Sahrt bei den am Kraters Rand gelegenen wunderbaren Tanks.
Es heißt, sie stammten schon aus dem VII. Jahrhundert n. Chr., und ihre Gesamt zahl betrage fünfzig. Die merkwürdigsten und größten liegen auf der Nordwestseite der Stadt, und drei davon sind volle 24 Meter weit und entsprechend tief. Sie sind aus dem Sels selber gehauen und mit schönem Gipsmortel sorgfältig verkleidet.sloch erblicit man die Reste eines großen Aquädukts, der einst diesen Sisternen das Wasser von hoch oben zuführte. Im Jahre 1856 begannen die Engländer, diese bewunderungswürdigen Wasserwerke wieder herzustellen. Bis jetzt sind dreizehn in stand gesetzt, die zusammen 340,000 Fektoliter Wasser halten können.
Im Westen zwar stürzt die Bergkette so jäh ab, daß der Regen sofort ins Meer abläuft. Im Osten dagegen ist der Abstürz von einem Tafellande unterbrochen, das sich zwischen dem Gipfel und der See windet. Die Selsspalten, die dieses Plateau durchschneiden, laufen nur in einem Tale zusammen, und so genügt eine sehr geringe Regenmenge, um einen ordentlichen Strom hinunter zu senden. Dieses Wasser wird in den zu diesem Sweck erbauten Sisternen zurückbehalten, die so konstruiert sind,daß der Überfluß der oberen jeweilen in die unteren abfließt. Regen freilich muß sein,und der fehlt, wie's scheint, seit mehreren Jahren schon gänzlich in Aden. Als wir die Stufen hinaufkletterten und in die Reservoirs hinunterschauten, starrten sie in trostloser Leere, und auf den hie und da angebrachten terrassenartigen Vorsprüngen,die noch Spuren von Pflanzenanlagen zeigten, vegetierte nur da und dort ein besonders zenügsamer oder lebensfreudiger Strauch ).
Unsere „Sachsen“ fanden wir von einer ganzen Slottille umringt, und ein lebhafter Sandel blühte zwischen Reisenden und Eingeborenen. In kleinen Kähnen lagen alle möglichen Geweihe, Straußenfedern und boas, Selle, Muscheln u. s. w. und zwischen ) Große Kondensierungshäuser, in denen das Meereswasser destilliert wird, versorgen zu ziemlich ohem Preise die Bewohner Adens mit Trink, Koch, Wasch und Badewasser.[]Meeresfahrt.all dieser Herrlichkeit priesen Juden mit langen Schmachtlocken und langem Kaftan,leibhaftige polnische Itzig und Jeiteles ins Arabische übertragen, laut ihre Ware an.Dazwischen brüllten nackte SomaliBengels: «FKAve a 2 o yes, let us have a dive! good boy, good boy.» Slog dann eine Mumze hinunter, so tauchten zwei oder drei schlanke, dunkle Gestalten in die blaue Tiefe und brachten unfehlbar das Geldstück hinauf. Im schmalen Nachbarsboot wurde unterdessen von ebenso leichtgekleideten Kollegen ein wahrer Wildentanz aufgeführt, wobei man kaum wußte,was mehr bewundern, die Gelenkigkeit der Tänzer oder die Sestigkeit des anscheinend so schwachen Bootes.
Unterdessen hatten wir genügend Kohlen, und nachdem im letzten Augenblicke noch einige Cinkäufe zur gegenseitigen Befriedigung abgeschlossen wurden, wandten wir dem dürren, heißen Aden den Rücken.
Nachts fuhren wir durch Bab el-Mandeb, das Tor der Trauer oder der Tränen.Varum die 26 Kilometer breite Meerenge, die zwischen Arabien und Afrika liegt und den Golf von Aden mit dem Roten Meere verbindet, so heißt, weiß ich nicht. Den folgenden Morgen erwachte ich im Roten Meer. Auch hier keine Bewegung! Der mächtige
Vordersteven unserer „Sachsen“ zog mit leisem Knistern, wie demjenigen rauschender Seide, eine milchweiße Surche in die blaue Slut, während die wirbelnde Bewegung der Schraube im Kielwasser einen weißen, duftigen Schaum emporkräuselte,der gleich einer langen, weißen Gazeschleppe hinter dem Schiff herzog.
Und die Sitze, die vielgefürchtete, berüchtigte des Roten Meeres, wo blieb sie?Das Chermometer zeigte zwar noch 26 Grad Celsius, allein verweichlicht durch die CTemperatur der Cropen, froren wir, froren immer mehr, je mehr wir uns Suez,richtiger geschrieben Sues, näherten. Die weißen Kleider und weißen Schuhe verschwanden nach und nach, die Punka wurde in Ruhestand versetzt und der Gepäckraum nachmittags stark besucht. Jeder und jede stöberten im Koffer nach warmen Sachen herum, und bald bekam das Schiff einen nordisch nüchternen Anstrich.
Am zwölften Tage unserer Seefahrt landeten wir in Sues. Die Sonne stand im Begriffe, unterzugehen. Über die dunkeln, wilden Massen des Ataka-Gebirges hatte sich ein farbiger Schimmer gelegt, als ob das graue Gestein in Amethysten und Ruhinen sich verwandeln wollte. und bald grün. bald opalfarben schimmerte das Meer.
Aden: Felsspälte.
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[350]Reise einer Schweizerin um die Welt.Shellens schöne Schilderung eines Sonnenunterganges kam mir in den Sinn:Wo jetzt die Sonn in ihrem Niedergange och einmal zögernd weilt, eh' sie sich völlig Dem Auge birgt in seiner Berge Salten,Da wächst die Glut und wird geschmolzenes Gold.Und dann aus dem Gemisch von Erd' und Meer Aus einem einz'gen großen Seuersee,Desst Slammenwogen um die Somne fluten,Erheben sich die Berge purpurfarben,hom CLicht, das aus dem allertiefsten Kern Der dunstumflorten Sonnenscheibe strahlt Und alle Gipfel des Gebirgs durchleuchtet.“
Wie immer, nahm die Landung gehörige Seit in Anspruch, und da es dabei spät geworden, beschlossen wir, hier zu übernachten, den folgenden Tag einen Ausflug nach Am Musa zu unternehmen und erst abends nach Kairo zu reisen. Ein kurzer Aufenthalt daselbst sollte uns den UÜUbergang vom Orient in den OEccident erleichtern.
Es ist mir dabei klar geworden, daß Kairo, eine Stadt, die in Curopa mit dem Begriffe des Ostens identisch zu sein scheint, es für den aus den Tropen Rommenden kaum mehr ist. Sarbige Menschenkinder, Bakshish-Geschrei und Staub sollten wir ja auch in Ägypten finden, aber es fehlt der märchenhaft schimmernde Hintergrund,den unsere Phantasie von Kindheit an dem fernen Osten zu geben liebte. Es fehlt die mächtige Schaffensfreudigkeit der Hatur, die in den Cropen Blüten, Srüchte und Bäume in Hüͤlle und Sülle bietet, deren herrliche Sormen wir bis jetzt nur durch Bücher kennen gelernt. Es fehlt das „Gruseln“ des nahen Dschungels mit seinen giftigen Schlangen,wilden Cigern und Elefanten, blutdürstigen Panthern und Bären. Es fehlen die lustigen Affen, die langgeschwänzten Papageien, die Eisvögel, ja sogar meine Sreunde,die Krähen und Geckos.
Woir brachten alsodie Nacht in Sues zu. Der vormals elende arabische Slecken hatte zur Zeit der Erbauung des Sues Kanales einen großen Aufschwung genommen und ihn in eine Stadt von 16,000 Einwohnern verwandelt. Nach vollendung des stanales ging Sues wieder sehr zurück, da es auch den bedeutenden Hafenanlagen nicht gelungen war, den Handel hierher zu ziehen. Viele Häuser stehen leer und sind dem verfall preisgegeben. Hausbesitzer soll man gegenwärtig in Sues schon um geringes Geld werden konnen.
In der Sruhe des folgenden Morgens mieteten wir eine Seluke (ägyptisches Boot)und einige Eselstreiber mit ihren leider sehr zerschlagenen, vom Satteldruck wunden Eseln. Unser Siel sollte Arn Musa, die Mosesquelle, sein, eine auf der Halbinsel Sinald liegende Oase. Wir hatten sie den Abend vorher vom Schiffe aus gesehen.Mitten in der starren Wüste im frischen Grün ihrer Palmen, war sie mir mehr als eine Cuftspiegelung denn als Wirklichkeit erschienen.
⏑⏑⏑⏑ an u * and gezogen sind, und in der größten Quelle auf Befehl des Herrn einen * e ree Na ni e ineinlegte, wodurch es süß ward. (2. Moses 16.)[]Rairo. (5. 674.)
[672]Reise einer Schweizerin um die Welt.Zwischen der Stadt und der ungefähr 20 Hektaren messenden Hafeninsel, die durch aus dem Kanal gebaggerte Erdmassen gebildet worden ist, fuhr unsere Seluke bis zum großen Kanal, auf dem ste sich in noöͤrdlicher Richtung eine Strecke weit bewegte.Ceicht war die Landung nicht. Die Ebbe hatte begonnen, für die Seluke war das Wasser zu seicht geworden, für uns zum Gehen zu tief. Ohne weiteres lud mich ein stämmiger Araber auf seine Schultern und trug mich ans Land. Unsere armen Esel wurden mit Prügeln und Geschrei aus der Seluke geworfen und mußten zusehen,wie sie das Ufer erreichten.
Bald saßen wir auf dem Rücken der Grautiere, und unter lautem Ah, AhGeschrei der Eselsjungen trabten wir durch den tiefen, feinen, goldgelben Wüstensand. Wie er leuchtete!Große und kleine, kristallartige Schieferstücke flimmerten gleich kostbaren Brillanten darin.
Dem tiefblauen Roten Meere entlang ritten wir durch die Wüste denselben Weg, den einst die Kinder Israel gewandert, nachdem sie Agypten verlassen. Auch vor uns schwebte eine Wolke rosig und leicht, und einsam zog sie dahin auf dem sonst wunderbar blauen Himmel. Konnte ich diese Sarbenpracht nur beschreiben, ihren Anblick allen denen, die mir lieb sind, zu teil werden lassen! Ein Maler würde hier entzückt und zugleich verzweifelt sein, denn kein Pinsel, so wenig wie Worte, könnte diese Herrlichkeit malen. Immer wieder blickte ich auf die violett-rosigen Berge des Djebel el Raha, Ausläufer des Sinal, die sich zu meiner Linken erheben, während sich zur Rechten die heute früh lichtblau schimmernden, sich gegen unten dunkler abtönenden AtakaBerge schroff ins dunkelblaue Meer senken. Große, graubraune Cidechsen huschten hie und da hurtig über den Weg, da und dort prägte sich die zierliche Sußspur einer Antilope im Sand ab, sonst deutete nichts auf lebende Geschöpfe.
