Die Wirthschaft nach der neuen Mode. [] Die Gräbt.Kläglich wimmerte das Glöcklein aus dem niedern Thürmchen der Kirche zu Uefligen. Auf dem Kirchhofe stand ein Mann und legte Stricke über ein offenes Grab; um den Kirchhof herum schwärmte die der Schule entlassene Jugend, die nicht gerne heimgeht, wenn was zu sehen ist im Dorfe, sei es eine Hochzeit, sei es ein Leichenzug. Der Neugierde ist Alles eins.
„Du, wen begraben sie heute?“ fragte eine vorübergehende Frau eine andere, welche mit den Händen unter dem Fürtuche schlotterend da stand. Es schien eine kränkliche Frau, um guten Lohn wäre sie nicht im kalten Winde gestanden, Sie möchte es nicht erleiden,hätte sie gesagt, sie sei gar gliedersüchtig und es fehle ihr sonst noch viel. Aber wenn der G'wunder ins Spiel kam, da achtete sie Alles nicht und keine mochte mehr Kälte und Wind, Hitze und Staub erleiden, wie sie.„E“, antwortete die Angeredete, „weißt du das nicht,und reden doch alle Leute davon? habe gemeint, es fei Niemere auf der Welt, der das nicht schon wisse.“„Kein Sterbeswörtli habe ich gehört,“ entgegnete die Erste. „Weißt de nit, d'r Wirih üf d'r Gnepfi ist g'storbe, u mi bigrabt neh hüt.“ „Nit müglich,“ fagte die Erste, „den säh ich ja erst letzten Samstag vor acht Tagen zu Solothurn und da ist er noch ganz lustig und hellauf gewesen, hat beim Storchen Wein gezahli ein Paar Mädchen, es weiß kein Mensch, wie manche Halbe.“ „So het ers chönne,“ antwortete die Zweite;„er het nit dra g'sinnet, wie kurz es währt, wenn man's z'stark treibt. Letzten Dienstag am Morgen fand
4 [2]man ihn todt im Bette. Am Abend vorher ist er noch wohl auf gewesen, hat, mit ein Paar Kameraden g'ramset bis nach Mitternacht, man hat ihm von Krankheit gar nichts angemerkt; nur hat er sie nie fortlassen wollen, sie waren manchmal z'weg zum Gehen. Nur noch Eine, hat er gesagt, nur noch Eine, ins Bett mög er nicht, man könne ja morgen liggen, so lang man wolle,es sei ihm afe nichts so z'wider, als id's Bett z'gah.Sie haben sich dessen nicht sövli g'achtet, er hat's immer so gehabt, je länger es des Abends bei ihm gegangen, desto lieber war es ihm. Am andern Tage äber, als sie hörten, er sei todt gefunden worden, dachten die Kameraden, ob es ihm wohl vorgewesen, wegem lang ligge? von wegen jetzt könne er ligge länger, als ihm wöhl lieb sei, und wenn er endlich aufstehen müsse,so könne ihm das Aufstehen noch schwerer werden als das Ligge. Allweg hets ihnen ag'fange gruse vor dem Höckle is nach Mitiernacht, sie wollen lieber früh nieder und fruüͤh wieder auf, als ung'sinnet so lang müsse z'ligge, wie d'r Wirth uf d'r Gnepfi.
Aber lueg, dort kommen sie, Potz was für e große Lycht (Leichenzug). Aber so ist's, wo es eine gute Gräbt (Veichenmahl) gibt, gibt's viel Leute, wo es keine gibt,gibt es auch keine Leute, auf den Menschen kommt es dabei nicht an, und sei er in Gottes Namen gestorben oder in einem andern.
Voran kam auf einem Wägelchen der schwarze Sarg.Arme Leute verköstigen sich nicht mit der Farbe, lassen weiß den Sarg, sie werden denken, wenn Trauer sei in den Herzen der Begleitenden und weiß das Herz des Gestorbenen, so sei es Alles, was vor Gott nöthig sei; die Welt habe sich nie viel um den armen Gestorbenen bekümmert, warum sollte man sich nun um die Welt kümmern bei seiner Begräbniß. Hinter dem Wägelein her kamen Knaben des Gestorbenen, pfausbäckige Jungens mit falben Haaren. Sie trampelten ziemlich gedaukenlos einher, man konnte ihnen nicht ansehen,waren sie Weinens satt oder hatten sie es noch nicht zum Weinen bringen können. Blos der Jüngste, ein [] 3 sechsjähriger Bube, weinte stark und schluchzte laut; er war des Vaters Liebling gewesen; was er wollte hatte er vom Vater gehabt; so oft der Vater trank, kriegte der Junge auch und wenn er sagte: Vater, der ist mir z'sure, so holte der Vater bessern, und wenn der Vater aß, so kriegte der Junge ebenfalls, und wenn der Vater Rindfleisch aß und der Junge sagte: Vater, mag nit Rindfleisch, möchte lieber Hamme oder es Prägelwürstli,so holte ihm der Vater das eine oder das andere. Seit drei Tagen, seitdem der Vater todt war, bekümmerte sich Niemand viel um ihn. Niemand holte ihm bessern Wein, Niemand ein Prägelwürstli; da fühlte er, wie übel es ihm mit des Vaters Tode gegangen, darum weinte er so sehr. Großes Bedauern hatte mit dem Jungen die Welt. Das ist e b'sungerbar e Witzige für so ne Junge, sagten die Leute, der merkt, wie übel es ihm gegangen, daß der Vater gestorben. Es sei sich auch nicht zu verwundern, er sei dem Vater b'sunderbar werth gewesen, und dann wisse man nicht, ob die Leute das Wirthshaus behalten könnten, söpli King u söpli jung und sövline lüftige Mutter; es wüsse kei Mönsch, was die anstelle. Usdas merk dä Jung scho,u heygs i d'r Nase.
Hinten her kamen viele Männer in schwarzen Mänteln und Wollhüten auf den Köpfen; schwarze Strohhüte haben nicht Gültigkeit, weder bei Leichen, noch beiim Abendmahl. Bei Leichen tragen sie nur die, welche es nicht besser vermögen, und beim Abendmahl nur Güterbuben, deren Bauern zu geitzig zu einem Wollhut waren. E Strauhut thuts sauft, er ist z'halb wöhlfeler und notti schwarz, u schwarz wird doch d'Hauptsach sy, sagt so ein geitzig Mannli, das nicht weiß, was d'Hauptsach bei Golt ist, bei dem aber d'Wöhlfeli d'Hauptsach ist.
Unter den Wollhüten sah man ernsthafte Gesichter,aber gerührte hätte man vergeblich gesucht. Die Gedanken hinter den Gesichtern sah man nicht; es kam Manchem wohl. Es hätte es sicher Mancher ungern gehabt, wenn man hinter seinen Augen hätte lesen [] 4 können: Hätte ich nur das Geld für das letzte Kalb,so früg ich Allem nicht viel nach, z'Sach könnte sein wie sie wollte; oder: Hätte ich, nur die letzte Nacht nicht mit ihm gespielt und getrunken, aber es will mir nicht aus dem Sinn; ins Haus gehe ich nicht mehr,wenn ich nicht mußz und Tags mach ich mich heim;wenn's nachtet, so fängt's mich an zu schaudern, weiß gar nicht wie es kömmt.
Hinter den Mannern kamen die Weiber, ihrer wenige aber schaurig schwarz und schwatzten nicht. Einige wischten die Augen, sie wußten kaum warum, wahrscheinlich blos so des allgemeinen Gebrauchs wegen.Andere machten sonderbare Augen, man wußte nicht,waren sie zörnig oder wollten sie lachen. Wollten sie vielleicht sagen: Hast du jetzt einmal, Feierabend, gäll,dä ist d'r cho ung'sinnet und dest' g'schwinger je länger du unsere Mannleni im Wirthshause versäumt hast.Gäll, jetzt hörst sagen, ume no Eini, ume no Eini!
Zuletzt schritt eine stattliche Frau daher, gut angethan, weinende Mädchen um siez das Kleinste führte sie an der einen Hand, während sie mit der andern das Nastuch vor den Augen hatte. Sie war ergriffen, man sah es wohl, aber was sie ergriffen hatte, das wußte män nicht. Es kann ein Weib gar Manches ergreifen,wenn es dem Sarge des Mannes das Geleite zum Grabe gibt; es kann die Liebe sein Herz zerreißen oder die Reue; es kann der Kummer für die Zukunft, oder der Gram über die Vergangenheit dessen Seele erschüttern. Am lautesten jammerte das kleinste Mädchen,ein fünfjähriges Kind, kein Zusprechen stillte seinen Jammer. Warum dieses Kind so jammerte, daß es den Nächsten die Seele zerriß und Schauer um Schauer durch die Gebeine jagte, wußte man.
Als es den todten Aetti sah, hatte es die Mutter gefragt: „O Müette, het d'r Aetti ächt no bätet, eh er g'storbe ist, het er ächt o?“ „Wie wett er, er ist ja im Schlaf g'storbe,“ hatte die Mutter geantwortet. Da war das Kind in einen unbeschreiblichen Jammer versunken und hatte immer gerufen: „su chunt üse Aetti [5] nit i Himmel, o üse Aetti chunt nit i Himmel! „Vergebens wollte die Mutter trösten und fagen: er hatte ja nicht beten können, weil er im Schlaf gestorben.Das Kind wollte das nicht fassen: „Du hast's gesagt und der Schulmeister hat's gesagt, wer nicht bete,komme nicht in Himmel, und üse Aetti het nüt betet und jetzt chunt er nit dryl“ Da wollte kein Trost anschlagen, es blieb bei dem, was man ihm zuerst gesagt,wie Kinder es oft haben, daß man umsonst ihnen züredet, zu vergessen, was man ihnen zuerst gefagt hat.Wohl hatte es in der Zwischenzeit sich zuweilen beschwichtigen lassen und geschwiegen, hatte gefragt, wenn es xecht bete, ob's ächt o füre Aetti gält- und auf die bejahende Antwort Ernst mit bete gehabt, daß ihm in der vergangenen Nacht endlich die Mutter unwillig befahl, es solle doch aufhören stürme und o einist schlafe.Es war nicht böse gemeint, aber eine müde geängstigte Frau, die gerne schlafen möchte, wiegt die Worte' nicht ab. Aber schon als man vom Hause wegging, besonders als man das wimmernde Glöcklein hörte, das so schaurig der Leiche zu rufen schien, war der Jammer noch heftiger losgebrochen, und als man zum Grabe kam, die Erdschollen so hart polterten auf dem Sarge,da brach es in lautes Schreien aus, daß Alle großes Erbarmen bekamen und viele weinten um des Kindes willen. „Du arm's Tröpfli, sagte eine alte Frau, brieg du nur, so lang de witt u so lut de witt, das schadt dir hie nit u dert nit. So lang du ume über angeri brieggist, macht Alles nüt, üse Heiland het ja o briegget, mach ume, daß de nie über di selber briegge mußt,selb chönt de fehle.“
In die Kirche zum Gebete zog die Menge. Wie sie drinnen war, verhallte das Gloöcklein; stille ward's,man hörte nur noch des Mädchens Schluchzen, das wurde aber auch dumpfer, seltener, und bald hörte man nichts mehr, als vom Taufsteine her das ernste tiefe Gebet, das den Menschen mahnet an seine Sterblichkeit und was ihm Noth thue, damit wenn der Herr komme wie ein Dieb in der Nacht, im Schlafe eine Seele [] 6 fordere, dieselbe nicht unvorbereitet dahin fahre, kein Kind weinen müsse über den Aetti oder übers Muetti in Kummer und Angst, daß ihre armen Seelen verloren gehen möchten, weil sie nicht blos aus leiblichem,sondern auch aus geistigem Schlafe vor Gericht gerufen werden. In tiefen Schlaf hatte der Herr das arme Mabdchen gewiegt, als das Gebet zu Ende war; milde ünd lieblich lächelte es auf den Armen einer muntern Base, diees nach Hause trug. (Die Menge wandte I Gnepfi zu, nächdem die Manner die schwarzen Mäntel abgenommen, sorgfältig in mitgenommene Säcklein sie gepackt, die Weiber die Zupfen, die nicht halten wollten, sich wieder um den Kopf festgebunden hatten. Die Gräbt war im Wirthshause auf der Gnepfi und zwar nicht blos eine Käsgräbt, d. h. eine, wo blos Wein, Brot und Käse aufgestellt wird, sondern eine Fleischgräbt und zwar von den bessern, denn da war Voressen, Rind- und Schweinefleisch, Sauerkraut und dürre Bohnen, dann Braten,Hamme, Salat und Tateren (Torten). Es waren Leute da von weit her, und die Wirthin zählte sich zu den Vornehmen im Lande, sie hätte es nicht anders gethan, und was es kostete, frug sie nicht, ans Rechen war sie nicht gewöhnt, und wenn man die Sache selber habe, so brauche man ihr gar nichts nachzurechnen,war ihre Meinung, bei allem was in ihrem Hause gebraucht wurde. Sie war streng voraus geeilt, um die letzte Hand an alles zu legen und dafür zu sorgen,daß die Leute nicht warten müßten; sie ward nicht gerne verbrüllet, sondern lieber gerühmt. Ob sie aber recht wußte, was Ruhm bringt und z'Verbrüllen macht,* ist eine andere Frage, darin irrt sich gar manche Frau.Langsam waren ihr die Leute nachgekommen, und viel zu mustern gab es noch, ehe sie alle saßen um die langen im Tanzsagle aufgestellten Tische. Zu was allem doch so ein Saal dienen muß und was er alles sehen muß! Wenn er reden könnte, man würde sich verwundern; verwundern z. B. wenn er erzählen würde,[] 7 wie er oft an Tanzeten traurigere Herzen gesehen hätte als an Gräbten. Die Wirthin handthierte unten in der Küche, hatte aber Aufträge gegeben diesem, jenem:Lue m'r doch de öppe, daß es nieders zu syr Sach chunt u schaych y! Wenn aufgetragen war, so trat sie einen Augenblick unter die Thüre und übersah die Tische, ob allenthalben was sei, die Speisen recht verstellt und die mäßigen Flaschen nicht leer. Wer sie zuerst sah, füllte sein Glas, drehte sich auf seinem Stuhl und sagte: „es gilt d'r Wirthi, chum u thue B'scheid!“ „Es angersmal,“ sagte dann die Wirthin,„bis ume rühyig.“ „Chunst nit o zu nihs?“ „Ih chume de, aber z'erst muß ih no ache, si hey m'r g'rüft.“
„Wie geht's ihr wohl,“ fuhr der fort, welcher es ihr gebracht hatte, „kann sie wohl bleiben, oder kehrt es sie?“ „Sie meint nichts anders, als furthfahre,“ antwortete ein Anderer; „sie hat davon gesagt, wie es jetzt gehen müsse und häb im Sinn viel lah z'weg z'mache.“„Dere könnte es noch anders kommen,“ antwortete der Erste, „entweder thut sie nur dergleichen oder si chennt de nüt vo d'r Sache. Da werde no Sache füre cho,a die no Niemere sinnet.“ „Meinst?“ antwortete der Andere. „Ih ha o afe neue e Ton g'hört, aber ih ha du denkt, es wird afe gar viel g'schwätzt.“ Dieses Gespräch verbreitete sich, langsam schleichend wie Feuer im Moose, doch nicht bis zu oberst an den Tisch, wo die Verwandten saßen, auch nicht an der Weiber Tische,die abgesondert saßen, denn nicht ungerne thun die zuweilen, als ob ihnen die Nähe des Mannevolks in der Seele zuwider sei. Das schickt sich auch nie besser als an einer Gräbt, wo es sich ohnehin nicht schickt, Carlishof zu haben und Gugelfug unter einander. Die sprachen davon, wie doch das Mädchen gethan hätte,wie es ihnen dabei. afe fast g'schmuecht cohnmächtig)worden sei. Es syg ume es King, aber denen werde manchmal was eingegeben, was große Leute nicht wüßten, und schon manches Kind hätte etwas gesehen,Erwachsene hätten nichts bemerken können, gäb wie si g'luegt heyge. Sei das wie es wolle, so sei es allweg [3]grüßlig, so ploötzlich zisterbe und no unbetet. Man * Vht umsonst: e Schlagfluß, Gott b'hütis d'rvor.Es sei zehnmal besser e Plät krank z'y; wenn man schon dabei leiden müsse, so könne man sich doch rangire wegem Zytliche und wegem Ewige. Was ihnen äber am meisten gruse, sei, daß man schon oft gehört habe, wie so einer, der sich nicht habe rangiren können, sondern etwas auf dem Herzen behalten, nicht ruhen könne, sondern wieder kommen müsse, bis es ihm Jemand habe abnehmen können. Das duech se z'schröcklichste vo Allem; sie wollten lieber gradewegs i d'Höll; wenn me einist dert wär, su wär me doch de dert und viellicht könnt me si z'letzt o no dra g'wahne,mi g'wahn si ja a alles uf der Weit. „Herr Jeses Züst schwyg u v'rsüng di nit, denk wies dem alte Schlyfer gänge ist, wo o sym Mul ke Rechnig g'macht het.Weißt no?“ Einmal auf diesem geschichtlichen Boden ist den Weibern zu wohl, als daß sie ihn bald verlassen sollten; so streng ihnen die Gänsehaut den Rücken auffuhr, so streng jagte ein Geschichtchen das andere,doch auch hier alles halblaut.
Lauter, jedoch gemessen, ging es bei den Verwandten zu, Brüdern des Gestorbenen, Brüdern der Wirthin,und andern, die in näherm und weiterm Grade ihnen angehörten. Sie berührten weder den Verstorbenen noch die muthmaßlichen Umstände desselben; sie redeten von ganz, fremden Dingen. Zuerst redeten sie vom Korn, wie viel jeder use mach im Tenn von hundert Garben, von welcher Sorte sie hätten, rothes, blaues,weißes; verabredeten Tausch und sprachen vom Aufschlag und Abschlag, wie viel jeder zum Verkauf übrig hätte und ob der Verkauf besser sei daheim oder auf dem Markt. Allweg löse man einige Batzen mehr auf dem Markt, meinte ein Schalk, aber wie viel man dann davom heim bringe sei Gott bekannt, manchmal alles, manchmal wenig, manchmal gar nichts. Mänchmal wüßte man, wo man die Sache hinthäte und manchmal nicht, manchmal sehe man ohne Spiegel (Brille) das Gras wachsen und manchmal könnte man [9]sieben Spiegel auf einander thun und vermöchte keine sechs zentnerige Sau zu sehen, v'rschweige dann, wie bös ein Sack sei und wie groß die Spälte im Kistlein so komme immer alles äuf die Umstände an. Und wie so ein Gespräch gleitet wie Schlittschuhläufer auf dem Eisspiegel von einem Ende zum andern, so kam man von Löchern und Schweinen auf die Luzerner und die Aargauer, auf die Politik, man wußte nicht wie.Es waren sich da nicht blos zwei Verwandtsfchaften gegenüber, sondern auch zweier Gattig Leute. Die eine Verwandtschaft bestund hauptsächlich aus ältern und gesessenen Leuten, d. h. aus solchen, die etwas Solides besaßen und in einem Eigenthüm saßen, aus Sassen also; die andern mehr aus Leuten, die flüchtiger waren, auf Pöstlein saßen, die alle sechs Jahre zu vergeben waren, oder auf solche Pöstlein harrten wie auf die Maus die Katze, oder denen die alte Welt von Gott gemacht bereits verleidet war und sie neu machen wollten nach ihrem Sinn, akurat wie sie aus ihrein blonden Schnauz einen schwarzen gemacht hatten. Es waren gegenüber den Sassen die Alemanen,oder die AlmendLeute gegenüber den Hofbesitzern, um in Beispielen zu reden.
„Aberebo und wie steht's,“ fragte einer der Ersteren, welchen das Korn wenig interessirte, weil er keines pflanzte, „mit den Jesuiten, wollen wir bald dran hin,und sie austreiben?“ Da entstand eine lange Stille in Israel. Als Niemand was sagte, fuhr er fort:„An die hin hulf ich, und wer ein freisinniger Mann sein will, muß mit.“ „„He ryt emel afe, wennd'de nit g'fahre mast su mach Bescheid.““
Während der Erste eine bittere Antwort verbiß,antwortete ein anderer: „Ja so hat man es bei uns,da will es einer an den andern lassen, und wenn am Ende Freiheit und Religion und sust Alles verloren geht, fu wett de Niemere z'schuld sy.“ „„Ho, sagte ein Anderer, was sell ist, so ha nih ke große Chummer;was d'Religion isch, su ha nih die selber, u emel einist nimmt m'r die Niemer, u we m'r d'Pintewirthe myni [10]Bube nit v'rführe u d'Neutäufer myni Meitli nit und die Separirte myni Alti nit, su ha nih wege d'r Religion ke Chummer u zur Freiheit soll d'Regierig luege,die ist zahlt d'rfür, u luegt die nit, he nu so de, su sy m'r de geng no da.“! „Ja ja, wenn's de zispät ist, zu selligem cha me nit früh gnue thue.“ „„Aber löfche, gäbs brönnt, cha me doch o nit, selb schickt sich neue nit,““ ward geantwortet. „Das wär g'späßig,wenn's nit brönnti, fraget die Freisinnige im Kanton Luzern? Wenn's e Brunst ist, su faht me a lösche,wenn's afaht brönne u nit erst, wenn z'eige Dach achehyt,“ antwortete der, welcher reiten wollte. „Selb ist wahr, antwortete Einer, der noch nicht geredet. Aber wenn d'r Nachbar chüchle will, su geyt me nit und wirft ihm Wasser i d'Pfanne, selb chunt de erst nit gut. U we d'Luzerner d'Jesuiter für Chüchli wey, su hulf ih se lah mache, wenn ih se numme nit fresse muß. Aber d'r vo het no Niemere g'seyt. Ih ha no vo Niemere g'hört, dem d'Chüchli nit erleidet wäre, wenn er geng ume Chüchli ha sött.““ „Ein jeder redet, wie er es versteht, antwortete ein Anderer.Aber sagt mir doch, was und wer die Jesuiten sind?“ „He, selb wett ih vo euch v'rnäh, ihr werdet's wohl besser wüsse, als ih, es nähm mih selber Wunder,““ antwortete der Gefragte. „Das ging z'lang,euch z'b'richten, antwortete der Erstere, das konnt ihr in jeder Zeitung lesen. Wir würden heute nicht fertig,wenn ich anfangen wollte.“ „„Ja ja, ih v'rstah.Wenn er ag'fange hät, z'höre wär mängem ke Kunst.Wenn mih albez d'r Pfarrer öppis Wunderligs g'fragt het, su ha nih g'seit, ih wüßt's, aber ih chöns nit säge.“ „TJa, sagte Einer, aber lätz ist's, ih hät es schöns Munikalb, u die hey m'r albez d'Luzerner abkauft, si sy chum trocke g'si, u jetz het si längs Stück kene by mor zeigt. Es ist doch lätz, daß si jetz üser eim z'Sach etgelle muß, wenn Anger z'Garn v'rhüͤrschet hey.“ „„He ja, wenn's m'r ume um d'Kalber wär, es wär m'r o so, aber ih sinne o as Vaterland und a d'Religion,““ entgegnete Einer. „Grad so [14] geyts mir o, antwortete ein Anderer, was ih nit ha,dara muß ih am hertiste sinne; wenn ih key Geld ha,su duecht mih, ih syg niene daheim, und wo ih Witlig 'si bi, hets mi duecht, ih möcht a me niedere Zune ume Hals falle, un neh frage, ob er well cho Büri sy uf d'Bot hinteri?“ „Du wirst du es bravs Muetti übercho ha, so dere eys, wenn e Hühnerträger siebni um 3 Krüzer übercho chönt, er hieber zileerem z'Märit ging, als se i d'Krätze nähm?““ „Ih ha emel eys übercho, u d'z'best ist i der Zyt, daß ih wege syne emel d'Jesuite nüt z'förchte ha. Es chunt m'r scho längs Stück ke Länder u ke Schwebelhölzler meh unger d'Thür, u doch ha nih ke Hung meh, sit mee Neuthaler d'rvo zahle sött.“ Man sieht, es war Giecht in der Wechselrede, wenn man ihn auch immer mit cinem Spaß dämpfte, wie beim Brechen das Feuer mit dem nassen Besen. Solch Giecht ist zuweilen bei Gräbten zwischen den beiden Verwandtschaften von Frau und Mann, wenn die Aussicht gefährlich ist und sede Beschwerde fürchtet und jede von ihrer Seite weg die Schuld auf die andere schieben will; begreiflich erzeigt man es aber nicht, man faßt sich, und wer nicht ein feines Ohr für den Ton hat, würde an den Worten wenig merken.
Die Wirthin war hereingekommen, war den Tischen nachgegangen, hatte sich entschuldigt, daß Alles nicht besser sei, aber mi söll v'erzieh, wenn me selligs erlebe müß, su heyg me i Gotts Name d'r Sinn nit, hatte eingeschenkt, hier und dort und endlich sich bei den Verwandten niedergesetzt, wo man sie zum Essen nöthigen wollte, aber zur Antwort erhielt, sie mög nit, si heyg e Tropf Suppe g'no u dä heyg si schier nit möge ache bringe u heygne no z'oberist obe. „Es ist sich nicht zu verwundern, Base, sagte ein alter Vetter, der des Gestorbenen Götti gewesen, wenn man so was erleben muß, so ung'sinnet u sövli jung noh; es duecht mih, es syg erst gestern g'si, daß m'r neh kauft heyge u doKingbeiti du g'ha i dr Kädere. Aber hest ihm de nüt ag'merkt, daß ihm öppe fehl?“ Diese Frage [12]gab der Wirthin Gelegenheit, des Weiten zu erzählen,wie ihr Mann wohl hie ünd da g'ruchset, aber z'g'rechtem g'fehlt hätte es ihm nie, und bruche hätte er erst nichts wollen. Scho es Wyli heyg ihm d'r Athe kurzet u du syg er i Gurnigel g'si, aber bessert hätte es ihm nicht. Wie es sie hätte möge dueche, bruch me dert schier meh Wy weder Wasser, emel e Theil, si well nicht säge All. Aber böset hätte er auch nicht, und a öppis bös g'sinnet hätt si de gar nicht. Da cheut d'r denke, wie es mir am Morge g'si ist. Dann erzählte sie plastisch, d. h. ohne ein Düpflein auszulassen, was sie am Morgen gesehen, wie es ihr gewesen, was sie gemacht, was sie gesagt und was Andere gesagt. Während ihrer Rede verrann die Zeit; die Leute begannen aufzustehn und sich zu empfehlen, denn bei einer Gräbt ist lang Dorfen nicht Sitte, es sei denn, es sei eine Base oder ein Vetter begraben worden, kinderlos aber mit vielem Geld behaftet. Die Gäste dankten für die gute Aufwart, wie sie de öppe nit dra denkt hätte u deretwege sie de nadisch nit cho syge. Die Wittwe dagegen dankte, daß sie hätten kommen wollen und ihrem Mann d'PdLiebi erzeige, si heyge müsse vorlieb näh, wenn's eim selber breycht heyg, su chön me de öppe nit ufwarte, wie me dra denk u wie wenn's Neuer frömd's wär. Aber es angersmal well si's nache bessere, wenn me ere well d'Ehr athue u zure cho u se nit ganz vergesse u v'rlah. Sie well öppe ihres Mügliche thue,daß d'Lüt sit nit z'erchlage heyge, daß si ihre Sach eh besser weder böser heyge. So höflich und manierlich begegnete sie den Gästen, die alle fast zusammen aufbrachen, wie hart es auch manche hielt, aber man hielt sich doch nicht dafür, daß man länger nicht genug hätte als die andern. Den nächsten Verwandten hatte sie aber Winke gegeben, daß sie bleiben möchten, weil sie noch Neuis mit ihnen zu reden hätte und das am besten sei, wenn sie alle bei einander seien, es könne da ein jeder sagen, was er denk, und wie er die Sache ansehe, hinger dry helfs einem dann nicht viel, wenn man einem sage: hättist mich gefragt, ich hätte dir [13] schon rathen wollen, u de g'wüß, daß es gut cho wär.Als die Stube sauber war, begann die Wirthin: „Sie haben mir die Sache versiegelt, die Manne hier (sie war nicht da daheim), es het mich duecht, es sött öppe nit nöthig g'si sy, aber es wird neh o öppe um ihres Löhnli g'si sy. Z'Sach sött me neh v'rgebe gäh, aber v'rgebe thät eim hie niemere e Tritt v'rsetze, i felligem sys wüst Lüt, d'rnebe wäre si gut, si meine de öppe nit, daß alles für d'Kings King müß g'spart sy. Die hey mir du no welle Angst mache u hey g'seyt, mit dem werds de no nit gnue sy, es werd no müsse es Benefizi gäh. Selb wird doch öppe nit sy.“ Die Manne sahen einander an, keiner sprach, endlich sagte ihr Bruder: „Das kann dir hier Niemand sagen.Brauch ist's, d'rnebe kömt's auf die Gemeinde an, und wie öppe die Sache stange.“ „„Selb wirst du am besten wissen. Oeppe reich worden sind wir hier nicht,antwortete die Wirthin. Wir haben böse Zeiten gehabt,große Verluste gemacht, viel machen lassen, und was wir geerbt, das wüßt d'r öppe ume z'gut, es bravs Trinkgeld, nit viel meh; aber notti ist no öppis da,u vo wege zur Sach g'luegt hey m'r, u brucht öppe ve viel meh, as si wohl g'schickt het u noöthig g'si i 8* 4
„Natürlich habt ihr ein Hausbuch, u drinn wird's g'schriebe sy, wie's öppe gange isch uü was d'r z'heusche heyt u was d'r schuldi syt.“ „„Ja so nes Buch g'schriebe, bald ha nih Neuis dry g'macht, wenn ih glaubt ha, ih chönts v'rgesse. Aber das hey si m'r o yb'schlosse, gäb wie nih gewehrt ha, es syg m'r gar uchumlig, wenn ih öppe oöppis ufmache well, wo nih glaub, ih chönts v'rgesse.““ Die Männer sahen einander an; endlich fagte ihr Bruder: „Z'best ist, du gehest vor die Gemeinde, der Schwager kömmt schon mit dir und trägt ihr die Sache vor, emel einist cha nih a d'r Sach nüt mache.“ „„He das wär g'späßig,sagte die Wirthin, du wirst doch öppe welle e Bruder a mer sy, u wirst öppe nit bigehre, daß ih jetz no i []V
æ unöthig Köste chume. Wenn man mir öppe beistehn wollte, wie üblich und recht, so weiß ich, die Sache ginge, und vielleicht besser als vorher, aber wenn Niemand will, he nun sodann in Gottes Name, so weiß ich, wer es zu verantworten hat und was es einem nützt, Brüder und Schwäger zu haben.““ „He Schwester, sagte der Bruder, nur nicht so hitig, du hast noch immer einen Bruder an mir gehabt, aber alles auf der Welt hat seinen Gang und dem muß man den Lauf lassen. Es wär öppe noch nie erhört worden, daß man bei einem Wirth, wo so viel mit Wy Cumene, Käshändler, Herdöpfler u dere Züg, u sust allerlei Lumpepack in Verkehr gestanden, kein Benefizi ergehen ließe, du kämist in größten Schaden,glaubs, und, wurdist dene Zägge nie los. Wenn das gange ist, kann man dir helfen, dann wohl.“ „„Hans Uli hat recht, sagte der Schwager, grad so ist's.““ Das bestätigte der Götti auch und alle Manne,Schwäger und Brüder und andere Verwandte, die noch da waren. Die Wirthin verstund das aber nicht, sie wurde böse; sie sagte, sie sehe wohl, wie es ihr gehen werde, ‚'helfe begehre ihr Niemand, aber alles werd welle ufere sy u a re sugge. Es sei immer so gewesen und werde immer so sein, wer Wittwen und Waisen am besten b'schyße chön, dä mein, er syg d'r Größt. Sie hätte erst noch eine Geschichte aus dem Oberland obe gehört, wie vornehm Manne eine Wittwe hatten machen z'Geldstage, und ihr Vermögen hintere packt und eingesacket, und jetz werde man es ihr gerade so machen wollen. Selligs Geld heyg me hüt zu Tag nöthig, wenn me d'Bube well zu Herre mache, als ob me dere Mulaffen nit meh als gnüe hät.
„Los Schwester, darüber wollen wir jetzt nicht zanken, sagte der Bruder, wenn du es änders inachen kannst, he nun so ists mir ja recht, ich will dir da gar nicht im Wege sein.“ „„Ja, fagte die Wirthin,äber dann möchte ich noch einen rechten Mann für mir anfangs beizustehen, nachher wird's schon gehen.“ „Nun deretwegen mußt auch vor die Gemeinde, sie [4]J muß ihn dir verordnen. Weißt einen?“ sagte der Bruder. „„Allweg, sagte sie, eine aus der Nahe, wo ich nicht so weit zu laufen brauche, wenn ich Rath mangle, und der sonst ungeheißen kömmt. Ich habe schon mit ihm g'redt, er wett.““ He nun so dann,so wär z'Sach i d'r Ornig u jetz muß ih furt, ih will gah lah aspanne,“ antworlete derselbe. Ihm nach ging der Schwager; unten in einer Ecke stellten sie sich wie zufällig und der Bruder sagte zum Schwager: „Du siehst doch ein wenig zur Sach, bist näher als ich und z'Sach geht dich noch mehr an. Aber es Benefizi muß es allweg geben.“ „„Versteht sich, antwortete der Andere, wenn's de ume d'rby blybt, und es si bi dem still het.“. „Meinst? 's wird öppe nit sy,“ fuhr der Bruder z'weg. „„Man kann nicht wissen, antwortete der Schwager, es kann noch manches zum Vorschein kommen, an welches man jetzt nicht sinnete.D'rnebe weiß ich es nicht, der Bruder ist in der letzten Zeit so wunderlich gewesen, öppe rede het me nit mit ihm chönne.“!“ IIch kann's nicht wohl glauben,antwortete der Bruder, wie wollte das gegangen sein,bei dem Vermögen, wo sie zusammen gebracht und auf dem Platz, wo auch gut ist. Freilich, wo's lustig gange ist, ist er gerne dabei gewesen, aber das hät doch nicht Alles sölle mache.“ „„He ja, antwortete der Schwager, und dann hat er oft geklagt, seine Frau sei keine Hausfrau, wie er sie g'mangelt hätte, sie mache keiner Sache eine Rechnung, und was die Augen sehen,das, meine sie, müsse sie haben.““ „Sie werden einander nicht viel vorzuhalten gehabt haben, und wär er mehr daheim gewesen, so häite er sie können b'richten, antwortete der Bruder. Da muß man Weibergut machen so viel man kann, das ist d'Hauptsach,““ setzte er hinzu. „He ja, antwortete der Schwager, und die Leute, welche dem Bruder getraut haben, brav mache z'v'rliere und ihn unterm Herd unte no zumene Schelm! selb wär bravs!“ Damit ging er in den Stall und ließ den andern stehn. Dieser sah ihm nach und brummte für sich: er wird ihm o schuldi sy, sust redti [16]dä nit soz wenn's ume anger Lüt aging, er wär nit halb so eigeli. Mi het de öppe nie g'hört, daß die,wo vo dem Züg Geschlecht) nache chöme, bräver syge as anger Lüt, Fkunträri.
Die Gedänken, welche Beide wälzten in ihrem Sinne, waren ganz andere, als die, welche sie hergehatten, g rüsteten Beide sich auf eine schwere eit.
Der Leser vernimmt wer begraben worden und wie derselbe seiner Zeit zu einer Frau gekommen.Der Wirth, der begraben worden war, war eines angesehenen Mannes Sohn, welcher bei der alten Regierung viel gegolten, daher mit manchem Pöstlein beehrt worden war. Diese Pöstlein hatten ihn jedoch nicht reich gemacht, wenn er gleich ein Schönes daraus zog.Er hätte viel Land und viele Kinder; der Pöstlein wegen mußte er viel von Hause weg sein, da weiß jeder, wie es geht, besonders wenn däheim keine Frau waltet, welche Hosen an hat und die Hand am Arm.Eine solche hatte er aber nicht. Wenn der Vater ein vornehmer Mann ist, so meinen die Kinder gerne, sie müßten dem Vater z'Lieb und z'Ehr großen Staat machen, und der Vater ist oft Gäugels genug und meint,es sei so. Wenn dabei viel gebräucht und wenig gearbeitet wird, so denkt er, das mögs wohl erleiden, so ein Paar hundert Franken jährlich vom Himmel oben aben, man wisse nicht wie, glichen Alles wieder aus.An eins aber denkt er nicht, obgleich er eigentlich seiner vielen Aemter wegen mehr Verstand hätte haben sollen, als gemeine Leute. Er dachte nicht daran, daß seine Kinder an viel brauchen und wenig werchen sich gewöhnten. Und, wenn er auch Land und Heustocke rechnen könnte wie Schnupf, mit und ohne Krümpe,mit und ohne Träm oder Fußwege, so konnte er doch den Unterschied nicht heraubrechnen, welcher entsteht,[17] wenn ein Kind wöchentlich 2 Fünfunddreißger verthut und keinen verdient, oder wenn es wöchentlich 2 Füufunddreißger verdient und keinen verthut. Wer zum rechnen nicht ganz dumm ist, der bringt mit Gottes Hülfe heraus, daß das einen Unterschied von 200 Fünfunddreißger macht per Jahr; und wenn er recht anwendet, so bringt er vielleicht noch heraus, daß 700 Fr.den Zins eines Kapitals von 17500 Fr. ausmachen.Eine schöne Summe, viele werden sagen ein schön Vermögen. Also wer alle Wochen 2 Fünfunddreißger verthut, muß den Zins von 8750 Fr. haben, und wer alle Wochen 2 Fünfunddreißger verdient, statt 2 zu verthun, trägt ein Vermögen in sich, welches ihm den Zins von 8750 Fr. abträgt, während er zu gleicher Zeit den Zins von 8750 Fr. erspaärt. Nun hört man so oft, das ist ein reiches Meitschi, es hat so und so viel tausend Kronen und noch dazu Verfalles, oder das ist es arms, keinen Kreuzer hats. Ganz gut, aber was braucht das Eine, was verdient das Andere? das muß noch dazu gerechnet werden; erst dann kann man das Vergleichen anfangen und wenn man eine Subtraktion ansetzen will, so frägt es sich, ob das Mädchen, welches keinen Kreuzer hat, nicht die reichere Frau wäre,als das andere mit seinen paar tausend Krönchen. So manches Herrentöchterchen heißt reich, 0000 Fr. habe es, wie einen Batzen. Wenn es aber nun nichts kann,als Contos machen bei Schneiderinnen, Putzmacherinnen, Zuckerbäckläͤden u. s. w. vom Kammermeitli muß anziehen lassen und von der Köchin betrügen, rechne man nur doch, wie reich ist die? Und dann erst so ein Bauerntöchterchen mit 20000 Pfund und meinethalben noch mit einem Halbdutzund zentnerigen Dackbetten, 17 Fassene, einem schönen Schaft, einer französischen Bettstatt und einem 12dublönige Schwarzkleb, das einem großen Haushalt vorstehen soll und kann nichts als Pantöffeli brodire, merci sagen, z'Mul büschele und d'Lüt usgränne hinterm Rücke, gixt: „Herr Jeses, pfi tusig“, wenn es den kleinen Finger in eine Säumelchtere tunchen sollte, steyt am Nüni uüf, schlarplet. um z' Hus []Jα 18 u geyt am eilfi u seit: „Mädi, was hey m'r hüt z'esse,mach ihs fry oppis guts, öppe es Tätschli u viel Zucker dry u brav Zimmet druf“, u über Kopfweh schreyt u Zahngweh, wenn es einist Bohne rüste sött oder afüre,u nüt erlyde ma as usz'ryte, un öppe Gotte z'sy, oder Ftanze u das de länger je lieber, wo d'Krone nit zählt,wenn's ume Kittel geht, oder um eine Kappe, oder gar um Göllerketteli; aber dann anstatt Kabis, Erdäpfelkraut einmachen will, das gang sust z'Schange u einist heyg es neue g'hört, das gäb z'best Surkrut., Was meint ihr wohi, wie reich ist ein solch Meitschi und was helfen die 20000 Pfund dem Bauer husen mit einer solchen Frau? Ja, wird man sagen, daß sei eine dumme Rechnung, die Rechnung eines Zaunstecklers,der das Leben nur nach dem Ersparten setze und wo das Geld die Hauptsache sei. Heut zu Tage lebe man Gottlob in andern Zeiten, in aufgeklärtern, und da sei die Bildung die Hauptsache. So ein gebildet Frauenzimmer, das sei das wahre, das sei ein einzig Kleinod,ein Gut, von dem man nicht wisse, o, o, o, o, o, wie DD dung frägt, wenn man frägt, in welchem Verhältniß das Meitschi zu seinen Eltern gestanden und anderen Menschen, wie es sich in Leiden und Verdrießlichkeiten schicken könne, in Entbehrungen u. s. w., so zuckt man die Achsel und sieht einen verächtlich an und sagt,d'Mutter sei eine ungebildete Frau, mit der sei nicht nachzukommen, mit gebildeten Leuten vertrage es sich trefflich, aber zuzumuthen sei es so einer gebildeten Person gar nicht, daß sie sich nach rohem und gemeinem Pack richte, reizbare Nerven hätte sie und möge nicht viel ertragen. Das sei aber so bei gebildeten Leuten,die seien ganz anders g'natürt als so die gemeinen, wo seien wie Holzböck oder steinig Thürlistöck Wenn man dann noch einmal das Herz in beide Hände nimmt und frägt, worin denn eigentlich die Bildung bestehe,wenn sie nicht die Kraft sei, Leben und Menschen zu ertragen, weil man beide erkannt und seine eigene Bestimmung, so werden die Augen noch verächtlicher und [19]spöttisch verzieht sich der Mund und man hört endlich:„Das begreifst du nicht, aber weil du es bist, so will ich es dir sagen, damit du doch einmal vernimmst, was Bildung ist:*
„Sie hat verflucht gute Schulen genossen und alles Mögliche darin gelernt; es hat Tage gäh, wo sie füfzehnergattig g'ha hey. Da lert me angers, as da so i de ordinäri Schüle, wo me geng am Glyche lyret. Si hey voo d'r G'schicht g'ha und vo d'r Erdkugle, vo z'vorderist bis hingerus, u wie mänger Gattig Affe es git,hets punktum gewüßt, u wie sie hebe u wie sie thue.ADDDDhet ne Alles, u b'fungerbar d'Affe, chöne so bigryflich mache, daß es eim duccht het, mi hey fry eine vor d'r Nase. U du ists im Weltschlang gsi u het brav gelert;gäb wie liecht es si b'sinne cha, su chas no alles säge und wenn's scho nit geng weltschet, su wird me nihms am manierlich rede syr Lebtig a merke, a merci u si vous plait und pas du touf. Es tanzet hööllisch gut und het Konverfation; es ist einist auf dem Dämpfschiff g'sahre und das erzählt es einem so oft man will und recht kurzwylig; und arbeiten kanns auch und zwar schön, brodire, Kindskäppeli mache und lue, dä Geldseckel het es m'r g'lismet; das ist öppis angers als so grad ane e wullige Strumpf. Du glaubst nicht, was das für ein Unlerschied ist zwischen einer gebildeten Person und einem groben Mensch, auf 100 Sqritt sieht man ihn. Selb ist Bildung.“
S'ist schön diese Bildung, verflümeret schön. Wenn dann diese Gebildete zu einer Hausfrau geräth, so hats diese Bildung nicht selten wie schlechte Indienne, wo nach ein paar Wochen e Uflath wird, den man gar nicht mehr ansehen mag. S'ist aber kurios, nach dieset Bildung wird hauptsächlich beim weiblichen Geschlecht gebrüllt, wie bei einer Feuersbrunst nach Wasser. Beim männlichen Geschlecht, versteht sich Ausnahmen abgerechnet, fordert man blos, daß Einer sich recht lustig machen, schwatzen und flattiren könne, und einige sind, die sich am liebsten von Schnäuzen flattiren lässen. Die [20]Sache, von der wir ausgegangen, bleibt die Gleiche;der ünterschied vom Verthun und Verdienen wird nicht bemerkt. Wenn Einer sich recht lustig machen und gut flattiren kann, ein Schübeli Geld hät, aber keines zu verdienen weiß, so meint so ein Meitschi, was es erobert, wenn es so ein luftig Bürschli erzappelt hat,zieht ihn hundertmal einem fleißigen G'stabi vor, der gut arbeitet, aber schlecht tanzt, es ehrlich meint, aber nicht zu flattiren weiß. Unseres Mannes Kinder waren theils gebildet, d. h. die Töchter, und waren lüftig und lustig, die Söhne nämlich. Unter ihnen machte sich besonders Stephan bemerkbar, ein gescheuter Bursche mit Kruselhaar und heitern Augen. Wo es lustig ging, war er der Erste und Letzte, ob er aber der Erste oder Letzte zum Mähen auf die Matte kam, dessen achtete sich der Vater nicht, und wenn er dem Vater von den andern Geschwistern verklagt wurde, er wolle nicht hacken, nicht helfen hier oder dort, so redete ihm die Mutter z'best.
Da man ihn zu Hause recht gut entbehren konnte,so wurde beschlossen, er solle das Metzgen lernen. Das ist auf dem Lande das adeliche Handwerk, wie in den Städten der Weinhandel der adeliche Handel war. Stephan ließ sich das recht gerne gefallen. Er lernte das Metzgen, so wie es ein junger Sohn lernt, der Geld im Sack hat und Muggen im Kopf. Daheim machte er, was er gerne wollte, und wenn er über Land mußte dem Veh nach, so kam er heim, wenn es ihm gefiel. Daneben gerieth er zum Scharfschütz und wenn irgendwo ein Schießet war, so fehlte Stephan nicht, und wenn er in Garnison mußte, so kam seinen Vater allemal das Seufzen an.
Die Lehrzeit dauerte nicht lange. Metzgerknecht sein,sich binden, wollte er begreiflich nicht, das wäre seinen Ehren ein Abbruch gewesen. Er ging also wieder heim,sollte im Sommer wieder werchen, im Winter dann auf gut Schick passen, ob irgend ein Vetter oder einer der d beim Vater in Gunst setzen wollte, sich seiner erbarme und ihn anstelle um seine Sau oder zwei zu schlachten, oder ob irgend eine ihrer Kühe so gefällig [21] sei, ein Kalb zu gebäͤren, das man nicht abbrechen,nicht wohl verkaufen konnte, sondern es am besten war,dasselbe selbst zu schlachten und das Fleisch zu verhausiren. Das erleidete ihm aber auch; es trug wenig ein,und doch wurde er je länger je mehr darauf verwiesen,wenn er Geld wollte.
Da kam die neue Ordnung der Dinge und bald darauf wurden die Concessionen zu Wirthshäusern so häufig ertheilt, daß allenthalben das Gelüsten entstund zu wirthen um ring reich zu werden. Das kam unsern Stephan auch an und sein Vater, den er so zu drehen gewußt hatte, daß er um seinen Kredit nicht gekommen war, hatte nichts darwider, sondern meinte, man müsse d'G'legeheit profitire und nuße, wenn Nuß syge. Zu einem Wirthshaus wolle er ihm schon helfen. Dazu aber, sagte er, gehöre eine Frau, welche Geld habe;viel könne er ihm nicht geben, öppe es kuraschirts Mönsch, das der Sach wisfse vorzustehn und den Leuten anständig sei, nit öppe so nes z'Tschaggeli, so nes Inderonsi wo me nit wüß, was hinger 'oder vorfert yg. Ein luftiger Bursche, wie Stephan, hatte begreiflich schon manche Liebschaft gehabt, aber die einen waren erkaltet und aus andern hatte es sonst nichts gegeben,so daß er in diesem Augenblick wirklich nichts angesponnen hatte, also das Herz frei war und nirgends weder Schleiftrog noch Kette. Nun hätte man denken sollen, die Familie sei zu Rathe gesessen, hatte eine Landkarte zur Hand genommen, worauf die Wirthshäuser verzeichnet gewesen, und nun nachgedacht und nachgefragt, wo ledige Töchter seien, die z'Sach verstünden und Geld hätien. Aber daran dachte man nicht von Ferne. Im Kanton Bern herrscht der Glaube, und selbst auf der Hochschule (damals florirte sie jedoch nicht wie jetzt) wird ihm nicht widersprochen, daß man eigentlich z'Sach nicht zu lernen brauche, sondern wer Couraschi hätte, sie auch könnte; zwar nicht aus Gottes Gnaden, sondern von Rechtswegen; denn die Aristokratie des Wissen soll ja abgeschaffi sein im Kanton [22]Bern, wie ein verdächtig gewordener Schulmeister gefagt hat. Das ist übrigens ein Glaube, welcher alt ist' im Kanton Bern, welcher mit der Verfassung nicht blos nicht abgeschafft, sondern wie es scheint, noch dupplirt worden ist, so daß jeder Gugag meint, er sei gut genug in jedem Rath. Es wäre wohl gut, es stünde mit dem rechten Glauben im Kanton Bern so gut, als mit diesem Glauben. In diesem Glauben war unsere Familie auch recht stark. Sie dachte nicht daran, daß man das Wirthen und alles damit verbundene lernen müsse; sie meinte, das verstehe sich von selbst. Wer wirthe, der nehme das Geld. Die Gäste sehen begreiflich nur was der Wirth einnimmt. Wenn er was ausgibt, so sieht es nicht der Hundertste. Und was V bald gelernt, es wisse öppe ein jedere Löhl, wie es in einem Wirthshaus gehe, und was für Uertene man machen müsse. So hätte die Familie geantwortet, wenn man ihr von so etwas gesprochen, oder eine Wirthstochter, oder gar ein Stubenmeitschi in Vorschlag gebracht hätte ais Frau für Steffen. Ja, sie hätte sich ordentlich erschüttet, ob diesem Vorschlag; sie hätte geglaubt, man meine, es sei im Schooße ihrer Familie nicht Verstand genug zu jeder Sache, sie mangle noch was anderes als Geld. Es saß also die Familie nicht an der Landkarte und studirte die Wirthstöchter. Aber die Mutter war eine gute Frau, hatte also viele Weiber, welche bei ihr aus- und eingingen, so gleichsam ihre Adjutanten, welche für sie in der Welt agirten und ihr Kundschaft brachten aus der Welt Getümmel.Diesen vertraute sie ihr Vorhaben und wie es ihnen anständig wäre, wenn sie für den Steffen ein aufgeMädchen wüßten mit einem schönen Schübeli eld.
Für solche Freundinnen ist ein solcher Auftrag fast,was himmlisches Manna, wenigstens eine der größten irdischen Wonnen. Wie die davon stoben, dann wieder daher stoben, zu b'richten hatten und die Hände verwarfen und nöthlich thaten. Wenn man sie hörte, so [23] hätte man glauben sollen, es hätte über Nacht reiche,aufgeheiterte Mädchen geschneit ganze Hüfe. Steffen hätte Tag und Nacht auf den Beinen sein müssen, wenn er alle Mädchen hätte g'schauen wollen, welche ihm angegeben wurden, als wie gemacht für ihn. Wenn er auch nur dem Zehnten nachlief, so magerte er doch sichtbarlich ab und klagte der Mutter, das Ding erleide ihm afe ünd entweder nehme er jetzt das Erst best, oder er schlage z'Wirthe aus dem Sinn. Die Besten der Mädchen hatten schon einen Liebern und wollten nichts von ihm, einige, die Geld hatten, hatten dazu Gesichter, wie ungewaschene Pfanne; andere, die für eine Wirthin nicht unzweckmäßige Gesichter hatten, besaßen eigentlich kein Vermögen, hatten blos starke Hoffnung auf ein großes Erbe. 3. B. Ihrer Großmutter Halbschwester Tochter hätte blos ein Kind und zwar gär es leids, das z'manne kum erlebe werd und wenn das sterbe und der Großmutter Halbschwester ihren Mann überlebe,so lasse die eine Verordnung machen und dann könne sie den bessern Theil nehmen. Gesagt hätte sie es zwar nicht, aber merken hätte man es schon manchmal können. Eben, als Steffen am Abstehen oder Ertauben war, eins von beiden, vernahm man, es Tüfels es ufg'heiterts Meitschi mit einem schönen Schübeli Geld,wo's nüt bruch, as es z'näh, wo me ke Stung druf warte müß, we me einist kuppelirt syg. Und däzu sei die Familie b'sunderbar huslig und zum Werche abg'richtet, wie keine so. Das schlach vom Morgen bis am Abe dry, daß es eim fry übel grus. Grad so Eine,dachte alsobald die ganze Familie, mangle Steffen; was er nicht möge, mache die, und es werde ihr wohl kommen, wenn sie recht viel möge, von wegen, er werde an sie lassen je mehr dest lieber. Eist hieß sie und ihr Vater war ein großer Bauer gewesen u Hungs gytig;ihre Mutter eine Werchadere wie keine. Keine ihrer Töchter mache ihr das geringste Ding recht, darum machte sie am liebsten alles alleine und ihre Töͤchter waren am besten hinter Mutters Rücken oder wenigstens 10 Schritt vom Leibe. Geld für Kleider gab der []
24 Vater so wenig als möglich und für Lustbarkeiten gar nichts, wollten sie was Besseres oder was Lustiges, so mußten sie es erlistelen oder erstehlen; sie übten sich in beidem so gut sie konnten. Werchen mußten sie wie d'Roß. Duße werche, grad ane dryschlah konnten sie,daß es einem fry drab grusete. Aber daheim war keine dressirt; sie konnten kaüm den Schweinen kochen, geschweige den Menschen. Nähen konnten sie so viel, *im Nothfall die Fetzen am Fürfuß niernähen zu können, wenn sie ihnen über die Schuhe hinaushangen wollten. In einem halben Tag brachten sie so einen Fürfuß zur Ordnung im Schweiße ihres Angesichtes;den andern Tag ruhten sie von ihrer Arbeit, und am dritten Tage nahmen sie erst den zweiten Fürfuß übers Knie mit Angst und Seufzen. Von Lismen war keine Rede, ward dasselbe dringlich, so nahm man ein Solothurner Mönschli auf die Stör oder gar zwei. Die Leute waren b'sunderbar berühmt von wegen der Häuslichkeit und von wegen der Brävi, und was die Leute nicht sahen, das wußte die Mutter ihnen aufs Brod zu streichen, damit sie es auf die Dromme brächten. Kurz näch einander starben die Eltern am Nervenfieber und wirklich war da Geld unter die Kinder gekommen.Die Töchter hatten ein artig Schübeli abgekriegt. Da fand Steffen was er wollte und zudem sehr freundliche Aufnahme; er war in Verlegenheit, wie wehren; es hätten ihn alle drei Schwestern gerne gehabt und er konnte doch nur eine nehmen. Wir wollen ihnen nicht nachreden, daß sie lieber als andere Meitscheni Männer gehabt hätten. Aber so z'Leerem, für nichts und wieder nichts, arbeiten viele Schwestern nicht gerne bei den Brüdern, haben bös, müssen Jungfrauen vorstellen und am Ende in der Vogtsrechnung noch sehen, daß sie nicht einmal das Essen verdient, sondern noch ein ordentlich Tischgeld schuldig geworden. Darum stellen sie lieber was für sich selbsten an, wo sie, wenn es gewerchet sein muß, doch wissen, für wen sie werchen.Steffen entschied sich bald. Er wollte Eisi, die lüftigst und lustigst von allen, die läuferlen konnte, daß einem [238] duechte, sie rühre den Boden nicht an und ein Mundstück hatte, wie ein Schlängli. Die andern Schwestern ließen, als sie das merkten, anfänglich den Trümel (Lippe) hängen, indessen trösteten sie sich bald, weil jede einen Tröster fand. Es gab Hochzeit über Hochzeit,und Glück über Glück, und alle meinten, ihnen sei das leibhaftige Glück zugefallen. Aber die Tochter fielen ganz anders aus, als man erwartet hatte. Bei ihnen erfuhr man, was Huslichkeit und Arbeitsamkeit in einem Hause helfen, wenn der rechte Boden fehlt. Wo der rechte Boden fehlt, da artet das Schönste aus und Tugenden verwandeln in Laster sich.
Eisi's Eltern, z'Bure ufem Gugger, waren sogenannte ehrbare Raggerleute, sie galten für brav, aber daß sie es in Mein und Dein besonders exakt nahmen,selb war nichtz sie hatten nicht großen Verkehr mit der Welt, weil sie immer von der Welt fürchteten, betrogen zu werden; aber wenn sie eine Sau oder ein Kalb bei der Gewicht verkauften, so sparten sie das Füttern und Stopfen nicht, es bringe immer sövli, meinten sie, und der Metzger hätte allweg z'Bessere.
Sie lebten karg in Kleidern und Essen; besonders so weit der Vater es zwingen konnte, und wenn die Kinder an eine Lustbarkeit wollten, so setzte es allemal Händel ab. Aller sogenannten Freude war der Vater feind und hielt die Kinder davon ab. Aber der Kinder Sinn so zu lenken, daß sie an etwas anderm Freude kriegten, das that er nicht. Der Kinder Auge nach etwas Höherm zu lenken, das ihnen ein Genügen geben konnte, that er ebenfalls nicht; der Kinder Herz durch Liebe und Gemüthlichkeit so zu fesseln, daß sein Sinn ihr Sinn wurde, sie mit Freuden ihm zur Hand sprangen, das that er wiederum nicht. Er haßte alles Lesen,es trage nichts ab, sagte er. Er brummte oft über das Kirchen gehen, besonders bei schlechten Wetter; man mach d'Schuh dure u heyg nüt d'rvo, man sei ja unterwiesen worden, und sött öppe wüsse, was me z'thue und z'glaube heyg, meinte er. Auch führte er keine geistlichen Gespräͤche mit seinen Kindern, außer wenn [26] ein Nachbar, den er haßte, ins Unglück kam. Dann sagte er: es sei notti gut, daß züweilen so einem eias auf die Nase werde, sonst würd' z'letzt Niemand mehr glauben, daß ein Gott im Himmel sei. Freundliche Worte gab er das Jahr durch wenige. Sauersehn war seine Freundlichkeit. Klagte Jemand über etwas, so sagte er, he es ist si doch dir werth so z'gruchse, wed schwygst, su wirds scho bessere. Wenn däs Gruchsen sich so steigerte, daß der Fehlbare nicht mehr arbeitete und nebetzi lag, so sagte er, das sei nur Fantast und Fulkeit. Die Mutter war darin gleich,daß sie ebenfaus nichts besseres pflanzte in die Kinder,daß das Raggern aüch ihre Gewohnheit war, daß sie also ziemlich einträchtig mit ihrem Manne einem Ziele zulief. Aber sehr getäuscht würde man sich haben,wenn man gegläubt hätte, sie hätte ihren Mann geliebt. Sie lieblen Beide blos den Mamon, keine lebendige Seele, die Frau höchstens ihre Mastschweine von Martistag bis Ostern, wenn sie recht gut thaten. Aber eben weil sie sich nicht liebten, kam zuweilen der Frau der Widerspruchsgeist an, d'r Alt müss' doch de nit meine, daß er Alles zwängen wolle. Dann half sie den Töchtern hinter dem Rücken des Mannes zu Allerlei, zu Kleidern und Schleckereien. Wenn er den Rücken kehrte, so wurde g'eiertätschelt oder geküchelt, oder ein Abendsitz angestellt, oder sie rissen sonst aus und wenn dann der Alte das Korn nachgemessen hätte, oder das Gespinnst nachgewogen, oder die Eier gezählt, so hätte er zuweilen was merken können. Indessen geschah das selten genug. Durst und Drang nach der Welt und ihren Genüssen ward nicht gestillt, nicht ausgetrieben,nur aufgestaucht. Da saßen sie auf ihrem Gugger oben und mußten immer denken, „o hätt ich doch, o könnt ich doch.“ Wenn Markt, Musterung, Tanzsonntage waren und alles zottelte, sie aber bleiben mußten, so wollte das sie fast versprengen, und was es für einen Unwillen gab, kann man sich denken. So schienen sie wohl eingezogen, konnten mit Recht dafür gelten, aber die Eingezogenheit war nicht ihr Sinn, war Zwang,[27] inwendig sah es ganz anders aus. Sie glichen Aepfeln,gesund ünd ganz von Ansehn, die unter der Rinde aber ganz anders sich zeigen. So waren aber nicht blos sie,so würden auch noch Viele andere erfunden werden und sind bereits erfunden worden, wenn es zum Fecken kam.Aehnlich verhielt es sich mit ihrer Arbeitsamkeit, die hatte auch nicht ihre Wurzel inwendig in dem Sinne,der Freude hat an treuem Benutzen seiner Gaben, am treuen Beschicken seines Tagewerks, in der Liebe, welche Freude machen will dem irdischen Vater und das Wohlgefallen des himmlischen sucht, sondern sie wurde gekrieben und erzeugt durch einen äußern Zwang, hötte der Zwang auf, sank die Arbeitsamkeit auch in sich selbst zusammen. Zudem war dieses Arbeiten eigentlich nicht weit her, sondern eigentlich blos so ein allgemeines Dreinschlagen. Vom Hauswesen verstunden sie hell nichts, achteten sich allerwelt nichts, hatten nur immer zu sinnen und zu denken, wie es doch lustig wäre,wenn sie machen könnten was ihnen wohl gefiele, und wie es doch verflucht sei, daß sie machen müßten, was V noch in der Küche daheim, und was das Spinnen anbelangt, so fluchte der Weber immer gränzenlos, wenn er dem Garn vom Gugger nicht entrinnen konnte. So war die Arbeitsamkeit und Eingezogenheit der gepriesenen Töchter beschaffen, und wie viel sie werth waren und wie häblig, erfuhr auch bald die Welt. Das hätte man doch afe nicht gedacht, hieß es dann, wie doch die Menschen sich ändern könnten, u d'rzu no so kurzum.Bäbi, die älteste, ward alsbald liederlich, begann zu essen und zu trinken, was das Herz gelüstete, so gut und so viel als es z'weg bringen mochte, dem Mann dagegen gönnte es nichts, am liebsten hätte es ihm nur Erdäpfelschnitti gegeben oder Treber, wenn es welche gehabt hätte. Es ging nicht viele Jahre, so starb der Mann an der Auszehrung, Bäbi aber an der Wassersucht. Mädi, die zweite Tochter, ward eine gränzenlose Schlampe und Dampe, schwatzen war seine Seligkeit,und bal laufe, bal höckle, kam ihm grad nache; die [28]Kinder ließ es verhudelt laufen, manchmal hatte es längst Mitiag geläutet und Mädi hatte noch kein Feuer angemacht, keine Erdäpfel gewaschen. Einmal hätte es bald das Haus verbrannt. Es hatte Anken ob, dem Feuer zum Auslassen, eine Nachbarin ging vorüber,Mädi schoß hinaus: „Du, du, los doch Neuis“, rief es, und wenn es einmal diesen Haken eingehängt hatte,so kriegte es ihn nicht wieder los; so dampete es bis der Anken im Feuer war; da wohl hatte das Dampen ein Ende, und wenn die Nachbarin nicht gewesen wäre,Mädi hätte sich nicht zu helfen gewußt. Komod kam es ihm, daß die Schweine nicht reden konnten; wohl,die hätten ihm Sachen ausgebracht, daß Gott erbarm.Wie es Eist erging, dem aufgeheiterten, welches den luftigen Steffen kriegte, das wollen wir nun auch sehen.
Wie diese Frau in sechs Wochen Wirthen ernu t.Auf der Gnepfi hatte sein Vater ihm ein altes Haus gekauft und eine Concession richtig erhalten. D'Gnepfi lag an einer Straße, Steffen hoffte dabei aber noch,daß akkurat bei seinem Hause künftig eine zweite Straße sich münden werde. Und wenn die Leute seine Hoffnung auslachen wollten, so lachte er noch mehr und sagte: er verlasse sich auf gute Bekanntschaft und auf einen Zapfen oder zwei, käme es ihm nicht an. Da ließen sie nun bauen, z'wegmachen, einrichten, und während das geschah, sollte Eist geschwind das Kochen lernen. Steffens Mutter hatte bald gemerkt, wie es mit Eisi's Kochkunst bestellt war und daß die Schweine allemal gränneten, wenn Eist ihren Hafen in Obhut gehabt hatte. Sie gab daher Steffen unterm Fuß, Eisi sollte doch wäger noch ein wenig kochen lernen, es sei nicht einmal im Stande für d'Tauner z'koche und d'Handwerkslüt, geschweige denn für Neuis Grechts, e Kindsbetti, es Hochzyt oder gar für d'Grichtsmanne. Steffen begriff das. Er aß nicht ungern was Gutes und Eisi [29]hatte ihm einmal einen Eiertäsch gemacht, der war zaäh wie Sohlleder gewesen und hatte gestunken wie ein verbranntes Haus, wo alles Veh drinn geblieben war.Seitdem hatte er großen Respeckt vor Eisi's Kochen,und wenn er es in der Küche sah, so hielt er allemal die Nase zu. Er hatte einen Freund, der auch Scharfschütz war, ein Wirthshaus besaß und eine Frau, von welcher Steffen sagte, das sei ihm ein donnstigs Ketzerli von einer Frau, die gefiel ihm, so sollten alle Wirthinnen sein. Diesen fraägte er, ob er sein Eisi nicht drei oder vier Wochen zu ihm thun könnte für z'Koche z'lere,öppe gar e Hex drinn sei es noch nicht. Der Freund war ganz bereitwillig, schwerer war Eisi zu bereden,es meinte, selb wär nicht nöthig, und was es öppe nicht könne, sei bald gelernt, es werd ihm de, wenn Noth a Ma chöm, scho z'Sinn cho, wie z'Sach müss'g'macht sy, u de chön me öppe probire, bis es gut chöm, es syg jetzt alles gar wohlfeil. Je weniger man von einer Sache kennt, desto leichter kömmt einem das Erlernen derselben vor, und je weniger Begriff man von einer Kunst oder Wissenschaft hat, desto geringer schätzt man sie. Indessen ließ es sich bereden; vier Wochen seien bald vorbei, dachte es, und geschrieben stehe es nirgends, daß es den ganzen Tag in der Kuche sein und den Kuchimutz machen müsse. Es nahm eine ganze Kiste voll Kleider mit, aber Kuchischurz keinen einzigen; dere werden sie dort wohl haben, dachte es,wenn es einen sein müsse. Die Wirthin dort war ein lustig, leichtfertig Ding, die sich um die Küche wenig bekümmerte, aber mit den Gästen lustig thun konnte,wenn dieselben für sie waren. Sie waren reich, ihre Wirthschaft hatte einen eingeurbeten Gang, es mochte sich da schon etwas erleiden. Sie hatte anfangs ihren Mann tüchtig ausgeschnauzt, daß er ihr so eine bringe,mit der sie sollte in der Küche sein, dergleichen thun,was sie für eine Köchin sei, und er wisse ja wohl,wie ihr das in der Küche hocken zuwider sei, wie sie auch nichts weniger erleiden möge als das. Als aber Eisi kam, grollte sie mit ihrem Manne nicht länger, sie [30]sah, daß es mit dem in der Küche sitzen nicht so gefährlich sei, und sie und Eist waren b'sunderbar wohl füt einander. Eisi war die Welt neu, es sah hundert Dinge mit staunenden Augen an, welche Weltmenschen alltägliche Dinge waren und brach darüber in Lobeserhebungen aus. Es that daher der Wirthin b'sunderbar wohl, wenn sie Eisi ihre Herrlichkeiten in Stuben und Kasten auspacken und zeigen konnte, und Eist dann aus Herzensgrund zu loben begann: „e aber ni, aber ni, tusige schieß, Türk abe nangere wie schön! selligs ha nih no niene g'seh, ni aber was doch de Lüte afe nit z'Sinn chunt, mi steyt fry uf e Gring“! So ein herzgründlich Lob, dem man es von weitem anhört,daß es nicht ein übliches alltägliches ist, thut einem sogenannten großen Geiste wohl. Warum sollte also dadurch eine Wirthin nicht gewonnen werden, warum sollte sie mit einer solchen Freundin nicht die herrlichsten Tage verleben? Eisi war daheim gezwungen gewesen, spätestens um 5 Uhr des Morgens aufzustehen,bei seines Mannes Eltern hatte es es bis 6 döselen lassen können, hier kam, oder wie man sagt, schloff es das erstemal erst um 7 füre, und zwar sehr erschrocken und wollte sich sehr für exgütiren von wegen dem guten Bett, und weil Niemand es geweckt. Aber es fänd Niemand, dem es die Entschuldigung anbringen konnte.Erst lang nachher zeigte der Wirth sich, und später noch schloff die Wirthin füre. Die lachte Eisi weidlich aus und wie ihm recht geschehen, daß es so lange auf das z'Morgen hätte warten müssen, einen andern Tag werde es wohl witziger sein. Das ließ Eisi sich nicht zweimal sagen, war es doch ja hier zum lernen, was der Brauch sei, und o wie wohl that ihm das lange Liegen, und je länger es lag, desto härter hielt das Aufstehen; es war ihm, als müsse es für 22 Jahre nache liege. Am Morgen ehe sie die Kaffekanne hinausnahm, frug die Köchin, ob sie etwas solle z'wegmachen? He ja, mach etwas, sagte die Wirthin, wenn's z'weg ist, so sag es uns, wir wollen kommen und luegen. Das Luegen war aber gewöhnlich bald erleidet:[51]„a bah, sagte die Wirthin, du hast jetzt schon gesehen,wie man es macht, wir wollen es dann probiren, wie es ist, das ist allweg d'Hauptsach.“ Versucht wurde dann gründlich und Eisi lebte Herrenwohl daran; das war andere Kost als daheim auf dem Gugger! Dere wolle es viel machen, sagte es gewöhnlich, was nimmt me neue dry? Dann gab die Köchin etwas Bericht und die Wirthin meinte: „a bah, was witt doch die Mühy ha, du wirst doch öppe nit e Narr sy u welle selber koche, und e Köchi weiß selligs scho, öppe allbeeinisch öppis agäh, für daß me geng öppe weiß wer Meistet ist, mehr ist nit nöthig. Und d'rfür kauf dir eins dere Bücher wo man hat, wo alles d'rin aufgemacht ist,was man kochen kann und wie man kochet, Kochbücher seit me neh.“ „Eni, aber ni, was du m'r doch nit sist, het me de o no dere Bücher, wo vom Koche drin stit, vo dene ha nih doch afe no nüt g'hört“, sagte Eist und schlug die Hände über dem Kopf zusammen. Nebenbei lernte Eist auch, daß man an Fische eine Fischsauce mache, wenn man sie nicht brägle, an Brägelwürste eine Zwiebelnschweitze, an einen Hasenpfeffer aber öppis ganz angers, daß man das Rindfleisch und z'Bratis nicht im gleichen Hafen koche, und daß, wenn man saure Lebern machen wolle, man Essig nehmen müsse dazu, und wenn man eine Suppe mache ohne Krebsstiele, so könne man dieser „falsche Krebssuppe“sagen. Das lernte Eisi, meinte nun was es wüüßte,hielt seine Kochgelehrsamkeit für groß, dachte, wenn es noch ein Buch hätte, wie die Wirthin g'seit heyg, un de no e Köchi, su förcht es ke Tüfel nüt. Nachmittags fuhren sie dann aus, oder stellten sonst etwas an, oder gingen in einen Krämerladen, oder ließen eine Näherin kommen, um Eist eine Kappe zu machen, wie die Wirthin eine hatte, oder was anderes sonst, das Eist noch nicht hatte. Kurz sie führten zusammen ein Leben, wie die Vögel im Hirse, aus den vier Wochen wurden sechs und Esi kam zu der Ueberzeugung: Wirthen oder im Himmel sein, das komme akurat äufs Gleiche.[38]Nach 6 Wochen kam Eisti heim, viel stolzer als ein Student, der 3 Jahre auf der Hochschule gewesen und ein Doktor Diplom, circa Philosophiam, errungen hatte.Es brachte drei neue Kappen heim, Fürtücher, zwei Tschöpleni, brodirte Schuh, einen Fingerring und sonst noch allerlei, strählte das Haar niedsig, kannte einige Redensarten: das wird öppe nit sy, dir cheut doch afe vexire, schenket ech bald wieder d'Ehr, zu nihs z'cho und dergleichen mehr. Es wußte von Fischsauce zu reden und falscher Krebssuppe, wo verflucht chüstig sy,wenn me brav drykey; hatte auf dem Heimweg eins dere Bücher gekauft, wo das Koche drin azoge war vo Xvorderist bis hingerist, und die Wirthin hatte versprochen, ihm für eine Köchin z'luege, wo Alles kochen könne, wie mes ume wünsch. Hatte also Eisi nicht Ursache stolz zu sein und zwar wenigstens so stolz wie ein Doktor, circa Philosophiam, der vielleicht nicht halb so viel heimbrachte als Eisi.
Eisi imponirte auch damit und Steffens Leute konnten sich nicht genug verwundern, wie Eisi afe geändert heyg in 6 Wochen, es sei schon eine ganze Wirthin,chön rede wie nes Oergeli und d'r Sach d'r Täsch gäh vom Tüfel. Steffen hatte rechte Meinig mit Eisi, sagte allenthalben, er sei g'fällig g'st, er häts breicht, aber bis er die gehabt, heygs Mües g'ha; z'Auslesen hätte ihm mehr Mühe gegeben, als albez de Bern Metzgere d'r Ostermändigstier, Und wenn Eist so freundlich ünd holdselig die Leute einlud, si soöͤlle st doch d'Ehr gäh,un si b'suche, so dachte er, das chöm gut, grad so müsse man mit den Leuten sein, un mit süße Worte chön me d'r sur Wy z'halb verbessere. So dachte Steffen, von wegen in den Sprachformen war Steffen eben nicht stark. Auf die Kälber verstund er sich etwas besser, obgleich er auch in dieser Wissenschaft kein Hexenmeister war.
[535]Wie Wirth und Wirthin floriren und wie die Wirthschaft blüht.
So begann die Wirthschaft unter den glänzendsten Aussichten, denn der Zulauf war über alles Erwarten groß und der Verbrauch dem Zulauf angemessen.
Steffen hatte also ein schön Schübeli Geld von seiner Frau, fast 10000 Pfund. Mit so viel in Händen fangen gar Viele nicht an, das merke man sich wohl.Zudem meinte er noch ein Bedeutendes von seinem Vater erwarten zu sollen, und das meinten auch noch andere Leute. Einen Theil seines Weibergutes zahlte er an sein Heimwesen, einen anderen Theil verbaute er, der Rest blieb ihm zur Einrichtung, zu Anschaffung von Wein und anderen Vorräthen. Vieles und namentlich Wein brauchte er nicht baar zu zahlen, viel blankes Geld, wie er es nie gehabt, blieb in seinen Händen, alle Tage kam ihm anderes zurück, alles wollte zum neuen Wirth, luege wie es dort sei und weil neue Besen gut wischen thäten. Zufällig waren auch mehrere Extra-Anlässe: Märkte in der Nähe, Musik, Zusammenläufe, Musterungen, sogar eine Feuersbrunst eben recht weit, daß man nichts zu riskiren hatte, nichts umsonst liefern mußte, und doch alles diesem Wirthshause zulief, weil es außerhalb des Gedränges das nächste war. Kurz sie hatten Geld zum Fressen. Steffen und sein Eisi waren wie in den Lüften, mehr lösen nützte nur nichts, meinten Beide. Eisi machte die lustige Wirthin; was es in der Küche war, hatte Steffen gar nicht Zeit sich zu achten; an das, was gebraucht wurde, dachte kein Mensch, alles gelöste Geld schien Gewinn, und was Steffen trieb und g'werbete, das dünkete Eisi lustig, und was es koste oder nicht koste,darnach frug es wenig. Eist war von Haus aus gewohnt, alles was man im Hause hatte, zu betrachten als koste es nichts, und wenn zuweilen die Mutter über etwas brummte, so hieß es: „eh das wird ja nit sövli machen, das kostet ja nut, mir heys ga selber ![34]Nun hatten sie das Meiste was sie brauchten auf dem Gugger selbst, den Kaffe ausgenommen, der wurde höchstens z'halb Pfündern eingekauft, und die Mutter wußte akurat anzugeben, bei welchem Krämer die meisten Bohnen in einem Vierlig seien. Mit dem Kaffe wurde aber auch sorgfältig und sparsam umgegangen.Nun hatte man hier auf der Gnepfi auch einmal alles selbst, denn Eist fiel in die Täuschung, in welche viele Weiber fallen, wenn sie die Einkäufe nicht selbst besorgen, das Geld nicht durch ihre Hände geht, das Gekaufte in Masse anrückt und abgelagert wird in Keller oder Vorrathskammern. So schien es Eisi, als hätten sie den Wein selbst, als sei der gar nichts zu rechnen; es schien ihm das Gleiche mit dem Fleisch aus der Schaal, mit den Kerzen, welche ihnen der X lieferte, welchem sie das Unschlitt gaben; das Gleiche mit Zucker und Kaffe, welches ihnen durchreisende Müsterler z'Gefalle und im Vertrauen anboten, einen guten halben Batzen oder mehr wohlfeiler, als es ihnen sonst der Krämer gab, z'Pfündern weis, so daß Eisi die Hände über dem Kopf zusammenschlug und sagte: es hätte doch nicht geglaubt, daß seye dä Schnurfli dä Weg b'schiß, aber es sei hürmehi Niemere meh z'itraue.Begreiflich kannte Eist den Unterschied zwischen en gros und en delail nicht, hatte die größte Freude Kaffe und Zucker fast für nichts kaufen zu können, und daß es einen noch umsonst z'Hus und z'Hey kam und doch kei Mönsch eim es Wortli vo zahle säg, u fay me selber d'rvo a u säg vo zahle, su heiß es: „ganz nach Gelegenheit, das pressirt durchaus nicht.“ So kaufte Eisit gerne, that gerne einem arligen Müsterler etwas zu gefallen, b'sunderbat wenn er zu rühmen wußte Eisi oder was von Eisi's Sachen. Diese Vorräthe wuchsen ihm mit dem Hause zusammen, es kam ihm vor, es hätte z'Sach jetzt selber, man brauche ja nur oben aben zu holen, es sei noch viel oben und kost ja fast nichts.So schonte es Zucker und Kaffe und alles was man selber oder fast für nichts hatte, durchaus nicht. Schonte Eisi sein Eigenthum nicht, wie wäre Schonung von der
[35]Köchin oder sonst einer Magd zu erwarten gewesen?Diefe brauchten natürlich auch was sie gut dünkte, setzten auf Vorräthe keinen Werth, ließen es sich behagen,dachten nicht daran etwas zu Ehren zu ziehen, z'Sach in ein Maß zu bringen, z'mödelen, daß die Leute wohl waren und doch nicht gischändet wurde. Man kochte Haufen, zumeist z'halb viel und wenn die Säumelchtern und die Schütisteine reden könnten, die hätten einem sagen können, wie viel in sie spazirt sei. Es wäre die Frage, ob damit nicht eine eben rechte Haushaltung nig davon, von wegen es gab schon Mühe, sie heißen hineinkommen und ihnen etwas z'weg z'machen, und mehr Mühe, als sein mußte, gab sich Niemand. Geld ist rasch gegeben, besonders wenn man es mit Kreuzer und Halbbatzen nicht genau nimmt, darum gab man Bettler Geld, wenn schon der Kuchischaft voll Sachen war, die kein Mensch mehr anrührte, die den Schweinen beizt waren. Dessen ungeachtet galt Eisi allenthalben als eine gute Frau, und weil es nicht meinte, es müsse alles regieren und in alles reden, wie es Leuten,welche eine Sache gar nicht oder höchstens halb verstehen, gerne anwohnt, sondern mit seinen Mägden auf gutem Fuße stand, so achtete man allfällige Dummheilen nicht, brachte sie ihm nicht aus, sagte höchstens:es sei noch ungewohnt, es sei sich aber auch nicht zu verwundern, so von einem Bauernorte her, wo z'Jahr aus z'Jahr ein nichts gekocht werde als Erdäpfel und Kaffe und über den andern Sonntag Sauerkraut und Fleisch; so eine Aufgeheiterte wie die, werd scho no lere, was sie mangle.
Nebenbei hatte Eisi noch viel Schönheitssinn, der war hauptsächlich geweckt worden in ihrer Studienzeit bei ihrer Freundin. Die erste Einrichtung ihres Hauses war begreiflich dürftig und oberflächlich. Eisi hatte bei der Theilung Hausrath und etwas von Bett und Bettgeräthe erhalten, Steffens Mutter hatte auch was gegeben, anderes angeschafft, für ein Sündengeld meinte sie, hoffentlich hätten sie jetzt für ihr ganz Lebtag genug.[38]Aber begreiflich weiß so eine Bauernfrau nicht, was es alles und in welcher Menge in einem Wirthshause mangelt; und als Eisi mit ihrer Köchin einzog, da fehlte es an allen Orten, und wie einmal Einer erklärt hatte, er werde von Straßburg verreisen, wenn man nicht rede von was er wolle, so erklärte die Köchin alsobald, sie verreise, wenn man nicht neu ans Anschaffen gehe, das und das müsse herbei oder sie bleibe keine Stunde länger. Was so eine Köchin für ein festes Wort hat und einen grüslichen Willen, man glaubt es gar nicht! Begreiflich ward das Geforderte auf der Stelle angeschafft, aber dennoch verging fast kein Tag,wo die Köchin nicht von vornen anfing und mörderlich schimpfte, was das für ein Kochen sei, so in einer neuen Hudelwirthschaft, wo in Gottes Name hinten und vornen nichts ist, und wenn man etwas machen wolle, einem entweder die Sachen dazu fehlten, oder das Geschirr, es zu kochen. Dann begann sie eine Reihe von Häusern aufzusagen, in denen sie gedient,und was man in jedem Hause für Geschirr gehabt und für Kommlichkeiten, da saĩ z'Kochen eine wahre Freude gewesen; aber so in einer Bettlerküche müsse inan z'hingerfür werde, gäb wie me si wehr. Eisi hatte ein zu gutes Herz, um so eine Kochin z'hinterfür machen zu wollen, es trat daher in die meisten Wünsche ein und schaffte unbesinnt herbei was sie wollte. Sie werde am besten wissen was nöthig sei, und was einmal sein müsse, was da lang käre helfe, meinte es.
Nun hatte Eist aber auch eigene Gelüsten. Es hatte bei seiner Freundin, welche an einer großen Straße wohnte, große Herrlichkeiten gesehen, von Umhängen,Spiegeln, Möbeln, Uhren, Gemälden, kurz allerlei,womit man in einem Wirthshause Staat mächt, und nun ließ es ihns gar nicht leben, nicht von dem allem haben zu sollen. Daß ein großer Unterschied sei zwischen den Wirthshäusern, daß die einen mit Uebernächtlern gesegnet werden, andere nur flüchtige Gastig haben; die einen eine Ausspannstation, andere blos gerecht für Zwischenfutter; die einen blos da seien für [37]die umliegende Bevölkerung, die kömmt und geht, andere dagegen für Reisende, die manchmal sich aufhalten; das wußte Eisi begreiflich nicht. Eist meinte, das Alles hänge vom Eing'richt ab, und wenn sie einmal eingerichtet seien, so wolle es luegen, ob z'Land auf z'Land ab ein Wirthshaus sei, wo es stärker gehe als in ihrem. Vor allem aus trachtete es nach schönen Umhängen und Portraits. Es schien zu glauben, aus schönen Umhängen würden dann Uebernächtler schlüpfen,vornehme, denen man so recht herzhaft eine Uerti machen könne; und weither würden die Leute angezogen durch wohl stark gefärbte Dinger, denen Eisi Portrait sagte, und die ihm b'sungerbar wohl gefielen, und um so besser, je stärker Roth, Blau und Gelb durcheinander gerührt war. Alsobald mußten acht Bettmacherinnen auf den Laden, und kamen daher gezogen fast mit einem ganzen Fuder Herrlichkeiten. Ein neues Wirthshaus ist für Bettmacherinnen immer eine Art von Neujahrkindlein; aber eine neue Wirthin in einem neuen Wirthshause, die ist für sie ein wahres Herrenfressen.Da ist was anzugeben, was anzubringen, da kann man der Phantasie freien Spielraum lassen, kann förmlich dichten in Umhangs Festons, Zotteln, Trodeln,Guirlanden, Bändel und andern Formen, kann alle Farben anbringen, kann flechten und troußiren, daß sich einem das Herz im Leibe umkehrt vor Wollust. Ob Fenstervertiefungen sind oder keine, ob die Sache einfach sei oder Aüuf- und Abnehmen und neu flechten und troußiren kunstfertige Hände erfordern, ist all einerlei,was schön ist und in die Augen sticht wird angebracht.Und dieweilen so eine neue Wirthin nicht ungerne gerühmt wird, es ist ihr eigentlich durchaus nicht wegen ihr, sondern wegen dem neuen Wirthshause, das sie rhw machen möchte und Bettmacherinnen weit umher kommen und viel sagen können, während der Tag lang ist, o was da so eine Wirthin anwendet, damit die Töchter wohl sind und Ursache zum Rühmen haben. Es ist ihnen aber auch zu gönnen, den guten Töchtern, so gut als den Katholiken, wenn die langen
[38]Fasttage vorübergehen und die Fleischzeit ihnen wieder aufgeht. Und was so eine sechswöchige Stör an den Töchtern anschlägt, es ist unglaublich! Das merket Niemand besser als der Schimmel, der sie geholt hatte und nun wieder heimführen muß. Diese Töchter wissen nun wieder viel, was hier und dort Schönes sei, anzugeben, was wohl stünde und fast gar nothwendig sei, ja sie verstehen sich auch etwas von Kleidungen und Moden, und wissen zu erzählen, wie doch diese Wirthin versehen sei mit Sachen, man glaube es nicht,und wie jene einen Staat habe, siebenzehnmal könne sie sich ganz anders anziehen und man wisse gar nicht wann am schönsten, so neu, proper und kostbar sei alles.Was solche Nachrichten für Bewegungen erzeugen in der Brust Einer von denen, welche von der Eva abstammen, man kann es gar nicht glauben.
Eine Pintenwirthin oder so eine Speisewirtbschäftlerin, die lache nicht über Eist und ihre Bettmacherinnen. Eisi hatte einen Gasthof und 10000 Pfund baar Geld gehabt. Das ist was anders als so ein gemein Pintli und d'rnebe nichts als ein Sonntagkitteli und ein Werktagkitteli, 23 Mänteli und 3 ganze Hemmeli.Und wenn sie es hätten, so wär bei Vielen der Unterschied nicht so groß, von wegen der Sinn wäre der gleiche, und was man nicht im Großen treiben kann,das treibt man im Kleinen und am Ende kömmts auf eins heraus. Aus einem Kaffekacheli nimmt man mit Kaffelöffelne, aus einer Suppenschüssel mit Suppenlöffeln, und am Ende wird eins leer wie das andere,die Suppenschüssel und das Kaffekacheli.
So brauchte Eist allerdings sehr viel Geld, aber so vpiel es brauchte, es fand immer welches im Schublädli: und wie viel es ausgab, das wußte es nicht,aufgeschrieben wurde es nicht, und es sonst zusammenzurechnen, wäre Eisi eine Kunst gewesen, denn Hexen und Rechnen kam ihm ungefähr gleichbedeutend vor. So ging es z. B. lange, ehe es sich eingeprägt hatte, wie viel es bringe, wenn einer 8 halbe Schoppen 10batzigen Wein gehabt, oder gar 3 Schoppen 6batzigen. Eisi hätte []A also nicht von ferne einen Begriff von der Summe,welche es in Jahresfrift ausgegeben hatte. Ebensowenig dachie Steffen daran oder darüber nach. Steffen war der glücklichste Mensch auf der Welt, daheim hatte er was er wollte, und wohin er kam, da war er der Hahn im Korbe.
Auf einmal war er nicht blos in einer unabhängi Lage, sondern er kam sich vor wie ein srage üng.
Da strömte Alles herbei und machte ihm den Hof,scharwänzelte um ihn herum und rühmte ihm alles vom Hund weg bis zur Frau. Die Weingumene schneite es förmlich daher, wie den 28. Jänner 1845 den Schnee.Wirthshäuser sind den Weingumene, was Mäuselöcher den Katzen, und absonderlich neue Wirthshäuser. Begreiflich kömmt es viel darauf an, wer hier zuerst den Fuß in Hafen setzen, den Wirth oder die Wirthin andrehen und am Bändel kriegen kann, indessen mit aller Vorsicht. Blos wegen des Wirthes schönem Gesicht und der Wirthin lüftigem Wesen setzt man seine Fässer Wein, wie wenig sie auch werth sein mögen, nicht aufs Spiel. Man nimmt daher Informationen auf, hier,dort, bei alten Kunden, alles mit aller Vorsicht, wie das Vermögen beschaffen sei, ob man trauen könne herzhaft oder blos so probiren dürfe mit einem oder zwei Fässern vom Mindern. Als nun bei Steffen die Informationen so vortheilhaft lauteten, daß sie die Gumene lange nicht glauben konnten, denn ein neuer Wirth, der 10000 Pfund erweibet und noch ein Schönes von Hause zu erwarten hatte, der war ihnen lange,lange nicht vorgekommen. Sie jagten sich daher fast die Fersen ab, überschütteten Steffen und seine Frau mit Höflichkeiten und Komplimenten, von denen beide nie nur geträumt hatten. Sie wirten vom Besten auf,sagten, wie glücklich sie sich schätzen würden, wenn sie in ein solches Haus den Wein fourniren könnten, garantirten, wie sie, könnte ihn Niemand liefern und wenn man ihnen es überlasse, so wollten sie wetten,in wenig Monaten nehme Steffen allen Wirthen in der
[40]Umgegend die Gastig weg, und über die Gasse brauche keiner mehr eine Maas. Wenn nun Einer so zärtlich und zuversichtlich sprach, absonderlich in trauten Abendstunden, welche dem Weinhandel besonders günstig sind,so gestalteten sich diese Stunden zu den glücklichsten,welche Steffen und Eisi je erlebt hatten. Sie waren noch neu in der Welt, hatten noch nicht viel Gumene erlebtz sie glaubten, was so traulich aus dem Munde klang; sie sahen sich schon im Besitz der größten Kundsame und ganzen Steingruben voll Geld; sie machten per se Bestellungen, und träumten ganz selig von Glück und Reichthum, bis die Sunne längst hungerig war und an viel Tausend z'Morgenessen sich bereits vom Zuluegen gesättigt hatte. So ging es init den Käsmannen, so ging es mit den Liquörfabrikanten, so mit den Esstgmachern, so mit den Bäͤckern und Müllern; ja selbst Bauern kamen und trugen Steffen Feißes an.Die Gerber kamen und wollten einen Stich mit ihm für die Häute machen, und die Kerzenbaggler sein Unschlitt haben, nicht weil sie nicht schon fas zu viel hätten, indessen seiner wäre ihnen gerade jetzt sehr anständig, es sei ein Fall darnach. So hatten sie fast wie Fürsten und Könige einen besondern Hofstaat um sich, der sie verehrte, die Hände ihnen unter die Füße legte, und sie auf denselben bis zum Himmel hob;einen Hofstaat, der nicht bloß von ihrer Gnade zu leben, sondern oft mit einem bloßen gnädigen Blick zufrieden schien. An der Aufrichtigkeit dieses Hofstaates hatten sie keinen Grund zu zweifeln, denn was sie bestellten, das war gut, oft besser als das Muster. Ganz dumme Leute nimmt man bekanntlich nicht zu Gumene,sondern solche, welche einen Unterschied zu machen wifsen unter den Menschen, zwischen neu zu erwerbenden guten Kunden und verdächtigen Kunden, zwischen alten guten und alten schlechten, auch solchen, die so oft als möglich Weinhändler wechseln, weil sie von jedem neuen Händler neuen, Kredit hoffen. So ein neuer solider Kunde kriegt die beste Waare, wird ausgesucht bedient;man will ihn nicht blos zufrieden stellen, sondern man []*41 möchte ihn ausschließlich bedienen, alle Konkurrenten ausschließen, Herr seines Kellers werden. Wenn mal ein Wirth ihnen dieses Vertrauen schenken würde, sagen sie, sie garantiren, in einem Jahre müßten alle Wirthe eine Stunde in der Runde ruinirt sein. Den neuen Wirth auf solche Weise zu gewinnen, wird allem aufgeboten, und jeder strengt sich an und überwindet alle seine bösen Gewohnheiten und möchte das beste Glas Wein liefern. Keiner sagt was vom Gelde, und wenn der Wirth die Rede darauf bringt, so antworten sie so,daß man glauben könnte, sie wollten gar keins, sie hatten große Lust, ihm den Wein umsonsi zu liefern.Ein Wirth, der auch nur einen Schatten von Kredit hat, ist unstreitig von allen Handelsleuten weit aus der Begünstigste. Er hat am meisten Prozente auf seiner Waare, sie ist am wenigsten dem Verliegen unterworfen, sie kömmt nicht aus der Mode, am allerwenigsten der Wein, wahrscheinlich das Broönz ebenfalls nicht;es geht ihm das Meiste baar ein und im Allgemeinen hat er wenig Ausstehendes in den Büchern. Hier und da eine Kindbetti, hier und da ein Pfund Schmeer oder ein halbes, welches er sich aber wie ein Apotheker bezahlen läßt. Auch muß er zuweilen lange auf eine Gräbt warten, hat aber dann immer den Vortheil,daß, je länger es geht, er dest“ mehr an der Rechnung nachbessern kann. Denn die Rechnung wird nicht abgeschlossen, d. h. der Wirth sagt zumeist nicht, was man ihm schuldig sei, bis man bezahlen will. Da kann er immer sagen bei einer Gräbt z. B.: wie haben wir abgeredet? 67 Batzen, d'r Wy à 6 Btz. Das war abgeredet; nun kommt das Unbestimmte, so und so viel Maas, und dann hats noch Neuis von Thee gebraucht, ich glaube 2 oder zwanzig Maas, je nachdem. Ein Handelsmann ist in ganz anderer Lage.Bei ihm geht der Verkauf fir, da ist kein Hinterthürchen zum Daraufschlagen der Prozente; an vielen Orten geht das Meiste auf Borg weg, und an Orten muß er Jahre lang auf die Besahlung warten. Viel prompter gelangen an ihn die Wechsel, viel größern Zufällen [48] ist seine Waare unterworfen, ein Kapital muß er in seinen Büchern haben, eins im Verlag, eins im Verkehr, und wenn er blos den letzten Viertel schuldig ist,so kann er sich ordentlich rühren, ohne daß er ersi ein Sklave seiner Lieferanten, dann bankerott wird.
Wie gesagt, viel leichter hat es der Wirth, und naneatie wenn er im Rufe steht, Geld zu haben,im Ruf ist, den besten Wein auszuschenken, er kann voll Schulden sein, wie ein Hund voll Flöh, und doch noch im Gelde krüscheln.
Steffen hatte allerdings Gastig, daß es ihm zuweilen fast g'schmuecht werden wollte, und er streng daran dachte, von Grund auf neu zu bauen. „Wenn man doch z'Sach recht übersinnete, und wenn man alles zum Voraus wüßte, so wäre man bald reich“, sagte er oft.Er hatte allerdings den besten Wein weit umher, weil jeder Gummi das Pré haben wollte bei ihm und er das Mischeln noch nicht verstund, oder besser gesagt,zu verstehen meinte. Zu Essen bekam man wohl hier oder dort es feiner, aber so viel Fleisch um 6kr.oder 3 kr. kriegte man nirgends, und bekänntlich gilt bei der Majorität die Quantität und nicht die Qualität. Man traf immer Leute an, es ging kurzweilig zu und genau wurde es nie genommen mit der Zeit. Es verwunderte die Leute oft, daß man da machen konnte was man wollte; die Einen meinten, Steffens Vater mache bas obe gut Wetter, andere aber suchten die Ursache näher und sagten, mit einem Schoppen Rothen,einem Schnäfeli Fleisch und d'r Frau albeeinist oöͤppis hey, könne man schon viel zwängen. Man vernahm da etwas, und war doch nicht so nahe bei Hause, daß die Weiber es in die Nase kriegen und alle Augenblicke einen heim holen lassen konnten.
So war Steffen daheim wie ein König, und es gab Tage, wo er zehn Maß hätte trinken können, ohne daß es ihn einen Kreuzer gekostet. Doch so uverschant war er nicht, er nahm nie mehr als er mochte, und er war dann doch nicht, daß er nicht hie und da auch noch eine Halbe gezahlt hätte. Kam er aus dem Hause,[43] so war es fast, als liefe er auf Freiersfüßen und fände allenthalben heirathslustige Maädchen, denn wo er hinkam, gabs ein Geschrei: „D'r Wirth uf d'r Gnepfi,d'r Wirth uf d'r Gnepfi! E Steffen bist du da, bist du's; chum thue B'scheid, das ist m'r doch jetz aständig, daß de jetz grad cho mußt“, so hieß es meist. Je willkommener einer erscheint, desto schwerer ist das Scheiden, und so geschah es oft, daß Steffen kaum mehr wußte, ob es Abend oder Morgen sei, wenn er heim kam. Denn es ist kurios, wenn sich so einer darnach an einem Orte herbeiläßt, so ist's, als ob hundert Augen die Zugänge zu diesem Orte bewacht hätten, oder als ob eine junge Krähe schreie im Walde.Ung'sinnet kommt der, kommt dieser, ung'sinnet findet sich eine ganze Kompagnie der rechten Kameraden zusammen. Keiner will vom andern was wissen, es ist eben, als ob sie es in der Luft vernommen oder eine junge Krähe sie zusammen gebrüllet hätte. Auseinander brüllte sie jedenfalls keiner, denn die Krähen waren längst z'Sedel, wenn die auseinander gingen. Es war nicht, daß Steffen, wie z. B. mancher andere, solche Gelegenheiten mit besonderer Vorliebe suchte, aber er mußie doch über Feld, mußte Feißes kaufen, mußte Haber kaufen, Holz u. s. w., und wußte als alter Metzger nur zu gut, daß nicht Allem zu trauen ist,was man einem hinterm Glase b'richtet, daß ein rechter Metzger mit eigenen Augen schauen, überhaupt Ort und Gelegenheit sich merken und auch der Bäurin die Ehre anthun muß, unter ihr Dach zu kommen, ihre Säue zug'schauen und ihr die Kinder zu rühmen.Daneben hatte Steffen natürlicherweise ein Rößchen,manchmal zwei, er hatte so viel zu führen, zu holen,zu nieten, daß er was der Art haben mußte; er hatte ein Reitwägeli, komoder kam ihm später was Decktes vor; er halte einen Hund, manchmal zwei; für einen Meßzger schickt es sich nicht ohne Hund zu laufen und manchmal hat er auch Lust zum Jäger ʒig'rathen. Bei allen diesen Habseligkeiten hatte er einen verfluchten Handelsgeist im Leibe, d. h. er händelete gerne, rühmte [44] seine Sache, führte die, andern aus,probirte, welcher den andern zuerst maßleidig machen könne; ist auch ein eigenthümlich Spiel, das. Er rühmte oft, es gebe mit diesem Händeln manchen schönen Batzen, an den Niemand sinne. Ob er recht hatte, wissen wir nicht, aber eben so wenig, wohin diese schönen Batzen gekommen sind. Sehr viel hatte er auf einem Rößchen, das lief,wie aus einer Kanone, und über ein Straßenpflaster dahin z'schäderte es, daß ringsum die Fenster klirrten und Köpfe an die Scheiben schossen. Wenn er dann diese Köpfe an die Scheiben schießen sah, gar hie und da hörte, das wird d'r Steffe, d'r Wirth auf der Gnepfi sein, so fahrt doch keine im ganze Land, der Stallknecht heraussprang und sagte: er hätte gedacht, er wolle g'schwing cho ha, sust syg er ihm scho zBasel niede,er dann seinen großen Bräter hervorzog und sagen konnte: „Lue, das ist's g'st, grad feuf Minute über halbi Englifi, wonih bir Düremühle furtg'fahre bi, u was ist's von hier, 2 Stund?“ „Ja mehr als 30,sagte der Stallknecht ihm zu Gefallen. „He nu so de,lue, no nit halbi Zwölfi, u lue, kes nasses Härli hets.“Wenn er so reden konnte, wenn dann noch der Wirth kam, wenn er später ein halb Dutzend Geschichtchen erzählen konnte, wie er mit dem Byggerli gefahren sei und wie er keinen Engeländer fürchte, so waär das eine seiner größten Freuden. Und wenn einer seiner Kameraden zu ihm kam und ihm sein Byggerli recht rühmte,so führte er denselben wohin dieser wollte, war's Tag oder Nacht, in schönem oder strubem Wetter. Und wenn es weiter ab einen lustigen Tag gab, einen Schießet, Kegelt, Gumpet oder sonst eine ganz ordinäri Hudelte, so hieß es immer: „d'r Steffe muß mit, mit sym Bygger sy m'r im Schwick dert, i zwo, i drei Stunge sy m'r dert wie Schnupf; so wie das Rößli,läuft keins im ganzen Kanton.“ Man hätte wirklich ein steinerneres Herz haben müssen, als Steffen eins besaß,wenn man durch solche Wendungen sich nicht hätte sollen gewinnen lassen z. es mußte gar nicht zu machen sein, * führte er die Kameraden, begreiflich nicht []
48 nur umsonst, sondern zumeist fielen ihm auch alle Auslagen für das Fuhrwerk auf.
Diese Ausfahrten an eine simple Hudelten waren jedoch nicht die theuersten, mit 40 oder 50 Btz. kömmt man schon weit im Tag. Aber Steffens Frau wollte nicht immer daheim sein, wollte mit dem gleytigen Byggerli auch ausfahren, luege, wie das t'schädere,wenn man in eine Stadt fahre. Steffen nahm seine Frau nicht ungern mit auf Märkte, führte sie zu der Bettmacherin, wenn sie Herzensangelegenheiten mit dieser zu verhandeln hatte, oder begleitete sie, wenn sie hier und dort als Gotte zuchesta mußte. Das waren theure Ausfahrten, die nicht mit 4 oder 5 Fr. abgethan waren. Die Weiber bleiben in der Regel vielmehr bei Hause als die Männer, und gar manches Weib wird,wenn der Mann fort ist, vom Gedanken beschlichen:„was het er ächt Gut's, wenn ih doch o ume d'rvo hätt', wie viel v'rthut er m'r hüt aber, u ha nih nüt d'rvo ?“ Daher die an vielen Orten stattfindenden Gebräuche, zu kücheln an den Markttagen, damit die zu Hausebleibenden auch was Gutes hätten, oder nach der Zurückkunft vom Markte mit der Frau noch ins Wirthshaus des Dorfes zu gehen und ihr dort aufstellen zu lassen aus dem ff, oder ihr wenigstens eine Halbe heimzukramen, damit ihre Phantasie von dem Ausspinnen der Herrlichkeiten, welche der Mann zu sich genommen, abgelenkt werde. Geht nun der Mann mit dem Weibe z'Märit oder sonst an irgend ein Fest, so darf er nicht sparen, er muß mit dem Besten aufwarten lassen, das Wohlleben der Frau ist Nebensache,Hauptsache ist die, daß sie sehe, der Mann gönne es ihr und meine nicht, er wolle Alles nur für sich alleine brauchen. Wo Sparen die Haupttugend ist, gut Husen Lebenszweck, Geld ausgeben immer als eine Ärt Sunde,wenigstens als das groößte aller Uebel betrachtet wird,da muß man nicht darüber lachen, wenn eine Frau es als die innigsten Liebeszeugnisse (und ein Weio, sei es aus welchem Stande es wolle, ist immerdar gerne geliebt vom Manne, auch wenn es selbst ihm nicht viel [4146]nachfrägt) ansteht, wenn der Mann einen Franken oder zwei, drei, an ihns wendet und ihm aufstellen läßt,was Gutes zu haben ist, sowie es dagegen durch nichts mehr gekränkt wird, als wenn bei solchen Gelegenheiten der Mann es karg und mager abspeiset. Es besuchte einmal ein Mann seine Frau, welche er schweren Gemüthes wegen bei einem Arzt hatte, und das schwere Gemüth war deswegen entstanden, weil sie glaubte, sie sei dem Manne zu wenig reich und er sei jetzt reuig hinterher. Der Reichthum war groß da und keine Kinder vorhanden. Der Mann besuchte die Frau, es hatte ihr merklich gebessert, er nahm sie mit sich und zahlte ihr eine Halbe. Da sagte sie, es duech se, sie möchte noch für einen Batzen oder zwei Hammeschnittli zum Wein. He, sagte der Mann, es duecht mih, ih wett das lah sy, wed hey chunst, su chast ja z'Nachtesse.Die Frau sagte kein Wort mehr, aber wer einen Rückfall hatte, der gefährlicher war als die erste Krankheit und fast nicht weichen wollte, das war sie.
So muß der Mann aufwirxen lassen und hat dabei noch den Nachtheil, daß die Frau hintendrein, wenn sie genug gegessen und getrunken hat, glaubt, es gehe allemale so, auch wenn sie nicht dabei sei, während doch wirklich der Mann sehr oft viel bescheidener lebt,wenigstens des Essens halb, vom Trinken wollen wir es nicht behaupten. Dieses war jedoch nicht die Hauptausgabe. Eisi hatte die Schwachheit aller Weiber, nirgends hingehen zu können, ohne zu krämerlen und zu kramen, in hohem Grade. Es konnte bei keinem Laden vorbeigehen, ohne stille zu stehen, Steffen einen Mupf zu geben und zu sagen: „Nei aber lue doch, g'schau doch, vo dem hey m'r o no nüut, sötte m'r nit v dere ha, was chost das ächt, gang frag doch.“ Eist war selten von ihrem Gugger weggekommen, hatte die Herrlichkeit der Welt wenig gesehen, bildete sich nun ein,wer Geld habe, der müsse alles anschaffen, was zu kaufen sei; für was hätten es die Leute gemacht, wenn es nicht nöthig wäre, und daß es die kauften, wo es vermöchten? So krämerlete und kramete dann Eisi, daß [47] es doch manchmal Steffen wohl viel duechte, wenn ihn schon das Geld nicht reute, daß er zu wehren begann.„Nit, nit, sagte er dann denk doch o, wie wey m'r alles mitnäh, m'r hey ja z'letzt selber nimme Platz im Fuhrwerk, u wed alles ungereinist chaufst, was wottsch de z'angermal mache? Ih wed für selb o no Neuis spare.“ „Löhl, wäs de bist, meinst, wir seien schon hingerus? Es wäre wohl gut, aber es wird mir fast g'schmuecht, wenn ich g'seh muß, was m'r Alles no nit hey u was doch sy muß.“ Das gab theure Tage,wie theuer wußten sie selbsten nicht, denn ungezählt hatten sie Geld aus dem Schublädli in die Säcke genommen, ungezählt legten sie den Rest wieder hin, wenn nämlich noch einer vorhanden war, daß es sich der Mühe lohnte, ihn bei Seite zu thun.
Und doch waren das nicht die kostbarsten Tage, es gab noch viel theurere. Von diesen Tagen brachte man doch etwas heim, hatte für sein Geld etwas, von denen aber, von denen noch zu reden ist, hatte Steffen gar nichts, als höchstens einen sturmen Kopf und Kyb im Lyb. Wenn es strub Wetter machte, daß den Krähen das Fliegen erleidete, die Wirthshäuser in ungewohnter Stille dalagen, dann kamen zwei, drei, viere daher, man wußte fast nicht zu welcher Thüre ein, sie fanden sich mit Steffen in einem apparten Zimmer zusammen; 8 wurde abgesessen und gespielt und zwar nicht blos geramst um eine Maaß oder zwei, sondern wenn lauter die Rechten beisammen waren, so wurde geländelt, sonst aber g'mutzet und beetlet. Beim Ländeln konnte es auf 100 bis 200 Fr., ja noch höher gehen,und Steffen hatte oft das Unglück, daß es ihm so ging.Er hatte das Unglück, daß er mit ausgemachten Spielern spielen mußte, von denen zwei einander so gut verstunden, daß Niemand gegen sie aufkam, daß sie jedem das Hung nahmen, daß man oft fast zum Glauben verleitet worden wäre, sie seien nicht blos ausgemachte Spieler, sondern ausgemachte Spitzbüben, wenn sie sich nicht so hoch und theuer verflucht hätten, es soött eine z'Hergetts sy und säge, si b'schyße, dem wette si! [48]War dann da die ganze oder halbe Nacht durch an Steffen und vielleicht noch an einem Hansli oder Christeli gerupft worden, so redete man einen andern Abend ab, hier oder dort zusammenzutreffen, der eine oder der andere hatte was zu thun dort; so konnte man wie von ungefähr dort sich zusammenfinden und hatte ein Fürwort bei den Weibern wenn sie frugen: „Wo wottsch aber us, es duecht mih, du söttisch doch a afe einist möge zwe Tag hinger e nangere daheim blybe.“ Freilich traf man auch zuweilen zufällig zusammen und machte geschwind eins, oder spielte rasch einige Partien Billard, wobei ebenfalls einige Fünffrankenstücke konnten verloren gehen, oder kegelte geschwind eins, wenns Sommer war und zwar nicht wohlfeil. Steffen verlor fast immer, ausgenommen im Kegeln, in welchem die meisten Metzger eine besondere Fertigkeit haben; denn nicht umsonst ist die Kegelbahn fast immer in der Nähe der Schaal (Metzg). Steffen hatte das kalte Blut,das gelassene, gehältene Wesen des Spielers nicht, die sichere feste Besonnenheit, welche derjenigen des Schiffers gleicht, welcher alle Segel spannt bei günstigem Winde uünd rasch sie fallen läßt und zu laviten weiß, wenn der Wind umsetzt und konträr wird. Er konnte vorsichtig und zurückhaltend sein, wenn das Spielglück ihm am heitersten lächelte, alles ihm zuschlug und handkehrum, so wie das Glück sich wendete, unbesonnen werden, wagehalsig, zwängen wollen, was nie zu zwängen ist und besonders ausgemachten Spitz (bald wären wir verschossen) Spielern gegenüber, welche sich nie imponiren lassen, aber jede Schwäche, und namentlich jede Leidenschaftlichkeit, die größte Schwäche des Spielers, des Gegners sofort bemerken und auszubeuten wissen. Das waren Steffens kostbarste Tage und davon hatte er nichts als Kyb im Lyb.
So war Steffens und Eisi's Anfang in ihrer neuen Laufbahn, so viel versprechend und hoffnungsreich wie selten einer; sie erkannten es auch. Sie gehörten unter die Wenigen in der Welt, die wenig oder nichts zu klagen halten, nichts schriftlich, nichts mündlich, nichts [49] auf der Gasse, nichts unter vier Augen. Ja sie rühmten einander gegenseitig und zwar aufrichtig hinter dem Rücken und ins Gesicht. Steffen sagte von Eisi, es mache sich b'sunderbar gut, er hätte anfangs Kummer gehabt, gefürchtet, so eine aus einem groben Bauernort werde sich schwer in die Sache schicken können, aber das sei gegangen, wie pfiffe, es duech eim, Eisi sött syr Lebtig Wirthi g'si sy; er müß säge, er syg g'fellig g'si mit em Wybe, besser hätt' er's nit breyche chönne,no ke Stung syg er reuig g'st.
Eisi aber saägte: Dasuf em Gugger obe, wüß me nit was lebe syg, ja mi syg fry gar ke Mönsch, erst sit es d'r Steffe heyg, wüß es o bppe, was lebe syg u wie mes haschön i d'r Welt. Es möge gehen wie es wolle, so werde es Steffen nie v'rgesse, daß er's erlösst habe us der Wildnuß und ihm d'rvor g'si syg,daß es nit öppe so ne Ragger Bur heyg müsse näh,wo's Niemere gut heyg weder d'r Hung, wo am Schatte blybe chön, wenn die angere alli duße werche müsse.U nit üme das, er syg sust no gut gege ihm u gönn ihm z'Sach, un oppi z'weni heygs ihm no nie g'macht.U d'rnebe syg er de öppe Eine, wo e Frau Freud ha chön an ihm, u si de notti nit schäme müß, wenn si mit ihm usryt oder sust mit ihm vor d'Lüt chöm.
Sie waren also glücklich und bekannten auch ihr Glück ohne Hehl; sie thaten nicht so dumm, daß sie meinten, sie müßten auch klagen, so des allgemeinen Brauchs wegen, oder sie müßten ihr Glück verläugnen,der Menschen wegen, man gönne es ihnen sonst nicht mehr und suche ihnen zu schaden, wo man könne und möge.
Wirklich lachte ihnen das Glück. Doch der reine Spiegel, auf dem das Glück rein sich wiederspiegelt in die Länge, der gute Boden, in welchen das flüchtige Glück feste Wurzeln fassen und in feste Zustände übergehen kann, die fehlien ihnen. Wo diese fehlen, verzerrt des Glückes Lächeln sich, wird zum Grinsen, wird das Glück zu einer Morgenwolke, die vorüber fährt,[30]wird nie zur Eiche, die in Felsen wurzelt und Jahrhunderten trotzt.
Von der Fortbildung überhaupt und von Steffens und Eisi's Fortbildung ins besondere.Wenn dem Menschen das Glüück lächelt, wenn es seine Fülle in dessen Schooße ausgießt, da drohen ihm schwere Gefahren. Nicht umsonst sagt Christus, es gehe ringer ein Kameel durch ein Nadelöhr, als ein Reicher ins Himmelreich. Nach heutigem Sprachgebrauche ist Reich und Glücklich fast gleichbedeutend. Man kann nicht wohl sagen, sie hatten beide keinen Glauben, das ist bald gesagt und selten ganz wahr. Hätte man ihnen diesen Borwürf gemacht, so hätten Beide einen der Lüge geziehen. Steffen hätte gesagt: daß er dann öppe alles glaub', was einem d'Prädikante sage, selb sei nicht,söpli dumm sei man gottlob hürmehi nümme, aber daß öppe e Gott syg, wider selb heyg er nüt, selb werd sy, er glaubs selber o. Eisi hätte gesagt: selb sei eine verfluchte Lugi, es nähmte ihns doch Wunder, wer einem solches aufbrächte, es sei unterwiese wie e angere u daß öppis angers no syg, wüß es vielleicht no besser as es angers, vo wege, sy Großätti heyg einist d'r Tüfel selber g'seh, wo ner vo nere Fuhrig hey cho syg,bim Kehrumthürli im G'häre. D'Roß syge erschücht und läng Stück heyg me se nit ume funge, eys syg hie i de Tanne b'hanget g'si und eys dert i junge Buchlene. D'r Großätti heyg me hey brunge, er heyg gar nüt vo nihm selber g'wüßt, u längi Zyt heyg me nit g'wüßt, ob er mit em Lebe d'rvo choöm oder nit.D'rnebe aber mein es nicht, daß es alle Sunde z'Kilche well, un öppe gar no z'Kingelehr, u d'm Lese heygs nie viel nahg'fraget und jetzt hätt' es erst nit z'Zyt d'rzü.Das werd aber öppe nit viel mache. Schlechts mäch es nüt, d'rnebe syg es e Sünder, wie öppe alle, Lüt.Aber was d'r Bruch syg, i selbem fehls o nüt; wes [] 81 schwanger syg, su gang es zum Nachtmal, un wenn es zKing heyg, zChile, u selb werds emel einist wohl ha.Daneben häatte Steffen noch sagen können, daß er beim Veh noch viel auf Hexen hiell und daß er auch einmal an einem heiligen Sonntag während dem Kirchengeläute rückwäris einen Haselstock in den drei heiligen.Namen aus einem Haag gehauen, um den Pferden damit den Haber umzurühren, und Eisi hätte sagen können, daß es zu keinem rechten Doktor Glauben hätte,sondern blos zu Quacksalbern, und daß, wenn ihm ein Strumpfband verloren ging, es zu einer Wahrsagerin gelaufen sein mußte. Und doch hatten diese beiden Eheleute durchaus keinen Glauben, oder waren sich wenigstens keines Glaubens bewußt; denn wenn man sie geradezu gefragt hätte: „He, was glaubet d'r de“? so würden sie geantwortet haben: „He, öppe was anger Lüt“, aber Näheres als das oben Angeführte, würden sie kaum haben angeben können, denn sie hatten wirklich keinen christlichen Glauben, der irgendwie christlich sich regte und lebendig ward. Ihre Gedanken schweiften durchaus nie in das Gebiet des Unsichtbaren, geschweige dann, daß sie sich dahin richteten, mit demselben sich beschäftigten. Sie dachten nie daran, daß sie im Leibe eine Séeele hätten, geschweige dann, daß ein Gott im Himmel sei. All' ihr Denken entstund nicht von innen heraus, sondern wurde durch äußere Eindrücke, die entweder früher haften geblieben oder gerade eben an sie gelangten, erzeugt. Früher, ehe sie in den Strudel des Lebens geriethen, hatten sie wohl gesinnet und gedacht, Steffen, was er anfangen, wie er zu Gelde kommen wolle, Eist, was es wohl für einen Mann kriegen und wie es diesem oder jenem beizen könnte. Jetzt aber hatte Steffen Geld, Eisi einen Mann,wurden nun zumeist durch die augenblicklichen Eindrücke bewegt und bestimmt. Diese Eindrücke mußten allerdings auch erst Saiten in ihnen berühren, ehe sie einen Klang geben, eine Handlung zu Tage fördern konnten.Ein Christ hat auch solche Saiten; diese Saiten hat sein Glaube ihm gespannt, derselbe erhält sie auch straff.[] 32 Was nun von außen an ihn kömmt, wiedertönt an diesen Saiten, und um so rascher und bestimmter, vollfönender, je stärker der Glaube ist. Breitet vor dem Christen die Schönheit der Welt sich aus, so tönt von innen heraus Preis und Ehre des Schöpfers; entfaltet sich die Sünde der Menschen, so bricht hervor der Jammer über den Sünder, der Zorn über die Sünde;kommen die Lockungen der Welt gezogen, so kömmi stark und fest die Antwort: „wie sollt' ich so großes Uebel thun und sündigen wider den Herrn, meinen Gott“; kommen die Leiden der Welt in ihren tausendfachen Gestalten, so erklingen die Seufzer zu dem starken und milden Vater im Himmel, der helfen kann und will jedem gläubigen Kinde mit Kraft zum Tragen mit freundlichem Geleite durch den Dornenpfad, der zur Verklärung führt. Und will die ganze Welt mit all'ihrer Gewalt sich drängen zwischen den milden starken Vater und das geängstigte Herz, dem Lichte von Oben den Zugang wehren mit ihrer ganzen Gewalt, Glauben, Liebe, Hoffnung erdrücken, so sprengt der Glaube mit andächtigen Seufzern die schwarze Mauer, die schwere Last und das Auge des Vaters leuchtet wie die Morgensonne nach einer Gewitternacht ins gepreßte Herz hinein, durchströmt dasselbe mit neuer Kraft, zu handeln im Glauben, zu wandeln die Wege des Vaters, treu zu bleiben im Größten wie im Kleinsten.Durch die Stärke des Glaubens werden die Töne bedingt, schwach klingen sie zuerst, aber sie wachsen an Kraft und Fülle mit des Glaubens Verklärung; lange oft wollen sie zuweilen nicht erklingen, tönen gebämpft,unbestimmt, aber wie das christliche Bewußlsein sich steigert, so gestalten sich auch die Antworten rasch und bestimmt und bei den leisesten Berührungen quellen die Töne göttlichen Willens herauf. Wo es so heraufklingt in Wort und That zum Lobe Gottes und seinem Wohlgefallen, da wohnt der Glaube. Wie aus dunkler Höhle auf die Fragen der Menschen das geheimnißvolle Orakel den Willen der Götter verkündete, so bricht aus gläubigen Herzen, in die keines Menschen Auge [33]sieht, die kein menschlicher Fuß betritt, der Wille Gottes hinaus in die Welt. Das ist der christliche Glaube,und wie das gleiche Leben des Baumes Wurzeln durchströmt, welches in dessen Krone rauschet, so will der christliche Glaube im Herzen wohnen und das Leben in den Werken sein, und wie nichts den Baum sicherer tödtet, als wenn man die Krone abschlägt und alles Treiben des Baumes, jedes Blatt und jeden Zweig, so wie er sichtbar wird, abschneidet, so wird der Glaube faul und todt, der blos im Herzen wohnen, im Leben sich nicht zeigen soll, der blos Wurzel, Gesinnung bleiben, zum Stamm, den Träger des Lebens, zum Werk,der Frucht des Lebens, sich nicht gestalten soll.
Von diesem Glauben hatten unsere Leutchen also keinen Begriff, hatten also keinen festen Boden, auf welchem sie feststunden, heute und morgen die Gleichen.Sie wurden auf den Wellen der äußern Eindrücke geschaukelt, und diese Eindrücke wirken ein, zeugen Empfindungen und Werke, je nachdem die thierischen Saiten im Menschen gespannt sind, je nachdem er kalt oder warm hat, schläfrig oder wach ist, gegessen oder getrunken, Kopfweh oder Bauchweh, oder längi Zyli,oder gar nichts hat. Solche Menschen sind aüch schöner Empfindungen, sogenannter guter Thaten, fähig,warum nicht? Eist konnte eine arme Frau über *haben, ihr ein gutes G'lieger geben, Kaffe am Morgen und etwas in Sack, weil es Erbarmen empfunden bei ihrer Erzählung und denken mußte, Herr Jeses,wie wär's m'r doch, wenn's m'r auch so ging; es ihm nichts dafür abnehmen, weil es dachte: z'Sach hey m'r selber g'ha, apparti d'rfür kauft ja nüt, u wie wetts doch o so nes Knechtli mache: 40 Pfund Lohn,4King und alli Brösmeli chaufe z'lieb läng Jahr dure,wie wetts doch o eine könne mache, wenn er nit will zum e ne Schelme g'rathe. Steffen konnte einem Hallunk, von dem er gut wußte, daß er sein Lebtag viel gelogen, aber nie einen geliehenen Kreuzer wiedergegeben hatte, eine Handvoll Fünfunddreißiger borgen und [] 384 wenn allfällig Eist brummen wollte, so sagte Steffen:„Biß doch o witzig; wenn ih ihm nit gäh wett, wer wett ihm gäh, ih frage di?“ Bürgschaft konnte er Niemand abschlagen, und wenn er Jemand das Reiten verheißen, so konnte er demselben Stundenlang warten,wie unkomod es ihm auch war. Sie waren noch weich,zu bestimmter Eigenthümlichkeit hatte die Welt sie noch nicht erhärtet. Wie sie Gutes empfanden bei erregenden Eindrücken der Welt, so quoll eben so rasch und beicht Böses auch bei anderm Wellenschlag der Außenwelt.
Eisi hörle für sein Leben gerne andere Weiber ausführen, und wenn es Gelegenheit hatte, einem was anzuhängen, so kam es ihm auf eine Lüge oder zwei nicht an; so spielte Steffen gerne Streiche und Possen,die oft sehr grob waren, besonders Trunkenen, die nicht wußten, wer es gemacht, oder armen Burschen, die sich nicht rächen konnten, nicht rächen durften. Mit der Ehrlichkeit nahm ers nicht genau, doch fiel es ihm selten ein, Jemand Unrecht zu thun, es mußte ihm erst einer seiner Kameraden sagen: „nimm den jetzt auch so recht, daß ihm das Ligge weh thut.“ Wenn einer voll war, so that Eist ihm gerne halb Wasser in den Wein, rechnete ihm doch z'halb mehr an, als er getrunken, und wenn er wechseln ließ, so überzählte es sich um einige Batzen. Dessen hatte es jedoch kein Hehl, sondern rühmte es mit lachendem Munde jedem,wer es hören wollte, wie es dä g'no heyg und ihm's er sei so volle g'st, er heyg nit meh chöne abi sagen. So was schien ihm eine Heldenthat. Beide hörten Zoten und schlüpferige Dinge für ihr Leben gerne und steuerten durchaus keinem Unwesen in ihrem Hause, im Gegentheil. Wenn Eist schon zuweilen des allgemeinen Brauches wegen sagte: „Schwyg m'r jetz de, du Uflath“, so lachte ihm doch das Herz im Leibe, und es wäre ihm sehr leid gewesen, wenn es auf seine Ermahnung hin nicht noch schmutziger gekommen wäre. Beide hörten Spöttereien über alles Geistliche besonders gerne und halfen mit Alles verlachen [] 38 und sich groß und stark stellen, als seien sie weiter als das gemeine Volk, das sich noch am Narrenseil herumführen ließe und dumm sei wie d'Länderküh, und handkehrum hätten sie doch aufbegehrt, wenn man ihnen vorgeworfen hätte, sie hätten keinen Glauben. Ihre Gastig, jedenfalls die, mit welcher sie sich am meisten abgaben, bestund aus sogenannten Halbschöplern, das sind nicht Halbschoppen Bauern, nicht Halbschoppen Meister, nicht Halbschoppen Herren, nicht Halbschoppen Buben; aber von allem war was dabei, es war eine wunderliche Generation, fast so bunt und wunderlich wie eine Schneiderfahne. Unter dieser Halbschoppengastig versteht man die Leute, welche mit mehr oder weniger Regelmäßigkeit um 9 oder 10 rasch wie ein Spyri seinem Loche zu, in eine Thüre schießen und hinter derselben ihren Schutz oder Halbschoppen zu sich nehmen, dann rasch wieder raus und manchmal noch vor 12 rasch wieder zum Loch ein und aus. Nach dem Essen natürlich wieder, da aber etwas langsamer, minder pressirt, wie mit bessern Gewissen, bis es wieder an die Arbeit geht, und per se nach dem Nachtessen oder nach dem Feierabend wieder, und zwar da sehr oft von einem Halbschoppen zum andern, es weiß kein Mensch wie lang. Da kömmt es natürlich darauf an,ob viele Wirthshäuser an einem Orte sind oder nur wenige, auf die Polizei kömmts dabei wegen der Länge durchaus nicht an, deren hat kein Hund sich mehr zu achten, nämlich per se da wo keine ist, denn dessen was nicht ist, kann begreiflich ein Hund sich nicht achten, wenn er schon woilte. Diese eigenthümliche Bevölkerung, zusammengewürfelt aus allen Altern, fast möchte man sagen Ständen, Nationen, in allem möglichen Kostüme, von den Holzschuhen bis zu den Stegreifen (den Stegreifen ersetzt oft ein Extre den halben Schoppen), vom Twine bis zu den Hemdeärmeln, mit und ohne Haare, mit und ohne Schnäautze, meist jedoch,wenigstens Vormittag, ohne Röcke, meist mit Geld, zuweilen jedoch auch ohne. Diese Bevölkerung ist wunderbar zerstreut (wie die Juden, durch die ganze Welt,[56]wo es was zu schachern gibt) durch das ganze zivilisirte Europa, so weit es Kaffehäuser und Pinten und andere Wirthschaften gibt. Begreiflich jedoch gestaltet sie sich anders in den verschiedenen Ländereien nicht nur, sondern auch in größern und kleinern Städten,so z. B. ist sie in London nicht ganz gleich wie in Langenthal, in Amsterdam nicht wie in Aarberg, in Paris nicht wie in Schwarzenburg, in Berlin endlich nicht wie in Bern, wenn Bern auch schon ein großer Ort ist, wo große Männer wohnen. Wie verschieden diese Bevölkerung sich ist in Sprache, Haut und Stand,eins hat sie doch gemein (die üblichen Ausnahmen fangen endlich an si von selbst zu verstehen), sie liest wenig oder nichts, Zeitungen aüsgenommen, diese werden ungefähr von der Hälfte in die Hände genommen;sie denkt nichts, außer wenn sie jemand taub macht,oder eine Facharbeit sie zum denken zwängt, daneben aber ist diese Bevölkerung verflucht gebildet, meineidig aufgeklärt, sie gibt den Ton an, sie macht den Zeitgeist. In großen Städten wie Berlin und Paris, da befaßt diese Bevölkerung sich hauptsächlich mit dem Theater und mit den sogenannten Tagesfragen. Das Theatergeschwätz beschäftigt viele Taufende ganz ausschließlich, was gespielt worden und gespielt wird, wie Der gepfiffen und Jene gekräht, das älleine füllt ihren engen Schädel, das alleine bildet ihren Schwatzstoff.Wir müssen sagen, das Theater ist eine schöne Sache,und wenn schön darin gespielt wird, so ist es noch schöner; aber wir müssen ebensogut sagen, daß wir die für die jammerwürdigsten, flachsten aller Menfchen halten, denen das Theater alleine ihren Schädel füllt,denen es ihr Alles ist, hier ihr Himmel, dort moöglicherweise ihre Hölle. Die Theatergöhle sind in Berlin und Paris ungefähr gleich, während die Tagesfragen in Paris sich um die Minister drehen, höchstens bis nach Algier gehen oder aufs weiteste bis nach England,bekummern sich die Jelehrten Berlins um die Profefsoren,welcher jelehrier oder liberaler sei als der andere, versteigen sich zuweilen bis zu den schlesischen Webern []87.und geben manchmal ein geheimes Gemuckel über Rußland von sich, aber wohlverstanden, nur ein Gemuckel oder Gemunkel, und dazu noch ein geheimes.
Theater ist unter unserer Bevölkerung von diesem Schlage keins zu besprechen, was Neues hat auch Keiner gelesen, man zerrt sich daher gewöhnlich an was Altem herum, an alten Histörchen, Kiltgeschichten, stehenden Witzen, am Wetter, an der Repetition von Hudelten, ältern oder neuern Datums, allfällig auch an laufenden Geldstagen und laufenden Liebschaften, verlaufenen Steigerungen, bestehenden Geldnöthen, oder vorgefallenen Prügeleien, und Spöttereien über alles Geistliche, ein sich Rühmen, wie man sich über Alles wegsetze, womit man hauptsächlich den hohen Stand seiner Aufklärung beurkunden will, wodurch aber nichts klar wird, als daß die Leute zwischen Unglauben und Aufklärung keinen Unterschied kennen u. s. w. Freilich schlägt auch zuweilen nicht blos so eine gemeine Tagesfrage, sondern eine eigentliche Lebensfrage in diese Kreise. Und wie es geschieht, wenn ein Blitz in einen Weiher fährt, das Wasser zischt und spritzt, daß die Augen fast nicht mehr klar reiben kann, wer es überlebte, so bringt in Aufruhr eine Lebensfrage die ganze geschilderte Bevölkerung, wenn sie in sie fährt. Das siedet und brauset und zischt, daß man sein eigen Wort nicht mehr hört, und wenn sie auch nicht über die Felsen aus ins Meer sich stürzt, so stürzt sie doch von einer Speisewirthschaft zur andern, tobt in gewältiger Brandung von einem Kaffehaus, einem Pintli, zum andern, es ist eine Bewegung, groß und hehr, daß man meinen sollte, die Häuptier ihrer Wellen würden sich bis zum Himmel heben. Indessen man fürchte sich nur nicht, diese Wellen sind zu kurz, die Gewoölbe des Himmels zu sprengen, sie können wohl aufrühren die schmutzige Grundsuppe, den Uferschlamm und den Bodensatz der Tiefe, können eine Zeitlang den Gesichtskreis trüben und die Augen blenden, diese Wellen verrauschen wieder zwischen den Speisewirthschaften, der Donner der schöͤnen Bewegung verrauscht am Ende wieder []
38 in ein anständig berliner Gemunkel. Von wegen was nicht Boden hat, das schießt wohl schnell auf, aber verdorrt eben so schnell wieder und wo die Wasser nicht tief sind, da bewegen sie sich leicht, die Oberfläche kräufelt sich, die Wellchen sträuben, bewegen sich, aber sie setzen sich bald wieder, nachdem sie eigentlich nichts anders gemacht, als Alles trübe, so weit sie kommen mochten. In dieser Gesellschaft bewegten sich Steffen und sein Eisi hauptsächlich, das waren die bildenden Elemente, welche Einfluß auf sie hatten, ihre Fortbildung vestimmten. Man spricht viel von gebildeten Leuten, und die Schulmeister heben stark den Kopf auf,weil sie meinen, sie alleine seien bevorzugt, weil sie alleine Fortbildungskurse hätten, sie hätten das Recht,mitleidig auf die Erbarmungswürdigen herabzusehen,welche keine Fortbildungskurse haben, nicht zum Fortschriit in Kurs gesetzt werden; die dummen Leute! Gebildet sind alle Leute, einen Fortbildungskurs haben alle Leute, im Fortschritt begriffen sind alle Leute! Man setze also ab mit dem Hochmuth, halte sich nicht für bevorrechtet, weil man lesen kann ohne zu buchstabiren und weil, wie andere Leute eine Tabackspfeife aus der Tasche gucken lassen, man ein lang Stück unverdauter Wurstbildung aus dem Munde hängen hat und es um den Leib blampen läßt, wie hoffärtige Leute einen Nastuchzipfel am hintern Theil.
Geboren, wie er zu Grabe geht, wird kein Mensch.Geboren wird der Mensch, so weit wir wissen, ohne Bewußtsein; erst wenn er die Augen aufschlägt in dieser Welt, beginnt es zu dämmern in ihm; er nimmt Eindrücke auf; es beginnt seine Bildung, sie wird bedingt und gelenkt durch seine Umgebung. Die Katze,mit der er spielt, die Ziege, die er weidet, der Mensch,mit dem er spricht, das Kind, das er betrachtet, das Buch, in dem er buchstabirt, das alles sind Elemente seiner Bildung, seine Bildungsmittel. Die Bildung steht nie stille, wird alle Tage neu. Das Menschenkind wird alle Tage gebildeter, es schwebt in einem ununterbrochenen Fortbildungskurse. Das Leben des
[39]Menschen ist der von Gott geordnete Fortbildungskurs,ein ganz anderer, als der sechs oder zwölfwöchige, der hier oder dort von Obrigkeit wegen angestellt wird.Diese Bildungselemente erzeugen aber nicht bloß Eindrücke, lassen Anschauungen zurück, ein Wissen von diesem oder jenem, sondern sie erzeugen nicht, aber wecken im Menschen eine selbstthätige Kraft, ein Begehren, das nicht gesättigt wird dürch das Zufällige,Herumliegende, nicht befriedigt durch das willkürlich Gegebene, ein innerlich Verarbeiten des Erhaltenen,ein Denken darüber, welches dann Fragen zeuget, und ein Streben, dieses und jenes Bildungsmittel herbei zu ziehen, zu ergänzen das Mangelnde; ein immer bleibendes Ungenügen, das, je mehr es sich aneignet, desto besser begreift, was Alles noch fehlt, das immer fort hungert und dürstet nach dem Fehlenden, fort und fort dasselbe sich zu verschaffen sucht, und hat es dasselbe,es innerlich verarbeitet, daß es nicht als fremder Stoff in der Seele bleibt, sondern ins eigene Wesen übergeht,daher auch als eigene Kraft oder eigenes Wissen, oder wie man es nennen mag, jeden Augenblick zu Gebote steht. Diese begehrende, verarbeitende, später schaffende Kraft, ist in allen Menschen, wird in den Meisten angeregt, erlöscht aber in den Meisten wieder, wird zumeist von Eltern und Lehrern ausgeblasen, ja todtgeschlagen; wem sie aber bleibt, wem sie zum Licht seiner Seele wird, der alleine ist's, welcher mit dem Worte Gebildet, wie die Welt es nimmt, bezeichnet zu werden verdient.
Die Mehrzahl, in welcher diese Kraft erlischt, sie wird dessen ungeachtet fortgebildet, Tag um Tag, sie steht nie stille, aber sie ist nicht selbstthätig, und zwar in zweien Richtungen nicht.
Sie sucht keine Bildungsmittel, keine neuen nährenden und erregenden Elemente; sie hat keinen Drang darnach, ist nicht hungerig, nicht durstig darnach,zufrieden mit dem was da ist, zufrieden mit dem was sie hat, lebt in dieser Beziehung in vollkommenem Genügen; meinet, mehr nützte nichts, und nimmt bloß [60] hin, was zufällig durch Umstände, Umgebungen, Lebensweise, Verhältnisse sich an sie drängt, was man auf Kirch und Marktweg vernimmt, in einer Speisewirthschaft, einer table d'höte, einer Postkutsche, oder in irgend einer Konferenz oder ganz gemeinen Zusammenkunft, und wenn gar nichts an einen kömmt, so ist man doch vollständig zufrieden und fällt auch nicht von Ferne in Zweifel, daß man nicht meineidig aufgeklärt sei.
Zweitens verarbeitet man dasjenige, was man auf diese Weise aufgeschnappt hat, durchaus nicht; wie man es gekriegt, so behält man es auch, bis es wieder von einem geht. Wie der Vogel Strauß Steine schluckt und Eisen, so schluckt man Urtheile, Meinungen, Neuigkeiten, Zeitungsartikel, Gassengeschwätz, Lebensfragen,wurstische und straußische Dinge, die der Strauß gefagt haben soll, die man aber per se nicht selbst gelesen hai.Was er schluckt, Eisen und Steine, die verdaut der Vogel Strauß, was aber die Gebildeten von dieser Sorte schlucken, das verdauen sie eben nicht, sondern sie behalten es ganz bei sich, bis es zufällig wieder von ihnen geht, wie es zufällig in ihren Leib gekommen.So lange sie es aber haben, halten sie es, wie ein gefunden Kleinod, einen Schatz; begreiflich, was es werth ist, wissen sie nicht, haben es daher wie Kinder mit Glasperlen oder Zahlpfennigen, meinen, sie seien im Besitz der afrikanischen Höhle Xara, und wer sie über den Werth ihres Besitzthums aufklären will, den schelten sie Lügner und Berleumder, der sie arm machen wolle, während so reich sie sich glauben; wie Kinder es Gut. Wer ihnen diesen Kreüzer abnehmen will, dem schreien sie ins Gesicht, schlagen mit Händen und Füßen,als ob er ihnen das Herz aus dem Leibe reißen woilte;natürlich, wenn sie diesen Kreuzer nicht hätten, so hätten sie gar nichts mehr. Dieser gebildeten Weise ist es,daß sie nie viel dergleichen Bildungsstumpen bei sich haben, haben halt nicht Platz dafür, kömmt was Neues,so geht zumeist das Alte von ihnen, und zwar eben so [64] unbewußt, wie es unbewußt in sie gekommen ist. So entstehen bei diesen Menschen zwei sehr merkwürdige Eigenthümlichkeiten, die dem unbegreiflich scheinen, welcher nicht auf den Grund zu gehen weiß. Erstlich ein ungeheures Selbstgenügen bei dem Unbedeutenden, was man hat, eine unglaubliche Glückseligkeit in dem Besitz einiger Worte, Redensarten, Urtheile, einiger Bruchstücke des frechsten Unglaubens, die man aber bloß für hält, weil sie eben weder Kopf noch Füße aben.
Da die guten Leutchen nichts kennen, als das, was ihnen ungefähr zu Leibe gekoinmen, so meinen sie begreiflich Alles zu haben, was an Weisheit zu haben sei im Himmel und auf Erden, und verachten gränzenlos und ungeheuer alle die, welche eben nicht die gleichen Brocken, wie sie, im Leibe haben. Man hatte schon lange ein Wort für diese Art von Hochmuth;man nannte ihn Schulmeister-Dünkel, und zu läugnen ist es nicht, daß viele Schulmeister damit behaftet sind,namentlich junge, denen man mit der Nürenberger Kanne einige Maas Weisheit in den Leib gegoffen und einige Speckbröcklein von Aufklärung, d. h. von moderner Philosophie. Indessen wäre es doch durchaus ungerecht, zu glauben oder gar zu behaupten, dieser Dünkel sei nur im Lehrstande, ja sie findet sich dato anderwärts in viel höherm Grade.
Du mein Herr, den findet man in jeder Speisewirthschaft, in jedem Kaffee, und nicht bloß bei den Gästen oder Pintenwirthen; o nein, ihr findet ihn eben so gut bei den Kellnern, ja selbst bei Stubenmeitlene,die von ihrem Schatz, vielleicht einem Gumi oder einem Schreiberlehrling, gehört haben, es sei sich öppe der Religion nimme viel z'achte, mi syg jetz witziger und gescheidter worde. Dünkel und Hochmuih ist das erste Kennzeichen dieser Bildung, das zweite aber ist Unduldsamkeit, Feindseligkeit, Verfolgung jedes Andersdenkenden. Die guten beschränkten Menschen können gar nicht begreifen, das es über einerlei Sache zweierlei Meinungen geben, daß ein Mensch, der es recht [62]meine, das Herz am rechten Fleck habe, eine andere Meinung haben könne als sie, und hat einer eine andere, so halten sie ihn für einen Esel, oder aber für einen Schelm, Spitzbuben, Aristokraten oder Pfaffen.Für einen Esel halten sie ihn, wenn sie ihm die Einsicht nicht zutrauen, ihre Weisheit begreifen zu können;füt einen Spitzbuben, wenn sie ihm Einsicht nicht absprechen können. Das seien die Schlimmsten, sagen sie, die wüßten es wohl, aber sie sagten es nicht; das seien auch von denen, die meinten, das Volk solle immer dumm bleiben, und wenn sie es machen könnten, so würden sie das Volk ganz zurückwerchen, ganz wie's vor Altem gewesen; die Schelmen und Spißgbuben, bei den Beinen sollte man sie aufhängen! Wie ehedem des Bundes mit dem Teufel verdächtig wurde und das Leben riskirte, wer nicht an Hexen glauben wollte, so wird verdammt, verlästert, verketzert, wer der SpeisewirthschaftsAufklärung sich nicht beugen, sie nicht anerkennen will; denn dieselbe ist unduldsam, ausschließend,feindselig trotz der verschrienen Inquisition, eben weil sie beschtänkt, bornirt ist; ja, wenn Jemand frei Tollheiten züchtigt, so wird er angegangen, schmeichlerisch und drohend zu widerrufen, sich zu erklären, akurat wie die Inquisition es machte, wie Galilei und tausend andere widerrufen mußten. Und was sind denn das für Weisheitsbündel und Weisheitsbüchsen, welche solchen Widerruf verlangen? Die Inquisition verbrannte ehedem Bücher, und Rechtgläubige warfen mit Abscheu aus den Händen, was irgend wie nicht den rechtgläubigen Geruch zu haben schien.
Akurat gleich kriegen es diese Leutchen; sie können nicht bloß nichts lesen, was nicht aus dergleichen Blase kömmt, aus welcher sie ihre Weisheit empfangen, sondern sie verfluchen und verlästern Alles, von dem sie hören, daß darin etwas gegen ihren Glauben gesagt wird, ja wir werden bald hören, daß man wieder zum Verbrennen schreitet alles dessen, was etwas gegen ihren Glauben enthält. Bücher wird es freilich selten treffen, denn Bücher lesen die Meisten dieser Gläubi[83] gen nicht; Zeitungen hochstens, diese werden vorerst herhalten müssen.
Unter diese Gebildeten gehörte also auch Steffen ünd sein Eisi. Schöpferische Kraft oder geistlichen Hunger und Durst hatten sie beide nicht, andern wohl; Bildungselemente, bildende Kräfte suchten sie keine; sie ließen sich wiegen von denen, welche zufällig an sie kamen; sie wurden aber dennoch fortgebildet und waren im Fortschritt begriffen. Es ist Thorheit, zu glauben,es stünde Jemand still; in der Richtung, in welchet einer sich bewegt, wird er fortgetrieben, stößen ihn seine Bildungselemente fort. Nun ist da eben die Fräge und der große Unterschied, ob Einer die Richtung selbst erwählet und sich in dieselbe mit all seinen Kräften geworfen habe, oder ob er zufäallig, blindlings, ohne Bewußtsein in dieselbe gerathen sei. Im erstern Fall schreitet er selbstbewußt fort, weiß immer wo er ist und kennt das Ziel, an welches er will; im letztern Fall aber wird er fortgewiegelt wie ein Kind im Schlaf,fühlt seine bildende Bewegüng eben so wenig, als den Umschwung der Erde, weiß also per se nicht, wo er ist; sieht die Ufer nicht, an denen er vorbei getrieben wird; träumt nichts von dem Strande, an dem er stranden wird. Es setzt sich bei ihnen äußerlich ein Anstrich ab von ihrer Umgebung, so wie weiß wird,wer viel um den Mehlsack ist, oder schwarz, wer kochen oder rueßen muß, Es entsteht eine gewisse Fertigkeit in dem, mit welchem man täglich zu thun hat, es setzt sich aber auch innerlich ein gewisser Staub ab; es bilden sich Härien oder Erhöhungen; es senken sich Thäler; es entstehn Vertiefungen, und besondere Eigenthümlichkeiten knetet die Welt nun bestimmter und ausdrucksvoller aus, wie aus den Händen des Becks der Taig verschieden hervorgeht als Züpfli, als Mütschli, als Wegli, als Kuchüü. s. w.
Steffen und sein Eist lasen nun gar nichts, nich:einmal eine Zeitung, geschweige dann ein Buch, kein Weltbuch, geistliches dann erst nicht; sie dachten aber auch nichts Appartes. Hatte was iht Gemüüth bewegt,[84] so zitterte dasselbe die Bewegung fort, bis ein anderer Anstoß eine andere Bewegung hervorbrachte. Geistliches hörten sie nichts; an Gott oder an ihre Seele würden sie durch nichts erinnert; in die Predigt gingen sie nicht freiwillig, und wann sie gehen mußten, so waren sie an das Hören so wenig gewohnt, daß sie entweder schliefen oder was anderes sinneten. Denn das klagten sie wirklich oft, wenn Eisi keinen gerosteten Kaffee hatte, wenn es ein Kaffee machen sollte, oder Steffen keinen Brand, wenn er Fässer einbrennen sollte;man könne unmöglich an alles sinne, si wette, das v'rfluxt Sinne wär nit, si heyge mängist z'sinne, daß si nit wisse, ob sie no e Gring heyge oder nit, und gäb wie sie sinneten, vergäßen sie doch z'Halbe. Ihre Bildungselemente bestunden also aus ihren täglichen Geschäften ihrer Halbschoppen-Gastig, aus Wygumene und Käsmarschanten, auch etwas Bauersame, doch dieses letzte Element wirkte am wenigsten ein nnd immer weniger.
Es wääre möglich, daß ein Leser, dem das Sinnen nicht so z'wider ist, wie dasselbe Steffen und Eist war,den Einwurf machen könnte, es seien hier als bildende Kräfte die Kinder vergessen, deren beim Leichenbegleit Erwähnung gethan worden. Es ist allerdings waähr, Kinder sind sehr oft weit aus die kräftigsten Bildungsmittel. Wie manches Ehepaar entsagt den Lüsten der Welt, bricht sich Gewohnheit um Gewohnheit ab, scheinbare Bedürfnisse verlieren ihre zwingende Kraft, lösen in Nebel sich auf; es sucht Kräfte in sich und findet sie, spannt sie zusammen, ringt mit den Umständen, ringt mit dem Unglück, ringt Tag um Tag der Welt das Nöthige ab, nährt die Kinder, bildet die Kinder, und während es arm geblieben wäre ohne Kinder, ist es reich geworden durch die erweckende Kraft der Eltern Pflicht. Es ist wahr, manch Elternpaar,wenn das erste Kind in der Wiege vor ihm lag, hielt zum ersten Mal ernste Rechnung mit sich selbsten, stellte seine Seele vor den Spiegel der Wahrheit und frug,ob so eine Seele würdig sei Vater oder Mutter vor[68] zustellen; frug ihn, was versteckt und abgelegt werden müsse, wenn das Kind Vater und Mutter ehren solle,darnach rangen sie, sich zu reinigen und schauten ängstlicher nach des Kindes Miene, als Höflinge nach des Königs Gesicht, ob es sie halte für die starken würdigen Säulen, an denen seine Schwachheit erstarken,an denen der adeliche Mensch sich aufranken könne und hinstellen unter sein Geschlecht als zur Ehre desselben und zur Freude seiner Brüder; so ward manches Elternpaar, das vielleicht versunken wäre in niedere Triebe,wild Gestrüpp, eine Zierde des Menschengeschlechts durch die zwingende Kraft der elterlichen Würdigkeit.
Es ist wahr, manch Elternpaar wurde durch Kindesgeschrei geweckt aus geistigem Schlafe und das zur Welt geborne Kind sprengte auch die selbstsüchtigen Schranken ihres Lebens. Elternliebe floß heiligend durch ihre Seelen, mit freudigem Aufblick empfingen sie die Gabe von oben und gelobten, das Pfand der göttlichen Liebe nicht zu entwenden dem Väter, es nicht an Erde und Sünde zu verrathen, sondern es zu bewahren und zuzuführen dem göttlichen Geber. Sie, die vorhin für sich nicht daran gedacht, suchten nun was droben ist, begriffen erst jezßt, was es dem Menschen hülfe,wenn er die ganze Welt gewönne und litte Schaden an seiner Seele. Sie suchten die Liebe des Vaters, um sie den Kindern zuzuwenden, das ewige Erbe, um es den Kindern zu vererben, sie heiligten sich, damit ihre Kinder dem Vater, der sie gegeben, geheiligt blieben.Es ist wahr, manch Elternpaar, das in den Strömungen der Welt dahingeschwommen waäͤre, ohne ernstlich der Seele Heil zu bedenken, wird durch der Elternliebe gewaltige Kraft selbst dem Herrn geheiligt. Darum heißen nicht umsonst Kinder des Höchsten Gab', und selig der Mann, dem sein Weib solche Gaben bringt.
Auf Steffen und Eisi übten die Kinder keinen Einfluß, die Umstände zwangen nicht dazu und wo Eltern ich nicht selbst bestimmen, sondern beftimmen lassen, da ist der Stärkere Meister, und anfänglich sind jedenfalls die Eltern die Stärkern und handein an den Kindern [86] wie es sie ankömmt. Später, wenn ein bestimmter Wille in den Kindern sich ausprägt und geltend macht, da wird es anders.
Eisi bekam seine Kinder streng hintereinander, war aber rüstig und stark, hätte wohl noch einmal so viel haben können, ohne daß es ihm geschädet hätte; nach jedem Kinde schien es hübscher, aufgeheiterter zu werden. Es ließ sich nichts abgehen, war aber rasch wieder auf den Beinen, von wegen, es hatte gar zu lange Zeit im Bette, und zweitens hörte es gar zu gerne den Ruhm, wie es eine sei, so sollten alle sein, aber es thäte es ihm keine gleich. Da meinten die Andern,im Bett liegen sei d'Hauptsach und lägen beim Schieß manchmal, daß es die arme Mannli duech, es schreiße sie an allen Haaren auf, wenn sie Alles draußen machen müßten, dann drinnen noch, dann z'Nacht keine Ruhe hatten, weil die Frau, die Plättere, nicht selbst aufmöge, dann endlich nicht genug herbeitragen könnten an Essen und Trinken, daß es eim fry übel grus.Eisi aber sei auf den Beinen, man wisse nicht wie,mangle keine Abwart, mache seine Sache fort, da bleibe nichts dahinten, man habe noch keine so gesehen das Land auf und ab. Wir sind überzeugt, Eisi freute sich allemal ungeheuer, und mochte nicht warten, bis das Kind kam, bis es zeigen konnte, wie es Eine sei und rühmen hörte, daß keine so sei das Land auf und ab,und dann denken konnte, wie dieser und jener es seiner Plättere daheim, wo vierzehn Tage lang im Bette liege, gesagt habe, was d'Wirthi uf d'r Gnepfi für eine sei, u wie die taubi worden sei und habe plären müsse vor Kyb und Nyd. Es ist sehr merkwürdig, aber die Weiber, die Täsche, haben die größte Freude daran,wenn sie sich gegenseitig bös Spiel machen können bei den Männern (die üblichen Ausnahmen verstehen sich).Mit dem Kinde befaßte es sich wenig, ließ durch dasselbe sich nicht plagen, irgend ein dienstbarer Geist mußte es hüten und pflegen, und wenn es schrie, so sagte Eist: „Gang doch mit ihm vor use, du g'hörst ja- daß es nit wott dinne sy, u de mah nih nüt minger
[67]g'höre, as das Plär, das macht m'r afe längi Zyti!“Denn doch liebte es das Kind, d. h. es war ihm sebr willkommen, als ein Gegenstand mehr, mit dem es Hoffart treiben, für das es allerlei Schönes krämerlen onnte.
Es war oft prächtig zu schauen, wie Eisi ihre Kinder herauszuputzen wußte mit rothen Röcklein, gelben Turbanen, groß wie ein doppelt Bernmäß, mit Lätschen drauf wie Faßnachtküchli, oder gar ein Stück von einer Feder und wäre es auch nur ein Stück von einer Pfauenfeder und sonst noch was grusam schönes hinten oder vornen. Ob sie däneben sauber seien und rein, dessen achtete Eisi sich wenig, ob der Sonntagsstaat auch am Werktag getragen werde und wie zugerichtet, das fesselte seine Aufmerksamkeit ebenfalls nicht.Das erste was bei der Hand lag, fungete, wuschte man den Kindern an und ließ sie laufen, am liebsten so weit, daß man das Brüll nicht mehr hörte. So geschah es denn oft, daß die schönsten Kleider den Kindern in Fetzen am Leibe herumhingen, beschmutzt, daß man die Farben nicht mehr unterscheiden konnte und Jedermann sie für ausgerissene Komödianten Kinder genommen hätte, daß, wenn man sie dann einmal Ygrechtem anziehen wollte, Eisi mit dem einen oder andern seiner Kinder sich spienzeln wollte, kein einzig ordentlich Kleidungsstück vorräthig war, so daß Näherxin oder Schneider auf der Stelle herbeimußten, oder für Kleinere man zum Krämer lief, wo fertige Kleiderchen zu haben waren. Wo man das Geld nicht ästimirt, da weiß man sich zu helsen. Je größer die Kinder wurden, dest weniger achtete Eist sich ihrer, außer wenn sie ihm zu nah unter die Füße kamen oder wenn sie was von ihm wollten. Gewöhnlich kriegten sie dasselbe nebst einigen unwilligen Worten über das ewige Kähr alsobald, nur damit sie wieder dänne kämen. Steffen nahm sich der Kinder noch weniger an. Bis sie laufen konnten, sah er sie kaum an, und wenn ihm zur Seltenheit einmal zugemuthet wurde, er solle eins derselben ein wenig halten, so sagte er, man möge ihn [688]ruhig lassen, er möge nichts minder als mit so kleinen Brüllhünge zu thun haben, wenn man sie ja nur ansehe, so brüllten sie grad use, wie wenn si d'r Kanton wette v'rsprenge. Wurden sie größer und konnten ihm nachlaufen, so war er ein sogenannter guter Aetti, d. h.er that ihnen was sie wollten, und namentlich mit Speis und Trank. Waos sie nicht essen mochten, konnten sie sein lassen, und was sie wünschten kriegten sie,und seine größte Freude hatte er, wenn er einem Kinde sein Glas voll Wein darreichte und sagte: „Seh, nimm es Schlückli, aber ume es klys und ume eins“, und dann das Kind das Glas allem scheinbaren Abwehren z'Trotz ohne abzusetzen austrank. Er war, wenn er bei guter Laune war, im Stande, dieses väterliche Manöver alsobald zu wiederholen, so daß das Kind 2 Gläser voll Wein trank, hintereinander.
Daß diese Kinder mit vollem Recht singen konnten:
„Ein freies Leben führen wir, ein Leben voller Wonne“,begreift sich, aber beliebt waren sie nicht, man hörte oft die Gleichen, welche sie einen Augenblick vorher gepriesen hatten, sagen, das seien doch die wüstesten Kinder,mi chönn wyt laufe, ehe man wieder solche finde. Und trotz ihrer Freiheit hatten sie nicht heilern Sinn, nicht Fröhlichkeit, sie machten meist inißvergnügte Gesichter und taube Augen; was Verstörtes war an ihnen, man sah von Weitem, daß da was fehle. Wer sich darauf verstund, sah an ihnen das Zeichen, daß sie Niemere seien; das Gefühl, ach ih bi Niemere, hatten sie noch nicht, aber wo das Zeichen ist, entsteht früher odet später auch das Gefühl. Traurig ist's doch, wenn Kinder Eltern haben und von weitem sieht män: Die sy Niemere!. So sieht man, wie die Kinder keinen bildenden Einfluß hatten auf die Eltern, wohl aber die Bildung der Eltern sich geltend machte an den Kindern. Denn Steffen und Eisi waren sehr gebildet geworden und in immer rascheren Schritten durchliefen sie ihren Fortbildungskurs.
Eist war gewandter geworden, sagte nicht mehr „er[39]wyset ech d'Ehr und kömet bald wieder“, es hatte den Spruch geändert, es wußte selbst nicht wie, ünd ohne zu begreifen, warum eigentlich der Frühere nicht recht gewesen. Eisi hatte lismen gelernt, freilich nicht köstlich, aber es konnte jetzt doch eine Arbeit in der Hand haben, so um des allgemeinen Brauchs willen; es konnte sogar was ins Hausbuch machen, wenn Steffen abwesend war und Jemand dings Fleisch holte oder Wein, und Eist fürchtete, es möchte das Quantum vergessen oder den Namen der Leute, und Steffen konnte es recht gut lesen, wenn Eist neben ihm stand und ihm sagte, wie es machen solle. Eisi lernte auch etwas mehr vom Kochen, konnte einen Hasenpfeffer machen,wenn es einen Hasen hatte, machte Kuchen, ja wagte sich sogar zuweilen an eine Pastete. Die machte es dann wirklich währschaft. Die Wirthi chöns, meinte einmal ein Götti, er hätte nur einmal davon genommen, u no nit sövli viel, aber es duech neh, er wetts möge erlyde uf Basel abe ohne yzkehre. Die fuhr (füttern) afe, dere sött me ha z'Morge, wenn me d'r ganz Tag i Wald wett oder a G'meinrath, wenn me o' nüt überchöm bis z'Nacht. Was sich jedoch bei ihm am meisten ausbildete, das war der Hochmuth, der Glaube,wie sie sei Niemand, hoch über Allem stünden sie. Mit dem Hochmuth verbindet sich zumeist die Hoffart, doch nicht immer. Wer sich mehr als Alle glaubt, will sich auch seiner Meinung gemäß äußerlich darstellen, besser als andere, Alles schöner, köstlicher haben als andere,damit die Leute es von weitem sehen könnten, wer man sei und nicht lange zu fragen brauchten. Mit Essen und Trinken ließ es sich nichts abgehen, aber sein Hauptstreben war doch sich darzustellen, als eine vornehme Frau, der manche Bäurin zu gering wäre zum Hühnermeitli.
Wer so recht hochmüthig ist, der ist gleichsam ein Pabst, hält sich für unfehibar, was er wiu, soll gelten,was er begehrt, soll man ihm bringen, und wo er gebietet, sollen die Andern springen, wenn er redet, Alle schweigen und wer widerredet oder wiederstrebt, hat im []
70 —
70 Himmel nicht Gnade, auf Erden kein Recht, d. h. so ein recht hochmüthig Weib wäre im Stande, dem liewenn er Jemand, eine Nachbarin, ein Hühnermeitli ꝛc.begnadigen wollte, die das Weib verdammt hätte, von wegen so ein Weib ist gewohnt, daß ihm Alles gället (Recht gibt), daß der Mann selbst vortanzt nach seinet Geige. Es astimirt Niemand und bei dem Geist, welcher in ihm ist, auch Gott nicht, besonders, wenn es taub ist. Freilich ist so ein Weib nicht halb so selbstherrlich als es glaubt, so wenig als es die ärgsten römischen Kaiser waren; wirklich selbstherrlich ist nur unser Herrgott. So ein selbstherrlich Weib ist sehr oft nur Marionette oder Gliedermännli einer schlauen gewandten Hand, welche die Drähte zu regieren, die Stimme zu verstellen weiß. Steffen ward Auch gebildet, er machte nicht mehr mit allen Leuten den rohen Metzger; lernte, daß es mehr als einer Gattig Leute gebe, suchte den Unterscheid zu machen an den Kleidern, welche die Gäste trugen, an den Fuhrwerken,welche sie brachten; Steffen begriff nach und nach, daß es verschiedene Meinungen gebe in der Welt und meinte,ein Wirth sei in trefflicher Stellung, dieselben zu erfahren und zu benutzen, aber dafür müsse er nicht zu vorschützig mit seiner Meinung sein, sondern den Leuten die Würmer aus der Nase ziehen, darum sich stellen, als ob er ihrer Meinung sei. Steffen war nach der Ansicht seiner Halbschoppen Freunde verflucht aufgeklärt und liberal. Kamen aber Gäste, die änderer Meinung waren, denen er Gesellschaft leistete, so konnte er sich mit Nicken und halben Worien siellen, als ob er ihrer Meinung sei, daß sie ganz zutraulich wurden,auspackten was ihnen auf dem Herzen lag, ganz glück-lich wurden, einmal einen so braven und verständigen Mann gefunden zu haben, eine Flasche Extra kommen ließen, Steffen einschenkten, beim Abschied ganz zärtlich wurden, Steffen einluden, ja sie auch zu besuchen und fast weinten, wenn sie ihm zum letzten Mal die Hand gaben. Die guten Leutchen sahen nicht, wie er lächelle,[71] als sie ihm nur noch den Rücken sahen, und wie er dann seinen Freunden auspackte, was er gehört, was er gesagt, und wie sie lachten, daß aber einer angeschmiert sei nach Noten, und abriethen, wie man so einem es eigentlich machen sollte. Steffen lernte auch,daß es zweier Gattig Gumene gebe, und mehrer Gattig Wein im Weltschland; aber eins lernte er nie, welches der rechte Gumischlag sei, gäb wie er meinte, er passe auf und nehme sich in acht; er lernte nie den Wein kennen, der wirklich von diesem oder jenem Orte kam,und was die Chust im Mul für Einfluß auf den Weinhandel hat, das begriff er ebenfalls nicht, gäb wie er Wein versuchte, und zwar je länger je mehr, und je länger je lieber.