Allmählich führte der Weg abwärts. In der Serne winkten die Palmen Aun Musas. Auf unsere armen Csel wirkte der Anblick offenbar belebend, sie verfielen in raschere Gangart. Sreuten sie sich wohl wie ich, wieder unter Palmen wandeln zu dürfen, oder begeisterte sie der Gedanke, aller Last ledig, sich im kühlen Schatten im Sande wälzen zu können? Die ßoffnung auf Sressen ist's nicht, denn auf keinem Ausfluge habe ich einen Esel mit etwas anderem als Prügel füttern gesehen.
Cin zweistündiger Ritt hatte uns nach Ain Musa gebracht. Palmen und Tamarisken, Kaktushecken und sorgfältig gepflegte Gemüsegärten stehen auf dieser einen Kilometer großen Oase. Nicht mehr die schlanken, leicht gefiederten Kokospalmen der Tropen sind's, sondern die untersetzten, steifen Dattelpalmen, die Kinder einer gemäßigteren Sone. Einige Araber haben sich ihre Lehmhütten hier erbaut, und eine Art Schuppen ist da, der sich rasch zum Speifesaal verwandeln läßt. Cin wackliges Brett dient als Cafel, eine mit Strohmatten bedeckte, aus Cehm geformte Bank bildet unseren Diwan. Aus den Esels jungen sind flinke Kellner geworden, die uns mit vieler Wurde das aus Sues mitgebrachte, aus kaltem Sleisch, Ciern und Brot bestehende Mahl vorlegen. Unser Getränk wird aus dem etwas brakigefalzig t Zahlreiche Alienten in Gestalt hungriger Araber, unde umringen uns. Sie schauen so gierig auf jeden mi schieben, daß wir ihnen gerne den Lowenanteil üͤberieren noch die letzten Brotbrocken spenden.[]Reisende BedninenSFrau. ES. 673.) [] Meeresfahrt.
6738 Etwa fünf Minuten von unserem Rastplatze steht auf einem Hügel eine einsame Palme. Der zu ihren Sußen sprudelnden Cuelle verdankt sie ihr Dasein. Cange faß ich unter dem schöͤnen Baume und beobachtete eine vom Sinaĩ herkommende starawane.voran ritt ein dunkelfarbiger Beduine. Tiefschwarze Augen blitzten aus einem charakteristischen Gesichte. Den stahlharten Körper umhüllte die weiß und braun gestreifte ‚, Abaye“, ein lang herunterwallendes wohl zwei bis drei Meter weites Gewand.Im Winde flatterte die buntgestreifte, seidene, fransenbesetzte, Keffije“. Sie schützt Ropf und
Oase Ain Musa.Nacken vor heißen Sonnenstrahlen und wird auf dem Kopfe mit einer dicken, gedrehten,wollenen oder härenen Schnur befestigt. Neben ihm ritt sein Sohn und Erbe. Gar possierlich nahm sich das dreijährige Männlein auf seinem riesigen Reittiere aus. Sorglich war der Sattel rundum erhöht und mit Decken umhüllt, so daß das Bübchen in einem weichen Vogelneste zu sitzen schien. Ein glückselig, wichtiger Ausdruck lag auf dem niedlichen Gesichte, und fest hielt das winzige Händchen die Sügel. Den beiden folgten Diener und Gepäck. Auch einige Händler hatten sich ihnen angeschlossen. An der Quelle wurde Halt gemacht. Auf den Ruf ihrer Herren knieten die Kamele willig nieder, und nachdem diese heruntergeglitten und sich am Guell erlabt, schlürften auch die geduldigen Ciere der Wüste in durstigen Sügen das anscheinend lang entbehrte Wafsser.Den Rückweg wünschten wir zur, See zurückzulegen, immerhin war es erforderC. von Rodt, Reise um die Welt. 43
[674]Keise einer sschweizerin um die Welt.lich, die ersten drei bis vier Kilometer zu reilen. Wir hatten unsere Esel unmittelbar ans Meer gelenkt. Muscheln aller Größen,sormen und Sarben und weiße Korallenweige lagen in buntem Durcheinander am Strande. Diesem Anblick konnte ich nicht widerstehen. Sehr bald schon stieg ich vom Csel und sammelte Muscheln. Unbarmherzig brannte die Sonne, mũhsam watete der Suß im stellenweise tiefen Sand, meuchlings nahende Wellen durchnäßten mich zu verschiedenen Malen. Cinerlei, im Eifer des Suchens prallte das alles wirkungslos an mir ab. Schwer hingen meine Caschen hinunter, der Sonnenschirm barg schon eine ganze Sammlung Krabbenscheren und Tintenfischüberreste, und sandig und naß und mit Muscheln angefüllt, baumelte das Taschentuch am Gürtel. Wahrhaftig noch jetzt sahen meine Augen nicht genug, Esel und Suhrer wurden mit den Gaben der Thetis beladen, und ein wahrer Muschelberg häufte sich in unserer Seluke, die wir nach stündiger Wanderung vorfanden. Natürlich konnte ich nur den kleinsten Teil meiner Schätze behalten, hätten sie sonst doch einen ganzen Koffer angefüllt.Nachdem Menschen, vVieh und Muscheln glücklich verladen, begann das Segeln,oder sollte vielmehr beginnen. Auf der Suche nach einer günstigen Brise kreuzten wir hin und her und kamen nur in langsamstem Tempo vorwärts. Aber wie schön zlitt sich's auf der ultramarinblauen Släche dahin! Unwillkürlich tauchte ich meine ssand ins Wasser, prüfend, ob sie sich blau färbe, allein rotbraun, sonnenverbrannt wie vorher, zog ich fie heraus und zudem sehr salzig und klebrig. Das Rote Meer hat keinen Süßzwasserzufluß, ist wohl deshalb besonders salzreich. Seinen anscheinend so unpassenden Namen erhielt es schon im Altertum wegen einer durch kleine Pflanzenliere zeit· und stellenweise hervorgebrachten rötlichen Särbung.Unfere Eselsjungen sind offenbar unerfahrene Schiffer. Plöotzlich gab's einen Kuck, wir waren bei Port Ibrahim an einem Selsen aufgefahren und schienen für alle Ewigkeit dort feststtzen zu müssen. Unter großem Geschrei versuchten die Schiffer vorerst das gewaltige Segel zu reffen. Die Esel wurden dabei unruhig, fingen an zu beißen und auszuschlagen, so daß die Lage kritisch zu werden drohte. Wir stießen und schoben mit Rudern und Stangen nach Kräften mit und waren endlich wieder lott. Unsere Ausschiffung ging diesmal in Port Ibrahim mit derselben Umständlichkeit wie am Morgen von statten, d. h. die Araber trugen uns auf dem Rücken ans Land.Einige Stunden später saßen wir im Nachtzug, der uns in der Srühe nach Kairo,arabisch Mafreel Rahira, oder poetisch umschrieben ‚dem Diamantknopf am Griffe des DeltaSächers“ bringen sollte.
Ein kleiner Reitersmann.[]Sais. (S5. 676.) []
Kairo.
Kairo.
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Kairo.
Auf der Musti. Sais. Sakka. Sellachinnen. Verschiedene Turbane. Rhan-elKhalll. Raufsverhandlungen in den Bazaren. Rin Pochzeitszug. Der Mueddin. Das Gebet der Mohammedaner. Baben Kajr.Burckhardts Grab. Die RhalifenGräber. Der Mokattam. Sonnenuntergang.
Ais wir um die neunte
Vormittagsstunde aus dem reizenden Garten des Hotel du Nil traten, pulsierte schon volles Leben auf der Muski,der sHauptverkehrsader Kairos. Kaum vermag die enge,alte Straße die Menschenmenge zu fassen, die von früh bis spät auf- und niederwogt. Wunderbar erscheint es geradezu, daß die elektrische Crambahn, die unzähligen Wagen und die durch das Gedränge wuchtig einherschreitenden Kamele nicht täglich ihre Opfer fordern.
Und dabei das finnverwirrende Geschrei der Händler,stutscher, Csels und Kameltreiber, der Bettler, Wasserträger und Sais. Betrachten wir uns zunächst diese, die poetischsten Gestalten im bunten Straßenleben Kairos. J
Bald werden sie ein Ding der Vergangenheit sein, denn immer mehr weichen sie der allmählich auch im Pharaonenlande die Herrschaft erlangenden elektrischen Crambahn.Sais werden jene schlanken JZünglinge genannt, die mit langem Stabe in der dand leichtbeflügelten Schrittes vor den Wagen der Reichen einherlaufen. Um ihren
Leib schlingt sich eine breite, bunte, seidene Schärpe, den geschmeidigen Oberkörper
[676]Reise einer Schweizerin um die Welt.umspannt ein mit Gold reich besticktes, lichtblaues oder rosa Jackchen, während die kurzen, weiten Hosen und die sehr langen Armel in makellosester Weiße erglänzen.Gleich großen, zurückgelegten Slügeln erscheinen letztere beim Caufe. Jedesmal. wenn ich einen Sais sah, mußte ich unwillkürlich an den beflugelten Götterboten Hermes denken, aber nicht wie jener erscheint der Sais als ein Geleiter der Toten, nein, er ist ein Sreund der Lebendigen. Sein Stab und Wort schützen und warnen die Sußgänger,und leise schiebt seine geübte Hand die vielen armen Blinden beiseite, fort aus dem Bereiche der Pferdehufe und der rollenden Räder:
Als ein dunkler, „erdgeborener“ Kontrast zum Sais erscheint der Sakka oder Wassertrager. Gebückt unter der Last eines schweren Schlauches, dessen Behaarung und Sorm deutlich die einstige Ziege verraten, klappert er, in ein braunes Gewand gehüllt, mit seinen blanken, messingenen Trinkschalen und ladet mit dem Rufe ya moye (Wasser) die Vorübergehenden zum Trinken ein. Auch jetzt noch, ungeachtet der Wasserleitung, die alle Zäuser der Stadt versorgt, ist der Sakka eine der populärsten Gestalten im Straßenleben Kairos. Sein wohl um eine Stufe höher stehender Kollege ist der sogenannte Hemali, der einem Derwischorden angehört. In einem schongeformten, metallenen oder tönernen Kruge bietet er mit Orangenblüten oder Sußholzsaft versuüßtes Wasser feil.