Das war es eben, was bei Steffen absonderlich sich ausbildete, die behagliche Sinnenlust. Er war kein Wüstmacher, keiner der seine Stören hatte, während deren Dauer er längs Stück nicht nüchtern wurde,oder der sich sonst betrank, daß er liegen blieb wie ein Stück von einem Kalb; aber er fand an Essen und Trinken ein immer größeres Behagen, und konnte je länger je weniger lang ohne das eine oder das andere sein. Durch das Essen ward er durstig, durch das Trinken ward er hungrig, und so rief eins immer dem andern. Freilich so viel Essen bedurfte er auf das Trinken nicht, wie er auf das Essen trinken mußte,und wenn nicht gleich was zu essen da war, so konnte er sich mit einem Schoppen den Hunger auch vertreiben, während es ihm wirklich nie einfiel, mit einem Erdäpfel oder einer Gabelten Kraut sich den Durst zu verscheuchen. Man hat Beispiele, daß Menschen, welche viel essen und regelmäßig des Abends mit einem kleinen Nebel zu Betite gehen, dessenungeachtet sehr rührig sind, wenig Schlaf bedürfen, wenn sie auch des Abends die Allerlezten zu Bette gegangen, dennoch des Morgens wieder wecken und die ersten auf den Beinen und den ganzen Tag an allen Orten sind, als ob sie Flügel * Kein Stubenmeitli kann verstohlen einen Schluck nehmen, kein Ackerbub hinter den Eiern sein,[72] keine Köchin ein Würstlein sich zu Gemüthe führen,unversehens sieht der Meister ihnen über die Achsel,daß sie gixen müssen und ärger erschrecken als wäre es der Teufel in eigener Person. Das sind Menschen von besonderer Thätigkeit, die mit großem Eifer einem Ziele nachiagen, und oft eifriger als ihre körperlichen Kräfte es zulassen, daher besonderer Stärkungen nöthig zu haben glauben, etwas, welches wieder neu ihre Kräfte spannt, sowie man auch den Pferden Hafer gibt, wenn sie müde werden wollen, und um so mehr Hafer, je weiter und je strenger sie laufen müssen. Dieses Bedürfniß haben Leute von den verschiedensten Sorten.Friedrich der Große z. B., der ganze Nächte durch Kaffe trank, wie jener Hammerschmied, der täglich 14 Maas Wein zu sich nahm und eine Maas Bränz obendrauf,um den Magen zu korrigiren, J. Paul, der Bier trank und wenn er Geld hatte Wein, um die Gedanken flüssig zu machen und flüssig zu erhalten, der behauptete, viel einnehmen zu müssen, weil er viel ausgebe, so gut wie jener Flößer, der destmehr Branntwein trank, se kälter das Wasser war, und je öfter er um den Floß flott zu machen, in das Wasser springen mußte; wie die Madame Sand, die tubacket, bis ihre Phantasie sie in die Nebelregionen getragen, so gut wie der Wirth, der von Morgen den Vieren bis Abends um eilf in allen Ecken und Winkeln Mägden, Knechten, Küfern nachläuft, bis er selbst im Dunkeln ist. Sie werden oft sehr ali dabei, Friedrich der Große z. B. weil die äußere Thãtigkeit den innern Reiz unschädlich machte, oft indessen zehren beide Reize das gebrechliche Gefäß um so rafcher auf, wie eine Kerze schneller zusammenbrennt, wenn man an beiden Enden zugleich sie anbrennt.
Von dieser Sorte wai, jedoch unser Steffen nicht.Wir haben gesehen, daß die Leule in seinem elterlichen Hause eben nicht meinlen, daß Alles in einem Tage gemacht sein müsse; da ihnen appart Niemand aufpaßte,so galt bei ihnen das Sprichwort, chume ih nit hüt,so chume ih, doch morn. In einem fsolchen Hause gestaltet sich ein eigener Glaube, nämuich der daß die
[73]Zeit, welche man der Arbeit abstehlen könne, eine gewonnene sei. Begreiflich gestalten Haus und Menschen sich ganz anders, wo der Glaube eingeurbet ist, daß die Zeit gewonnen sei, welche man zur Arbeit oder zu sonft was Gutem verwende. Wo man jede der Arbeit entzogene, irgend einer Lustbarkeit oder sonstigem Lumpenwerk zugewandte Zeit als gewonnen betrachtet, da erfaulen die Menschen und treiben gewöhnlich Dinge,die noch extra faul machen, es werden die Glieder träge, und jeder Vorwand, faulenzen zu können, erscheint wie ein beglückend Zeichen, das man nicht aus den Augen lassen darf. Steffen ward also vom Arbeitseifer nicht verzehrt, hockele gerne ab, und wo er ein Rühigs (Schläfchen) machen konnte, versäumte er es nicht.“ Prächtig schickte sich seine neue Lebensweise zu seinen Anlagen und bildete dieselben auch tüchtig aus, er ward träge und unthätig, ein unaussprechlichet Ekel gegen alles Dabeisein und Ausharren bei irgend einem Thun erfüllte ihn, jedoch so, daß die Welt es lange nicht merkte. Er schien gar nicht träge, er war noch viel auf den Beinen, nicht blos, daß er hier aus dori aus schoß, fuhr', allerlei nachlief, sondern auch daheim sah man ihn bald hier, bald dort, bald hinter dem Hause, bald vor dem Hause. Wenn man glaubte,er sei im Keller und ziehe Wein ab, so war er beim Knecht auf der Bühne und sah wie er Futter rüstete,und ineinte man, er sei in der Schaal und hanthiere mit dem Fleisch, so stund er am Bach und sah wie die Magd Erdäpfel stunggete mit, dem mutzen Besen.Dieses ünstäte Wesen wär eigentlich nichts als angehende sich ausbildende Faulheit, die bei nichts sein, bei nichts ausharren mochte. Am sichtbarsten war sie, aber das merkte Niemand, wenn er einmal eine Feder zur Hand nehmen, was aufmachen, oder gar einen Brief schreiben sollte. Er konnte sich Tagelang um eine unbedeutende Arbeit herumdrehen, die in höchstens einer halben Stunde abgethan gewesen wäre, konnte zehnmal befehlen ihm den Dintengutter zu rüsten und Papier,und er kam doch nicht dazu und allemal gab es Vor[4] wände, über die er dann schrecklich klagen konnte, daß,wenn er schon mein, er well, es ihms doch nie gäb.Wenn Jemänd mit ihm rechnen wollte, so mußte er es wohl treffen, wenn er ihn zum dritten Mal dazu brachte,und zwar auch wenn Steffen im Vorschuß war. Es wollte sich ihm nie schicken. „He, chum de es angers Mal ume; es schickt sich de öppe bas“, hieß es.
Diese angewohnte Trägheit wurde durch seine Lebensweise begreiflich gesteigert. Gut Essen und Trinken macht von Art just eben nicht rühriger und thätiger,und wenn einer von Art träge ist, so ißt oder trinkt vielmehr er oft nicht der Sache selbst wegen, sondern um nicht arbeiten zu müssen. Das war eben bei Steffen immer mehr der Fall, immer mehr war ihm z'wider,wenn er um etwas sein mußte, immer willkommener war ihm Alles, eine alte Frau, oder ein Hudilumper,oder ein Herr, oder ein Länder, der ihn versäumte und Grund gab in der Gaststube herumzuhöckeln, oder vor dem Hause zu stehen und die Zeit an sich vorbeilaufen zu lassen.
Dies war die Hauptrichtung, welche Steffens Bildung nahm, und wir haben keinen Grund es zu verhehlen, daß er starke Fortschritte in derselben machte,eben so starke als Eist auf seine Weise.
Von den Flitterwochen einer Wirthschaft und wie sie ein Ende nehmen.Waäͤhrend sie also sich fortbildeten, ihre innersten Angelegenheiten auf die beschriebene Weise sich gestalteten, bekam auch ihr Haus eine bestimmte Form, es bildeten sich ihre auswärtigen Angelegenheiten.
Es gibt verschiedene Arten von Fütterwochen, hochzeitliche und andere. Einem Handwerker, Arzt, Advokat u. s. w. bringt der Anfang ihrer Laufbahn keine Flitterwochen; in der Regel haben diese in den ersten Jahren bös, treffen es schwer, kriegen schmale Bissen, müssen mit der größten Anstrengung arbeiten um ihr Schiffchen [78]flott zu machen. Polizeier, Mauser und Wirthe hingeen haben ihre Flitterwochen, und beim Anfang ihrer densdare ist der Himmel zumeist ganz rosenroth. Den neuen Polizeier will jede Frau kennen lernen und Bekanntschaft mit ihm machen, man weiß nie, wofür so was gut sein kann, ruft ihn hinein und schenkt ihm ein Bränz ein. Mit dem neuen Mauser gibt sich der Bauer ab, brichtet ihn über der Mäuse Lauf und macht ihn geneigt, seinen Acker in besondere Obhut zu nehmen. Zum neuen Wirth dagegen will Alles, Alt und Jung, Bauer und Bäuerin, es nimmt alle Wunder,wie es dort sei, ob man für 3 Kreuzer ein Brösmeli Fleisch mehr bekomme oder weniger und ob man die Schoppen fülle bis über den Strich oder bis unter den Strich. Zu der vielen Gastig kommt dann eben noch,wo nämlich, wie oben angezogen, kein Verlust zu erwarten, der Wirth solid ist, der große Kredit, der Zudrang der Gumene, das Gehätschel, das Geschmeichel,daß der Wirth ordentlich in den Wahn kömmt, er thue ihnen einen Gefallen, erweise ihnen eine Ehre, wenn er den Wein hinnehme, ganz umsonst. Von wegen sie haben es ihm hundertmal gesagt, sie handelten gar nicht ums Geld, nicht des Gewinns willen, sondern rein für die Ehre, um des Namens willen.
Was will nun ein Wirth mehr, als Geld genug,Kredit genug, Wein und Gastig, daß man nicht weiß wohin damit? So hat er seine Flitterwochen, so schön und rosenroth, wie selten ein Menschenkind. Aber wie Morgenroth Abendkoth bedeutet, so ist's mit den Flitterwochen auch nicht richtig, und je heller sie leuchten,desto gefährlicher sind sie. Von wegen der leichtsinnige Mensch nimmt das Glück gar zu sicher, meint er habe schon, was er erst gewinnen soll. Es heißt im Evangelium, der Weg sei breit, der ins Verderben führe, und eng und schmal der Weg, der ins Himmelreich führe.Es ist im Weltlichen was Aehnliches; schwerer Anfang ist zumeist zehnmal heilsamer als leichter Anfang, wo das ganze Leben wie eine Küchelschnitte den Menschen vor dem Munde herum zu blampen scheint.
[76]Steffen und sein Eisi genossen diese Flitterwochen ziemlich lange; denn lange entriß sie niemand dem Wahne, daß man ihnen Alles blos z'Lieb und z'Ehr geliefert, lange machte Niemand ihnen den Verstand,daß man gerne auch Münz möchte. Lange eiferten die Gumene um die Alleinherrschaft im Keller auf der Gnepfi, um des Wirths ausschließliche Liebe, und lieferten den Wein so gut, daß ihnen das Herz darob blutete. Ma soi, sagte Mancher, ihr mögt es mir glauben oder nicht, aber den Wein, den ihr da habt für 20 Kreuzer, den kriegte keiner für 25 Kreuzer, und dann nicht einmal so wie ihr ihn habt, er bekommt noch eine gute Portion Achtundzwanziger dazu. Nach und nach änderte sich das Ding doch und Steffen lernte fassen, daß er z'Sach nicht umsonst hatte und die üblichen Termine längst vorüber seien, die Geduld der Weinherren nicht unendlich, sondern endlich sei, wie alles Irdische. Aber lustig war es, wie sie dem Steffen diesen Begriff beibrachten, ihn fortbildeten. Der eine fragte,ob nichts für ihn abgegeben worden sei, es habe ihm ein Kunde versprochen, eine Zahlung hierher zu senden.Als nichts da war, fluchte er mörderlich, daß kein Geld eingehen wolle und seine Herren erwarteten ihn mit wenigstens 4000 5000 Fr. Ein anderer erzählte von einem Kunden, der verdammt prompt zahle, bei dem das Geld immer gerüstet sei, ehe er komme. Ein anderer erzählte von Streichen und Kniffen, die er bei einem Wirthe anwenden müsse, um zu seinem Gelde zu kommen. Dä Ketzer heygs, aber er chöns nit lah,es sei, als ob der Alte Harz im Hosensack hätte, und so mit der Thüre ins Haus fallen, thue man auch nicht gerne, es sei nicht der Brauch und gebe einem den Schein, wie nöthig man das Geld hätte. Wenn sie Steffen auf diese Weise so recht viel Verstand eingeschmiert zu haben glaubten, so drängten sie zu neuen Bestellungen, und wenn dann Steffen sagte, er sollte denk doch einmal den Alten zahlen ehe er Neuen bestelle, so sagten sie nicht mehr: Parbon, das ist nit d'r werth, wartet noch, zahlet mir dann den Alten und
[77]Neuen zusammen, das ist dann ein schönes Nehmen“,sondern sie sagten: Eigentlich pressire es gar nicht, aber wenn es ihm nichts mache, so nehmten sie nicht ungerne Geld, sie seien schon vier Tage auf der Reise,noch sei ihnen kein Kreuzer eingegangen und in drei Wochen hätten sie große Zahlungen zu machen und wo sie das Geld hernehmen wollten, wüßten sie, hol sie der Gugger, nicht. Wenn es ihm also gleich sei, so wollten sie geschwind ihr Carnet holen. Oft geschah es,wenn der Gumi mit dem Carnet wiederkam, daß Steffen vor dem Büreau zappelte oder fluchend im Hause herumlief, „wo Diese und Ayne hat man mir doch das Papier hingethan, es ist e Brief g'st, nit gar e große,oder ume so nes Blatt un uf bede Syte Neuis druf!“Aber alles Rufen und Suchen war zumeist umsonst,das Papier war längst den Weg alles Fleisches gegangen. Steffen war an Ordnung nicht gewöhnt, Lließ sumeist alles was er bekam, herumliegen, lange Zeit,manchmal vergaß er es ganz, manchmal, wenn er ohnehin übers Büreau ging, fiel's ihm ein, er könnte es doch weglegen, es ginge jetzt in einer Mühe; dann war es gewöhnlich nicht mehr da, und gäb wie er suchte und sagte: „es ist doch erst noch da gewesen, da ist es gelegen“, oder: „ich habe es gesehen, d'r Rudeli hets de Fingere g'ha“, so kam's doch nicht wieder zum Vorschein. Deßwegen hängte sich Steffen nicht; er dachte: „JGotts Name, es wird öppe nit sövli mache,so nes Papierli wird öppe nit sövli z'bidüte ha!“ Kinder haben keinen Respekt vor Papier, wohl aber große Lust dazu, wo sie dessen habhaft werden können, da greifen sie zu, und Eist hatte noch weniger Respekt als die Kinder und griff noch gieriger darnach als die Kinder. Es ist sehr oft in einem Wirthshause eine große Papiernoth, man sollte deren haben, schießt in ällen Stuben herum und findet keins, schreit alle Leute an, „weißt m'r nit öpper es Bitzli Papier“ und Niemand hat, und Jeder sagt, „hätts längst brucht, wenn ih hätt“, und wenn man in solcher Nöth Papier sieht,so frägt man nicht lange, „wem ist's und was ist's“,[78] sondern man nimmts. Bald will eine Frau Speck und sagt: „Heyt d'r m'r nit öppe es Fätzli Papier für ne öry z'näh“, bald sollte man einen papiernen Zapfen in eine Strohflasche haben, bald ein halb Pfund Käs einpacken, bald Göllerketteli ylyre, die man dem Gürtler zum Ausputzen geben will, kurz der Verbrauch ist groß und der Zufluß klein; denn woher sollte in ein Wirthshaus Papier kommen, ausgenommen von einer Zeitung oder dem Amtsblatt, wenn man so was nämlich hat,was nicht immer der Fall ist.
Der Schade schien nicht groß. Steffen verließ sich auf des Gumi's Carnet, dort werde es schon recht aufgemacht sein, sagte er. Ja, als einmal das Zahlen aänging, da fluchte Steffen manchmal, es wolle gar nicht mehr aufhören, u ey Donnstig, der Geld wolle,hange am andern. Da bösete es dem Schublädli und manchmal, wenn sie z'Märit wollten und Steffen darüber ging und dann Eist auch noch, mußte es die Silberstücke aus den Ecken räumen.
Es bösete aber auch noch mit zwei andern Sachen.Die Leute klagten, es sei bei Steffen gar nicht mehr der gleiche Wein, er stelle oft Rustig auf, die chum e Zus sufe mög; und ganz Unrecht hatten die Leute nicht.
Da die Gumene sahen, daß keiner von ihnen ganz Meister werden konnte, immer Hans oben im Dorfe war, der gerade da war, und wenn morgen ein anderer kam, derselbe eben so viel galt, so dachte jeder, par dieu, er wolle nicht länger d'r Narr machen, sondern was die andern, d. h. was er könne und möge. Er verkaufte ihm also auch Orbe Wein für Epesser, eine Mischung Granson Wein mit Picarden für 34ger,Wein von Finsterhenne oder Grissecher für extra Neuenburger, Höllensteiner mit etwas Elsässer für herrlichen Markgräfler, roths Wasser mit 25 Proz. Weingeist und einer künstlichen Weinchust für vom feinsten französischen Wein, aber wo er gewachsen, könne er beim Hagel nicht mehr sagen, verfaufte ihm den Wein aus den großen Spänfässern, in welche die Weinhändler alle [79] moglichen Restchen werfen, in denen eine ärgere Mischung stattfindet, als in einer sogenannten Bataille oder Bettlersuppe, welche auch aus dem Weltschland stammt, wo er wohl klar und prächtig herausläuft, aber wenn man ihn nicht rasch braucht, alle möglichen Farben kriegt,fast wie der Regenbogen, und alle möglichen Chüste,fast wie Schüttsteinwasser, doch nicht ganz, verkaufte ihm alles was er konnte und fluchte dazu, wenn Steffen an einem Orte besser als bei ihm versorget sei, so solle er ihm Schelm sagen und wenn der Preis bei der Bestellung mit der spätern Note nicht übereinstimmten, so mußte entweder Steffen kein gut Gedächtniß haben, oder der Gumi hatte gefunden, aus einem andern Faß schicke sich der Wein viel besser für das, wo Steffen ihn wolle,er habe ihm daher von dem geschickt, und statt einem halb Batzen mehr, wie es eigentlich gewesen wäre, nur einen Kreuzer mehr per Maaß notirt.
So ging es Steffen mit dem Wein und er merkte es nicht einmal recht, von wegen, Kenner war er nicht,wie schon gesagt worden, und wenn er auch zuweilen mit einem andern Wirthe zusammensaß, die Nase übers Glas hatte, das Maul drein hatte und mit der Zunge schmatzte, das Glas dem andern Wirthe reichte, der es auch so machte, beide dann mit tiefsinnigen Blicken einänder ansahen, bis endlich einer sagte: „s'ist 36ger Lacöte, aber no Neuis drin, ih cha ihm jetz nit grad d'r Name gäh“, so hätten sie die spöttischen Blicke des Gumi sehen sollen, mit denen er ihren Orakelsprüchen zuhörte und an ihren tiefsinnigen Gesichtern sich erbaute, denn es war wohl Neuis drin, aber weder 36ger noch Lacöte.
Kannte er den Wein nicht, so wußte er noch weniger mit demselben umzugehen, er wußte gar nicht,wäs saubere Geschirre zu bedeuten hätten, ließ sie wohl ungeputzt leer stehen, oder vergaß sie geputzt, aber ungebrannt, brannte sie später ein, merkte nicht, daß sie grau waren, schüttete nach einigen Tagen oder Wochen Wein hinein ohne ihren Zustand zu bemerken, sie seien erst geputzt worden und würden wohl gut sein, sagte [80]er. Ebensowenig hatte er einen Begriff von den Mischungen. Nicht daß er appart Mischungen machen,kunsteln wollte, dazu war Steffen zu träge, aber wenn er Wein kriegie, so mußte er demselben oft Platz machen, da warf er dann unbesinnt die Reste zusammen,mochten sie Namen haben, welchen sie wollten, da Dwerd öͤppe e nangere nit fresse u si wohl still ha da im Faß inne, meinte er. Markgräfler, Gransoner, Spänsuppe, Längnauer, Oberhofer, wohl gerüttelt, gaben einen Trank, wo man die Lippen lange schlecken mußte,ehe man die Chust vertrieben hatte. Wenn er zuweilen, was aber felten geschah, denn Steffen meinte, das Abziehen trage nichts ab, von wegen, es gehe immer dabei verloren und der Wein werde es wohl auch haben wie d'Lüt, wenn sie einist liggi, so sei ihnen am baasten, wenn man sie lasse ligge, wenn er also zuweilen den Küfer zum Abziehen hatte, so wollte der auch was wissen, von wegen, er hatte in Vivis gearbeitet und, wie er sagte, dort manches gesehen, woran key Mönsch denk, gab dieses und jenes an, und das komme sy Seel gut, er sei einem gut dafür, sagte er. Steffen ließ ihn gewähren, meinte, es sei so, ja, er stellte sich manchmal, als hätte er das eigentlich auch gewußt,aber nur nicht Zeit gehabt, dra zisinne.
Steffen mußte endlich merken, daß die Leute oft über den Wein gränneten, wollte aber nicht schuld daran sein, sondern gab die Gumene an die Achs.Den Wein hätte er gut bestellt, sagte er, und mehr könne er doch nicht daran machen; wenn er ihm so gekommen wäre, so würde wohl Niemand klagen, aber ihn selbst machen, das sei ihm nadisch unmöglich. „Warum gehst nicht selbst yche, sagte man ihm dann,wenn ich dich wäre und Geld hätte wie du, so wollte ich doch nicht den Speck von den Mäusen kaufen, ich ginge selbst hinein und wollte kaufen was mir anständig wäre, und nähmte gleich den Zug mit, ja potz,das thäte ich!“ Das wurde Steffen so oft gesagt, bis es ihm endlich wirklich in den Kopf stieg und er mit noch zwei anderen Kameraden eine Wellschlandreise [81] verabredete und wirklich auch machte. Drei dicke Wirthe auf einem Sitz machten viel Aufsehen, erlebten viele Abenteuer, welche wir hier nicht beschreiben wollen,rühmten ihre guten Schicke und doch hörte man nicht mehr, daß Steffen eine zweite Weltschlandreise gemacht das ist das Böseste von allem; denn wenn die Gastig die Gleiche bliebe, so könnte der schlechter gewordenẽe Wein dem Wirth ziemlich gleichgültig sein, Schaden hätte er nicht davon.den Bedürfnissen und dem Seufzen nach einem schreienden Bedürfniß.
Es ging Steffens Wirthshaus wie allem Neuen, es verlor den Reiz der Neuheit. Dieser Reiz war es gewesen, welcher hauptsächlich die Menge angezogen hatte.Man wisse neue afe, wie es da sei, mi well jetz luege,wie es auch an andern Orten sei, hieß es. Ein Wirthshaus wird nach verschwundenem Neureiz blos erhalten,wenn das Errichten desselben ein Bedürfniß war, oder wenn es sich auszeichnet durch Essen, Trinken, kurz durch innere Güte und Vorzüge. Mit dem Bedürfniß der Wirthshäuser geht es aber akurat wie mit vielen Büchern. Alle Wochen kann man lesen, die und die Buchhandlung habe der Menschheit eine ungeheure, unglaubliche Wohlthat erwiesen, aus ungeheurter Liebe,unglaublicher Großmuth, das schreiendste Bedürfniß der Menschheit habe sie befriedigt, eine unendliche Lücke in der Literatur sei endlich durch sie ausgefüllt worden,wofür die Nachwelt bis ins tausendste Geschlecht ihr dankbar sein müsse, so eben sei bei ihr erschienen und verfaßt vom berühmten, allbekannten Arzt Sämi Stoßel eine Geschichte der Hühneraugen, nebst einem Anhange,welcher die bewährtesten Wanzgenmittel enthält und einer gründlichen Belehrung, wie man die Erzeugung der Flöhe verhindern könne. Das Buch enthält umolaubliche [898]Thatsachen und zeuget von tiefsinnigen Beobachtungen der Nalur, sowie vom bekannten Scharfsinne des berühmten Verfassers u. s. w. Da wit einen reißenden Abfat erwarten, so beehren wir uns dem Publikum anzuzeigen, daß alsobald, nachdem die erste Auflage vergriffen sein wird, wir eine neue vermehrte und verbefferte Auflage zu herabgesetzten Preisen erscheinen lassen werden, ebenfalls zum * der Menschheit und wegen dem unaussprechlichen Bedürfniß. Ungefähr gleich verhält es sich mit dein gegenwärtigen Wirthschaftsbedürfniß. Wenn man die ai um Concessionen und um Patenten lesen könnte, man würde da zur unaussprechlichen Rührung ersehen können, welche unglaubliche Zahl von edlen, aufopferungssüchtigen, dem Vaterlande hingegebenen Männern wir besitzen, wir müßten in nefster Scham bekennen, daß unsere Augen verfchlossen gewesen, daß wir das bitterste Unrecht der Zeit gethan haben, welche wir selbstsüchtig genannt,Ünrecht gethan so unendlich vielen Menschen, die wir für selbstfüchtig gehalten. Da koönnten wir lesen, wie die hoch gesiunten treuen Vaterlandsfreunde, der eine ein Pinlli, der andere eine Speisewirthschaft, der dritte eine Kaffewirthschaft, der vierte gar ein Hotel errichte, nicht wegen dem Vortheil, nicht wegen der Kurzweil, nein,o nein, aus bloßer Vaterlandsliebe und von wegen dem schreiendsten Bedürfniß. Da könnte man lesen, wie Reisende verschmachtet seien, Kranke vor Durst gestorben,Pferde am hunger darauf gegangen, weil auf dem Platze, wo sie die neue Heilsanstalt errichten wollten,unglaublicher Weise bis auf selben Tag, bis sie sich entschlossen, in edler Hingebung Wohlthäter der Menschheit zu werden, nichts nicht einmal ein Pintli eschweige denn ein Hotel. Es ist recht schade, daß 0 Vorstellungen nicht veröffentlicht werden, es läge darin ein unaussprechlicher Trost für alle, welchen es bange wird von wegen Mangel an braven Leuten, eine schreckliche Beschämung für Alle welche meinen, die aufrichtigen Vaterlandsfreunde seien eben nicht dicht gesäet.O das wäre ein prächtig lesen, nicht blos wegen dem Trost, sondern auch wegen dem Styl.
[33]Indessen mit dem Bedürfniß geht es wunderlich;wenn es schon im neuen Wirthshause von Gästen wimmelt in den ersten Tagen, in den ersten Wochen, damit ist's nicht gesagt, daß es noch eben so wimmeln werde in einem Jahre oder zweien, über das wahre Bedürfniß entscheidet die Zeit. Vielleicht ist's dann öde und leer, umsonst steht der Wirth auf der B'setzi, tubaket und seufzt sich fast die Seele aus dem Leibe, aber lange kommt Niemand, und wenn endlich Jemand kömmt und ihm das Herz vor Freude duttert, endlich, endlich einen Schoppen brauchen zu können, und er in den zärtlichsten Tönen die er zweg drücken kann, ruft: „Seh,seh, e Schoppe, e Schoppe, ih wett cho es Schöppli geht rund vorbei. Dann geht der Wirth wohl kaput hinein und auf dem Ofen sitzt die Frau und plätzet an einem Fürfuß und seufzt: „aber nüt und gester nüt u i d'r vorige Wuche Niemere u d'r Zeys lauft notti u Patent het müße zahlt sy.“ Da kömmt dann der Zeitpunkt, wo die Vaterlandsliebe des Ehepaars sich bewähren muß, aber, aber, wir fürchten in solchen Umständen hätte sie wohl an einem kleinen Orte Platz.
Es gibt aber auch Orte, wo kein Bedürfniß gewesen war, wo jedoch das neue Wirthshaus für Einzelne zum Bedürfniß wird, sie schnappen dort ihre halben Schoppen, sie sitzen dort ihre Abende durch, sie sitzen sonst noch dort, z. B. die Tage nach einer Hudelten,oder wenn sie die Frau taub gemacht, oder wenn sie was arbeiten sollten, welches nicht für sie ist. Diese Art von Gastig hatte sich auch auf der Gnepfi gebildet,mit der andern aber hatte es böset, eben wegen dem fatalen Bedürfniß, dann wegen dem fatalen Wein, dann auch wegen Eisi, welches hochmüthig ward und mit gar vielen Leuüten sich gar nicht abgeben mochte, sie nur über die Achsel ansah, ihnen keinen Schoppen selbst holte,ihnen Trutzantworten gab, statt ein freundlich Wort.So betrug es sich hauptsächlich gegen die wohlgesessene Bauersame, welche nicht täglich im Wirthshause sitzt,sondern nur bei Anlässen. Eisfi konnte einen Vorgesetzten [84] und angesehenen Mann kaum beachten, während es bei einem Halbschoppenprinz saß, stund nicht auf, rief einem Meitschi: „reych ihm e Schoppe“, konnte ihn den halb trinken lassen ehe es fragte: „oder weyt d'r füst no öppis?“ Es war Hochmuth und Holzbockerei durcheinander, gerade so wie es am unerträglichsten ist. Es ist sehr merkwürdig, es war selbst eine Bauerntochter gewesen, jetzt meinte es, es sei über diesen so hochgestellten und ehrenwerthen Stand hinausgewachsen und erhaben, und müsse es dene donstigs Knuble zu verstehen geben auf jedem Suppenbröckelein, während es so einem Halbhudel von Herrenschminggel alle Liebe und Achtung erzeigte, ihn behandelte wie Seinesgleichen waren halt beide Gebildet, Eisi und der Halbhudel,verflucht aufgeklärt. So hat's aber nicht blos Eisi,Eist nicht alleine vergißt, nicht blos den Boden, dem es entwachsen, sondern verachtete ihn auch; das thun noch ganz andere Majestäten, und wenn sie sich dessen zuweilen bei Anlässen auch rühmen, so ist es bloße Affektation und um den Leuten den Verstand zu machen,aus wie großer Niedrigkeit und Miserabilität sie sich so hoch erhoben. So thun alle Parvenu, d. h. die Emporkömlinge, gerathen sie nun zu was sie wollen.
Am leidesten benahm sich Eist gegen die Bäuerinnen, welche in sein Haus kamen, manchmal als Gotte,manchmal von einem Markte heimkehrend, oder bei sonVV räner Verachtung, und wenn es schon mit ihnen sprach,so musterte es sie doch mit spöttischen Blicken, aus denen sie seine Verachtung gegen ihre altmödische geringe Kleidung abnehmen konnten und von heimeligen Dingen, von den Pflanzungen, Schweinen und Milch redete es gar nicht, sondern blos was für vornehme Herren sie über Nacht gehabt, wohin es gefahren sei mit dem Mann, wie män ihm Ehre erwiesen und was ches sonst die meisten Weiber gerne verhandeln, es ist
[83]Eisi alle Weiber am täubsten, so daß in der Umgegend selten ein hablich Haus war, in welchem nicht eine Frau regierte, welche Eist nicht gerne die Haare aus dem Kopfe gerupft oder es einige Male durqh eine sogenannte belgische Hechel gezogen hätte.
Während die meisten Weiber gerne von Leiden, Mühsalen, strengen Zeiten erzählen, was sie ausgestanden und wie lange, und, was sie davon getragen, wie sie seither nicht mehr chäch seien, es ihnen oft fehle, sie dieses und jenes nicht mehr ertragen könnten, verlachte Eist dieses Alles, gäb zu verstehen, das alles sei nur Fantaft. Wohl, wenn es d'r Ma wär, der Blätlere wollte es aufhelfen und ihr das Gruchsen vertreiben.So und so habe es es: einen Tag oder höchstens zwei zeig es sich nicht, aber doch nicht daß es meine, es müß im Rest liege, nur damit die Leute nicht d'gFreud hätten, über ihns z'räsoniren, de lay es si wieder füre und öppe nit Viel sölle ihms ag'seh, was es mit ihm gäh heyg. Es würd si schäme, so noöthli z'thue und muthwillig Köste z'mache. Mit Esse und Trinke, selb sei wahr, borg es nicht, es mein, das sei witziger als z'Geld d'm Dokter nahz'bängle, wo ke Hung sust nüt dervo heyg. Man sieht, Eist war eine sehr würdige Repräsentantin der neusten Aufklärung und zwar eine sehr konsequente, die nicht blos meinte, es gebe blos eine Ansicht über Philosophie, Religion, Polilik, Litteratur, Humanität und Gewerbsfreiheit, und wer die eine rechte Ansicht nicht habe, sei e Böff, e Möff, oder e, Tüfel, sondern diesen hohen Grundsatz, daß es nur eine Wahrheit gebe, auch auf das Kindbetten ausdehnte und behauptete, kindbetten sei kindbetten und wie es gehe, habe es mehr als ein halb Dutzend mal erfahren u wüß afe wies gang u was me erlyde mög u was nit, da söll me ihn's nit b'richte. Oeppe es arms Mannli chön me für e Narre ha, selb wohl, oder öppe so ne Dokter, wo ne Brülle trag, damit me ihm d'r Hunger nit ag'säch. Aber es wisse es wohl, es gebe dere Weiber und nicht wenig, wo die größie Freude daran hätten, nöthlich zu thun und z'grüchse, wie wenn si ufgeiste [86]wette und hingerdry ne lah ufz'warte, daß es d'r Ma fast i d'Luft spreng und er doch nüt säge dörf, wenn er'nit well e wüste Hung sy. Aber wohl, sellige Wybere wollte es d'r Marsch machen, es gkheyte ihnen sy armi Thüri e Züber Wasser vom Brunne is Bett, es nähmts doch de notti Wunger, ob si z'Nest lüpfe chönte oder nit.
Man kann sich denken, wie Eisi bei solchen modernen und radikal-toleranten Ansichten die Gunst der Weiber erwarb und was sie von ihm sagten und wie sie über ihns pülverten, daß es ihnen die Männer aufweise. Vielleicht klagten sie mit Unrecht, denn wirklich hörte man bis dato nicht, daß Einer den Züber kalten Wassers in Anwendung gebracht hätte.
Jedenfalls vertrieb Eisi auf diese Weise viele Gastig und zwar die, welche nichts aufschreiben ließ, sondern baar zahlte, und solche Gastig ist nicht unkomod.
Was ihnen aber am meifien schadete, das war eine edle Brust, welche eben auch von dem Drange schwanger ward, das Heil des Vaterlandes zu fördern und zu äuffnen, Europas Kultur zu fördern, die Wunden der Menschheit zu mildern, ihre Bedürfnisse zu stillen.Diese Brust, die edle, fand, es sei schreiendes, himmelschreiendes Bedürfniß, gegenüber Steffen noch eine Speisewirthschaft zu errichten, geschehe es nicht, so sei das Heil, die Freiheit der Welt gefährdet, denn das sei doch ein himmelschreiender, verfluchter Zwang, daß,wenn einer durstig werde, ein Wirthshaus suche, er blos eines rechts sehe, keines aber links. Da sei er ja gezwungen, rechts einzukehren, habe gar keine Wahl,das sei eine entwürdigende Nöthigung, eine widernatürliche. Habe doch Gott unser Herr selbst die Sache ganz anders geordnet und den freien Willen geschaffen und demselben allenthalben zwei Wege aufgethan, einen rechts, einen links, und alle Menschen, Heiden und Türken, seien frei, könnten wählen, rechts oder links,ob's dann wohl eines freien Bürgers des Kantons Bern, des ersten in der Eidgenossenschaft, würdig sei,nicht wählen zu können, sondern rechts zu müssen,[87] wenn er durstig sei, in Steffens Gasthof, wo der Wein schlecht ist, die Frau hochmüthig, man für ein Brägelwürstli zehn Kreuzer zahlen müsse, während es für 2 Btz. auch gegeben werden könnte, wo man an alle Fische Sauce mache, an die einen eine von Mehl, an die gebackenen eine von Anken, daß si d'r Tüfel dra itodt fresse könnte, u wo me Käs heyg, daß es e Schang un e Spott syg, un d'Hühner d'r Dürlauf überchöme d'rvo, e Käs, wo eim nit ume d'r Dürlauf mach so grad ane, sondern es g'schwulles großes verfluchts Mul, daß me längs Stück nit wüß wo hi mit,un de es ganz chlys Herz, daß me niene warte dorf,gäb wie liecht d'r Luft gang. Durch solche edle Betrachtungen bewogen, fand Einer sich gedrungen, gezwungen, wie gesagt, zum Heil Europas, akurat links von Steffen noch eine Speisewirthschaft zu errichten.Von allen Seiten bestätigte man ihn in seinen Ansichten über das Bedürfniß; hinter seinem Rücken lachte man über seine Verblendung. Mit Steffen fluchte man über die Schlechtigkeit des neuen Weltbeglückers, der nichts begehre, als arme Leute zu machen und andern das Brot abzustehlen, und über die Regierung,die den Tüfel viel nachfrag, wie viel arm Lüt es gäb,vo wege, si müß se nit erhalte, was si vom Land erpreß, b'halt si für seye selber. Indessen fluchen half nichts und opponiren nichts. Vorrechte seien keine mehr,hieß es. Steffen hätte sich fast den Mund verbrannt,denn wenn er sonst nicht böser Art war, so konnte er doch wüst thun, wenn er ein Glas Wein im Kopf hatte und Täubi im Leibe. Das sei muthwilliger Weise den Leuten das Geld abgestohlen und sie ins Unglück gesprengt; erst mache man ihnen Muth, den Leuten z'dienen und ihrer Kumlichkeit wegen es neus Gasthus z'baue, u chum heyg me all' Chöste g'ha u all's usg'stange u lauf z'Sach, su reis mene nangere dahere,vors Brot, un um e us Bosheit, für z'lüege, wie si enangere z'Bode mache um de chöne z'lache, wenn sie beid über nüt chämte un um heilige Almose müßte nahlaufe. Aber die Donstige soölle nit chöne Freud ha, daß [88]mes ume wüͤß, ke Chrüzer gäb er öppe z'Sach wohlfeiler, aber mache wolle er was er könne, es werd ihm so gut erlaubt sein als einem andern.
Er hielt richtig Wort, das Publikum erfuhr die Wahrheit desselben, Durch vermehrte Konkurrenz wurden weder der Wein besser noch die Zechen wohlfeiler,man hätte eher das Gegentheil behaupten können. Man mußte den Profit an denen nehmen, denen man eine Zeche machen konnte, je weniger Gäste also kamen,desto besser mußte man niederhalten um nicht eys Tags d'Bey obsig z'chere, desto minder gut gab man den Wein. Der für das Patentsystem angeführte Grund,daß durch vermehrte Konkurrenz dem Publikum gedient und dasselbe wohlfeiler und besser bedient werde, hat sich mit seltenen Ausnahmen nicht erwahret. Also Steffen hielt sein Wort; er hielt es aber noch im andern Punkte,er machte, was er konnte. So oft es sich nur immer thun ließ, stellte er eine extra Hudlete an, einen Kegelt um Schafe, oder einen Tanz um Schafe, oder eine Lotterie, wo eine ausgebrannte Kerze das große Loos bezeichnet, oder einen Spinnet, oder einen Armbrustschießet, oder eine Fischete, ein Hirsmontagspektakel (Tschämelete), eine Kletterete, ein Sackspringet, eine Ganstodete, ein Schwinget, eine Eierauflefete, oder gar Komödie, kurz was man nur ersinnen und ihm einen Namen geben konnte. Manchmal kamen viel Leute,manchmal kamen wenige, doch immer Jemand, und hatte Steffen einen Spektakel gehabt, so konnte man darauf zählen, wenige Tage war drüben bei Fritzli auch eine Lumpete los. Und wenn es den Leuten doch nachgrade erleiden wollte, so liefen oder schickten förmlich die Wirthe den Häusern nach und luden ein, wie man zu einer Hochzeit einladet. Die armen Teufel von Wirthe wollten nicht umsonst da sein, hatten sie sich für das Publikum geopfert, so war es ja auch des Publikums Pflicht, das Opfer anzunehmen, herzukommen,um seine Bedürfnisse zu befriedigen. Es erfüllte seine Pflicht aber oft zu lässig, wie die Wirthe meinten, indessen läßt sich zur Entschuldigung sagen, daß wirklich [89] in der Umgegend das Geld rarer ward. Bekanntlich werden, wo Wölfe sind, die Schafe rar, wo viele Jäger sind, mindern die Haasen, und Kastenschwyni gibts wo viele Mäuse sind im Spycher, zu wundern ist sich also wirklich nicht, daß das Geld rarer wird, wo viele Wirthe sind und Gumene Büntel um Büntel ins Weltschland führen und dafür nichts geben als ihre Spaänsüdere.Die Alten klagten bitterlich, sie wüßten nicht mehr wo nehmen, die Mütter begehrten mit den Töchtern auf,sie dürften doch wääger nicht dem Alten das Korn alles verschleifen, sonst merke er es zuletzt doch noch, u de wette st lieber nit d'rby sy. Die Buben klagten, die Mädchen krameten ihnen nichts mehr, die Mädchen rümpften die Nase, weil die Buben den Wein zu sparen schienen und nicht mehr darin herumflatscheten, wie die Spatzen im Wasser; die Krämer wimmerten, alles wolle die Sachen dings und suche man sich vor Weihnacht zahlt zu machen, so sei der Lohn schon eingezogen und man kriegte gar nichts, wenn nicht hie und da beim Dreschen ein Knechtlein ein Hämpfeli Korn oder eine Magd ein Schübeli Garn oder G'spinnst verstoßen könnte. So klagte Alles, ob mit Recht, wissen wir nicht, doch waren viele Steigerungen in der Gegend, freiwillige und andere, Scheine wurden gefällt,größere Heimath an kleinere getauscht und Holz und Wald verkauft, es weiß Niemand wie viel. Es sei viel Verkehr, sagte man, lebhaft gehe es, so stark häite es nie gehandelt, es sei viel Geld im Lande. Weiß nicht, viel Handeln ist nicht immer das Zeichen von viel Geld, oft ist's gerade umgekehrt, namentlich, wenn man Ursache hat zu glauben, der Wucher, der stark wieder auftaucht, habe dabei seine Hand im Spiele.Auch bei der Klasse die nicht handelt, zeigen sich die Spuren des mangelnden Geldes in ihrer ärmseligen,liedetlichen Kleidung, die einen Sonntag von Mutag bis am Abend gländzt, am zweiten abschießt, am dritten für den Sonntag unbrauchbar wird und in drei Werktagen total in Fetzen geht. Ehedem, wo die Mägde Kleider hatten, welche sie erst 3 Jahre am Sonntäg,[90]dann 3 Jahre am Werktag tragen konnten, da hatten sie Geld, brauchten nicht mit Korn oder Garn den Krämer zu zahlen und am Ende doch noch z'Hudels z'grathen oder Mr. gnädig Herren Kostgänger zu werdenSo zogen die Wirthe die Leute herbei, wie sie konnten und mochten, begreiflich, daß, wenn sie dieselben einmal hatten, sie dieselben nicht gerne mehr fahren ließen. Es bestehen Gesetze darüber, wie lange Lustbarkeiten dauern sollen, wie lange heimische Gäste in den Wirthshäusern sitzen dürfen. Diese Gesetze entsprangen nicht aus Willkür oder Tyrannei, sondern aus einem tiefen Erkennen des Volkscharakters, einer innigen Theilnahme am Volkswohl, einer hohen Achtung vor dem häuslichen Glück, dem Hausfrieden ganz besouders.Unser Volk ist langsam und schwer in Bewegung zu setzen, aber einmal aufgebracht und entbrannt, eben so schwer in Schranken zu halten oder gar zu setzen.Dieses giltet nicht blos von politischer Bewegung, sondern auch der Aufregung sinnlicher Lust. Es besteht eine merkwürdige Verwandtschaft zwischen sinnlicher und politischer Aufregung; doch davon ein ander Mal. Darum thut es Noth, die Zeit seiner Lustbarkeit nicht zu verlängern, sondern in gewissen Schranken zu halten, so daß auch seine Freude und seine Lust in Schranken bleibt, die ihm wohlthätig ist, nicht darunter geheizt und gefeuert wird, bis das Feuer im Anken ist. Wir gestehen aufrichtig, wir gehören nicht zu den Theoretikern, welche von der Mündigkeit des Volkes in der Weise faseln, daß jede gesetzliche Schranke als Bevormundung dargestellt, eines freien Volkes unwürdig erklärt wird. Wir sind der Ansicht, die schon der Apostel Paulus hegte, daß viele die Freiheit vorschieben, um ihr Fleisch nachzuschieben, daß sie die Schranken nur weg wollen, um in keine Strafe mehr zu verfallen. Der Apostel Paulus sagt das sehr schön im Galater Brief. „Denn ihr seid zur Freiheit berufen, lieben Brüder, sagt er, allein ergreifet die Freiheit nicht zum Anlaß dem Fleisch, sondern durch Liebe diene einer dem andern, denn das ganze Gesetz ist in einem einigen
[91]Worte verfasset, nämlich in diesem: Liebe deinen Nächsten als dich selbst. So ihr euch aber unter einander beißet und fresset, so sehet zu, daß ihr nicht von einander verzehret werdet. Ich aber sage, wandelt im Geiste,DDV Denn das Fleisch gelüstet wieder den Geist, und den Geist wieder das Fleisch. Werdet ihr aber durch den Geist getrieben, so seid ihr nicht unter dem Gesetz.Offenbär sind aber die Werke des Fleisches: Ehebruch,Hurertiei, Unreinigkeit, Geilheit, Abgötterei, Zauberei,Feindschaft, Hader, Neid, Zorn, Zank, Zwietracht,Ketzerei, Mißgunst, Todschlag, Saufen, Fressen u. dgl.,von welchen ich euch zuvor sage, daß, die solche Dinge thun, das Reich Goites nicht erben werden. Die Frucht aber des Geistes ist Liebe, Freude, Friede, Langmüthigkeit, Freundlichkeit, Gütigkeit, Glaube, Sanftmuth,Keuschheit. Wider solche ist das Gesetz nicht. So wir im Geiste leben, so lasset uns auch im Geiste einhergehen.“ Wer also das Gesetz weg will, der gehe auch im Geiste einher; thut er es nicht, so kann er nicht viel darwider haben, wenn wir behaupten, er wolle nur frei sein zu Gunsten seines Fleisches; er wolle die Gesetze weg um ungestraft das Thier loslassen zu können. Ja wir sind so eigenthümlich gesinnet, daß wir selbst die Regierung nicht für mündig halten. Warum sonst ihr Vormund, die Verfassung? Doch gibts bekanntlich Mündel, welche den Vormündern Nasen zu drehen wissen. Dann ist noch eins, und dieses ist die Sünde der eigentlichen Theoretiker. Sie nehmen die Menschheit als ein Ganzes an, und diesem Ganzen nehmen sie das Maß an sich selbst, wie hoch sie stehen,wie gebildet sie sind, so hoch stellen sie die Menschheit.Sie vergessen, daß die Menschheit aus 1000 Millionen Individuen besteht, und daß jedes Individuum nicht mit dem Stempel hoher Bildung, sondern als ein klein hülflos Thierchen geboren wird, durchaus nicht besser,geistreicher, gebildeier, als diese Thierchen vor 5000 Jahren geboren wurden. Sogenannt gebildete Mütter kriegen akurat gleiche ungenotete Schreihälse, wie das []tzn gröbste Fischweib. Alle diese Geschöpfchen müssen erst zJu Menschen gespiesen, geredet und geprügelt werden,und bei Vielen ist dennoch alle Mühe umsonst in unserer aufgeklärten Zeit. Speiset, redet, prügelt man sie aber nicht, so bleiben sie ewig nichts. Das hat man vergessen und geglaubt, man bringe zur Welt, was man selbsten geworden, und was man nicht mehr nöthig hätte, das glaubte man auch für die Kinder unnöthig, und weil man ungerne die gute trockne Straße verläßt, im nassen Grase wandelt, oder durch das Korn sich jaget, so riß man die Zäune weg in der Ueberzeugung, daß kein vernünftiger Mensch fernerhin das nasse Gras der trocknen Straße vorziehen werde. Das ist die heillose anmaßliche Beschränktheit der sogenannten Aufklärung, die nur ein Maß für alles hat, warum auch so viel zottige Ungeheuer herum laufen, aus welchen man gar nicht klug wird, ob sie zu den Vögeln oder den Säugethieren gehören; hinten Haar und vornen Haar, Beine wie Storchen, stogeln damit wie Kameele, schnaufen wie die Bären, haben Glas vor den Augen, graue Deckel auf dem Schädel, sehen aus wie hungerige Woölfe, schnappen nach Fleisch wie Haifische, gebehrden sich üͤberhaupt wie im Wald der Wolf,im Wasser der Hay. Regeln kennen sie keine, abet was sie können, das machen sie. Dann gibts noch eine Sünde, welche namentlich den Juristen auffäͤllt Alle ihre Schwächen suchen sie in die Gesetzgebung einzuschmuggeln zum Heil der Menschheit. Ihre Schwächen und Sünden nennen sie erst mit sehr milden Namen, haben dazu noch tausend Milderungsgründe, dann bugsiren sie die Strafen weg und endlich, wer alt genug wird, kann es erleben, werden sie ihre Laster als Tugenden sanktioniren und durch das Volk fie belohnen,mit Prämien und Orden verbrämen lassen, Exempia sunt odiosa. Z'Sach ist aber, mih sött nit d'rvo rede,mih lähmt sust d'Regirig, meinte jüngst eine Majestät in ihrer g'stabeligen Logit.
Dieses gefällt uns nicht, wir sagen es aufrichtig,wir glauben, die Menschen hätten immerdar Schranken [93]nöthig, und gerade das junge Volk, gerade es habe nöthig, daß man es heimschicke zur Zeit, ehe das Thier in ihm erwacht und losbricht, erst mordet, dann im Kothe sich wälzt. Wir meinen also, gesetzliche Schranken hätten wir immerdar nöthig; zur Freiheit seien wir Alle berufen, zu dieser Freiheit gelangten wir aber nur durch Zucht. Die zunehmenden Morde, die überhandnehmende Sauferei sind Folgen einer Freiheit, welcher keine Zucht vorangegangen. Diese Zucht wird aber auch durch das Volkswohl gefordert. Wir sind von Natur ein armes Volk; der Himmel gibt uns nichts im Schlafe, aber unter diesem Himmel müssen wir brav essen und warm gekleidet sein, wenn es uns wohl gehen soll. Um dieses zu können, müssen wir hart arheiten, und um hart arbeiten zu können, müssen wir gesund schlafen, und die gehörige Zeit, um früh aufstehen zu können mit klarem Auge, gestärktem Körper und munterer Arbeitslust. Wer dagegen schwärmt bis in die tiefe Nacht hinein und gegen Morgen erst taumelnd zu Bette geht, taugt am folgenden Tage nichts,und wer es alle Tage so treibt, taugt alle Tage nichts.Das Blaumachen der Handwerksgesellen ist ein klar Zeugniß dieser Wahrheit, und das Schöppeln der Meister, das alle Tage strenger getrieben wird, bis endlich Alles den Hals ab ist, ist ebenfalls ein Zeugniß.Wenn man Tabellen aufnehmen wollte, wie jetzt,da die Leute nichts mehr in den Köpfen haben, Mode ist, hat man dann doch wenigstens etwas Volles, nämlich eine Tabelle über die zu Grunde gegangenen, so würde man in gewissen Kreisen als feststehende Regel finden, daß weitaus die Meisten am Höckeln in den Wirthshäusern über Gebühr zu Grunde gegangen; ein Schoppe zog den andern nach, bis zuletzt alle Schoppen den Mann. Wo in dieser Beziehung keine Gesetze sind, muß man den Mangel an Verstand bedauern,wo aber Gesetze sind von verständigen Leuten her,welche sich um Volkswohlfahrt kümmerten, da kann man nichts mehr bedauern als die Demoralisation derer,welche Gesetze handhaben sollen und es nicht können,[96]was alles für Empfindungen und Gedanken leuchten züngelnd und feurig durch die Nacht seines Jammers;wer will uns das erzählen, uns vor das Gewissen legen den Schmerz christlicher Hausmütter, deren Männer ausgebeutet werden an Leib und Seele, damit die Wirthe nicht verhungern, dem Staate die Patentgebühren nicht mindern? Dieser Schmerz, ein glühend Eisen in des Weibes Herz, scheint wohl auch von außen mit dunkeln Schlacken belegt; mit Aerger, nicht ungestört ruhen und schlafen zu können; mit Eifersucht,welche alle Männersünden vor des armen Weibes Auge zitirt; mit Groll, daß der Mann für sich alleine das Geld brauche, welches sie gemeinsam verdient.
Aber inniger glüht das Eisen, tiefer zuckt das Weh.Es weint das Weib, daß die eigene Liebe so schwach geworden, daß sie den Mann nicht zu halten vermöge,daß sie sein schützender Engel nicht mehr sei, daß sie ihm lästig geworden, er ihr zu entweichen suche, als ob ein schaurig Wesen sie wäre. Es weint aber doch über diese verschmähte Liebe am innigsten und bittersten,nicht über das eigene Weh, sondern über das Elend,in welches der Mann versinkt, welches ihn verschlingen wird; es ist die Liebe, welche über Jerusalem weinte,die zu schwach zur Rettung verblendeter Geliebten sich fühlt. Es weint das Weib über seine Kinder, die zü Waisen werden bei Lebzeiten des Vaters noch, denen jetzt schon die väterliche Hut fehlt, später des Vaters Vorbild und Kraft; denen der Vater zum Apollyon wird, zum Verderber, wenn auch nicht ihrer Seelen,doch ihres bürgerlichen Daseins. Es weint das Weib über des Hauses Ehre, welche durch nichts mehr gefährdet wird, als wenn Der dunkel und befleckt wird,der des Hauses Sonne sein soll; es weint, daß es die Leute nicht mehr ansehen darf mit dem glücklichen Blick eines auf den Mann stolzen Weibes, daß es zittern muß, wenn die Kinder unter die Leute gehen, man halte ihnen den Vater vor und seinen heillosen Wandel,und heim kämen dann die Kinder und frügen: Mutter,o Mutter, was ist o mit d'm Vater, d'Lüt hey ihs [97] ne geng für? Und wenn es endlich zu poltern kömmt,wie ein Roß, das abgekommen im Stall, oder zu schleichen, wie die Diebe schleichen, wenn sie stehlen wollen,das Weib lange nicht weiß, ist's der Mann oder ein Schelm, dann noch freundlich thun soll, oder nichts merken soll und kein Auge schließen kann bis an die Fenster der Tag klopft? Was muß dann das für ein Tag werden, wie fröhlich werden die Gesichter sein,wie freundlich die Rede, wie munter die Arbeit durch die Hände fließen? Was wird sich da ansetzen in den Herzen, was werden die Kinder sich erlauben, was wird das Gesinde machen? Wenn die Regierung sich emanzipirt von der Handhabung der Gesetze, der Hausvater von der Haltung der Gesetze, so folgen alle andern Emanzipationen nach, und wenn alle Emanzipationen vollendet sind, was ist dann das Ende und wer hat den Anfang vom Ende gemacht, he? Und so ein unglücklich Hauswesen wird gemacht, man weiß nicht wie. Der Mann ist nicht böse, aber dem Auslachen widersteht er nicht. Ist's Zeit zum Feierabend und er will aus dem Wirthshause heim und man lacht ihn aus, hält ihm vor, wie er vor seiner Frau sich fürchten müsse, wie sie ihn ausklopfe, wenn er nicht heimkomme, so dürfen die Wenigsten gehen, wenn sie auch gerne wollten, sie bleiben, es bildet sich eine Gewohnheit, aus dem Verspotteten wird selbst ein Spötter,nach einigen Jahren ist's unvermerkt einer geworden,der Familie, Leib und Seele aus den Augen verloren,Sklave einer Gewohnheit geworden ist. Wäre aber einer da gewesen, der gesagt hätte, jetzt geht heim, es muß sein, die Gewohnheit hätte sich nie gebildet, es wäre eine Ehe glücklich geblieben, ein christlich Hauswesen aufrecht, zu Fötzeln wären ein Dutzend Kinder nicht geworden. Und wer hat sie dazu gemacht, he?
Wer nur auf seinen grünen Sessel sitzt, und auf demselben manövrirt, nur zu dem Zwecke, daß er auf demselben sitzen bleibe, wie ein Seiltänzer auf dem Seile balancirt, damit Hals und Bein ihm ganz bleiben, der begreift nie und nimmer, was rund uüm ihn vorgeht,[98]weil er eben nur zu seinem Hintern sieht, daß dieser warm bleibe und im grünen Nest. (Wie wär's, wenn man die Sessel halb gelb halb schwarz überziehen ließe, das Volk, welches die Sessel zahlte und entgelten muß,was der Gelbe macht?) Der sieht das unendliche in die kleinste Hütte gehende Elend nicht, welches durch die noch dazu dem Staate zu verzinsende Zügellosigkeit entsteht, der kümmert sich überhaupt ums Volk nicht, höchstens benutzt er es ungefähr wie eine Cigarre, er nimmts ins Maul und sugget daran, bis er hat, was er will. Der weiß nichts vom Volkscharakter, nichts vom äußern Volkswohl, welches in der Hablichkeit besteht, nichts vom innern, welches aus dem christlichen Hause kommt, in welchem christlicher Sinn und christlicher Friede ist, der weiß gar nichts, als woher der politische Wind weht. Man thut solchen Menschen,welche zumeist die Nase sehr hoch tragen, beiläufig gesagt, häufig sehr Unrecht, wenn man der Nase wegen meint sie seien stolz, sie winden halt nur. Solche Leute trampeln im Volksleben herum, wie Ochsen im jungen Klee, die Ochsen gehen am Blähen zu Grunde, der Klee ob dem Trampeln der Ochsen.
Wir sagen es daher offen und frei: das wahre Volkswohl beruht nicht auf Zügellosigkeit, geistiger und leiblicher; die wahre Freiheit beruht nicht darauf, daß dem Zügellosesten am meisten erlaubt ist, überhaupt jedem so viel er will; die wahre Bildung ruht nicht auf hohler sogenannter Sekundarbildung, auf kurzen Speisewirthschafts-Phrasen; das wahre Christenthum nicht auf einer Aufklärung, wie sie zwischen 10 und 12 in allerlei Wirthschaften betrieben wird, wegen den durchschnittlichen 200 Fr. Wir sagen offen und frei, der Reichthum und das Uebergewicht des Kantons Bern wuchs nicht aus diesem Boden. Wir wissen, der alte Boden bedurfte der Veredlung. Wir sagen aber offen und frei, wer statt ihn zu veredeln, des Bodens Ueppigkeit zur Aussaat vom Unkraut benutzt, oder statt ihn zu veredeln, ihn verwildern läßt, der verdiente, daß ihm []u9 ein Mühlstein an den Hals gehängt würde, denn von ihm kömmt Aergerniß für Klein nund Groß.
Das Volk besteht nicht blos aus Wirthen und der Bevölkerung ihrer Wirthschaften, wie man in jüngster Zeit zu glauben scheint; sie besteht auch aus Weibern und Kindern, aus Vätern und Müttern; die wahre Bildungsstätte ist nicht, wie ein Wahn der jungen Zeit zum Flüch des Volkes glaubt, das Kaffehaus, sondern das Familienhaus, nicht die Speisewirthschaft, sondern die Hauswirthschaft. Die alten Gesetze wahrten des Hauses Heil und Segen, ehrten des Hauses hohe Bedeutung; junge Gesetze darüber haben wir noch keine,aber junge Geister scheinen sie stillschweigend beseitigen zu wollen. Das wäre entweder anärchisch oder jesuitisch, oder vielleicht auch beides zugleich.
Doch unser Steffen war kein Jesuit, er hatte nicht einmal rothe dicke Vorhänge vor seinen Fenstern, er hatte großen Glauben an die Menschheit, er täuschte sich auch nicht, denn er wurde blos zweimal gebüßt,das erste Mal um 8 Fr., das zweite Mal um 4 Fr., spätern Anzeigen erfuhr wenigstens der Schulseckel nichts.
Steffen kriegt selbst schreiende Bedürfnisse.
Aber das Ding brachte ihm doch keinen Segen.Trieb er auch zuweilen Leute zusammen, blieben auch seine Leute so lange sie wollten, das Geld kam ihm nicht mehr durch ein Stiefelrohr herab, die Fünfunddreißiger fanden sich seltener, die Batzen ließen sich zählen, füllten jedenfalls die zwei Abgründe, welche in seinem Hause waren, seine faule Sinnlichkeit und seiner Frau beschränkten Hochmuth nicht aus, die verschlangen Alles, ohne daß sie eigentlich darüber kamen, wo es fehle. Sie hatten es auch noch wie andere Majestäten, sie sahen es nicht, daß ihr größter Feind in ihnen selbst lag, und hätte auch Jemand gewagt, es ihnen zu sagen, so wäre es ihm gegangen wie dem [100]altLandammann von Bern, als er vom wahren Punkte reden wollte, er wäre unterbrochen worden.
Steffen kam in Verlegenheiten, ward unwirsch darüber, hatte seine trüben Stunden, in welchen er über Alles schimpfte, über die Bauern, die Regierung, versteht sich vor allem über die nach ihm entstandenen Wirthschaften. Ueber Eisi muckelte er nur, denn während er in seiner Sinnlichkeit träger wurde, entwickelte Eisi's Hochmuth Energie, daher er unter den Pantoffel kam, dem er nichts als stillschweigenden Eigensinn entgegensetzte. Freilich hatte er auch seinen Kyb im Leibe,den er nicht blos mit Reden, sondern auch thatsächlich auslassen mußte, was auch in Prozessen geschah. Wer Kyb im Lyb hat und alle Tage einen Rechtsagenten oder sonst was sogenannt rechtskundiges im Haufe hat,der müßte von Gott besonders behütet sein, wenn er nicht in Prozesse gerathen sollte.
Steffen appart zu behüten, hatte Gott nicht Ursache,und war er einmal hineingeflismet, so war seine Fräu ein Utüfel von Hartnäckigkeit, wolite nichts von Nachgeben wissen, es mußte ausgetrieben werden bis vore Hag use. Das sei ihm gleich, verspiel oder g'winn mes, aber die dolders Fötzelhüng müßten wissen, daß man sie nicht fürchte und Geld habe mehr als sie. Und wenn es ihns ankam, so lief Eisi selost den Herren nach: eine Frau b'schüß meh' bi de Herre als“ so ne G'stabi vo Löhl, fagte es. Die Prozesse beschlugen Allerlei, manchmal Marchen, manchmal Waldrechie,später oft erhaltene Lieferungen von diesem oder jenem,wobei Versender und Empfänger nicht einerlei Meinung waren. Die Prozesse hängen nicht ab vom Stoff, es gibt keinen Hof, es gibt kein Haus, wo nicht Stoff zu wenigstens zehn Prozessen zu finden wäre. Die Prozesse hängen ab vom Sinn der Leute, da entstehen sie,die Aeußerlichkeit gibt blos den Vorwand dazu, so in den meisten Fällen. Wo dann zu einem störrischen Sinn noch sogenannte Rechtskundige Aufweisung kömmt und große Unordnung herrscht oder vielmehr gär keine Ordnung, so wundert es einem, wenn es nicht alle Tage []
101 —
101 einen neuen Prozeß gibt. Wer Unordnung hat in seinem Geschäft und dazu zu wenig Geld, der glaubt bestaäͤndig, er sei beeinträchtigt, betrogen, und wie Unrecht er andern thut, wie sehr er sie beeinträchtigt, das sieht er nicht ein und seine Bücher mahnen ihn nicht daran.Prozediren wollen wir diesmal nicht abhandeln, so wichtig es ist, wir wollten nur auf einen Schlund deuten, welcher auch viel von Steffens Geld verschlang.
So kam es, daß er in mancherlei Verlegenheit kam,Advokaten bezahlen sollte, Weinhändler, Käshändler,Kerzen- und andere Lieferanten, und sagen mußte, es schicke sich ihm diesen Augenblick nicht, es hätte ihm ung'sinnet etwas gegeben, wo ihm d'Säck g'rumt heyg.„Ung'sinnet“ ist ein fatal Wort, und eben es spielte eine große Rolle in Steffens Leben. Da er keine Uebersicht hatte von dem was er schuldig war, so kamen ihm seine Lieferanten meist ung'sinnet über den Hals. Wenn ihm dann einer sagte: „Säg los, ih ha di welle frage,ob de m'r nit z'letzt Käsli oder z'letzt Kistli Liquör zahlen könntest, ih ha neh großi Zahlung z'mache und es geht i Gotts Name ke Geld y“, so sagte Steffen oft:das wird öppe zahlt sy, he längste, b'sinn di.“ Aber der wollte sich nicht besinne, demonstrirte Steffen, daß er ihm wohl einmal einst eins bezahlt habe, das Letzte aber ausstehe, und Steffen mußte daran kommen, gern oder ungern, und er mochte es glauben oder nicht. Wenn er endlich ane kneue mußle, so mußte er wohl auch sagen: „aber jetz chas d'r nit gäh, aber i vier,füf Wuche mußt's ha, selb v'rsprich d'r, v'rlah di druf.“ Und doch zahlte Steffen oft in fünf Wochen nicht, es war ung'sinnet ein anderer Lieferant noch früher gekommen, hatte noch nöthlicher gethan, so daß Steffen Geld schwitzen mußte. Oder er war mit Eisi ung'sinnet ausgefahren, sie hatten ung'sinnet dies oder jenes gesehen, das ihnen so gefallen, daß sie es kramen mußte, oder es hatte ung'sinnet eine Partie gegeben in einer obern Stube und Steffen Haare gelassen für hundert Franken oder mehr. Wer kann für solche ung'sinnete Sachen was, wir fragen?
[102]Indessen eigentliche Angst machte das Alles Steffen nicht und Eisi nicht, sie betrachteten diese Lage als eine vorübergehende Klemme, entstanden hauptsächlich durch den verfluchten Speisewirth, aber wenn der einmal z'Bode syg, u lang gang das nit, so werds scho wieder angers cho. VTer Haupttrost war jedoch das Erbe,welches Steffen noch von seinem Vater erwariete. Wenn er einmal da nehmen könne, sagte er, dann käme es besser, dann wolle er ganz anders fahren, dann wolle er zeigen, wer Meister sei. Dieses Erbe war sein Trost,dieses Erbe war auch sein Schild, denn so lange es zu erwarten war, deckte es ihn vor der allzugroßen Zudringlichkeit seiner Schuldner. Da ist nichts zu ver lieren, dachten site, und thun wir zu wüst, so setzen wir nichts mehr bei ihm ab. Freilich dachten sie beim allfälligen Absatz auch an die zu opfernden Prozente und schlugen was sich thun ließ auf die Preise, und wie oben gesagt, halfen sie auch mit der Qualitaäͤt nach,denn, was einige Querköpfe auch sagen mögen über den Gewinn, welcher aus dem Hinhauten der Zahlungen entstehen soll, es ist nichts als Täuschung, entweder ein Zeichen, daß sie nicht rechnen können, oder eine verkappte, wenigstens augenblickliche, Zahlungsunfähigkeit. Wer Geld hat und das Rechnen versteht,weiß wohl, was Baarzahlungen für vielfachen Vortheil bringen.
Trotzdem kam Steffen in die Klemme, denn es gibt immer Leute, welche nicht warten mögen, Käshändier,welche das Salz baar zahlen müssen, Advokaten, welche alle Wochen das Kostgeld zahlen müssen, weil Niemand ihnen länger traut als eine Woche und Niemand Bürg sein will für vierzehn Tage. Wenn Steffen so in der Klemme war zwischen einem Käshändler der Salz haben mußte, oder einem Advokaten, der das wöchentliche Kostgeld bezahlen sollte, oder zwischen zweien Gumene,von denen jeder sagte: „entweder oder“, entweder Steffen zahlst du mich aus, oder nimmst künftig den Wein alleine bei mir, so wußte er oft nichts anzufangen, als sein ketzers Byggerli anspannen zu lafssen, zu [1053]seinem Vater zu reiten und zu sagen: „Vater, gieb Geld, ih muß ha!“ Da, wie gesagt, Steffens Vater vornehmer war als reich, dessen Ansehen größer als der Geldseckel, so gab er ihm wohl einige Male Geld, später aber versiegte diese Quelle.
Der Vater gab ihm den Rath, noch ein Stücklein Land zu kaufen, welches an sein Besitzthum stieß und zu irgend einem Unternehmen tauglich schien, da ein Bach an selbem vorbeifloß, sich zu stellen, als wolle er da was Neues machen und daraufhin auf sein ganzes Besitzthum Geld aufzunehmen. Einen Schein fällen zu lassen zur Aufnahme von Geld, thut man sonst nicht gerne, es liegt immer was Verdächtiges darin, daher man gerne was vorschiebt, um der Sache ein unverdächtig Ansehen zu geben und der Gemeinde Sand in die Augen zu streuen, wenn sie etwa die Sache näher untersuchen lassen wollte. Dieses Sandstreuen übernahm der Vater und vollbrachte es glücklich. Eisi erklärte bei der Geldaufnahme sehr bereitwillig mit seinem Weibergut den Nachgang, von wegen, es hätte schon lange gerne mit der donstigs More, der Speisewirthin nämlich, einen Prozeß angefangen, wegem Südeltrögli beim Brunnen, zu welchem die andere kein Recht hätte,wie Eisi behauptete. Steffen hatte so satt abgewehrt,weil er das Geld nöthiger hätte und diesen Handel z'prozediren fast nichts abtrage; jetzt aber wusch eine Hand die andere, Eist erklärte den Nachgang und Steffen willigte in den Prozeß.
Ein neues Unternehmen, eine Oehle oder sonst ein Räderwerk, wurde angefangen, blos alte Löcher verstopft und der Wagen neu gesalbet lief wieder ohne zu en und zu gaxen, daß man Stunden weit davon redete.
Einige Zeit darauf starb Steffens Vater, aber das Erbe fiel nicht aus wie Steffen immer gerühmt hatte.Wenn einmal sein Alter die Nase untere hätte, dann bessere es ihm, dann wolle er es rutschen lassen, nicht 15000 Pfund nähmte er, wenn es ihm Jemand schon gleich jezt baar auf die Hand legen wollte. Es wäre
[204]Steffen wohl gekommen, wenn er den Handel für 15000 Pfund hätte abschließen können, denn sein Vater war nicht halb so reich, eine Menge Schulden, von denen man nichts gewußt, kamen zum Vorschein. Zudem war Alles aufgeschrieben, was Steffen empfangen und längst vergessen hatte, und begreiflich wurde es ihm, wie er sich dagegen sträubte, unerbittlich angerechnet. Wie er später auch pülvern und aufbegehren mochte,wie er betrogen und angeführt worden, wie die, wo daheim gewesen, das Beste hintere gepackt hätten, wie er wenigstens z'halb mehr hätte bekommen sollen, deßwegen bekam er es doch nicht, und Steffen erfuhr es,wie es Fälle geben könne, wo man zehnmal besser daran ist, wenn man ein Erbe vorständs, als wenn man es wirklich verfallen hat.
Wer hat nicht schon gesehen, wie, wenn im Herbste spät ein Säemann Samen ausgestreut hatte auf seinen einsamen Acker, Krähen daher geflogen kamen von allen Seiten, aus dem Boden zu wachfen schienen, schwarz der Acker ward, die Vögel den Acker vom Samen leerten, so daß am andern Tage kein Körnlein mehr da war, das hätte keimen und aufwachsen können.
Wer hat nicht schon erfahren, wie Gläubiger sich in Geduld fassen und sagen, jetzt ist nichts zu machen,wenn man ihn überstürzt, so kriegt man nichts, wartet man aber, so ist keine Gefahr, sein Vater lebt noch,oder seine Mutter, oder ein reicher Vetter; thun die einmal die Augen zu, dann kann er erben und wer sich dann rührt zu rechter Zeit, dem kann es nicht fehlen,der wird bezahlt. Und wenn dann endlich der ersehnte Tod kömmt, das Erbe fällt, wie es da die Gläubiger herbeischneit, wie sie geflogen kommen aus allen Enden der Welt, wie auf den Acker die Krähen, und wie die Krähen nicht weichen bis das letzte Körnlein verzehrt v1 die Gläubiger nicht, bis der letzte Heller bezahlt ist.
So ging es jetzt Steffen auch. Er war wie ein Aas, um das die Geier sich streiten, und wer sein treuster Freund geschienen hatie, der wollte jetzt am uver[108] schantesten sein Geld, und Alle waren auf einmal so geldnöihig, so ganz ernüchtert und auf dem Hund, daß man hätte glauben sollen, es stünde vor lauter schreckVE Thüre. Da Säteffens Erbe nicht alsobald flüssig war,kein Gläubiger aber warten wollte, aus Furcht, er komme dann hinten ab und kriege nichts, so kam Steffen in arge Nöthen, und da unter seinen HalbschoppenFreunden keiner war, der kernhaft und gutmeinend genug war, ihm durch die Noth zu helfen, im Gegentheil, bei Jedem der Grundsatz herrschte, es müsse jeder zu sich sehen, es sehe sonst Niemand anders zu ihm,so kain er in Wucherer Hände. Man hat heut, zu Tage, in den sogenannten industriellen Zeiten, einen seht schweren Stand, wenn man etwas gegen den Wucher fagen will; Jedermann, heißt es, könne sein Geld rentiren machen wie er könne und möge, so lange er sich keines eigentlichen Betruges schuldig mache. Die Ptozente welche man ziehe, in dieser oder jener Form,entweder als Zins oder daß man sie gleich aufs Kapital schlage, so daß, wo 300 Fr. gegeben wurden,man 460 Fr. sich verfchreiben lasse u. s. w., stünden im Verhältniß mit der Gefahr, welcher man das Kapital aussetze. Das sei ein großer Unterschied, ob man auf solides Unterpfand leihe, oder aber sein Geld in die Luft hinaus stelle. Wenn einer bei sicherem Kapital Proz. ziehe, so ziehe er mehr als der, welcher auf die Hoffnung leihe, 10 Proz. zu kriegen, aber eben so leicht Kapitai sammt Zinsen verlieren könne ʒ es müßte daher durchaus die Solidität des Kapitals mit dem Zinsfuße in Verbindung stehen.
Wir kennen zu wenig die richtigen Grundsätze der Staatswirthschaft, welche beiläufig gesagt, uns noch so im Nebel scheinen, daß mit gleicher Bestimmtheit das Gegentheil behauptet wird, um zu beurtheilen, ob dadurch das Staatswohl gefördert oder gefährdet werde,wenn gegen hohen Zinsfuß mit Leichtigkeit Geld zu erhalten UÜnternehmungen zu beginnen sind? Blos das scheint uns, daß im hohen Zinsfuße der Stein des An[106]stoßes für neue Unternehmen liege, daß der Geist des Schwindels von Staatswegen nicht zu nähren sei, daß mißglückte Unternehmungen den Staatskredit und den Privatkredit eines Landes nicht fördern. Der Gegenstand hat aber eine noch ganz andere Seite, nämlich:eine christliche, und der Wucher eine ganz andere Ausdehnung, als gewöhnlich angenommen wird, eine so große, daß er wirklich nicht durch das Gesetz beschlagen, sondern blos durch den christlichen Sinn gerichtet werden kann.
Wenn ein arm Kind des Abends mit drei Strangen Garn, welche die Mutter und das Kind selben Tags erjastet haben, ins Dorf geht um sie zu verkaufen, weil sie Oel haben sollten und Milch und Brod,und der Händler gibt ihm blos 4/, Batzen dafür, er weiß, sie müssen Geld haben und diesen Abend noch,und Niemand in der Nähe kauft noch Garn; einem Reichen, der warten oder weiter könnte, würde er 6 Btz.geben, so nenne ich dieses Wucher, welchen das Gesetz nicht beschlagen kann. Ich nenne diese Handlungsweise Wucher, denn Wucher ist, wenn einer aus seines Nächsten Noth seinen Vortheil zieht. Ich nenne dieses einen himmelschreienden Wucher, denn er nährt sich von der Armen Schweiß, und wie heillos und verflucht dem Reichen mehr geben als dem Armen! Dem Reichen 6 Kreuzer zulegen, dem Armen sie abziehen, während 6 Kreuzer dem Reichen nichts sind, während sie für den Armen einen zehnfach höheren Werth hätten als für den Reichen! Das ist aber noch nicht Alles; der Arme muß auch theurer zahlen wenn er etwas kauft als der Reiche, und zwar bedeutend theurer, und wenn man sich darüber ärgert, wenn man findet, es sei ungerecht und es sollte umgekehrt sein, so heißt es, das komme daher, weil man die Sache nicht verstehe, den Armen müͤsse man so oft Dings verkaufen, wisse nicht,ob man je was kriege, müsse ihnen in kleinen Quantitäten verkaufen, wo man so viel vermesse und verwäge. Ganz gut, aber wenn man einem Armen was abkauft, da vermißt man nichts, da verwiegt man nichts,[107]da riskirt man nichts, da treibt man halt einfach Wucher und schindet den Armen, weil man ihn in seiner Gewalt hat, und das ist unchristlich. Dahin gehört auch aller Wucher mit Lebensmitteln, durch welchen wiederüm Niemand beschlagen wird als wiederum hauptsächlich der Arme, der in die schrecklichste Pein geräth,F'hälb mehr arbeiten zu sollen und z'halb weniger und zJ'halb schlechter zu essen zu kriegen.
Wenn es dem Reichern schon etwas g'nüger geht,seine Bilanz nicht brillant aussieht, er leidet doch nicht Pein an seinem Leibe, er braucht seine Kinder nicht hungern zu lassen. Wir müssen sagen, wir kennen kaum eine schrecklichere Versündigung als diesen Wucher und wenn in solchen Fällen der Arme zur Selbsthülfe greift,so halten wir seine Sünde nicht für so groß. Blos wenn dieses Gefühl, der Drang zur Selbsthülfe, andauernd und bleibend zum Kommunismus wird, der nehmen will wo er findet, dann halten wir es für eine Krebswunde an der Menschheit, für ein Alles zersetzendes Element. Der Kommunismus aber so wenig als der Radikalismus können etwas anders als zerstören; ist der Bestand zerstört, dann schlagen sie um in Despotie und Habsucht; was Andern genommen ward, angeblich für das Allgemeine, das will am Ende doch jeder ausschließlich für sich.
Wir geben gerne zu, daß im Wechselhandel das Diskontiren am Orte ist, ein Kaufmann einige Prozente einschlagen kann, um baar Geld zu kriegen, welches von Rechtswegen ihm sonst erst in einigen Monaten zukäme, allein so wie es jetzt im gemeinen Leben getrieben wird, ist es wirklich eine heillose Betrügerei,obgleich eine Art von Freiwilligkeit obzuwalten scheint.Da werden arme Mannli gedrängt bis in die Noth hinein, dann wird ihnen älles was sie haben, Geld oder Schriften, verleidet, verunwerthet, als Nichts dargestellt, sie werden in Angst gewerchet und mit Wein getränkt, bis sie etwas Ungeschicktes gemacht haben. In Beziehung auf das Land ihut das Gesetz Vorsorge,welches vorschreibt, daß kein Kauf gültig sei, ehe dar[108]über gelobt worden. Sonst hatte man auch Beispiele,daß ein Bruder dem andern Brönz im Walde aufnöthete, bis er ihm seinen Hof um einen Spottpreis abgekauft hatte. Das geschieht nicht mehr, aber mit Abfretung von Schriften, Holzkäufen u. s. w., wird noch immer die gleiche Schurkerei getrieben, und was man da so einem armen Stöffel von Mannli Alles zu sagen und in was für einen Katzenjammer man ihn zu arbeiten weiß, man stellt es sich nicht vor. Bei solchen Abtretungen handelt es sich nicht um einige Prozente,sondern üm einen Drittel oder Viertel der Summe, um einige hundert Franken, da lohnt es sich der Mühe.
So ungefähr ging es auch unserm Steffen; sein Erbe war nicht blos kleiner als er geglaubt, sondern er erhielt nicht einmal was ihm zufiel; er mußte einschlagen, mußte abtreten, und jemehr Rechtskundige er zu Freunden hatte, desto mehrere halfen einander, bis sie den Steffen da hatten, wo sie ihn haben wollten.Steffen klagte oft, wie er nicht geglaubt, daß erben einen Menschen arm machen, oder ihm wenigstens zum grͤeten Schaden sein könnte. Am übelsten ging das ei Eisi, es hatte geglaubt einen reichen Mann zu haben, sehr oft gesagt: „Wart die D Täsche da äne ume, bis Steffes Alte d'Nase ungere het, de wey m'rt Ar de di donstigs Kräye nimme a, wenn ih vors Hus use stoh, die muß m'r de da dänne.“
Das konnte nun nicht geschehen und darum mußte Steffen bei jedem Anlaß hören, wie wenig er geerbt,und wie man angeführt werden könne beim Heirathen.Bis dahin war das so ziemlich einig gegangen, jedes hatte das Andere gewähren, das Gänze schlitten lassen und wenn sie einander zuweilen auch rauh anfuhren,so war es doch nicht böse gemeint und griff nicht tief.Jetzt sahen sie, daß zur Sache gesehen werden müsse.Obgleich keins von ihnen dafür hielt, daß sie eigentlich bös ständen, sie schlugen alles was sie hatten sehr hoch an und hofften, die bessere Zeit stehe bereits vor der Thüre, so dachten sie doch, es sollte besser gehen,[109] zum Gelde mehr gesehen, die Sache genauer genommen werden.
Steffen meinte, Eist sollte etwas weniger hoffärtig sein, alle Augenblicke ein neu seiden Fürtuch wäre nicht nöthig und ällemal die Näherin und, eine neue Kappe wenn es z'Märit wollte oder Gotte sein mußte, ebenfalls nicht. Auch die Kinder könnte man einfacher haltien und etwas mehr zum werchen, und albeeinist weniger Leute am Taglohn, so meinte er. Potz Blitz, so meinte es aber Eisi nicht. Es brauche noch lange nicht was es ihm ziehen möchte, von wem z'Sach herchöm und wer doch immer dabei sei von früh bis spät, nicht einmal Zeit nehmte es sich für z'Kindbette und ehe die Sache halb vorbei sei, müsse es schon wieder füre un uf d'Bey. Was er denn mache? Nichts mache er, hell nichts, z'fule sei er z'metzge und längs Stück müsse es den Leuten Fleisch geben; z'fule sei er in Keller zu gehen, lieber v'rspreng er z'Hus mit Brülle bis er eins hätte, als daß er einem Menschen einen Schoppen hole und wenn man ihn nicht albeeinist mit einem Hälstg abeschleifte, su luegte er z'gahr us und y nie mit em Wy, schüttete öppe z'säme, was z'Essig g'rathe well,oder miech sust Neuis, kratzeti öppe d'r Dreck us de Fässere, daß d'r Wy, wo me dry thuey, nit steich wie ne Hung. U de mit em bruche, söll er ihm bim nichts vorhalten. Er solle zusammen zählen, was er z'Jahr aus z'Jahr ein v'rfresse u v'rsuf u was die keibe Schießete bruche, u was de gang i de obere Stube, un ob er g'winn oder v'rspiel, das merk es neue afe, bim Wetter. Wohl, so solle er ihm nicht kommen, sonst wolle es ihms zeigen, woher z'Sach chöm u wer z'Recht hätt, Meister z'yy, ja wolle. Wenn einmal solch Vorrechnen angehet, so hält es sich selten still, gutet selten wieder. Es ist traurig, wenn Leute, die im Glück sind,es haben konnten wie sie wollten, stößig werden unter einander, das Unglück mit Gewalt und muthwillig über sich hereinziehen, und nun, da Gott sie glücklich gemaächt hatte, sich selbst expreß unglüͤcklich machen,alle Tage unglücklicher, sich die schönen Gaben Gottes [110]gegenseitig verbittern, die Tage sich vergiften, die Gott über sie aufgehen läßt. Aber doch noch trauriger und schlimmer in seinen Folgen ist's, wenn Eheleute mit beginnendem Unglück auch den Streit beginnen.
Was ihre Fortbildung für Früchte trägt und wie sie die schreienden Bedürfnisse stillet.Wenn auf dem Meere der Sturm beginnt, eine schwarze Wolkenwand über dem Meere sich lagert, langsam sich nähert, wenn es dumpf in den Lüften rauscht,kurze rasche Windstöße pfeifend durch die Masten streichen, da ruft der Kapitain die Mannschaft auf, was auch zwischen ihnen liegen mag, wie ein Mann spannt sie ihre Kräfte zusammen, jeder fliegt an seinen Ort,einer steht zum andern, gilt es ja ihrer aller Sicherheit, und was hülf es einem, wenn er auch dem Andern den Tod gönnte, müßte er ihn doch kosten vereint mit jenem. Räuscht dann der Sturm heran, schwarz und wild, und faßt er mit seiner ganzen Kraft das Schiff, er findet gefaßte Kraft, 5 das Schiff zusammenhält, nirgend eine Spalte, in die er sich zwängen, eine schwache Seite, die er überwältigen kann.Das ganze Schiff gehorcht einer Kraft und wo der Sturm es faßte, steht diese Kraft ihm entgegen und bricht seine Macht, gerettet geht es aus dem Sturm.Es ebnen sich die Wellen wieder, es wird der Himmel wieder helle. Wo aber Meuterei auf dem Schife ist,die Macht zersprengt ist, welche sonst die Kräfte band,die Wuth größer ist, als der Trieb der Selbsterhaltung,einer wider den andern die Waffen kehrt, keiner Sinn hat für den Todfeind aller, da faßt der Sturm die machtlose Masse, wirft sie von einer Seite zur andern,gen Himmel auf, in des Abgrunds Tiefen, begräbt sie in des Meeres schaurigem Schooße. Wenn der Sturm kömmt, ist das Zusammenfassen und Binden der Kräfte [] 1444 Dendi geschieht es nicht, so ist der Untergang das nde. AVDDes das Rauschen des Sturmes vernimmt, so ist es auch mit einem Ehepaar, wenn Tage kommen der Noth und der Bedrängniß. Da müssen die Eheleute zusammen stehen, jedes schaffen nach seiner Kraft in Liebe und Treue, das Verderben zu wenden, jedes zum Opfer bringen jede Kraft und jedes Begehren, das Erste sein wollen im arbeiten und entbehren und gefaßten Muthes bleiben, wie die Noth auch steigen mag, dann besteht man in der Noth, sie geht wohl vorüber durch Gottes gnädige Huld. Aber eben wo es anders ist, wo mit der Noth der Streit beginnt, wo jedes dem andern alle Tage seine Schuld ausmißt mit der neuen eidgenössischen Elle, jedes dem andern die eigenen Tugenden vorgeigt und des Andern Laster, jedes dem andern zumushet, den Wagen aus dem Koth zu beben, während es nicht blos darauf sitzen bleibt, sondern sich noch recht schwer macht, das andere alleine entbehren, magerer abbeißen soll, während man gelassen beim Alten bleibt,da kömmts nicht gut, da wird jedes erbittert und z'Trotz thut jedes keinen Wank und z'Trotz treibt jedes seine Sache noch ärger.
So ging es hier bei Steffen und Eist. Wie wir gesehen haben, hatte sich bei Eist mehr das aktive Element, das herrschsüchtige, ausgebildet, bei Steffen mehr das passive, das sinnliche, bei Eisi das sich selbst bestimmende, bei Steffen das sich bestimmen lassende, oder wie der Bauer sagt: Eisi hatte die Hosen an, oder wie der Herr sagt: Steffen war unter dem Pantoffel. Der erste Ausdruck jedoch ist der richtigere, denn wenn auch in Eisi der bestimmte Wille sich aussprach, es als die Macht erschien, welche das Haus regierte, so hatte es doch nicht so viel Gewalt über Steffen, daß er seiner Lebweise entsagte und das Heft mit Kraft zur Hand genommen hätte. Eisi genirte sich nicht. Wenn es Geld brauchen wollte, so brauchte es, und wenn es schon nicht einem Postillon oder Kondukteur den Auftrag gab,[112] wenn er die Stadt auf oder ab gehe und was Schönes sehe, so solle er es ihm kaufen, es möge kosten was es wolle, so wählte es, wenn es zum kaufen kam,doch immer das Schönste, ob's währschaft sei oder nicht, darnach fragte es nicht. Wenn Jemand anders darnach fragte, so sagte es, es frage dene Sache, wo nie z'rheye welle, nüt nah, si mache ihm v'rflucht längi Zyti, d'Lüt meine, mi v'rmög nüt Neu's un so öppis Alt's werd de so dreckig, daß mes nit aluege mög,v'rschwyge arühre. Wenn es in den Sparlaun kam,so machte es der Gastig die Stücke Fleisch kleiner, die Uerti größer und füllte die Schoppen nicht bis zum Strich.Steffen machte seine Sache auch nach wie vor, trank vielleicht einige Schoppen des Tags, die Eisi nicht sehen sollte, und wenn er auch weniger von Hause ging, so geschah es nicht aus Gehorsam gegen Eisi, sondern aus Faulheit. Er war dicker geworden und nichts ging ihm über abhocke un e chly sy. Darum, wenn er auch weniger fort kam, so blieb er dann, wenn er es einmal war, dest länger aus, und war eschly, bis es endlich..heim sein mußte. Oft ging er um Waare aus, kam aber nie bis zum Stalle, wo was Feißes sein sollte,er blieb sitzen im nächsten Wirthshause, machte dem Bauer Bescheid, er solle kommen, handelte mit ihm ung'schauet. Bring m'r's dä u dä Tag und wenn's ist wied seyst, su gib d'r was de seyst, aber daß es de so syg“; oder: „wenn's ist wied seyst, du gib d'r e Franke oder e Krone minger u. s. w.“ Unterdessen zahlte er Wein war eschly und wenn dann Bauer und Veh kamen, so war es selten, wie der Bauer es gesagt hatte, aber was dann machen? Was allfällig den abgebranzt werden konnte, betrug selten viel. Wie oft mußte Steffen sagen: „los, es wär m'r de lieber, wenn's d'Frau nit v'rnähm, was d'r ha müsse gäh; sie het kei V'rstang vo Seligem, u wott de nottisi alles yche rede u thut no wüst mit m'r.“
Wenn so ein schwerer Himmel lastet über den Gemüthern zweier Eheleute, so entsteht schweres, trübes Sinnen, ein eigener Gedankengang bildet sich aus. Die
[113]Gegenwart lastet schwer auf ihnen, unzufrieden sind sie mit ihr, sie sehnen sich nach Verbesserung, sie suchen vor sich in der Zukunft ein Plätzlein, ihte Hoffnung,daß es anders komme, abzustellen. Sie sehen die Schuld,daß die Gegenwart so sei, nicht in sich, sie kommen sich unschuldig vor, sie meinen, wenn sie machen könnten wie sie wollten, es müßt sy Seel bald anders sein.Aber ! Dieses Aber ist wohl anfänglich ein Stein,an welchem die strömenden Gedanken sich stoßen, wie an einer Schwelle der fluthende Bach anfänglich sich stößt,inne hält, sich aufstaucht, dann einzelne Wellen überschlagen, bis mit tosender Gewalt er über dieselbe sich stürzt. Aber, heißt es, aber, wie sollte es anders kommen, bin ich ja nicht alleine, sind die Hände mir nicht gebunden, wie sollte es anders kommen, so lange da ist, von wem das Verderben kömmt, so lang an keine Besserung zu denken ist? Da könnte ich lange, könnte mich tödten, und es hülfe nichts. O wie unglücklich,daß mir dieses Loos gefallen, aber es wird so haben sein sollen, es wird mir geordnet gewesen sein. O,wenn ich zurückdenke, wie ich eins gewesen bin, (so denkt die Frau) wie ich es hätte anstellen können und meine Sache gut machen, und das Unglück muß mich treffen, daß ich den haben muß, gerade den, wo nichts mit ihm ist und noch alle Tage minder! O, warüm mußte ich an die kommen (denkt der Mann) wo nichts versteht und doch alles befehlen will, wo nur die Leute vertreibt vnd nichts weiß, als brauchen? Was habe ich von den paar tusig Pfündlene, es wär mir nützer,ih hätt' die nie g'seh u si o nit, es wär mir nützer,h hätt' es arm Meitschi g'no, wo ke Chrützer g'ha hätt', aber m'r a d'Hang gange wär, un o öppe g'si wär, daß me hätt' Freud g'ha bi nihm z'st u m'r d'Lüt is Hus zoge hätt', statt m'r fe z'v'rtrybe! So seufzen beide, so schlagen die Wellen plätfschernd über den Stein,eine rascher, mächtiger, als die andere, bis der ganze Strom darüber rauscht. Aber wenn's Gott's Wille wär,daß er oder sie sterben könnte, an die Ruhe käme, ich möcht sie ihm so wohl gönne, dann mißlegeb anders [114] gehen, dann wollte ich die Sache ganz anders in die Finger, nehmen, so und so müßte es gehen, und wenns sein müßte, es fände sich wohl einer, der mir hülfe es machen wie ich sinnete und nit manch Jahr müßte es gehen, so wollten wir ganz anders z'weg sein. Dann könnten die Leute sehen, an wem die Schuld gewesen und habens die schießige Ketzer noch oft es schier mit ihm haben wollen!
Ist einmal der Gedankengang auf diesen Punkt gekommen, dann ist keine Versöͤhnung, Ausgleichung mehr möglich, innerlich ist zwischen den Herzen eine Kluft gerissen, die nicht mehr heilet, die wirklich täglich größer wird. Solche Gedanken können wohl hie und da wie flüchtiger Nebel über eine Seele streichen, keine Spur hinterlassen, nimmer wiederkehren. Aber gar zu gerne kehren sie wieder, fressen sich ordentlich in eine Seele ein, wie eine ätzende Substaänz, fressen sich ein zum Herde, auf welchem brodelt und kocht höllisches Sinnen, teuflisches Wünschen. Wir haben hier ein kaltes Blut, es wird nicht erhitzt durch füdliche Sonne;wir genießen noch die unbeschreibliche Wohlthät der viel hundertjährigen Angewöhnung, Mord als eine fürchterliche Sache anzusehen, von Obrigkeitswegen mit der höchsten Strafe, der Todesstrafe, belegt zu sehen. Die Sonne wird ihren Lauf kaum ändern und ändert sie ihn, so überleben wir es nicht; aber Obrigkeiten ändern Ansichten, sind halt näher dem Nebel der Welt.Verbreitet die Obrigkeit die Ansicht ins Volk, daß Mord kein fluch- und todeswürdiges Verbrechen sei, hat Gnade und Barmherzigkeit für Giftmischerinnen, dann wird noch aus manchem Herde, wo bereits höllische Wünsche,teuflisches Sinnen brodeln und kochen, Mord zu Tage gekocht und gebrannt werden, im Herzen ist die That längst fertig, sie wird auch zu Tage treten, ein fait accompli werden. So weit sind wir noch nicht, an eigenmächtiges Handanlegen wird selten gedacht, ein tiefer Schauer weht die Gedanken von diesem Punkte weg. ) Aber man denkt doch an den Todhofft, der liebe Gott werde einem den Gefallen erweisen, werde [143] das Elend ansehen und den Tod schicken zur Befreiung,ja man bittet ihn, sogar darum, sei es selbst, sei es durch Kapuziner. Hät man einmal diese Hoffnung ergriffen, sie zur Stütze gemacht, dann wird das Auge eines solchen Hoffenden scharf wie das Auge eines Liebenden, es achtet auf jede Miene, merkt auf die Färbung des Gesichtes, auf fett und mager werden, auf kurzen und langen Athem, auf Essen uünd Trinkenz wo es irgend zu bösen scheint, da denkt man: ach jetzt,endlich, he nu so de, i Gotts Name, mi wird si müße dry schicke. Und wenn dann das Bösen vorbei geht,das Bessern kömmt, wie dann der bitterste Unmuth nicht anders sagen kann als: aber nüt, aber nüt. Und dann wieder spitzt und paßt, ob nirgends was Gefährliches auftauchen wolle, man auf Essen und Trinken paßt, auf Faulheit oder Arbeitsamkeit, kurz auf jede Gewohnheit. Die Eine meint, ihr Mann sei e grüslige mit em Werche, den überschlage es einmal ung'sinnet; eine Andere sagt, ihre sei gar e fule, sie glaub emel er syg ful inwendig un mach's nit lang; die Dritte, Ihre tödt no z'sufe, sie heyg ihms g'seit, aber jetzt säͤg si nüt meh, wenn er's well g'hebt ha, su heyg er's, si v'rmög si desse nüt, zwänge chön si ne emel nit. Ein Mann hofft so eine Kindbetti wüsch einmal die Frau ung'sinnet, si acht si nüt, u thüy wie ne Narr; ein anderer denkt an die Auszehrung, wie sie afe mageri syg, wie nes Schyt; ein dritter stellt seiner Frau Kirschenwasser dar statt Branntwein, weil er gehört hat, das Kirschenwasser möge d'Lüt viel schneller als der Branntwein u. s. w. Und wenn in Beiden das Gleiche kocht, die gleichen Hoffnungen gebraut werden,wie das dann gegenseitig sich betrachtet und aufpaßt,ob's böse oder bessere und jedes die Hoffnung festhält,es sei checher als das andere und mögs allweg. Wie zwei Schwinger ungefähr, die an sich rupfen und zerren und jeder den andern auf dem Rücken sehen möchte.Und wenn es endlich an einem Orte wirklich böset, wie man dann doch aufspringt und zum, Doktor, ihm sagt:„mach was chäst, z'Geld reut mih nüt.“ Und wie man [116] vor den Leuten noöthlich thut und noch zu einem andern Doktor schickt, daß einem die Leute später nicht vorhalten könnten, man hätte das Möglichste nicht gethan,wie man allem aufbietet, weil man nicht in der Leute Mäuler kommen möge. An den, der Herzen und Nieren prüfet, die Gedanken sieht, ehe sie sich regen in uns, sie rufet vor Gericht, an den Allwissenden, an den denkt man nicht. Und was helfen der Leute Mäuler dem, der vor dem Gerichte des Allwissenden steht,der die Gedanken wiegt auf heiliger Wage? Auf diesem Punkte standen Steffen und sein Eist zusammen.Keins dachte daran, das andere umzubringen, irgend auf eine Weise sich an ihm zu vergreifen, aber jedes gab sich der Hoffnung hin, es nähm öppe z'angere ung'sinnet, u wenn's Gott well g'hebt ha, su heygs nüt d'rwider; wenn's Gott lieber heyg as ihs, su moögs ihm's vo Herze gönne.
Steffen eben hoffte eine Kindbetti, wo Eist gewöhnlich so unvernünftig that, um sich groß zu machen,nehme es einmal ung'sinnet, u de well er nit z'Schuld sy, er heygs mängist g'seit, aber jetzt säg er nüt meh;wenn es es well g'hebt ha, su heygs es i Gotts Name.Auch sagte er zuweilen, seine Frau sei d'r g'süngst Möͤnsch vo der Welt, vo me ne sellige heyg er no nie g'hört. Er glaub, wenn man mit Kegelkugeln nach ihr würfe, sie kriegte nicht einmal Mose, u Vörn chönt si fresse, si kratzete si nit emal. Aber wes de die ecinist agryf, su choön me de luege, die dräys de z'Bode, er well nit gut d'rfür sy. Wenn dann einer sagte: Biß du froh, daß du e so g'sünge Frau hest, es wär mänge froh darüber, we si scho nit Dörn fresse chönt ohne Buchweh, so seufzte dann Steffen und sagte: darüber heyg er ja gar nit klagt, es sei ihm z'rechte. Wenn de aber e sellige Mönsch ume sinne chönt, wie's angere Mönsche syg, wes ne fehli. Aber da meine dann die,8 wie ihnen, und wer gruchse, tryb ume auntast.
Eisi hoffte auf Steffens fett und aufgedunsen Wesen; die nähms de einist ung'sinnet, sagte es ebenfalls [117] in seinen vertrauten Stunden. Mi heyg no nie g'hört,daß selig Lüt alt worde syge. Es syg es Uebel, er chönt d'rvor sy, wenn er si meh rührti u d'r Sach öppe o meh anähm un e weni minger nähm. Es heyg ihms scho mängist g'seit, un agäh, es heygs duecht, es sött dure Marmelsteg dure gah. Aber es helf nüt, es helf Gotts Name nüt. U jetz sägs o nüt meh, es gäb ume Stryt u helf doch nüt. Allweg syg äs a nüt z'schuld.Aber Wunger g'no heygs ihs scho mängist, wies Mönsche gäh chön, die doch i Gotts Name alles erlyde möge,geng esse, geng sufe, u no wohl sy d'rby, daß me ne öppe nit sövli amerk. Es heyg scho mängist g'seit, wenn es ume d'r zechnist Theil zu nihm näh sött es Tags wo Steffe, es v'rsprengti ihs wie ne Krot. U doch gseh me neh öppe nie volle, es duech eim, er syg am Abe un am Morge fast neue d'r glych Schnürfli. Es heygs scho mängist duecht, es möcht neh einist o so recht krage babi volle g'seh, aber es heygs no nit chöne erlebe, u doch sufe er de öppe, wes scho nit d'rglyche thuey, daß es es gsecht, daß es es duecht, es sötts möge gäh. Das war wahr, daß Eisi nicht that, als sehe es jeden Schoppen den Steffen trank; es haite in der Beziehung fast die Gedanken, welche jener hatte, welcher seiner Frau Kirschenwasser statt Branntwein anrathen wollte.
So sah es inwendig aus, äußerlich merkten andere Leute so viel nicht davon. Ob Steffen und Eisi selbst den Kampf merkten, das Passen und das Hoffen, das weiß man nicht, sie äußerten darüber sich nicht. Aber wie jeder Müller weiß, die Mühlsteine, welche aufeinander gehen, sind sehr selten gleich hart, einer ist weicher als der andere, und der weichere wird abgerieben,untauglich für den Gebrauch, bis er neu geschärft wird.Bei Menschen geht das Schärfen selten an, die Natur,welche schlaffer, schwammiger ist, kann nicht wohl geverstanden, hier ist von den Feuersteinnaturen, welche springen, und von den Waschlumpen, welche immer Waschlumpen bleiben, nicht die Rede.
Es ist aber doch füͤrchterlich, wenn ein Mensch, der [118]kein Mühlstein ist, sondern Bewußtsein hat, es zu fühlen beginnt: der Gegenpart ist ein Meister, er hält besser dar, er reibt mich auf, und das worauf er paßt und spitzt, das hat wirlich gegriffen in mir, ist zum Wurme geworden, der mich zernagt, der Gegenpart Hoffnung fördert mich dem Ziele zu, auf das sie nicht warten mag, bis ich es erreicht habe. Wie da jede Kraft zusammenklappen muß, nichts mehr lebendig bleiben muß als das Gefühl, daß das Spiel bald aus sei,das Leben zwischen Thür und Angel bald ausgepreßt.So ging es Steffen. In dem Maaße als Eisi herrsüchtiger wurde und das Regiment führte, ward es stärker, gesünder, wenn's möglich war, die Kindbettene gingen ihm immer ringer, bei seiner Beschränktheit zehrte es der Kummer nicht auf, und bei seinen innern Gedanken und Hoffnungen entstund bei ihm die Ueberzeugung, daß es Siegerin bleibe. Es blühte daher fast gar wie eine Rose, die Anzahl Kinder, welche es gehabt, hätte kein Mensch ihm angesehen, die Gumene wurden gewöhnlich schachmatt vor Komplimenten,welche sie der schönen Wirthin zu Füßen legten, die immer aussehe wie eine junge Tochter. Steffen aber fühlte, er habe gefehlt. Er fühlte, das Eisi kuraschirter war und mächtiger, fühlte eine innere Gebrechlichkeit und Schwäche, welche Niemand ihm ansah, welche er auch Niemand bekannte, fühlte, wie in ihm wuchs der Durst, wie der zur Krankheit ward, welcher er nicht widerstehen konnte, zum eigentlichen Brande, den er löschen mußte, er fühlte, daß es nicht mehr lange auf diese Weise mit ihm gehen könne. Er übersah züdem auch besser ihren Zustand, hatte einen bessern, wenn auch nicht vollkommenen Begriff von ihrer Schuldenlast,von dem gesunkenen Werthe ihrer Besitzung und dazu die Hoffnung, bessere Zeiten zu erleben, verloren. Wenn's nur bald vorbei wäre, war daher sein Gedanke, schonen wär dumm, bruche, was dich gut dünkt,das ist z'best, lueg de mira wer über bleibt. Er schonte also nicht; wott nit e Narr sy, dachte er. Die Verlegenheiten häuften sich wohl, er mußte den Gumene [119]Obligationen ausstellen, blieb hier Geld schuldig, lieh dort einige Dublonen auf gute Worte hin, an einem andern Orte einige hundert Franken, d. h. so viel er kriegen konnte, auf einige Buchstaben. Wo die Verwandtschaft groß ist, finden sich immer einige, welche glauben, solche Zumuthungen nicht ausschlagen zu dürfen, namentliich Brüder sind in solcher Lage. Ja wir müssen bekennen, daß wir vernommen, es hätte Steffen allemal ordentlich gelächert, wenn er eine neue Schuld gemacht. Die Leute glaubten er freue sich, daß er einer Verlegenheit entronnen sei, freuten sich selbst, daß sie ihm den Gefallen erwiesen, erst jetzt sehen sie, wie Angst es ihm gewesen, und wie er die Sache zu Herzen genommen, dachten sie. Hintenher dachten sie wohl, hats ihn nicht etwa gelächert, wenn er dachte: Eisit wird luege!He nu so lueg'es mira, es hets so welle, lueg es mira,wie es es de mach, es het so Freud g'ha druf hi! He nu so de, ih mah ihm se wohl gönne, lueg es de mira wies use chunt. Ob er so gedacht, wissen wir nicht,aber so viele Schulden hielt er geheim, schrieb sie nicht auf, und Eisi wußte nicht darum. So manche Aeußerung, die man, wie gewöhnlich, erst später in ihrer rechten Bedeutung zu erkennen glaubte, schien schließen zu lassen auf das Verlangen, da dänne z'cho, drus use zichöne, Eisi d'Arichti z'überlah, von dem, welches es,wie Steffen meinte, einzig z'weg gekocht.
Ob er dabei nicht an seine Kinder gedacht, gedacht,was aus ihnen werden werde, verarmt, verlassen und übel gewöhnt dazu. Wir wissen es nicht, wir glauben es kaum. Steffen war, wie wir gesehen, durchaus nicht ohne Liebe zu seinen Kindern, namentlich gegen die Jüngsten, sobald sie laufen konnten und sagten: Aetti gim m'r o; Aetti wott o. Da gab er ihnen was er hatte, konnte scherzen mit ihnen, d'r Narre trybe und oft hörte man ihn sagen, das King sei ihm afe so lieb, es duech neh, er chönt nit sy ohne dä Bub. Aber wahrscheinlich war seine Liebe nicht viel anders, als die Liebe zu einem Spielzeug. Diese Liebe unterscheidet sich von der rechten elterlichen hauptsächlich dadurch, daß sie [120]an der gegenfeitigen Zärtlichkeit sich ersättigt, durch die gegenwartige augenblickliche Freude vollkommen befriedigt wird, während in der rechten elterlichen Liebe die elterliche Sorge ist, das Säen zur künftigen Ernte, das volle Bewußtsein, daß in der Gegenwärt des Kindes Zukunft bereitet werde, und daß diese Bereitung der Eltern höchstes Werk sei, eine Nachahmung der göttlichen Vorsehung in den Schranken menschlicher Schwachheit.Diese elterliche Vorsehung geht in zwei Richtungen auseinander. Die eine, die 'materielle, sieht im irdischen Besitz das Heil. Diesen Besitz sucht sie den Kindern zu erwerben und zu sichern mit Aufbietung aller Krafte,sucht sie vielleicht auch zum eigenen Erwerb zu befähigen und in sie den Sinn zu pflanzen, zu bewahren das Erworbene. Das ist vielleicht eine vorherrschende Richtung dieser Zeit, bei welcher sehr oft das Kind schwer leiden muß, viel entbehren muß; sehr oft eben durch den Druck der entgegengesetzte Sinn geboren wird, der das Sprichwort wahr macht, daß der Sparer einen Güder (Verschwender) mache. Die andere Richtung wendigen, in innerm Reichthum, innerer Befähigung,sucht von da aus die Bahn zu des Kindes glücklicher Zukunft anzulegen. Nun gibt es in der Menschen Seele zwei Schatzkammern, oder wenn man will, zwei zu bauende Felder, die Intelligenz und das Empfinden,oder wie man im gemeinen Leben sich ausdrückt, Geisi und Herz, oder Gemüth und Verstand, wie die Leute agen. seg Die Kammer, worin des Geistes Kräfte schlummern,ist offenbar die untere Kammer, mit den erweckten Kräften. Mit Denken und Wissen, Ergründen und Zusammenstellen gewinnt man Ehre in der Welt, Ruhm vor den Menschen, des Lebens Unterhalt, ja auch Reichthum, aber des Lebens Höchstes nicht.
Die Kammer, in welcher das Empfinden lebendig ist und sich reget, sie birgt das Höchste, die kostbarsten Edelsteine in der Krone unserer Kräfte, die Begeisterung,die nach dem Höchsten ringt, die Liebe, die nicht ait [124]wird, nicht verglüht, den Frieden Gottes, der über allen Verstand geht. Wohl den Eltern, welche beide Kammern im Auge haben, in rechten Einklang beide bringen, sie haben der Kinder Zukunft wohl besorgt, sie haben sie für die Welt befähigt, und doch ihre Augen auf das Ziel gerichtet, welches für jeden Christen im Himmel ist.
Wehe aber der Erziehung, wo nur des Geistes Kräfte geschärft, ins Wissen und Denken Alles gesetzt wird. Diese Erziehung, wie sie wieder leider so oft betrieben wird, ist nichts als das Schleifen kalten Stahls zu einem zweischneidenden Dolche, der nur zu oft gegen den Schleifer selbst sich wendet und dessen Brust durchbohrt.
Nun aber gibt es wirklich sehr viele Eltern, welche durchaus an keinen Zusammenhang der Gegenwart mit der Zukunft ernstlich denken, die ganz vergessen zu haben scheinen, daß, was der Mensch säe, er auch ernte.Gar mancher Landmann weiß recht wohl, daß, wenn der e güt ist, die Zeit der Aussaat, das Feld wohl gerüstet ist, die Aussaat früh und gut bestellt, die Ernie schon halb als gewonnen anzusehen ist. Aber in seinem eigenen persönlichen Leben vergißt er diesen Zusammenhang, thut was ihn gelüstet, kümmert sich um keinen Menschen und kann am Ende nicht begreifen,warum ihn alles haßt. So geht es auch vielen Eltern.Ihr Sinnen und Trachten ist auf etwas gestellt, durch etwas gefesselt, oder sie werden durch die Umstände getrieben, wie ein Mühlrad durchs Wasser, die Kinder sind Zugaben zu ihrem Leben, die ihnen bald lästig,bald lieb sind, aber in ihren Gedankenkreis gehören sie nicht, die Aufgabe ihrer Erziehung nehmen sie nie auf.Das werde sich schon machen, denken sie, es seien schon viele durch die Welt gekommen, die dümmer seien als die, d'r V'rstang werd neh scho cho, daß si's de selber y gsehye u daß es ne z'Sinn chöm, wie si öppe thue müße, daß es gut chöm, so reden sie. Und wenn man ihnen was bemerkt, so sagen sie: he, mi müß öppe luege, aber sövli pressirt selb nit, z'früh treyt nüt ab,[22] u de het o niemere sövli Angst für mih g'ha, ih ha selber müße zu m'r luege, sie cheu de o öppe einist d'Glare (Augen) selber ufthue.
An die Macht der Gewohnheit, an das Lebendigwerden und Aufgehen von Eindrücken, an den Reiz des Beispiels, an das Alles denkt man durchaus nicht,so wenig als man daran bei einem Spielzeug denkt,bei welchem man nur dafür zu sorgen hat, daß man es nicht fallen lasse oder sonst es zerbreche.
Unter diese Klasse gehörten Eisi und Steffen, und wenn Steffen schon seine Kinder liebte, so dachte er doch kaum an ihre Zukunft, und wenn sie ihm einfiel und wenn er dachte: u de d'King? So wird er sicher gedacht haben, o öppe viel schlimmer als jetzt wird es ihnen nicht gehen, wenn ich schon nicht mehr bin, so gibt es deßwegen noch immer Leute. Die Verwandtschaft ist groß, und denen thuts sauft, eins oder das andere zu ihnen zu nehmen, dort lernen sie vielleicht arbeiten,hier hätten sie doch nichts gelernt, macht, ja jedes was es will. Und seis mira, wie's well, lueg de mira Eisi,grad so hets es welle g'hebt ha, su häbs es de!
Doch von einem solchen Inwendigen sich eine sichere bestimmte Vorstellung zu machen, isft schwer, weiß es ja oft derjenige selbst nicht, wie es mit ihm steht, in welchem es so aussieht. Steffen konnte oft noch recht lustig sein und seine Händel haben, wie in seinen bessern Tagen. In der Regel war er sonst schweigsamer und oft war's, als hoöre er übel. Eist behauptete aber, das sei nur Fantast, was er nicht hören solle, dafür habe er feine Ohren genug. Ungern ging er zu Bette, es war ihm allemal im höchsten Grad zuwider, daher er seine Gäste so lange wie möglich versäumte. Eist meinte,das sei bloße Faulheit, er mög si afe vor Füli nimme abzieh und alege. Eisi hatte erstlich keinen Begriff, wie so häufig eine gewisse Trägheit unzertrennlich mit der koörperlichen Beschaffen heit verbunden ist, so daß der Wille der Menschen über diese Trägheit durchaus keine Gewalt hat, die größte Anstrengung sie nicht zu überwältigen vermag. Das sinnet man zu wenig zu Stadt [123] und Land und begeht daher wahre Grausamkeiten, indem man Kindern und Erwachsenen körperliche oder geistige Anstrengungen zumuthet, welche durchaus außer dem Kreise ihrer angegriffenen Kräfte liegen. Zweitens dachte Eisi nicht daran, daß vielleicht Steffen eine Ahnung seines Todes in sich trug, vielleicht dachte: chunt er diesi Nacht, u wo erwachist viellicht morn?
Der wunderbare geheimnißvolle Uebergang von einer Welt Gottes in eine andere Welt Gottes, das Einschlafen hier zu einem Erwachen an einem andern Orte, was wir Tod nennen, hat etwas schauerliches, auch für den gläubigsten Christ, der das Wesen des Himmels in seiner Seele fühlt, der die Nähe seines Gottes bereits im Herzen empfindet.
Wie da das Herz pochen muß, wenn man das Nahen fühlt, das jetzt, jetzt, wie eine aufsteigende Sonne immer klarer sich kündet. Wer erinnert sich noch, als Kind vor einem Vorhang gesessen zu sein mit Zittern,Beben und brennender Ungeduld, wie ein Wonneschauer nach dem andern ihn durchrieselte, als der Vorhang zuckte, als es sich zu heben begann, wie bei dessen Aufrollen ein wunderbar Erstaunen ihm blendete, ihm Sinnen und Sehen zusammenfloß in ein unaussprechlich Erstaunen, wer erinnert sich wohl dessen noch? Das Denken nur an den Augenblick, in welchem das Irdische versinkt, das Ewige aufgeht, ist auch beim gläubigsten Christ das Beben des jüdischen Volkes, als in Blitz und Donner Jehova zu ihm reden wollte. Oder wenn wir uns vorstellen einen tiefen Denker, der sein Lebtag unerschrocken in den kühlen Nebeln der Philosophie herumgestoffelt, oder einen Würzligraber, der die Schichten durchstöbert hat bis z'nächst ungerus, und beibe haben nichts angenommen als real und existirend als was sie gesehen und was sie darüber gedacht, und dabei begreiflich nicht bemerkt, wie das, was sie gedacht, der ärgsie Nebel war, und sie stehen auf einmal am Rande ihrer Schichten und ausgehen will ihnen das Denken, wie einer armen Spinnerin das Oel und sie fühlen es, wie das Leben erlöschen will, das Nichts,[124] oder das Unbekannte zu ihren Füßen sich öffnet, der nächste schwere Athemzug, sie in dasselbe stürzt, wie ein Schritt den Reisenden in die enge bodenlose Gletscherspalte, bleibt da wohl auch, wenn sie bei vollem Bewußtsein sind, ihr Herz kühl und kalt, lauscht kaltblütig dem letzten schwindenden Athemzuge, wie dem Fallen eines Steines, der in einen zu erforschenden Abgrund rollt, wie dem Zucken eines Frosches, an dem man das Galvanisiren erprobt? Ich denke nein. Ich denke auch hier tauche aus der Fach Verknöcherung der Mensch wieder auf, der vor dem Göttlichen bebt und nur mnit saigen Schauern den Schwellen des Allerheiligsten ich naht.
Man denke sich aber nun so einen Steffen mit seiner Halbschoppenbildung, die heute durch den Vieharzt hexen läßt, morgen Gott und Ewigkeit läugnet, heute zu einem Quacksalber schickt, des Lebens wegen, und morgen einige Schoppen mehr trinkt, des Todes wegen, heute von Freiheit brüllt, morgen den ärgsten Zwang übt, von Bildung spricht und alle Gebildeten kreuzigen will, so ein Steffen, der im Tode keinen Trost hat, keine Hoffnung, dem aber des Lebens Last unerträglich wird; der andern möchte, der versinken möchte in ein ewig Nichts, dem es aber doch bangt vor diesem Nichts, vor diesem Aendern, da er feine Hoffnung hat, als das Sprüchlein, allweg kann ichs nicht böser haben, und dem dieses Sprüchlein des Herzens Klopfen doch nicht stillen will, so wenig,als eine abgestandene Mirxtur das Fieber, man denke sich so einen Steffen um die Mitternachtsstunde, wie er zu Bette gehen sollte und doch nicht darf, weil er sterben möchte, und doch nicht denken darf, wo erwache nih ächt, gits es hienecht oder wieder nit? Das wußle aber Eist nicht, wie es Steffen war, wenn er nicht zu Bette konnte, das wußte Niemand, wie es ihm war am letzten Abend, als er zu Bette sollte und nicht konnte und am Ende doch mußte, Es hätte nicht gemerkt, daß öppis angers sei, sagte Eist, in der Nacht hätie er neue so wunderlig g'schnürflet, aber es hätte sich dessen [1238] weiter nicht geachtet, es werd ihm wohl warm mache,hätte es gedacht. Am Morge du wohl, du heyg es g'seh, was das z'bidüte g'ha heyg, und es heygs fast welle z'rschryßge. Es heygs duecht, wenn's neh numme no g'fragt hätte, ob er Neuis well, öppe z'treiche. Es hätte sich blos damit trösten können, daß es gedacht, er hätts g'seit, wenn's neh duecht hätt, er möchte Neuis.Jetz g'sech es wohl, es chön nüt angers mache, als si i Golts Name dry schicke; wenn e Sach g'scheh syg,su helf wüst thun nüt meh un ume so de Lüte wege,möcht es nit Müy ha.
Wie Eisis Fortbildung zu Falle kömmt.Wenn die Leiche im Schooße der alten Mutter ruht,das Getümmel der Welt verrauscht, die Leidtragenden verlaufen sind, wie es da stille wird und öde im Hause,aus welchem man eine Leiche getragen. Erst jetzt klaft die Lücke, welche der Tod gerissen, in ihrer ganzen Größe, exst jetzt brennen die Wunden in den Herzen so recht heiß und tief, denn erst jetzt ist man so recht zu sich selbst gekommen und empfindet sie in vollem Bewußtsein. Wars der Hausvater, der nun draußen ruht, so sammeln, wie um die Henne die Küchlein, die Kinder sich um die Mutter, die mit verhülltem Haupte bitterlich weint. Sie fühlen Alle, was sie verloren, sie fühlen, daß wie sie der Mutter Kummer, sie auch der Mutter alleiniger Trost sind. Sie können es der Mutter nicht sagen, daß sie ihr Trost sein wollen, aber sie drängen sich um die Mutter her in immer engerm Kranze, die Mutter soll es fühlen, was sie ihr sein wollen, wie eng und innig sie mit ihr zusammenhalten,ihr Alles in Allem sein wollen. Es ist wirklich, als ob dieser Trost der Mutter rinne ins Herz hinein, sie breitet die Arme aus wie die Henne ihr Gefieder, schließt noch näher ans Herz die lieben treuen Kinder, damit mächtiger und inniger der Liebe Strom rinne von einem Herzen ins andere Herz, durch alle Herzen, daß die
[126]Liebe webe in dieser heiligen Stunde die Kette der Treue,die keine Zeit zerfrißt, keine Macht zerreißt, welche an des Vaters statt, seine lieben Häupter zusammenhält,eins am andern erstarken, sie aufblühen läßt in Gnade und Weisheit vor Gott und den Menschen, der Mutter zu immer süßerm Troste.
So wars leider auf der Gnepfi nicht. Es floß durch Eisi allerdings auch zum ersten Mal ungestört und ungetrübt ein eigenthümlich Gefühl; es war aber das Gefühl eines Kronprätendenten, der zum ersten Male die Krone, um welche gestritten worden, in seinen Händen hält, das Gefühl einer Königin, deren König endlich gestorben und die nun hofft Königin sein zů können, so recht nach Herzenslust. Die Kinder hatten an Speise und Trank sich's nicht mangeln lassen; gewohnt, daß man nicht um sie sich kümmere, hatten sie das Recht zuzugreifen und dessen sich weidlich bedient.Sie hatten auch von Gevatterleuten, die z'Lych gekommen, manchen schönen Batzen gekriegt, und ob dem G'schauen derselben und dem Klimpern damit Alles andere vergessen, hatten in ihrem Sinne einen recht glücklichen Tag gehabt. Der junge Bube, dem heute wieder einmal nichts abgegangen, hatte seinen Gram vergessen, sich gütlich gethan und schlief längsten selig.Die andern Kinder hatten ebenfalls just kein Verlangen nach der Mutter, vermißten den Vater nicht, dachlen so wenig an die Zukunft, welche ihnen wartete,als die Eltern an die Zukunft gedacht hatten, welche fie den Kindern bereiteten. Nur das kleine Mädchen,Anne Liseli mit Namen, hatte keine Freude gehabt und jetzt noch nirgend ein Bleiben. Seit man aus der Kirche und es zu Hause erwacht war, hatte es Niemand gefunden, welcher mit ihm für Aetti beten wollte.Das drückte sein armes Herzchen grüselig, denn jetzt wär's grad am nöthigsten, glaubte es, jetzt, wo ner bald im Himmel sy werd, u me ne de nit yche lay,un er de id Höll müß, wenn me nit für ihn noch recht bete chön, u wenn er einist i d'r Höll syg, su sygs de ja z'spät, dert chöne me de nit meb use. Es hatte eine [127] unaussprechliche Angst, schluchzte wieder, lief seinen Bekannten nach, sie sollten ihm doch helfen und beten. Endlich erbarmte sich eine alte Magd seiner und betete mit ihm einige alte Gebete ab. Da wohlete es Anne Liseli ein wenig, seine Angst verging. Als es aber Abend ward und stille im Hause, da kam die Angst wieder. Es hat die Nacht eine eigene Gewalt über des Menschen Gemüth, sie bringt den süßen Schlaf, den milden Thau, sie weckt die wilden Thiere des Waldes,aber auch die wilden Triebe in des Menschen Brust,sie weckt das schlummernde Gewissen, sie weckt das Ahnen der unsichtbaren Welt, in diesem Ahnen beben und zittern Gemüther, wie Bäume im Sturmwinde, in diefem Ahnen wiegen Gemüther sich in seligem Vergessen,das wunderbare Auge der Seele hat sich aufgeschlossen,sie sehen den Himmel offen, sehen die Engel Gottes auf- und niedersteigen.
Anne Liseli zagte und bebte. Es sei ihm, sagte es,der Vater könne nicht furt cho gegem Himmel, hing sich an die Mutter, gäb wie die es zur Ruhe wies;Eisi mochte nicht warten, bis es mit seinem Rechtsfreund Rath pflegen konnte.
Heute war das Haus leer. Wo des Tages eine Leiche aus dem Hause getragen worden, dahin geht des Abends auch der durstige Bruder nicht gerne, er mißt lieber die lang gewohnten Schoppen, ja er geht nicht gerne beim Hause vorbei, er fürchtet, es möchte in einer Ecke der geschiedene Kamerad stehen, möchte ihm winken, daß es jetzt an ihm sei, eine Leiche zu werden,möchte ihn mahnen an sonst noch was. Heute konnte Eisi ungestört mit dem Freund abrathen, was vorzukehren ünd wie es die geträumte Selbstständigkeit, in der es ganz anders gehen sollte, sich erringen und sichern könnte. Der Schalk wußte wohl, daß es nicht gehen könne, wie er es Eisi glauben ließ, vielleicht wußte er bestimmt, was für eine Wendung die Sache nehmen werde, aber begreiflich hinderte das ihn nicht, Eisi in seinem Wahn zu bestärken, ihm nach dessen Sinn zu rathen, es hätte ihm sonst nicht geglaubt und das Ver[128] dienstli wäre ihm entgangen. Wo viele Katzen sind und wenig Fleisch, ach wie genug gnagen sie doch die Beine, welche sie nicht ansehen würden,, wenn genug Fleisch da wäre, und wie oft kehren sie wieder zürück namentlich die Jungen, ans gleiche Bein, in der Hoffnung noch irgendwo in einer Ecke ein Fäaserchen Fleisch zu finden. So eine junge hungerige Katze war auch Eisi's Rechtsfreund, doch ttotz seiner Jugend war er so gescheit, seine Grundsätze dem Grundfatz unterzuordnen, den Leuten immer so zu rathen, wie er merken mochte, daß sie es gerne hörten. Er hatte gemerkt, daß sie bloß glaubten, was sie auch wollten, bloß denen trauten, die ihnen in den Kram reden konnten, wie dumm dieser Kram auch sein mochte. Der Glauben des Menschen an den Menschen, wie überhaupt der Glaube,ist ein gar wunderlich Ding und hängt von dem Boden ab, auf welchem er wächst, denn er wächst in jedem Herzen. Nicht umsonst sagt Christus: nur wer aus der Wahrheit sei, höre seine Stimme, höre auf die Wahrheit, glaube der Wahrheit. Wer in sinnlicher oder geistiger Täuschung lebt, dem wird sein Glaube zu seinem Teufel, er jagt ihn allen Irrlichtern nach, aber die Sonue erträgt er nicht. Daher kömmt's daß so viele Leute jedem Lumpenhund glauben, aber nie einem rechtlichen Mann Vertrauen schenken werden. Die haben es mit den Reden ehrlicher Männer, wie Kinder mit bitterm Doktorzeug, es schaudert sie darob, sie verbeißen das Maul.
Unser Rechtspraktikant dachte gar nicht mehr an seinen Freund Steffen, sondern wär bei einbrechender Dunkelheit eingeruckt; er dachte bloß, wie er die Sache unter der Hand so recht ins Lange drehen könne, um derweilen das Bein desto gründlicher abzunagen, und so lange ein junger hungeriger Rechtspraktikant so ein Bein im Auge hat, fürchtet er sich vor Gespenstern gar nicht. Er saß in der leeren Gaststube, hatte seinen halben Schoppen vor sich, von wegen, er zählte sich auch zu den Gebildeten, und wartete geduldig auf Eifis Erscheinung. Eisi ließ nicht lange“ auf sich warten, das [129]Benehmen der Verwandten hatte ihns voll Aerger gemacht. Es war überzeugt, daß dahinter was stede,daß man ihns gerne da wegtreiben und z'Sach selbft an die Hand nehmen möchte. Nur war es noch nicht recht mit sich einig, ob sein Bruder oder sein Schwager auf die Gnepfi wollten. Beid seien Schyßkerlines gnue d'rzu, und allweg sei die Sach abgeredet unter ihnen,beim Mist hätte es sie zusammen reden gesehen. Es ist gut, daß du kömmst, sagte es, jetzt habe ich sehen können, wie du recht hast, wenn's ame ne Ort es Wiitfraueli git, so meint e jedere donstigs Schelm, da mangle es nichts als d'Finger läng z'mache und z'stehle, was me näh mah. Hests jetzt g'merkt, du gute Frau, sagte der Rechtsfreund voll Theilnahme und nahm einen Schluck, und zwar einen braven. Da nahm Eisi sein Schnupftuch und wollte schluchzen, da schoß es an die Thüre, daß beide hoch aufführen und etwaäs schoß durch die finstere weite Stube auf Eist zu, das sie beim einzigen düstern Lichte erst als es ganz nahe war als Anne Liseli erkannten, das der Kindermagd entronnen war und die Mutter suchte. Geh doch ins Bett, schnauzte Eisi, Bäbi söll di dry thue! O Muetti, Mueitih cha nit, wimmerte Anne Liseli, du mußt mit mir für e Aetti bete.“ „Gang, Anne Bäbi soll mit d'er bete, gang säg ihms.“ Aber Anne Liseli ging nicht, schmiegte sich an die Mutter und bat „o Müetu, Muetti, du glaubst nit wies m'r ist. Es duecht mi geng, ih g'sech d'r Aetti und er düt, daß me bete soll, wie d'r Schulmeister g'seit het, daß wer nit bet, nit selig werd, u du söllist o bete.“„Gang doch, sagte Eisi, gang is Betti, du chöntist m'r bal Angst mache, u bet de mit Anne Babi Alles was dx cheut.“ „Ney, Muetti, ney, fagte Anne Liseli, ha scho mit Anne Bäbi betet alles waäs ih cha; un ha geng glych Angst g'ha, und es het mi duecht, ih můß ersticke, du mußt bete, Muetti, viellycht cha de d't Lletti z'völmig uche, fust cha er nit, u denk, wenn er id dHöll müßzt.“ „Bist e Göhl, sagte Eist, u gang m'r jetßz, hest ghört, sust lue de.“ „OMutier, Muter, der tusig Gottswille bet, o bet, duecht di nit, du gboris d'r [0]Aetti süfze u gruchse? Denk o wenn er nit i Himmel chönt u müßt ume cho, u ke Ruhe hätt, un i d'Höll müßt, wie si säge.“ „Meitschi, wottsch schwyge oder nit, fagte Eist, du chöntist eim bal z'förchte mache mit selige dumme Sache.“ „O Mutter, das ist nüt dumms,Anne Bäbi seit, es müße viel Lüt ume cho, will sie de arme Lüte nüt gäh heyge, oder Steine v'rsetzt heyge,oder cho nache bete, will si nüt betet heyge, u de chöme si z'letzt, we me se nit erlöse chön, doch de no i d'Höll.Es heyg scho mänge g'seh, un heyg einist e g'schwulne Kopf übercho. O Mutter, denk, wenn d'r Aetti nit ufe chönt, wenn er müßt ume cho, cho nachebete, o Mutter bet, bet für e Aetti, jetzt wär's no Zyt.“
Da ward Eisi doch bang, es schlotterte, was es lange nicht gethan, eine tiefe Angst preßte ihm das Herz zusammen. Aber du Tröpfli, sagte es kleinlaut, was soött ih de bete? Bet du, ih will lose, wied's chast, u de gang de is Bett.“ „Ney Mutter, sagte Anne Liseli, du mußt jetzt, es b'schüßt bas, u was de witt, z'Unser Vater oder d'r Glaube. Aber Muetti, o Muetti, doch recht e nangere nah.“ In Eist werchete es, die Angst rang mit der Scheu zu beten, es hatte so lange nie daran gedacht, es nicht gethan, und jetzt sollte es beten in Gegenwart seines Rechtsfreundes. Wenn eine zarte Pflanze durchbrechen soll die harte Rinde der Erde, so bedarf es unaussprechlicher Anstrengung, Gott muß da helfen, möchte man sagen. Aber wenn Jemand beten soll, der Jahrelang nicht gebetet hat, dessen höherer Mensch im Starrkrampfe liegt, dem die Rede mit Gott eingerostet ist, was da für Anstrengungen nothwendig sind, bis das Wort sich losringt aus dem Herzen, bis man es über die Lippen bringt in einem verstäudlichen Laut und wie man bei diesem Laut erschrickt, sich dessen schämt und entweder schweigt, oder neu ansetzen muß zu einem zweiten Laut, Laut um Laut Erdstößen gleichen, in denen die Erde erbebt und zittert, und alles Lebendige noch bebt und zittert, wenn längst kein Stoß mehr empfunden worden, das erfuhr Eisi, als es das Unser Vater zu beten beginnen wollte. Es war ein
[131]Kampf, wie es ihn vielleicht nicht erlebt hatte, und wenn die heimliche Angst nicht gewesen wäre, keine menschliche Gewalt hätte es däzu gebracht, und besonders noch in Gegenwart seines Rechtsfreundes. Dieser jedoch, so wie das erste Wort des Gebetes über Eisi's bebende Lippen kam, entfernte sich in größter Stille, er vermochte das Beten nicht zu ertragen, wie es bekanntlich Geister gibt, die kein Gebet vertragen und weichen und fliehen müssen, sobald gebetet wird irgendwo.
Es heißt, am folgenden Morgen hätte er den Kopf verbunden gehabt und Niemand sagen wollen, warum?Später soll er einmal hinterm Glafe offenherzig geworden sein und bekannt haben, er hättee Grüfe g'ha u d'rvo syg er g'schwulle. Wo er das G'stürm (Bete!)nit hätte hören mögen, sei er use, u da syg ihm grad g'si, wie wenn Steffe vor der Thüre stünde u losti.Da sygs ihm nimme 'helfe g'st, u wie er hey cho syg,wüß er nit, un am Morge heyg er e Gring g'ha wie es Mäß. Mi wüß bim bal nimme, was 'me glaube föll! Eist hatte sein Weggehen kaum bemerkt, betete unter Zittern und Beben däs Unser Vater, betete den Glauben und noch einen Abendsegen auf des Kindes Bitte. Aber ganz weich und schwach ward es darob,wie es seit Jahren nie gewesen war. Als Anne Lifeli endlich beruhigt und getröstet, weil jetzt z' Muelti o für e Aetii betet heyg, un er jetzt wohl xwvölmig uche möge heyg, zu Bette gebracht war und Eisi ins Stübli kam und zu Bette wollte, da erfaßte ihns plötzlich ein Grausen, es durfte nicht hinein, es war ihm, als höre es Steffen drinnen schnürfeln und schnupen, um kein Lieb,kein Geld hätte es die Nacht dort zubringen können,auch nirgends alleine in einem Bette. Es flüchtete sich zur Köchin und schlotterte dort noch lange schlaflos, troß seiner körperlichen Ermüdung, die Angst vor dem Unerforschlichen, dem unsichtbaren Geheimniß, welches uns umrauscht, hatte es zu gewaltig erfaßt. Dieses Unsichtbare war Jahrelang für ihns gar nicht da gewesen, es hatte sein Leben unberührt gelässen, sein Leben schaukelte sich auf den Wellen des alltäglichen Wechsels,[132]nichts Bedeutsames, weder eine Idee noch eine Erfahrung, hatte in diese schaukelnden Wellen sich hineingestellt. Für Eist war also nichts Unsichtbares mehr da,weil nichts der Art in ihm sich regte, sein Leben berührte, und weil es nur leiblichen Hunger und Durst fühlte, aber keinen geistigen Hunger und Durst, so dachte es gar nicht daran, daß auch etwas Unsichtbares, Wunderbares, in seinem eigenen Leibe sei, eine lebendige Seele, ein goöttliches Geheimniß, kurz Eisi war ungeheuer aufgeklärt und gebildet, und wenn es guter Laune war, so half es seinen Halbschoppen Gästen weidlich alle auslachen, welche geistlich waren und noch was glaubten, z'Predigt gingen oder gar zum Abendmahl. Wenn es schon seine Gäste nicht frug, wie einst ein langbeiniger Herr einen kürzergebeinten im Kaffee frug: Hest dys dix heure o i d'r große Kilche g'no?so gab es doch die gleiche Geistesrichtung in Witzeleien kund, welche seiner Sprachkenntniß angemessen waren.Wenn man es gehört hätte in seinen guten Tagen, so hätte man glauben sollen, Eist würde mit Tod und Teufel d'r Narre trybe, bis einist der Tod käme und es streckte. Und jetzt, in wenig Minuten, brachte es ein klein Kind zum Schlottern, daß es nicht alleine schlafen durfte, daß es Gespenster sah, während das Licht noch brannte und ehe es Mitternacht geschlagen hatte. So war Eisi's sogenannte Starkgläubigkeit, oder Freigeisterei, oder Aufklärung beschaffen, so heblich war sie, und gerade so heblich ist sie in manchem Andern,der nicht Eist heißt, und das Ding geht ganz mit natürlichen Dingen zu, aber unsere sogenannten Aufklärungsritter begreifen es halt nicht.
Im Maenschen lebt der Glaube an das Unsichtbare,an das große göttliche Geheimniß unvertilgbar, er bricht im kleinen Kinde hervor, gibt sich kund auf kindliche Weise, und das kindliche Gemüth nimmt am liebsten und gierigsten alle Erzählung, die Kunde geben von diesem Gcheimniß, in sich auf, und je kindischer,wunderbarer diese Erzählungen sind, um so lieber hört es sie, so tiefer wurzeln sie in seinem Gemüthe. Der [133]Christ verklärt sich diesen angebornen Glauben durch das goöttliche Licht zu dem Bewußtsein, ein unsterbliches Kind des ewigen Vaters im Himmel zu sein. Die neue Aufklärung, die in Wirthschaften und Aufklärungsanstalten von allen Sorten spukt und von da in die Hauser getragen wird, wie aus Kasernen die Krätze,verklärt diesen Kinderglauben nicht, sie bricht ihn überm Knie entzwei, läßt die Stücke liegen und überkleistert die Seele mit neuer Aufklärung, d. H. sie läugnet alles,was sich nicht mit der Nase riechen, den Fingern greifen, oder mäthematisch beweisen läßt, oder in Formeln ausdrücken, deren Sinn kein Teufel faßt, die aber eben in Mode sind. Diese neue Aufklärung rottet, wie sie vorgibt, allen Aberglauben aus, und wo ein Stück sogenannten Aberglauben (unter den jedoch Viele den Glauben an einen persönlichen Gott und den Glauben an das Fortbestehen der eigenen Seele rechnen, akkurat gleich wie den Glauben, daß Irrlichter feurige Manne seien, Marksteine versetze) zum Vorschein koöͤmmt, da schreit sie grimmiglich üͤber die verfluchten Pfaffen, thut,als ob sie dieselben fressen wollte, weil sie schuld seien an diesem Aberglauben, indem sie ihn theils selbst pflanzten, theils längst hätten ausrotten sollen, wenn sie einen Batzen werth gewesen wären. So schreien die Aufgeklaäärten, eben, weil sie kreuzdumme Leute sind, allerlei plappern können, aber doch nichts gründlich kennen, am allerwenigsten die menschliche Natür, wie sie sich im Völkerleben oder im einzelnen Menschen entwickelt; ja die guten Leutchen wissen gar nicht, was ihnen selbst noch alles unter dem neueñ Kleister steckt, ja und wenn sie meinethalb drei Alphabete gründlich kennten, keinem einzigen ihrer inwohnenden Triebe können sie seinen eigentlichen Namen geben, geschweige dann seinen Einflüß auf ihr Denken und Reden und Handeln ermessen.Ja, die Alleraufgeklärtesten thäten es nicht begreifen,auch wenn jemand sich die Mühe nehmen würde, es ihnen mathematisch zu beweisen, daß nämlich nicht ihr Kopf, sondern ihr Bauch Jahresregent ist bei ihnen,der Kopf eigentlich nichts ist, als ihr Handwerkszeug,
*75 79 *[134]was Nadel und Hand beim Schneider, Finger und Geige beim Geiger. Sie begreifen es also natürlich nicht, daß gerade sie den verschrienen Aberglauben einbalsamiren,daß ihre sogenannte Aufklärung nichts anders ist, als der Branntwein, in welchem man unreife Geburten aufbewahrt in ihrer ganzen ursprünglichen Scheuslichkeit, aus welchem, wenn sie lebendig geblieben wären und sich hätten fortbilden können in der Sonne Gottes,das schöne Menschenbild erwachsen wäre. Sie sind es eben, welche den Menschen in das Gebiet zurückführen,aus welchem der eigentliche Aberglaube stammt, ins öde, selbstsüchtige Heidenthum, daß sie dem Menschen eine Selbstständigkeit predigen, welche im Leben sich zur Selbstsucht gestallet, in seiner Einbildung ihn zum Gott macht, ihm den schönen Glauben zerstört an das wunderbare Geheimniß, an welchem auch er ein wunderbares Glied ist, und ein um so glücklicheres, jemehr es die andern Glieder liebt und treu dem Ganzen ist. Sie übertünchen alle Eindrücke der Kindheit und bauen nicht darauf fort, sie wollen den Menschen praktisch machen,bilden ihn praktisch aus, sagen ihm: ler brav, so wirst öppis, chast brav v'rdiene, chast einist e b'rühmte Ma werde un e ryche, e gebildete Tochter, un e guti Partei mache. In diese Schranken wird die Phantasie des Kindes gebannt, auf solche Ziele richtet sich sein Augenmerk, es wird praktisch, es treibt sich im Wirbel des Zeitlichen, es nährt sich von den zufälligen Bildungsstoffen, welche der Strom der, täglichen Bewegung zufällig an ihm stranden läßt. So geht es fort, hoch einher auf den Schwingen der Zeit, verflucht gebildet und zu oberst auf der Leiter der Aufklärung, bis eine Kuh krank wird, oder man keine Kälber mehr am Leben behält, dann läßt man hexen, bis einem ein Tuch gestohlen wird oder Strümpfe, dann schickt man zur Wahrsagerin oder der Senn schlechte Käse macht, dann kriegen die Kapuziner Ziger und Anken,daß das ganze Kloster zu glänzen anfängt, wie Moses glänzte als er vom Berge kam, oder bis einem der Finger weh thut, dann schickt man sein Wasser einem [1583]Güͤtterler, oder hängt gar ein Bündelchen an; und wenn einem endlich das Gewissen weh thut, so wird man Neutäufer, oder katholisch, oder läßt einige alte Weiber für sich 9 alles von wegen der Aufklärung,die keinen Trost hat, keinen Halt gibt. Wird durch die Umstände das gewohnte Leben, die übliche Behaglichkeit zerrissen, wird dem Menschen irgendwie seine Schwachheit, sein Unvermögen handgreiflich zum Bewußtsein gebracht, oder sonst ein Klupf in seine Seele geworfen,so sucht er einen Halt äußerlich, zur Erkenntniß Gottes ist er nie gekommen, Gott hat er nicht, da taucht denn das alte kindische Heidenthum der alten Kindsmutter wieder auf, die Gebildeten und Aufgeklärten fangen an zu Hexen, zu Wahrsagern zu laufen, heidnische Künste zu kreiben, fürchten die Nacht, dürfen nicht alleine schlafen u. s. w. Das ist der Grund, warum es zur alten bekannten Wahrheit geworden ist, daß des gröbsten Unglaubens nächster Nachbar der gröbste Aberglaube sei.
Jedoch müssen wir ausdrücklich bemerken, daß bei Eisi durchaus keine innere Umwandlung vorging, sein ganz altes Wesen, seine religiöse Leichtfertigkeit blieben, der alte Aberglaube erschien bei ihm nicht anders als ein Todtenbein, das aus einem Grabe hervorragt, von dem Jemand die Erde weggescharrt. Auch betete es zuweilen, namentlich wenn Anne Liseli bat; es ging jetzt Eist afe ringer, und es dachte, für Neuis könnte es doch gut sein, und nütze es nichts, so schad es doch auch nichts.
Viel Zeit dazu hatte es aber nicht, denn es hatte jetzt so viel Weltliches zu verwerchen, daß es ihns duechte, es müsse erworgen daran, wie es sich nämlich ausdrückte.
[36]Wie Eisi zu einem Benesizinventar und ein Schreiber zu einem Lehrplatz kommt.Trotz dem Beistande seines Rechtsfreundes, der sich wieder bei ihm eingefunden hatte, doch nur Tags,Nachts erschien er nie mehr, wahrscheinlich ragte auch bei ihm ein Todtenbein aus dem übertünchten Grabe herauf, mußte es das Benefizi ausschreiben lassen.
Es war selbst vor der Gemeinde erschienen in all seinem Staate, hatte den Manne imponiren, sie mit der Verachtung behandeln wollen, welche es so oft sellige Mannlene, wo ke V'rstang heyge u nit wüße, was öppe o i d'r Welt d'r Bruch syg, gezeigt hatte. „Loset ihr Manne, hatte es gesagt, ihr werdet mir doch nicht unnothige Kosten machen wollen, sondern Verstand haben. So ein Benefizi trägt nichts ein, aber Köste gibts und Schryber muß me futtere, es weiß ke Mönsch wie mängist v'rgebe, und alles für hell nichts, als daß de Lüt chöne g'wungere, wie rych me syg un was me aller Gattig heyg, un daß me i d'r Lüte Müler chunt. Das werdet d'r m'r öppe nit welle z'leid thue u muthwillig e Wittfrau, wo soöpli King het, un mit Ehre wott dur d'Welt cho, plage? M'r hey öppe üsi Sach nit bös z'weg un wenn m'r nit Ung'fäll g'ha hätte, un er o neschly angers gsi wär, su wäre m'r no besser z'weg.Aber allweg steils nit bös, u we me soöovli spitz nache luege wett, su choönt me de ame angere Ort afa un es wär de viellycht no mänge, dem me z'Benefizi usschrybe sött. Das war den Manne doch zu stotzig vorgekommen und Einer hatte Eisi gesagt: „Los Frau, das verstehst du nit oder bist sust läß b'richtet, es Benefizi muß sy, das ist g'setzlich, un G'mein wird nit welle d'r Gring dar ha, u b'sungerbar wo me nit weiß, wie z'Sach steyt u so mänger Gattig g'mugglet wird. U viellycht wär's gut gsi, wenn me scho längst drüber g'luegt hät, wo d'r de Schyn heyt lah fälle, z'selbist wars aständig gsi, aber z'selbist ist's nit gut gsi, öppis z'säge, aber jetz prediget e nangere.“[137]Eist war jedoch nicht die Frau, welche so leicht sich abherden ließ und erschrecken, Eist begehrte auf, wurde endlich anzüglich, wollte nicht schweigen, trotz den Bitten des Schwagers, daß es doch absetzen und die Manne nicht ertäuben solle, das trage ihm nichts ab, als daß sie es ihm eintrieben. Er solle es nur brav mit ihnen haben, sagte Eisi, es stehe ihm wohl an, wenn sein Bruder unterm Herd es wüßte, er würde ihm auch dafür danken. Es sehe gar wohl, wie man unter einer Decke liege. Zuerst mache man Ausgeschossene, öppe die Hungerigste un Uverschäntiste wo si si d'r G'mein heyge,dene könne es d'Büch fülle, es wisse ke Hung wie mangist, und d'rzu mache sie Taglöhn uf, daß eim d'Haar zBerg stange u z'letzt v'rstoß me ihs u d'King, z'Sach könne si mit em Rügge aluege, un es nist st da e nangere y mit schmeichle u spicke. Es merks, es hätte eine feine Nase, sei nicht erst seit heute auf der Welt und hätte zu oft solche Sachen verhandeln hören, daß es wisse, wie es öppe gehe, und woher so magere Bürlein z'Geld welle erschinde, für Zeyse chöne z'gäh u d'Schulde z'wehre, wo si uf ihre gsch Höflene heyge.
Begreiflich hatte Eist endlich Zeit zu schweigen,mußte unvertichteter Sache heim, strotzend von Gift und Galle. Wohl, wenn seine lieben Mitburger hätten hören können, wie Eisi sie vor seinen Freunden titulirte, wie es den Gemeindrath hechelte, verspottete, ausschimpfte, sie hätten es geprügelt, einer nach dem andern und weiß kein Mensch was mit ihm angefangen.Eist hätte gerne prozedirt, hielt lange Berathungen mit seinen Freunden. Sie riethen ihm an, es solle durch die Verwandten die Gemeinde reversiren lassen, wolle sie das nicht annehmen, so könne man es mit ihr probiren. Aber Eisi fand keine Verwandten, welche dazu geneigt waren, seine Brüder putzten ihm ab, die entferntern Verwandten sagten, es gehe seye nüt a un i sellig Sache mischlete sinst nüt, si heyge für seye selber ginue F'luege. Als Eisi seinen Rechtsfreunden seine Noth klagte, von seinen Verwandten sagte, es sei ein Schelm wie der andere, meinte es, wenn sie ihm einen
[138]Revers oder wie man einem sellige Papier sage, unterschrieben, so würde es auch gut sein und z'Sach häts.Da machten sie bedenkliche Gesichter, bis einer unter ihnen, der geschickter war als alle andern und mehr konnte als Brod essen, sagte: „V'hütis ja, vo Herz de siebe nächste V'rwandte ungerschriebe sy.“ „Was ist das für e Schelm, wo selligi G'setz geyt ga mache, für e donstigs Spitzbub“, frug Eist. „Es wird d'r Schnell gsi sy, d'r Alt“, antwortete der Rechtsgelehrte. „Das wird o e Rechte sy, sagte Eisi, dä wird o Schwestere g'ha ha, wo ner het welle bsch dä Hagel. Mit Selsige sött me Mutt füre im Hustage, wenn me Brönnherd macht für Kabisplätze; aber wird doch bald e angere pfyffe, sellige Rustig abrume, un G'setzi mache,wo ey Fründ d'm angere cha helfe?“ „Per sche, antwortete der Fründ, aber es Wyltschi wirds allweg no gah, biß die Rechte am Platz sy.“
Also ein Benefizium gab es. Ach, so ein Benefizium und noch dazu das eines Wirthes, was das für süße Gedanken zu erwecken im Stande ist. Es gibt Leute, denen so ein Ding vorkömmt, akurat wie der Morgenstern, wenn er am hellsten der Sonne vorangeht. Wohlverstanden, nicht allen damit Betheiligten ist's so, es gibt solche, denen es sehr zuwider ist, es gibt Prinzipale, welche nie in eigener Person beim Inventarisiren erscheinen, es gibt aber auch andere. Aber man denke sich so ein Individuum, oder vielmehr ein Subjekt, an der mageren Kost, das z'Faßnacht schon kein Fleisch mehr im Hause hat und von trocknen Erdäpfeln, dünnem Kaffe lebt, Herdöpfelbitzlene, wo gixe,wenn man eins vom andern schreißt, und Roösti, wo Staubwolken davon fahren, wenn man die Thüre aufund zuthut. Man denke sich eins von denen magern Schreiberchen, welche von der Frau Prinzipalin, welche streng katholisch scheint, weil es bei ihr immer Fasten ist, sehr mager gehalten werden, bei blinden Suppen und blauer Milch, welche noch keinen Kredit haben und spottwenig Lohn, die drei Sonntage hintereinander wer[1534]weisen, ob es ihnen zum Schoppen ein Bratwurstzöpfli ziehen möge, und zwar das Alles, weil sie erst ihre Väter ausgesogen oder müde gemacht, und zweitens für etwelche Jähre vorgef . Plötzlich geht ihm die Möglichkeit aus, zu einem Inventarisiren zu können, vielleicht 2 oder 3 Tage lang, wo alles nichts kostet, wo vielleicht ganze Plätten voll ganzer Brägelwürste sind und nicht bloß Zöpfleni, wo der Wein in ganzen Guttern aufgestellt wird und alles umsonst, wo man einen doch noch immer heißt nehmen: nimm doch, näht, bis man nicht mehr mag, bis man Angst hat d'Hut heyg nimme, keine Frau Prinzipalin saure Augen macht,wenn man länger als 62/, Minute am Tische sitzt, wo man absitzen und erwarnmen, wo man ein halb Dutzend Mal behaglich sagen kann: mir sötte denk mache un wider dra hi, und ein halb Dutzend Mal behaglich antwortet: mi chönt öppe, ih hulf nit pressire, d'r ganz Tag ist ja üse ünfertig werde m'r doch hüt nit. Und wenn's denn endlich heißt: wey m'r, und der Fragende die Hand auf den Tisch legt, um sich aufzuhelfen, weil er fühlt, daß er bedenklich g'schweret, das Fraueli chunt und seyt: e no eys, d'r heyt ja nüt g'no, isch es ech öppe nit gut g'nue gsi, ih ha doch wäger agwängt,was ih chönne ha? Die muß emel no us, seh treychit.Solche feiße Tage in Aussicht, sollte das nicht so ein ermagertes verschriebenes Herz unaussprechlich erquicken,erquicken wie himmlischer Thau, wie sollten da nicht die steif und g'stabelig gewordenen Beinchen neues Leben kriegen, hüpfen und springen wie junge Zicklein,wenn die alte Geiß mit einem vollen Uter gegen sie kömmt. Wenn dann endlich der Prinzipal, gleich dem türkischen Sultan, unter die erregten hoffenden Sübjekte das Schnupftuch wirft und unter den in Hoffnungen Geschwellten einen zum Glücklichen macht, dann hat dessen Wonne kein Ende, indessen bricht sie nicht aus,von wegen den andern, aber wie er selig vor sich hinlächelt. Wie er unvermerkt in sein Kämmerlein schleicht,Nähzeug nimmt und die Hosenknöpfe frisch annäht, daß man meinen sollte, er wolle sich daran gen Himmel [140]ziehen lassen, im Gilet die Einschläge ausläßt und währschafte Bändel einzieht, wo man welche hat, und das alles in still seligem Lächeln. O es ist schöͤn! Aber ach wie traurig/ wie schrecklich, wie thränerlich, wenn so eine hoffende Seele betrogen wird, wie es sich auch schon zugetragen hat, er das Gilet schlotternd heimträgt, und im ersten besten Wäldchen die Bändel fester schnüren muß, daß die Unterhosen ihm nicht vor den Schritt kommen und er laufen muß wie ein gehetzter Haase bis zum ersten Brunnen um seine lechzende Zunge zu netzen. Wie traurig, wenn er nach harter, langer Morgenarbeit, endlich mit der einen Hälfte in eine Stube gewiesen wird, während das Weibervolk, die andere Hälfte der Anwesenden, welche ihm näher am Herzen liegt, ins Stöckli oder in ein Hinterstübchen zieht am Kuttenfecken. O wie er schmachtend den Günsilingen nachsieht, und wie er immer schmachtender wird,während er die räße Suppe, in welcher gesalzenes Fleisch gekocht ward, verzehrt, und noch schmachtender, wenn er ans halbgekochte räße Fleisch hin muß und an wohl gesalzene und braungekochte Rübli, und sonst nichts da ist, kein Tropf Wein, kein Tropf Wasser, er hungrig ist, die räße Speise zusammenschlagen muß, und vor Durst nach Gott schreien möchte und doch nicht recht darf, weil er noch zwenig lang beim Handwerk ist um uv'rschant geworden und uv'rschant sein zu dürfen. So ein Höllenfraß und Mordiodurst verklären sich in 20,30 Jahren, wenn der magere, hungrige Anfänger ein schöner, fetter, stattlicher Prinzipal geworden ist, zu einer anmuthigen Erzählung, ungefähr wie die unsäglichen Strapatzen auf dem Rückzug aus Rußland, bei den mit dem Leben Davongekommenen sich verklärt haben. Sobald der Prinzipal an einem gut besetzien Tische sitzt, guter Wein auf dem Tische sieht und es heißt: Seh, trinket doch, machet aus, so fängt er an,der Prinzipal nämlich: das ist hier nicht so , wie ich es einmal gehabt habe, es ist schon mehr als 20 Jahre wo ich noch ein Anfänger gewesen bin, d'Lehrzeit war freilich aus, aber me ist doch geng no gar grüfeli dumm.
[1441]Da hat mich mein Prinzipal, er ist jetzt längst g'stotbe,er ist e gute Herr gsi, aber sy Frau es v'rfluchts Rybyse, o gischickt, gah inventarisire, und ih ha mih druf g'freut, mi glaubt's nit, nit e Neuthaler hätt' ih g'no d'rfür. Da ha ni g'meint, ih überchöm de o einist recht gut un g'nue z'esse, vo wege mir sy mängist so hungrig vom Tische gange, mir hätte de Hühnere g g'fresse, wenn sie öppis im Trögli g'ha hätte, aber die heys g'hah wie mir u sy o geng F'früh fertig worde mit ihrer Sach. Und doch het ihm sy Pfoste meh as 10000 Pfd. abtreyt es Jahrs. Jo wäger, z'selbist ist es d'rby gsi z'sy, es ist anders gsi als jetzt, wo me chum mit em Lebe d'rvo chunt.“ „He öppe gar e Mangel sieht man euch nicht an, Herr Major, sagt dann etwa ein Gerichtssäß. „Bi g'schlachter Art“, antwortete der Major, brach dann den Inzedent ab und fuhr fort:„Ja, wie g'seit, ih ha mi g'freut, mi hatt m'r's gar nit chöne abchaufe. Spät sy m'r fertig worde, un ih hane Hunger g'ha, wie me de hungrig wird in dem Alter und ordinäri nit fürig z'esse het; und e Durst ha nih g'hah, daß es mih duecht het, es chleck alles a m'r. Und du was hey m'r: e raäßi Suppe, g'salzes Fleisch un ykocheti Rübli und hinger nüt u vorfer nüt,un d'rby ist's bliebe, die Schelme i d'r ander Stube,hey e Herrefresse g'ha un Wy, meh as g'nue, wie m'r nache hey möge merke. Ja, ih werd myn Lebtig dra sinne, was ih z'selbist für e Täubi un für e Durst usg'stange ha. U was du no zAergste gsin ist, myner Kamerade hey v'rno, wie es ihs gange ist, u hey mih du no brav usg'lachet. Sider denke ih allimal dra,wenn bi er e sellige G'legeheit Wy ufe Tisch chunt.Ih wüßt m'r zwar jetzt besser z'helfe.“ So redet der Prinzipal, so oft er bei solchen Gelegenheiten, welche ihm noch immer nicht unerquicklich sind, perfoönlich erscheint. Es ist freilich nicht Speise und Trank, was ihm alleine erquicklich vorkömmt, es hängt an solchen Dingen ein silberner Schwanz, der das Hauptgericht ist, welches ihm am besten mundet. Es ist ein unglücklicher, aber in der Ratur der Sache liegender Um[2428]stand, daß das Feld, welches vielen Leuten zum Unterhalt angewiesen ist, das Unglück ihrer Mitmenschen ist.Wir wollen nicht alle die Atten von Anweisungen auf das Unglück anführen, nur eben zwei. Der Arzt und der Schreiber. Der Arzt müßte verhungern, wenn keine Menschen krank würden nuud fürchteten sterben zu müssen.Der Schreiber hätte auch nicht viel zu thun, wenn die Menschen nicht ökonomisch oder physisch auf die Gnepfi kämen, oder ökonomisch und physisch von der Gnepfi herab zu Tode fielen. Beide leben vom Unglück der Leute, aber unendlich besser ist doch der Arzt daran.Der Arzt erscheint im Unglück als der Helfer, der den Schmerz mildern, den Menschen aus der Gnepfi wieder auf feste Beine stellen will, er ist eine wohlthätige Erscheinung jedem Leidenden, und das fast immer sichtbare Leiden weckt in ihm das Mitgefühl, und dieses Mitgefühl wird dem Kranken sichtbar, der gar nicht daran denkt, daß der Arzt vom Leiden lebt ünd vielleicht den Ruf zu einem Kranken wie eine fröhliche Boischaft angehört hat, und zwar nicht wegen dem helfen, sondern wegen dem ziehen. Der Schreiber ist in ganz anderer Lage; er hilft von keinem Uebel, er erscheint nur als ein nothwendig Uebel, er lindert keinen Schmerz, aber er kostet Geld, er wird dazu noch aufgedrungen und nimmt zuweilen fast alles was da ist, gerade bei Benefizien z. B. und bei Geldstagen. Er erscheint daher dem, der dessen Nothwendigkeit bei den gegenwärtigen Verhältnissen nicht begreift, selten in einem liebenswürdigen Lichte, obgleich es unendlich viele sehr ehrenwerthe Schreiber gibt, und einige sich alle Mühe geben, sich liebenswürdig zu machen, besonders bei Leuten, welche leicht im Fall kommen, Kontrakte machen zu lassen, Obligationen, Käufe, ja wo vielleicht bald ein Schlagfluß zu hoffen ist und eine darauf folgende Theilung.