Was sind das für dunkle, hohe Srauengestalten, die, durch die bunte Menge schreitend, zuweilen dem Sremden eine schmale Hand bittend entgegenhalten? Die Sellachenfrauen!) hüllen sich in ein langes, schwarzes oder dunkelblaues, hemdartiges Gewand und in ein Kopftuch. Ein langer, oft bis an die Suße reichender Kreppstreifen läßt vom Gesichte nichts erblicken als die Augen, denen vermittelst Särbung der Augenränder noch mehr Glanz und Grsße verliehen wird. Der Burko, wie dieser Schleier heißt, wird durch eine auf der Stirne liegende Metallröhre, durch die sich Schnüre ziehen, festgehalten. Arme, Süße und Ohren sind mit silbernen oder kupfernen Ringen ges chmückt. Die Nägel der Singer und Sehen werden mit Henna gelbrot gefärbt.
Je düsterer die Kleidung der Srauen aus dem Volke, um so farbenfroher die Turbane und roten Sez oder Carbusch der Männerwelt! Mit welcher Kunstfertigkeit die Curbane oft mitten auf der Straße in allem Gehen gewunden werden, hatte ich oft Gelegenheit zu bewundern. Sicherlich braucht es Übung dazu, den Turban vorschriftsgemäß zu wickeln. Soll er doch sieben Kopfeslängen, also Manneslänge haben,damit er dereinst dem Gläubigen als Bahrtuch diene und ihn schon bei Lebzeiten mit dem Gedanken des Todes vertraut mache. Ursprünglich trugen die „Scherifs“ oder lachkommen des Propheten ausschließlich die Sarbe Mohammeds, den grünen Turban.Jetzt haben sich aber die MekkaPilger das „Grün“ auch erkoren und daher die Scherifs zum weißen Turban gegriffen. Der Ulama oder Geistliche und der Gelehrte zeichnet sich durch einen besonders breitgeschlungenen, hellfarbigen Curban aus.
Allmählich hatten wir uns durch die dichte, schreiende, aber keinesweg bösartige Menge zum KhanelKhalil gedrängt. Khan heißen größere Lagerhäuser, und mehrere
Khans zusammen bilden ein besonderes Stadtviertel. Khan Khalll, einst der Mittel
Unter Sellachen versteht man die Bauern, also den Kern des ägyptischen Volkes.[]Demali. (S. 676) [] Kairo.punkt des geschäftlichen Cebens in Kairo, stammt aus dem XIII. Jahrhundert, und sein prächtiger altarabischer Hof ist schon auf manchem Bilde verewigt worden. Hier ist der Sitz der Teppich und Seidenhändler. Teppiche aus Kleinasien, der Türlei und Persien sind in großen Mengen aufgestapelt oder hängen in schweren Salten von den altersmorschen Pfeilern herab. Sällt ein Sonnenstrahl zwischen den Strohmatten, die den Hof überdecken, hinein, so spielt er mit den tiefroten und sattblauen Sarben der famtartigen BocharaGewebe.
Vom Khan Khalil und seiner Hauptstraße strahlen alle möglichen ebengäßchen aus. Mit dem Namen Bazar oder arabisch Suk werden sie bezeichnet. In den ungepflasterten,mit Sonnendächern bedeckten Sträßchen reiht sich Bude an Bude. Meist nur eine Breite von zwei Metern messend, bilden sie ungeachtet der CEnge des Raumes zugleich die Werkstätte wie in Indien. Vor dem vorn fast offenen Laden ist ein Sitz für den Käufer angebracht, Mastaba genannt. Hier läßt ihm der Geschäftsinhaber zunächst eine Casse Kaffee durch einen Aungen bringen, dann erst nehmen die Kaufsunterhandlungen ihren Anfang. Wie lange diese sich auszuspinnen pflegen, kann nur der ermessen, der sie selbst durchgemacht. Geduld, Seit und ruhig Blut gehören dazu!So wie es die Politik des Verkäufers ist, zuerst nur minderwertige Ware vorzulegen,um nach und nach zum Besten vorzuschreiten, so gehört es zur Politik des Käufers,gerade an dem, was ihm besonders in die Augen sticht, gleichgültig vorbeizufehen.siemals darf der Händler ahnen, wie sehr man sich einen Gegenstand wünscht, sonst verfechsfacht sich sofort der Preis.
„Was kostet das?“ frage ich und ziehe einen oder mehrere Artikel aus einem Haufen Decken und Stoffen hervor, die der sHändler in bunter Unordnung vor mir auf die Erde geworfen hat. Mein Mohammed. Ali. oder Abdallah, nennt einen
Fellachin mit Rind.
7
[578]Reise einer Schweizerin um die Welt.übertrieben hohen Preis. «Ghali ketir!» (zu teuer). Entrüstet hebe ich Augen und Arme zum Hsimmel empor und stelle ein Gegengebot,den viertel oder Sünftel des Geforderten. Geht der Händler ohne lange Überlegung darauf ein, spricht er sein taijsib (gut) und packt den Gegenstand zusammen, dann weiß ich, daß ich arg hereingefallen bin. Meist aber heuchelt mein Mohammed eine heilige Entrüstung, die in den durchaus nicht ernst zu nehmenden Worten « chudu balasch (nimms umsonst) seinen Gipfelpunkt erreicht. Will der Handel nicht vorwärts, so stehe ich auf und entferne mich.Cinen Augenblick später fliegt der Verkäufer oder sein Abgesandter atemlos hinter mir drein,zieht mich mit Gewalt zur Mastaba zurück,und aufs neue beginnen die Verhandlungen.Vom vVerkäufer werden sie jetzt lebhafter, leidenschaftlicher geführt. Bei seinem vater,bei seinem Barte und noch vielem anderen schwört er, weil ich's sei, verschenke er geradezu seine Ware, durch meine Schuld allein werde er in Sukunft als ruinierter Mann dastehen! Die verschiedentlichsten Zuschauer haben sich herangedrängt, teils als Dolmetscher. und Vermittler, teils als stumme Zeugen. Alle diese Statisten verlangen nach Abschluß des Geschäftes stürmisch Bakshish. Das Abschließen eines größeren Kaufes erfordert mehrere Tage, ja Wochen, dann erst pflegt der Händler müürber zu werden, und der geduldige, kaltblütige Käufer darf endlich hoffen, einen vorteilhaften sandel abgeschlossen zu haben.
Die Gewerbe sind straßenweise beisammen. Da wird der Scik enNahhasin aus einer langen Reihe Werkstätten und zugleich Kaufbuden für Kupferwaren gebildet.Aus freier Hand verzieren die stünstler mit Hammer und Meißel Messingschalen,Kaffeekannen, schon geformte, große Krüge, Celler und Ampeln. Meist sind's Arabesken, Blumenmuster, Koransprüche, groteske Ciere, die dazu verwandt werden, und schon ganz kleine Jungen beteiligen sich an der Arbeit. Nicht weit davon fesseln feine bunte Seidengewebe das Auge. Hier hat die Sunft der „Goldsticker“ ihre Terkstätte errichtet. Mit unterschlagenen Beinen sitzen Meister und Gesellen auf der Mastaba und ziehen eifrig die Nadel. Sie legen die aus dickem, gelbem Papier ausgeschnittenen Muster auf bunten und schwarzen Samt oder Seide und übernähen sie dann mit Goldfäden.·
Alle Wohlgerüche Arabiens empfangen uns in einem andern Sak. Der kleine arabische Junge, der sich als Sührer an unsere Sohlen geheftet hat und uns wie ein Schatten folgt, nennt ihn den «smell Bazar. Da werden Weihrauch,MNyrrhen, Balsam. Sandelholz, Rosenöl und all die von dem Orientalen so geliebten nn icken lange, mandelformig geschnittene Augen mich []Minaret der Moschee El-Azhar. (5. 681.)
[380]Reise einer Schweizerin um die Welt.an, geheimnisvoll wird meine Hand erfaßt. Will der Perser mein Schicksal daraus lesen? Nein,ein kleiner Tropfen wohlriechendes Wasser wird sachte hineingeträufelt, der starke Geruch bleibt den ganzen Tag darin haften.sür heute genug der Saks. Als wir aus ihrem Dämmerlicht in die Muski traten, erfschien der Lärm noch betäubender, sinnverwirrender.Dumpfe Paukenschläge, erst in der Serne,dann näher und näher! Da schwanken sie einher, die grotesken, unförmlichen Wüstentiere! Goldbestickte Decken, Muscheln und Perlenbehänge und bunte Quasten überdecken den gewaltigen störper, so daß nur ein Stück des Kopfes und vier Riesenbeine hervorschauen. Vier Kamele eröffnen den Hochzeitszug, der die Braut, eine Paschastochter, und ihre Srauen als Anfang der Hochzeitsfeierlichkeiten zum Bade geleitet.Paukenschläger mit riesigen, kupfernen Instrumenten thronen hoch auf den Kamelsrücken. Ihnen folgen Slötenspieler, buntgekleidete Limonadenverkäufer, die dem Suschauer heute unentgeltlich ihren füßen Trunk kredenzen, Sakkas, Tänzer und Gaukler.Dann eine Menge geschlossener Wagen, aus denen die lachenden Gesichter sehr bunt geschmückter Srauen herausgucken. Hach der Mode von Stambul ist nur der untere Teil des Gesichtes mit dünner, weißer Gaze verschleiert. Die Braut, vollständig in einen KaschmirShawl eingewickelt, ist ganz unsichtbar. Vor ihrem Wagen laufen sechs in weiße Seide gekleidete Sais. Sie wird zwischen 10 bis 12 Jahre zählen, die kleine verlobte, und ihren Bräutigam bei der Hochzeit zum erstenmal zu sehen bekommen. Durch Verwandte, zumeist durch seine Mutter, wird dem Ninglinge die Braut ausgesucht. Ist die Wahl getroffen, so muß der heiratskandidat den Brautschatz,durchschnittlich 625 Sranken, bezahlen, d. h. er muß seine Srau kaufen. Gewöhnlich werden ? / der Summe, um die weidlich gehandelt wird, fogleich erlegt, während /s für den Sall des Todes des Gatten, oder wenn er sich gegen ihren Willen von ihr scheidet, füͤr sie festgestellt wird. Die EChe wird durch keinen religiösen Akt geschlossen,sondern es genügt, daß Braut und Bräutigam vor Zeugen die Erklärung abgeben, sich heiraten zu wollen. Ist der Mann seiner Srau überdrüssig geworden, so sagt er:Du bist verstoßen“, und damit ist die Scheidung ausgesprochen.wie eine bunte Maskerade eilte unterdessen der Zug an uns vorbei, und hinter ihm schloß sich die Menge. Auch wir kehrten nach wohlausgefülltem Morgen, um viele Eindrucke bereichert, ins Hotel du Nil zurüuckt. 7 Als ich nach dem Tiffin in meinem Zimmer etwas eingenickt war, weckte mich ein eigentuüͤmliches Cönen in der Luft. Der Ruf zum Gebet traf mein lauschend Ohr.cht durch den Mund der Glocke, sondern durch denjenigen des Mueddin dringt die Aufforderung an den Gläubigen: Allahu akbar; la ilaha ill' allah, u. s. w. „Gott
Im RupferwarenBazar.[]Ramel bei einem Pochzeitszug. (5. 680.) [] Kairo.
681 ist der Höchste; ich bezeuge, daß kein Gott ist, außer Gott; ich bezeuge, daß Mohammed der Gesandte Gottes ist; kommt zum Gebet; kommt zum Gottesdienst; Gott ist der Höchste; es ist kein Gott, außer Gott.“
Hoch vom schlanken Minaret herab tönt fünfmal am Tage dieser Ruf des Mueddin,der „menschlichen Gebetsglocke“, wie ich ihn einst nennen hörte. Und die Bekenner Mohammeds eilen von überall herbei zu den Moscheen, waschen sich, wie ihnen vorgeschrieben, und stellen sich barfuß, das Antlitz gen Mekka wendend, hin. Einzelne Niederwerfungen in bestimmter Reihenfolge begleiten ihre Gebete.
Schlafender Eselsjunge.Aber nicht nur in den Moscheen, nein, auf der Landstraße, auf den Mastabas ihrer engen Verkaufsbuden, auf den Schiffen, in der Eisenbahn verrichten die gläubigen Mohammedaner zur vorgeschriebenen Stunde ihre Gebete. Ohne Scheu vor dem allfälligen Spotte der Mitreisenden, ziehen sie ihre Gebetsteppiche hervor und halten vor aller Augen ihre Andacht.
Einen Cselsritt wollte ich schon den ersten Cag in Kairo genießen. Ob soasfan,der hammar, so heißt der Cselsjunge, und Bismarck, der homar letzteres die Benennung für Esel das ahnten? Beide hefteten sich an meine Sohlen, als ich aus dem Hotel trat, und bald waren wir handelseinig. Mein Siel bildeten zunächst die Khalifengräber.
[35]Reise einer Schweizerin um die Welt.Meines Befehles ungeachtet, langfam durch die sehr belebte Muski zu reiten,galoppierten Hassan und Bismarck los, und bald lag das finstere Siegestor mit seinen zwei wuchtigen, viereckigen Cürmen vor mir. BabenNafr lautet sein arabischer Name. Wie manche MekkaPilgerkarawane mag schon unter seinen gewaltigen Toren einhergeschritten sein! Jedesmal auch, wenn die müden Pilger von ihrer langen, entbehrungsreichen Reise zurückkehrten,wurden und werden sie jetzt noch von ihren Angehorigen am BabenNafr feierlich empfangen.Einst befand sich unter jenen Hadschi so werden die MekkaPilger genannt ein Sremdling, ein junger Basler Gelehrter, Johann Jakob Burckhardt.Er gehört zu den wenigen Europäern,vielleicht waren es im Laufe des XIX.Jahrhunderts im ganzen zehn, die unter der Maske eines Muselmannes in die Kaaba und auf den heiligen Berg Arafat gelangt sind. Eine Entdeckung hätte dem Europäer und Christen das Leben gekostet. Auch so noch bezahlte er sein kühnes Unternehmen mit der Cinbuße feiner Gesundheit. Leidend kehrte er 1814 aus Mekka und Medina nach Kairo zurück, und drei Jahre später, 1817, raffte der unerbittliche Tod den jungen, erst Zssjährigen Sorscher mitten aus seiner Arbeit und weiteren Reiseplänen hinweg.ohann Cudwig Burckhardt, der Sohn einer angesehenen Basler Samilie, wurde es in Lausanne geboren. Er besuchte das Gymnasium in Neuenburg später die Umipersitäten Leipzig und Göttingen. Im Jahre 1806 reiste er mit Empfehlungen an
.[]KhalifenGräber. (5. 685)
[384]Reise einer Schweizerin um die Welt.die „Gesellschaft zur Erforschung des Innern Afrikas“nach London ab. Sie sandte den jungen Burckhardt zunächst nach Cambridge, später nach Aleppo, zur Erlernung der arabischen Sprache. Nach zweijährigem Aufenthalt im Orient sprach Burckhardt das Arabische so geläufig und hatte sich so sehr die Sitten und Gebräuche des Landes angeeignet, daß er unbeanstandet unter dem Namen Ibrahim ibn Abdallah al·Schami nach Palmyra, Damaskus und dem Libanon reisen konnte und überall für einen arabischen Kaufmann gehalten wurde. Durch die Wüͤste El-Tih und das steinige Arabien gelangte Burckhardt 112 nach Kairo, bereiste im folgenden Jahre Nubien bis an die Grenzen von Dongola.Eine zweite Reise brachte ihn nochmals nach Nubien und über Berber nach Suakin am Roten Meere. vVon dort ging er über Dschidda nach Mekka, um den Islam an der Urquelle kennen zu lernen.
Ob der Glaube des Propheten unserem Burckhardt wirklich zum Herzensbedürfnis geworden, ob er ihn nur zum Schein angenommen, um seine Sorschungsreisen leichter vollziehen zu können, das bleibt dahingestellt. Jedenfalls genoß dadschi Schech Ibrahim. so wurde Burckhardt hier genannt, unter den arabischen Gelehrten den Ruf nicht nur eines strenggläubigen, sondern auch eines sehr gelehrten Muslims.
Als er starb, wurde ihm auf dem mohammedanischen Sriedhof vor BabenNafr ein mohammedanisches Leichenbegängnis und ein mohammedanisches Grab zu teil. Mit dem grumen Sterbekleid angetan, slase und Ohren mit Baumwolle verstopft und seinem Turban als Bahrtuch, so haben arabische Sreunde den Sremdling eingesargt und auf ihren Schultern hinausgetragen. Derwische, Geistliche mit Sahnen, singende Knaben und Klageweiber bildeten dabei das Leichengeleite. In den gelben Wüstensand haben sie den Toten gebettet und sein Antlitz gen Mekka gewandt.
Noch ist Schech Ibrahim nicht vergessen, und Hassan, mein Eselsjunge, konnte mir sofort sein Grab zeigen, das durch die Schweizerkolonie in Chren und Ordnung gehalten wird. Ein echt mohammedanisches Grab, ein hoher, schmuckloser Katafalk
Orangen Verkäuferin.[]Mohammedaner im Gebet. (5. 681.) [] Kairo.
685 mit je einer Marmorsäule an beiden Enden. Auf der einen ist sein Curban gemeißelt,sein Name und der Koransspruch:
„Wir werden einst die Toten wieder lebendig machen, und wir schreiben nieder,was sie vorausgeschickt und was sie zurückgelassen haben, und bringen alles in ein klares Verzeichnis.“ J Einige Schritte weiter, und die Wüͤste hält mich in ihrem Banne, denn auch die Wüste besitzt ihren Zauber. Heute besonders, wo der shimmel sich gleich einem Saphir über ihrem unendlichen Sande wölbt, und die LCuft rein und leicht, wie in meinen Bergen, mich umfächelt. Scharf zeichnen sich die eleganten Kuppeln mit ihren wunderbar verschlungenen Arabesken und die stolzen, schlanken Minarets der nahen Khalifengräber in der durchsichtigen Luft ab. Hier ruhen die ägyptischen Herrscher des XIII.XVI. Jahrhunderts, die sogenannten MameluckenSultane. Cin wild graufames,nomadisches Geschlecht, das ebenso plötzlich und blutig seinen Untergang gefunden,wie es sich des alten Thrones der Pharaonen bemächtigt hatte. Nicht wie diejenigen der alten Ägypter sind seine Gräber auf die Ewigkeit berechnet, sondern schnell und leicht erbaut. Vieles liegt schon in Trümmern und wird mit der Seit spurlos, vom Sande verweht, vollends verschwinden.
Die größte GrabMoschee ist diejenige des Sultans Barkuk (1382 -4399), mit zwei schönen Minarets und zwei prachtvollen Kuppeln. Unter der noördlichen liegt der Sultan und sein Sohn Saray, unter der südlichen sind Srauengräber, denn sogar im Tode müssen die Geschlechter getrennt sein, so erfordert es der Islam. Das eleganteste,zierlichste in der langen Reihe der Mausoleen ist dasjenige
Kait-Beys (468 1496).Wenn sich die schöne, bronzebeschlagene Cür hinter dem Befucher geschlossen hat, sieht er sich in einem hohen Raume,in den das Licht durch buntfarbige Scheiben warm, farbig und nach dem grellen Licht des Tages doch milde flutet und wohltätig wirkt. Su den Zeiten des Sarkophages liegen ein grauer und ein roter Granitblock mit Abdrücken, die für die Sußspuren des Propheten gelten. KaitBey hat sie selber von Mekka zurückgebracht.WPber.
[386]Reise einer Schweizerin um die Welt.Kleine Kuppeln überdachen und Gitterwerk hegen die beiden Steine ein, allein meinem Hassan gelang das scheinbar Unmögliche, aller Einhegung zu Trotze, andächtig und inbrünstig die heiligen Steine zu beleckhen.
Beim Heraustreten umringte mich die ganze Araberbevoölkerung, die sich in den Trümmern der Khalifen-Gräber allmählich angesiedelt hat. „Bakshish, shish“, D mir bittend entgegen. Als die Gesellfschaft zudringlich zu werden drohte, erstand mir ein Schutz in Hassan. Nach rechts und links mit seiner Peitsche Hiebe austeilend,lichtete er bald die Reihen. Cigennutz sicherlich trieben ihn zu dieser Handlungsweise,mochte er doch denken: „Je weniger Bakshish die Dame hier austeilt, um so mehr werde ich erhalten“, und schmeichelnd sagte er: „Nix geben, dummes Araber, Hassan gutes Jung, Bismarck gutes Esel, Hassan viel Bakshish geben!“ Die meisten dieser Jungen radebrechen etwas Deutsch, Englisch und Sranzösisch und erraten dabei mit wunderbarem Instinkt die Nationalität der Sremden.