So bringt es halt das Leben mit sich und hoch in Ehren ist der zu halten, der seine Person über seinen Beruf erhebt, und während sein Beruf ihn unter die Blutfauger ordnet, sein Charakter ihn zum Tröster, zur Stütze solcher stempelt, die Trost und Stütze bedürfen.[] 145 So ein Benefizium beginnt hier und da auch Leute in Versuchung zu führen, welche der Natur der Sache nach eigentlich dabei durchaus unbetheiligt wäͤren. Das sind die, welche sich locken lassen, Eingaben zu machen in Benefizien, in der Hoffnung, sie bezahlt zu kriegen,weil Niemand ordentlich Auskunft geben kann, weil kein ordentlich Hausbuch da ist, weil man lieber was zahlt als prozedirt, namentlich wo Gemeinden Prozesse führen sollten. Solche Eingaben machen Männer, von denen man es nicht erwarten sollte, und daß solche Eingaben von Amtswegen gezüchtigt worden wären, wie sie es verdient, hat man nicht gehört. Es ist überhaupt mit dem von Amtswegen eine sehr heikle Sache,der Begriff verdunkelt sich ganz, wir denken auch, das Wort werde sich bald verlieren, wie ein ausgebrannter Stern am Himmel auch nicht mehr gesehen wird.
Am meisten erfreute sich jedoch über das ausgeschriebene BenefizInventari die gegenüberwohnende Speisewirthin. Jetzt könne man sehen, wie es herauskomme,sie hätte Toöne lauten hören, wie es unsauber aussehen solle. Sie hätte es immer gesagt, es komme so; wie sollte es auch anders. Niemere ha u doch geng groß thue, so muß es z'letzt zBode gah. Sie wolle sich nicht rühmen, aber z'halb mehr Kunde hätten sie, z'halb minder verthäten sie, und sie wisse, wie an einem kleinen Orte der Profit Platz habe. Das gebe da eine Aenderung, darauf könne man zählen, da könne man sehen, daß doch noch Gerechtigkeit im Himmel sei.Was die Leute sie erplaget hätten, es könne es Niemand glauben, sie seien nirgends sicher gewesen vor ihnen, d'Kinder nicht und sie nicht, sie hätten nirgends sein sollen, und doch hätten sie ihnen nichts in Weg gelegt, sondern ihnen dienet, wo sie können und mögen hätten. Sie könne nicht sagen, wie sie beten und Gott danken wolle, wenn der Hochmuthsteufel und Hoffartsnarr ihr ab den Augen käͤne. Wenn es länger hätte dauern sollen, sie hätie es nicht ausgestanden, nein, sie hätte es nicht, d'Uszehrig wäre das mingst, wo sie aufgelesen hätte. Ja, es heygs se mängist duecht, fi [144]heyg se scho am Hals. Indessen so arg als die Speisewirihin es machte, mußte es doch nicht sein; denn sie war noch nie so viel unter dem Fenster oder vor dem Hause gewesen, wie über diese Zeit, trotz dem, daß es Winter war. Und wo die beiden Weiber sich zu Gesichte kriegten, da gränneten sie einander an, machten welche wüster, daß es einem oft dünkte, sie sollten entweder das Maul nicht wieder zu bringen, oder die Zunge nicht wieder ins Maul. So oft die Speisewirthin abkommen konnte, war sie am Südeltrögli, hanthierte da nach Herzenslust, und schabte Eisi Rübli,und füllte das Trögli mit ihren Sachen. Hatte sie den Rücken gekehrt, so schickte Eist die Jungfrau, ließ die Sachen herauswerfen und ihre drein thun. Darauf paßte die Speisewirthin, kam dann heraus gefahren wie der Bysluft und sagte der Jungfrau wüst, und warf ihre Sachen heraus und that ihre wieder drein. Dann ließ Eist zum Läufterli aus allerlei Titel fliegen und Weisungen für die Jungfrau, bis ihm das Laäufterli zu enge ward, es sich zunm Haus aus machte und mit eingestemmten Armen sein grobes Geschütz los brannte.Die gegenüber auch nicht faul, fuhr ebenfalls ihre gröbsten Batterien auf und so brüllten sie über das Süͤdeltrögli einander an, trotz den Homerischen Helden. Dieser Südeltröglikrieg verdiente ganz eigens beschrieben zu werden.
Da einmal ein Benefizium sein mußte, so mochte Eist nicht warten bis inventarisirt wurde, es meinie,und seine Freunde b'richteten es nicht besser, wenn das einmal geschehen sei, so nehme man die Siegel ab und es könne wieder mit freien Händen schalten und walten. Der angesetzte Tag brach endlich an, an welchem das dazu bestellte Personal sich einfinden sollte, Schreiber, Schätzer und Ausgeschossene der Gemeinde. Schon frühe des Morgens hatte die Speisewirthin die Nase unter dem Fenster um die Mannschaft anrücken zu sehen und wer vorüberging den rief sie an und: Weißt,heute schreiben sie ihnen däne ihre Sachen uf, es nimt mi nüt Wunger wies use chunt, ih weiß's, aber anger
[1435]Lüt werde d'Glare ufthue, wenn si g'seh, wie's steyt,es nimmt, mih nüt Wunger, as wie die donstigs Tasche d'rzu es G'sicht mache wird.
Es heißt, die Speisewirthin habe als Strafe für ihre G'wundernase einen Pfnüsel aufgelesen, daß sie gefürchtet, daran ersticken zu müssen. Es kömmt mancher G'wundernase komod, daß sie nicht so delikat ist,sie müßte ja ihrer Lebtag im Pfnüsel fein.
Es war aber auch Grund einen aufzulesen, denn die Speisewirthin mußte ihre Nase gar zu lange unter dem Fenster haben, um die gesammie Mannschaft einrücken zu sehen, sie ließ sich gar so verzattert herbei.
Zuerst fanden sich die Ausgeschossenen von Eisi's Gemeinde ein. Eist einpfing sie puckt, stichelte, es werde ihnen Angst gewesen sein, daß sie so früh da seien, oder ob es bloß der G'wunder sei, wie man es hier öppe hätte, es nähms Wunger, daß sie nicht ihre Weiber mitgebracht, das waäͤre eiwas für sie gewesen. Manne sollten nadisch nit so g'wungerig sein,, aber es werde ihnen in ihrem Krottenästli was Reus seltsam sein.Indessen hätte es sich doch nicht dafür gehalten, ihnen an Essen und Trinken was abgehen zu lassen. Es stellte ihnen gehörig das Frühstück auf, stelite Zucker die pfefferle es ihnen aber mit seinen Reden nicht echt.
Nach und nach trabbeten die Schätzer herbei. Einer hatte noch Futter rüsten müssen, weil der Knecht das Ung'nannte an der Hand hätte, der zweite hatte nicht gewußt, was für Zeit es sei, die Uhr sei ihnen gestanden, und wo er habe gehen wollen, sei no Neucer cho u heyg ne chöne v'rsume.
„Wenn d'r Schryber da wäre, wir könnten anfangen, meinte Einer; was ist o für Zyt?“ „Es wird bald Zehne sein,“ antwortete der Andere. „Der Amtschreiber wird selbst kommen, meinte einer, und der ist nicht der Frühste.“ Unterdessen that Eisi vertraut mit den Schätzern, machte die gute vertraute Frau gegen sie. Es wollte es den Gemeindsmanne einreiben, wie es hier ästimirt sei, und für was man es, hätte, und [46]wie sellig Kunkle, wie sie seien, keinen Verstang hätten,und nicht wüßten, mit wem sie es zu thun hätten. Es fehle sich neben sie, spaßte mit ihnen, nahm sie dann bäseits einen nach dem andern, und sagte ihnen, wie sie V'rstang brauchen sollten beim Schätzen, und nit so ungeryche fahre, wie es gehört, daß man es an manchein Orte mache; so könnte man es zwänge, eim yv'rdächtige un d'r Name z'mache, mi heyg a Hag use g'wurstet u bal für nache. Oeppe übertriebe bigehr es hdicht, selb trag nüt ab, aber si, sölle si i Acht näh,was si mache, b'sungerbar mit d'r Schatzig vom Hus u d'r Ligetschast. Es well neh saäͤge, was Trumpf syg,si chönne si de d'rnah richte. Mih möcht me d'rvostoße,u z'Has Bruder möchts a d'Hang näh, öppe ume Spottprys, wie sis de mache, wenn si chönne z'Platzg cho,u bie zwe Mulaffe, wo si da g'schickt hey, seu d'rzu helfe. Ih has scho g'merkt, d'r dümmer von neh het scho e Ton lah falle, wies für e G'mein si nit wohl schick, so nehs Witfraueli im e sellige G'schäft lah phürfche, bosungerbar wes öppe no wyt abhange syg,wo rme nit chön d'rzu luege. Wohl, dem ha nih du d'Nase g'wüscht, er ist froh gisi, z'schwyge. Ih ha denkt, ih well d'r säge, was deTrumpf isch, su weißt,woran daß de bist, u woruf hier g'spitzt isch.
Begreiflich trösteten und beruhigten diese Männer Eisi: „häb nit Chummer, sagten sie, öppe viel zwänge werde die nit, u mir schätze wie öppe recht u billig un der Bruch ist, vowege mir heyse Pflicht uf ihs.“
Ih welt doch gern, er chäm bald, sagte einer der Schäßer, und schauete seine Uhr; d'r halb Tag isch jetzt de Ume; halbi englefi u, no nit ag'fange, u er no nit da, un um vieri sött ih wieder hey, gah fuhre; ha zwar g'seit, si sölle afe einist yche gͤh, wenn ih nit da syg.“ Auf diese Bemerkung hin, hielten es Alle für passend, zu muckeln und zu sagen, wie es ihnen z'wider sei, fo lange zu warten; ob es aber Allen Ernst war damit, das wüsen wir begreiflich nicht.
Endlich kam so ein grau mager Ding die Straße herauf, und beinelte stark der Gnepfi zu. „Das ist nit [147]d'r Amtschreiber, sagte ein Schätzer, das ist eine von seinen Schryberdienere, es soll e g'schickte sy, hat aber e wunderlige Name, ih has am letzte Solothurner Märit g'hört, syner Kamerade hey ihm all so g'seit, ih chas ume nit säge, neuis fast wie Ankebock“ Als man meinte, das graue Ding werde zur Thüͤre hereinschießen,sah man es draußen bei der Speisewirthin stehen; es hatte die Kappe in der Hand, wischte den Schweiß sich ab, und plauderte holdselig mit dem appetitliche Fraueli drüben. Da ward Eisi täuber als ein welscher Hahn,wenn er was Rothes sieht. „Luegit doch, wie da d.sch. Bub si nüt schämt mit er e sellige Luenz uf d't offene Straß gah z'karisire; wohl, dem wey m'r Bei mache. Fritz lauf u säg' er söll e nangere nah cho, es wart Alles scho mängi Stung uf ihn.“ Fritz lief ab,und verrichtete wahrscheinlich seine Botschaft treu, denn der junge Herr drehte sich so rasch um, daß er beinahe über eine hinter ihm liegende Kegelkugel gefallen waäͤre.„Spät, spät, sagte ihm einer der Schätzer, mir hey afe glaubt, ihr chömit nimme.“ „Sist nit my Schuldsagte der junge Herr, schlenggete seine Kopfmähne aus dem linken Auge und bließ in die rothen Finger, an denen nur wollene Halbhäntsche stachen; 'sist nit my Schuld, der Herr Amtschryber het m'rs z'spät g'seit;er het selber welle cho, du hets plötzlich e Fall gäh,wo ner het müsse gah helfe e Untersuchung mache, un seit m'r du erst hüte morge, daß ih cho müß. Ja du ist nüt z'weg g'si, bis ih du z'Papier g'erüstet g'ha ha,was nöthig g'si ist, du ist es scho spät g'si. Un de ist es no e Plätz bis hie hin, gäb wie me lauft. La goseh, was ist es jetzt für Zyt hie? ih ha im Hast my Uhr v'rgesse (er hatte keine), es het grad halbi Zehni g'schlage, wo nih furt bi.“ „Da syt d'r brav göloffe,sagte der Schätzer, hät ech nit möge myni Bey etlehne;es ist bal englefi.“ „Es ist m'r ieid, sagte der junge Herr, da müsse m'r g'schwind a d'Arbeit; aber so geyls bi nihs, wo so viel G'schäft sy, gits geng öppis ung'sinnets, a das me gar nit denkt het,“[148]Der junge Herr spazirte bei dieser Entschuldigung etwas bei der Wahrheit vorbei. Ja freilich hatte er es zu rechter Zeit gewußt, schon gestern Vormittags;aber du liebe Zeit, was das für Zeit braucht, bis ein junger Herr zu einer solchen Reise gerüstet ist, vielleicht gar zu seiner ersten! Wir wollen nicht einmal davon reden, wie ängstlich er sich instruiren läßt über alles,was er zu beobachten habe, was er schreiben müüsse,was nicht, wie er das Papier zu liniren habe, und wie manchen Vogen wohl, das ist nicht die Hauptsache. Aber man denke sich, er hat die Stiefel beim Schuhmacher, und zufällig kein gewaschenes Hemd daheim. Jetzt sollte er fragen, liniren, Notizen machen,dem Schuhmacher nach, der Wäscherin, sollte mit den bessern Hosen zum Schneider wegen Stegreifen, sollte noch dieß und das, er wußte nicht, wo ihm der Kopf stund. Das Hemd zu kehren ging nicht wohl, obgleich er daran dachte, es war ein gar zu grobes, bloß 9kr.Schwabentuch; den Hosen trauete er nicht recht, ob sie Stegreife erleiden möchten, er war in großer Verlegenheit. Seine Kollegen sahen seine Verlegenheit wohl,und ergötzten sich gröblich daran; keiner gönnte ihm sein mondriges Glück, sie hofften halb und halb, er werde auißer Stands sein, abzumarschiren, oder wenigstens müßte er so gehen, daß fie und andere nach Herzenslust über ihn spotten könnten. Aber sie täuschten sich; der junge Herr hatte einen besonders glücklichen Tag. Als er in seiner Angst zum Schuhmaächer lief,ihn zu pressiren wegen den Stiefeln, begegnete ihm einer, der aus dem gleichen Orte war, aber in einer andern Schreibstube dãäs Handwerk lernte; diesem klagte er seine Noth. Der hatte viel Patriotismus im Leibe,und sagte, denen wollen wir es reisen, wart nur, Hosen und Hemd mußt du haben, wenn du nur die Stiefel kriegst, von wegen meine brauche ich selbst, so ist z'Sache gut. Diese Stiefel waren es aber, welche ihn eine Stunde aufgehalten hatten. Dem Schuhmacher war nicht halb so Angst, sie zu liefern, als dem jungen Herrn, sie zu kriegen, von wegen der Kunden bester war [149] er nicht. Sein Vater wollte ihm kein Geld mehr geben,weil er von den Söhnen einer war, welche die teuflische Freude zu haben scheinen, die Eltern auszubeuten,ärger als der ärgste Dieb es könnte, bis sie in den Spital müssen; sein Verdienst war unbedeutend, und hatte er einen Kreuzer, so verthat er zwei. Endlich hatte er sie, hatte dazu noch 10 ganze Batzen im Sad,denn als er Hosen und Hemde sich zu Gemüthe geführt hatte, hatte er zum Freünde gesagt: Könntest du mir nicht noch 10 Batzen geben, ich gebe sie dir wieder, sobald ich zum Vater komme; me isch doch neue nit recht wohl, wenn me ke Chrüzer Geld im Sack het am ene frömde Ort, es mah eim gäh, was will. Der Freund hatte A gesagt und sagte auch B. Jetzt stelle man sich das schwellende Glück in der jungen Brust unseres jungen Herrn vor, als er aus der sengen Stube ins Freie kam, ein frisches Hemd am Leibe, währschafte Hosen an den Beinen, 10 Batzen Geld im Sack, kein Prinzipal, der ihn abputzte, keine Kameraden, die ihn ausführten, jetzt einmal ganz selbstständig draußen im Leben, und noch dazu nicht etwa als nichts, so ganz nur Gitzimist, sondern als einer, der was vorstellen sollte, der so viel sein sollte draußen im Lande, als der Herr Amischreiber selbst. Potz Blitz, was da für Stoff zu einer schwellenden Brust war! Da brauchten die Vögelein nicht zu pfeifen, die Blümelein nicht zu duften, die Sonne nicht zu glitzern, die Berge nicht mafestätische Gesichter zu machen, so eine junge Schreiberbrust mit Wonne zu füllen; die kochte sich den Wonnestoff in der eigenen Pfanne, und die Vögelein konnten lange zwitschern, und die Blümlein blinken, so eine innetlich glückliche Seele merkt das Alles nicht. Er war noch keine Stunde weit gekommen, so streckte sich ein Wirthshausschild gegen die Straße hin; den merkte er, und er dachte, das schickte sich hier wohl, den Amtschreiber zu probiren, und sich zu postiren, daß es eine Gattig hätte; zudem nahm es ihn Wunder, ob das Stubenmeitli noch dort sei, welches er einmal gesehen,und das ihm so b'sunderbar wohl gefallen hatie, von [160]wegen es that so manirlich, zäberlete schön, und hätte sogar noch Vermögen, hatte man ihm gesagt. Oeppe pressiren mit dem Heirathen thue es ihm nicht, sagte ünser Held, aber man wisse nie, was es gebe, und da schade es allweg nüt, wenn me zur Zyt öppe lueg, wo me anne well, si o öppe bikannt mach u ag'nehm.Wann konnte die Stunde günstiger sein? ein weißes Hemde, schöne Hosen an, Geld für mehr als einen balben Schoppen, u das Recht dazu, des Amtischreibers Postur anzunehmen, er mußte Eindruck machen, z'Meitschi mochte wollen oder nicht.
Er stellte sich also hochgrad auf, postirte sich vom Tüfel, schritt gegen das Wirthshaus zu, und öffnete weit der Gaststübe Thüre, daß er gleich mit der ganzen Postur darin erschien. Drinnen saß wirklich z'Anneli ganz alleine, und knorzete an einem Strumpf. „E Servitör, Jungfer Süßlächt, sagte der junge Herr, und streckte sich schön gerade in seiner hart geschnürten schwarzen Kravatte. Was lebet d'r geng, es freut mih,wenn d'r wohlsyt,“ sagte er mit starkfem Anstand, und sehr herablassend, ungefaähr wie der Prinzipal mit ihnen redete, wenn er freundlich thun wollte. Der gute Junge wußte nicht, daß ihr Prinzipal ganz andere Mienen machen konnte, wenn er mit einem lustigen Mädeli oder einer Jungfer Süßlächt, sprach, als wenn er einem g'stabeligen Subjekt kapitelte. Dazu schlenggete er den Haarbüschel zurück, und strich mit gespreizten Fingern nach. Aenneli machte kein unmanirlich Gesicht; da kein Hübscherer da war, so gefiel ihm unser Herr nicht übel.„Was lebit d'r geng, sagte es, ihr syt lang nit da gisi,u womit cha nih ufwarte?“ Damit legte es die frei gewordenen Hände über einander und rieb sie auf einander. Der Herr rieb seine Hände auch, aber anders;der rieb sie in einander, und sagte: „es macht frisch daä Morge, e halbe Schoppe Rothe denk! Wenn man schon stark läuft, so mag man sich doch nicht erwärmen, man muß etwas haben, für nachzuholen, b'sunderbar wenn man noch einen weiten Weg hat.“
Unglücklicherweise sagte er das, als Anneli bereito [134] unter der Thur war, so daß die Frage: „wo geyts de no hi?“ ausblieb. Während Anneli den Wein holte,rupfte der junge Herr sich noch besser z'weg, übte sich im gravitätischen Schritt, und dachte stark, wie er dem Gespräch die rechte Wendung wieder geben könne. Es brannte ihn, zu erzählen, er stelle heute den Herrn Amtschreiber vor. Derselbe hätte sonst Keinen, dem er so was anvertrauen könne; derselbe wisse, daß wenn er ihn schicke, die Sache gemacht sei, gerade wie wenn er sie selbst gemacht, oder noch besser. Aber gar nichts wollte ihm einfallen, gäb wie ex die Hände rieb und am Hemdekragen rupfte. Da stellte ihm Anneli den Wein auf den Tisch, frug: „kann ich sonst noch mit etwas aufwarten?“ und als er gesagt hatte, dankeiget,Jungfer Süßlächt, emel einist nit, frug es, die Hände über einander reibend: „Um V'rgebung, wo geyt der Weg us?“ Wie dem guten Jungen däa ein Licht aufging! Es gehe doch nichts, dachte er, über ein Weibervölchli, das Verstand hätte, das mög selber no e Schryber mit em z'Sinn cho un Neuis ersinne. Da erzählte er, für was ihn der Amtschreiber halte, und wie er ihn dahin schicke, wo z'Sach e Nase heyg, wo nit e Riedere drüber chöm, und bi ihre G'schäfte lay es sie luege, Potz Wetter, mi syg v'rantwortlig; es heyg scho Fäll gäh, wo so ne Amtschryber mängs tusig Pfung heyg müsse ersetze, wil si so ne Gali überluegt heyg,un 'Sach nit exakt gemacht, un nam G'setz. Uefe Amtschreiber het scho mängist g'seit: i keim G'schäft chöme so schwer Fäll vor, wie i sym, und Niemere müß so v'rtrauti, chennbari un durriebeni Lüt ha, wie so ne Amtschryber, sust heyg es g'fehlt mit ihm.
Es glaubs, sagte Anneli, un da uf d'r Gnepfi werds o no nit am liechteste sy, drüber z'icho; es syg dert so nes G'schäft; d'Lüt heyge scho lang d'rvo g'redt.Er glaubs, sagte der junge Herr, es syg ihm scho vor cho, es heyg eim Amtschryber selber grüset dra hi, u drum heyg er ihn g'schickt, er wird wohl g'wüßt ha,warum. Aber was säge de d'Lüt? Es chunt eim mängist chumlig, wenn me felligs weiß, mi cha si de rangire,[9] un öppe i Acht näh. Es ist uf gar mängi Sach z'luege,es glaubt's Niemere, we me nüt vo d'r Sach weiß.Natürlich erzählte Aenneli gerne, was die Leute sagten,wie dort ein Geschäft sei, viel gebraucht worden und wenig eingenommen, erzählte, wie albetz die Gumene fluchten über die dortige Unordnung und wie sie kein Geld erhalten könnten, wie sie fast keinen Wein mehr brauchten und der beste Wein, wenn sie ihn 14 Tage im Keller hätten, so schlecht würde, daß kein Mensch ihn mehr erkennen wütde für das, was er gewesen.Mit ihm hätten die Leute noch Erbarmen gehabt, sovli e Wüste wäre er nicht gewesen; aber seine Frau, das sei eine Wüste, so recht es hochmüthigs Beel, un wenn es die scho cher, so möchten es ihr die Leute ume gönne,es sei auch fry gar Niemere, der öppe Erbarme mit ihr hätte. Vor dere sölle er sich nur in Acht nehmen, sust mach ihm die d'r Marsch.“ „O, Jungfer Süßlächt,heyt nit Chummer, sagte der junge Herr, üsereim chunt mit gar viele Lüte i V'rkehr, u da wachse eim d'Haar uf de Zänge, mit weiß nit wie.
Der gröbst Bur, wenn er i d'Schrybstube chunt,wird so zahm, daß er nit weiß, darf er no uf zweu Beine stah, oder ume no uf eim. Er begann Anneli zu erzählen, wie man so einen dummen Bauer zahm mache; es waren alte Geschichten, welche er vordätirte und in ihre Schreibstube versetzte und wir zweifeln, ob er selben Morgen ab Fleck gekommen wäre, hätten ihn nicht einige Luzerner Säutreiber aus seinem holden Selbstvergessen geweckt und sein tète à léte gestört. Plötzlich fiel ihm ein, daß er eigentlich auf die Gnepfi solle, nahm holdselig Abschied und Anneli I&nicht zu sagen: „chömit de zuche im Heygah.“ Das tönte wie Harfenklang und Saitenspiel in die Ohren und machte einen Glücklichen noch glücklicher, von wegen, er deutete das persönlich, nahm das auf zu Ehren seiner schönen Augen und agnehmen Unterhaltig, wegen agnehmen Ydruck, daher drehte er sich um so gut' es die Kravatte erlaubte und sagte höflichst: er wisse es nicht, wie es gehe, mi müß si geng nam G'schäͤft richte,[153] aber wenn's möglich sei, mit allem Vergnügen. Apropos, heyt d'r öppe Cigarre, i dem kalte Wetter wäre eini nit übel. „B'hütis ja“, sagte Anneli und brachte das Druckli, er chön selber uslefse, sagte es. So ein Cigarrenauslesen, besonders wenn einer nicht weiß auf welcher Seite man sie ins Maul nimmt und in großer Angst lebt, er könnte eine kriegen welche nicht güt fei,mit Zündhölzchen nicht recht umzugehen weiß, bald die Finger, bald die Nasenspitze in Gefahr bringi, gibt die schönste Gelegenheit zur angenehmen Vertraulichkeit, zu heimeliger Annäherung. ˖ Etst mußte Anneli sagen, es glaub, das sei eine gute, dann, es glaub, das ander Ort schick sich besser ins Maul, dann, es wolle ihm Feuer machen, er söll ume zieh, fry brav, dann, jetzt heyt er m'r's no g'lösche, chömet bas yche i Gang, wo d'r Luft nit zieht u thüt de fry süferli, so, jetz glaub,brönnts, u we d'r brav zieht, su wirds ech ha. Jetzt muß man doch ein Möff sein, wenn man dabei nicht zu allerlei galanten Redensarten und Manieren Anlaß finden und sich dabei nicht wieder einige Minuten länger versäumen sollte.
So kam es, daß unser junge Hecht so spät eintraf,aber begreiflich sagte er was anders; man muß sich früh daran gewöhnen, wenn man im Alter was rechts vorstellen will, allezeit mit guten Gründen bei der Hand zu sein. Eisi sah ihn verflucht sauer an, aber ünser junge Herr nahm gar keine Notiz von ihm, er sah es für keine wichtige Person mehr an, nachdem was er von Aenneli Süßlächt vernommen. Aber schön strüßte er sich vor den G'richtsäßen und längte ihnen die Hand,fragte, ob das nicht die Ausgeschossenen von der Gemeinde seien, läängte dann auch diesen die Hand und sagte, er hulf anfangen. Da sagte einer der Gerichtsäßen, „e ih wett doch no öppis näh, wenn me sövli wyt g'laufe isch, su mah me wohl öppis. Seh, da isch no es sufers Kacheli, Wirthi, du wirst wohl no Neuis ind'r Kanne ha.“ „He, sagte Eisi, wenn nit ist, su cha me mache, wes sy muß.“ Der junge Herr sagte zwar, er hätte nichts nöthig, er sei gar nicht gewohnt,[134]durch den Morgen etwas zu nehmen und heute hätte er noch appart mit dem Hrn. Amtschreiber deschinirt,wo da ihm seine Instruktionen gegebenz da müsse man immer mehr nehmen, als man eigentlich möge, der Hr.Amischreiber thäte es nicht anders. Indessen als Eisi ein Kacheli zusammengerüttelt hatte, so nahm er es doch und versorgte dazu so tapfer Käse und Brod, daß die Manne dachten, dä Kehr muß das Dischinire mit em Hrn. Amtschryber nit b'sungerbar b'schosse ha. „Scho bal halbi Zwölfi, sagte endlich Einer, jetz wärs doch de afe Zyt.“ Ja, sagte der junge Herr, man müsse daran hin, er sei z'weg, z'Papier syg linirt, er müß nur noch einiges ausfüllen. So packte er sein Säckli aus, ein altes Ridikul der Frau Amtschreiberin,welches gewöhnlich zur Ehre kam bei solchen Gelegenheiten aufzumarschiren, so wie ein vornehm Kutschenroß, wenn es alt und längst von der Staatskarosse entfernt worden, doch noch zuweilen zur Ehre kömmt,untergeordnete Subjekte zu ziehen, wenn die einmal Staat machen und sich zeigen möchten. „Nein aber,jetzt habe ich in der Eile das Tintenhüsli v'rgesse, der Hr. Amtschryber het m'r's doch z'weg tha u g'seit, ih söͤlls mit näh, es chöm eim mängist chumlig. Weit d'r doch so gut sy, Frau Wirthi, und m'r g'schwind es Tintenhüsli gäh.“ „Ja, ja, brummte Eisi, bifehle cha e nyedere Löhl und nüsterte in allen Ecken herum und in zwei oder drei Stuben. Endlich sagte es, es wisse keins,es werd es King v'rschleipft ha oder i d'r Schul v'rgesse. Jä, sagte der schöne Herr, Tinte müsse er habenbas sei unerläßlich, man solle zum Krämer schicken,der werde sicher haben, und ein Gütterli solle er gleich dazu geben, man könne es dann waschen und zurückgeben, um nicht Kosten zu machen. Das sei ihm afe zs G'stürm, schnauzte Eist, es g'säch wohl, daß Niemere begehr z'Sach furtz'trybe, wenn die D z'fresse u z'sufe heyge bis übere Hemlischrage uf, su früge si de am angere nüt nah u das Benifizi chönt sy, wos wett. Die Magd rapportirte, d'r Krämer heyg ke Tinte,d'r Schumeister handli drum. He, su lauf zum Schu[138] meister g'schwing, süst nachtets, eh die Drayhüng ag'fange hey. Die Magd blötschte in Zentnertrab dahin, so lange Eisi sie sehen konnte, dann machte sie sichs bequemer, stellte sich hier und dort und b'richtete,was im Wirthshaus gehe und wofür sie springen müsse,Endlich, endlich kam sie in schwerem Trabe wieder angerückt, daß die Scheiben zitterten und schnupsete: D'r Schumeister isch nit daheim. Er syg i d'Rütti gah muse, u werd d'r Schlüssel zur Schulstube i d'r Täsche ha, si sig emel b'schlosse, aber si well ihm es King schicke, u de well si de, we ner d'r Schlüssel schick, es King mit eme Gütterli schickke, i re Stung oder zweie längst, müsse si Tinte ha, es soöll nit fehle, het d'Frau seyt. gf Da sahen sie einander mit Bedenken an. Eisi versprützte fast vor Zorn und fragte spöttisch: ob's nit ygschydste wär, wenn's ne grad zu Mittag brächt, si hätte jetzt, bis Tinte chäm, am baaste Zyt d'rzu. Unserm jungen Herrn ward katzangst bei diesem boshaften Vorschlag, hätte er doch eben erst so tapfer eingepackt,daß er, obgleich sein Magen eine auffallende Dehnbarkeit besaß, wirklich in Verlegenheit gekommen wäre,noch mehr zum Frühern einzupacken, aber mit Einfällen eben nicht behaftet, wußte er nicht, wie dem Vorschlag,dessen Bosheit er eigentlich nicht einmal recht begriff,begegnen. Glücklicherweise waren die Schätzer gewandter und wußten solchen Zumuthungen zu begegnen.Sie hulfen, meinten diese, z'Ghalt öffnen, wo die Baarschaft sei, die koöͤnnte man zählen und afe angfähr übers Hausbuch luegen, un was öppe für G'schriste da syge, einist müß das doch g'macht sy, u gäb jetz oder gäb später, das chöm öppe ih eys, u mit eme Rysbly chön me z'Nöthige da de ufmache, es werd nit so viel gäh u mit de Federn choön me de hinger dry drüberfahre.
In dem Vorschlag fand unser junge Herr große Weisheit, kriegte daher Respekt vor solchen Männern.Das seien Leute, dachte er.
Man fand die Siegel unversehrt, brach sie auf und [236]offnete das Bureau, welches das Herz des Hauses, d. h.die Schatzkammer war. Wenn so ein versiegelt Bureau aufgeht, offen vor den Anwesenden liegt, sie nur die Hände auszustrecken brauchen, um zu erfahren, was darin ist, es zu erforschen in den verborgensten Falten,es ist ein eigenthümlicher Augenblick, und wie da schon so manches Herz geschlagen hat in großem Bangen ünd in bloßer Neugierde auch.
Vor dem Bureau seines Vaters, wie oft ist da der Knabe gestanden in großem Respekte, sah staunend, wie aus einer Schublade der Vater blankes Geld nahm,sah anderes, welches so wohl ihm gefiel, aber meist alles nur auf Augenblicke, seine Neugierde sättigte er nie, die Schätze alle übersah er nie, und was in all den Schriften und Briefen sei, durfte er nicht fragen.Wie manches Weib sah Jahrelang auf des Mannes verschlossenes Gehalt, sein Bureau, grollend und eifersüchtig. Was darinnen war, das war ihm verborgen,selten öffnete es der Mann in seiner Gegenwart, und nur auf Augenblicke, wie der Kluge in einfamer Schenke,wenn gegenüber ein Unbekannter sitzt, sein Geld nicht vorzieht und ausbreitet, weil er die Macht gereizter Lust ermißt. Und der Schuldner, wenn er Zinse brachte,und der Gläubiger schloß die geheimnißreiche Kammer auf, nahm Bücher heraus, that Geld hinein, wie oft dachte der, o wenn ich doch sehen könnte, wie viel drinnen ist, wenn ich einmal so recht nach Herzenslust das Geld durch die Finger laufen, Zahl um Zahl überschauen, mit den schön geblümten Schriften tändeln,träumen könnte eine Stunde lang am offenen Bureau,Alles, was darinnen, sei Mein. Nun ist gestorben der Besitzer des geheimen Gehalts, den Schlüssel zu seinem Geheimniß konnte er nicht mitnehmen. Dieser blieb,ing in andere Hände über, diese schlossen jetzt auf, vor den Augen liegt nun offen, zum beliebigen Erlesen,was so viele Jahre lang so sorgfältig gehültet war, der Sohn, das Weib, der vielleicht zum Schätzer gewordene Schuldner, stehen endlich am Ziele ihrer Wünsche, nach Belieben können sie enthüllen und schauen, was so lange ihnen verborgen war.
[187]Ein anderer Schlüssel zu einem andern geheimnißvollen Behälter blieb nicht hienieden, den nahm der Gestorbene mit, den Schlüssel zu seinem innern Leben,zu seines Herzens Empfindungen, zu den Gedanken seiner Seele. Wenn der auch hienieden bliebe dem andern Schlüssel gleich, zu finden wäre in irgend einer Tasche, wenn man mit demselben aufschließen koöͤnnte des Todten geheimnißvolle Kammer, lesen könnte was da innen sich bewegt hatte in der Jahre langem Laufe,aufgeschrieben fände in wunderbarer Schrift in der Sprache der Geister, was da innen alles sich bewegt und gereget hätte, vor dem Sohne aufgerollt wäre des Vaters Innerstes, die Wittwe lesen könnte ihres Mannes Seufzer, seine Gebete, seine Träume, seine Hoffnungen. Was wüürde erst da innen zu finden und zu lesen sein, und wie würde beben in Erwartung jeder,der stünde vor dem aufgeschlossenen Geheimniß. Aber was das für ein Sterben wäre, wenn man wüßte, daß nach dem Tode die Lebenden aufschließen könnten der Seele geheime Kammern, lesen köonnten was da innen alles sich geregt und bewegt hätte in des Lebens langem Laufe, alles was später vergessen, überwunden worden, alles was flüchtig vorüber gerauscht und was täglich wiedergekehrt. Wäs das für ein Sterben wäre im Bewußtsein, wenn du deine Augen geschlossen hast,so werden sie kommen und werden deine Seele öffnen und werden schauen alles, was darin gelebt, was du darin geborgen hast. Da fühlt es der Sterbende, wie gut es ist, in die Hände Gottes zu kommen, statt in die Hände der Menschen, wie gut es Gott gemeint,daß er das Schauen der Seelen sich selbst vorbehalten hat, keinen Schlüssel dazu für die Menschen gemacht,einen Vorhang davor gewoben hat, den kein sterbliches Auge durchdringt. Doch wenn auch verschlossen und unsichtbar die Seele von hinnen geht, wenn endlich das Bureau offen steht, so werden doch in demselben ihre Spuren gefunden, Zeugen von ihrem Wesen und was sie wohl zuletzt gedacht und gewollt. Da innen sind vielleicht Briefe verwährt, die vieles sagen, da [138] innen ist vielleicht der letzte Wille verwahrt, in welchem enthalten ist, wen die geschiedene Seele am meisten geliebt, enthalten ist, was zuletzt besonders sie bewegte.Es finden sich da innen aber auch die Zeugnisse, ob sie Ordnung geliebt, den Ihrigen Vorforge gethan, dafür gesorget, daß ihr Tod nicht die Thüre sei, durch welche ihre Hinterlassenen eingehen müssen ins Elend.
Ach, da war es schlecht bestellt mit Steffen, einer der Ausgeschossenen meinte, er hätte es fry noh nie so atroffe. „Du wirst öppe noh nit mängist d'rby gsi sy,allem a, sit werde öppe die Witzigere vorab g'no ha“,antwortete Eisi.
Wo eine Meinung so bestimmt und scharf sich äußert, da schweigt man einstweilen, man blickt sich bloß,wartet den Augenblick ab, wo die scharfe Person den Igen gekehrt hat, dann läßt man los, was einen drückt.
Der Ausgeschossene hatte jedoch vollkommen Recht,es war im Vorgefundenen ein G'hürsch sonder Gleichen. Es war wohl ein Hausbuch da, aber dasselbe in einem Zustande, um deßwillen es verdient hätte, an einer Kunstausstellung ausgestellt zu werden.
Längs Stück konnte man nichts lesen, besonders was Eisi aufgekräbelt hatte, sehr oft war die Sache so gestellt, daß das Gegentheil herauskam. So erschien z. B. mehr als eine Kindbettin, welche als ausstehend verzeichnet war, wo es aber zu lesen war, daß wegen einer Kindbetti schuldig an Klaus Kräuchi 8 Fr., oder aber wegen gelieferten Wein an Herrn Gusch, oder Herrn Kötz, Wein geliefert 12 Säum, thut 500 Fr.Register hatte der Buchbinder eins gemacht, aber bald war eingetragen, bald nicht, bald durchaus unrecht.Kötz z. B. im Buchstaben G., Gusch aber im Buchstaben F. Dann war wohl geschehen, wenn die Papiernoth groß war, daß hier und dort ein Blatt herausgerissen worden war. Wenn z. B. ein Reisender was schreiben wollte, der Krämer schon nieder war,der Schulmeister in der Rütti, und im ganzen Hause war nicht eine Hand groß weißes Papier, so hätte Eisi [138]sich doch nicht dafür gehalten, so was zu bekennen, fo lange noch irgend weißes Papier zu kriegen war. Da nun Steffen nicht hätte z'Hergetz sein sollen ihm einen Schlüssel zu verweigern, wenn er ihn nämlich zufällig hatte und eigentlich selbst zu faul war, an die Folgen zu denken, so mußte in solchen Nöthen unb'sinnt das Hausbuch herhalten. Aus dem gleichen Grunde mußte dasselbe herhalten, wenn etwas aufzuschreiben und kein ander Papier da war, was eigentlich durchaus nicht in das Hausbuch gehörte. Begreiflich hatte man nicht immer Zeit zum Schulmeister zu schicken, besonders wenn er in der Rütti musete. So hätte z. B. Steffen darin aufgeschrieben, wer an einer bei ihm abgehaltenen Steigerung auf ein ihn weiters nicht angehendes Stück Land geboten und wie viel, bloß wegen der Merkwürdigkeit der hohen Gebote, aber was für einen Stich er mit dem Gerber hatte und wie sie in Rechnung stunden, das fand sich nirgends. Es fand IVkoñnte. Endlich gab Eisi Auskunft, daß es eine Rechnung sei, wie oft die Speisewirthin das Südeltrögli trotz angelegtem Verbot benutzt habe, zu jener Zeit,wo sie einen Prozeß deßwegen begonnen hatten. Es fanden sich Ouittungen, aber im Hausbuch stand die Schuld noch, Fuhrbriefe, aber keinen Betrag im Hausbuch angezeigt, es fand sich da ein fürchterlich Gewirr,welches dem Stellvertreter des Amtschreibers den hellen Schweiß auf die Stirne trieb. Baarschaft fand sich vor, über 100 Fünffrankenstücke und allerlei Grümpel noch darneben, wo Eisi nicht ermangelte zu bemerken,so Hudelleute, wie man meine, seien sie doch nadisch nicht, es syg mänge Gugag, der anger Leute Vogt sein möchte, u sövli Geld heyg er nit, u sy Aetti nit, u d'r Großätti nit binenangere g'seh. Es heyg z. B. es Burgerg'meindli, we me dert Bure all uf e Gring stellti, söpli Münz als da sei, fiel ihnen nicht aus den Säcken, man könnte d'gF so lang doppeln als man wollte. He ja, sagte einer der Ausgeschossenen, öppe viel Geld des ume 'frätze, hey m'r nit im Bruch, m'r [160]luege öppe d'rfür, daß, we m'r g'storbe sy, d'Schulde y chöme, wied d'Kräye uf ene Keib. He,sagte Eist, die uv'rschantisti Nation syge d'Kräye nit,we me todt syg, so thuys eym nüt meh weh; hundertmal uv'rschanter syg das G'schmäus, wo eim bi lebigem Lyb plag, we me si nit wehre chön, we me schlaf oder we me eß, oder we me Wittwe werd, oder es arms Waisli. Aber aprobo, vo wegem G'schmäus,g'chochet wär's, u aständig wär's, we d'r's nähmtet,wils warms isch, öppe d'r ganz Tag z'Für z'ha, für nüt u wider nüt, wurd si öppe nit schicke so für es arms Wittfraueli, dere mes Rübis u Stübis alles ischrybt. Unterdessen hatte des Schulmeisters Kind Tinte gebracht, unser junge Herr konnte vervollständigen was angefangen war. Als er zum Einschreiben der Baarschaft kam, gerieth er in Verlegenheit, wie er die Fünffrankenstücke berechnen solle, ob zu 35 Batzen oder zu 340/2, gesetzlich oder ungesetzlich. Darüber hatte der Amtschreiber keine Instruktion gegeben. Er trug den Fall den Anwesenden vor. Die Schätzer meinten, er solle sie ungesetzlich nehmen, gehe doch alles, was einzuziehen sei, ebenfalls ungesetzlich ein, und Wein und derlei Schulden werde man auch nicht gesetzlich bezahlen. Die Ausgeschossenen dagegen sagten, sie hätten den Befelch, sich am Gesetz zu halten, und so wollten sie alles g'setzlich haben. Gehe es dann wie' es wolle,so sei man nach dem Gesetz gefahren und man könne ihnen nichts vorhalten, und z'letsch de no öppe gah Yvorgüte, wes z'weni syg u me lätz g'rechnet häite,selb möchten st doch neue nit. Das werde ihnen öͤppe Niemere zumuthe, sagte Eisi. Aber es sehe wohl, worauf, es gemünzt sei. Sie sollten aber nur machen, was sie könnken, es sei dann auch noch da. Daß man mit ihm machen könne, was man wolle, öppe wie man sich gewohnt hatte, so bei einem Nebeusfräueli, wo nüt vo der Welt wüß, selb sei nit. D'Feufedryßger fölle sie ufmache, wie me se ynähm un usgäb, u nit angers.Es sött kes V'rmöge füre cho, es merks wohl, aber si sölle si i Acht näh, was si mache. Jetz sei z'Esse z'weg,[161]si sölle mache u cho. Der Schreiber hätte noch gerne die Sache ins Reine gebracht, ein Schätzer aber ẽder,welcher heim mußte um zu füttern und zu melken) meinte,es sei schon lange über Mittag, bal drü, er hulf öppis ga näh, me chön de geng nache no furtfahre, wes no Zyt syg. Begreiflich hatlke diese Meinung das Mehr,und Eisi's Aufwartung ließ man sich behagen, denn Eisi hätte sich nicht dafür gehalten, die Sache nicht recht zu machen, wie unanständig ihm auch die Männer waären. Die Männer vertieften sich in gemüthliche Gespräche über vorliegende Dinge, vom Rindfleisch kamen sie auf die Kühe und vom Kalbfleisch auf die Kälber u. s. w.Lustig wäre es gewesen, den Gegensatz zwischen dem jungen Herrn und den andern Männern, namentlich den Ausgeschossenen, zu betrachten. Der junge Herr schnabelte so hastig, als ob er in Furcht lebe, er möchte zu kurz kommen, und wenn er nicht rasch mache, so könnte nichts mehr da sein, oder ein strenger Blick der Frau Prinzipalin jage ihn vom Tische, ehe er satt sei.Die Andern hatten es nicht so, man sah es ihnen an,daß sie in voller Ruhe das Vertrauen hatten, es stehl nehs Niemere. Namentlich einer derselben aß mit einem Behagen, daß es eine Freude war, ihm zuzusehen; es lag in seinem Essen der feste Entschluß: kume nih nit hüt, so mache nih bis morn! d. h. kriege ich heute nicht genug, so esse ich bis in den folgenden Tag hinein,und ehe ich genug habe, höre ich nicht auf. Er nahm langsam, führte langsam zum Munde, kaute langsam,fchlückte langsam, legte und bygete alles z'weg, als ob es Jahrelang aufgebyget sein sollte. Er war daher beständig hintendrein, und als die andern schon beim Rindfleisch waren, war er erst beim Voressen, und als sie mit dem Kalbfleisch fast fertig waren, da reckte er erst nach Schweinefleisch und Sauerkraut. Aber das irrte ihn nicht, brachte ihn nicht in Hast, auf seinem Gesichte stand geschrieben: Machet ume, das ist mir doch glych, ihr werdet wohl warte, bis ih o ferlig bi.Wenn man ihn mit dem eilfertigen Herrn verglich, so hatte man zwei schöne Vergegenwarligungen, der lang[1469] samen Stabilität, die es sich behaglich macht auf der Welt, und der flüchtigen Beweglichkeit, die heißhungrig alles verschlingt, und doch nie recht satt zu werden scheint und alleweil mager bleibt. Es war auch recht schön, wie beide einander Blicke zuwarfen und innerlich sich gegenseitig auszäpfelten. Der Ausgeschossene lächelte, weil der Andere fraß wie ein junger Jagdhund. Friß du ume, dachte er, du wirst bald höre u mast nit halb e sövli wie nih.
Der junge Herr lächelte nicht weniger. Herr Jeses,wie der ißt, wohl, den würde die Frau Amischreiberin anders dressire, u de wurds neh no selber lere, wenn er ungesse vom Tisch müßt. Wenn er's bi üs so miech,so hät er nit z'Suppe gesse, wenn scho keis Stäubeli meh uf de Platte wär. Nei aber, so ha nih doch no Niemer g'seh. Das ist es rechts Bure Babi un überchunt dä weg niene g'nue. Und während der andere bloß für sich lächelte ünd zäpfelte, warf der junge Herr Blicke, bald nach diesem, bald nach jenem, und wollte winken und deuten, aber in keinem einzigen Auge lockte er Blicke des Verständnisses hervor, nicht einmal aus Eisi's Augen. Eisi war diese Weise zu essen nicht ganz neu, zudem hatte es den Schreiber auf der Mugge, es hatte ihm die Speisewirthin noch nicht vergessen, und auch die Frage wegen den Fünfunddreißigern nicht. Es ist nun nichts fataler, als Jemanden blicken und nicht verstanden werden, darum ward unser junge Herr verlegen, um diese Verlegenheit zu verbergen, aß er um so hastiger, und als er dieses sah, lächelte der andere desto seliger und aß um so behaglicher.
Den Herrn wurmte es, daß Niemand ihn verstehen wollte, und es ist, wie gesagt, nichts fataler als das Gefühl, nicht verstanden zu werden, oder nicht verstanden werden zu wollen, unter Larven die einzig fühlende Brust! Dem reise ich es doch, dachte er, denn sich rächen zu wollen, ist eine allgemeine, auch der fühlenden Brust zukommende Empfindung. Kaum hätte er den letzten Bissen hinunter, so daß er deutlich fühlte,noch einer habe nicht mehr Weite, so sagte er, er hulf [163] wieder drahi, es sei ihm, daß die Sache gefördert werde.Da blieb es stille am Tisch, kein Mensch antwortete,aber auch keiner that einen Wank. Das lästige Schweigen versüßte er sich mit einigen tapfern Schlücken, endlich sagte er doch wieder: Ja, es wär m'r doch recht,wenn in'r wieder drahi ginge, m'r hey fast nüt gmacht hüt noh, un es isch viel Arbeit.“ He ja, sagte endlich der behagliche Ausgeschossene, da alle andern schwiegen,er hätte nichts darwider. Sie seien schon um achte da gewesen, wenn man z'selbist hätt chöne afah, su hätts öppis möge ergäh, u de wo me g'meint heyg es gäbs,heygs du a dor Tinte g'fehlt. Wenn er das g'wüßt hätt, su hätt er mitbrunge, er hätte notti o daheim. Das sei von einem guten Kalb (das Fleisch, welches er aß), aber doch notti nit vo me ne so schwere, wie er letzte Zyste uf Langete g'führt heyg. Das gab eine lange Geschichte, während welcher er mit dem Essen noch weniger pressirte als vorher. Wahrhaftig, es fängt schon an zu dunkeln, sagte endlich mit ungeduldigen Geberden der junge Herr, welchen die Kälberverhandlung wenig interessirte, wir werden doch einist drahi müße. Da zog der eine der Schätzer die Uhr hervor und sagte; Jo wäger, scho meh as halbi feufi, da muß ih hey, yche gäh werde si wohl afe ha, aber träyche u melche muß ih selber u gäb ih hey bi, geyt no nes Wyltschi (kleine Weile). Ungäb ih syg da oder nit, ihr chönt notti furtfahre.“ „Selb nit, ih wott nit eleini „Sach mache u d'rby sy?, sagte der andere Schätzer Nach langem Märten ward endlich erkannt, mi well für hüt da blybe u de morn zytli furtfahre. Mit sellige Sachen könne man ohnehin beim Licht nicht viel schaffen, b'sunderbar wenn eim d'Auge afaye böse u me ke Spiegel bi nihm heyg.
Unser junge Herr wurde dabei nicht gefragt, die andern machten das mit halben Worten aus, sie yerstunden sich innerlich, und wenn man im Herzen einig ist, so braucht es der Worte nicht viel, um sich zu verständigen. Jede Sache hat eine gute Seite, wohl dem,welcher sie rasch bemerft, wenn sie ihm sich zuwendet,[164] er ist zum Diplomaten geboren, er wird Großes vollbringen in der Welt, d. h. es weit bringen, d. h. gute Pöstlein werden ihm allweg nicht fehlen. Während der Eigensinnige und Starrköpfige, der gar nicht begreift,daß man jede Sache wenden kann wie an einem Bratspieße und allemal was oben ist, am besten ist, wie ja auch unsere Erde gleichsam an einem Bratspieße läuft und es Mittags oben auf ihr am hellsten ist und am schönsten, wenn man nämlich was Gutes zu Mittag hat, sondern welcher was anders will, was eben nicht Oben oder nicht Trumpf ist, sein Glück beim Schwanz zieht, und mit Welt und Weltkindern beständig im Kriege liegen wird. Unser Jungherr hatte große Anlagen in diesem Fach, wenn man dieselben ihm schon nicht ansah, er faßte es rasch, wie komod es ihm wäre,wenn er die Lücken in seiner Instruktion, welche die Erfahrung ihm bemerkbar gemacht hatte, ausfüllen und namentlich bestimmte Weisungen vom Hrn. Amtschreiber erheben könnte, wie die Fünffrankenstücke zu berechnen seien, ob zu 35 Btz. oder nur zu 342/ Btz. In dem Fall, sagte er, wolle er geschwind heiin, der Hr. Amtschreiber habe es nicht gerne, wenn feine Subjckte außer Hause übernachteten, und jetzt gebe es es noch gar gut. Das Ding fand Widerspruch, wenn man morgen wieder erst bald um Zwölfi anfangen könnte, so wärs doch neue bös, sagte Einer und Eisi meinte, dir Amtschreiber werd wissen warum er sie lieber daheim habe.Aber V'rstand werd er doch o ha u bigryfe, daß, we me ume e Stung oder zwo a re Sach syg, e Sach laänger gang, as we me drahi gang, wies öppe o det Bruch syg u wofür me d'r Lohn heyg. D'rnebe choöͤn er mache, wie er well, es frag dem einstweile nüt nah.Unser Jungherr wäre vielleicht rückgängig geworden,wenn ihm nicht Aenneli Süßlächt lieblich vor Augen gestanden und der holde Spruch: chömet de zuche im zruckcho, in den Ohren geklungen hätte. Er ging, aber wegen Aenneli hatte er sich verrechnet, auch nicht zu einem traulichen Augenblicke fand dasselbe Zeit oder Lust,nicht einmal die Cigarre half es ihm anzünden; es [168] waren jetzt andere Majestaäͤten da, Sterne erster Größe,die ein so armselig Ding, das noch gar kein Stern war, höchstens ein kleiner Mond, der üm einen Amtschreiber lief, und von diesem alleine Glanz und Licht empfing, total verdunkelten. Er ward böse in seinem Gemüthe und wälzte in selbigem schwere Gedanken,erstlich über das ganze weibliche Geschlecht. Alle und eine seien doch gleich, dachte er, und eine so nichtsnutzig als die andere. Keine hätte Sinn so für einen rechten Menschen, voll Verdienst und innern Geist und hoher Bildung, der einen Begriff hätte von beiden Sprachen und wüßte was Weltsch sei, der eine so ferme Handschrist schrieb und schon hie Uund da was ins Amtsblatt gemacht hatte ohne Aufsatz, was doch gar mancher nicht könne, der meine was er sei, und d'Nase schon bald z'oberist hätte.
Die Gärnäseni liefen jedem Hosenbein nach, in dem ein Lieutenant stecke, oder sonst einer mit einem Titel,und wenn's am Ende nur Mauser wäre oder Lumper,und je mehr einer lumpe, dest besser gefalle er ihnen.Da innen seien Viele gewesen, ja fast alle, die nichts werth seien gegen ihn b'sunderbar innerlich, aber weil sie schöner daher kämen und titulirt wären, 3 oder 4 sogar mit Schnäuzen, so hätte er hintenab sehen können, und kein gut Wörtchen hätte das Gärnäst ihm gegeben. Dem wolle er es aber zeigen, dem wolle er nicht bloß gut genug sein, wenn es alleine sei und an A oder wenn es sein müsse, so gebe er dem Täschli kein gut Wort. Und warte das nur, bis er einmal sei, was er sein werde, dann wolle er dasselbe trabeln, daß es wisse, was irabeln sei. Dem wolle er dann seine Frau bringen, eine gebildete Tochter, so eine aus einer Sekundarschule, wo wisse wo der Murtensee sei, oder gar eine Weltsche, dann wollten sie das Lumpenmönsch, wo gar keine Bildung habe, nicht einmal ansehen, das müsse dann wissen, daß ein Unterschied sei, so wispen einem Stubenmeitli und Standspersonen. U we das de nit d'Finger abbyß, bis hinger a Ellboge, su well er hingerzi ga Rom laufe.[166]So wälzte unser Subjekt donnernde Gedanken in seinem Gemüthe, welche jedoch noch selben Abend in den frostigen Erörterungen des Amtschreibers abgekühlt wurden.
Wir wollen die ganze Geschichte des Inventarisirens nicht beschreiben, wollen beim Vorgeschmack es bewenden lassen, die Geduld könnte Manchem bei der Beschreibung so gut ausgehen, als sie bereits Manchem bei der Sache selbst ausgegangen ist. Nur Weniges Bezeichnendes müssen wir noch berühren.
Am folgenden Tag war man ziemlich früh beisammen, die Gewissen dine in etwas erwacht zu sein,indessen ganz besonders rückte man doch nicht mit der Sache. In einem Wirthshause gibt es der Sachen gar mancherlei aufzuschreiben, besonders wenn man im Kaufen, was einem in die Augen stach, eben nicht Schätzern nicht kunds, sie sagten oft, ih weiß my Treu der Sach ke Gattig z'gäh, ünd wenn Eisi sagte, was es glaube, daß die Sache gekostet habe, so duechte es sie gewöhnlich viel zu vielz; da gabs ein langes Werweisen, ehe endlich einer sagte: „he nu, su machit e sövel, es wird enangere nit übel b'schyße, u wes de scho meh gilt, su wird Niemere nüt d'rwider ha.“ Wenn aber auch die Sache ihnen bekannt war, so lief es doch oft nicht kürzer ab. Ein Schätzer hatie den Brauch, Vergleichungen anzustellen so oft er konnte,zwischen der Sache, wo er schätzen sollte und den eigenen Habseligkeiten, welche er daheim hatte. „Grade“! so eins haben wir auch, ume daß de üses viel z'brävere ist, d'r Großätti hets scho kauft, er het mängisch g'seit,es heyg neh ume soövli kost, un jetz ist es no emel phalb meh werth, weder das.“ Solche Vergleichungen dienten natürlich nicht in Eisi's Kram, es erkaltete daher sichtbar gegen die Schätzer und den, welcher so stark in den Vergleichungen war, trümpfte es oft nicht schlecht ab. „Es isch doch schad, sagte es, lebt dä Großätti nimme, wo sövli gut u sövli wohlfel het chöne chaufe,es mangleti neh Niemere bas as grad dir selber.“ [167]Dagegen schien eine Annäherung mit den Ausgeschossenen statt gefunden zu haben. Eisi begegneke ihnen freundlicher und sie achteten sich Eisi's Reden mehr.Wie das zugegangen war, ward nicht erforscht, aber der Abend wär lang, den sie alleine im Wirthshaus zugebracht hatten und dann müßte doch alle Bildung und aller Fortschritt nichts helfen, wenn eine Weltfrau wie Eisi an zwei Baurenmännlene nichts abbringen, ihnen nicht wenigstens imponiren sollte. Zudem sahen sie viel Sachen und glaubten vielleicht, wo so viel Sachen feien, müsse auch Vermögen sein, allweg die Sache nicht so bos, wie sie den Verdacht gehabt. Freilich Wein war nicht viel da, zum Verwundern leer waren die Fässer. Eisi entschuidigte dieß, indem es sagte, sie hätten viel bestellt, er hätte längist kommen sollen, es wisse nicht, wo er blelbe. Süst, meinte der abgetrümpfte Schaätzer, möge die Wyhändler nit warte, bis si schicke chöne, es isch neh o ums Geld, wenn si denke chöne,si üͤberchämte 's dppe inist. „Du wirst afe viel Wy kauft ha, sagte Eisi, daß de so gut B'richt weißt. Wirst meine , dy Wyhändler heyges o wie du, we de drü Mülttli Korn v'rkaufst u d'r Müller zahlt nit grad,fu leyst ja o enangere nah anger Schuh a, u laufst vo Hus z'Hus, gah B'richt yzieh, ob's ächt v'rlüre müßist, oder ob's ächt e Müglichkeit syg, daß de de nadisch chönist d'Hoffnig ha, daß de de öppe inist no zJählt werdist, gäb d'r jüngst Tag v'rrumpelt heyg.“Den gröbsten Hatz jedoch setzte es ab bei der Schatzung der Liegenschaft, welche man bis zuletzt aufgespart hatte.Eisi wollte für z'Guggersgewalt, daß man den Werth.nicht bloß nach den Kaufsummen bestimmen solle, sondern nach dazu schlagen, was man für Kosten damit gehabt. Zu diesen Kosten rechnete es aber nicht bloß das verbaute Geld, sondern es hatte auch an das verprozedirte gedacht, vo wege, we me nit grad das Gwerb g'hah hätt / su hät me nit muüͤße prozedire u wer's chauf,düß doch dem o viel rechne, daß d'Prozeß jetz abtha syge. Die Schätzer wollten aber kaum mehr hinauf zu der Kaufsumme, geschweige denn da hinauf, woran [168]Eisi dachte, auch gar nicht so hoch, wie die Liegenschaft worden, als Steffen den Schein hatte fällen lassen. Damals hatte man einen muthmaßlichen Werth im Auge, von dem keine Rede mehr war und nicht den wahren Werth. Item die Speisewirthschaft drüben lief jetzt ordentlich, item die neue Straße war noch nicht gemacht, und da der Ingenieur geändert hatte, so war mit Grund zu vermuthen, daß mit einem neuen Gelehrten auch eine ganz neue Gelehrsamkeit,neue Grundsätze und Ansichten aufs Tapet kommen würden, ja die Gnepfi ganz und gar abgefahren werden könnte, in welchem Fall sie dann wirklich dienlicher zu einer Waldbruderhütte, als zu einem Wirthshaus wurde. Das alles begriff freilich Eisti nicht, darum that es wüster als nie, weil es erst jetzt recht deutlich sehe, wie man es ihm machen wolle. Es zwängte aber nicht viel. Es komme ihm sövli nicht darauf'an, u müglich sygs ja, daß die Schatzig doch nit viel Fbidüte heyg. 40 Krone chön er no helfe zuchemache, ume daß Eisi si nüt z'rchlage hät, meinte der eine Schäher. Ih pfiff d'r uf dyni 40 Krönleni, sagte es, du wotsch mih für e Narr ha, aber ih sötts nit merke, u d'r no grüseli danke; aber dä Kehr bist a d'r Lätze. Es gebe aber Einen, der werde ihnen schon den Märsch machen.
Endlich, als Alles, was man finden und auftreiben konnte, auf dem Papier war, fand es sich, daß, wenn man das halbe Weibergut, dessen Nachgang erklärt war, abrechne, noch Vermögen heraussah und z'halb mehr würde es gegeben haben, wenn sie nicht geschätzt hätten wie Schelmen und Spitzbuben, sagte Eist seinen Vertrauten.
Sie könnten jetzt sehen, wie die Sachen stünden,sagte Eisi zu den Betheiligten, und daß es keine Rede sei, daß es hier nicht fortfahre, darum hoffe es, man werde es jetzt nicht mehr so wollen eingänterle, wie bis dahin; es werde jetzt doch ungenirt gehen können über Geld und Wein und alles was es öppe nöthig hätte. Das sei in einer Wirthschaft nicht wie öppe in einem Bauernhaus, wo man nichts mangie als aü Tag
[169]Erdäpfel und alle 7 Jahr, wenn's gut gang, einen frischen Anzug an die Betten. Da komme alle Tage etwas Ung'sinntes vor, wo man nicht Zeit habe des ume z'gumpe, u de no grusam ahah sött, für das, wo sy so a d'Gnad vo me ne Schnürfli möge es nit cho.„He, wie es herauskömmt, Frau, weißt du noch nicht, es frägt sich, ob alles da ist, was ihr schuldig seid, ich zweifle, wart ume, das wird sich bald erzeige.Es ist mir, ich hätte einen Ton gehört, wo was anderes sagt“, sagte der bösere Schätzer. „Du wirst manchen Ton horen, während der Tag lang ist, sagte Eist,dawider bin ich nicht, aber ob der Ton von einer Kuh kömmt oder von einem Menschen, selb merkst du nicht,dafür sind deine Ohren nicht gereiset. Einmal dir sind wir nichts schuldig. Gottlob, wenn wir dir einen Kreuzer schuldig gewesen wären, du wärist Tag und Nacht vor der Thüre g'hocket, wie d'r best Hushung, bis de neh g'ha hättist.“ „Nit, nit, sagte der andere Schätzer, das chunt neue afe wohl grob, un es wär dir nützer, Wirthi, du zugist d'Pfyffene chliseli y, allweg weißt du no nit, wies chunt.“ „Selb wär g'späßig, sagte Eist, wenn ih das nit wüßt, wer sötts de wüsse, u de heyt dir ja alles ufem Papier.“
Eisi wußte gar wohl, daß das nicht so war, es kannte einzelne Ausstände ganz genau, aber kurios ist es, wie der Mensch selbst Dinge, die er weiß, sich ausreden, oder besser gesagt, ganz vernütigen kann. Eist machte sich selbst weiß, was nicht auf dem Papier stehe,das mache nichts, das wüßte ja Niemand und selb brauche auch Niemand zu wissen. Halb dachte es, es werd vergessen, halb hoffte es, wenn es mit den Leuten ein, sondern kämen an ihns und sein Versprechen. Kurz, kurios waren Eisi's Gedanken, Iw durcheinander, das bloß stand fest und klar vor ihm: es wolle Wirthin auf der Gnepfi bleiben, die nächsten Verwandten möchten ihm das nicht gönnen, aber wenn es sich v'rflucht wehr u z'Wustist alles mach, su heyg [170]das ke Noth, V'rmöge syg allweg g'nue da, u was da syg, syg sys, u mit dem chön es mache was es wolle,da heyg ihm ke Hung nüt z'bifehle.
Alles nun, was dieser Ueberzeugung widersprach,seien es Menschen oder eigene Gedanken, eigenes Wissen,trümpfte es verflümert ab, und wies es kurzweg von der Hand. Dieser Gemüthszustand scheint wunderlich,fast ünnatürlich, und doch, wenn die guten Leute ihre Vergangenheit erlesen wollen, so werden die Meisten finden, daß derselbe ihren eigenen Ersahrungen nicht fremd geblieben ist.
Als der bessere Schätzer Eist auf so hohem Rosse sah und mit scharf eingelegtem Sper, so sagte er: „He nu, sei das jetzt wie es wolle, so geht das mit dem Wein und überhaupt mit dem Yhb'schließe üs weneli oder nüt meh a, das ist z'Massaverwalters Sach. Wenn der dich üͤber alles lassen will, so kann er unseretwegen,das ist seine Sache, wir haben ihm da nichts zu befehlen und nichts zu verbicten.“ „Das wäre g'späßig,wenn das nicht an euch wäre. Ich habe mit' ihm geredet, und er hat mir gesagt, wenn iht und die Ausgeschossene ihm ume es paar Buchstabe welle gäh uf Stempel, su mach er was me well, es syg de nit öppe,daß er Freud dra hätt, mih z'plage. Un ih ha nihm wohl ag'seh, daß es ihm so gsi isch, vo wege er isch e brave Ma, es wäar wohl gut, es wäre all e so.“
Dawider hätte er nichts, sagte der Schätzer, er sei ihm ganz der Rechte, und wenn die Ausgeschossenen den Massaverwalter autorisiren wollten, so sei es ihm ja recht, aber wie gesagt, Seye gehe es nichts an, sie seien nichts als Schätzer.
Dawider würden öppe die Manne nichts haben,meinte Eisi, sie könnten ja jetzt sehen, daß da nichts Gefährliches sei, wo noch so viel Vermögen zum Vorschein käme.
Das duech Seye wunderlich, daß sie da sollten autorisiren, das sei sonst neue nicht der Brauch. Allweg thäten sie es nicht von sich aus machen, sie müßten es erst der Gemeinde vorbringen, wenn dann die [] 174 eintrete, so könne es ihnen auch recht sein. Als nun Eisi gegen diesen Aufschub protestirte, weil auf diese Weise hm die Sache eingeschlossen bliebe, es wisse kein Mensch wie lange, denn bis die Mannleni d' Müh nähmten, z'säme zistopfe, gehe es manchmal lange, und es habe sich verflucht und verschworen, so eingänterle,wie wenn nichts sein wäre und es zu nichts was zu sagen hätte, lasse es sich nicht, da fand unser junge Herr passend, seine Stimme zu erheben und Eisi zur rdnüng zu weisen. Er hatte Eisi bedenklich auf die Mugge gekriegt, denn Eisi hatte ihn immerfort mit schnoder Verachtung behandelt und ihn in das schlechtefie Bett gelegi, welches es im Hause hatte; er wollte das Ding ihm jetzt eintreiben.
Es werde sich dem Gesetze unterziehen müssen, wie alle andern Weiber auch, wo ganz andere Vermoögen aufzuweisen hätten. Die Gemeinde könne und werde nicht eintreten, sie hätte dem Massaverwalter nichts zu ersauben und nichts zu verbieten, das Gesetz spreche darüber deutlich, und wenn der Massaverwalter was wolle, so wisse er, an wen er sich zu wenden habe,sonst solle er nur das Gesetz lesen, in denen und denen Paragraphen stehe es deutlich, ein Kind könne es begreifen.u mi duecht de, sagte Eist, das ging euch nüt a,u das söttet d'r begryfe. Wenn die Manne wey, su heyt dir nüt d'rnah zifrage, dir syt nüt as e Schryberdiener, un no vo de mingere eine, u de no lang nit dene Manne Vogt, u brüchet ihne nüt ga vorz'cheue,was si ythue oder nit z'thue heyge, die werde öppe, so Goit wül, witziger sy, as daß si vom ene King manglete b'richtet zͤwerde.“ Unser Herr war, wie gefagt,noch wohl jung, hatte noch keine Nase wie das Rhynozeros ein Horn, das bekanntlich nie roth wird und vor nichts erschrickt. Er ward böse, die Lust zum Aufbegehren fehlie ihm nicht, bloß das Courage dazu und vergessen hatte der Amtschreiber ihn zu infiruiren, wo er allfallig aufzubegehren hätte, wo aber nicht; er sagte daher bloß: „Ih wott dem Manne gar nit bifehle, ih [172]ha bloß g'seit was im G'setz ist, d'rnebe choöne si ja mache, was si gut finde, dry mifchle ih mih nuüt.“ Selb wird z'best sy, sagte Eisi, es duech ihns, er hätt zu ihm selber g'nue z'lüege, un zG'satz werd ihn öppe weni agah. Wenn er schryb, was me ihm bifehl, su werd er öppe nah weni angerem meh z'frage ha. Da stach unsern Mann denn doch das Puntenöhri, die Amtsehre. „Verzeiht, Frau Wirthin, da seid ihr falsch daran, wir müssen das Gesetz keunen, und alles was wir machen, müssen wir nach dem Gesetz machen und eben auch dazu sehen, daß alles nach dem Gesetz geht.“„Oeppis dumms e so, sagte Eisi, da wurd iner de sellig schicke! Unde duecht mih'no, wenn selb wär, su söttet dir de z'erst bi euch selber luege, daß es nam G'satz gang, u daß de Lüte nit z'halb meh g'heusche wird as recht isch u g'hudlet ganz Nächt, daß me z'letzt nit weiß, weles die größti Saü ist.“ „Frau Wirthin, sagte unser Männchen, was mir heusche z'halb meh as recht ist? das kann ich nicht so annehmen, das ist g'schulte,ih v'rmahne, iht Männe.“ „Siebemal cheut ihr v'rmahne, we d'r weyt, sagte Eisi, das den Rummel in solchen Sachen aus Erfährung wohl kannte, aber ih ha nit g'seit, dir heuschet z'halb ziel. Was zum Tüfel wettet dir o z'heusche ha, so eine wie dir, ist froh,wenn ihm Niemere nüt heuscht, ihm nit usem e niedere Hus eine oder eini nah springt u d'Hang dar het.“
Das stach, jetzt ward er wirklich zornig und sagte:»Was, es lauft mir aus jedem Haus Jemand nach und heyg z'heusche. Das ist nicht wahr, ich vermahne noch einmal.“
„Putzit doch z'erst d'Ohre u trochnet se, eh d'r v'rmahnit, sagte Eisi, sust säge die Manne, dir syget ume e Stürmi üͤ lache ech us.“ Ja lueget ume, es lächeret allsame, daß d'r da vom G'sat b'richte weyt, un es eifalts Wybervölchli het ech am Hag, u weiß, was zG'satz erlaubt z'rede u was V'rmahne ist. Es duecht mih, mi sött am Amtschryber slah zwüffe thue, wenn er ke Witzigere z'schicke heyg, su sött er es angermal selber cho.“ Das sagte Eisi laut, was es aber im
[173]Hituesehen brummte, daraus wußte man nichts zu machen.
Unser Herr fragte zwar rund um: „was seyt siwas het si g'seit“, aber alle sagten, si heyg neuis brumlet, selb heyge si g'hört, aber v'rstange, daß si öppis drus mache chönte, selb heyge si nit.
„Aber vorhin hat mich die uv'rschante Frau gescholten, daraus wird doch wohl etwas zu machen sein, so kann ich das doch nicht annehmen“, sagte er.
„Ih wett das lah g'rathe, sagte Einer. Es ist es Wybervolch, u dene isch si nit viel z'achte, am beste chunt me mit neh furt, we me thut, als hätt me nit g'hört, was si g'seit hey. U de wurd me us dene Worte öppe nit emal viel chöne mache, si het nit g'seit,dir syget alle Lüte schuldig, bloß dir syget froh, we si euch nüt heusche, u nit daß dir z'viel heuschet, bloß söttit dir erst bi euch luege, u das het gar es wyts Mul, daß nit viel g'heusche wurd. Das isch e schlimmi Frau, ih chas eym fäge, die cha eim ungere reke, daß me möcht nah Gott schreie, u F'best isch doch, mi thuey nit emal d'rgiyche, daß mes g'merkt heyg.“
„U doch“e Dummi, sagte der erbitterte angehende Herr, sie kennt von keinen Gesetzen nichts, und will in keine Ordnung sich fügen.“ „Was weyt d'r, sagte der Schätzer, es ist es Wybervolch, u si heys my armi Thüri, alli so. Was hey die de Gesetze nahz'frage, die gange se nüt ah. Si heys mit em zwänge, zwänge ist ihres G'satz, u was si zwänge chöne, das ist recht.Da ist nüt angers z'mache, as d'r Mähre zum Aug z'luege u se öppe im G'läus zepha, nüt lah zwänge,as was me gern will, d'rnebe lah feufi grad fy.“
„Es mahnt mih dra, sagte ein Ausgeschossener, üse G'richtsäs chenn z'Sach, het er öppe selber wohl e Handligi?“
„Ebe nit, antwortete dieser, gar e keni ha nih, drum cha nih am beste öppe e unpartheyischi Meinig abgäh.E V'rhürathete darf nimme säge, wies ihm ist. Er hets grad wie e Landjäger mit sym Regierungöstatthalter, gäb wies ihm ist, muß er neh doch rühme.“[174]
Kurz, unser gute junge Herr mußte seinen Zorn verwerchen, da war Niemand, der ihm Hand bieten wollte,die Wirthin anzugreifen. Da erfuhr ers praktisch, daß er im G'satz nicht vollständig beschlagen sei, aber noch viel weniger in der Welt Läuf und Gäng. Da ist nicht bloß der Stärcher, sondern der Meister, welcher der Stärkere scheint nicht im Recht und in der Gerechtigkeit, sondern in irgend einer irdischen Macht, im Geld,im Maul, in der Faust, in der Frechheit un s. w. Der wird wohl Recht haben, denken die, wo schwache Gedanken haben, der dürfte sonst nicht so aufbegehren;der ist e Ruche, es ist besser, man komme dem nicht in Weg, denken die, wo die eigene Haut lieben; der hato dem tüfels lustig g'macht, die müß me no meh z'säme reise, denken die, welche Bosheit im Leibe haben und Freude daran, wenn Menschen oder Hunde sich eißen.
Und diese Läuf und Gäng findet man nicht etwa bloß unter den barfüßigen Gassenbuben und Mistauflesern, nicht bloß ein jung Schreiberlein, ohne Namen und ohne Klang, erfährt sie einer rauzigen Wirthin gegenüber, die sind gäng und gäb in höheren Regionen,denn wo steht geschrieben, daß die feingekleideten oder hochbetitelten nicht noch unterm Balg den Gassenjungen bergen? Es wollen Viele ganz bestimmte Erfahrungen zu müssen, wo man das Recht ganz bestimmt auf feiner Seite weiß, thut allerdings weh, indessen muß so einer denken, er sei noch nicht auf der Höhe der Zeit.Ein sehr hoch geschnäuzter Mann hat juüngft an einem Ort, der sonst moralisch berühmt war, wo sich aber Spangrün angesetzt zu haben scheint, gefagt, das Wort „legal“ sei ein relativer Begriff. Es war kein Jesuit,der das gesagt hat, sondern gerade das Gegentheil; aber bekanntlich berühren die Extreme sich. Indessen eben von dem geschnäuzten Hecht (fast hälten wir im Verschuß Held geschrieben) moöchte das Wort gelten;
Vater vergib ihm, von wegen er wußte nicht, was er sagte; denn möglicher Weise moöchte es ihm stark vor[178] kommen, wenn er nicht bloß eine relative, sondern bestimmte Erklärung über die Worte: „legal, Begriff,relativ! geben sollte, d. h. auf der Stelle, ohne daß er irgendwo nachschlagen, oder irgend Wen fragen koöͤnnte.Sei dem jedoch wie es wolle, Recht hatte er allweg,denn für relativ wird der Begriff „legal“ wirklich gehalten an sehr vielen Orten und bei vielen Menschen,ünd besonders da wo Spangrün sich angesetzt hat an den Wänden und in den Herzen. Relativ legal handelt jeder Sauniggel, der Gunst hat, denn er wird nicht gestraft, sondern befördert, legal ist jede Ungerechtigkeit, jede Schlechtigkeit, jede Lüge, sobald sie entweder den Schutz der herrschenden Macht hat, oder von der herrschenden Macht selbst ausgeht. Gottlob, vor solchem relativen legalen Sauniggelihum schützt uns die Verfassung! Ach großer Gott, wir arme Sünder haben schon als kleine Kinder deinem Willen widerstrebt, daß wir jetzt vor deinen Augen alle Tage minder taugen;so können aber die singen mit dem ralativen Begriff,die keine Verfassung haben, höchstens eine Staatsmoral.Doch was sagen wir. Die Leute mit dem relativ legalen Begriff, die werden auch nicht mehr solche Gesange haben, sondern freisinnige Gesänge, ungefähr wie sie in Baseiland freisinnige Gebete erkannt haben. O Herrgott, vergib doch solch freisinnigen Unverstand, gib hnen den Verstand, daß wer nicht demüthig beten wolle,der gar nicht mehr beten solle; wehre, o Herrgott, dem landfchaäftlerischen Beten!
Aber eben auf dieser Höhe der Zeit war unsere liebe junge Seele nicht, begriff ihre Stellung nicht, die Klugheit der andern nicht, sondern ward, grimmig im Gemüthe und wälzte schwere Gedanken. So manchen Tag,dachie er, hätte er den Leuten gedient und ihnen geräthen, wenn sie am Haag gewesen, daß ihm selbst fast der Verstand darob üusgegangen, und jetzt am Ende diesen Dank davon! Aber warien die nur, denen wolle er es eintreiben, wenn er einmal z'Platzg komme, die dummen Kerls wüßten noch nicht, was so aus einem Schreiberlein es einmal geben könne. Einstweilen aber,[176]bis er äußerlich was geworden, Gerichtspräsident oder gar Landammann, halle er es bei ihnen nicht aus, er wolle und müsse unter gebildete Leute, welche die Bildung und die Kenntniß zu würdigen wüßten, hätte man einen Rock an, was für einen man wolle, eigene oder geliehene Hosen und fei man gewaschen oder nicht gewaschen. Unter solchen Leuten werde er seinen Weg machen, und solche Leute gebe es gottlob, und je näher er der Regierig sei, dest mehr Hoffnung sei für ihn,erkannt, hervorgezogen und gewürdigt zů werden. Ei ward ordentlich beredt in seinem Zorn, doch wohl verstanden, bloß innerlich, nicht äußerlich, und weun ein Anstand kam, so salbete er fein Gedankenrad mit Weinbis es wieder in Schwung kam. Begreiflich hat abet auch die schönste Rede ein Ende und! hintendrein ein Punktum. Als unser junge Herr bis zu demselben gelangt war, stund er auf, griff nach dem abgestandenen Ridiküle der Frau Amtfchreiberin, das nun in Staats dienst übergegangen war, weil es privatim nicht mehr taugte, und packte ein, alles was er laut Instruktion mitnehmen sollte. Auf die Mahnung, er solle nicht pressire, er komme noch immer heim, Fäb er keine Amwort, sondern nahm kürz Abschied, wie es jungen empfindlichen, schönen Gemüthern eigen ist und Eisi übersah er ganz.