Noch war es Seit, vor Sonnenuntergang die Höhen des Mokattam zu erreichen,und durch Staub, Sand und Geroll ritt ich steil bergan. Um meinem braven Bisssmarck das Leben nicht allzu sauer zu machen, war ich sehr bald abgestiegen. Ein Opfer, das freilich nur halb seinen Sweck erfüllte, da Hassan sofort meine Stelle einnahm und sich an meiner Statt hinauftragen ließ.
Der Moßkattam gehört zu dem großen Nummuliten-Kalkgebirge, das sich vom nordwestlichen Afrika über Indien bis nach China erstreckt und zu den ältesten Ablagerungen der Tertiärzeit zu rechnen ist. Die Steinbrüche am Mokattam bildeten schon im Altertum das Baumaterial der Ägypter, und zu den Riesenbauten der Pyramiden diente der Kalkstein des Moßkattams. Er ist mit Versteinerungen ganz durchzogen, und bald hatte ich eine Handvoll der kleinen, gelben Muscheln gefunden,die der griechische Geschichtsschreiber Herodot für versteinerte CLinsen, Überreste der Cinsenmahlzeiten der alten Ägypter, hielt.
Jede Vegetation fehlt, und doch soll einst uüppiges Grün den alten Gebirgszug geschmückt haben. Eine naive Legende erklärt uns den Grund dieser Veränderung: „Es war zur Zeit, wo Gott vater dem Moses auf dem SinarGebirge erscheinen wollte.borher aber hatte er diese Absicht den benachbarten Bergen kund getan, und da er keinem fagte, welchen Berg er zur Susammenkunft mit seinem Auserwählten erkoren,hoffte jeder insgeheim, er werde es sein. Auch erhob sich ein jeder und breitete fich aus, um höher zu scheinen und Gott vater dadurch mehr ins Auge zu fallen. Nur Sion, der Hügel, auf dem Jerufalem erbaut ist, neigte sich bescheiden und machte sich noch kleiner. Da gebot der Herr den stolzen Bergen, ihr Grün abzulegen und den Berg Sion zum Lohn für seine Demut damit zu schmücken. Auch der Mokattam mußte damals sich von seinen Blumen und Gräsern trennen.
Auf einem langen Plateau steht eine malerische, alte, zerfallene Moschee. Herrlich ist die Aussicht von dort aus. Von einer Höhe von 200 Meter schaute ich hinunter auf das weite sßäusermeer Kairos, auf die Hunderte von Minarets, die sich aus dem d unbestimmt skizzierten, während das nächstgelegene,attlichen Mohammed Ali oder Alabastermoschee, scharf []Sitadelle von Kairo. (5. 686.)
[688]Reise einer Schweizerin um die Welt.greifbar hervortritt. In stiller Majestat fließt der heilige Nil dahin. Die hreiten Segel der Dahabijen (Boote) schaukeln wie große, weiße Schwäne auf seinem ruhigen Wasser, und eine reiche vVegetation schmückt seine Ufer. Doch meine Augen schweifen suchend weiter nach Westen. Da, am Rande des unermeßlichen Sandmeeres, tauchen sie auf, bizarre, dunkelblaue, von flammendem Abendgolde umflofsene Dreiecke:die Pyramiden von Gize und Sakkara. Aus der Serne machen sie nicht den überwältigenden CEindruck, den ich mir geträumt, und doch, einmal gesehen, möchte ich sie in diesem Bilde nie wieder missen. Sie gehören hierher, sie bilden die charakteristischen, die einzigen harten Linien in dieser sonst allzu weichen Landschaft.
Nach und nach veränderten sich die Sarben, die Schatten werden blauer, die Selder längs des Nils grüner, Sitadelle und Alabastermoschee beginnen wie Gold zu leuchten und das silberne Band des Niles sich in einen Seuerstrom zu verwandeln.Den MameluckenGräbern und den elenden SellachenHütten zu unseren Süßen hat die scheidende Sonne für einen Augenblick einen pupurnen Königsmantel umgeworfen,der all ihren Verfall, all ihr Elend liebend verhüllt. Einige kurze Minuten, dann legt sich ein weicher, dunkelvioletter Ton auf die Wüste, die Stadt, die Landschaft.ssinter den Pyramiden ist das leuchtende Tagesgestirn zur Ruhe gegangen, und bald wird sich die leise, linde Nacht über uns Lebende und über die stillen Schläfer auf dem großen, weiten Wüstenkirchhofe legen. Salam aleikum![]Gami el Burdeni. (S. 689.) []
Heimwärts.
Heimwärts.
386
Heimwärks.
Schth elBeled. Die Mumie Ramses II. Die Grabstätten der Rönigsmumien. Ezbekiye-Garten. Gam'ia el Azhar. Riwãt, Profesjoren und Studenten. Ankunft in Bedraschen. Die zwei Ramses-Rolosse.Totenjeld von Salkära. Mariette. Sein Paus. Apis-Grüfte. Mastaba des Ti. Delwan. PortSaĩd.Abfahrt und Peimkehr.
Nas berühmte Museum ägyptischer Altertümer erhielt zunächst seinen Weltruf als Musée de Blak, dann wurde die sich immer mehr vergrößernde Sammlung in ein wenig passendes Schloß des Khediw Isma'il nach Gsĩze verbracht, und ist nun seit kurzem in einem eigens dazu errichteten Gebäude in Kairo selbst aufgestellt. Tage,wochen, monatelang könnte man sich an dieser riesigen, eigenartigen Sammlung belehren und erfreuen.
Ich will nur über zwei Gegenstände darin sprechen, über die Mumie des großen Ramses und das alte Holzbild des Schekh elBeled. Letzteres, wohl die schonste, besterhaltene Arbeit des alten Reiches, zählt wer würde ihr das ehrwürdige Alter ansehen etwa 4400 Jahre. Ja, die alten Ägypter, sind große Künstler gewesen! Wie haben sie es verstanden, den lebhaften Ausdruck des Gesichts durch kunstvoll gearbeitete Augen zu erhöhen! Die Augenwimpern find Bronze, der Augapfel ist weißer, undurchsichtiger Quarz, die Pupille ein durchsichtiger,farbloser Bergkristall. Ein mitten darin angebrachter dunkler Nagel verleiht dem Auge ganz merkwürdigen Glanz. Als die Sellachen den stattlichen Mann mit dem Kommandostab aus dem Totenfelde in Sakkara hervorgruben, schrien sie alle:«Schékh el Beled, unser Dorfschulze, und der Name ist dem Holzbilde geblieben.Jedenfalls war dieser Dorfschulze kein Cyrann, zu viel gutmütiges Wohlwollen spricht aus dem runden, ausdrucksvollen Gesicht, dessen Ähnlichkeit der Künstler gewiß vorzüglich getroffen hat. An dem ganzen ausgezeichnet erhaltenen Bilde mußten nur die abgebrochenen Süße mit altem Holze erneuert werden.
C. von Rodt, Reise um die Welt.
Englisches Militär in Raivo.
[22]Reise einer Schweizerin um die Welt.Und nun treten wir in den Saal, wo Ägyptens größte, berühmteste Herrfscher schlafen: Amenophis J. Chutmosis II. Chutmosis III. Sethos J. und der größte von allen, Ramses II.wie wird mir zu Mute? Scheu, Interesse, Mitleid und Unwillen kämpfen in meinem Innern. Warum liegen die einst so geweihten, in unerreichbaren Grabzammern verborgenen Königsleichen jetzt allen Augen preisgegeben als Kuriositäten im Museum? Warum darf dieser grüne Junge, der in meiner Nähe steht, seine Witze über das ernste Cotenantlitz des großen Ramfes ungestraft reißen? Hatte es den Gelehrten nicht genügt, wenn es die Pissenschaft doch einmal so verlangte, einen Blick auf die toten Pharaonen zu werfen und sie dann wieder einzufsenken ins stille Totenkämmerlein?Und doch, welch eigenartiges Gefühl, sie hier alle schauen zu können, die auf Erden gewandelt vor über drei Jahrtaufenden!Neulich habe ich im Werke Paul Caufers, «Au pays du Christ», seine schönen Betrachtungen vor der Mumie Ramses gelefen und will versuchen, sie hier zu überfetzen:AUnbewegt vom Anblick der Pyramiden, zittere ich vor Ramses. Denn hier bedarf es nicht des Wissens eines Gelehrten, es genügt, Mensch zu sein. Hier liegt Ramses selber vor mir, Ramses Mesamoun, der gewaltige Sesostris, dessen sagenhaft klingende Heldentaten die Griechen mit Bewunderung erfüllten und dessen Geschichte wir heute, dank den Sorschungen der Archäologen,kennen; Ramses, der furchtbare Pharao, der vor 3300 Jahren die Hebräer verfolgte.Aus jenen Seiten, die so fern zurückliegen, daß unser Geist sie kaum mehr zu fassen vermag, ist er selber zurückgeblieben; geschwärzt zwar und vertrocknet, zernagt bon sHarz und wohlriechenden Substanzen, aber seine Züge find es dennoch, und der Abglanz seiner letzten Gedanken. Welch mächtig ernstes Menschenantlitz! welche Adlernase! welche hervorspringenden Backenknochen! welche tiefen Höhlungen in den
Mumie Ramses II.[]Scheth elBeled. (5. 680.)
[592]Reise einer Schweizerin um die Welt.Schläfen! welch energisches Kinn, welch herrisch stolzer Ausdruck! welche Majestät im Code!
Die Züge find so wundervoll erhalten, ihr Ausdruck ist so lebendig, daß tiefe Kührung mich erfaßt. Nicht nur die erfurchtsvolle Scheu ist es, die wir beim Betrachten jedes Coten unwillkürlich empfinden, sondern eine Art Mitleid, ja, ich möchte es eine sympathische Übereinstimmung nennen. Und es kommen mir unbeschreibliche Gedanken... Dieser Mann ist einer meiner Erdenbrüder gewesen, und er hat eine Seele besessen. .. Dieser Mann war nicht nur Despot.
Er hat gesehen, was ich sah, er hat gelebt, geliebt, gehofft, gefürchtet, gekämpft,gesiegt.von alledem bleibt hienieden nur ein zusammengeschrumpfter, wie verkohlter Körper. vielleicht weiß er jetzt anderswo, daß wir hienieden keine bleibende Stätte haben.Pharao Ramses:Und wessen Blick dich trifft, der steht gebannt und trübe Und finnt zurück mit Grau'n an längst begrab'ne Seiten.O, greiser Mann, bist du's, der Chrone einstens stürzte?Die Welt in Trümmer schlug, die Erde bracht ins Schwanken?Der Müsteneien schuf, wo edle Städte blühten Und unerbittlich festhielt die gefang'nen Völker?
Seine Hand lastete schwer im striege. Er „herrschte über den ganzen Umkreis der Sonne“, heißt es auf seinen Citeln. Ruhmbegierig löschte er die Namen seiner Vorfahren auf den von ihnen errichteten Prachtbauten aus, um dafür den seinigen anzubringen.
Sohn des Ra, Sohn der Sonne! Wie ein Gott verehrter Sürst! Einst haben deine Volker dir kaum nahen, kaum dein erhaben Antlitz schauen duürfen. Heute liegst du da in einem Glaskasten, du trägsft die Katalogs-Tummer 1181, und man beugt sich über dein altes Gerippe, um dich besser betrachten zu können. Man sieht sich deine harten und doch friedlichen Zuüge an, deine geschlossenen Augen, dein lückenhaftes Gebiß, deine Runzeln, deine geaderte Stirn, die Augenbrauen, die einst weißen, durch das Einbalsamieren gelb gewordenen Haarsträhne, deine duürren, auf der Brust gekreuzten Arme, deine KHände, deine schmalen, langen Süße, deren Nagel noch die Spuren der letzten Hennafärbung tragen. Dieser ganze fleischlose Körper eines nahezu hundertjährigen Greises: Das ist Ramfes, Sesostris, der Bedrücker der Kinder Israels.“
So weit Paul Laufer.
Ramses II., Agyptens berühmtester Pharao, gehörte zur XIX. Dynastie und regierte volle 620 Jahre (1348 1281 v. Chr.). Moses hat unter seiner Regierung zelebt, allein erst unter seinem Sohn und Nachfolger Amenephthes Merneptah) fand der Auszug statt.
Als ich vor sechs Jahren in Cheben war, besuchte ich von dort aus Biban-el-Mulduk, jenes einsame Cotental, wo tief in schwer zugänglicher Schlucht verborgen die Pharaonen der XVIII.-XX. Dynastie ihre Gräber anlegen ließen. Nie werde ich die Erhabenheit jenes öden Tales im libyschen Gebirge vergessen, die Trauer und []Heimwärts.
693 Einsamkeit, die über ihm schweben. Hier schlief der große Ramses, bis Pinotem I.(XXI. Dynastie) die Königsmumien von Biban-el Muluk in das Tal von Der· el bahri bringen ließ, um sie vor Räubern, die fich schon zu der Seit zu wiederholten Malen an den Leichen vergriffen, zu schützen. Dort in einer künstlich erweiterten Selsspalte fanden sie eine lange Grabesruhe, bis es 1875 diebischen Sellachen gelang, in das versteck einzudringen und die Plünderung der Mumien aufs neue zu beginnen. Die Cotenstatuettchen und Papyrusrollen, die sie zu Markte brachten, ließen den Ägyptologen und damaligen Museumsdirektor G. Maspero sofort verdacht schöpfen, allein nach langer Seit erst konnte man die betreffenden Araber dazu bewegen, ihr Geheimnis preiszugeben. Da Maspero gerade in Europa weilte, leitete der verdienstvolle Konservator, Dr. Emil Brugsch, die Aushebungsarbeiten der Mumien.
„Niemals“, erzählt er, „hat es ein sichereres Versteck gegeben. Nachdem ich einen steilen Berg erklettert, erblickte ich, durch einen ungeheuern Selsblock versteckt, die öffnung eines U Meter tiefen Schachtes. Als wir unten angekommen waren, öffnete sich ein 60 Meter langer Gang, der endlich in einen acht Meter tiefen Raum mündete.“
Hier beim unbestimmten Lichte der Sackeln erblickte Brugsch Sarkophage, Kanopen,Weihgefäße, las die Namen der berühmtesten Pharaonen Ägyptens.
Als die Särge ans Tageslicht befördert wurden, heulten die Byãnen in der Serne, und auf den umliegenden Selsen saßen beutegierige Geier, sonst herrfchte Totenstille im Cal. In 48 Stunden war das Werk der Aushebung vollendet worden,und in langem Zuge wurden die toten Sursten, die Erbauer Thebens, zum Nil hinuntergetragen. Wehklagend und trauernd folgtken an beiden Ufern des heiligen Stromes die SellachenWeiber dem Schiffe, das die kostbaren Mumien davontrug, und die Mamner feuerten ihre Slinten ab, wie es jetzt noch Sitte ist bei Ceichenzügen.
Die Selsspalte in Derel-bahri ist seither zugeschüttet worden, und die alten Pharaonen haben ihre Grabesruhe nicht mehr gefunden. Im Jahre 1886 öoffnete Maspero auf Wunsch des Khediw Cewsik die Särge, und die Leinwandbinden wurden gelöst, welche die Coten für ewige Seiten vor neugierigen Menschenaugen hätten schützen sollen. Die alten Ägypter glaubten an das Vorhandensein einer Seele,die nach dem Tode des Menschen weiterlebte. Wie sie meinten, verließe sie den Koörper und flattere in Gestalt eines Vogels frei in der Welt herum. Bleibe der Körper unversehrt und falle nicht der Verwesung anheim, so pflege die Seele zuweilen wieder Einkehr zu halten in ihrer alten Hülle. Deshalb hat man in
EzbekiyeGarten.
[694]Reise einer Schweizerin um die Welt.Aghpten von alters her alles aufgeboten, um die Serstörung des Ceibes zu verhindern, und dies durch Einbalsamierung der Leichen auch so ziemlich erreicht.
Einen schönen, grünen Sleck mitten in dem Häusermeer Kairos bildet der EzbekiyeGarten, den der Pariser Gartenbaudirektor Barillet 1870 angelegt hat. Bei den Europäern in Kairo gilt er durchaus nicht für fashionabel, ich dagegen liebte und bewunderte den schönen Garten schon deshalb, weil er mir so manchen Baum und Busch aus den Tropen vorzauberte. Da stand ja auch mein Kigelia pinnata, der Ceberwurstbaum. Nicht so stattlich wie in Buitenzorg und in Madras,auch weniger und kleinere Würste tragend, aber der liebe, alte Bekannte war's dennoch. I
Von den zahlreichen Moscheen,hier Gamia genannt, steht die Erinnerung der Gam'ia elAzhar am lebhaftesten vor meinen Augen. Sie ist so alt wie die Stadt Kairo selber, wurde im Jahre 973 n. Chr.erbaut und erhielt 88 durch den Khalifen el Azĩz ihre Bestimmung als Universität.Im Laufe der Jahrhunderte wurde der Bau immer mehr vergrößert, und neuerdings wird er im Widerspruch zu dem sonstigen Gesetz des Islam, „zusammenfallen zu lafsen, was da will“, eifrig restauriert.
Die Zahl der Studenten dagegen ist in letzter Zeit beständig zurückgegangen. Noch vor 15 Jahren waren's 7600 bis 7700 unter 230 Professoren. Sür die Schüler jedes Candes und jeder Provinz ist ein besonderer Riwak (Gemach, eigentlich Säulenhalle)bestimmt. Curken, Syrer, Inder, Kurden, Studenten aus Bagdad, Mekka, der Somaliküste, der Berberei und dem Cande Yemen genießen dieses Vorrecht, ja auch die Blinden besitzen ihren eigenen Riwak. Letztere werden aus Stiftungen unterhalten,haben ihren eigenen Professor, Schekh genannt, und gelten für die fanatischsten Christenfeinde und die zu jedem Aufruhr am leichtesten Entflammten.
Auch die übrigen Studenten bezahlen keine Hollegiengelder, sondern jeder Riwak erhält eine Dotation aus dem Einkommen der Moschee, das durch Mohammed Ali nicht wenig ges chmaälert wurde, als er zu Staatszwecken das Einkommen aller frommen Stiftungen einzog. So ist es ein armselig Leben, das die Studenten auf der Universität ElAzhar führen, und ihr Hunger nach geistigem Brote muß groß fein, um die Entbehrungen, die ihnen eine vier bis sechsjährige Studienzeit auferlegt, gerne und willig
Wurstbaum im EzbekiyeGarten.[]FellachenDorf am Nil. 65. 702.)
[696]Reise einer Schweizerin um die Welt.
Universität ElAzhar.zu ertragen. Auch die Schekhs können sich hier keinen irdischen Mammon sammeln,sie beziehen gar keinen Gehalt für den offentlichen Unterricht, sondern müssen mit Hrivalstunden, Kopieren von Büchern und milden Gaben reicher Schüler ihr Leben zu fristen suchen. Die Studien beginnen mit der Grammatik, dann folgt Religionsund Rechtswissenschaft, letztere aus dem „Buche Gottes!, d. h. aus dem Koran abgeleitet. Su diesen Hauptfächern kommen Logik, Rhetorik und verslehre. Mathematik.Astronomie und Naturwissenschaften, in denen die Araber vor tausend Jahren sich auszeichneten, sind beiseite gelafsen.llachdem ums verschiedene Riwak gezeigt worden waren, einfach durch ßolzwände in einer großen Säulenhalle abgeteilte Räume, wurden wir in einen schönen, arkadengeschmückten Kof geführt. Welch malerisch Bild und welch betãubender Lärm! Gruppenweise kauern die wißbegierigen Schuler je um ihren Schekh, der mit gekreuzten Beinen auf einer Strohmatte sitzend, aus einem gewichtigen Bande vorliest. Kennt erst einmal ein Schüler den Inhalt des Buches auswendig, und kann er es erklären.dann wird er gleichfalls zum Schekh ernannt. Die Altersstufe der Lernenden ist eine sehr verschiedene. Sie reicht vom Knaben bis zum weißhaarigen Greise.Neben den vorlesenden Schekhs sagt eine andere Abteilung ihr Penfum unter Hinund Herneigen des Oberkörpers laut her. Eine dritte genießt unter Plaudern ihren aus Brot und Datteln bestehenden Tiffin, und dabei scheint keines das andere zu sisren.[]Schiffstation Bedraschen. (5. 698.) [] Heimwãärts.