Aber Eisi war eine Weltfrau, wie bekannt, konnte sich fassen. Zudem gibt das Siegsgefühl zuweilen den Anstrich von Gutmüthigkeit. „He he, sagte es, als der junge Herr ohne Abschied von dannen wollte, so wey m'r doch nit vo neh nangere, das waär si doch dor werth, taub z'sy über e angere wege es par Wörtlene.Seh kömit, m'r wey no G'sundheit mache, ih ha da no e Maaß bessere brunge, we si in'r scho alle vermacht u versigelt hey! Seh chömit u thüt B'scheid un es augersmal redet ame ne arme Wittfraueli z'best u nit z'böst, sust geyts nit gut i d'r Weit u dir werdit doch nit euer Lebtig ume so e Schryberdiener welle blybe.“Er mußte Bescheid thun, er möchte wollen oder nicht,aber den Groll vergaß er darob nicht, nichts verletzt [177] solche Gemüther giftiger, als eine Ueberlegenheit, die einem entgegentritt, wo man seiner Stellung nach sich überlegen glaubt, eine Ueberlegenheit, die man legal zu überwaltigen keine Kraft in sich hat.AVD auf und jeder Schritt den er that blies ihn stärker an.Nur war er zornig über sich selbst, daß er der dummen hochmüthigen Frau nicht erstlich die Kutteln gewaschen und zweitens ihren gelben geschwefelten Wein, wo ihm ganz wunderlich mache, ins Gesicht geschüttet hätte. Es dünkte ihn je länger je mehr, es werde ihm ganz schlimm, und wenn er nicht was mache, so hätte er vielleicht morgen Kopfweh und wie dann, das wichtige Geschäft die Erstlinge seiner Weisheit ins Reine bringen? Wenn er vielleicht noch was nehmen wuüͤrde, so würde ihm das wieder wohl machen, dachte er. Erst dachte er an kaltes Wasser, aber das mache gerne den Husten und b'sunderbar im Winter und so ins Laufen hinein, dachte er. Oeppis muß doch sein, dachte er,aber während dem, Werweisen war er bei mehreren Wirthschaften vorbeigekommen und er kannte keine mehr als die wo Aenneli Süßlächt Schenkkönigin war. Dem Säumeitschi thät er's nit zG'falle, dachte er, es könnte sonst gar meinen, er käme seinetwegen; aber Wunder nähmte es ihn doch, was es für ein Gesicht machen würde, ob es ihm vielleicht nicht leid sei, daß es grob und mutz mit ihm gewesen, er brauche sich ja seiner auch nicht zu achten, und schnauze werde er zuletzt auch können, wenn es sein müsse; ja gerade, wenn er gehe,zeige er, daß ihm so an einer Gärnase nichts gelegen sei.Die Logik war nicht schlecht, wie überhaupt die meisten Menschen stark in der natürlichen Logik sind, d. h. mit bündigen Schlüssen beweisen können, daß sie gerade das um der Vernunft oder um der Religion willen thun müssen, wozu sie eben am besten aufgelegt sind oder durch fleischliche Lüste getrieben werden. Diese Logik ist nicht bloß gut, sondern sie trägt zumeist auch den Sieg davon, was sie bewiesen hat, das führt sie auch aus;so that sie auch bei unserm jungen Herrn, gpe sich auch [178]der alte dreitägige Groll gegen sie auflehnen mochte. Ja er entschloß sich, z'grob machen wolle er es nicht, er bigehre nicht, daß es öppe z'teuf gryff, u so bi me ne Meilschi chön me nie wüsse; er heyg scho mängisch g'hört, so Meitscheni syge gar zarti Wese, obschon me der Amtschrybere u d'r donstigs Wirthi nit ag'seh sött,daß das o zarti Meitscheni gsi wäre.
So trat unser junge Herr in Gedanken wohlgerüstet ein. Er sah zu seinem Schrecken akkurat die gleichen Majestäten da wie das vorige Mal, und b'sunderbar alert und lustig Aenneli Süßlächt unter ihnen herumfchwirren und 'gugeln mit ihnen. Das verletzte ihn schon, indessen faßie er sich, trat näher und ohne Gruß saqte er: er möchte einen halben Schoppen und für einen halben Batzen Zuckerwasser. Aenneli wandte sich schnippisch und spöttisch ihm zu und sagte: „Oeppis dümms e so! Ih ha myr Lebtig no Niemere für e halb Batze Zuckerwasser gäh!“ Aber er wolle drum grad für esövel, meh mach ihm nit wohl, antwortete unser Herr.„He mira, sagte Aenneli, mi chas mache, aber öppe Füfels süß wirds nit sy.“ Als es die Sachen brachte,fah es die Majestäten spotten und lachen, und wenn men Beifall weiß, so juckt es einem gerne zu einem Witz (habs selbst erfahren, sagte einmal ein Gelehrter).Da habt ihr aber das schöne Säckli bei euch, was eme Säckli des ume z'laufe,traget d'r öppe der Frau Amtschrybere d'Eyer z'säme“,frug das schnippische Aenneli und rieb vor ihm stehend rüftig die Hände. „Nei, Jungfer Süßlächt, sagte er zornig zum zerspringen, das schickte sich besser für euch als für mich, dir würdet ech o besser druf verstah als ich.“ „Das wär no d'Frag, sagte Aenneli, u de we dirs nil vorstundet, su wurd ech Die öppe scho b'richte,die söll ech neue brav i d'r Kur ha, heißts?“ Was nit i fys Fach g'höre, sagte er, da lay er si nit b'richte und er heyg wichtigere G'schäft als so. „He nu so de,mira“, fagte Aenneli kaltblütig und wandte sich kaltblütig den Majestäten zu.
Es wolite unserm jungen Herrn fast den Kopf oben [179] absprengen vor Zorn, davon nahm Aenneli keine Notiz,es schäkerte und lachte, und, wie unser Herr Ursache hatte zu meinen, über ihn. Er trank sehr langsam, weil er hoffte, Aenneli werde in seine Nahe kommen, dann wolite er ihm was verfluxt uverschants sagen, das es sein Lebtag in der Nase hätte; er sann stark darüber nach, allein weil es nie kam, so hinderte ihn die Täubi am denken. Endlich gings ihm doch zu lang, er frug was er schuldig sei, aber zweimal mußte er fragen, ehe Aenneli es einmal hörte, endlich antwortete es ihm aber nur so über die Achsel aus der Mitte der Stube,dieweilen es eben mit einer Majestät sprach. So mußte die arme Seele gehen, ehe er was recht uv'rschants ersinnet und angebracht hatte, und beteute bitterlich die Logik, welche ihn hiehergebracht und die zwei Batzen welche er verthan hatte, u hell z'unutz, denn das heyg ihm du erst nit wohl gemacht.
Ume eys syg, daß neh trösti, dem Täschli heyg er eys g'längt, es heyg lang dra g'worget, er heygs wohl g'merkt, wenn's scho nüt derglyche tha heyg. Nei,Jungfer Süßlächt, heyg er ihm g'seyt, das schickti st besser für euch as für mih. Ume schad sygs, daß er ihm das nit heyg chöne säge, wo er heyg welle ersinne, das wär no viel v'rflüchter gst.
Wie Eisi auf das Venefizium den Krapel kriegt und zu interessanten Aufschlüssen kömmt.Das BenefiziumInventari lief also und der Amtschreiber schrieb Briefe so viel er konnte, das Stück zu 1 Btz. Doch war er ärgerlich, dieser Posten gab bei weitem nicht aus wie man hätte erwarten sollen, dieweil eben im Hausbuch nicht viel aufgeschrieben war,und gar oft die Namen der Betreffenden unkenntlich;ein ärgeres donstigs Hudelbuch sei ihm sein Lebtag nicht unter die Finger gekommen, sagte er.[]4,80 Eisi lebte während dem Verlauf nicht übel z'weg.Die Siegel wurden ihm freilich nicht abgenommen, aber eben besonders scharf war der Massaverwalter nicht.Den Wein, den er ihm zumaß, mußte es ungefähr im Ankaufpreis bezahlen, beim Verwirthen blieb ihm also immer ein Stück Geld in der Hand. Im Nothfäll kannte es in den Fässern Zügeli, an die der Massaverwalter nicht dachte, von denen er wahrscheinlich nichts wußte. Was ihns am täubsten machte, das waren die Gumene, über die ließ es lange Zylete ab,daß man ordentlich Angst kriegte, es hänge alles aneinander, es könne nicht mehr aufhören, bis es ersticke.Von den vielen, die sonst zu ihnen gekommen waren,zeigte sich selten einer mehr in seinem Hause. Dagegen hatte es den Zorn, sie in der Speisewirthschaft vorfahren zu sehen, mußte sehen, wie die Wirthin sie freundlich und zärtlich empfing und manchmal nach Stunden erst und dann noch zärtlicher und freundlicher verabscheidete. Das konnte es fast nicht vertragen, es dünkte ihns manchmal, es müsse erworgen. Däs wären jetzt die Herrchen, die so schön gethan hätten, so treuherzig, als ob es ihnen nicht ums Geld sei, sondern nur um ihre Freundschaft, als ob Steffen und absonderlich Eist ihnen die liebsten Leute seien auf dem ganzen Erdboden. Das waren die, denen Eist so gut aufgewartet, so wenig gefordert hatte, die manchmal so gnietig wurden nach Mitternacht, sürfelten und stürmten, und doch nicht zu Bette wollten, denen es so oft mit Kamillenthee helfen mußte, oder mit einer sauern Leber den sturmen Kopf, und schlechten Magen doktern. Die alle fuhren vorbei und sahen nicht einmal hin, thaten drüben schön die und Titel kamen dann aus Eisi's Mund, so lang und saftig, fast wie Bandwürmer.
Und wenn zuweilen auch einer sich bei ihm zeigte,so that er so fremd und unheimlich, hatte weder Ruhe noch Bleiben, that als ob er krätzig wäre oder gestohlen hätte, fragte wunderliche Sachen, und wenn Eisi ihn fragte, warum er den bestellten Wein nicht sende,[181] so hatte er Ausreden, und wenn es ihm vortrug, was sie ihm etwa noch schuldig sein möchten, das solle er nicht angeben, es wolle ihn nach und nach bezahlen,es solle ihm nicht fehlen, so brümmelte er verblümte Redensarten, aus denen Eist wenig machen konnte die Weltschen sagten sogar oui, oui, Madame, n'ayez pas peur. Dann machten sie sich nach einem flüchtigen Viertelstündchen und einem lumpichten Halbenschoppen fort und wohin? hinüber in die Speisewirthschaft,saßen dort Stundenlang und verhandelten es wahrscheinlich und lachten es aus. Wenn das nicht ist für einer Frau das Herz abzudrücken, so weiß ich nichts mehr, das gut wäre dafür. Andere Freunde machten es ähnlich, solche, die sonst da gesessen hatten, bis nach Mitternacht, alle Tage, zeigten sich selten mehr, kaum einmal in der Woche, und die, welche in der letzten Nacht mit Steffen gespielt hatten bis nach Mitternacht,die sah man, wenm's dunkel war, nie mehr in diesem Hause, hie und da zwickte einer derselben rasch einen halben Schoppen bei Eisi, aber selten.
Was das für ein Leben, für ein Dabeisein ist, und namentlich für eine Frau, und zwar für eine hochmüthige, hoffärtige, heißblütige, wenn sie nicht bloß sehen muß, wie die Leute sich von ihr wenden, sondern wenn sie sehen muß, wie sie gegenüber bei ihrer Todfeindin einkehren, dort sitzen und bleiben, einen lieben langen Abend durch, während es öde und einsam bleibt im eigenen Hause.
Was das für ein heißes, bitter Sitzen ist, einen lieben langen Abend durch, in weiter öder Gaststube,alleine mit seinem Zorn, seinem Groll, drüben aber, in des Feindes Haus, erleuchtete Fenster und hinter denselben ein bunt Gewimmel.
Was da für Gedanken auf- und niedersteigen müssen,von 5 bis 10 Uhr, einen langen Winterabend durch,beim düsterm Schimmer einer verglimmenden mageren Kerze. Das sind nicht Engel, welche aus offenem Himmel auf und niedersteigen, das sind schwarze,trübe Schatten, welche an der Seele vorüberstreichen,
[182]Gespenster, die durchs öde, schwarze Moor schweben,ein Grauen der Wanderer. Was so ein arm verlassen und doch hoffärtig und hochmüthig Weib alles sinnen muß in öder Einsamkeit, wie da Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft, sich durcheinanderschlingen, dreien Schlangen gleich, die grausig durcheinander gewunden,sich ringeln um einen zuckenden Menschenleib und dreiköpfig ihm ins Auge züngeln. Wie es da vor ihm aufsteigt, was alles da gewesen, und wie schön es gegangen, und wie viel Gutes man dem erwiesen, und wie viel Geduld jenem, und wie die es jetzt machten,wie sie jetzt noch Freude hätten, mit den ärgsten Feinden zusammenspielten, und was sie einem noch alles thun würden, wenn sie könnten, und wie daran Niemand schuld sei als der Mann, der gestorben. Der sei ein Löhl gewesen, hätte sie da hinein gewerchet, allen Leuten geglaubt, nur der Frau nicht. Aber warten die nur, es komme auch eine Zeit, wo man denen daran denken, es eintreiben wolle, daß sie daran zu denken hätten ihr Lebenlang. Und bei diesen bestimmtern Gedanken dann doch einem formlosen Nebel gleich, einer schwarzen einförmigen Wolkendecke, ein düster Bangen,wie es kommen werde, ob man durchschlagen könne durch die vermeintlichen Feinde, oder ob man z'Boden müsse, ungerecht durch Uebermacht und Spitzbüberei bezwungen. Das alles sind heiße brennende Gedanken,züngelnde Schlangenzungen, ein Verzehren in Rachfucht und Zorn, eine geistige Höllenpein. Von der eigentlichen Reue, der Einkehr in sich selbst, dem Erkennen der eigenen Schuld, dem tiefen Weh über sein eigen Wesen, ist dabei keine Spur, darum ist auch kein rechter Trost da, bloß ein öder, in die Luft gebauter,der auf Hoffnungen der Rache ruht, da ist kein Erheben des neuen Menschen aus dem von Thränen der Reue erweichten und befruchteten Seelengrund, da ist nichts als ein verzweifelnd Umsichschlagen eines Geschöpfes, das in den letzten Zügen liegt, das blind nach dem Aste schlägt, an dem es sich retten könnte, aus dem gähnenden Abgrunde, wenn es ihn ergreifen würde,[133] statt nach ihm zu schlagen. Man denke sich nun einen solchen heißen glühenden Gedankenstrom, einem glühenden Laväflusse vergleichbar, der alle Tage zur nämlichen Stunde heraufrauscht, brennend und sprühend durch die Seele strömt, oft erst in den ersten Morgenstrahlen verglüht, man denke, wie tief der sein Bette sich ausbrehnt, wie dürre die Seele werden muß, wie glühend die geistige Höllenpein.
Wenu dann schon zuweilen ein paar Schnapsbrüder kamen und an einem halben Schoppen Herdöpfler einige Slunden lurggeten, so war das nur Oel ins Feuer,und heißer und mächtiger rauschte der feurige Strom durch Eisi's Seele. Die verthaten in 4 Stunden vielleicht 4 Batzen, an den 4 Batzen hatte es einen Batzen Profit und dabei fast für so viel Licht gebraucht, das war seine Herrlichkeit, vielleicht einen Kreuzer Gewinn selben Abend und drüben glänzten 2, vielleicht 6 Lichter und hinter denselben ein bunt Gewimmel.
Wenn gar Niemand da war, dann kam wohl Anne Liseli hinein, schmiegte an die Mutter sich und sagte endlich: „Ach, Muetti, es ist m'r wieder so Angst ume Aeiti weiß nit warum, aber fast all Abe chunts mih ah, daß ih nüt möcht as bete u briegge. Muetti, wettifch m'r nit helfe für en Aetti bete, d'Angst vrgeyt mor de, u wenn ih de schlafe, su duecht mih de geng ih g'hör d'Engeli singe im Himmel, o Muetti, so schön,so schön, ih ha albetz nit g'nue lose.“ Gewöhnlich weigerte Eisi sich anfänglich, wie heiß seine Gedanken qud brannten, an das Feuer hatte es sich gewohnt, es löschte es nicht einmal gerne aus, und immer noch wars ihm, als ob Jemand das Beten ihm wehre, als ob ihm die Worte im Halse anschwellten, als ob es sich schänen müßte, es wußte sreilich nicht vor wem. Gang m'r jetz, chär m'r nit, erst vorgester ha d'r ja Phulfe, schwyg m'r jetz. Anne Bäbi söll, g'hörst, ih woit nit, wotsch jetz oder wotsch nit, oder soll d'r z'F.erhaue?“ Aber Anne Liseli setzte nicht ab, es sagte,Aune Bäbi sei nicht da, es flattirte die Mutter, der ja Riemand mehr flaitirte als ihr Anne Liseli, und wem [184]thäte flattiren nicht wohl? Si söll ume afe lose, äs well afah u säge was es chön. Und hatte Anne Liseli es so weit gebracht, so wußte es wohl, Mutter beiete zuletzt auch, und wenn auch die ersten Worte kamen wie einzelne Regentropfen nach langer Tröckene, langsam, eins lange nach dem andern, sie kamen am Ende doch alle und wirklich rascher und geiäufiger und manchmal nicht einmal alle im gleichen Tone, sondern es wär zuweilen wirklich, als ob Eisi in das eine oder andere Wort etwas gelegt hätte, das im andern nicht war.Und nicht bloß das, es ward dabei Eisi wirklich wobler, es war ihm, als versiege der heiße Strom beim Quellen des Gebetes, es ward ihm milder und linder ums Herz, es wechselte freundliche Worte mit Anne Liseli und sah drüben die hellen Fenster nicht. Ja, es war ihm manchmal, als rinne ihm was die Bagfen ab,als werde es ihm innerlich ganz wunderlich; dann gab es wohl Anne Liseli ein Münfischi und frug ihns:„Mast öppe es Bitzli Wurst un es Tropfli Wy, su sägs, d'rnah will di de is Bett thue, wenn Anne Bäbi nit da isch.“ Und wenn es dann zu Bette war und Eisi fort wollte, und Anne Liseli fagte „wart no Muelti,no bete“, so wartete Eist, betete nach, seufzte wohl dabei, und wenn ihm Steffen derweilen in Sinn kam,so war doch kein Groll bei dem Gedanken. Kindet werden als Heiden geboren, sie müssen vor etwas sichtbarem beten, d. h, ein wirklich Wesen muß ihnen gleichsam zu Handen des unsichtbaren Gottes ihr Gebet abnehmen. Sagt man ihnen später, wenn der Leib gewachsen, diese Kulturstufe aber geistig nicht überwunden, verklärt ist: „Bist jetzt afe große, chast selber bete, wenn ih scho nit geng d'rby di“, so hört das Beten auf; sie wissen nicht was beten abtragen sollte,hört es doch Niemand mehr! Daß der innere Mensch nicht im gleichen Verhältniß, wie der äußere wächst,wird allezeit vergessen, wird ja doch auch immer und immer vergessen/ daß Kenntnisse nicht Bildung sind,daß industrielles Streben an sich kein christliches ist,daß in der Ausbeutung der Erde man das Himmel-[1383]reich nicht findet, daß die dem Menschen verheißene Krone nicht dem wird, der Herr der Elemente, sondern der Herr seiner selbst wird, nicht dem, der die Gesetze erkennt, welche Gott in die Welt gelegt, sondern dem, der die Gesetze erkennt und faßt, nach denen die Seele der Menschen zur Seligkeit kömmt.
Wenn aber endlich Anne Liseli verstummte, seine Aeugelein sich schlossen, die Engelein niederstiegen vor seine Seele, himmlische Lieder sangen und mit Wonne sie füllten, und Eisi ging wieder in die vordere Stube,sah drüben die hellen Fenster, dahinter das bunte Gewimmel, dann siedete neu auf der heiße, versengende Strom und jeder lebendige Keim, der sich geregt hatte in seiner Seele, verwandelte sich in einen feurigen Springbrunnen, und es duechte Eisi, es wohle ihm nimmer, bis es einmal hinüber gehe, allen wüst sage nach Herzenslust und die d Dorftäsche unter den Tisch schlage, daß sie 14 Tage lang nit meh füre mög.Wenn dann die in der Gaststube hängende Schwarzwälder Uhr Stunde um Stunde schlug, und endlich die zehnte, drüben es immer heller ward, statt dunkler,darob die eilfte Stunde schlug, endlich die zwölfte,ohne daß der Glanz drüben viel trüber wurde, was da Eisi verwerchen mußte, kaum glüht der Ofen in einer Eisenschmelze heißer, als der Zorn glühte in Eisis Brust, und je heißer es ward, desto fester war es gebannt in seine vordere Stube, fast wie ein Geist, der was hüten muß und erst zur Ruhe darf, wenn der Hahn kräht. Es mußte die Fenster drüben hüten, bis der letzte Gast entwichen, bis das letzte Licht verlöscht war. Aber wie zornig derweilen die feurigen Wellen durch seine Seele rollten, das faßt Niemand als ein eifersüchtig Weib.
So einer gehe Alles an, aber man wisse warum;in ehrlichen Häusern herrsche das Gesetz, um 10 Uhr müsse Feierabend sein, aber bei so einer dolder Täsche liege alles unter einer Decke, darunter könne sie machen was sie wolle. Das sei afe e Ornig, wes so chöm,de gut Nacht! Aber mi wüß warum, we me glaub,[186]es syg ame Ort e rechte Ma, su mach e sellige Täsche ihm Hreck id Auge, daß er am heiter helle Tag nüt meh g'sech verschwyge um Mittinacht. Wohl, sie hätten es so treiben sollen, me hätt ne wurde! Das gut Eist vergaß, daß sie in ihrer Glanzheit ebenfalls gemacht hätten, was sie konnten, daß sie ebenfalls diesem oder jenem Dreck in die Augen gemacht und grüßlich aufbegehrt hatten, wenn zur Selteni einer sie in Verlegenheit gebracht hatte. In Kosten kann man kaum sagen, denn Bußen derhalb waren nicht der Rede werth und wenn die zweite 8 Fr. betragen hatte, so kostete die dritte vielleicht nicht mehr als einige gute Flaschen,dieweil die Anzeige nicht begründet gewesen. Und wie sie dann gelacht, den Anzeiger ausgespottet, gerühmt hatten, daß es doch noch vernünftigere und besser meinende Leute gebe, als solche Spitzbuben, welche nur darauf ausgingen, die Leute ins Unglück zu bringen.Es ist sehr merkwürdig, zu welcher Tiefe die Achtung vor den Gesetzen gesunken ist an vielen unnennbaren Orten, Gesetze seien nichts als e donners Zwang, ein verfluchter Hemmschuh persönlicher Freiheit, laut welcher jeder machen könne, was er wolle, so sieht man die Gesetze an. Wer Uebertretungen der Gesetze anzeigt,ist ein Unglücksmacher, so nennt man ihn, als solchen verfolgt man ihn. Wer die Anzeigen zu berücksichtigen hat, die Uebertretungen zu strafen hätte, muß denken,er müsse nach der herrschenden Meinung sich richten,die Meinung des Volkes ehren, die Majorität, die Freiheit, die schöne, den Unglücksmachern den Marsch machen und lange Nasen, wo es möglich sei. Das ist ää messen; so urtheilt man eben an jenen unnennbaren Orten. Diese Ansicht führt aber in ein unnennbares Elend hinein, und namentlich in das, daß jede Regierung an diesen unnennbaren Orten auf faulen Füßen steht, und auch bei schwachen Windstößen überpurzelt.Das müssen auch die Glieder solcher Regierung fühlen,zappeln erbärmlich beim leisesten Zephir, suchen die Segel zu richten und drehen die Mäntel, hilft aber all [137]nichts. Und wenn es auch hülfe, was hülfe es ihnen?Was hülfe es ihnen, wenn sie die Menschengunst erniederttächtigen könnten, bis ins Grab durch den Verrath der Gesetze Gottes? Im Grabe faßt sie dann ein Anderer, der immer der Gleiche ist und sich nicht verrathen läßt. Was er mit ihnen macht, wissen wir nicht. Vielleicht setzt er sie grittlige auf Wolken und laäßt sie hin- und herjagen durch die Himmelsräume,durch alle himmtischen Winde, und zwar in alle Ewigkeit, und zwar ohne Speise und Trank.
An dieses Auslachen, wenn den Unglücksmachern Nasen gedreht wurden, an den Jubel, daß man nicht mehr so in verfluchter Tyrannei sei, dachte Eisi nicht mehr, das hatte es rein vergessen, es hatte mit veraänderlet Lage ganz andere Ansichten gekriegt, hatte seine Grundfäte geläütert und zwat ohne daß es es wußte,es hätte, wenn es geistlich gesinnt, d. h. in geistlichen Redensarten geübt gewesen, wäre, sagen können, der Herr gebe es den Seinen im Schlaf. So redete aber Eisi nicht, sondern es fluchte jämmerlich in sich selbst hinein, oder an die kalten Scheiben, über alle dabei Vetheiligten und verschwor sich bei allem Heiligen, bei einer solchen Hudelordnig, wo d'Hure Küng syge, us Lumpepack Meister, chöns nit gah, da chöm zletzt d'r Tüsel u nähm die ganze Pastete.
Wenn dann endlich drüben die Lichter erloschen, so suchte Eisi wohl sein Bett, aber Ruhe fand es selten es sei dann, daß es sein eigener Gast gewesen; doch dieses war nicht Regel. Eist lebte gerne gut, aber appart trinken, dazu hatte es den Hang, die Anlage nicht,wenn es sie gehabt hätte, so hätte es ihr begreiflich nicht widerstanden. Aber, wie soll Ruhe über den Leib kommen, wenn die Seele im Aufruhr ist, daß ihre Ufer,der ganze Leib, erzittert.
So verwerchete Eisi einige Wochen, ohne daß es viel ans Benefizium dachte, außer in so, weit, daß es dessen Ende herbeiwünschte, weil, es seine Einsamkeit nur demselben zuschrieb und den Lügen der Täsche drüben, die, wie zuweilen ein Weib, das verstohlen sich [188]bei Eisi einschlich, nichts anders berichtete, als wie es einen grusamen Geldstag geben und an denen Hoffarts Rarre ein Sündengeld verloren gehen werde. Das regte Eisi's Zorn allemal neu auf. Es hatte sich anfänglich wohl erkundigt, wie es stehe mit dem Benefizi, aber gehört, es sei nichts eingegangen, das Neuis der werth sei. Da sehe man, hatte es gesagt, wie man es in um gerechtem Verdacht gehabt, es wolle verheimen. Wenn die Leute was zu fordern hätten, so hälte ja jeder der erste sein, keiner warten wollen bis zuletzt, wo er ja g'riskirt hätt, nüt meh Pübercho. Es nahms wohl zuweilen Wunder, ob diefer oder jener, dem es angehalten, er solle nicht eingeben, ob der, welcher gesagt hatte «n'ayez pas peur, Madame, » sein Versprechen gehalten oder nicht. Indessen hatie es sich doch nicht dafür ehalten, daß es hätte fragen lassen, oder gar selbst zu o gegangen wäre. Die würden schön lachen, dachte es, und meinen wie Angst ihm sei, und es stehe selbst im Glauben z'Sach überhey. O je nei, die Schreiberleni müßten es nicht auslachen oder gar abputzen, es J Sach wohl erwarte. Luege si ume zu, was i mache.
Da kam eines Abends, als Eist abermals einen Zorn verwerchete ohne Gleichen, denn nicht weniger als zwei Weingumene und einen Weinherrn wußte es drüben,und keiner setzte einen Fuß zu ihm, kam die gedachte wohlmeinende Frau geschlichen, die allenthalben obenauf war, wie ein Pantoffelzapfen. Sie wußte unter dem Scheine der Gutmeineheit den Leuten Sachen zu sagen, die ihnen fast übel machen, so wie man vie räulichsten Wurmmittel z. B. den Kindern einhüllt in sig Latwerge. „Du guti Frau, sagte diese zu Eifi bist aber eleini, du chast mih doch afe dure, wie ung'wahns muß dir doch das sy, albetz so viel Lüt u jetz Nemere.»He nu, es geyt so i d'r Welt, si kehrt si, seit me.“„U z'letsch, wes no so blieb wie's jetzt waäͤr, fu wär's d'r no gönne, aber ih ha hüt e Ton g'hört, du chast mih doch afe dure, du armi Frau, was de bist.“ „Das wird aber Neuis dumms sy vo der Blätteren vrfluchti
[189]Lugi, wo si erheyt un erloge het. Seh, füre mit. Einist muß es doch sy, g'seh nih wohl, daß ih d'r Herreschleipfe d'Haar usem Gring schryße u er e Zäng ache schlah,daß si se i de Schuhne muß suche. Seh füre mit, Trini.“„Darf wäger schier nit, los Frau, du durist mih viel Yfast. U de mein de nit öppe, ih heygs vo dere däne.B'hütis, die redt nüt mit mir, u we si scho wett, su weit ih nit, meh weder es Jahr hey m'r enangere nit emal meh gute Tag g'seit uf d'ir Gaß. Sie hasset mih gar grusam, si mahs nit erlyde, wes Neuere gut mit dir meint.“ „Seh, stürm m'r nit e halbi Nacht, wie d'r Sigrist zu W., wo ner het welle lere lüte; sage was ist's, su weiß ihs einist.“ „Lue, Wirthi, ih sött schwyge, vo wege, wes de nit wär, su macht es d'r ume z'leerem V'rdruß, u mügli ischs, daß es nüt a d'r Sach isch, vo wege, es chunt vo dere däne, aber mir het si's nit g'seit.“ „Wie weisch es de“, fragte Eist schnausig? „He, wie weiß ihs. Dä halb Tag, he es isch grad g'si, wo si mit der Kuppele Säu da dure g'fahre sy, di nih zum Bach u ha Neuis welle schwäyche,su chunt grad Säbel Grits Näyere v'rby u het Neuis ungerem Fürte. Ih traue es syg e Halbi Bränz g'si,si säge geng, si nähms v'rflucht gern, daß sie mängist längs Stück ihres Fürte un es Hemli oder was si uf d'r Schooß heyg z'fäme näy, daß mes fast nit meh vo ne nangere mache chön. Si säge, daß si für Tüfelsg'walt ihre Nase heyg welle a nes Göller schnurpfe oder süst a Neuis. Si schleipft e Schuhmacher des ume, u ganz halb Tag föll er byre hocke, säge d'Lehrmeitscheni,dä wird er e z'Geld gä ha, für gah e Halbi z'reyche.Die geyt v'rby u stellt si by m'r. M'r rede sust nüt mit enangere, du weißt, m'r hasse enangere, du weißt,wie si mör's einist g'macht het i d'r Chile, wo si i üse Bank borzet isch für zTüfels G'walt u z'vorderist abg'hocket un ihres G'schirr yche drückt het, as wär's e Hfewegge, un ume wil si es neus Tschöpli agha het,u se d'Bube recht hätte solle g'schaue. Ja wolle, die schwarzi Gränne, si het m'r fast Plätze abdrückt z'selbist, vo wege, ih bi eigetlig z'vorderist g'hocket g'si, du [90] weißt, u sider hasse m'r e nangere. Wo die si du stellt,denke ih, was wott die, daß die wieder wott afa rede.U wo nih du ufluege, g'seh nih du, daß si Neuis ungerem Fürte het, un es isch m'r grad z'Sinn cho was,uü ha du dähycht, si syg öppe hie g'si, u heyg ihri Sach by dir g'reycht u du heygist er e Nenis für mih g'seit,we si mih öppe g'seh sött, u ha B'scheid u Ankwort gäh, wo's g'fragt het: machts suber. Ih sött, ha nih PYseit. Bist neue us g'si, Grit, ha nih du g'seit. Haä Neuis müße reyche, hets du g'seit. Wirst di Steffes Eisi g'si sy, ha nih du g'seit, ist's z'weg? Nei, ih bi bi disere g'si, mi machts dert geng z'halb besser, seit das Täschli. U wie ih ihm du druf wott diene, wie's si g'hört het, seits du: ja, u was die m'r g'seit het,weißt's o? nei aber, wie nih g'lost ha, has zwar geng denkt, das chöm e so, u has ö mängist g'seit zu myne
Lüte, seit die schwarzi Gränne. Weiß aparti nüt, ha nih du g'seit. Hät gern g'seit weder was all Lüt säge,daß die, wo ihm z'Bränz gäh heyg, i alle Lüte Mülere syg wege ihrem G'schleipf.“ „Warum hest's nit g'seit“,fragte Eist. „Hät nit möge z'Platzg cho“, antwortete
Trini. „Das wär d'r Tüfel, wes dr Aerst g'si wär“,antwortete Eist. „Los wäger nit u fußwarms hätte die
Täsche 's ume g'seit u däych mys Aettis Bruders Sohn hechlet dert. Aber los jetz was es du seyt, aber wäger ih darfs d'r's fast nit sage. Denk, was ih v'rno ha,
D am Tag, wie's dem Hoffartsnarr dert äne, wo se geng am Fenster usgrännelt heyg, gang, die chön jetz d'Säckli näh u d'r Gottswille ga heüsche. Da chön meh doch noh g'seh, daß e g'rechte Gott im Himmel syg. Es
äb e Geldstag, vo de grüslichste eine, viel, viel tusig
3 syge z'weni. Wo das Täschli das seyt, ist mir du z'Für dure Gring g'schosse u du säge nih, das syg erheyt un erloge. Wes wär, su müßt ihs doch o wüße.
Es gange ja kener Schulde y, ha nih du g'seit. Da lachet dů das Mönsch, o ih bi so taubs worde, ih hät ihm möge a Gring scheieße, u seyt du, da bist, schints,lätz b'richtet, oder thust ume d'rglyche. Ja, im Afang [191]syg weni ygange, d'Lüt heyge -däycht, si welle mit dr Sach nit pressire, es syg z'letzt no früh g'nue. Wer's nit chent, wie's dyLüt mache, hät chöne glaube, 'Sach wär nit sövli bös. Aber die letzte 3 Tag, du wohl,du syg es du cho, es syg e schröklige Sach g'si, fi heyge d'Poft bal nit moöge g'führe, so syge Briefe cho inn ufe (Weltschland) un d'Amtschryberei syg geng g'stocket voll Lut g'si, d'r G'richtschryber heyg si geng hinger enangere vd'rflucht, so heyg er's nie erlebt, u wenn das no länger währe sött, su lief er furt, daß neh, ke Hung meh g'secht, vo wege, lebig g'stieng er's nit länger us.Und hüt oder morn erst gang's us, aber es syg scho gester so grüslich viel gisi, daß, wo si's heyge welle Pfäme rechne, längs Stück 'skeine chöne heyg. Wohl,du ist's m'r du nimme z'helfe g'st, jetz sölls schwyge,ha nih ihm du g'seit, sust chöms de usufer da dänne,ih wels lere, so gah z'lüge u d'Lüt verlümde, ja wolle.Du seyts du, es düg nit, es heygs nit ersinnet, st dinne heygs g'seit, für e g'wüsse Währheit, si heygs selber g'feh, ü nit menge Tag werds gah, so werde s d'Kühyer u d'Märitlüt b'richte. So hets g'seit u geyt du u laht mih am Bach stah, wie ne Mulaff u wo nih du endlig z'Mul wieder z'säme bringe cha un ihm o so recht väterländisch wüst säge wott, su isch es du scho wyt e weg g'si. Jetz ha nih däycht, ich wels d'r cho säge,damit du g'sehst, wie wüst u lugethaft d'Lüt afe sy, u wed öppe e Ton g'hörist d'rvo, de grad wüssist, us welem Loch er chunt. A der Sach wird nüt sy, natürlich, oder hast du o öppe Neuis verno?“ frug Trini,und machteé ganz spitzige Augen zu der Frage.
In Eisi stritten Zorn und Angst und schnürten ihm den Hals zusammen, aber der Zorn überwand die Angst,der Unglaube an seine Zustände, welchen der Hochmuth ihm eingeredet hatte, der war noch nicht erschüttert.Es sollte Niemand von ihm reden, was es selbst nicht glaubte, es wäre alsobald hinüber gestürzt und hätte dem Tüfel vo Lugnere Zang hingere g'schlage, daß sie se in den Schuhnen hätte müße z'fäme lese, wenn Trini ihm nicht in Weg gestanden, d'r Tusig Gottswille an[192]gehalten hätte, es solle doch ja das nicht machen, es chöm zwüsche yche u muß si de etgelte, u sys Vaters Bruders Sohn. U de söll es ne doch daäne d'Freud nit mache, es syge Gumene däne und angers Herre G'schmäus no meh, u die hätte die größti Freud däran,we zweu Wyher enangere o so recht rupfte u zl'letscht hätte si's de no mit diesere, u we de Alles wider ihr syg, was es de mache wett? Es müßt d'r Kürzer zieh u Schang u Spott usstah, u diesi choönt d'r Buggel voll lache. Es soöll lieber warte, bis dä Uflath elleini syg, de, wenn es glaub es mög se u es g'sechs Niemere, su söll es de gah u se abhosche, bis es es duech es heygs jetz für e Stung, aber d'r Tusig Gottswille allweg nüt säge, wer ihm neuis g'seit heyg, es bruch ja gar nüt z'säge, warum es ere gäb, si chön däyche,es syg z'säme g'sparts vo Langem. Es hielt hart bis Eisi sich setzte, denn wenn eine Frau so recht ertaubet ist, so frägt sie nach gar nichts und daß Jemand stärker sein könne als sie, das fällt ihr gar nicht ein. So eine rechte Weibertäubi ist die Schwester der berühmten nordländischen Berserkerwuth, das hat schon mehr als ein Mann erfahren, wenn die ertaubete Frau ihn aufsuchte im Wirthshaus und ihm in Mitie seiner Spießgesellen in die Haare fuhr. Sie hatte auch nicht lange gewerweiset, sehe es Jemand oder Niemand, sei sie oder er stärker, sie fuhr halt los, denken that sie nichts. Endlich, da Trini nicht absetzte mit Wehren,überwog die Aussicht auf besseren Erfolg. Eisi stellte Trini seinen üblichen Lohn für eine Kräzete auf, einen halben Schoppen sammt einem Stück weichen Brod und oerhandelte mit ihm die Leute in der üblichen Runde von einem zum andern, bis Trini seinen halben Schoppen aushatte und zärtlichen Abschied nahm. Boöse Leute wollen behaupten, Trini habe noch selben Abend drüben bei der Speisewirthin einen ganzen Schoppen getrunken und zwar ebenfalls gratis
Als aber Trini fort war, kam Eisi die Angst doch wieder; die Posten, welche es wußte und nicht aufgeschrieben gewesen, stiegen wie Gespenster vor ihm auf,[193]Ahnungen von andern durchschauerten wie bewußtloses Grauen seine Seele, es machte ihm heiß, daß es den Schweiß abwischen mußte. Es lag die Nacht durch ohne Schlaf, wie im Fieber. Als der Tag kam, verschwand allmählig seine Angst, gleichwie Gespensterfurcht, der Glaube an das, was es nicht sah im Sonnenschein vor Augen, löste sich auf, wie sogenannter Aberglauben im Scheine sogenannter Aufklärung. Es ward überzeugt, es sei nichts da, indessen wolle es sich so recht vergewissern, dann die More abschlah, daß es dem Brunestock un am Südeltrögli g'schmuecht werd.Es sinnete zuerst daran, den Massaverwalter zu bescheiden, aber seit einigen Tagen hatte es ihn in Verdacht, er sei falsch an ihm, es hatte ihn nämlich zwischen Tag und Nacht in die Speisewirthschaft gehen sehen. Es entschloß sich kurz und gut auszufahren.Sie hatten zwar das g'leytige Byggerli nicht mehr,dagegen einen guten alten Bletschi, mit welchem das dümmst Wybervolch fahren konnte, so lange die Räder trolen konnten. Dieses Ausfahren alleine hatte an sich nichts Auffallendes, schon bei Steffens Lebzeiten hatte Eist oft Zügel und Geisel gehandhabt. Bloß das Ziel maskirte Eii, es fuhr vom Hause weg, als ob es z'Land ab wolle, lenkte dann aber seitwärts, bis es in die rechte Richtung kam und an den Ort, wo die Amtschreiberei stand. Dort hatte es eine Freundin, mit welcher es vielen Verkehr trieb. Es schickte ihr allerlei zu, Anken und was man so auf dem Lande produzirt,während sie ihm Dessert lieferte, wenn es nöthig hatte,oder Zitronen, oder eingemachtes Pflaster auf Tatern.Es war eine gutmüthige Person, und so lange ein Mensch auf zwei Beinen stund, verachtete sie ihn nicht,ließ ihn nicht fahren. Sie sagte oft, keine Feder müsse man zertreten, wie schlecht sie auch sei, die schlechteste sei noch zu was gut, v'rschwyge öppe e Mönsch, wenn eym scho duech, er syg z'ungerist niede, teufer nützti nüt. Mi wüß nie, ob me neh nit no nöthig heyg, u so lang Eine leb, syg d'r Sach nie z'traue; es chön eine st b'kyme über Nacht, es wüß ke Monsch wie, u [19] de v'rfluchti Täsche ustheile dene, wo g'meint heyge, si chöne uf ihm umetrappe wie d'Küher uf em Mist. Diese Freundin empfing Eisi freundlich wie immer:„He, bist o einist wieder da, das freut mih doch, sagte sie, ha g'meint du sygist g'storbe oder höhns, u hätt'doch nit g'wüßt für was. Wes besser Wetter u Weg g'si wär, ih wär expreß use cho, cho luege, was müd'r syg; aber ih alte neue afe u mah nimme laufe,wie albetz, b'sungerbar diese Winter. Es ist m'r neue ufem Herz, daß es mih zytewys duecht, es well mit m'r dure Bode ab. O, mi weiß nit we me jung isch u g'süng ums Herz, was me het, u wie me soött z'fride sy. Nei, das weiß me nit, bis es angers wird, de sinnete mes neue.“ Es wär so, sagte Eisi, d'rnebe cha me g'sung ums Herz sy, u doch sae druf ha, daß es eym duecht, es müß abe nangere. „Hesch V'rdruß,hest Neuis“, fragte theilnehmend die Freündin.
So ging Eist das Herz auf, es packte aus, was es darin hatte und frug um Rath, wie machen, um über z'Sach z'cho, ob's ächt selber i d'Schryberei müß?„Bewahre nei, sagte die Freundin, ih will d'r scho d'rzu v'rhelfe, es ist nüt liechter.“ Und richtig, ehe eine halbe Stunde um war, trat der Amtschreiber ein.Er war verblüft im ersten Augenblick, doch faßte er sich und richtete nun Eisi an, daß ihm fast g'schmueccht würde, eine solche Summe wäre im Traum ihm nicht in Sinn gekommen. Der Geldstag sei unvermeidlich,sagte der Amtschreiber, wenn man nicht akommodiren könne, es sei auch möglich, daß falsche Eingaben gemacht worden, das werde sich aber erzeigen. Er hätte anfangs nicht geglaubt, daß es so bös sei, aber in den letzten Tagen hälte es ihm schier welle afa gruse. „So,sagte Eisi, ists däweg“? aber wunder nähms ihns doch,woher das alles gekommen, es hätte doch auch darum müssen wissen. Der Amtschreiber konnte nur oberflächliche Auskunft geben, nannte nur einige der beträͤchtlichern Summen, welche ihm im Gedächtniß geblieben waren. Die richteten Eisi wieder auf. Das sei erheyt und erlogen, sagte es, von diesem und jenem wisse es [] 198 kein Wort, dene Spitzbube wolle es den Marsch machen.Aber gerade so sei es mit den verfluchten Benefizien,es hätt's schon manchmal gehört. Da meine ein jeder Spitzbube er könne eingeben, was er wolle, und hintendrein könne man entweder zahle oder prozedire, dann komme es zum Eid, und wenn e sellige Schelm dazu kommen könne, d'Finger ufz'ha, so sei alles verspielt.Es habe nicht umsonst gewehrt und gemeint, es müsse nicht sein, aber so are Frau los me nüt, es wolle es ihnen aber um d'Nase rybe, daß si z'schmöcke heyge meh as g'nue. Die aber, wo z'grechtem eingegeben, die würden schon mit sich reden lassen, wenn sie g'sechte,wie es gegangen und wie man es ihm machen wolle.Der Amischreiber nahm Eisi die Hoffnung nicht, ja, ja,sagte er, me müß luege, z'Sach werd si scho mache.Weibern in solchen Umständen Wahrheit einschenken,thut Niemand gerne, das ist eine Sache, die man dem Nächsten gerne gönnt. Niemand thut gerne den ersten Zorn ab, zieht den Haß auf sich, die Nachrede, man habe Jemand ins Unglück gestoßen. Das ist die merkwürdige Täuschung, daß der Unglückliche denjenigen,welcher ihm zuerst die Wahrheit verkündet, die Augen über sein Unglück öffnen will, für den Urheber seines Unglücks ansieht, nicht satt werden kann, ihn zu verfluchen und zu verdammen. Dem entzieht man sich gerne, will nicht d'r bös Ma sy, gibt ausweichenden Bescheid, hilft mit verblümten Redensarten sich aus der Klemme, thätiget Fragende uneinläßlich ab und drückt sich. Man denkt dabei nur an sich und bedenkt nicht,welch Unheil man anrichtet. Denn der, welchen man mit solchen Redensarten getroöstet und abgethätiget hat,läßt das Zweideutige aus demselben fallen, behält nur das, was ihm zusagt, macht daraus bestimmte Aussprüche, die Recht oder Rettung verheißen, und klammert sich daran, wie der in einen Strom Gefallene an jedem Zweig, der über das Ufer hängt. So behauptete Eisi und behauptet es noch, der Amtschreiber hätte gesagt, die Sache ließe sich machen, wenn man es begehre, u we me lueg. Aber es heyg ebe Niemere [196]bigehrt z'luege, z'Conträri, e nyedere hät g'luegt sz'unterdrücke u vo syr Sach z'bringe, daß si's vor Gott i alli Euigkeit nit v'rantworte könne.
Eisi erhebt sich, sendet Freunde aus und wird auf einen Standpunkt gestellt.Das Benefizium ward ausgefertigt, der Gemeinde zugestellt und Eisi schlug die Hände über dem Kopf zusammen, als es dasselbe zu Gesichte kriegte, denn es hatte per se vergessen, wie es bei ihnen zugegangen war. Eine Unmasse kleiner Schulden kamen zum Vorschein, für hundert Dinge, an die es durchaus nicht mehr dachte. Hier hieß man dem Knecht was mitbringen, säg de, mi wellscho zahle, wenn me öppe yche chöm; dorthin waren Kinder, Mägde ausgesandt worden, sollten was holen, sollten nur sagen man werde dann selbst zahlen. Das alles wurde vergessen, die Leute forderten es nicht ein, dachten, es gebe noch mehr,sie wollten es dann zusammen machen, oder sie hatten einen Konto eingegeben, aber man hatte dessen sich nicht geachtet, er war mit anderm Papier verbraucht worden.Wie sich aber solche Schüldleni aufhäufen und summiren können, davon hat man keinen Begriff. Darum sagte Eist, es chön Neuis sy, aber e sövli, darvo syg 6 kamen die Metzgerschulden, hier für Kälber, dort für Schaafe, für Kühe, besonders Restanzen von 4, 6, 10 Neuthaler. Nur zu oft hatte Steffen gesagt: Sä, da hest afe, mit em Reste wartist m'r wohl no eschly;hätt viel z'zieh, aber Niemere wott m'r nüt gäh. Müller und Bäcker waren nicht weniger betheiligt, dann erst die Weinhändler von allen Sorten, vor ällem aber die, welche zumeist bloß mit wackelnden Wirthen Geschäfte machen, mit welchen Wirthe, welche Geld haben, ihrer Unredlichkeit, ihrer Verfälschungen und Wuchereien wegen, nichts zu thun haben mögen. Diese kamen nicht bloß mit Rechnungen angezogen, sondern [] 197 mit Schuldbillets und Zinsen und ob die Summe, welche im Billet stund nicht um einen Drittel größer war als der Betrag des gelieferten Weines, wer wollte das untersuchen, war doch das Billet da von Steffen unterzeichnet und in Steffens Hausbuch war von diesem Weine nichts verzeichnet. Dann kamen andere Schulden. Steffens Bruder z. B. hatte eine Forderung von 1000 Fr., die er geliehen, eingegeben; ähnliche Anliehen kamen mehrere. Dann kamen die Bürgschaften, die Steffen fo leichtsinnig als möglich eingegangen war.Wahrscheinlich dachte er: das koime jeht auf eins,öppe e chly minger oder e chly meh. Dann erst kam das Weibergut und die auf der Liegenschaft haftenden Schulden, so daß die Schuldmasse das Vermögen weit mehr als um die Hälfte überstieg.
Dieses Ergebniß hielt die Gemeinde Eist unter die Nase und sagte ihm unverblümt: „lue du dums Fraueli du, wie's gange wär, we me d'r glaubt hät, das wär sufer use cho. Hätt' me ume scho früher g'luegt, mi hät chöne, mi hät sölle, aber es isch z'selbisch e angere Meister g'st. Da isch nüt angers z'mache, hör uüme chäre, da muß geldstaget sy, das ist fertig. Sövli V'rmöge g'ha u jetz sövli Schulde, un i so kürzer Zyt,wie wottisch jetz mit de Schulde chöne huse, wo d'r's nit heyt chöne mache, wo d'r söpli rych g'si syt?“ Als Eist von Steffen sagen wollte, wie der Schuld sei, jetz alleine es anders fahren wolle, da hieß es: „Es wird öppe eys d'm angere nit viel für z'ha ha. M'r hey Steffe wohl b'chönt, m'r wüße, wie er eine g'si isch,wenn er z'Gefäll g'ha hät, e nangeri Frau zübercho,wo hätt wüße z'huse, nit ume z'bruche, se hätt Steffe chöne e Ma abgäh; d'r V'rstang hät er g'ha d'rfür.Aber wenn bedi nüt v'rstange vo d'r Sache u nüt wüße,as bruche, su chunts e so. Da wollte Eisi die Arme stützen und sagte, es nehme es doch Wunder, was es II ben, wenn einer was wisse, so solle er hervorkommen und es sagen. Vo wem zV'rmöge chöm, werd me wüße,u wer z'Sach heyg müße mache, hät me choöne g'seh,[] 198 wenn me wär cho luege, un es well ihs dueche, as hätte si selber o nit viel V'rstang vo d'r Sach. „Los du, branze wey m'r nit, z'Sach isch wie si isch, z'best isch, du lüegisch öäppe bi de V'rwandte u bi de G'yvatterlüte, wer öppe vo de Kinge z'eint oder z'anger well, u du luegist für Platzg als Köchi oder Stubemagd, öppe di jüngst wärst nimme, aber d'rnebe no bravi gnue,vo wege da ist nüt angers as d'r Geldstag azrüfe.“Das thue es nicht, sagte Eist. Um Platz zu suchen,darum sei es ihm noch lange nicht, und wenn es sein müsse, so werde es sie nicht fragen, für was es bravs genug sei, einmal gewiß nicht für so schläberige Kudermannleni. Der Amtschreiber hätte ihm deutlich gesagt,wenn sich Jemand seiner annehmen wollte, so sei z'Sach z'mache. Wenn man daraus thäte, was falsch sei, mit den ändern um ein billiges akkidirte, und z'Sach im rechte Preis anschlüge, es sei alles z'halb z'wohlfeil, so lasse die Sache sich machen, wie man nur wolle.
He nun, wenn es so leicht sei, so solle es es machen oder zum Amtschreiber gehen, der solle ihm helfen, das sei ihnen ja recht, sie aber wollten die Erbschaft nicht antreten, dazu sehe sie ihnen zu strub aus. Aber wenn Jemand anders es wolle, so sei es ihnen ja recht. Zum Amtschreiber gehe es nicht, sagte Eist, dä heyg de zuv'rschamt ufg'macht für sy Mühy u heyg doch nit emal möge selber cho, heyg ume so ne Löhl g'schickt,aber er werd g'wüßt ha warum. Meh as drei Tag syg er da g'si ü doch heyg es ihm dr Hunger nit chöne g'stelle, vom Durst wells ume nit rede, Es wisse noch andere Leute, wo es z'Rath gehen könne. Wenn sie sich keine Mühe geben wollten fuür ihre Burger, so wolle es selber luegen, so liederlig setze es nicht ab und lasse fahren, was sie so viel gekostet.
He nu so gump, u weds mache chast, su gib bis den uü den d'r B'scheid, sust rüfe m'r d'r Geldstag ah,ohni Pardon.
Was doch Eisi beim Heimfahren für einen Zorn verwerchete über die Kudermannleni, die so mit ihm umgingen, auch gar kein Einsehen haben wollten mit [199]ihm, ihns behandelten wie eine Kachelifrau oder eine Umgängerin!
Fist' fuhr zu seinem Bruder, daß der ihm helfe,oder für ihns einstehe, reversire; es wußte zwar nicht was das Wort bedeüte, aber man hatte es ihm so gesagt. Es hatte zwar anfangs auch Verdacht auf ihn gehabt, er wolle da was für seine Buben fischen, seither hatte es aber nicht gemerkt, daß er die Hand im Spiele habe, auch hatte er nichts ins Benefizium gegeben, es traute ihm daher noch am meisten.
Doch der wollie nichts von der Sache. Reversire,öppis dumms e so, das cha me nit u we me chönt,füswott ih d'Finger nit yche ha, es chönt m'r se abschnelle bis a d'Achsle zuche. Brav Wybergut mache u sust nebe zuche no was ne cha. Das war seine MeiJ in diefer Beziehung war er zu Rath und Hülfe ereit.
Äber Eisi hatte dafür taube Ohren, es sinnete nur in einer Richtung, die Räthe welche nicht in die gleiche Richtung schlugen, die waren ihm vom Bösen. Eisi wöllte Wirthin bleiben, der donstigs Täsche gegenüber wollte es nicht weichen, der wollte es zeigen/ daß am besien lacht, wer zuletzt es thue, u daß all ihr AufreiHetzen ihr nichts helfe als se selber i z'Loch zischlah.
Eifi sagte daher seinem Bruder wüst, fuhr heim und machte heimlich seinem ehemaligen Rechtsfreund Bescheid, alsobald vor ihm zu erscheinen. Der hatte es wie alle geschaffenen Kreaturen, er ließ sich gerne der Sonne nach, verschmähte es jedoch auch nicht, im Finstern sich was zu Gemüthe zu führen, er war eins ener beglückten Geschöpfe, die Tags und Nachts ihr nicht bei Eisi fehen lassen, sondern hatte sich zur Speisewirthin übergesiedelt, der Botschaft jedoch folgie er sonder Säumen? Als Eisi ihn anrauzte, ob er ein bös Gewissen habe, daß er sich nicht mehr zeigen dürfe, wege der Luenz da äne, oder ob er sich seiner verschäme, daß man ihn gar nicht sehe, begehrte der auf und sagte:[200]er habe alle Ursache zu glauben, Eisi zürne ihm, es hätte sich so und so gegen ihn betragen und daer sich nicht im Fehler gewußt, so hätte es sich ihm nicht geschickt zu fragen, was das bedeuten solle, er hätle gedacht, es hätte ihns Jemand aufgewiesen. Die beste Manier im gemeinen Leben, sich bei solchen Anlässen herauszuhauen, ist immer das Aüfbegehren, durch dasselbe wird zumeist der Gegner verblüft, die Stellung wird verändert, der Friede wird geschlossen mit gegenseitigen Zugeständnissen. Es ist eine ähnliche Weise,wie die sogenannten Mächte von jeher ihre Kriegserklärungen abgefaßt haben; jede ist im göttlichsten Recht, hat den Frieden gewollt, wirft der andern Macht Friedensbruch und die ersten Feindfeligkeiten vor.Eisi war in solchen Kämpfen nicht Neuling; es meinte, das seien Schneckentäͤnze, er werde geglaubt haben, es sei bei ihm nichts mehr zu verdienen, und das sei nichts anders, we me hall d'm liebe Brod nah müß. O jere, sagte der Freund, wegem Brod bruch er de nit so nöthli z'thue, es syg ihm wege d'r G'sellschaft, we me d'r ganz Tag im Bureau g'si syg, su schwez me am Abe gern e wenñeli u v'rnehm öppis Neus.Syg das jetz wies well, sagte Eisi, su los Heuis Nun erzähltees ihm, wie es ihm gegangen allenthalben und wie die Sachen stünden. Der Freund machte anfangs ein bedenklich Gesicht, nahm das Benefizi zur Hand, rechnete, stützte den Kopf auf, und machte däzu ein so bedenklich Gesicht, daß der schwarze Maudi (Kater),welcher ihm gegenüber auf einem verlöcherten Lischenruhbett sein Lager hatte, Angst kriegte, einen Katzenbuckel und den Schwanz strub machte, zum Fenster hinausgesprungen wäre, wenn Eisi ihm nicht die Thüre geöffnet hätte. Endlich nach einer heißen Stunde, in welcher kein Wein anschlug, den er durch den Rachen goß, sagte er: „Wirthin Eist, ih mag rechnen wie ih will, so hat der Amtschreiber recht, z'Sach chunt gut,wenn si ume öppere d'r Sach anäh will. Lue selber,sövli Schulde sy, sövli der Gattig, u sövli der Gattig,u die da all chönt me villycht durstryche, we me zSach [201]techt erliest. Lue jetz, we me dene 10 vo hundert git,u dene 20, so schlecke si d'Finger, de daã mit d'm Gülibrief muß Zeyse lah fahre, emel bis a eym, u es sy V zisäͤme cho, aber das ist no eine us dyr eltere Lieferig; die hey si g'meint, wenn si hey chöne rühme, so unso viel tusig Pfund usstehedi Zeyse heyge si u heusche Niemere kene, bis es wel für nache gah; die sy aber neue nimme dick. U we me de öppe was da ist recht a d'Schatzig bringt, un öppe z'gelte macht, was me etmangle chaöppe unger der Hang, es brucht de notti ke Steigerig y sy wo nütweder chost, u Hus u Hey o dppe im wahre Werth nimmt, so luegt dir no es schöns Vrmöge use u du chast wirthe hie so lang de lebst, u di erst recht uflah. Aber natürlich mit dene Lüte muß me rede, mi muß ne nah. Oeppe z'Hus u zHey cho anerbiete, si welle d'r zSach schäyche, selb werde si öppe nit. We d'er de Gläubiger da weg a d'Hang gange u de villycht so zum Schyn e Käufer hättisch,daß de biwyse chöntisch, z'Sach well d'r sövli gelte, su muß G'meind ytrete, sust will ih de. Ih übernihme de z'Ganze, ih will de bim Schieß scho luege, ob ih mög gfahre oder nit.“ Eisi sagte/ so sygs ihm BR aber usenangere näh, hätt es z'Sach“nit chöne, wes jetz ume öppere hätt, der d'r Sach nachlief, es selber chön nit vo Hus, sy Bruder fygee Schhung u sust trau es kem Mönsche, weder wenn er wett gah, er verstiengs, un es hät d'r Glaube zu nihm „Ja fryli,Wirthi, verstah thät ihs wohl, aber de sy no zwo oder gar drei Sache derzwüsche; dirnebe thät ih d'r's gern G'falle. Erstlich ha nih v'rflucht viel zuhue u chönt fast nit ertrünne ; zweutes bi nih nit dy Vogt, nit dy V'rwandte, hät ke Prokur vo d'r Gemein; wenn öppe eine vo de V'rwandte d'erby wär, emel im Afang, bis me öppe afe e Lyste hät, su war's scho öppis angers;u endlig dä Augeblick waär ih wirklich nit bi Gelt füͤr dere Uslage z'ha, vo wege das choft, is Weltschlang yche un all ne nah. Ih sött Geld hä wie Steine, sött chöne vier Küh füttere d'rmit, we mes schnaähle chönt wie [202]doHerdöpfel, aber es geyt mr i Gotts Name nüt y, u ꝓwüufstist mache brächt ih nit übers Herz. Meh weder s Jotze chönt ih uf e Gring stelle, wo nih ustriebni Rechti ha, Uslage es weiß e ke Tüfel wie viel u Hüfe Gelbzfame brächt wie Birlige, aber ih mah neue nit,dLut dure mih, mys Herz isch z'lings für seligs.“Wege de Köste bruchte er nit Chummer zʒ'ha, sagte Eisi, das weit es luege 'mache, es heyg no Geld, öppe ganz blutt syg es noiti nit. Nit daß es öppe apparti Muttech g'macht heyg. U de heyg, es no viel Sache,daß syni syge vo Heimet u vo de G'vatterlüte u sust öppe Kram, u we me das öppe für, u nah z'gelte mach,fügäbs no es styfs Hüfli. Z'Gelt sött nüt am Weg sy ü wege de G'schäfte werd si das öppe o mache gäb e Wuche uf oder nieder, werd das öppe nit viel druf acho; mit syr Sach aber pressirs. Aber beim Verwandden,' bei der Hrokur blieben sie stecken. Da ging die Thüre auf und Steffens Bruder, dessen Schuldner er geworden war, kam herein. Er kam nicht holdselig,der muthmaßliche Verlüst drückte ihn sehr, er wollte sehen, ob da nicht irgend wie etwas zu seinen Gunsten zu machen sei, und wenn nicht, Eisi so recht oberarm wüst sagen, der Gescheutest war er eben nicht. Dem Rechtsfreund ging ein Licht auf, den Schwäger faßte er beim Zipfel und ehe sie gute Nacht sich sagten, war der Schwager zufrieden, einstweilen wenigstens, und die Sache richtig. Er war der erste Schuldner, der 90 Hroz einschlug, d. h. auf dem Papier, denn Eisi versprach schrifilich und mündlich ihn, wenn die Sache zu Stande käme ünd es auf der Gnepfi bleiben könne,hollftändig zu entschädigen. Auch verstund er sich dazu,persönlich der Sache sich anzunehmen und wenigstens in der Kehr herum, mit dem Freund gemeinschaftlich zu agiren, gegen Weltschlang zu well er neh de lah mache, uf das donners Weltsch heyg er si neue nie recht chöne v'rstah, v'rschwyge de neuis d'rmit mache.So könne es nicht fehlen, sagte der Rechtsfreund,y Sach muß gah, st mög welle oder nit, u mängs tusig Pfung chön me dä weg usem Für ziehe, aber seligs [205]chom nit alle Lüte Sinn. Je mehr sie rechneten, desto mehr Profit sahen sie, Eisi kriegte die beste Hoffnung,reicher zu werden als es je gewesen, es war der fröhlichste Abend, den es seit Steffens Tod zugebracht. Die da ane wart die ume, dere well es es de zeige,was diTrumpf syg, und eh die barfuß dem heilige Almuse nahlauf, setz es sy Seel nit ab. Aber z'erst well es se de no einist etchtute (zwigeln), daß si nah Gott schrei u mein, alli Beinli syge abenangere.
Die nachsten Tage ging das Akkommodiren also an,die beiden liefen nach und kriegten alle Tage bessere Hoffnung, daß das Ding sich machen werde. Freilich ußten sie dabei auch viel abthun und hoören, aber sie gewöhnten sich daran und übten sich dabei in gottseligen Redensarten. Allenthalben empfing man sie finster und bofe, fagte zuerst, mit der Sache wolle man nichts zu thun häben, entweder Alles oder Nichts, und wenn man schon unterschreibe, so gebe es doch aus allem Nichts, wer da' o wett d'Finger zuche ha? U de a sellige hoffärtige u hochmüthige Lüte, wo eym nit emal heyge möge danke, we me neh Zyt g'wünscht heyg,müße gah z'vorspiele, das duech se strengs. U wes no nite Wirth wäͤr, si wette no minger säge, öppe so ne Krämer, wo doMüsterler z'Bode g'ritte heyge oder füst Ung'fell g'ha heyg, aber so ne Wirth, dem ðGeld zuche trole, wie vur es Stiefelrohr ab, wo z'erst z'Land usnutzi, daß es e grüßlige Sach syg, grad wie es schlechts Lehemannli zHöfli, wo es empfange heyg, deno ga gelostage u dLüt no einist, no nahm Tod um ihri Sach zbringe, das syg nit recht, dä weg chöms nit gut/ u mit der Sach welle st nüt z'thue ha, st welle nit gah Götti sy, für daß die hochmüthige Gränne no länger chön die fürnehmi Frau mache u Seye über d'Achsle aluege. Es nähm se einist Wunger, was die o für es G'sicht mache, wenn si ufem Blutte hocke.Dann begann der Rechtsfreund seine Rede: Ja, sagte er, es sei so, er könne ihnen nichts darwider haben,es thäte ihm auch weh, sein Geld zu verlieren, und viel fei gegangen/ wo nicht hätte gehen sollen. Aber [204] geschehene Dinge müͤsse man zibest reden und Steffen,wo sich eigentlich zu verantworten hätte, nicht weil er alleine schüld gewesen, sondern weil er doch der Hausvater gewesen und die Hand hätte am Arm haben sollen, der sei jetzt unterm Herd, an ihm könne man nichts mehr machen. An die armen Kindlein solle man denken, es wäre doch auch grausam für die, wenn die so von Haus und Hof sollten, vielleicht in Umgang,und vermöchten sich doch nichts dafür, und wenn dann grüslige Lüt aus ihnen geben würde, so müßte man sich auch ein Gewissen machen, wenn man geholfen hätte, sie von ihrer Sach stoßen.
Was selb sei, sagte dann wohl hie und da eine Bäurin, so stoße man Niemand von seiner Sache,wenn man nicht wolle, als was einem von Gott und Rechtswegen gehöre. Dann sei es aber noch die Frage,ob's den Kindern nicht wohl ginge, wenn sie untet brave Leute kämen, und sie möchten fast kommen zu wem sie wollten, so ging es nicht übel. Sie hätte noch nie gehört, daß es aus Kindern, die nichts arbeiteten, und äßen und tränken was sie gut dünkle, und g'schändeten, daß es eine himmelschreiende Sache sei,je was Gutes gegeben habe. Und öppe wüstere, uverschanteri, schmäderfräßigere King, als die seien, hätte sie nie gesehen.
„Ja, ja, du gute Frau, sagte dann der Rechtsfreund, der zwischen den beiden Wirthinnen sich eine bedeutende Gewandtheit im Umgang mit Weibern erworben hatte. Du hast Recht, so ist z'Sach, die besten Kinder sind es nicht, aber das wurd sich ändern, zähl darauf. Es het scho mängs Kanari angers afa pfyfe,wes het welle v'rsufe, v'rschwyge de es Wybervölchli.Und dann wird dazu gesehen werden, zähl darauf, die läßt man nicht so machen, wie es sie gut duecht. Selber werchen müssen sie, und die fremden Leute bleiben dahinten. Daneben mußt für dich rechnen, und es ist doch besser öppis, as gar nüt, besser e Lus im Kabis,as gar ke Fleisch, seyt me albetz. Von 100 gibt man zehne, das ist doch geng das, und an manchem Orte [] 208 gibt man gar nichts, und begehrt die Leute um Alles zu bringen,“ „O öppe wege dur Ehrlichkeit d'wege werdet ihr nicht nachlaufen, wenn ihr nicht sähet, was dabei zu profitiren, so wäret ihr wohl daheim geblieben“, antwortete man gewöhnlich. Dann begann wohl auch Steffens Bruder eine Rede, und wollte die pure Gemeinnützigkeit darthun, weil er voran unterschrieben mit ere sellige Summ, und doch wenn Jemand bezahlt würde, so würde er es, von wege er käme gleich vorab nach dem Weibergut. Indessen auch er mußte manche Bemerkung schnupfen, daß er sich wohl werde zu decken wissen, daß wenn Eine sövli nah bim Ofe syg, su gang neue selte eine ungewärmt dänne u. s. w. Am Ende unterschrieben sie doch, weil ihnen 10 Prozent immer lieber waren als gar nichts. Und wenn auch hier und da Einer nicht unterschrieb, so tröstete man sich leicht damit, wenn man sie alle hätte bis an den, so werde es mit dem z'letzt auch noch zu machen sein.
Endlich blieb der Bruder dahinten, und Eist schwitzte Geld um Geld für weitere Ausflüge. Der Freund mußte auf Basel, wo sie aus Landschäftler und Picarden den Markgräfler machen, und aus Elsäser und schwarzem französischen den Taveller und sonst herrliche Tafelweine; er mußte auf Vivis, wo sie den See nahe haben und noch appartes Wasser fast in jedem Keller;mußte hierhin, mußte dorthin, traf die Leute nicht an,oder es hieß, man wolle noch warten, bis der und der unterschrieben; so gab's ein Gespreng hin und her, und ob allemal der Freund die Wahrheit berichtete, und allemal da gewesen war, wo er vorgab, das konnte man nicht üntersuchen, er reisste ohne Paß. Wahrscheinlich trauete er dem Regierungsstatthalter nicht,und ohne dessen Empfehlung kriegt man bekanntlich bei der Polizei keinen, wenn man kein Vorrecht dort hat,ein Städter ist zum Exempel. Ob diesem verlief der gesetzliche Termin; die Gemeinde schlug die Erbschaft aus, der Geldstag ward erkannt und verlesen. B'hütigs Gott, wie that Eisi, als es vernahm, der Geldstäg sei verlesen worden. Die Speisewirthin war selben
[206]Tags so fröhlich ums Haus getänzerlet, und hatte mehr als sonst hinüber gegrännet, daß es Eisi auffiel; aber es dachte, die Täsche wird aber g'soffni sy. He nu nähm si ume recht, su isch si dest eh für e Tüfel goreiset;indessen ermangelte Eisi nicht, wieder zu gränne. Am Abend kam Trini, und gab nach einer langen Rede endlich Aufschluß über die Ursache, welche die Speisewirthin so fröhlich und grännsüchtig gemacht. B'hütis,wie da Eisi tobte und auskehrte. Trini müßte auf der Stelle um den Rechtsfreund aus, und als der erschien,hatte es ihm wüst gesagt, daß es einem dünkte, er sollte in kleine Fetzleni verfahren, ehe er nur mit einem Worte sich vertheidigen konnie.
Endlich, als er schnupen, zu Athem kommen konnte,faft wie einer, dem man den Kopf unterm Wasser gehalten, der ihn endlich los gekriegt, als es eben die höchste Zeit war, entschuldigte er sich, daß er gemeint,Eisi wisse per se darum, daß der Geldstag erkannt sei,das hätt' ihm per se sollen angezeigt werden, aber es werd's o Niemere gern tha ha. Indessen ändere das jetzt an der Sache nichts; akkomodiren könne man nach wie vor, da sei der Geldstag gar nicht im Weg; im Gegentheil, das zeige den Leukten, daß es Ernst sei,und wer noch nicht unterschrieben habe, der sei jetzt froh, wenn man noch einmal komme, und sie vielleicht mit dem halben von dem zufrieden wo man ihm früher habe geben wollen. Darum solle es doch nicht so thun,z'Sach mache sich jetzt z'halb ringer, wenn man recht kuraschirt dran hin gehe. Was es etwa mehr Kosten gebe, sei nicht der Rede werth, und wenn z'Sach bis an die gemacht seien, so mache sich das allweg auch;der G'richtschreiber und der Amtschreiber würden allweg auch mit sich reden lassen. Schwer ließ Eisi sich beschwichtigen; der Geldstag stach ihm im Kopf, und das Grännen und Tänzerlen seiner Gegnerin konnte es nicht vergessen, und der Rechtsfreund mochte sagen was er wollte, allweg war es wieder einen Schritt näher dem Ziele, wo es nicht hin wollte; jetzt nur noch die Steigerung, so war die Sache fertig; mit dem Rücken [207] konnte es seine Herrlichkeit ansehen, mußte den Kürzern ziehen gegen die More drüben. Während die blieb,müßte es gehen; das war ihm, als wenn man mit einem Garbenknebel alle Eingeweide im Leibe umdrehe und reigle. Sie könnten sich in Acht nehmen, sagte es, wenn's denn dahin komme, so sollten sie luegen,was es mache. „Da häb du nicht Kummer, Frau,sagte der Freund, verlaß dich darauf, z'Sach geyt. Aber zppis Gelds sött ich wieder ha, das Reise kost v'rflucht viel Geld, wenn ich auch die versäumte Zeit gar nicht rechne, so 2 bis 3 Fünfedryßgler sind futsch, mi weiß nit wie, vo wege es isch gar Mänger, er unterschreibt nicht, bis er ein halb Dutzend Flaschen im Leibe hat,b'süngerbar so ne Weltsch mahnt mich an einen Heustock, der angehen will, da kann man Melchter um Melchter Wasser darüber abschütten, er schlücket glles,und je mehr er schluckt, dest' stärker rauchnet er. Einer z'Murten hat gemeint, wenn einmal die Kameele ausgestorben seien, so wolle unser Herrgott d'Lacotteschlüch in Afrika schicke, die seien besser verpicht als Kameelschläuche, es möge mehr darein, und de no Wy statt Wasser, vo wege es erzeig si je länger je meh, daß die Welische die beste Kameel gäbte, wo me ume wünsche chönt. Eigentlich sei er schon lange reuig gewesen,daß er's nicht von Anfang an so gemacht, und d'Kameel ins Weltschland gepflanzt hätte, und die Weltschen ins Kameelland.“
Eist war nicht empfänglich für solche Späße, es brummte stark über das Sündengeld, welches daraufgehe, und währscheinlich für Nichts und wieder Nichts,spendirte indessen wieder die Einbünde der Kinder und ein Paar schwere Göllerkettelein. Er könne selbst sehen,daß er dafür Geld kriege, es damit mache und z'Sach abtreibe, ume für si lah füre Narre z'ha, syg ihm es ziköstlig u wes scho wett, öppe viel hätts de nimme dra z'wänge. „Häb nit Chummer Frau, ih denk das läng ü wes nit längt, su fehlt doch nit viel meh“, sagte der Freund und strich sich mit seinen Schätzen.
[203]Es ergeben sich noch andere Standpunkte,daraus entsteht Allerlei.Nun gab es noch ganz andere Plackereien, wie Eisi es nannte, welche ihns fast die Wände auftrieben; es wurde noch ganz anders v'rpetschirt und die Sachen eingeschlossen, und nur mit der größten Mühe konnte es es z'weg bringen, daß das Wirthshaus nicht geschlossen wurde, daß man ihm gegen Bürgschaft einiges Geräthe ließ. Zum Wein verhalf ihm jene Freundin,welche ihm zum Amtschreiber verholfen hatte. An all diesen neuen Dingen sei der Gerichtschreiber schuld, behauptete Eisi, das vom Gesetz nichts kannte. Dä steck mit der More da äne unter einer Decke, es syg e Schang für z'ganz Lang wie das gang, u wo me Lit,wo me a angere Orte scho siebemal g'häycht hätt, a sellig Plätzg thuy, wo si anstatt g'häycht z'sy, dorvo lebe chöne, Wittwe, u Waise z'schindte u anger brav Lüt; u de z'Sach mit sellige zvrbruche, daß z'Steine uf der Gasse si v'rschlüfe wege der Schang. Der Gerichtschreiber machte den Amtschreiber wieder gut, aber erst so recht, als nun eine neue Schatzung vorgenommen wurde, und alles noch niedriger geschäͤtzt als früher. Der Gerichtschreiber, der nicht ungern den Bureaustaub mied und die freie Luft genoß, weil er Anlagen zu einer schönen Seele hatte, machte die Inventare selbst,trümpfte Eisi ab daß die Schwarten krachten und ohne es zu wissen, des Amtschreibers Subjekt schrecklich rächte.Eisi versuchte freilich auch Widerstand, aber ein GerichtSchon das Bewußtsein, eine Staatsperson vor sich zu haben, verursacht bei vielen Leuten und begreiflich auch bei Wirthsleuten gar gerne eine Art von Zungenlähmung. Denn gäb wie Eisi was sagte, so grunzten ihm die Anwesenden mißbilligend darein, beim Subjekt hatten sie es umgekehrt gemacht. Nichts lähmt aber die scharfe Zunge mehr als allgemeine Mißbilligung, der Zorn und die Grobheit können steigen, aber der Witz [] 209 wird stumpf, verkriecht sich. Beifall ist des Witzes Schleisstein, er sprudelt am muntersten aus einem ungestörten oder geschärften Selbstbewußtsein, darum ists Königen und Hofnarren am leichtesten witzig zu sein,darum weiß män von Königen und Hofnarren so viele stehende Witze; sie hatten das Vorrecht zum Witz und sobald sie den Mund aufthaten, lachte bereits Alles vorläufig. Schöne Frauen und reiche Mädchen haben ebenfalls viele Rechte, scheinen aber doch nicht die Anlagen zu haben, wie die obengenannten. Zudem hielt der Gerichtschreiber ein stattlicher Mann viel auf Würde, d. h. wo er Untergebene vor sich zu haben glaubte. Da konnte er thun wie ein Landvogt aus üralter Zeit, potz himmelsapperment. So vor Mannen duldete er weder Anzüglichkeiten noch Grobheiten, späzelte nicht, plänkelte nicht. Da setzte er die Leute, daß sie meinten, sie seien stötzlige auf den Grund gefallen,daß sie oft sagten, der sei gewiß am lätze Ort füre cho, u g'hörti eigetlig a nes angers Ort. Dann trat freilich auch eine ganz entgegengesetzte Natur in ihm hervor. Gegen die Mannen, welche was zu bedeuten hatten, da konnte er sich glatt und weich machen wie ein längharigs Küngeli, konnte alles Mögliche thun,von wegen der Popularität. Wir wollen von Gevatterschaften nicht reden, aber einmal klagte ihm ein Vetter,er mache keine Karriere, kriege kein Pöstlein, nicht einmal im Militärdepartement, was doch grad für ihn am komodesten wäre, vo wege wui und nesbah! Dem,sagte er: „mußt machen wie ich, di Donners meine, u d'rnebe Arschlecke so streng de mast, b'sungerbar wes Niemere g'seht.“ „Vetter, hatte der gesagt, albetz häts m'r nüt g'macht, öppe e chleiseli bi nih afe dra g'wahnet g'si un es het neuere Niemer angers duecht, aber jetz wetts m'r neue fast drab gruse u was sieg d's Volch?“„Narr, was bist, warum gruse, d'Chust isch geng die glychi, sagte der Rathgeber, u sövli nieder z'ha, wie aälbetz, brucht me nimme meh. U wegem Volch, Narr,was bist, das het nüt d'rwider, es isch si dra g'wahnet un es isch ihm selber ag'nehm, numme mß me ihm [] 240 selber albeeinist e chly schlecke, aber ume so im allgemeine, un das geyt v'rflucht ring, d'r erst best Löhl chas mängist am beste.“ Der Mann hatte den Strich,und auch so gewisse nicht unangenehme Manieren für eine gewisse weibliche Kulturstufe, gegen Eisi aber war er sackgrob. Ob es nicht auf der Kulturstufe stand,welche ihm angenehm war, ob es sich sonst gegen ihn verfehlt hatte, wissen wir nicht; aber er ließ sich mit Eist in kein Wortgefecht ein. Gleich hieß es, er verbitte sich das, und Eisi solle daran denken, mit wem es rede, Grobheiten anzunehmen sei er nicht gewohnt,aber Ruhe sich zu verschaffen, das wisse er. Eist sagte,es wisse wohl, warum der so sei, aber so eine ertaubete Frau redet viel, während der Tag lang ist. Kurz der machte den Amtschreiber wieder ganz gut, so daß es wieder Vertrauen zu ihm kriegte, und bei seiner Freundin ihm einmal sein Leid klagte und sein Herz ausschüttete. Der Amtschreiber und der Gerichtschreiber haßten einander begreiflich gräßlich wie Hund und Katze, sagt man gewöhnlich; das Bild paßt aber hier durchaus nicht. Hund und Katze gewöhnen sich bekanntlich so aneinander, daß sie in süßester Eintracht aus einer Schüssel fressen; das aber eben ist's, wao Amt und Gerichtschreiber selten oder nie können. Der Amtschreiber war jedoch ein gewixter Mann, packte nicht vor jeder Frau aus, sagte, so viel er höre sei alles in der Form, aber jeder Mensch habe seine eigenen Manieren. Er glaube, das Akkomodiren könne immer noch gehen, und er sei recht gerne bereit, auch etwas einzuschlagen, aber vor allem müsse man mit dem Hrn.Gerichtschreiber reden, der könne in der Sache am besten rathen, und was der einschlage, das wolle auch er, wenn er schon die größere Mühe und Arbeit habe und nicht halb so viel einzunehmen. Nur solle man eilen und Eisi solle machen, daß es wisse, woran es sei, und zu viel Geld ins Blaue ausgeben, das thäte er nicht mehr an seinem Platz. Eisi sperzte an der Sache.Aber es gibt Dinge, die bei allem Sperzen, Treiben,Hasten, nicht ab Fleck wollen, es ist akkurat, als o b [211] man in einen Napf voll gestoßene Nidel oder in einen Haufen weichen Lehm stüpfe, man kann ganze Tage VV man weder Nidel noch Lehm.
Es selbst mochte mit dem Gerichtschreiber nichts zu thun haben, und sein Rechtsfreund hatte bald dieses bald jenes z'Wort, was noch sein müsse und warum er gestern nicht gekonnt und morgen wieder nicht. Endlich derlor Eist die Geduld, jagte mit Wüstthun Bruder und Schwager auf die Beine, dem Rechtsfreund schickte es sich aber unglücklicherweise wieder nicht, er mußte ins Seeland vor Audienz, die mußten hinter den Gerichtschreiber, daß er seine Meinung sage und Nachlaß der Kosten verspreche.
Der Gerichtschreiber fuhr die beiden Mannen gar bedenklich an, wahrscheinlich war er selb Tag mit dem linken Fuß zuerst in die Schuh gefahren. Daäs sei ihm ein ewig dumm Gestürm, sagte er, was sie doch auch sinneten? Es nähmte ihn nur Wunder, wer so was Dummes ihnen angegeben hätte und wie sie so dumm sein könnten, so was Dummes zu glauben. Ho, sagte Eisi's Schwager, öͤppe hüt erst seien sie nicht auf die Welt gekommen, sie wüßten notti wohl, was Akkomidiren sei, und daß das schon viele Leute getrieben hätten, denen es nichts an der Ehre geschadet, und was andern erlaubt gewesen, werde wahrscheinlich ihnen ebenfalls erlaubt sein. Sie hätten ihn nur fragen wollen,ob er ihnen nicht auch an den Kosten schenken wolle,der Amischreiber hätte gesagt, er wolle auch, wenn der Gerichtschreiber wolle. „Nüt schenke ich, antwortete derselbe, keinen Kreuzer, und höret m'r jetzt stürme.Aus was wollt ihr zahlen, was ihr versprechet, oder wer verbürget es, daß bezahlt wird? wer will da zuche?“Es werde sich desse öppe nüt mangle, antwortete der Schwager, was man verspreche, das werde scho öppe zahlt werde, allweg könne man es aus dem nehmen,wo man mehr löse als die Sachen geschätzt seien; wenn es verkauft sein müsse, aus dem was für e Gültbrief u z'halb Wybergut us für schieß. „Nüt schießt für,[2129]sagte der Gerichtschreiber, kein Kreuzer. Wenn die Kosten abgezogen sind, so ist nicht einmal genug da. Das Land ist nichts werth, ich wollte es nicht geschenkt,wenn ich darauf bleiben müßte; nicht 7 Hühner kann man darauf wintern, v'rschwyge denn andere Waare.Das Haus ist nichts werth, besonders wenn die andere Woche die neue Straße erkennt wird, da können sie dann zusammenplären die beiden Weiber, es hat es dann eine wie die andere. Was der Grümpel ist, der zählt nichts, außen fix und innen nir; ich hätte geglaubt,es wäre viel mehr da. Für alles, wo aussteht im Hausbuch, gebte ich nicht manchen Batzen, wenn die Schuldner gerne zahlen wollen, wohl unͤd gut, wollen sie nicht, so ist's fertig, mit dem Lumpenhausbuch ist nichts zu beweisen. Es müßten allweg, wie es auch das Gesetz vorschreibt, zwei währschäfte Bürgen herbei,die müßten garantiren, daß, was man verspreche, auch bezahlen werde. Wer Tüfel da wollte Bürg sein, von BV macht, da sei es ums Bezahlen zu thun. Oder ob sie etwa die Bürgen seien? Davon hätte man ibnen nichts gesagt, sagten die beiden Verwandten, emel einist seien sie sich dessen nicht Sinns. U wes noöthig syg, su chön me de geng no luege. Es wär emel einist ume darum z'thüe, daß er sich unterschreibe, daß er ein Namhaftes an den Kosten schenke, das Andere werde sich schon machen. Sie dächten öppe d'r Wüstist gege Wittwe u Waise werd er nit welle sy.
Was er sein wolle, das sei er für sich, sagte der Gerichtschreiber, sie gehe das allweg nichts an. Das sei ihm eine uverschante Sache, fremde Leute zu plagen, daß sie schenken sollten, was ihnen von Gott und Rechtswegen zukomme, um sich selbst bezahlt zu machen,und dann noch uverschant zu thun, wenn man nicht ihre Lappi sein wolle. Sie sollten jetzt machen daß sie fortkämen, sie wüßten seine Meinung, und für ganze Tage mit solchen Leuten zu stürmen, dafür sei er nicht da. „He nu, sagte Eisi's Bruder, we das so g'meint isch, su cheu m'r gah. Lebit wohl, z'danke hey m'r nüt.“[] 215 Beide waten aus Gemeinden, welche nicht in des Gerichtschreibers Bezirk lagen, sonst wäre er glimpflicher mit ihnen umgegangen, hätte ihnen vielleicht die Sache auch des Nähern erläutert. Ob sie ihm geglaubt hätlen, das ist eine andere Frage. Es herrscht namentlich in diesem Gebiete eine so unglaubliché Beschränktheit in vielen Köpfen, daß sie das ümmste felsenfest glauben,dagegen die klarsten mit Gesetzen belegten Erläuterungen von der Hand weisen. Sieht man der Sache näher auf den Grund, so findet man, daß man festhält,was man gerne glaubt, sei es aus Eigennutz, Rachsucht oder Neid, und von der Hand weist, was diesen Leidenschaften nicht in Kram dient. Man sollte es nicht glauben, aber es braucht schon einen bedeutenden Grad, nicht bloß von allgemeinem Verstand, sondern von Kenntniß seiner selbst und Kraft über sich dazu,gutem Rathe glauben und ihn annehmen zu können.Die beiden Manne waren begreiflich stark ertaubet,einen so großen uv'rschamte Himmels hätten sie ihrer Lebtag doch noch nie angetroffen, erkannten beide einstimmig, d'rzu d'r wüstist Gythung un Batzeklemmer,war ebenfalls beider Meinung. Wenn er einen gesunden Blutstropfen im Ranzen hätte, so, hätte er gegen Wittwen und Waisen nicht so sein können, sondern wenigstens das Halbe schenken müssen. Oeppis recht hätte er d'rneben vielleicht, meinte Eisi's Bruder, und ybest könnte wohl sein, man ließe das Werk fahren,liefe nicht mehr die Beine ab darum und suchte bloß so viel Weibergut zu machen als möglich, das sei die Hauptsach; beim andern bringe man doch nichts heraus, er sehe das wohl. Dieser Meinung dagegen war Eisi's Schwager nicht. „Ja, sagte der, das wär chumlig, dä weg überchäm ja Niemere nüt. Diese Weg gäbs doch o öppis. Sött ih de v'rgebe nache g'lüffe sy, un m'r ha lah wüst säge un us Erbarme, m'r alli Htüh gäh ha, u z'letsch nüt übercho, un Alles sölle ja die ung'rechtist Sach vo d'r Welt wo sy chönt. Du hesch chumlig Frede, du hesch nüt im Für du, u bist [214]nit nache g'lüffe u hest d'r nit müße lah wüst säge wie nih; we des hättisch wie nih, du wurdist o ängers rede u di nit so für nüt u wider nüt lah absprenge vo me neh sellige Kalb, wo öppe z'Sach nit elleini vorstah wird, u de, no lang geng nit.
„Ha nüt d'rwider, e uv'rschamte Uflath isch er,sagte Eisti's Bruder. Aber es duecht mih doch, zWybergut wär jetz d'Hauptsach, u alles angere söit me lah gheye wie's gheye will, u dys Bigehre wirds notti nit sy, welle gah vorab z'näh, was de Kinge g'hört.Oeppe schöns wär selb nit.“udSchönst wär allweg, meinte der Andere, wenn du zuche styngist un o neuis thätisch, Bürg wärist oder sust, as üme de nangere welle z'bifehle, was si thue sölle u was schön wär. G'redt ist bal viel, u chost nüt, u dä, Weg het scho mänge Hudel d'm angere welle helfe.“ Das gab natürlich Feuer und wenn andere Leute nicht geschieden hätten, so wären die beiden blutig hintereinander gerathen, denn beide waren ertaubet und beide stärker am Leibe als am Geiste, namentlich der Schwager. Er hatte es wie viele Kinder gescheuter kundiger Väter, er hatte bloß des Vaters Haus geerbt, des Vaters Wissen und Kenntnisse nicht,von wegen der Vater hatte sein Wissen und Kennen nicht den Kindern zugewandt, sich auch bei ihnen appart durch Niemand vertreten lassen; darum geriethen sie, wie schon oben gesagt, nicht absonderlich weder zu geistiger noch zu leiblicher Arbeit.
Nachdem man sie auseinander gerissen, machte Eisis Bruder sich heim und verschwor sich hoch, wegen der Sache versetze er keinen Triit mehr, luege si synethalb,st syge jetz nimme hie daheim u z'Sach gang ne hell 5 a as er gern well, un es si ihm öppe wohl hick.
Der Andere dagegen fuhr Eist zu, that dort wie ein brüllender Löwe und wenig fehlte, er hätte Eisi die abgestreckt, die dessen Bruder bestimmt gewesen waren.Der Rechtsfreund, der ganz unvermuthet, wie er sagte,früher heimgekehrt war von seinen Geschäften in der
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Fremde, der mittelte jedoch. Er that lästerlich über den Gerichtschreiber, was das für einer sei. Dem wolle er es aber eintreiben, er habe für den schon lange eine Kochete über dem Feuer, jetzt wolle er ihm anrichten,daran solle er genug haben sein Lebelang. Dä Dschade dem Volk jährlich nicht bloß etwa 4 oder 5000,mehr als 10,000 Fr. Er kennte die Sache, aber er wolle nicht, dest schlechter sei es von ihm. Das sei ihm nur wegen den paar Franken, die er schenken sollte,aber die wolle er ihm salzen, daß er grännen müsse,daß es dem Teufel darob gruse. Das was er gesagt,seien alles Späße und Dummheiten, sie sollten sich nur auf ihn verlassen. Aber einstweilen sollten sie still sein,jetzt könne man so viel nicht machen, weil der Hund nicht wolle und der Amtschreiber auch nicht, und man nicht gleich Jemand bei der Hand habe, der das Geld werde schießen wollen. Aber man solle das nur gehen lassen bis die Sache von der Regierung zurück sei, es werde sich schon anders kehren und g'setzt, es komme nicht gleich u d'r Geldstag ging v'rby, so miechs aber nüt, mih chön neh ufha, u de sygs de a dene z'etschädige, wo z'Schuld syge dra. Wohl dem D. wett er de e Gunte mache, dä ihm mängsmal lieber sy sött as das Wirthshüsli mit allem was drinne syg.
Die Antwort von der Regierung kam indessen immer nicht, wohl aber nahte sich der Tag der Steigerung, und gäb wie Eist lästerte, das Kalb von G'richtschreiber sei an allem Schuld, es fand in diesem Zorn je länger je weniger Trost, denn je länger je größer ward sein Leiden.
Wie aus allem endlich ein Geldstag entsteht und was ihm noch alles vorangeht.
Es gibt je länger je mehr Leute, welche nicht arbeiten mögen, doch gerne gut Sääch hätten, reich werden möchten. So bloß mit dem grad ane Zähn tröcknen an der Sonne, kömmt man weder zu dem einen []216noch zu dem andern, das begreifen die Leute noch. Wenn man zum faulpelzen und Zahntroöcknen an der Sonne wirthe oder d'Frau und Kinder wirthen läßt,so fehlten d'Fischli z' Morge und d'Krebsli z'Nacht nicht,so meinen die Leute noch bis auf den heutigen Tag,obgleich das Amtsblatt von verhudelten Wirthen wimmelt, wie in einer Kaserne die Flöhe wimmeln im August. Wenn daher irgendwo eine Wirthschaft ausgeschrieben wird, zu freier Hand oder Geldstagswegen,zum Ausleihen oder Kaufen, so fäckelt das daäher wie Spatzen auf einen Kirschbaum, wie wilde Tauben auf eine Eiche, wenn die Eichel reifen, wie Mäust hinter eine Wanne mit Haußet (Hanfsamen). Da kömmts daher vom Oberland und Niederland, alles Rustig, die wohlfeil reich werden möchte, und firmt in allem herum, und steckt in alles die Nase, und rümpft sie über alles, rühmt, wie man es gehabt, und grännet über was man findet, thut verfluxt hochmüthig, als ob man daheim alle B'schüttilöcher wegen Mangel an anderm Platz voll, doppelte Berndublonen hätte und d'r Gring voll Klugheit und Finesse vom Tüfel, frägelt viel und gibt doch kein manierlich Wort und thut mit den Leuten im Hause ungefähr wie mit Schallenwerchern, wenn man das Schallenwerch besichtigt. So ein Ehepaar auf der G'schaui macht überlaut sich gegenseitige Eröffnungen, wie es nicht alles sein müfse hier. Die Leute wären sonst nicht über Nichts gekommen, und wenn einmal ein Wirthshaus so verhüüdelt sei, so sei es fast nicht möglich, es wieder gut zu machen und Gastig zuchezieh, es mein geng alles, es sei noch das alte G'hudel. Ein Haus sel bal Z'ungerobis, aber Ufstelle selb gang lang. Kam bloß Mannevolch auf d'Geschaui,und vertrug auch noch was. Kam aber so hoffärtiges Weibervolch g'wäggelet, rieb sich die Hände, rümpfte die Nase und b'richtete, wie es ihm sein muüßte, was es alles dolete und nicht dolete, was ihm wegmüßte u was ufläthig sei, schüli, sagen die Zürcher, dann kam Eisi ab der Kette und that wie ein alter Metzgerhund [217]der Junge säugt, und trümpfte so junge Gärnäseni ab,daß sie weißeten wie junge sich beißende Rosse. Doch das war noch das Mindere, was es auszustehen hatte,von wegen die kamen und gingen; die meisten sah es nicht wieder, und bei den meisten hatte es das wohlthuende Bewußtsein, daß es dene es gesagt, daß sie ein Wyltschi daran denken würden. Viel bitterer weh thaten ihm Nachbarsleute, denen es nicht auf den Leib konnte, deren Plagen sich alle Tage wiederholten.Wenn ein Haus in Geldstag verfällt, d. h. ein Haus in welchem allerlei Effekten sind, so tauchen rundum allerlei Hoffnungen und Gelüste auf. Es ist keine Haushaltung, in welcher nicht was fehlt, wo man nicht dieß oder däs haben sollte, aber das Geld hatte einen gereut, neu machen lassen mag man nicht, aber so ungefähr und um den halben Preis, käme man höllisch gerne dazu. Gibts nun an einem Orte einen Geldstag,so kömmt ihnen so ein Haus vor fast wie den Spatzen ein Kirschbaum, der zu plündern steht, was da alles zu haben wäre um den halben Preis, halb kaufs, halb plünderungsweise. Die ganze Masse betrachtet man als herrenloses Gut, möchte sich auslesen was jedem anständig wäre, und wenn man es umsonst haben könnte,so trüge man durchaus kein Bedenken, es umsonst zu nehmen. Wem die Sache gehört, wie man zu den frühern Besitzern gestanden, kömmt nicht in Betracht, Mitleid ist keiines da. Si heys g'ha, hätte si g'luegt, daß sis chönte b'ha, d'r Reste geyt mih nüt a, das ist Wahlspruch. Nun nimmt es einen Wunder, was da sei, ob wohl gerade das, was man wünscht, ob es sich der Muhe lohne, der Steigerung beizuwohnen, in welchem Zustande die Gegenstände seien, und wenn zwei von einer Sorte vorhanden sind, welches wohl der bessere sei. Das alles möchte man vor der Steigerung wissen,an der Steigerung selbst kann man dann nicht alles so punktum uniersuchen, jedenfalls passen viele Augen auf und gucken ebenfalls. Und je näher man dem vergeldstagten Hause wohnt, ein um so näher Recht glaubt man an die Sachen zu haben und eigentlich pflichtgemäß [218]auf jegliche mögliche Weise dafür sorgen zu müssen, daß man das Beste am wohlfeilsten vorabkriege, nit öppe so ne frömde Schelm, wos eigetlich gar nüt agang, u wo me gar nit sött zuche lah, eim z'Sach vorabnehm.
Auf der andern Seite herrscht das natürliche Gefühl, das Seine ungern in fremde Hände übergehen zu sehen. Es dünkt einen, es sollte Riemand davon mögen, kein Mensch darauf bieten, wenn Niemand darauf böte, so würde es ihnen ja bleiben. Und allemal, wenn man möchte, daß Jemand davon möchte, wird man roth im Gesicht, bei jedem Bott gibt es einem einen Stich und wenn Jemand etwas ersteigert und wegträgt,so denkt man: so auch du! hätte doch nicht geglaubt,daß auch du so schlecht wärist, aber wart nur, dir treibe ich es ein.
Die Begierde der ganzen Nachbarschaft nach seinen Sachen mußte Eist auf das bitterste empfinden. Wenns dämmern wollte des Abends, so sah Eisi wie Nachbaren ums Haus schlichen, fah sie hier einen Wagen,dort ein Kommet besichtigen, so gleichsam im Vorbeigehen, sah des Morgens, wenn es aufkam, sie aus dem Stalle kommen, und wenn es einmal ung'sinnet vom Essen ging, so war es sicher, verdächtige Gestalten hier oder dort stehen zu sehen.
Andere machten die Sache noch anders, die kamen zu ihm ins Haus, thaten gar theilnehmend, sagten wohl: „du armi Frau, wie de mih doch dure chast“,ließen unterdessen die Augen herumspazieren, musterten was sichtbar war, fragten verblümter und unverblümter,je nachdem sie ein gröber oder feiner innerlich Yg'richt hatten, nach diesem und jenem; doch sehr felten wär eine so grob zu sagen: „wes öppe nit z'höch ufetriebe würd, su hätt ih Muth d'rzu, hät scho lang gern selligs g'ha, aber z'Geld het mih neue g'reut. Nit daß mör's nit g'ha hätte, aber wenn me King het, su muß me geng z'erst a die sinne, gäb me Neuis z'Unutz usgit.“ Die andern sagten höchstens: „Aber nei, Eisi,daß du das erlebe mußt, lue, du chast mih dure, ih cha nit sääge wie (die Feinsten nahmen hier einen Zipfei [239] von der Scheube und fuhren damit in den Augen herum). Wie dich doch alles grüsli reue muß, hättist alles so schön im Stand g'ha udjetz d'rvo müße bi lebigem Lyb, nei, es isch schröcklig, es z'rschryß mih, ih gstiengs lebig nit us. U v'rmahst di desse nüt, u waärs a dir g'lege gisi, su wärist de im Stang Niemere e so, aber was cha en armi Frau zwänge, we d'r Ma nüt nutz ist u ÿGeld oberarm yche v'rschlengget. De Todtne söll me nüt bös nahrede, es heißt, si chöne ein no plage,un ih möchts sust nit thue, ih wurd mih schäme, aber g'seit ha nih zu myne Lüte mängist: dä Steffe isch doch d'r nütnutzigist u fülst, wos git, wie mi doch die Fräu erbarme cha; we die e rechte Ma hätt, wo ere g dHang ging un a zSyte stüng, das wär die fürnehmst Wirthi z'Lang uf z'Lang ab, ih mängem Kantön fung me ke selligi. Aber alles wirst de doch nit lah v'rkaufe,du wirst d b'ha öpp z'beste d'rvo, bi selligem V'rmöge wirst de di öppe nit lah blutti mache? Oeppe die beste Bett wirst de b'halte, un öppe es schöns Bureau un die große Gumode i d'r Stube mit dene arige Umhaänge u länge Fransine, ume so öppe das Schlechter wirst furtlah, öppe die plähete Sache oder Die, wo ume noh halb ganz sy? Aber grad öppe dä groß schön ehrig Hafe wirst nit furt lah, un d'r Brönhafe o nit,wenn de wieder öppis Neus afahst, oder z'Wirthshus wieder a di nimmst, su manglist se. Die bessere Täßleni, da die schöne blaue, die wirst näh un die schöni gelbi Kaffekanne? Emel ih miechs, het mes, su het mes, laht mes furt, su gilts nüt u we mes ume ha sött, su chost's es Sündegeld u z'Sach macht me d'rzu no all Tag schlechter.“ So fühlten die feinern Weiber auf den Zahn, mischten das Süße mit dem Sauern so künstlich, daß Eisi ihnen nicht nach Noten dienen konnte, sich fangen und ködern ließ und erst hintendrein dachte: oder wott die donstigs Täsche öppe o cho steigere u het si deretwege so nöthli g'fragt was ih b'häb u was nit?
Qualen stund indessen auch die Speisewirthin aus,neben der großen Wonne in welcher sie sich wälzte, die [220] jedoch nach und nach abzustehen anfing, denn jede Sache wird alt, absonderlich eine Sache, die man alle Tage im Munde hat, und jedem Gaste, der die Nase zur Stube hinein hat, vorkaut. Begreiflich hatte sie seit Wochen die größte Wonne ausgestanden, hätte viel bündigere Kenntniß vom Stand der Dinge als Eisi, und ermangelte nie denselben ihrer Gastig mitzutheilen und aufzustellen an einer von ihr selbst gemachten Sauce,welche ungefähr aus folgenden drei Bestandtheilen bestund: „He nu es geht doch noh i d'r Welt albeeinist nah d'r G'rechtigkeit, wes mängisch scho lang geyt bis me se g'seht. Es nimmt eim zu Gott Wunger,“ daß es da äne so lang gange isch, so wie sis triebe hey, das het afe ke Gattig giha. Aber Wunger nimmts mih notti, ih mah fast nit g'warte was dä Narr afaht. Ih traue geng, si häych si, oder si chön de öppe ug'sinnet wieder männe; aber wer wett e Sellige möge u vermöge se nachez'fuhre, vo wege die v'rbruchtde öppis ih chas eim säge.“ Hier pflegte sie gewöhnlich an die Sauce einen langen Stiel anzubringen. Auch sie hatte Por se darauf spekulirt, an der Steigerung zu glänzen und Eisi zu zeigen, wer z'letzt noch Trumpf habe; sie hätte schon lange Silber gespart, so viel sie konnte, um so recht mit demselben zu klimpern und zu glänzen, was nicht mit Batzen zu zahlen war, mußte warten bis nach der Steigerung, ob sie nach der Steigerung zahlte, oder es hatte wie der alte Bursche im Lied: „vor der Messe zahl ich nicht, nach der Messe wird auch nichts daraus“, wissen wir nicht. Nun sah diese Speisewirthin andere Weiber hinübergehen, die man sonst nicht im Wirthshause sah, namenilich bei Eisi nicht, und klug genug war die Speisewirthin, obgleich sie Bäbi hieß,alsbald zu merken, daß jene Weiber nicht bloß wegen ihren guten Herzen und wegen Erbarmen hinüber aüngen, sondern wegen was Anderm. Nun wollte es Babi fast versprengen, daß die drüben alles sollten ausgewundern und erlesen können, es aber nicht, und so aufs Gerathewohl dreinplampen müßte, nicht wisse, was alles da sei und was das Bessere sei. Bäbi setzte ein paar
[221]Male an um hinüber zu gehen, geistete sich auf, sagte fich: „tödte wird die dich öppe nit, u freße nit, die wird doch wohl öppe zahmet ha un alti g'nue sy, emel 10 Jahr ist die älter als ih, für z'wüsse was es erlyde mah u was nit, u de ha nih z'Recht so gut as öpper anger, u de chönt ih ja öppene Knecht z'wegstelle, daß er m'r g'schwing z'Hülf chöm, wen ih afing brülle, u daß er se de so kecht vom Tüfel abhabereti.“Indessen war sie doch nicht Babi genug, die Sache ins Werk zu setzen. „Was Tüfels hätt' ih z'letsch d'rvo,d'Lüt hätte z'grusami Freud dra, wenn m'r enangere recht vrkreblete, u de dörft ih ja gar nit emal a dSteigerig, z'Selbigst will ih doch de gah, da nimmts mih doch de zu Gott Wunger, ob ih de dert nit sövli Recht heyg, wie ne angere Mönsch.“
Es half sich so gut es konnte mit Nachrichten durch Trini und stillete so seinen G'wunder bestmöglichst. Es hatte sichere Nachricht, theilte es daher seinen Gästen mit, daß a dSteigerig nüt g'rechts cho werd un es syg eine e Narr, wenn er deretwege ume e Tritt v'rsetz;zibest g'sech me niene meh, es wüß ke Mönsch wos hi cho syg; u was syg, syg es G'hudel, daß es e Schang syg. Deppere sorg g'ha heyg Niemere zur Sach, es heyg so müße gah, wies gange syg. Aber mi wüß wohl woher das chöm, ung'recht Gut thue nie gut. Es heiß, Eisi's Großätti syg rych worde, es heyg ke Mönsch g'wüßt wie, aber es syg geng d'Red gange,just z'selbist syg e ryche Krämer, dä uf Zurzi welle heyg, v'rlore gange, u kei Mönsch heyg chöne erfahre,wo ner hi cho syg. Es werd wohl öppis a d'r Sach sy, mi wüß ja wie es Eisi's Schwester gange syg.
So konnte Eisi der Steigerung nicht ausweichen,und hatte doch nicht alle Hoffnung verloren, der Rechtsfreund wußte immer neuen Trost, und wenn Eisi in vollem Zorn auf ihn einfuhr, so hatte er immer die Antwort: „E aber Fraueli, thue nit so, grad das isch gut, grad so ha nihs welle, jetzt wird's öppe nimme fehle“, und wußte es mit den dümmsten Gründen zu bereden, daß es ganz busch auf wurde; was man halt [229] erne hört, das glaubt man auch gerne. Vernünftige * hätten an diesem Glauben gar nichts begreifen können; het dä Narr 'snit glaubt bis am ietzte Tag, es mach alles nüt, es chöm no gut, sagten die Nachbaren unter einander. Ein solcher Glaube wird viel häufiger als man glaubt gefunden in Israel. Glaubt ja doch so manches arme Mädchen an Treu und Liebe, bis es im Unglück sitzt, bis der Treulose mit einer andern am Altare steht; glaubt doch die arme Mutter an die Rettung ihres Kindes, bis die blassen Lippen sich nicht mehr öffnen wollen, im starren Äuge der Tod sichtbar wird; glaubt doch so mancher an längeres Leben, nimmt das leise schwindende Leben für leise werdende Genesung, denkt ans Sterben noch kaum, wenn auch der letzte Athemzug entschwunden ist, denkt ans Sterben nicht, ans Leben nicht, bis der Seele der Tod erscheint,bis das Herz im Tode brichtz ach und glaubt ja so manches Babi nicht, daß es ein Bäbi, so mancher Lädi nicht, daß er ein Laädi, so mancher Taugenichts nicht,daß er ein Taugenichts sei, bis Gott es ihm muß selbsit sagen, mit feurigen Buchstaben an die Stirne schreiben wird.
„Du wirst öppe nit welle d'rby sy, hatte Jemand Eist gefragt, als der Tag der Steigerung nahte, du wirst mit de Kinge öppe'e weni nebe us welle, bis Sach für isch.“ „Warum sollte ich neben aus? fuhr Eist auf, gell, daß man dest besser b'schyße un stehle chönnt, wenn ne Niemere uf d'Finger lüegti. O jere nei, ih blybe d'rby bis z'lest, ih wüßt gar nit warum ih nit sött, bi nih doch nit z'Schuld, vormah mih desse nüt, u wär ih nit g'si, su gings no viel wüster. Nei,ih, wott de Lüte unger d'Auge stah, selb wott ih, si müße nit meine, ih heyg mih z'schäne u dörf mih nit zeige. Ih wott luege wer Freud dra het, vo uüͤser Sach z'kaufe un si möcht wärme a üsem Für. D'Lüt chenne möcht ih, vo wege es chunt de öppe e Zyt, wos m'r chumlig cho chönt, wenn ih wüßt, wo nih zSach zsuche ha u wem ihs ytrybe cha.“
„He, ja ja, sagte die Frau, du chast's so mache,[] 225 aber mängi chönt nit d'rby sy, nit die Zechnist g'stiengs us. Aber frage muß ih doch, zürns nit, aber es nimmt mih notti Wünger, wo de de us wottsch, wed z'Sach verby isch, du wirst drum g'luegt ha, wirst öppe welle gah Krüzerwirthi sy?“
„Warum nit gar Krüzerwitthi, sagte Eisi, ebe so mähr Hühnermeitu. Nei, da ha nih nüt g'luegt, un ih hätt nit g'wüßt, warum ih luege sött. Wunger nähins mih notti doch, wes mih hie ustrybe wett; es ist de notti mys Geld g'st, mit dem z'Sach kauft un zahlt worde isch. Da blybe nih, u we me vier Roß äsetzti, mih brächt mih nit weg. Will doch de luege,ob no G'rechtigkeit uf d'r Welt isch.“ „Mit dere ischs afe bös, antwortete die Frau, si säge, es syge Schmutzflecke druf cho u du heyg es d'Müs g'schmöckt u syge d'r hinger cho u heyge se z'völmig g'fresse. Weiß nit obs isch, un a alle Orte möcht ihs nit säge.“ „Es wird viel dra mache, sagte Eisi. Aber sygs wies well,glaubst, du zwängist öppis, su machs, ih möcht d'r's gönne. Un ih glaub, du chönist no öppis zwänge, es cha neue schier e niedere mache was er will, u wenn eine recht ufbigehrt, su isch me froh, neh lah z'laufe,u git ihm no e Pfoste, b'sungerbar, wenn er öppe e Schnäuzler isch oder doch emel e Paß. Aber wenn ih di wär, a d'r Steigerig wär ih doch nit da, es isch sust neue nit d'r Vruch u'was d'Lüt säge, het me si doch geng e weneli z'achte.“ „Was frage ih de Lüte nah,rede die doch was si wey, u wes ne nit recht isch was ih mache, su stecke si doch e Steckli d'rzu u hocke druf.“„Su adie, sagte die Frau, ih muß gah, ih has Brod im Ofe, es wird wohl gut sy, aber m'r leus gern lang drinn, es grauet de minger, u de Müse ischs d z'wider dra hi, wes ordli herts isch. Aber denk, was m'r g'scheh isch, wo nih am vordere Tag es Brod näh wott, su rührt es si drin, grad wie wes lebigs wärs, ih ha bim Schieß e Gux usg'lah, si heys im ganze Hus ume g'hört u sy cho luege. U wo me du recht luegt, was isch du g'si? Hey m'r nit d'Müs z'Brod usghölteu drin [224]g'nestet u Jung g'ha, 7 jung Müs sy drinne g'si! Un vom ganze Brod hey m'r kes Schnefeli chöné bruche übere Tisch, d'r Rauft ha nih du no yg'schnitte, daß es die angere nit g'wüßt hey. Vo wege es het mih g'raue, es isch b'sungerbar guts Brod g'si un emel nit meh as feuf Wuche isch es g'si, daß 'm'r bache g'ha hey. Adie!“ und brummend ging sie fort, denn däß Eisi an der Steigerung anwesend fein wollte, war ihr begreiflich nicht recht, von wegen sie hatte ein Pfänni im Auge un e b'sungerbar suyfs Garteschüfeli. Sie verbreitete überall, was Eisi im Sinne hatte und überall nahm man das Eisi sehr übel, und war Eisi schon vorher nicht beliebt, so verlor es doch jetzt vollends das letzte Fünklein Gunst und Gnade bei fämmtlichen Weibern rundum.
Eisi hatte das Ding sich doch leichter vorgestellt als es war, es ging ihm fast wie manchem jungen Helden, dem es ein leicht Werk schien, eine ganze Armee zu überwältigen, so lange als er kein Soldatenbein sah,dem es aber zu duttern anfing, als er die erste Flinte zwitzern sah, der nach was Sicherm sich umsah, sobald der erste Schuß losging.
Es graute Eist doch, als es am Abend vor der Steigerung an die folgenden Tage sinnete, wie das eins nach dem andern verschwinden werde, hier aus, dort aus, daß es nicht einmal wußte, wo aus, und wie die Leute es ansehen würden, einander müpfen, fragen:„ist das se, d'Wirthi, wie mah die d'rby sy, das muß doch e usg'schämti sy“, und wie Diese oder Jene, die es sonst so gut kannten, es morgen vielleicht nicht mehr gen werde: „Go grüß ech u wie geyts“ und wie drüben alles voll sein, Chaise un Schärbänk dort stehen werden und hier nichts, obgleich es auch wirthen woilte und angewendet hatte mit Vorkehren. Aber was das für ein Vorkehren ist, wenn man gewohnt war, alles um sich zu haben, die Hülle und Fülle an Geräthen und, Vorräthen, mit vollen Händen zu spenden, das Geringe nichts achtend, beim Rassein zerspringender
[22383]Flaschen und Kacheln nicht einmal umzusehen, Anken ins Feuer zu werfen, wenn man nicht gleich hölzerne Scheiter bei Handen hatte, und jetzt bloß noch hie und da ein Pfänni und ein Kacheli, und etwa noch ein Schüsseli, und etwa noch ein Züberli, und an Vorräthen hier ein Brösmeli und dort ein Restli, armselig alles, als hätte man die Mäusenester geplündert, oder schmäderfräßigen Jungfern die Säcke geleert, und doch vielleicht trotz aller Armseligkeit noch viel zu viel. Denn wer ißt gerne in einem Wirthshause, wenn Geldstagsteigerung darin ist? Ist's nicht, als habe jede Sache eine eigene Kust, laufe einem im Halse auf, daß man es fast nicht hinunterbringen könne, oder würge einen wie halbreife Kannenbirnen. Darum wer es anders machen kann, mag da nichts nehmen, nicht essen, absonderlich allfällige Wirthsleute nicht, welche an die Steigerung kommen. Ist's denen nicht, wenn sie was genießen sollen, als müßten sie vom eigenen Fleische essen und vom eigenen Blute trinken? Oder ist's ein grusen ab der eigenen Kust der Sachen und dabei denken zu müssen, auch ihre Sachen kriegten diese Kust,wenn Geldstag sei in ihrem Hause? Es sei die eigenthümliche Geldstagskust in einem Wirthshause, wie es einen eigenthümlichen Leichengeruch gibt, einen eigenthümlichen Gaststubengeruch, der alle Morgen frisch zu riechen ist, ehe die Stubenmagd die Federn aus den Haaren gemacht, den Zieger aus den Augen und frische Luft eingelassen hat in die durenänderlige Unaussprechlichkeit, in die unaussprechliche Durenänderlichkeit.
Ist's zu machen, so läßt man das Fuhrwerk am nächsten Orte und schmuggelt sich herbei, so unvermerkt als möglich, absonderlich die Männer. Den Weibern ist dieß freilich oft nicht recht, sie sagen „emel ih schüche mih nit, hätte si o tha wie mir, su hätte si o chöne bi ihrer Sach blybe, so gut as mir“; und dabei denken sie wohl, „ja lueget mih ume a, ih ha am liebe Gott z'danke, daß ih nit e Sellige bi, sonder e ganz e angeri, wo no mängi, wo meint, was sti isch, chönt Exempel näh vo me ne Byspiel.“15 [226]Das Alles, thun und sinnen, hatte ihns halb taubs halb weich gemacht; da ging es noch durch die Stube,wo seine Kinder alle schliefen, so wohl und fest, daß sie nichts wußten von der Welt, nichts von Geldstag und Steigerung, keinen Gedanken daran hatten, daß vielleicht bald die Stunde kommen könnte, wo sie kein Bett mehr hätten, ja wo sie nichts hätten, nicht wüßten, wo sie ihr Haupt hinlegen könnten. Anfangs ward Eisi taub bei diesem Anblick; „da liegen sie, fagte es halblaut, als ob sie Alles nichts anginge und ich alleine muß alles austrappen und ausessen, und es duecht mih doch, die Größere sött afe d'r V'rstang ha, z'merke was geyt u z'sinne, daß si o dra z'schuld syge, un jetz o öppis thue oder emel o d'rglyche thue sötte, daß si zSach o öppis aging u daß si o z'schuld dra syge. Si sötte sinne, was si afe kost hey, u was me für feye het müße usgäh. Niene hi isch me, daß me nit für e Hampfele Geld Sache oder Kram hey brunge het für seye u de söpli nüt sorg g'ha d'rzu, u zSach v'rdrecket u v'rhudlet g'si isch, gäb me ume ume g'lueget het. Ja we die nit g'si wäre, es hät noh lang gha, bim Donstig. A de Klynere duechts mih nüt angers, es King isch es King, aber die Größere, wohl, die sötte d'r V'rstang ha! We si ne nit hey, wohl, su cha me ne ne mache,“und Eisi war drauf und dran dem ersten Antrieb zu gehorchen und den ältesten Jungen zu haren vaterländisch, ihn partikular zu züchtigen, damit er sein eigen Selbst im Weh ertränke und Antheil nehme am allgemeinen Weh. Es ist das eine eigenthümliche Kürmethode, die öfters angewendet wird. Indessen, wie gesagt, Eist war halb taubs, halb weichs. Als es so im Zorn ans Lager trat, in welchem die beiden ältesten Buben schliefen, sicher, fest und kühn, man hätte eine Kanone ablassen können neben dem Bette, sie hätten sich nicht geregt, so stutzte es und das Weiche faßte ihns stärker: „Si schlafe, bim Dolder, wie wenns nie meh gut wär! Wer weiß, wenn si wieder d'rzuchöme,wer weiß, viellicht ist's ne vor g'si, daß si z'letzt mal i dene Bette sy, u weys jetz no recht profitire! U si [227] hey recht, un se jetz ufz'jage, wär notti nit recht. Un es chönt z'letsch no öppis 'bidüte ha, wenn ih se uf0 ne se nit gönt, u wer weiß, was es sust no öppe chönt z'bidüte hä, öppe apparti mit selligem möcht ih mih nit no ga v'rsünge z'letsch, wo nih mih sust nit v'rfehlt. ha.U nüt z'Schüld sy u z'letzt doch alles usfreße müße,X doch müße b'hange, d'King eim nüt helfe chöne u die angere alli meine, st syge Krähye u nih ume e Keib u niemere ha uf d't ganze Welt, wo's gut meint! U bi es schöns Meitschi gst, u ha zechetusig Pfung V'rfallnigs g'ha, u jetz e alte Krate, söpli King u morn d'r Geldstag, u nüt z'Schuld, u nüt wüße wo us un a!“ Dä überwältigte einmal die weibliche Natur Eisi auch so recht, es weinte sich in ein Weinen hinein, das am Ende fast einem Erdbeben glich, ihm Leib und Seele schüttelte, ihm fast den Athem nahm. Gedanken hatte es lange keine, vom allgemeinen Elende wurden sie überfluthet. Als endlich der Wolkenbruch sich schloß, die Elendsfluth zu versiegen begann, erhob sich über die Wasser der Fels seiner Nalur. Nein,dachte es, weder häyche no is Wasser, das G'falle thue ih ne nit, die Freud müße si nit ha, dene will ih untere Bart stah, daß si wüße, daß Eisi Eisi blybt,mache si mynethalb was si wey, si heys z'v'rantworte.
Wie ein Geldstag angeht und was zuerst aus dem Haufse geht.Am folgenden Morgen war es schön auf Erden,ach wenn es eben so schön in den Gemüthern gewesen wäre! Klar stieg die Sonne auf, übersilberte das Eine,übergüldete das Andere, und tausendstimmig zwitscherten die Vögel des Schöpfers Lied aus grünendem Busch, von schwellendem Baume, die Märzenglöcklein nickten in leisen Morgenwinde den Takt dazu, und vom dampfenden Miste weg krähte der Hahn sein [228]Wohlgefallen an des Schöpfers Herrlichkeit, der Sonne lieblichen Scheine, der Vogel munterm Gesange, der gakerenden Hennen holdseliger Freundlichkeit.
Oede aber, dumpf und traurig sah es um das Wirthshaus auf der Gnepft aus, fast einem großen Sarge gleich, der zugeschlagen und vernagelt eine Leiche birgt, stand es da. Drüben in der Speisewirthschaft rührte man sich früher, es rauchte der Kamin, es wurde ums Haus gewaschen und gekehrt, die sämmtliche Mannschaft schoß zu allen Löchern aus und ein,wie es in einem Bienenstocke geht, wenn er zu stoßen droht. Still war's noch auf der Straße, bloß einige Hunde machten ihre Morgenpromenade, Kinder holten Milch, und Mägde liefen mit Zübern den Brunnen zu,als ob es brenne, stunden dann aber bei den Brunnen,als ob sie aufs Angefrieren warten wollten, und verwarfen dazu die Arme, als ob sie Gott einstweilen in Windmühlen verwandelt hätte. Bettler strichen durchs Dorf, Zugvögeln gleich, die durch Steppen streichen.Ein Mädchen und ein Knabe hoscheten lange am Wirthshaus und schrieen kehrum: „möcht z'Almuse“,aber kein Leben regte sich drinnen, z'leerem mußten sie wieder fort. Dann kam ein Mannli daher an langem Stecken, die Pelzkappe wohl über die Ohren, gehorsamst wadelten ihm die langen und breiten Fecken seiner Speckseitekutte nach. Doch bewegte sie sich in immer kleinern Schwingungen und stand endlich gehorsamst ganz stille, als das Mannli sich stellte den Stecken vor sich, beide Hände darauf, und das Wirthshaus beträchtete. So stund das Mannli alleine lange, knüpfte auch mit keinem Vorübergehenden eine Unterredung an,rührte sich weiter nicht, als daß es zuweilen eine Prise nahm; aber wenn ein Kind vorüber ging und ihm die Zeit wünschte, so dankte es. Dann endlich stellte sich nicht weit von ihm ein anderes Mannli auf, lehnte sich an eine Ladenwand, machte Tuback ein, versenkte in tiefe Betrachtungen sich, gab keinen Laut von sich.Endlich kam eine Frau daher getrippelt, die Hände in den Kittelsäcken, die schwieg nicht, gab dem einen Mann [229]die Hand, wünschte guten Tag, hieng dem Wunsche noch einige Redensarten an, dann die Frage: „ist da no Niemere uf?“ Als das erste Mannli antwortete,er hätte no Niemere g'merket, so meinte die Frau, das haätie doch afe ke Gatiig, scho bal 8 un es zeig si no Riemere. Si hulf gah dopple, es syg ere neue so schier wunderlich, si nähmt für e halb Batze rönz u ve schick es si grad am beste öppe ‚'luege,R daß Niemere zuche chön. Es sei ihm gleich, sagte das Mannli, we du dopple witt, su chum d'r nah. Gäbs afaht e Schluck, schadt nüt, es macht eim ume herzhaft zum biete, z'viel nützt nüt, mi chönt, ume z'kurafchirt werde, u felb ist nicht gut; mit z'viel biete, het si scho Mänge überlüpft.
Sie gingen, fanden wider Vermuthen das Haus offen, aber leer die Gaststube und dort mußten sie lange länge doppeln, ehe endlich Eist erschien, stattlich angezogen, doch nicht im eigentlichen Staat, und rauzig frägte: „Was hättet d'r welle?“ So ging für ihns der Tag an und seine Marter begannen, die es sich nicht vorgestellt hatte. Der Mensch kann wohl sich vorstellen, was sich zutragen, wie es gehen werde, aber was für Eindrücke das machen werde auf sein Gemüth,was er bei diesem, bei jenem empfinden werde, das kann er sich nicht vorstellen, das liegt außer aller Berechnung. Der Mensch kann was vom Wetter wissen,kann sagen auf den Abend wird es donnern, es wird regnen durch die Nacht, aber wann der Zorn donnert in seiner Séele, wann bitteres Leid in seinem Herzen sich ergießt, ob im nächsten Augenblick, oder in der nächsten Stunde, oder gar nicht, daß weiß er nicht.
Da kamen nun Leute, welche gar keine Rücksichten hatten, welche ganz ungenirt frägten, nach diesem, nach jenem, ohne sich seiner viel zu achten, Gespräche führden wie es eine strenge Sache sei, so vor e Hag use ywurste und müße g'seh eys Stückt hie us träge, FanJer dert us, no viel ätger as bire Brunst. Da chön me doch denke, emel meh as z'halbe werd nit g'stohle [230]u z'anger überchöm me ume, hie chöm nüt ume. Wie die Leute sich mehrten, wuchs auch ihre Courage. Zuerst trippelte das erste Fraueli aus der Gastfiube in eine andere Stube, dann trappete ein anderer Trappi nach, dann ein anderer anders wo aus, trappeten allmälig im ganzen Hause herum, zu allen Thüren ein,g'schaueten alles, lobten, kritisirten wie auf einem Markte, wie in einem herrenlose Hause, wo es Niemand weiter was anging, was man sagte, was man machte, wohin man ging. Die Kinder, die gewohnt waren, liegen zu bleiben, so lange es ihnen gefiel,waren aufgestöbert worden, wie ein Nest voll jünger Wachteln, wenn des Mäders Sense über sie fährt.Wie die jungen Wachteln zerstreut durch den Klee schlüpfen, hier aus, dort aus, bis in einer fernen Ecke die Alte leise schlägt, dann auf den ersten Schlag die junge Brut der rufenden Mutter zustrebt, ihrem Schutze sich anzuvertrauen, so liefen die aufgestöberten Kinder wohl auch zerstreut verwundert, die Kleinsten ängstlich durch ganze Haus; aber ihnen rief keine schüßende Mutter, da waren keine Flügel, unter die sie sich bergen konnten, und wenn eins zufällig auf die Mutter stieß, an ihr Fürtuch sich klammern wollte, so hieß es:„gang m'r doch unger die Füße weg, hang doch nit so ammer, gang, lue wo die angere sy, ih ha jetz angere Sache z'thüe! Putz d'Nase, gang, si sölle di wasche, du g'sehst ja dry, mi muß si fry schäme.“
Richtig stunden oft die Leute bei den Kindern still und sagten laut, unverholen zu einander: „Nei aber au, luegit au, was das für King sy, kes g'strählt u kes g'wäsche, u laufe so des ume, no ame“ ne sellige Tag. Nei, jetz nimmts eym nüt meh Wunger, daß es so gange isch; bi ere sellige Ornig, wie wetts chönne gut gah.“
Das nöthige Personal war da aus Eisi's Gemeinde,die Geldstagverordneten, der Weibel, Eisi's Schwager und endlich kam auch der Gerichtschreiber mit Säckli und Parisol, schob das unbekannte Personal ohne viele Rücksichten bei Seite, bot dagegen mit ausgezeichneter
[234]Freundlichkeit und lieblichen Geberden den Mannen die Hand und sagte: er hätte gedacht, zu früh zu kommen srage nichts ab, man müsse doch mit dem Ausrufen warten bis die Leute da seien, und vor den, Zehne gehe es selten gut. Es werde ohnehin öppe nicht gar gehen, und mangelte man doch so viel zu lösen, nur um das Nöthigste zu decken. „Ihr werdet es wissen,am vordern Tage ist's herausgekommen, wo die Straße durchkömmt, däs hat sich übel getroffen für uns, indessen es kommt einem andern wohl. Es ist halt so in der Welt, was einem nützt, schadet dem andern, dary muß me si halt schicke.“ „G'rad so ist's, sagte der Weibel, wie d'r Herr G'richtschryber seyt, mi muß si dry schicke, u wes eim nit breicht, su machts no nit spli.“ Nun mußte er Bescheid geben über die erkannte Richtung und Mündung der neuen Straße; den einen gefiel's, andere fanden es eine Hornvicherei, einige wollten protestiren, andere, wie der Herr Gerichtschreiber gesagt, sich darein schicken, wahrscheinlich Alles je nachdem es die Leute breichte, z'gutem oder z'bösem.Ob dem Reden hin und her über hochgeachtete Weisheit, welche der Gerichtschteiber mit großem Behagen anhörte, da er nicht unter der erkennenden Behörde stand, und es üblich ist unter uns, daß jede Behörde eine Galgenfreude hat, wenn einer anderen Behörde was Menschliches entfährt, verstrich Zeit und sie merkten es nicht, bis endlich Eist kam und ohne den Gerichtschreiber zu grüßen sagie: Es duechs, es wäre bal Zeit anzufangen, die Leüte wären da und pressirten. Der Gerichischreiber fuhr z'weg, als ob ihn Jemand gespickt oder ein Cousin ihn gestochen hätte. „Frau Wirthin, sagte er, das ist ünsere Sache, wir fängen an, wenn wir es gut finden, und anständiger wär's, ihr wäret gar nicht da, am allerwenigsten steht euch das Befehlen an. Hie ist's jetz usbifohle, da prediget morn oder übermorn scho e nandere.“ Das werdsi de erzeige, meinte Eisi, und, es duechs, ob es da sei oder nit, gang de Niemere nüt a, un wenn es d'Meinig gäh weil,su heygs 'Recht. Mi heyg ihn [2532] b'schickt für ysteigere u nit für z'dampe un eim z'Sach vrnütige, ihm werd z'Mul emel einist Niemere welle v'rbinge u de emel er nit. Eist machte es wie ein Schütz, der durch eine Schießscharte geschossen, der streckt seinen Kopf auch nicht durchs Loch, sondern macht sich hintere, läßt die erwiedernden Schüsse durchs leere Loch puffen. Der Gerichtschreiber weiterte wohl,aber Eist war verschwunden und der Herr ging ans Werk, denn richtig der Sache nach war Eisi's Bemerkung wirklich.
Man ging also an die Arbeit und nachdem die üblichen Formalitäten beseitigt waren, sagte der Gerichtschreiber, so wolle man jetzt anfangen, und natürlich bei der Liegetschaft, vo wege, wenn eine wüß, daß er der Höchstbietet sei, so werd's ihm de chumlig cho, no anger Sache meh d'rzu z'steigere, gläsigs G'schirr un angers. Es werde Käufer da sein und sie sollten nur brav bieten. Jetzt zeigte sich begreiflich die Wirkung von des Gerichtschreibers Nachricht, die Käufer sahen sich an, meinten, sie hätten Lust gehabt, aber auf ben Bericht hin, wär einer ein Narr, wenn er ein Bot thäte; was man mit einem Wirthshaus anfangen solle wo Niemere d'rzu chöm als im Winter und Schnee d'Haase und im Sommer öppe hie u da en Agertsche?Nün wurde freilich der Lage des Hauses wieder zebest geredet. Es wurde gesagt, immerhin bleibe hier eine Verbindungsstraße, wenn öppe e rechte Wirth darauf komme, so höre dann die Speisewirthschaft auf, weil es nicht mehr zwei hier abtragen möge, also gewinne man eher als man verliere. Es feien reiche Leute centum, darum sei die Schaal gut und Kindbettene gäbs ganz, hageldick, es schätz es hie ume e Bur nit,wenn er nicht es Dotzemal müß Kindbetti ha, er meinte,d'Lüt meinte, er vermöchte es nicht. Ganz besonders wurde auf das Mätteli und das Bächli dabei mit einem verflucht schönen Wasserfall aufmerksam gemacht,wo man errichten könne, was man nur wolle: Knochenstampfe, Oele, Reibe, Säge, Mühle, Galandern, Wollen oder eine andere Spinnerei, eine Brönnerei, eine
[235]Glasfabrike, wenn z'Sand nit e wenig zu weit zu führen wäre, vortrefflich wäre es Gelegenheit für eine Gasbrennerei, wenn einmal den Bauern der Verstand käne, Gasbeleuchtung einzuführen in ihren Häusern,um Oel zu erspären, und von wegen den Schmutzflecken, die ihre Bücher kriegen und auch das Papier,wenn sie es zu viel auf den Tischen herumwetzten. Ja,sagte der Weibel, man hätte bemerkt, daß allemal nach einem Erdbeben das Wasser mehre, emel ums halbe.Wenns nun einmal recht stark erdbebnete, oder es paar Mal brav hintereinander, so gäb das e Bach, kene so im ganzen Kanton, de chön me alles same errichte,weme z'Geld heyg, Wasser syg emel de g'nue, sogar e Roth oder e angeri Färb, e Fabrike vo kernigem Ammermehl und e Kaffemühle für Erdnebe d'rnebe, oder kehrum bald das bal dieß, geng was am meiste ytrag.Das syg d'Hauptsach i d'r Welt, z'Geld, un was eim y'Sach abtrag, u we me d'rzu de no chön geistlig sy,warum nit, su syg z'Sach dest besser, d'Lüt passe eim de öppe dest minger uf, si dayche es mangle si nüt, u glaubes eim, we me si selber recht tapfer rühmt. Luegit, sagte der Weibel, e selligi G'legeheit chunt nit uüme, wenn eine das Wese da chauft, es git my Thüri öppis us ihm, es git e Zyt, all Zytige hey vo nihm,b'sungerbar wenn er es paar Chrüzer nit schücht, sürs selber lah dry z'thue. Drum bietit, seh wer het z'erst Bot, er überchunt e Maas u de gnute, ih ha ne v'rsucht, ih chas eim säge, wie er isch, u was z'fürnehmst ah nihm isch, am Wy nämlig, er isch geistig un rühmts nit selber, er het viel Lyb ün isch nit hochmüthig, er isch vo ebe rechtem Alter u wird doch wie länger je älter um so hübscher u milder u nit räßer u das war allweg d'Hauptsach, b'sungerbar bi de Wybere, nit wahr ihr Mannleni? Doch der Weibel mochte reden,wie er wollte, und er konnte es sonst, und war berühmt dafür, so wollte doch alles nicht anschlagen.Die Leute waren aus dem Concept gebracht und weil auf einmal zur Hauptsache wurde, was als Nebensache kaum geachtet worden war, so wollten sie die Sache [234] erst besser g'schauen. Aus dem Grunde erkannten die Lenker der Dinge, was anders z'weg z'schryße.
„Seh was wey m'r, Herr G'richtschreiber, ih möcht ech ersucht ha, das lah usͤz'rüfe, ih möchte de furt, ih ha wyt; thut m'r z'G'falle u rüfit m'r g'schwing das,es wär grad da.“ So rief man rund üm und' hinter dem Gerichtschreiber stund noch einer, der rief nicht laut,der flüsterte ihm was ins Ohr. Der Geiichtschreiber war jetzt zum gnädigen Herrn gemacht, dessen Gunst und Gnade Jedermann suchte. Es ward ein förmlich Spiel und wer das Spiel verstund, trug Beute heim.In diesem Spiel waren es hauptsächlich zwei Künste,auf deren zweckmäßige Anwendung das Meiste ankam.Der erste Kniff war der, daß man von vornen herein erklärte, das will ich, dann sich dazu stellte, sagte, das laßt mir, daß mir Niemand darauf biete, sonst luegit,treibe ich euch auch das, was ihr wollt, herauf vom Teufel. Aber öppe sövli uv'rschant wird Niemere sy u m'r das welle uchetrybe oder gar vor em Mul e weg näh. Solches Seinigen der Sache, noch ehe man sie ersteigert hat, beseitiget leicht andere Käufer, schlägt die Lust nieder, besonders wenn Jemand es treibt, den die Leute scheuen müssen, den sie nicht gerne böse machen.Einem ganz, gemeinen Grämpler, besonders wenn er dazu noch ein Fremder ist, würde diese Kunst wenig helfen. Die andere Kunst wird verdeckt getrieben und zu ihrer Ausübung ist eben Gunst und Gnade der Steigerungs-Regenten von Nöthen. Wenn einer, der zu vergeldstagende Habe zu seinigen, die besten Stücke um ein Trinkgeld sich anzueignen gewohnt ist, und er kömmt mit der ersten Kunst, mit dem einfachen Handdarüberschlagen nicht fort, sondern sieht Leute, die sich nicht abschrecken lassen wollen, sondern entschlossen sind ihm die Sachen bis auf das Aeußerste streilig zu machen, so wird eben die zweite Kunst geübt. Man nähert sich nämlich einem Steigerungs-Regenten und flüstert ihm zu: „Das laß m'r jetzt bei Leib und Sterben nicht ausrufen, ich will dir dann ein Zeichen geben, wenn's gut ist und d'Stube si g'süferet hei.“ Ist [238] man einverstanden, so kann nun die Gegenpartei lange auf den Ausruf warten, frägt sie nach, so heißt es:„Das kömmt noch lange nicht, wahrscheinlich erst morgen“, kehrt sie den Rücken, räumt sie das Feld, so wird geblicket und hui ist die Sache abgethan und nicht rasch genug kann der Weibel sagen und zum Driiten. Das sind halt Künste; so viel wir wissen,sind sie in keinem G'satz verboten und vermuthlich werden sie auch nicht allenthalben getrieben, sondern sehr felten wahrfcheinlich. Daß sie an der Steigerung auf der Gnepfi getrieben worden seien, behauptete man steif und fest, aber sehr möglich ist es, daß die Behauptung durchaus ungegründet Nist, denn behauptet jetzt noch Eisi, der Gerichtschreiber sei schuld daran, daß der Geldstag nicht durch ein Akkomodement verhindert worden, weil es ihm um die Kosten gewesen, und wer unbefangen ist, hat doch einsehen müssen, daß auf solchem Boden ein Akkomodement unmöglich war.
Seh, sagte der Gerichtschreiber, ohne auf alles was man därstreckte und ausgerufen haben wollte, zu achten, da ist der Stutzer geschrieben sammt Waidiasche,Pulverhorn und was d'rzu gehört. Nein, nicht dort der kleinere ist es, dort der Größere, wo so schön eingelegt ist, ein Staatsstück und nur 60 Fr. geschätzt,wer gibt mehr als 60 Fr. So mußte der Stutzer voran, mußte diesen Reigen eröffnen, und war doch zu einem andern Reigen bestimmt. Der Stutzer, der schweizerische Enkel der Armbrust, mit welcher Tell den Tyrannen erschossen, der Stutzer, das Sinnbild des Schweizer Entschlusses, das Sinnbild des Looses eines Tyrannen in der Schweiz. Der Stutzer, des schweiez Hauses Zierde, die Wehre die voranblitzt, wenn er Feind einbricht, mit welcher der Schweizer Weib und Kinder schützt, seine Hütte zur Festung macht, diese Wehre eröffnete in des Weibels Hand den Reigen der Zerstreuung aller Habseligkeiten eines schweizerischen Hauses, er öffnete die Thüre zum Austiragen, zur friedlichen, gesetzlichen Plünderung, er war der Erste,der Weib und Kinder verließ, er ging zuerst zur Thüre [236]hinaus, zu welcher Weib und Kinder ihm folgen sollten, um auf der Gasse zu stehen, ohne zu wissen, wo sie ihr Haupt hinlegen könnten. Wie man die gieiche Sache doch doppelt auffassen kann. „Lue, mach g'schwing,flüsterte unser Flüsterer dem Weibel. Es ist'mir öppe nicht ganz ums Geld, daß ich ihn theurer haben müßte,es ist mir wegen der Sach. Lue, es ist eine EhrenHoe, wo er an dem und dem Schießet gewonnen hat.a wurden die Leute doch ein Gresinier haben, wenn es *xfast unter sie käme. Da könne man sehen, würden sie sagen, was man mit selligem g'winn u wo hi es z'lest führ. Mach g'schwing, selligẽ Ehregabe sötte eigetlich nie i ne Geldstag, es fött es G'setz d'erfür sy.“Der Weibel begriff das, rasch kam der schöne Stutzer in des Flüsterers Hände um ein Spottgeld, mehr als 100 Fr. war er unter Brüdern werth, von wegen er war nicht bloß schön, er war auch gut. Da sagie Eisi,„jetzt wohlet es mir fry, daß dä Donnstig aus dem Hause ist, dä ist meh as halb z'Schuld g'si a üsem Unglück; mi sött selligi Sache im Mist v'rloche, si bringe eim Unglück is Hus un drum ist's vor Goit u Mönsche recht, daß si d z'erst wieder drus müsse mit Schang u Spott.“ Der gute Stutzer, die Ehrengabe an einem Schießet, trug an des Hauses Unglüuck keine Schuld, wenn eine treue Hand, ein biederer Sinn ihn empfangen und getragen hätten, er wäre des Hauses Schutz und Ehre geblieben, für Kind und Kindes Kind.Die treue Hand hätte ihn nur gebraucht, wenn des Hauses und der Kinder Wohl beschickt gewesen. Der biedere Sinn hätte ihn ohne Leidenschaft gebraucht, den Gebrauch nie zum Vorwand gemacht, hätte nie vergessen, daß der Stutzer nur dann den Schweizer ehrt,wenn er seines Hauses Schutz ist, und nicht, wenn er zum weiten Maule wird, das Ehre, Gut und Frieden verschlingt. Dem biedern Sinne wäre die Ehrengabe keine Verlockung gewesen, untreu zu werden an Haus und Kind, kein Anfang zur Ehrlosigkeit, sondern ein Sporn ein Ehrenmann zu bleiben für und für, als ein schweizerischer Ehrenmann zu leuchten unter dem Volk.
[237]Aber eben darin besteht die schweizerische Ehrenbaftigkeit nicht, daß man an allen Lumpeten ist und wo möglich der Erste und der Letzte, daß man des Hausvaters Pflichten den Festen nachsetzt, daß man den Farbenstrich sich über die Nase streichen läßt, der an solchen Festen eben Mode ist, und so recht wüst thun kann,sondern darin, daß man treu ist im Kleinen wie im Großen, daß man nicht bloß im Schießstande und hinter der Flasche ein Mann ist, sondern hinter jeglicher Arbeit und in jeder Noth, treffe sie Waisen und Wittwen, treffe sie den Bruder oder den Nachbar, das eigene Haus oder das Vaterland. Solche sind die Ehrenmänner, auf die man bauen kann, das Vaterland und das eigene Vertrauen, denen man im Sterben die Seinen empfiehlt, die man im Gebete Gott empfiehlt,daß er sie erhalten möge zu Nutz und Frommen Allen und Jedem. Schweizerische Feste sind so schön, schweizerische Ehrengaben, seien sie gewonnen auf kleinen oder großen Schieß oder andern Stätten, sind die Trophäen dieser Zeit, jedes Hauses Zierde, Orden und Kronen des Republikaners; aber ob sie zum Fluch oder zum Segen des Mannes werden, der sie empfängt, zum Fluch oder Segen des Hauses, in welches er sie trägt,hängt nicht ab von den glattgetretenen Sprüchen, von dem Gebrüll, unter dem er sie empfängt, von der Zahl der Flaschen, die dabei getrunken werden, oder ob es Champagner, oder 31er Lacote, oder 54er Markgräfler gewesen, sondern eben vom Sinn, der sie empfängt,vom Geiste, der sie verwaltet. Dieser Sinn, der das Haus den Kindern wahret, das Vaterland dem kommenden Geschlechte, die Seele Gott. Dieser ächt konservative Sinn ist es, der die Hände treu macht, sie weiht, daß alles, was sie empfangen, zum Segen wird,der ist's, der an Festen, wenn sie ächtschweizerisch sein sollen, geweckt und genährt werden muß, der der Geist sein muß, der die Feste heiligt. Dieser Sinn ist es,der gepflegt und gehegt werden soll im gesammten Vaterlande und allen dessen Einrichtungen, er ist's, der den Frieden bringt in Haus und Land, es ist der ächt [238] christliche Geist, der zur Seligkeit den Menschen bereitet, der stark macht für die Noth der Welt und rein für den Himmel, zur wahren Freiheit führt, die da nicht kömmt mit äußerlichen Geberden, die da wachsen muß von innen heraus. Der Freiheitssinn, welcher nichts ist als eine angekleisterte politische Ansicht, eine Meinung über staatliche Einrichtungen, ist nichts als eine Wolke ohne Regen, ein Gespenst, das am Tage umgeht, sich für die Freiheit ausgibt, aber nichts als ein Schatten ist, ohne Gehalt und ohne Kraft, das nichts als täuschen kann, alles verspricht, nichts hält,nichts hat für seine Bekenner, weder Frieden hier noch Seligkeit dort, ja nicht einmal politischen Frieden, ja nicht einmal politische Seligkeit. Wie sollte da Friede sein, wo man von der Freiheit nichts hat, als eben den Schatten, Worte die man nachsprechen muß, pünktlich, exakt, hinter Z fürezi, wie die Kinder das ABC,wie sollte da Seligkeit sein, wo man eine Freiheit hat,die nichts als ein Irrlicht ist, welches in die Moräste der Sünde lockt, und wo anders ist eben die Hölle,als in den Morästen der Sünde.
Aber leider nicht mit diesem Sinne hatte Steffen die Ehrengabe empfangen, ob sie ihm auch nicht mit dem rechten Sinn gegeben worden, wissen wir nicht.Aber was da für ein herrlicher Tag war, als er sie empfing, Eisi konnte es wissen, denn es war auch dabei, und daß es dem Jubiliren und Traktiren ein Ende gemacht hätte, können wir nicht sagen, wenn wir der Wahrheit treu bleiben wollen. Es hatte am Schuß und Preis vielleicht eine noch größere Freude als Steffen selbst. Es war zu einer Zeit geschehen, wo es sich groß meinte, mit Steffen sich zü zeigen, als Wirthin auf der Gnepfi, wo es sich also noch ganz besonder meinte, als Steffen den Stutzer gewonnen hatte, als er gefeiert, ein Lebehoch nach dem andern ihm gebracht wurde. Nie in seinem Leben hatte es so flink die Wirthin gemacht, eingeschenkt, Wein kommen heißen, Gesundheit gemacht ünd lustig gethan, daß es Manchem vorkam, nicht bloß Steffens Stutzer hätte einen Stecher,[239] sondern auch seine Frau. Was selber Abend, selbe Nacht,kosteten, stand nicht im Hausbuch, Steffen hatte selbst nicht gewußt, was er aufschreiben sollte, es war noch zur Zeit, wo sie ungezählt aus dem Schublädli nehmen konnten, ausgaben ohne zusammenzurechnen, den Rest weglegten ohne nachzuzählen. Doch das wäre eine kleine Summe gewesen, was daran hing, war unendlich größer. Nun mußte Steffen, wo es nur möglich waär; den Stutzer zeigen, die Flaschen alle, welche er noch zu dessen Ehren zahlen mußte, zählte er wiederum nicht. Das größte Unglück aber war, daß Steffen sich jetzt für einen Schützen von erster Sorte, für einen Wettkämpfer um die höchsten Preise hielt, meinte, jetzt fehlten ihm die besten Preise nie, und allweg sei es ein Ehrenpunkt für ihn, allenthalben darnach zu ringen.Er hatte es gerade wie ein junger Spieler, der anfänglich Glück hat und nun für eine Art von Pflicht es hält, das Glück auszubeuten, und wenn es ihn verläßt, wiederum für eine Pflicht, ihm nachzulaufen um es wieder zu haschen. So war Steffen nicht bloß auf den Schießeten, sondern er mischte sich unter die Eliten,unter die Auserwählten, welche was setzen, mit viel Schießen das Beste erzwingen wollen, und dieses kostet viel Geld, darob ist Niemand noch reich geworden, aber Mancher arm, besonders wenn er nicht mehr zu Setzen hatte als Steffen. Sehr lange gings und sehr viel Geld kostete es, bis Steffen endlich merkte, daß sich da Nichts zwängen lasse. Jetzt, wo er wenig oder nichts mehr erschoß, gäb wie viel er schoß, jetzt sagte er, er möge nichts mehr damit zu thun haben, es käme Alles nur aufs G'fell a, un er heyg es donnstigs Ung'fell,gäb wie gut er schieß. Doch den Glücksschuß schob er nicht dem G'fell zu, sondern seiner Kunst, denn er V könne und 'sbesser g'sehy as er, da förcht er kene, aber es well ihm nimme g'rathe, er glaub emel, er syg v'rhexct, und wenn er wüßt, daß d'rgege öppis z'mache wäre, er miechs. So hat es der Mensch, sein Glück schreibt er seiner Weisheit und Kunst zu, sein Unglück [240]dem Ung'fell oder dem Neide. Steffen konnte schießen wie hundert andere, wenn er nicht fehlte, so traf er die Scheibe; es ging emel geng öppe hi, und wenn er so recht in der Uebung war, so schoß er schön grad use, d. h. so ums Schwarze herum. Für einen Schützen hätte er sich nie gehalten, hätte er nicht den unglücklichen Schuß gethan, und unglücklich wäre der Schuß nicht gewesen, hätte Steffen den rechten Sinn gehäbt,dann hätte der Stutzer nicht als das erste Geräthe wandern müssen aus dem vergeldstagten Hause, verflucht und verwünscht von des Hauses Fräu, als des Mannes Verführer und Unglücksmacher. Der arme Stutzer, das Ehrenwerthe als Ehrenpreis hatte er verloren, indem er aus dem Hause, dessen Ehre er sein sollte, in zweite Hand überging, nun galt er bloß noch nach seiner Nützlichkeit. Und ob er dem neuen Hause,in welches er kam, nützlich sei, wer sagte das? Theuer kam er in Steffens Haus, sehr wohlfeil jetzt ins Neue,aber waren es treue Hände, die ihn trugen, ein treuer Sinn, der ihn empfing? Es ist wunderbar, aber es ist doch. Es giebt einzeine Geräthe, wohlfeile und kosibare, vornehme und ganz geringe, ein ganz eigener Geist scheint in sie gebannt zu sein, böse Geister vornehmlich. Mit diesem, jenem Geräthe, scheint ein böser Geist ins Haus zu ziehen, er stelit sich in den Ehefrieden, es hetzt den Mann gegen die Frau, die Frau gegen den Mann, es ist der Funke ins Spinngewebe,im Dache der Funke ins Pulverfaß, im Keller der Wurm im Gebälke, der Schwamm an den Wänden,der Bissen, der die Herzen auseinander treibt, wie der Eisenwecken die verharzetesten Stöcke. Oft meint man den bösen Geist alsbald zu erkennen, sperrt sich gegen den Einzug bestmöglichst; oft trägt man es felbst hinein, merkt erst späler dessen Spuk; oft fühlt man im Hause den bösen Geist, und weil man meint, Alles auf der Welt müsse seine bleibende Stätte haben, und jedenfalls meint, alles was uns plage müsse außer uns diese Stätte haben, so sucht man sie hier, dort, in diesem, jenem Geräthe. Bei den Katholiken herrscht noch [244] immerdar die Sitte, daß sie gerne etwas Geweihtes,Geheiligtes im Hause haben, sei es ein Palmbüschchen,sei es ein gemein Amulet, sei es eine heilige Reliquie,sie hoffen Schutz davon gegen böse Geister, gegen Bresten, gegen die Pest. Wenn was einbrechen will, wenn Unglück sie umfluthet, wenn ihnen bange werden will um das Herz, so wendet sich ihr Auge dem Geweihten zu, anbetend neigen ihre Lippen zu ihm sich nieder und Ruhe kommt ihnen wieder und ein unnennbares Vertrauen überschattet sie, daß in Ergebung sie entgegengehen dem Unausweichbaren. Wir Reformirte häben diese sichtbaren Zeichen verbannt und mit Recht, wir haben uns damit um Jahrhunderte empor gehoben über unsere Schwachheit, über unsere ans Sichtbate klebende Naturen, und recht ist's so, es ist eine Staffel in des Berges Mitte, ein Absatz zwischen der Erde und dem Himmel, wohin wir. doch Alle wollen. Indessen haben doch auch wir noch eine Art von geweihten Dingen,Andenken, Familienstücke, nennͤen wir sie, doch auch diese verlieren mehr oder weniger ihre Bedeutung, jemehr alle Bande mit den vergangenen Geschlechtern,alle Bande der“ Liebe mit den Güedern der lebenden Geschlechter sich lockern, jemehr unser Gemüth versandet in den trocknen, scharfen Winden unserer Zeit. Solche Andenken wandern in die Hände der Grämpler,Familienreliquien auf den Estrich, die Zeichen der Gevattertreue in die Sparkassen, zu Gelde wird alles, zu Golde sollte alles werden, an die beschmutzenden Vögel des Midas, an die innerlich wachsende Gier des Unseligen, gedenkt man eben je länger je weniger. So geschieht dann eben das Umgekehrte, das Haus wird denn doch besetzt, aber leider nicht mit geweihten Dingen, sondern mit Andenken und Reliquien anderer Art,an denen nicht die Andacht erglüht, das Vertrauen sich entzündet, der Muth emporflammt, sondern an denen alle Tage der Aerger neu wird, die innern Wunden immer wieder auforechen, die Herzen immer kränker werden an verzehrendem Hasse, in welchem jede Lebensfreude versengt wird, wie die Pflanzen verteocnen ohne
[2492]Thau, ohne Regen in tödtender Tröckne. Das Haus wird angefüllt mit Dingen, welche der Mann herbeischleppt, mit Dingen, welche die Frau erzwingt, jedes fröhnend dem inwohnenden Triebe, keins beachtend das Anbere, oder abwägend, ob das, was es will und bringt, der gemeinsamen Wohlfahrt dient. Jedes stellt das Seine auf, wie es kann und mag, und jedes, wenn es das des Andern sehen muß, ergrimmt im Herzen wider das Andere und flucht dem armen Geräthe, das sich dessen nichts vermag, daß nicht der Geist der Liebe es herbeigetragen. Im armen Geräthe scheint ein eigeV gen ins Herz fährt und daselbst immer brennend erhält,nKicht das ewige Licht der Liebe, sondern das andere Feuer, das auch ewig brennen soll, das wenigstens in den unglückseligen Herzen brennt, so lange bis sie ausebrannt sind hier auf Erden. Der arme Mensch, wie dr er sich erhebt, hängt doch so sehr vom Aeußerlichen und dessen Eindrücken ab, darum sollte er mit sinnigem Ernste und mit wahrhaft reformirtem Sinne dafür sorgen, daß was ihn umgibt, für ihn erhebend sei, daß mit jedem Geräthe, mit dem er sein Haus ziert, ein guter Geist einziehe, der jedesmal, wenn er es sieht,hn erhebt, ihn neu durchdringt mit heiligendem Gedenken einer schönen Stunde, mit dem Geiste, den er ins Haus gebracht. Das wäre die wahre ächte Weihe,Reliquien, heiliger Amülette, und was der Schweizer an vaterlandischen Festen gewonnen, das würde ihm zum geweihten Palmbüschel, dessen Anblick ihm das Zeugniß geben würde, sein Haus sei ein Geweihtes und sicher vor jedem bösen Geiste, so lange die Weihe des Herrn es überschatte. Aber dafür müßte man eben wvissen, was ächt schweizerischer reformirter Sinn sei,müͤßte begreifen, daß der Sinn ganz was anderes sei,als zusammengestoppelte Phrasen, und dieses begreifen noch ganz andere Maiestäten nicht alo unser Eisi, das dem Stutzer fluchte und doch denselben Sinn barg in feiner Brust, der scheinbar den Stutzer zu des Hauses
[243]Fluch gemacht, und mit demselben Sinne andere Dinge ins Haus schleppte, auf denen dann des Mannes Fluch lag.