697 Am wenigsten beeinflußt durch den Laärm sind jedenfalls einige herumliegende Riesenknäuel, an denen nur ein paar bronzene Beine auf menschliche Abstammung deuten.Ich hatte das Unglück, über eines dieser Pakete zu stolpern, und siehe da, aus braunen Decken tauchte sofort ein glattrasiertes, schlaftrunkenes, ärgerliches Haupt hervor.Cilends machte ich mich aus dem Staube und kam zur großen Sisterne, wo einige Studenten ihren religiösen Abwaschungen oblagen, da die Stunde des Gebetes nahte.In dasselbe Wasser tauchten andere ihr hartes Brot, um es aufzuweichen.
Ob es wohl dereinst in den europäischen Alosterschulen des Mittelalters so einfach frugal herging wie heutzutage in dieser Hochburg morgenländischen Wissens?Jedenfalls unsere modernen Studenten mit ihren Srühschoppen, Paukereien und festlichen Gelagen wurden sich hier wenig in ihrem Clemente fühlen! Dafür stehen fie auch übermenschlich auf der Stufe alles Wissens.
Auf der öͤstlichen Seite des Hofes, wo, gegen Mekka gewandt, vier Gebetsnischen stehen, ist der Hauptlehrsaal mit 140 Marmorsäulen und einem Slächenraume von 3000 Quadratmeter. Auch hier sahen wir ähnliche Gruppen, hörten denselben Lärm!sdelle Kinderstimmen ertönten aus einem Winkel. Wahrhaftig eine ganze sleinkinderschule, die jungsten Studenten El-Azhars! Die Knirpse schreiben auf Bleitäfelchen,natürlich pon rechts nach links, sauber und genau. Gerne hätte ich mir eine Schriftprobe zum Andenken mitgenommen, allein gewarnt vor dem Sanatismus, der diese Universität beherrscht, unterließ ich es.kiegender Ramses in Memphis.
[598]Reise einer Schweizerin um die Welt.
Stufenpyramide in Satkara.Noch einmal schritten wir durch die interessanten Gruppen. Eine Pause im Unterricht schien eingetreten zu sein, die Studenten schliefen oder flickten ihre Kleider.Vorsichtig setzten wir unsere Süße, über die natürlich Pantoffeln gestreift worden waren,zwischen Tintenfasser, gusgestreckte Beine, halbleere Eßschüsseln und kostbare Manuskkripte, und atmeten erleichtert auf, als wir ungefaährdet diese hehren Hallen der Wissenschaft im Rücken hatten.
Die Pyramiden von Gize, wer hat sie nicht im Bilde gesehen, wer nicht eine Beschreibung von ihnen gelesen!? Weshalb Eulen nach Athen tragen! Nein, lieber will ich meine Crinnerungen an Kairo mit der Schilderung eines Ausfluges schließen,der mich auch zu einer Pyramide brachte, einer weniger allgemein bekannten, derjenigen von Sakkara.
Bedraschen heißt die Cisenbahnstation, wo wir nach kurzer Sahrt ausstiegen,um sofort Teilnehmer an einem wilden Kampfe zwischen Reisenden, Eselstreibern und Eseln zu werden. Ich kannte sie, jene Konkurrenzschlachten, welche die Eselstreiber sich liefern und in die wider Willen Touristen und Reittiere verwickelt werden. Auf der Nilreise ein tägliches Vorkommnis, das man schließlich gelassen hinnimmt, sind sie immerhin für den Neuling Gegenstand des Schreckens. Wie eine losgelassene Meute auf das harmlose Wild stürzt sich die Bande der Eselsjungen auf die nichts ahnenden Ausflügler, Jeder schiebt seinen Csel vor, jeder schreit. Stöcke, Peitschen und Zuckerrohrstengel sausen durch die Cuft, blindlings wird zugeschlagen, und ent[]Heimwãärts.
699 wirrt man sich endlich aus dem Knäuel, so sitzt man meist auf dem Esel, den man gerade nicht haben wollte.
So ging's mir heute, unter mir rutschte der Sattel, aber, halli, hallo jagte die
Hesellschaft über einen langen Damm dem Palmenwalde von Mit Rahine zu. Doch so weit gelangte ich vorläufig nicht. Mein Sattel drehte sich und unversehens lag ich auf dem harten Boden. Meine ganze rechte Seite wund, mein KKleid zerfetzt,mein Mut gesunken o zu hdaufe wär's jetzt gut sein! Was half's? Ich mußte wieder aufsitzen, und zuletzt gelangte auch ich glücklich in den Palmenhain zu den beiden liegenden Ramsessolossen.Der eine, dessen Bild ich hier bringe, ist vor wenigen Jahren erst gefunden worden. Er ist aus Granit und mißt ohne die danebenliegende Krone acht Meter CLänge. Die Krone ist zwei Meter lang. Auf den Schultern, Brust, Guüͤrtel und Armband stehen die Namen des stönigs Ramses IL. Der andere Koloß ist schon 1820 gefunden worden, und kaum kann bezweifelt werden, daß es die beiden Standbilder sind, die der König nach seinen Siegen über die Voölker des Ostens vor dem Tempel des Ptah in Memphis errichten ließ.
Hier stehen wir ja in Memphis, der alten Hauptstadt des Reiches, die Menes, der erste Herrscher Ägyptens,um 3000 v. Chr. erbauen ließ. CLange blüte Memphis, noch unter Augustus war sie eine große, volkreiche Stadt. Auch nachdem die schonbehauenen Blöcke ihrer Prachtbauten auf das linke Nilufer gebracht worden waren zum Bau der neuen Rhalifen stadt MasrelKahira, fand Abdullatif, der Bagdader Arzt, Ende des XII. Jahr-hunderts: „daß die Suülle der Wunder von Memphis den Verstand verwirre und deren Beschreibung selbst dem beredtesten Menschen unmoöͤglich sein würde“. Und nun?Die beiden Kolosse, Schutthügel, Scherben, Siegelreste, das ist alles!
Weiter führte unser Weg durch das gewaltige Cotenfeld von Sakkara, das sich in einer Länge von sieben Kilometer ausdehnt und eine Breite von 1800 Meter
[700]Reise einer Schweizerin um die Welt.mißt. Muhsam wateten unsere Csel durch den tiefen Sand, der sich unendlich, unabsehbar, gleich dem Ozean vor uns ausbreitete. Wie oft schon ist er hier aufgewühlt worden bei Nachgrabungen, aber immer noch birgt er viele stille Schläfer. Der Sand hat sich ihnen als freundliches Clement erwiesen, hat erhalten, verborgen und eingehüllt, was ihm anvertraut wurde. Oft hat er sich auch das, was Menschenhand aufgedeckt und am Tageslicht erhalten haben wollte, wieder zurückerobert, so mächtig wie Wasser, aber treuer als dieses.
Wortlos ritten wir nebeneinander her; ein Schauder hatte mich ergriffen, wie damals im Tale von Bibanel-Muluk. Und doch schien die Sonne so hell, so warm.Auch hier Totenstille. Hie und da schaut ein weißer Knochen hervor, hie und da gähnt ein tiefer, nur halbverschütteter Grabesschacht. Der dunkle Schatten, der vor uns gespensterhaft aufsteigt, ist die Stufenpyramide, das älteste Baudenkmal Ägyptens,zerbröckelt, bizarr, unschön. Immer mehr Pyramiden tauchen in der Serne auf,diejenigen von Abufir, Dahschur, Gize.
In glühender Hitze gelangten wir dicht an der Stufenpyramide vorbei zum einfachen Wohnhause des bekannten Ägyptologen Mariette. In dieser Weltabgeschiedenheit lebte der fleißige, unermüdliche Sorscher vier volle Jahre, während er die Leitung der Ausgrabungen in dem Totenfelde von Sakkara führte.
Die Sranzosen empfinden es schmerzlich, daß die Seit ihrer Herrschaft und ihres Cinflusses in Agypten so wenig Spuren hinterlassen hat. Ein Verdienst jedoch wird ihnen von den Besuchern des Landes der Pyramiden stets hoch angerechnet werden,sie haben zuerst gegen den Raubzug, den gewissenlose Curopäer und Sellachen mit den archäologischen Schätzen Ägyptens führten, gewirkt. Auf ihre Anregung hin ließ der damalige Vizekönig Said Pascha in Bulak ein Museum errichten, wo man alles hinbrachte, was beweglich war, was dagegen nicht von Ort und Stelle entfernt werden konnte, wurde sorgfältig geschützt. Seine und seines Nachfolgers Ismael Pascha rechte Hand dabei war der franzosische Gelehrte Auguste Mariette, der mit geringen Unterbrechungen von 18811881 als „GeneralDirektor der Pflege ägyptischer Altertümer“ und Leiter des Museums von Bulak in Ägypten wirkte. Auch sein ebenso hervorragender Nachfolger Maspero, 1881 1886, ist ein Sranzose gewesen.
Mit Ehrfurcht betraten wir das einfache Haus Mariettes. Es dient jetzt den Befuchern von Sakkara als Absteigquartier. Willkommen war sein Schatten nach dem heißen Wüstenritt, willkommen der süße, arabische Kaffee, den die freundlichen sHüter des Hauses uns brauten, und der unsere müden Geister mehr hob als die mitgebrachten mageren Hühner des NilHotels.
Nahe von Mariettes Heim liegen die von ihm schon 1851 entdeckten Apisgrüfte.Apis, der heilige Stier Ptahs, des ersten und ältesten Gottes Agyptens, wurde in Memphis in einem besonderen Tempel verehrt. Starb er, so balsamierte man r n gleich einem Mens hen ein und setzte ihn in Sakkara, der Nekropole von phis, mit großem Pompe bei. Der Apis mußte schwarz sein und ein weißes Dreieck auf der Stirn tragen. Eine helle Stelle in Sorm eines Adlers auf dem An mna in Gestalt eines Scarabäus (CKafer) unter der Zunge r s von ihm verlangt. Er ruhte im Tempel auf weichem Cager hinter []Heimwärts.
701 einem Vorhang von kostbarem Stoffe. Groß war die Sahl seiner Diener, noch viel größer diejenige seiner Verehrer, wurde ihm doch prophetische Gabe zugeschrieben.Da dem Apis die Sprache versagt war, nahm man folgendes an: Sraß er Sutter aus der Hand des Sragenden, so war das Grakel günstig, nahm er es nicht, so stand es schlimm mit der Angelegenheit, um die befragt worden war.
Mit Suhrern und Lichtern kletterten wir in die in Sels gehauenen, unterirdischen Apisgrüfte. Cin langer Gang nahm uns auf. Zu seiner Rechten und Linken sind Grabkammern,und nahezu jede enthält einen 4 Meter langen, 2,30 Meter breiten und 3,00 Meter hohen Granitsarkophag. Er ist glänzend poliert, schwarz oder rötlich, und besteht aus einem Block. Doch das alles sah ich erst nach und nach, war doch alles Schatten, alles un
Straßenbild.bestimmtes, grauses Dunkel in dieser Gruft. Hie und da gab uns eine Sackel, ein heller flackerndes Kerzenlicht einen Begriff von der Größe des Raumes. Suweilen wurde auch etwas Magnesium verbrannt. Dann umspielte ein bläuliches Licht auf kurze Seit die Riesensarkophage und ließ das Dunkel ringsum noch grauenvoller erfscheinen.
Mariette hat die meisten Sarkophage durchwühlt und ihres Inhalts beraubt gefunden. Nur ein Gemach, das zur Seit des großen Ramfes vermauert worden war,entging den Räubern. Mariette erzählt über seine Auffindung: „An seiner ursprünglichen Gestalt hatten 3700 Jahre nichts zu ändern vermocht. Die Singer des Agypters,der den letzten Stein in das Gemäuer einsetzte, waren noch auf dem Kalke erkennbar.Nackte Suüße hatten ihren Eindruck auf der Sandschicht zurückgelassen, die in einer Ecke der Cotenkammer lag. nNichts fehlte an dieser Stätte des Codes, an der seit beinahe 14 Jahrhunderten ein einbalsamierter Stier ruhte.“
[702]Reise einer Sschweizerin um die Welt.Erleichtert atmete ich auf, als wir die dunkelschwüle Stätte der ApisGräber verließen, um der Mastaba des Ti zuzureiten.
Mastaba Banke) nennen die Araber auch die als freistehende Guaderbauten errichteten Mausoleen. Eine Mastaba besteht aus einem, zuweilen mehreren Gemächern.einer Nische mit der Statue des Verstorbenen und der Grabkammer, einem tiefen Schacht, in den die CLeiche versent wurde. Diese Mastaba stammt aus der Zeit der aus dem Sande gegraben worden.
„Tie war einst königlicher Oberbaumeister und Vorsteher der Pyramiden. Ich habe seine· und seiner Gemahlin Bildsaulen schon im Museum gesehen, so daß ich in dein Manne des Reliefbildes auf dem Cürpfosten leicht den Ti erkannte. Hier teilte man uns auch seine Titel mit, deren er nicht wenige besaß. Er war „Kammerherr des Königs! „thronend im Herzen seines Kerrn“ und noch des Schänen mehr. Seine Eemahlin gehörte der königlichen Samilie an. Ci ehrte sie mit dem Titel „Hausfrau“,„Geliebte ihres Gatten“ und „Palme der Anmut für ihren Mann“. In der Mastaba find alle Wande mit meist leicht bemaltem Relief überdeckt, ein hochinteressantes Bilderbuch aus längst vergangenen Seiten. Wir sehen Ci an Größe feine Umgebung weit überragend und dadurch schon seinen hohen Rang andeutend, inmitten seiner Samilie und seines Gesindes. Bald liegt er der Jagd, bald der Sischerei ob, bald nimmt er die Tribute seiner Dorfbewohner in Empfang. Dazwischen sehen wir Zimmerleute, Steinmetzen, Glasblaser an der Arbeit und bei der Ernte, beim Gänsestopfen, beim Schlachten beschäftigte Sklaven.
Denselben Weg ritten wir zurück, doch nicht zur Eisenbahnstation, sondern an das Ufer des Nils. Nücht an den lotosbekränzten Nil meiner Cräume, fondern an einen gelben, träge dahinschleichenden Sluß, an dessen Ufern sich hie und da ein ebenso mißfarben graubraunes, armseliges SellachenDorf ausbreitet. CLehm bildet das Baumaterial dieser Mohnungen, die eher verfallenen Ruinen als bewohnbaren ssaäusern gleich sehen. Am Nil standen schwarz gekleidete Sellachinnen. Die Burkos hatten sie hier abgelegt und trugen antik geformte Conkrüge, sogenannte Gullen,geschickt auf dem Haupte. Schlank, gerade, ja koöniglich stolz schritten sie unter ihrer schweren Last einhe.
Lange blickten wir uns vergeblich nach einer ü berfahrtsgelegenheit um. Endlich nahte eine mit Eingebornen, Truthühnern, Tauben und Eseln angefüllte, altersschwache Seluke. Jedwelche Sitzgelegenheit fehlte. Wir mußten uns mit unseren Jungen und vierfüßlern dicht an die Cingebornen und ihre Tiere drängen, eine Unannehmlichkeit, die insofern ihren vorteil hatte, daß wir so besser den Stößen und Schwankungen der Sahrt Widerstand leisten konnten.
Am anderen Ufer hieß es wieder aufsitzen und durch eine wüͤste Sandebene nach Helwan reiten, einem seiner reinen Cuft und Schwefelquellen wegen vielbesuchten eleganten Kurorte. Abermüdet · von dem vierstümdigen Ritte, hatte ich für Selwan w ng Zegennning und Aralte nwrig nnd war dauber heritch sroh.. als mich die Eh enbabn nach kurzem Aufenthalte daselbst wieder der Hauptstadt zuführte.
Mit diesem Ausfluge endete unser kurzer Besuch in Kairo, und den folgenden Tag []Wassertragende Sellachen-Weiber. (5. 702) [] Heimwärts.
733 reisten wir nach Ismatlia, wo wir uns einschifften, um durch einen Teil wenigstens jenes berühmten SuesKanales zu fahren, der das bis vor kurzem fehlende Bindeglied zur Umgürtung des Erdballes geworden ist.PortSaid war unsere letzte überseeische Landung. Tue ich der Stadt unrecht, wenn ich behaupte,fie beherberge den Abschaum aller Nationen? Noch sehe ich die unverschämten, verderbten Gesichter zweier Gassenjungen vor mir. Sie bettelten uns an: «No father, no mother, never had any.» nicht unfroh gingen wir bald wieder an Bord des Schiffes, das sich zur Abfahrt rüͤstete. Bald erzitterte sein Rumpf unter dem betäubenden Knarren der Dampfkräne, die den Anker aufhißten. Dazwischen durchdrangen die Pfiffe der Bootsleute in allen Conarten den Lärm, und über den Köpfen hoöͤrte ich die Matrosen mit dumpfem Gerausch barfuß über Deck laufen und die Ankertaue einziehen. Endlich der letzte Pfiff. nur der Dampf schnaubte jetzt noch in seiner Esse, und ungeduldig schaukelte · das Schiff auf den Wellen, wie ein feuriger Renner, der scharrend und stampfend das Seichen zum Wettlauf erwartet.
Ein leises Sittern, dann setzte sich der Dampfer langsam in Bewegung. Sur Cinken lag der Quai von Port-Sasd mit seinen europaischen Bauten, Kaffeehäusern,Gasthöfen und seiner Abenteurerbevölkerung von jeglicher Särbung und jeglicher Sprache. Zur Rechten schimmerte der halb unter Wasser stehende Ufersand in den letzten Strahlen der untergehenden Sonne. Hinter uns hatten wir die hohe, weiße Säule des Leuchtturmes gelassen und das schmale, bläuliche, sich mit dem blauen Himmel verschmelzende Band des SuesKanales. Jetzt fuhr das Schiff mit vollem Dampfe kaum noch bewegt durch die blauen Wogen des schlummernden Mittelmeeres,und leicht zur Seite abschwenkend schlug es die Richtung nach Italien ein.
Drei Tage darauf landeten wir in Neapel. Nochmals zog es uns südwärts nach Sizilien, dann zur kurzen Rast auf jenen starren Sels im Meere, „Capri“, den Sehnfuchtstraum aller Maler und Dichter. Mächtig wirkte wiederum auf mich der Zauber der blauen Grotte, des originellen steilen Städtchens, der reizenden Srauen und Kindergestalten. Auch diesmal bestieg ich den „CTimberio“ und feierte oben in der Kapelle,die auf den Ruinen der Tiberius-Villa steht, ein Wiedersehen mit dem lustigen, alten
Im Ranal von Suès.
[704]Reise einer Schweizerin um die Welt.Eremiten. „Gibt es denn noch Menschen in Deutschland?“ fragte er. Als ich ihn befremdet anschaute,meinte er: „Sie sind ja alle hier auf Capri, die Deutschen.“ Beim Abstieg fielen wir Carmela und noch zwei TarantellaTänzerinnen in die hände.Eine Tamburin schlagende Alte, ein munterer Ra-Zazzo sind schnell zur Stelle aind der Tanz beginnt, bald wild dahin rasend, bald langfam und schmachtend.
Ein Tag noch auf Capri, dann ging es in vielfach durch kurzen Aufenthalt in den klassischen Städten Italiens unterbrochener Sahrt der Heimat zu. Dankbar,glücklich und gesund durfte ich sie nach langer Abwesenheit wieder begrußen, dankbar vor allem dem qutigen, freundlichen Stern, der von Anfang bis zu Ende meiner Weltfahrt treu geblieben ist.
Und fällt es mir jetzt zuweilen schwer, mich in das farblose Einerlei des Alltagslebens zu finden, so sage ich mir den Spruch vor:
Wer Gutes empfangen,Der darf nicht verlangen,Daß nun sich der Craum Ins Unendliche webt.“
Ja, der Traum! vVon Kindheit an träumte ich eine Weltreise, wachend und schlafend schwebte sie mir vor, bald greifbar nahe, bald in unendliche Sernen entrückt. O gütiges Schicksal, das mir das Ersehnte gewährt! O ewig schöner Traum,der du Wahrheit geworden! Entschwunden bist du, vorbeil und verwirrt, entnüchtert blicke ich um mich, blicke sehnsüchtig zurück in all die versunkene Pracht,und fragend drängt es sich auf die Lippen: War's am Ende dennoch nur ein Traum?
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- TextGrid Repository (2023). Swiss German ELTeC Novel Corpus (ELTeC-gsw). Reise einer Schweizerin um die Welt: ELTeC Ausgabe. Reise einer Schweizerin um die Welt: ELTeC Ausgabe. European Literary Text Collection (ELTeC). ELTeC conversion. https://hdl.handle.net/21.T11991/0000-001D-4772-1