Wie eine Wirthin eine Uhr haßt, welche sie im Kopf gehabt, die aber nicht nach ihrem Kopf gegangen.Doch während wir da schwatzen und gottselige Betrachtungen anstellen, eilt die Zeit von dannen, rollt die Steigerung sich ab. Wie Ameisen an einem Stück Holz, welches sie zernagen wollen, tummeln die Leute sich durchs Haus, und bald hier einer, bald dort einer,schleppt was zum Steigerungstische, das er ausgerufen haben möchte. Bald wird es ausgerufen, ein Spinnrad, ein Erdäpfeldrücker, eine Waschbahre, dann kömmt plötzlich der Laun, man wolle unten die Fässer ausrufen oder hinterm Hause die Wagen. Die Menge rollt über einander, strömt zu den Thüren aus, fährt um die zu versteigernden Gegenstände herum. Unterdessen kömmt der, welcher den Stutzer gesteigert und in Sicherheit gebracht, daher geschlichen mit einer schönen Pendule und meint: rufit m'r g'schwing no das, es geyt grad i eym zu jetz. Eisi sah es und meinte: gut wenn die einmal fort ist, es glaubts kein Mensch, wie froh ich bin. Wege dere habe ich einen Verdruß ausgestanden,ich könnte es Niemand sagen, es hat sich alles umgedreht in mir, so oft ich sie schlagen hörte. Dem Ketzer habe ich es aber g'reiset, ih ha ne nüt meh ufzoge, er het du vo nihm selber g'hört schlah.“ „Was hat er dir denn z'leid gethan“, frug der Weibel. Eisi begann zu erzählen; „rüf doch, ruf“ sagte der welcher die Uhr gebracht. „Wer git mehr as 40 Fr. rief der Weibel,40 Fr. zum ersten Mal.“ „40 Fr. un e Batze“, sagte der Andere. „40 Fr. un e Batze zum ersten Mal“, rief der Weibel. „Nit, nit, rief Eisi, nit, es isch ja Niemere da, u 7, Dublone het dä Hung kost. Wärtet doch,mih muß z'erst d'Lüt zuche muftern, das isch nüt das,[] 244rief Eist, wartit doch, säget doch de Lüte, si sölle si zuche mache“, und ging selbst nach, die Leute zu mustern. Unterdessen tönte es drinnen fort, 40 Fr. 1Btz.zum Erste. 3 Batze, rief eine andere Stimme. 40 Fr.3 Btz. zum Erste, wer git meh? 40 Fr. 4 Btz. rief hastig der Erste. 40 Fr. 4 Btz. zum Erste, ist bote.40 Fr. 4 Btz. zum Zweute, pressirte der Weibel. 40 Fr.6 Btz. rief der Zweite. 40 Fr. 6 Btz. zum Erste wiederholte der Weibel. Da stolperte es die Treppe hinauf. 42 Fr. rief der Erste hastig. 42 Fr. zum Ersten,42 Fr. zum Angere un 42 Fr. zum Dritte, rief der Weibel. So rief der Weibel eben als der Zweite, den der Aufschlag von 14 Btz. auf einmal verblüfft hatte,so daß er einige Zeit brauchte, sich zu erholen und zu sammeln, den Mund zu einem neuen Gebote öffnen wollte. Das ging ihm g'schwing hier, sagte er. Das gang wie's gang-sagte der Weibeil. Wenn eine a ne Steigerig well, su söll er st daheim b'sinne, oder dFrau mitnäh, we dies gleytiger chön, a d'r Steigerig syg eine da für z'biete. Wenn er warte wollte, bis site niedere Lappi usb'sinnt hät, su müßt er in Euigkeit weible un usrüfe u steigere, u selb wär ihm doch z'wider. „Emel du weißt de nit, sagte der Andere, ob du de fertig bist mit Steigere, we du de scho ungerem Herd bist, uU ob du nit mußt ume cho, cho nache bessere.Selb weißt du no nit.“ Nun gings dem Weibel so wie früher jenem. Die Antwort hatte eingeschlagen bei ihm, auch er mußte sich fassen, und als er den Mund zur Dupplik öffnete, war jener verschwunden. „Scho anegäh, sagte Eist, als es wieder kam. Selb wär m'r doch de lieber, mi warteti, bis o Lüt da wäre, dä weg chunt me wohl vo d'r Sach, aber nit zum Geld, u selb wär m'r doch de d'Hauptsach.“ Der Gerichtschreiber replicirte nicht, dießmal ignorirte er Eisi's Rede. Darin hatte er viel Takt, wo er reden und wo er schweigen sollte. In Vertrauten, sagte er, damit sei es gerade wie mit dem Wetter. Trage man Eisen mit sich, so ziehe das das Wetter an, und ganz ung'sinnet könnte man einen Blitz anziehen und z'Bode donnert werden,[248] ehe man was dazu sagen können, so sei es mit dem Reden. Da müsse man wohl wissen, was für Wolken am Himmel seien und wann man Worte in den Mund nehme, zu unrechter Zeit ein Wort, könne einen das verfluchteste Wetter auf den Hals ziehen, und hätte man geschwiegen, so hätte man das Verfluchtest thun können und kein Mensch hätte ein Wörtchen gesagt. Da der Gerichtschreiber nichts sagte, so meinte Eisi, es werde dem Uflath (der Pendule, nicht dem Gerichtschreiber, versteht sich) ahange oder ihm atha sy, ihs taubs z'mache bis z'letzt use. Da sei es, erzählte es einer Nachbarin, es sei noch nicht so manches Jahr, einmal ausgefahren mit Steffen an ein Gesangfest, es heygs Neue duecht, es möcht o einist luege, wie's an dene gang; und wenn ihs duecht hät, es luegti es Profitli d'rby use, su häts de im Sinn g'ha, o einist eys by ne neh az'stelle. Un es recht es v'rflucht es schon's, es haäts de welle zeige, daß es es chönt, so gut as a dene Orte, wo si meine, es syg niene e so wie bi ihne un eym de ufwarte, syne Säu heyges längs Stück besser g'ha. So seien sie zusammen gefähren, es sei ein schöner Morgen gewesen und viele Leute seien da zusammengekommen, es wüß eigetlich nit wege was. G'sunge sölle si b'ungerbar schön ha, wie me F'seit heyg, aber es heyg neue nüt d'rvo g'spürt un afah längi Zyti übercho, aber es heyg neue nit g'wüßt wie mache für dänne zicho. Ungereinist heygs g'hört, ke Mönsch heyg meh e Gurx usg'loh, un es syg ihm fry e Stey abem Herze g'fahre, es heyg däycht, es syg us. Es üse mit de angere u heyg nah Steffe g'luegt, aber dä syg niene zigseh g'si. Glückligerwys syg eini da g'si, die's scho g'seh heyg, u die heygs g'fragt: wey m'r öppe des ume ẽ weni, bis wieder ageyt? Was agah, säge ih, öppe Gottel ist's us, si erlitte 's ja nit, költsch brun si si ja alli g'si, wo's gehört het. Nei, sagte die Andere, si müße no einist dra hi, aber wenn de wyt, su wey m'r e weni des ume, u 3Stadt luege, öppe viel rars söll zwar neue nit sy, es isch m'r o lieber, ih müß nit wieder yche. Nun erzählte Eist in Kürze, wie sie umher [246]gegangen, dies gesehen unter anderm schöne Uhren und wie ihm auf einmal in Sinn gekommen, dere hätten sie noch keine und gerade so eine hätte es längst haben wollen, dieweil es eine Schande für sie sei, noch keine zu haben. Wie es eine gekauft, nicht die Schönste,aber die Leidest nicht, siebe Dublone nur hätte sie kosten sollen. Er soll sie einpacken, habe es befohlen; wenn sie fortwollten, so wollten sie dieselbe holen und bezahlen. Geld hätte es wohl bei sich gehabt, aber nit sövli,wie man wohl denken könne. Es hatte auf Steffen gerechnet, der eine ganze Blatere voll mit sich genommen. Wo sie zur Kirche gekommen, da heyge si no g'surret drinne, und wie sie g'werweiset heyge, ob wieder hinein oder was sonst machen, da sei es aus gewesen und d'Lüt aus der Kirche hinaus und dem Wirthshaus zu. Sie serien nicht die Letzten gewesen,und da sei es lustig gegangen, aber Steffen hätte es nicht gesehen, zwüsche yche, wenn nut lustigs gange,heygs geng müße denke, wo dä ächt aber syg. Da hätten sie angefangen z'erst allerlei z'stürmen, du zsinge,das syg scho lustiger gange u du z'tanze, u das syg z'Lustigist vo allem g'si. Es hätte auch müssen, gäb wie ungern, und drob sei's spät geworden, es hätte es nicht gemerkt. Da sei, wo es am lustigsten gegangen, Steffen da gewesen und hätte gesagt, sie wollten fort. Es heygs duecht, heyg er so lange ihm nüt nahg'fragt, so pressir's ihm jetz o nüt. Z'letscht heyg es doch müße, u z'noth heyg es es no chöne z'wänge, daß si öppis gesse heyge, er heyg z'erst g'meint, er mög nit, u doch heyg er du g'no, daß es si heyg müße schicke, wes o Neuis welle heyg. U wo si abg'schaffet heyge und furt welle,syg du da eine g'stange uü heyg g'fragt, ob er jetz dUhr reyche söll. Es heyg dä donnstigs Ketzer ganz v'rgesse g'ha. Da fragt Steffe, was für e Uhr? Da säg es,es heyg eini kauft, wie si scho lang eini hätte sölle ha un er fsöll ihm g'schwing 7 Dublone gäh. Da heyg Steffe ihm g'seit/ es syg e Narr mit d'r Uhr, u wie er 7 Dublone ha wett? Un es heyg doch wohl g'wüßt,daß er meh as 7 Dublone mitg'no heyg, aber es heyg [247] neh nit v'rgebe d'r ganz Tag nüt g'seh, un Narr heyg es ihm nit welle lah säge, vor d'Lüte. Es wisse was es gesehen, und wenn er si nimme heyg, su welle es se scho übercho, aber die Uhr wells jetzt, es häts nit angers tha vor de Lüte u hät me nihm d'r Gring abg'fchriße. Es heygs am Wirth g'seit un dä heyg ihm nangerenah 7 Dublone gäh, und äs heyg dUhr gono,die syg ime Kistli g'st. Das heyg du Neuis chönne gäb sihey g'si syge, es syg z'Erstmal g'si, wo si enangere o so recht g'seit heyge, es hät si möge z'todt pläre z'selbist, vo wege Steffe syg trunkne g'si, u es nit, u da heyg er ihm Sache g'seit, Sache, wed zhalbe wahr g'si wär, su hätts zSunne nie mehr sölle aschyne.Was äber du zv'rflüchtist g'si sryg, wo's du morndrist die Uhr uspack, su heyg sie ihm du gar nüt meh g'falle,dä donstigs Schelm heyg ihm g'wüß e nangeri ypackt,as es usg'lese heyg und doch heyg es se du müße b'ha u heyg nüt dörfe säge, u o neue Niemere heyg si welle g'fällen Du syg dä Schnürfli vo Wirth, wo's die 7 Dublone etlehnt g'ha heyg, neue grad einist daher cho,u heyg se ume welle. Er heyg ung'sinnet es Roß chauft,heyg er z'Wort g'ha, Steffen werd's g'merkt g'ha ha,oder ob's e abg'redti Sach g'si syg, wüß es nit, wo's wel Geld näh, heygs kes Schlüßeli, u wo's Steffe such, syg dä niene u dä Wirth heyg tha, wie e Katz am Hälsig, dä Uflath, es heygs duecht, es möcht ihm die Uhr äb em Gring v'rschlah. U wie mängist es die G'schicht st heyg müße g'höre für ha, u was es deretwege heyg müße lyde, es glaubs ke Mönsch. Es syg allimal taub worde, wes dä Ketzer heyg müße aluege u froh sygs, daß er furt syg. Wes g'wüßt hät,daß er um das Lumpegeld furt chäm, su wär er nit erst hüt furtcho, so lang Täubi drum hät es nit g'ha,um das häts ne längst chöne bruche.
[248]Wie Eisi dagegen G'schirr im Kopfe hat und warum.Nit, nit, rief Eisi plötzlich, als sein Blick auf den Steigerungstisch siel, auf demselben sein schönstes Kaffegeschirr sah, auf einem großen Cabaret und der Weibel eben sagte: wer gibt mehr als 13 Fr., zum zweute u zum ., „Nit, sagte Eisi, das lah nih nit, das wott ih, 59/, Krone sy bote.“ „Aber was wotsch d'rmit,sagte ein Mann Eisi, spar dys Geldli für Bessers.“„Lah du mih mache u lue du für di“, antwortete Eisi.„Aber warum willst du das g'hebt ha“, fragte ihns eine Frau. „Sechs Krone, rief Eisi, will d'rs de säge,allweg cha nih dere Züg nit alles lah fahre, b'sungerbar was brüchigs ist. We mes scho hingerdry g'seßlig umha chönt, wie si säge, su möchts d'r Tüfel alles säme trybe u was v'rheyt isch, isch v'rheyt.“ Es ist sonst Sitte, daß, sobald man weiß, daß die Sache für die Familie ersteigert wird, was gewöhnlich irgend wie verlautet, das Bieten mit großer Bescheidenheit getrieben wird. Und sowie einer fortfahren will, müpfen ihn die andern und sagen: e was witt, es isch für Seye.Eist hatte der Sache noch viel besser den Täsch geben wollen, wollte selbst bieten, es wollte sehen, wer zHergets syg, von seinen Sachen zu kaufen, b'sungerbar,wenn es selbst darauf biete. Nun waren wohl Leute,die sich vor ihm scheuten und balgeten, wie eine doch so ung'schämt sein könne und beiwohnen und sogar bieten. Wes no pläriti d'rby, daß me chönt d'Häng unger ihm wäsche, su wette si noh nüt säge, aber ke Thran heygs noh v'rgosse, ke Thran.
Aber nicht allen imponirte Eist. Es waren glänzende Weiber da, seiden und galanderirt, was schöns,gäb wie leicht sie sich drehten und kehrten, so rauschte es, fast wie das murmelnde Bächlein, das durch duftende Wiesen sich schlängelt, fast wie der Zephyr, wenn er durch den grünen Wald fährt, auch hatten sie Ringe an den Fingern, Ketten um den Hals, kurz waren ein [] 249 schön Luegen. Die hatten keine Notiz von Eisi genommen und sahen es nicht an, wenn aber Eist von ihnen sich abwendete, so blickten sie einander und rümpften die Nasen. Dagegen betrachtete Eisi sie oft und wären seine Blicke Pfeile gewesen, so wäre keine lebendig ab dem Platz gekommen. Die hatten also sichtbar keinen Respekt für Eist, aus deren Mitte kam die bietende Stimme und trieb Cabaret sammt Geschirr auf 20 Fr. hinauf.Endlich erlangte Eisi doch den Sieg, der Weibel sagie und zum , lah g'seh, wott no öpper, und zum und zum dritte. Der Weibel lag mit Eisi nicht unter einer Decke. Schwyg du, hatten die Weiber zu der Bietenden gesagt, bis die Witziger, si chönte z'letzt säge, du heygist expreß g'macht, u we st ganzi e Narr wird, su müßtisch du z'Schuld sy. Es isch geng wege dene arme Kinge, u wes ne scho gut ging we die dänne chäm, su dörft mes nit emal lut säge. Bie guten Weiber, wie ihre zarten Herzen für Eisi's arme Kinder X d an das eigene Trüppeli dachte, das jede zu Hause atte.
In Zorn und Triumpf, fast wie Juno in Jupiters Donnerwagen, fuhr Eisi ab mit dem Cabaret, sagte für sich: su hann di doch, u wenn ih d'r Kittel hät müße o'rkaufe un z'Gloschli d'rzu, sagte es zu dem Weibe,das ihm folgte und noch etwas nachtrug. „Aber warum hangist e söpli daran, sagte das Weib, öppe selligs hättisch geng übercho, wenn d's wieder brucht hättisch,das wird notti nit zenzige i d'r Welt sy un öppe nit viel thürer.“ „Selb nit, sagte Eisi, was das kost het,weist nit. Ussyg das wie's well, su ha nih das nit welle lah, das wott ih pha.“ „Was ist de d'rmit“,fragte die Frau. Da erzählte Eisi, als es zum Zweitenmale guter Hoffnung gewesen, hätte es Gotte sein müssen, in einem Wirthshaus bei entfernten Verwandten. Da sei schön aufgewartet worden und b'sunderbar schöns Geschirr hätten die gehabt, daß es es fast hätte versprengen wollen vor Zorn, denn der Gattig hätten sie keins gehabt, es hätte nicht einmal gewußt, daß [230]man selligs hätte. Es sei ihm nicht mehr wohl da gewesen, es hätte pressirt für fort und auf dem gangen gages hätte es von nichts b'richtet als von solchem eschirr und daß sie auch deren haben müßten. Da hätte Steffen gesagt: He, ich wollte mich nicht so plagen, es ist jetzt öppe eine Zeit, wo nicht viel Leute sommen; aber wenn du dieses Mal einen Bub hast,so kannst du anschaffen, so schöns als du willst, dann muß e Fuhre gah. Ist's ein Meitsche, so machen wirs nur wohlfeil und die alte Rustig thuts auch noch, sie wären an manchem Orte froh, sie hätten solches. Es sei ihm noch, als ob es heute gewesen, wo er das gesagt habe und es wisse noch auf welchem Platz. Da sei es ihm immer gewesen, wenn es nur einen Vuben kriegte, vorher hätte es nicht viel darnach gefragt, weler Gattig, es heyg nüt angers g'sinnet, as wes numme für wär. Glücklicherweise hätte es wirklich einen Buben gegeben und es eine Freude gehabt, es könne es Niemand sagen. Es hätte nicht 120 Tage gewartet für in die Kirche zu gehen, es hätten sich alle Leute verwundert, als sie es schon gesehen, und z'morndrisch schon hätte Steffen mit ihm müssen nach Solothurn um Geschirr zu kaufen. Da hätte es nichts gespart, es müsse es sagen, und Steffen hätte nicht gewehrt, wie er sonst wohl hie und da zum Brauch gehabt. Es hätte ihm selbst gefallen und wenn es öppe g'werweiset, so hätte er noch angestrengt. Es sei aber dafür auch schön geangen an der Taufe. Den Dessert hätte er von Bern d lassen, d'Bratis und z'angere hätten sie selbst gemacht; aber e b'sungerbare Köchin heyge sie b'schickt,ẽGans heyg Gotte mitbracht, un es angers Bratis heyg neh e gute Fründ g'schickt, dem sie viel Wy abg'no heyge üsem Schwarzwald, es heyg sölle e Rehschlegel sy; die Wyber, wo ne z'Sach nit heyge möge gönne, heyge g'seit, es syg neue es Schaffüstli, aber es wohl beizts, die Täsche. Es sei d'r werth gewesen,recht aufzuwarten, sie hätten eine vornehme Gevatterschaft gehabt und sonst viele Leute eingeladen weit her.Es hälte ein vornehmer Gummi fast sein Roß z'todt [281]g'sprengt, um dabei zu sein. Mehr als 8 Tag hätten sie es im Stall gehabt und bloß Tritt für Tritt hätte man es führen können. Oeppe viel Profit hätten sie davon nicht gehabt; denn einen Kreuzer dafür zu fordern, hätte man sich geschämt. Gut 30 Personen seien da gewesen, und ein Mal über das andere Mal hätten sie sich verwundert, wie das eine Aufwart sei, so seien sie doch nie dabei gewesen. Das sei wahr, und noch im Grab müß es ihms nachreden, einen Wein hätte Steffen z'weg gemacht gehabt, die Beine hätte man nicht stilse häben können unterm Tische, wenn man ihn von weitem gesehen habe. Er hätte noch kommen lassen, Tschämpis säge man ihm, und noch andere Rustig, es wisse nicht mehr, wie man ihm sage. Lustig gegangen sei's, es sei nie so dabei gewesen. Trunken sei worden öppis schröckligs, gäb was man auf den Tisch gestellt, es sei gerade gewesen, als ob man alles auf einen heißen Stein geschüttet, und gesungen hätten VOpaar Weiber hätten Gesichter gemacht, gerade als ob man ihnen Dörn in den Wein geschnäzelt hätte und hätten die Maulecken fast bei den Augen oben gehabt.Und grade die hätte am meisten gegrännet, wo es vorher bei ihr zu Gevatter gestanden. Es heygs v'rflümeret g'lächert, grännit ume, hätte es gedacht. Wo es bald Morgen gewesen, seien die hinausgegangen und seines Schwagers Frau, aber es nicht dumm, sei nache,vo wege, es sei ihm bald z'Sinn cho, da könnte man was vernehmen. Da hätte es Sachen gehört! Es sei ihm in alle Finger gekommen, ihre Köpfe voran in die Löcher zu stoßen. Aber es hätte nichts dergleichen gethan, sondern gedacht, wartit dir ume. In die Küche sei es gegangen, hätte Kaffe befohlen und angewendet,daß es wohl gewußt, solchen hätten sie noch nie gehabt. Da sei aufgestellt worden in dem Geschirr, und was die da für Augen gemacht und einander geblickt und grännet, man glaub es nicht. Es aber hätte gedacht, blickit ume u grännit ume, grad so ist's mir recht. Je mehr die andern gerühmt, dest täuber seien [288]die worden, es sei fast v'rspritzt vor Lachen. Da hätte sich endlich eine nicht mehr halten können und gesagt:XVmüßt, es nähms d'letsch öpper anger, su schaffet ih m'r o a. Aber es ist e Zyt, un es lehrt eym zur Sach luege, we m'r d'rby biybe well. Du heygs du g'seit,es syg ihm o so, d'rnebe aber chöms geng druf ä, wie me thuy. Es syg nit Sinns vo dem F'lah, u so lang es leb, daychs nit, daß öpper d'Freud ha werd, zSynige.Mi chön nit wüße, hätte darauf eine geantwortet, daß es es nit hät sölle g'höre. Aber es heyg notti g'höͤrt u g'seit: Es hätt nüt d'rwider, es gang mängs un5 aber selb wells eym gut sy d'rfür, daß oöppe iemere Freud ha söll a dem G'schirr, so lang es noh chön Kaffe arichte. Da hätten sie geschwiegen und die Pfeifen eingezogen, nund wenn es den letzten Kreuzer hätte geben müssen, so hätte es ihnen nicht die Freude gemacht, sagen zu können: Jä, gäll Eisi, jetz prediget e nangere, u jetz heschs!
Wie Vabi, die Speisewirthin, ein Schesli im Kopf hat, und wie der Schwarze Babi darum bringt.So packte Eist aus, während ein Kind ihm Wache stehen mußte und berichten sollte, ob was besonderes gehe. Jetzt kam es gelaufen und berichtete, sie hätten noch so allerlei Grümpel verkauft, Waschstecken, Bierkrüge und Grasbäre, jetzt redeten sie davon, sie wollten essen, es sei schon lang über die Zeit, u thuye d'r Glyche si wüße nit wo. Si rede d'rvo, si welle übere. Da fuhr Eist auf und machte den Mannen den Marsch,daß sie wüßten, wo sie essen sollten, so daß selbst der Gerichtschreiber nicht aufreden durfte, so gerne er auch in die Speisewirthschaft gezogen wäre. Dort ging es allerdings lebendiger zu, dorthin waren die glänzenden Weiber gezogen und mit ihnen viele Männer, die aber nicht so glänzten wie die Weiber. Auf dem Lande ist [233] bis dato die Toilette das ausschließliche Eigenthum der Weiber geblieben, einige Schmachtlocken und einige Stegreife an jungen Dandys abgerechnet. Nun wääre eine Gelegenheit geboten zu schönen Tischreden, an denen auch die Speisewirthin so eifrigen Antheil nahm,daß sie die Aufwart vergaß und manche Bemerkung nicht hörte (solch Geschütz wird meist im Rücken abgebrannt). Nit bas as me hie syg, nähms eym dest meh Wunger, daß es dänne nit besser gange syg, die müßte afe g'huset ha vom Tüfel, un d'or Platzg syg doch so bös nit gisi, u sövli V'rmöge für e Afang, wo's nit d'r Hundertist heyg. Diese Tischreden wurden unterbrochen durch die Nachricht, daß man drüben wieder anfangen wolle zu steigern. Sie wirkte wie Pulver,das als Minen unter die Bänke gelegt worden. Wie da die zentnerigen und zweizentnerigen Dinger, welche die Bänke belasteten, auffuhren. Vas wär d'r Tüfel,hieß es allgemein, kaum hätte man halb gegessen, selligs syg doch neue nit permidirt, me wart süst, bis dLüt wieder da syge, aber es werd wieder Neuer was wohlfels welle. Er glaube, sie wollten ans Schesli hin und ans Geschirr, erläuterte der Berichterstatter. Da setzten sich viele, viele Zentner wieder nieder, brachten es ihm,und meinten, da pressire es ihnen nicht, das wollten sie sie machen lassen u no näh, was öppe noh chöm. Unter diese Zahl gehörten die meisten Weiber; das brachte die Speisewirthin fast aus dem Hüsli. Die gute Speisewirthin wußte noch nicht, wie man sich selbst vor den Füßen sein kann. Sie brannte ärger als ihr Kochöfeli vor Begierde hinüber zu gehen; alleine hatte sie es nicht gewagt, auf das Begleit der glänzenden Weiberschaft gerechnet, sich aufgedonnert, daß ihre Kinder sämmtlich ihr nachliefen und schrien: Mutter, wortsch »'Kingbetti oder z'Märit. Sie hatte schwatzen müssen mit den Weibern, den Kragen leeren, wie man sagt,hatte darob die kürzeste Zyti gehabt, während sie den andern um so länger wurde, hatte Kochen und Aufwart versäumt. Jetzt als es anging, war sie nicht fertig,die Weiber, nicht gewohnt, halb gegessen aufzustehen.[284]Haiten die mal die Beine unter einem fremden Tische,sö wollten sie sein, wollten öppe lebe, wie's d'r Bruch syg, we me furt syg, wollten das Bratis gehörig versorgen, wollten Tatlere, den Dessert schenkten sie nicht,eine halbe Rothen verschmähten sie nicht. Ja es kam schon hier und da einer in den Sinn zu sagen, den Kaffe habe sie emel gerne, sie glaube, wenn sie einmal sterben sollte, mit Kaffe könnte man sie wieder lebig machen, aber schwarze nach dem Essen nehme sie ihn doch am liebste, wenn Neuer wett, si hulf.
Das sind die Weiber, die starch den Männern nachstreben und starch an der Emanzipation der Weiber machen. Ach und ach so ein Schasli war der guten Speisewirthin schon lange im Kopf gesteckt, ihr förmlich hineingewachsen. Wie oft hatte sie im Kothe pfoseln müssen von einem Markte heim, und wenn sie eine halbe Stunde hinter sich ein Fuhrwerk rasseln hörte,war sie stille gestanden und ach was für zärtliche Liebesblicke hatte sie ihm zugeworfen, sobald es in ihren Gesichtskreis kam; ach und wie oft hatte ihr das gar nichts geholfen. Das Pferd hatte sie noch übersprißt,in den Hag, in ein Grabli gedrückt, daß sie einen Gir und einen Uflath nach dem andern ausgelassen, aber es hatte nichts geholfen, die Leute darauf hatten gelacht und sie in Kyb und Koth pfoseln müssen bis heim.Wenn sie im einen oder im anderen erstickt wäre, ke Hung hätt se ufg'lese, hatte sie oft geklagt. Manchmal hatte man sie wirklich aufgeladen, wenn man das Wägeli nicht bereits schon voll alter oder junger Schweine gehabt hatte. Sie hatte glückliche Stunden so verlebt.Aber ach wenn der Bysluft so recht zog, oder es hurnigelte, daß man glaubte, das Katzenhageln wolle angehen und sie eine schöne Kappe aufhatte, eine neue Scheube an und dazu nur ein schlechter Parisol, ach,dann kehrte sich in ihrem zarten Herzen alles um, daß sie so z'weg sei, und nicht in irgend einem Schäsli,wo e Theil noch Schüchleder hätten, die man vormachen könnte. Wenn daunn gar noch Eisi vorbeirasselte im Schäsli, mit dem gleytigen Byggerli, dann drehte sich [233]nicht bloß ihr Herz um, sondern alles im Leibe, sie ward zur radikalsten Kommunistin. Wenn das gerecht sei, daß so eine fahr, während sie so durch Dicks und Dünns stampfen müsse, so möchte sie doch wissen, was Gerechtigkeit sei. Aber das müsse anders kommen, sie sei einem gut dafür, und es seien noch andere Leute ihrer Meinung.
Bei solchen Seelenschmerzen war's begreiflich, daß sie nichts sehnlicher als ein styfs Schäsli wünschte, so mit Schüchledere, wo man sich gut einmachen könne,öppe von den köstlichsten brauche es nicht zu sein, daß sie ihrem Mann beständig mit diesem Wunsche vor den Ohren lag, fast wie ein guter Haushund vor der Hausthüre, oder eine Katze vor dem Mäuseloch. Der Mann war aber auch ein harter Klotz, wie viele Männer sind:„Was sinnist Babi, war seine fast unveränderte Antwort: was sinnist Babi, d'r letzt Zeys nit gäh, d'r vorrig ebe halb, u dä o bal ume, u de no anger Lüt,die Geld wey. Nei, Babi, wed nit laufe mast, su blyb daheim. Nun hatte Babi seine Hoffnung auf Eisi's Schäsli gestellt, und hoch auf war ihm das Herz gegumpet, wenn Babi dachte, wie's dann auch bei Eisi vorbei zschädern wolle, daß es fry Feuer gebe und es müsse nichts zu machen sein, so müsse es über und über überdrecket werden, allemal wenn es bei ihm vorbeifahre. Und wes es v'rsprengti vor Täubi, su sygs ihm glych, und es wett säge: recht g'schehts d'r, du Narr, das ist füre Hochmuth gut. Wie gesagt, einige Fünfudryßiger hätte es z'weg und ihre Wyherre, das feien alles seine gute Freunde, tröstete es sich, die begehrten sie nicht zu plagen, warteten, bis es sich ihnen wohl schicke, und gings bis am letzten Fastnachtmärit.Das syge brav Herre, es wüß's.
So weit hatte Babi also nache g'werchet, jetzt war das Schäsli zu haben, und gewiß um Nichts, denn wer wett ihm i Wegscho, wenn me merk, daß es es möcht, dachte es, ke Mönsch thuy es Bott druf. Und jetzt wars noch nicht fertig und die Blaättere saßen da,wie Trüecher, hatten keinen Verstand und thaten gar []ZF
286 nicht, als ob die Steigerung sie was anginge. Babi wußte wirklich nicht, sollte es die Wände auffahren oder aus der Haut, und als es sie fragte, ob es se nit duech, sie möchte ga biete oder ga luege wie's drum gang, es söll es meineidigs sittigs Ryte drin sy, antworleten sie kaltblütig, si syge nüt g'wungerig und Lust zu dem aite Kratete hätten sie auch keine, aber es soöͤll ne öppe e Fläsche oder zwo vom bessere Rothe bringe u vielicht, daß de no öppe eini oder die anger es Taßli Schwarze nähmt. Es wett, daß d'r Schwarz Seye nähmt, dachte Babi. Die Speisewirthin schoß statt in den Keller über die Gasse, wo sie ihren Mann bei den Steigerungsleuten in Nähe des alten Krattens stehen sah.“ „Los Neuis, sagte sie, und rief ihn neben aus.Die Plodere wey nit üf, si sy abräntet, un ih darf nit vonneh, u daß de m'r jetz das Schesli nit lahyist fahre, g'hörst, chost's was well, su wott ihs jetz, u g'hörst, biet bis es hesch, sust lue de wie's d'r geyt!“Denk, chum z'tödte, sagte Babi's Mann halb laut,während er langsam wieder der Steigerung sich zu drehte. Da stund die Menge um das Schesli derum,g'schauete die Räder, visitirte das Räderwerk, probirte die Federn und bald war das eine nicht gut, das andere ausgelaufen, das dritte mangelte reparirens, und alle kamen darin überein, öppe viel werth sei es nicht.Wenn man leicht was dafür geben müßte, so kaufte man ringer ein Neues, dann wüßte man, was man hätte, und hätte etwas nach der Mode. Das sei altväterisch, und leicht ein hoffährtig Meitschi oder eine eigeligi Frau fuhr eym nit emal drin. Hatte doch Eist gemeint, was es hatte, als Steffen sich endlich zu dem Schesli bewegen ließ. Steffen hatte nicht daran gedacht, hatte eine währschafte Haut, die was ertragen mochte, hielt nicht viel auf dem Aeußern, fürs Inwendige sorgte er dest fleißiger, wenn man inne nache gut g'füttert sei, sagte er, so thuy eym ke Bysluf nüt, und wenn sein Byggerli mit ihm davon tschäderte, so saß er auf seinem ischäderenden Bernerwägeli, in Schneesturm und Regengüssen, stolz und wohlgemuth wie ein
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König. Aber hundertmal hatte Eisi gesagt, uf daä Hung gangs ihm nimme. Und doch war es ihm immer wieder gegangen, von wegen das Hozle auf dem Rumpelkasten war ihm doch noch aständiger as das Daheimhocke. Da war einmal im Winter eine große vornehme Partie, wo sie auch eingeladen waren und auf die es sich viele Wochen freute. Es war schöne Schlittbahn,Steffen hatte ein verflümeret styfs Schlittli z'weg machen lassen, hatte ein G'schäll gekauft, daß man es nicht schöner hören konnte und ein Fähnchen machen lassen von roth und weißer Seide, daß man nicht genug luegen konnte, wenn es so recht wadelte im Winde.Daneben hatte Eist einen Staat z'weg gekorbet, der ihn zu der Hoffnung berechtigte, z'lezst werd's de heiße:d'Wirthi uf d'r Gnepfi, die het m'r g'falle, das ist doch die Hoffärtigst g'si u zSach isch er e no b'sungerbar wohl agstange. Wie eitel aber menschlich Hoffen sei, sollte Eist erfahren. Am Morgen vorher glänzte noch so prächtig die Bahn, gegen Mittag ward es so milde, daß Eist meinte, grad so sollte es morgen sein,wege d'r Kälti heygs ihm schier welle gruse, mi überchöm so v'rfrore Nase, un nüt stang eim minger a, as so ne roth u blaue Knebel im G'sicht. Daß die Wälder schwarz wurden, die Berge dunkelblau, dessen achtete sich Eisi nicht. Aber in der Nacht, als das Haus in allen Fugen krachte, erwachte es, müpfte Steffen: los doch wie d'r Bysluft geyt, es wott m'r schier gruse,sagte es. Aber am Morgen sah man, daß es nicht der Bysluft, sondern der Flühluft war, er sprizte warmen Regen über den weichen Schnee, wüst gelb war die so schöne weiße Straße geworden, Wasser sammelte sich in jede Vertiefung, hie und da war sie schon vollftändig schwarz. Was das für ein Jammer war, für ein hinund herschießen, an allen Fenstern herum, weil man immer hoffte, an einem andern Fenster sehe das Wetter besser aus. Aber durch keines kam ein Hoffnungsstrahl,Steffen erklärte, der Schlitten gehe kaum mehr, und wenn man heute es schon zwängen könnte, so käme man morgen gar nicht heim, man werde 8* Wägeli [288]nehmen müssen, wenn es g'fahre sy müß. Was da Eisi für einen Zorn auswand. Steffen kam endlich zur Einsicht, daß es ihm weit ringer ginge ein Schesli anzuschaffen, als d'Frau so zu sehen und sich so sagen zu lassen. Als sie endlich doch fuhren, als allerdings Eisi's Staat wüst herhalten mußte im erneuerten Sturm,als alle Leute zäpfelten und stichelten, daß sie so in einem offenen Wägeli daher kamen, ob er nicht etwas Deckts v'rmöge, er müß doch vo de Wüstiste eine sy,daß er in selligem Wetter e sellige Frau uf eme sellige Kaste desume führ. Wenn Mänge e selligi Frau hätt,no hüt schaffete er ihr ein füfzig Dublönigs Schesli a. Da ging Steffen in sich und erkannte seine Schuld und bekannte, daß es ihm so nicht mehr gehen müsse.Selligs wolle er nicht mehr ausstehen. Und wahr seis,wenn er alles rechne, so erhus eim so ein Schesli viel Geld, was man an den Kleidern erspare, wie manchen man könne reiten lassen, der einem gerne was zahle,und dann noch Leute führen. Wenn er ein Schesli gehabt, viel Neuthaler hätte er mit verdienen wollen,es wär denk längst zahlt, vo wege, es Roß müß er allweg ha. Steffen bestellte noch in den nächsten Tagen ein Schesli und die Arbeitsleute predigten, wie sie ihm eins machen, daß Adam im Paradies kein so schönes gehabt hätte und so wohlfeil, daß sie gewiß ihr eigen Geld daran verspielten. Indessen weil er es sei,so käme es ihnen auf ein paar Franken nicht an, sie hätten Freude ihm öppis z'arbeiten, es sei immer eine Rekommandation a me ne sellige Ma g'arbeitet z'ha.Er söll de ume Niemere säge, was es ne kost heyg.Kurz sie machten ihm das Ding so schön und süß, daß er eine Freude über das Schesli in den Leib kriegte,akkurat wie ein Kind auf das Neujahrkindli. Er fuhr,es weiß kein Mensch wie oft hin, zu sehen, ob es nicht fertig sei, und allemal kehrte er mit noch größerer Freude heim. Die Arbeiter hatten ihn umringt, ihm gezeigt, wie herrlich und gut alles sei, ihm vorgewiesen, was sie ihm z'Lieb und z'Ehr noch alles ersinnet hätten, komods und schöns, und wie sie dieses trocknen [259] und jenes beizen oder gerben lassen müßten; aber er solle dann nur hin mit wohin er wolle, es Schöners,u chumligers, u liechters Fuhrwerk treff er nit a, es fehlte nüt, su laufs von ihm selber, b'fungerbar wenn es chly niedsig gang. So zogen sie die Schrauben seiner Freude an, er zahlte brav Wein und sonst noch was, und wenn er heim kam, so sagte er, er sei sich nur eins g'raue, daß er nicht schon lange eins habe machen lafsen, er hätte nicht geglaubt, daß man so Freude daran haben könnte.
Was war das aber für ein Tag, als das Schesli daher kam. Sättler, Wäner und Schmidt hatten ausdrücklich sich ausbedungen, selbst es zu bringen; sie dürften sich wohl zeigen damit und dann gebe es immer noch dieses und jenes z'brichte. Als sie angefahren kamen, stand alles vor die Häuser und sah das Wunderwerk der Welt. Gravitäusch stiegen die drei Künstler aus, schüttelten die Hosen über die Stiefel nieder, und stellten sich, der Schmid vornen, der Wagner neben, der Sattler hinten, und demonstrirten der erstaunten Menge das Wunderwerk. Nachdem sie es von Außen erklärt hatten, mußte Eisi einsteigen, mußte bewundern wie bequem der Tritt ersinnet sei, dann hufch Eisi nach der Sattler, plötschte ins Kifsen, und Eifi mußte bewundern, wie wohl man in den Kissen hock u wie's es lings Alähne syg, u de syg da no es Täschli am Fußsack, das sei b'sungerbar komod für e Nafelumpe oder sust Neuis. Aber lang war's ihm nicht vergönnt neben Eisi zu hocken, der Schmid stand ungeduldig am Thürli und sagte, seh, chum doch einist use. Kaum hat er den Sattler hinausgebracht, so macht er sich selbst hinein, plötscht mit Macht ab und wiegte dann das Schesli hintere und füre. Eisi sollte merken wie stark die Federn seien und wie gut sie spielen.Man könnte den Emmengrund auf- und absprengen,sagte er, man merkte nichtis, es ging so sittig wie uf eme Teller. Aber aus dem dehaglichen Wiegen riß ihn der Wagner. Es duecht mih, fagte der, Schmid, du layist d't ume z'wohl sy, chum ufe. Langsam und un[]
260 gern that's der Schmid. Da stieg der Wagner ein,äber langsam, er mußte Eisi erst zeigen, wie komod man die Hände aufstemmen und sich halten könne beim Einsteigen; dann setzte er sich und sagte mit bedeutendem Gesichie: jetz, Wirthi, streck d'Bei! Hest se g'streckt,abet recht? Gäll, du chunst nit vorne a u mast doch styf z'Bode g'länge, mit de Füße ganz eberecht, gäll so ischs? Jäslüe, das ist ame Schesli d'Haupisach, daß me mit de Füße z'Bode mah u d'Bei strecke cha. Fehlt das, su isch alles nüt, sygs de wie's well. Er hätte vielleicht noch weitere wichtige Hauptsachen entwickelt,wenn nicht Schmid und Sattler hinter ihn gerathen wären. Er mußte Steffen Platz machen, der mußte sich neben Eisi setzen, der Sattler zog das Verdeck über sie auf und demonstrirte, wie man da eingemacht sei gegen alle Gewitter des Himmels und was man alles abelah und was man vormachen könnte. Aber ehe er z'halb fertig war, sprengte der Schmid bereits mit dem Ehepaar davon, die nun praktisch erfahren sollten, wie sittig es gehe. Der Wagner sprang hinten auf, der Sattler, zu spät dazu, lief hinten nach und fluchte bis er keinen Athem mehr hatte, dann wartete er an einem Hag, bis es dem Schmid beliebte umzukehren und praktisch zu zeigen, wie man ränken, umwenden könne und stillstänglige, während der Wagner Erläuterungen beifügte, wie hagels schön die Raäder drunger dur möchten und auch nicht an einem einzigen Orte anstellten,u das syg e Hauptsache, vo wege wenn sie astellte, su chönt me persche nit ränke. Als sie zurückfuhren, lag VVVV tern, ausgenommen auf dem des Sattlers, der Mühe hatte Athem und Aerger ins Gleichgewicht zu bringen,weil er dem Ränken nicht hatte beiwohnen können. Es müsse sagen, sagte Eisi, es hätte es nicht geglaubt, daß ein so großer Unterschied im Fahren auf einem Wägeli und auf einem Schesli sei. Es sei schon in manchem Schesli g'fahre und auch in Scharbänke, aber es müß es sagen, so in einem noch nicht, jetzt wollten sie es aber äuch recht profitire. Jetzt sollten sie das Roß in
[261]Stall thun un yche cho. Das ließen sie sich begreiflich nicht zweimal sagen. Künstler haben bekanntlich oft Durst, es sind Naturen, die viel Feuchtigkeit mangeln.Kaum hatten die Herrschaften sich zurückgezogen, so trat die Dienerschaft auf und jedes wollte wissen, wie es ein Hocken in einem Schesli sei. Das Kindemeitschi schlich dem Stallknecht nach und setzte sich ab mit einem Gir in's schöne Kissen, die Köchin und der Metzger probirten, ob man mit den Füßen z'Boden käme und die Beine strecken könne, die Kinder liefen schreiend herum und schrieen immer lauter, bis auch sie drinnen faßen und alles probirten, was sie gehört hatten, daß män probiren könne. Später mußte, um ihr Brüllen zu hemmen, der Stallknecht anspannen und sie führen,und noch später soll Eisi sich hinausgeschlichen und privatim noch einmal probirt haben, wie gut man drinnen hocke und wie schön man die Beine strecken könne.Kurz es war ein Wonnetag, und was an Essen und cen versorgt ward, würde die Nachwelt kaum auben.Manche Woche lang war das Schesli des Hauses Kleinod gewesen, war allen Leuten gezeigt worden und ihm z'Lieb und z'Ehr war man anfänglich ausgeritten,so oft als man nur immer was ersinnen konnte, nach dem sollte geritten werden, und wenn schon früher Eisi hoffärtig gewesen war, so schaffte es doch noch Manches noch hoffärtigere an, weil es meinte, es stehe dem Schesli wohl an. Später verlor sich der Reiz der Neuheit, wenn auch der Stolz aufs Schesli blieb. Wenn an einem Dienstag in Bern beim Schlüssel, oder an einem Samstag beim Kreuz in Solothurn, oder beim Bären in Burgdotf an einem Donnstag Weiber weberten, sie glaube emel, es well cho regne, sie sötte pressire für hey, sie heyge ume es offnigs G'ferg, u daä schießigs Lädi (der Mann, versteht sich) well si gar nüt zuche lah, gäb i welem Egge er si v'rsum, so antworiete Eisi allemal so recht dick und breit mit Behaglichkeit: emel ihm pressirs nüt, u wes vom Himmel ache miech, daß es nit schröckliger chönt, so sygs ihm gra[269] glych, si heyge es deckts G'ferg, es Schesli! Da syg me drinn wie ire Stube, so wärm u troche. Da g'spüt me vom Wetter gar nüt, un wer's nit erfahre heyg,chön si gar nit vorstelle, wie chumlig es Schesli syg,u wie me gut Sach ha chön d'rby, u sittig ryte drinn.Wie oft hätte ihm auch stolz das Herz im Leibe gelacht, wenn es so behaglich und sittig ritt und Weiber vor ihm durch den Koth pfoseln mußten, stille standen und so sehnsüchtsvoll nach dem Schesli blickten, wie ein Verschmachtender nach einem Kruge Wasser, cin sehnsüchtig Mädchen nach einem hochzeitlichen Paare.O, Kist hatte glückliche Tage mit dem Schesli verlebt,Aückliche Stunden darin gehabt, und als es oben zum Fenster aus sah, wie es dem Schesli erging, und wenn es dachte, worin es jetzt dann z'Märit oder sonst wohin fahren sollte, so wollte ihm das Herz fast schwer werden. Es duechte ihns, es möchte das auch steigern,indessen seine Baarschaft war nicht groß und hatte es nicht später das Recht wieder darauf zu greifen, wenn z'Sach wieder im Greise war? Doch war es ihm fast,als thue es ihm weh fürs arme Schesli, es machte das Fenster zu und ging weg. Wenn es gewußt hätte,was die Speisewirthin im Sinne hatte und was sie verwerchete, Eisi wäre auf der Lauer geblieben. Gäb es das Schesli der Speisewirthin nur für einen Augenblick in die Hände gelassen, hätte es lieber den lehten Kreuzer aufgewandt; Eisi pfoseln, Babi fahren! den Anblick hätte es nicht überstanden. Daß fast etwas wie Bedauern mit dem Schesli in Eisi's Herz sich regte,ist nicht zu verwundern, es war eine Art Mitgefühl,ihm und dem armen Schesli ging's ja akkurat gleich.Vor nicht so vielen Jahren war der herrliche Tag gewesen, wo als Weltwunder das Schesli nägelneu vor dem Hause gestanden, die Bewunderüng der Welt und jetzt stund es akkurat auf dem gleichen Platze und viele stunden wieder darum, aber da war keiner, der es nicht aushunzte und in Spott darüber ausbrach. Die Räder sollten nichts werth sein, da lodele Alles, im Eisen sei es grundschlecht und doch sei es schwer, daß man ein
[263]Paar Stiere haben sollte, um es des ume z'schleipfe.Das Leder sei spröde, gehe dahin, und das Innere hundsschlecht, in den Kissen sei Hundshaar und das Tuch so wüst, daß man es neu werde machen müssen.Und wenn man dann Alles neu machen lasse, was neu gemacht werden müsse, so kost's, daß es eine grüsliche Sache sei und z'lezt habe man doch nichts als einen alten Krämerstand. Zehnmal ringer kaufe man ein neues, da konne man es doch dann kaufen und neh biHerzen nicht so sein, sie mochten noch ein gut Haar an selbigem finden, aber sie sagten es nicht, sie verläugneten es alles schnöden Gewinns wegen. Sogar Schmid, Sattler und Wagner redeten nicht z'best, sie machten es bloß, wie man es zuweilen beim Weibervolk macht: Herr Jemer, was für e Wüsti un e Alte,u was das für es schöns Meitschi g'si isch, das glaubti afe ke Mönsch. Sie sagten auch, ke Möͤnsch glaubt,was das für es schöns Schesli g'si isch, wo's neu's g'si isch, aber si sy mit ihm umgange, si sötte si schäme.Die Anzüglichkeiten wegen leichtem Eisen, grünem Holz und dem Hundshaar überhörten sie. Theuer war das Ding nicht geschätzt, kaum einen Drittel vom kostenden Preis, der freilich weit höher war, als der akkordirte.Von wegen als die drei Mannen das Düpfi mit der Freude so recht überkochen sahen, hatte der eine das vergessen gehabt anzugeben, dem zweiten waren Neuigkeiten in Sinn gekommen, von denen er gedacht, sie stünden der Sache wohl an; dem Dritten hatte das Material unter den Händen aufgeschlagen und doch hatte er nicht zum wohlfeileren gegriffen, er hatte gedacht, Steffen sei einer der ihn nicht Schaden halb lasse. Der Schmid hatte angefangen, als der Wagner mit seinen Nachträgen fertig war, duechte es ihn, der hätte es wohl gut gemacht/ so sei er ganz im Hinterlig, und meinte: Abrobo bal hättis v'rgesse, un es wär mör viel z'übel gange, vo wege de Federn die hah nih no einist so schwer, as m'r abg'redt g'ha hey; das ist's ebe, warums jetz so sittig geyi. Du wirst allweg nüt [] 264 d'rwider ha. Da wards dem Wagner fast g'schmuecht geworden, aberebo bal hätt ih v'rgesse, und kaum war der fertig, so war der Sattler gekommen, abrebo, der hatte gedacht, er wolle ihnen zeigen, daß zuletzt sein zuweilen auch gut sei. Wir wissen wirklich nicht, wie oft sie den Kehr gemacht hatten mit dem Abrebo, von wegen sie besannen am folgenden Tage sich selbst nicht recht und waren in drei Meinungen getheilt, nur so viel ist gewiß, daß das Schesli so viel gekostet hatte,daß Steffen sich wirklich nicht berufen fand, Jemand die Wahrheit anzuverirauen. Jetzt drehte es sich mit dem Bieten, Alle thaten, als ob sie die Hände ob dem Kopf zusammenschlagen wollten vor Grauen ob dem schrecklichen Preis, und Einige waren so uv'rschant mit den Geboten unten einzukommen. Da sagte der Weibel, die rufe er nicht, von wegen er wüßte, die Schätzer nehmten es gerne um den Anschlag und wenn Niemand mehr bieten wolle, so wolle man an etwas anders hin.Da endlich meinte der Wagner, um Schades yz'cho,well er d'Schatzig bote ha. Von da an harzete es Batzen um Batzen langsam und derweilen saßen drüben die Weiber beim Rothen behaglich und meinten mit dem Schwarzen pressire es nicht, sie seien noch streng a dem alte G'stündel, und die Speisewirthin wußte wirklich nicht, sprenge es sie aus der Haut gleich einem Zapfen aus einer Champagnerflasche, oder heygs dHut no z'Noth. Sie hielt sich nicht länger, sie brachte den Schwarzen, d'Köchi, dä Black, hätte ihn angerichtet,ung'heißen, sagte sie. So mußten die Weiber den Rothen mit dem Schwarzen tauschen, sie mochten wollen oder nicht. Da fragte eine: was laufen die Leute dort weg? He, sagte eine Aeltere, welcher viele Erfahrungen auf dem Gesichte geschrieben standen, weißt nicht,daß von einem Todten die Läuse laufen und die Flöhe,und von einer versteigerten Sache die Leute. My Lädi wird's ha, hets ächt my Lädi, rief Babi die Speisewirthin und stürzte hinaus. Es sellig Babi mangelt es Schesli, lerte die z'erst schwarze Kaffe mache, das ist ja ume Wäschwasser, un öppe es Göhei drinne [2685] g'schwaycht. Während drinnen die Weiber lachten, erhob sich draußen ein gar lautes Gerede: u hesch m'r's de nit chöne z'Gfalle thue, hest nit g'wüßt, wie nih dran hange, un es nähmt mi de Wunger, ob de mih de nüt z'estiemire hättisch. Wer macht z'Sach, wer muß sinne, un ufwarte, un bi de Lüte sy, wes eim scho duecht, es well eim v'rsprenge. Emel du nit, du, wäs de bist. U hest m'r's v'rsproche g'ha, u machst m'r's jetz e so, aber wart ume. Ehliche Gefechte ziehen sich zumeist aus ebenem, offenem Felde in Schluchten und abgeschlossene Thäler, dieses ward in die Kindbettistube,wo die Weiber saßen, gedrängt, und namentlich durch Schmid und Sattler, welche die Wirthin faßten und zur Stube führten. Frau, sagte der Letztere, nicht so bös, z'Sach ist recht. Das Schesli war nichts mehr werth, nicht um d'Schatzig hätte ichs mögen. In der kurzen Zeit haben sie das zu Grunde gerichtet, wie ichs noch nie gesehen und ist so gut gewesen, kein schöners hat man gesehen. Es hat wohl zwei solche Lappine fein müssen, um mehr als 30 Fr. hinaufzubieten. Soviel hätten wir doch auch vermögen, wenn die es vermöchten, sagte Babi, die Speisewirthin. Wem ist's?E Krämer und e Agent hey e nangere z'Sach ufetriebe u syt froh, daß dir's nit heyt, sagte der Saitler. Wir machen euch ein neues und dann ganz ein anders als der alte Kasten war und nicht theurer, als der gewesen wäre, b'sunders wenn ihr dazu getechnet hättet, was sreparire gekostet.
Was kosten wir hier, fragte ablenkend die Alte drinnen in der Kindbettistube, welche genug Schwarzen gehabt. Pressiret nit, sagte die Wirthin, mit dem halben Leib noch im Gefechte, den andern halben widerwillig dem Geschäfte zuwendend. Wir müssen doch noch sehen was drüben geht, sagte eine, so ganz v'rgeben da zu sein, wär doch nichts. Wenn's erlaubt wär, so käm's mit, sagte Babi, die Speisewirthin, es nähms auch Wunder. Und wenn man was wolle, so müsse man selbsten gehen und nicht d'Manne schicken.Gäb man schicke so einen Möff oder nicht, es komme [2606] hell in eins. Nachdem es diesen Kartätschenschuß ins nhnhpe Lager abgefeuert hatte, zog es mit den Weibern ab.
Wie eine Wirthin der andern einen Spiegel überliefert.Wer kann sich wohl das Gefühl eines Feldherin denken, der viele, viele Tage vor einer feindlichen Festung gelegen ist, unendlichen Zorn verwerchet hat, jetzt ist sie ihm endlich aufgegangen, ungehindert reitet er ein zum offenen Thore, kann schalten und walten drinnen wie er will; wie ist's ihm wohl, so weit und stolz zu Muth und doch guckt er noch in jede Ecke, ob keiner drinnen laure mit der Büchse. Oder wie war es gar den Griechen, als sie endlich in Troja waren,das sie 10 Jahre lang so scharf und doch umsonst belagert hatten. Wenn man sich das recht deutlich machen kann, so kann man sich ungefähr einen Begriff machen, wie es in Babi's Seele aussah, wie es die Beine hob und wie kühn es drein sah. Nicht 10 Jahre,aber doch manches Jahr, war ihm das Wirthshaus drüben vor der Nase gestanden, täglich hatte es dasselbe mit Blicken, wie mit Bomben, beschossen, aber nichts abgebracht daran, und gäb wie es schoß, hinein kam es nicht und doch nahm es es so verflümert Wunder,wie es drinnen sei und was alles sie drinnen hätten,ob wirklich so schöne Sachen wie die Leute b'richteten.Es hatte manchmal mit einer Magd die Abrede versucht, daß sie es in Abwesenheit der Meisterleute hineinlassen sollte, aber nie war es zur Ausführung gekommen, bald war ein Knecht, bald eine Magd im Wege, bald die Kinder, denn das hatte man gewiß,daß wenn es Eisi wieder vernahm, die Verrätherin nicht bloß einfach ausgejagt wurde, sondern Haut und Haar riskirte. Und jetzt war das Haus offen und in Mitte einer glänzenden Leibgarde schrutt Babi, die Speisewirthin, kühn darauf los. Man hätte unterdessen etwas [267]Pferdegeschirr versteigert, Mistbähre und Stallgeräthe,und einige drängten hart, man solle an die Wagen hin und anderes Ackergeräthe. Als aber der Gerichtschreiber die glänzende Garde daher kommen sah, sagie er, da draußen gehe der Bysluft wohl stark, es friere ihn sehr an die Füße, er sei an Finken gewöhnt und möge die Lederschuhe auf d'Länge nicht erleiden, er hulfe hinein und drinnen steigern. Auch gelte Schiff und Geschirr am meisten, wenn einmal ein Eigenthümer zur Liegenschaft sei, der lasse das Meiste um keinen Preis fahren.Da die Sache eine Nase hatte und auch des Gerichtschreibers Füße zu respektiren waren, so geschah es also Als Eisi den Zug sah und seine Erbfeindin dabei,so funkelten seine Augen, daß man Schwefelholz daran hätte anzünden können, wie die Augen einer Tigerkatze,welche Junge hat, die man ihr rauben will. Die Speifewirthin ward dabei allerdings von einem unheimlichen Gefühl beschlichen, dessen Nemand sich erwehren kann,der einem Feinde sich nähert, welcher an Energie und Kraft ihm überlegen ist, auch wenn man ihn gebunden oder unschädlich glaubt. Es werden Wenige einer todten Boaschlange vhne Schaudern sich nähern, Wenige auf ein wotes Rhinozeros gelassen sich setzen und kaliblütig eine Prise nehmen. Ves Gedankens, wenns nicht todk wäre, der Tod nur Schein wäre, wenn es sich A sie das denken, so wird es die Meisten dünken, es rühre sich, werden bloß aufspringen und schreien: Herr Jeses,het es si nit g'rührt. Babi strüßte sich, fast wie ein Huhn, das sich seinem Feinde gegenüber breit machen möchte, machte bei den Weibern die Vertraute, welchem diese augenscheinlich wenig nachfragten und mutz mit Babi thäten. Dasselbe griff nach Manchem, zeigte es den Weibern, hielt Rath, ob's räthlich sei, kaufte Lumpereien, Kellen und kleine sogenannte Portreli mit schauderhaften Figuren, und wenn es was für b kr.ersteigert hatte, so zog es eine Handvoll Fünfunddryßiger hervor und plagie den Geuchtschreiber mit wechseln, that, als ob es sein Lebtag keine Münze, sondern [268]lauter Silber gehabt hätte. Da kam das Steigern an einen Spiegel, der vielen wohl gefiel, die Weiber fast alle drängten sich darum, und wenn sie schon dieses oder jenes daran auszusetzen fanden, so dachten sie doch,so einen hätten sie schon lange mögen, wenn man ,sich recht drehe und bögle, so werd es viel dran machen,daß man sich hinten und vornen sehe. Es müßte nicht zu machen sein, so wollten sie den, und wenn schon die eine oder die andere ihn nicht begehrte, so konnte sie sich doch des Dareinsehens nicht erwehren. Vor allem aber drängte sich die Speisewirthin vor, funkelnd vor Freude. Das war was für sie, und hatte sie das Schesli nicht haben können, so wollte sie jetzt den; indessen bedauert sie vor den Leuten, daß er nicht größer sei. Sie hatte schon lange einen mögen, aber einen größern, von der rechten Sorte einen. Das Bieten begann, die Weiber gaben allgemach Laut, der Rothe,den der Schwarze nicht ganz gedämpft hatte, begann in ihnen zu spuken, die Gebote folgten sich immer strenger, am raschesten aber bot nach Babi, unsere Speisewirthin. Eist war auch da. Als der Spiegel zum Vorschein kam, da war ihm das Blut in den Kopf gefahren, daß derselbe ganz dunkel ward. Das Dunkle verging, es war fast, als ob Wasser käme in Eisti's Augen; aber wie die Speisewirthin zu bieten begahn,begaänn das Wasser in Eisi's Augen zu versiegen, sie glänzten und funkelten, daß es allen Leuten auffiel.Sie meinten, das sei der Zorn, daß die Täsche da drüben biete, und freuten sich, das gäb Für, ehs lang gang.Aber die Leute verstunden sich auf die Gesichter nicht.Wohl ging was besonders vor in Eisi's Sinn, aber was ganz anderes als sie dachten.
Es waren einige Jahre her, da stund mal ausgeschrieben die Geldstagsteigerung eines Wirthes und süß war der Mund der Menge gemacht mit der Ausschreibung der schönsten Sachen. Ganze Haufen Dinge kamen Eisit, als es die Ausschreibung las, auf einmal in Sinn, welche es durchaus haben sollte, indem es nicht länger ohne dieselben haushalten könne. Steffen [269]hatte satt gewehrt, denn der Geldklam hatte begonnen und Steffen begann zuweilen es zu sinnen, daß man das Alte zahlen sollte, ehe man Neues kaufe. Aber Eist hatte, wie gewohnt, aus höherem Tone gepfiffen und Steffen schwieg; jedoch wollte er nicht mit. Er mangle nichts, sagte er, und wenn Eisi was mangle,so könne es alleine gehen, zwei brauche es dazu nicht,es sei alleine groß genug. Eisi hatte gemeint, das sei ihm ganz recht, es könne ihn gar wohl etmangle, gäb mi heyg geng e selligi Schnürfli nebe eym. So wars gefahren mit Fünfunddryßigern im Sack, so viele es im Schublädli zusammenkraßzen konnte.
Es war ein schöner Maitag gewesen, die Vögelein hatten gepfiffen, so klar wie selten, und die Blumen gefunkelt und geduftet, als ob sie siunden im schönen,8 Himmelsgarten. Doch von dem merkte Eisi nichts, bloß dachte es, wenn das Wetter so fortfahre,se gebe es dieses Jahr wieder Bohnen; zumeist litzte es in Gedanken über Steffen oder dachte an sich. Es hatte fich gewaltig zugestutzt, hatte einen schwarzen Grüsel von Lampihut auf dem Kopf, mit Lätschen und Federn, fast ein Fuder hätte es gegeben, ein Fürtuch an, von ganz neuer Sorte mit arigem Namen, den es nie aussprechen konnte, aber verflümeret schön. Es duechte ihns fry, d'Hagspatzen hörten auf durch die Dörne zäberle, stünden still, guckten ihns an, und flögen wieder vorfür, um den Genuß zu erneuern. Auch neben dem war es schön, daß schöner nichts genützt hätte und was die Leute dazu sagen, und was sie für Augen machen werden, wenn sie ihns sehen werden;das gab ihm viel zu denken. So bei rechten Gäugle b'schüßt das Alter nicht viel, es macht sie bloß wüster,nicht witziger.
So kam es aufgezogen nach Nixiswyl, wo die Steigerung war. Da war es auch nicht bloß z'Bode gange, sondern noch einige Klafter bas abe, und, da gar kein Weibergut da war, die Frau und ein Trüppeli Kinder, die man alle mit einer Wanne hätte decken können, auf der Gasse. Eist hatte die Frau wohl ge[270]kannt, hatte hier und dort mit ihr z'Mittag gegessen;aber dießmal kannte es sie nicht. Es waren noch andere Weiber da, auch stolze und hoffärtige, aber als Eisi sie gemustert hatte, sagte es bei sich: Bim Donstig mah mi keini, die hey hüt v'rgebe agwengt! Indessen hinderte ihns das nicht, mit ihnen Kameradschaft zu machen, das Haus zu durchstöbern, alles auszuführen,vor die allerdings etwas verwahrlosten Kinder sich zu stellen und zu sagen: d'King chöne eim am meiste dure,das sy arm Tröpf, was sölle die jetz afa, d'r gut Lebtig wird neh nit nache welle, u neuis g'lert werde die o nit ha, d'rzu g'seh die z'strub us. Die g'seht me de öppe einist vor d'r Thür, daß si heusche; öppes für z'näh, chunt dene nit z'Sinn u werche meu si o nit.Ebenso hatten sie das Essen ausgeführt; me g'sehy wohl, daß z'Fleisch ume etlehnt syg, öppe z'best geb me nit, we me nit wüst, ob me zahlt werd oder nit. We si nit bessere Wy g'ha heyge weder dä, su nähms eim notti nit Wunger, daß die nit heyge möge koh, das syg ja es Sufe, es mach eim fry z'Schuh z'gygre u mi schönt d'rmit Katze u Krähye v'rgifte. So redeten die Weiber unter sich, als ob Niemand Ohren hätte als sie. Daß der Wirthin, die aufwartete, die Thränen über die Backen rannen, achtete Niemand, und als sie sagte, mit halb erstickter Stimme, sie sollten nicht zürnen und vorlieb nehmen heute, si gäbs wie sys heyg, geng sygs nit so g'si, da gab ihr Niemand eine tröstliche Antwort. Eisi sagte zu seiner Nachbarin, doch so, daß man es am ganzen Tisch hören konnte, es machs geng es Nieders wie es v'rstang, aber besser as mes vorstang, z'Sach z'mache, selb syg e Kunst. Die verhöhnte, verachtete Wirthin war nicht groß, nicht dick,ein gleytig, g'wirbig Fraueli mit dunkeln Augen, die nicht dumm waren. An ihrem Unglück hatte sie nicht große Schuld, sie hatte wohl anfangs geglaubt, einer Wirthin möge sich alles erleiden, nachher aber gethan,so viel ihr möglich war. Aber ihr Mann war nichts werth gewesen, war allen Schelmereien nachgelaufen,welche zu ersinnen waren. Er war von Natur nicht [] 271 viel werth gewesen, kam noch in ein Nest voll Lumpenhunde, trieb sich mit ihnen herum, bis es ihn, einen der ersten, auf den Kopf stelite, wie es die andern, einen nach dem andern, auch auf den Kopf stellen wird.Sie verwerchete Elend und Zorn best möglichst, doch als Eisi so herzlos laferte, schoß sie ihm“ einen Blick zu, der fry sprezelte, drückte aber den Zorn nieder und ging hinaus. Nach dem Essen waren die Weiber kräschlig und bötig, und das zog von Leder mit Steigern,wie Buben mit Schneeballen, wenn der Schnee lind ist. Eisi war nicht die Letzte, führte ein laut Wort,und wendete stark an mit lachen und breiammeln. Endlich kam der Spiegel zum Vorschein, von dem wir geredet, den Weibern gefiel er auch damals wohl, Eisi b'sunderbar, und darum setzte es auch nicht ab, bis es ihn hatte. Da meinte es, als der Weibel endlich gesfagt hatte, und zum und zum dritten, und es ihn zu Handen nahm: Wer sich jetzt noch g'schauen will darin, der thue es, es ist jeßt noch Zeit, nachher ist er mein, und damit drehte es ihn und auf dem armen Wirthfraueli zu und sah dasselbe mit einem besondern Blick an. Das Fraueli faßte ihn und seine Augen glühten auf, wie angeblasene Kohlen; es trat vor: He nu, sagte es, wenn Niemand will, so will ich mich noch einmal darin g'schaue, ich hab' es manchmal gethan,und jetzt wird's wohl das letzte Mal sein. Und du,sagte es zu Eisi, du vergiß es aber auch nicht, wenn er dir versteigert wird, dich noch einmal Fg'schaue darin, und die wo nach dir kommt, soll es gleich machen, wenn es ihr geht wie dir und mir. Das Fraueli schaute hinein und sagte dann: naßi Auge g'seh nih,aber Gottlob! kes bös G'wüsse, viellicht g'sehst du u die angere de öppis meh as ih. Darauf ging die Frau;ihr Betragen hatte alle verblüft, so gleitig die Weiber sonst schnäderten, jetzt fand keins eine rafche Antwort,selbst Eisi war's, als hätte es eine Ohrfeige gekriegt,als steche ihns Jemand ins Herz, durch und durch,fast hätte es: ui, ui, gerufen. Hintendrein konnte maän nicht Worte finden, um das Betragen der Frau zu [272] verdammen und zu sagen: wie das doch afe e ung'schämte sei, e selligi vördien nit ume daß si uf dGasse chöm, si v'rdienti d'Schallewerch, so öppis heyg me doch noch nie erlebt. Daß jede Katz krebelt, wenn man ihr auf den Stiel trappet, hätten die guten Weiber wissen sollen.
Als Eist nun den Spiegel in der Speisewirthin Händen sah, und diese so hißig im Bieten, allen voran, wie bei der Jagd ein Sperzer den Hülören, da flammte, wie eine Feüergarbe, die ganze Erinnerung in ihm auf, und vor seinen Augen stand die Rede der Wirthin mit den dunkeln Augen, wie eine Verwünschung. Am Spiegel hafte eine Verwünschung, das ward ihm klar und mit dem Spiegel werde diese auf die Speisewirthin übergehen und die werd es über kurzem oder langem auch erfahren, wie das Versteigern ünd Vergeldstagen gehe, wenn es selbst längst wieder Wirthin sei. So kams Eisi vor, darum leuchtete sein Antlitz so in taubsüchtiger Freundlichkeit, und als endlich Babi, der Speisewirthin, der Spiegel zugeschlagen würde, und zwar theurer als es ihn gekauft, trat Eist unwillkürlich vor den Spiegel, wollte hineinschauen,wandte aber rasch, als ob seine Augen an etwas abgeprallt, dieselben ab und sagte: Grad dir wird der geordnet gewesen sein, un besser as dir, gönne ih ne Niemere.“Aber lue de o dry, we si dir ne v'rsteigere.Was meinst, was g'sehst du de ächt drinn? Mih nimmts nit Wunger; aber lue de, sinn dra, es Kalb ohni Gring, oder süst neuis Uflaths. Es isch e appartige, weisch es de. Eisi ging darauf, es fing ihm an das Herz weh zu thun, gar wunderlich, Im Spiegel hatte es etwas gesehen, aber es wußte nicht recht was.War es das Fraueli mit den schwarzen Augen, war es Steffen, war es die Speisewirthin, war es sich selbst, es wußte es nicht, allweg aber war es Etwas,das es gesehen hatte. Die andern Weiber wichen vom Spiegel weg, kein einziges guckte hinein, was da zu sehen sei, rein bis auf den Boden war ihnen die Neugierde vergangen. Auch Babi, der Speisewirthin, war [273] es unheimlich ums Herz. Sie hatte sich gerühmt, wie sie es dem Pfau da äne machen und was sie ihm alles sagen wolle, wohl, dere wolle sie die Läuse runter machen, die müsse einmal so recht wissen, was für eine sie sei. Jetzt aber hatte sie auch nicht ein Wört-lein zur Antwort, es ward ihr ganz trocken im Munde,die Zunge klebte am Gaumen und als sie diefelbe endlich loskriegte, sagte sie, ih will denk mit ihm gah, aber schier lieber wärs m'r, ih hätt dä Hung nit.
Wie ein Tag zu Ende und einem Eisi ein Licht aufgehen kann.Da der Tag sich zu Ende neigte, so wurde von der Effektensteigerung abstrahirt und die Liegenschaft zur Hand genommen. Die Liebhaber hatten ins Auge genommen, hatten lange den berühmten Wasserfall, wo man Fabriken und Färbereien anlegen könnte, gesucht,hatten bei einem Bauer sogar eine Brille geliehen, üm ihn sehen zu können und hatten ihn doch nicht gefunden. Es war wohl ein Gräbli da und etwas Wasser konnte man darin auch sehen, wenn man lange luegte,aber es lief ziemlich zahm und hätte fast in einer Brunnröhre Platz gehabt, so daß kaum ein Spuhlrädli damit zu treiben gewesen wäre, geschweige dann ein Mühlerad. Die Liebhaber haderten mit dem Steigerungspersonal, daß es sie angeführt mit seinem Wasser und machten dieses noch viel ünbedeutender als es war.Der Weibel kam aber nicht aus der Fassung, sondern bemerkte, wie man bei solch trocknem Wetter Beispiele hätte, daß die größten Flüsse austrockneten und dSchiff auf dem Trocknen fahren müßten, dDonau u d'r Rhin ab; wenn das den großen Flüssen begegne, warüm sollte es bei einem Bache nicht geschehen. Und doch sei noch Wasser da, wie sie selbst sagen müßten, da könnten sie denken, wie viel sein werde, wenns naß würde.Zudem sollten sie nicht vergessen, daß es lange nicht g'erdbebnet, es werd wohl jetzt bald wiedehund dann [274]könn's ein Wasser geben, wo's eym nur z'viel werd,eym übel darob gruse. Indessen das Ding wollte doch nicht ziehen; die einen wußten nicht mehr, wozu das Eingericht brauchen, das Wasser schien nichts, das Wirthen nichts, da sicher an der neuen Straße neue Wirthschaften entstehen würden. Zudem muckelte man was alles darauf häfte, vielleicht mehr als man sage;an einer Geldstagsteigerung sei die Sache nicht immer richtig, und wie viel baar Geld sein müsse, das wisse man ebenfalls nicht, da könnte man Verlegenheiten kriegen u. s. w. Es braucht nun nichts als ein solches Gemunkel, um die Leute vorsichtig zu machen, wenn nämlich keine Leidenschaft in Bewegung ist. So unbestimmtes Gemunkel erschreckt nicht bloß deswegen, weil man bei unbestimmten Aeußerungen die Sache immer zehnmal größer sich vorstellt, als die Worte ausdrücken,fondern weil bei der Massenhaftigkeit der Gesetze, Wenige sind, die sich alsobald zu orientiren wissen, ob Gefahr vorhanden sei oder nicht, ob man da ynetrappe chön un ycheg'sprengt werd oder nit. Ja es geschieht,daß man Rechisgelehrte frägt, wie sich die Sache verhalte, und ob da was zu fürchten sei, sie einem antworten: cha d'rs g'wüß nit säge, es ist mügli, es ist mügli nit, wenn ih zG'satz by m'r hät, su wett ih nache luege. Lacht nit etwa Leute und denkt, das sei ein schöner Rechtsgelehrter, daß der erst nacheluege müß, ehe er einem rathen koönne, wenns ume ufs Luege abchöm, su chönne me das ja selber. Ja, liebe Leute,das könnt ihr eben nicht, sonst probirt es. Nehmt ihr ein Gesetzbuch zur Hand, so steht zSach in einem andern, und habt ihr endlich das andere und meint auch den einschlagenden Artikel gekrogen zu haben, so heißt's entweder, der passe nicht daher, sondern sei besfüglich auf was ander's, oder aber der F sei aufgehoben und eine Verordnung von dem und dem verordne ganz das Gegentheil; oder aber, das Gesetz sei wohl da, aber das Gericht habe einstweilen, bis ein besser Gesetz, d. h.eines nach seinem Sinne da sei, das Gegentheil zur Praxis angenommen und beziehe einen 8aus einem [] 273 ganz andern Gesetz hieher und lege ihn einstweilen ihren Beschlüssen zu Grunde. Darum lache man nicht,wenn ein Rechtsgelehrter einem von Nächeluege sagt,es ist einer schon ein donzer Kerl, wenn er das Nacheluege gut versteht. Aber begreiflich so an einer Steigerung findet man nicht immer Rechtsgelehrte, und sind sie da, so haben sie vielleicht nicht 8 nachezluege.Zudem gibts Leute, die sich lieber den Kopf abhauen ließen, ehe sie einen Rechtsgelehrten um Rath fragen.Der Tüfel syg e Schelm, sagen die, wenn me üme mit eym red, so heyg me si viellycht scho v'rfehlt, syg ychetrappet, heyg d'r Lätsch am Hals u müß viellycht as Erworge gläube. Doch wir wollen den Gang der Angelegenheiten, das Bangen und Verlangen der Steigerer, ihr Abrathen und was ihnen gerathen wurde,nicht weiter verfolgen, wir könnten es auch nicht, da wir nicht unters Hütli gesehen, unter welchem die Trümpfe gespielt wurden. Wir wollen bloß anführen,daß der Besitzer des Gültbriefes ein klein unscheinbar Kudermannli, wir glauben, er trug noch Spitzhosen, die Liegetschaft an die Hand nahm um die Schatzung.Und zwar ausdrücklich bloß aus Erbarmen, wie er sagte, damit den Kindern noch was bleibe, ke sündige Mönsch sonst hätt das chöne drum gäh. Da war der Punkt, wo Eisi mit seinen Erwartungen auf den Boden stieß. Es wollte seinen geordneten Beistand oder Vogt bewegen, daß er biete und als Weibergut die Liegetschaft zur Hand nehme. Das wollte der nicht,dazu sei er nicht authorisirt, sagte er, da könne die Gemeinde nicht eintreten, da müsse Geld sein, und die Gemeinde habe keins. Und we me vor em Geldstag nit heyg möge g'fahre, wie well me nam Geldstag g'fahre,wo's ja usg'sech ime Hus, wie uf eme ne Acker, we d'Heuschrecke drüber cho syge, u dGmein heyg ke Geld für gah z'zeyse, un d'Witiwe z'letsch no läh zv'rgeldstage, chönt er e neue o nit aständig sy. U hör ume chäre, sagte er, us der Sach gits nüt. Mir a, wenn öpper anger d'r dazu v'rhelfe will, su isch's mir recht,aber gut wär's doch, du wüͤßtisch afe, wod yche schlüfe [276]wettisch, vo wege, du chast vo eym Tag zum angere müße z'Hus rume. Ih wüßt d'r es Stübli, da chöntisch yche, emel einist, u de chönt me de öppe luege,was mäche. Aber wohl, der Vogt war froh zu schweigen, wie unhöflich Eisi ihm kam, wollen wir nicht anführen. Eisi hatte immer im Verdacht gelebt, entweder Bruder oder Schwager spitzten auf das Haus, ließen es daher so weit kommen, um es um den halben Preis zu kriegen. Sellig Gnürzine u halblynig Stopfine, was frügen die einer Schwester nach, sagte es, wenn die d'r eigene Mutter d'Kutte stehle chönte, daß es ne nit uschäm, si thät es sy Seel u wartete nit bis morn, si thät es no hüt. Wie aber die Weiber sind und der Wind bei ihnen sich wendet, ohne daß sie es merken,so nahm es jetzt beiden schrecklich übel, daß sie nicht bieten wollten, die Liegentschaft zum wahren Werth treiben. So sei ja z'leßt nicht einmal das Akkomodement mehr möglich, mit welchem man ihm fo ein süßes Maul gemacht, u wes ihns schon schwer Geld gekostet, wes es ume wieder het, es wett de zeige, wele Weg es gah sött.
Der Schwager hätte gerne die Sache sich angeeignet, aber um den halben Preis, um Schadens einzukommen, Eisi hätte er wenig nachgefragt. Aber höher zu fahren und etwas aufs Spiel zu setzen, dazu waren feine Umstände nicht und auch sein Kredit nicht, er hatte deren nie viel gehabt und das Schicksal des Bruders hatte ihm noch den Rest genommen. Er konnte also Eisi nicht helfen, nicht einmal trösten that er es,sondern sagte ihm bloß brav wüst. Es und der Gerichtschreiber seien alleine schuld, daß er sein Geld verliere; aber warte die ume, wenn no e Tüfel syg, su werde si neh erfahre.
Eisi's Bruder hatte ebensowenig Lust d'Finger yche z'ha. Er war anwesend, und wenn ihm was wohlfeil zur Hand kam, so schnappte er darnach, und freute sich dessen; wenn er einen guten Schick machen konnte,so fragte er allerdings weder Bruder noch Schwester was nach. Als Eisi mit dem Ansinnen kam, daß er [277]bieten, kaufen solle, da fuüͤhrte er es ganz trocken ab.Er hätte ke Lust, sagte er. Früher, wo es ihms ag'muthet, er möchts für ihn, heyg er ihms scho g'seit,er well nüt d'rvo. U jetzt wüßt er nicht, warum er sött g'änderet ha, un öpper angere d'wege ga drufbiete. Als Eisi ihm vorstellte, mit der Fäͤust auf den Tisch schlagend, daß es doch seine Schwester sei, und obs ihm dann gleich sei, daß es samint de Kinge uf d'Gasse chöm, so sagte er, he, was eym bestimmt syg,dem chön me nit ertrünne, zwo Schwestere syge durs Loch, die dritte werd o nache müße, un wes fo sy föll, was er dran mache soött für's z'ändere? Er müß zu syne Kinge luege, u de syg es jetzt ame ne angere Ort daheim, u dert thüys nehs sauft o zu neh Fluüege. Dem sagte nun Eisi wieder wüst, der aber sagte: red ume, dyner Wort mache keni Löcher, nit emal Plätze ab. Hättisch du g'luegt zur Sach, wo d'r se no g'ha heyt, su bruchtisch jetz nit se vor ume welle yrede. Aber hör ume, das Chär hilft d'r nüt, u häb di gly einist still, su het me o Ruh vor d'r, süst setzt me di de, daß de de weißt, daß de di söllist still ha.Eisi machte ein Gesicht wie eine Tigerkatze, ehe sie auf ein Reh springt, sprang aber dießmal nicht, sondern faßte sich und schlich sih ans Kudermannli mit den kurzen Hosen, redete höflich mit dem und meinte, für sich werde er das doch nicht begehren, er hätte ja Häuser mehr als er brauchen könne. Wenn er g'sichert sei für seine Sache, so werd es ihm gleich sein, wer's hätte. Natürlich, sagte das Mannli, allweg, es isch m'r z'wider, u wed G'mein m'r a d'Hang geyt, un o öppe es Woörtli vo de Zeyse redt, su ist's m'r recht.Gang u red mit em Vogt, los was dä seyt. Mit dem Löhl, sagte es, könne man nicht vernünftig reden, es wisse nicht, was der für e Gring heyg. Aber es duech ihns, er sött g ihns chöne cho, z'Sach syg doch geng da, es trag se emel nit ufem Rügge furt. Du hesi recht, du hest recht, Fraueli, sagte das Mannli, sägs am G'richtschryber, wenn dä a di cho will, m'r ischis recht. Eist ward fast gerüͤhrt und sagte: He nu, dank[278]eigist, frömd Lüt hey mängisch meh V'rstang u meines besser as die, wo's am nächsten agah sött. Eist in Hitze marschirte alsobald auf, den Gerichtschreiber los und sagte: er soll d'r Kürzligebur dür thu, un ihs schrybeas Käufer, es heyg grad jetz mit ihm g'redt,un er syg si deße z'friede. Der Gerichtschreiber, der schrieb, stellte sich das erste Mal, als höre er es nicht,dann sagte er, als Eisi zum zweiten Mal wohl laut redete und hinzusetzte, d'r heyts doch v'rstange, oder muß ih noh lüter? „Oeppis dumms e so, scll de die ganz Tennete uf mym Buggel tröschet sy?“ Dann faßte er sich und setzte lauter hinzu: „Ja mir ist z'Sach recht,aber wo hescht d'r Käufer, ihm ist's zug'schlage worde,und er muß selbst kommen und es erklären, daß er sein Bott abtrete und an dich kommen wolle.“ Er werd ihm nit traue, sagte Eist, er werds a syne Bire abnäh, aber dem sei bald abg'hulfe, daä syg de no z'ha u chön ihms de selber säge. Eist schoß fort. „Dä hagels Fuchs“,sagte der Gerichtschreiber.
Eisi schoß wie eine brennende Rakete zwischen den Leuten durch, aber dä hagels Fuchs war nicht da, war nicht dort. Grad vori het er mit m'r g'redt, sagte Einer und ging in den Gang, aber ob zStege ab oder uf e Estrig, ha nih mih nit geachtet, aber a eitwedere Ort isch er g'wüß, g'wüß. Eist schoß nach, hinauf,hinab, hier war er, dort war er, dorthin ging er, dort war er nicht mehr, gäb wie Eisi des ume schoß, er war nirgends mehr zu finden. Wes e ewige Jud gäb,sagte Eist, so sygs dä donnstig, däã wells nimme suche,viellycht heyg dä qe d'r Tüfel g'no u dert wells ihm nit nache, es well angere der Weg nit verlaufe, es 'sech jetz wohl, es syg ey Schelm wie d'r angere.hel machte es bei diesem Ausspruch doch noch eine Ausnahme und die war sein Rechtsfreund. Zu dem schickte es und ließ ihm sagen, er solle doch recht noch kommen, es wolle ihm warten hinterm Ofenhäusli, es müß mit ihm reden. Es war böse über ihn gewesen,daß er sich heute nicht gezeigt, aber was will man,wenn Ast um Ast läßt, so greift man doch nach Aesten,[]
279 so lange man noch solche sieht. Bald kam der Bescheid,er sei nicht daheim, Niemand wisse wohin und wann er wiederkommen. „Das wird doch öppe nicht sein, sagte Eisi, oder wenn's ist, so ist das doch der schlechtest Spitzbub von allen. Aufreise u sugge, u wenn er si zeige sött u fürstah u säge wie z'Sach isch, su isch er nit daheim. Su söll er v'rreist sy, das wär m'r d'r Tüfel, aber selber luege wird z'best sy.“ Es machte sich auf nach ihm, es war finster und zur Vorsicht band es noch einen dichten Lumpen um den Kopf wie man es sonst nie sah. Als es bei der Speisewirthschaft vorbei kam, konnte es der Versuchung nicht widerstehen,in die hellerleuchteten Fenster zu gücken. Dort waren sonst dichte rothe Umhänge, welche des Nachts gezogen wurden, entweder damit die Polizei nicht merke, was drinnen vorgehe, oder damit das Publikum die Polizei nicht merke, welche drinnen es sich behaglich macht,eins von beiden, aber welches von beiden, wissen wir nicht, das mögen Polizei und Publikum mit einander ausmachen. Hinter den Fenstern waren noch viele Leute und mitten unter ihnen der verreiste Rechtsfreund. Man berichtete viel, lachte stark, offenbar hatte man was Lustiges vor und neben dem Rechtsfreund stand Babi,die Speisewirthin, und stützte die Hand auf dessen Achsel.Da war es Eisti als breche in seinem Herzen ein feuerspeiender Berg plötzlich auf, glühende Lava ströme herauf; erst meinte es ersticken zu müssen, dann schwoll in unnennbarer Gluth der Kopf ihm auf, als ob er bersten wolle, öffnen einen neuen Schlund, damit die Gluth ins Freie ströne. In den Tagen seiner Herrlichkeit hätte Eist ohne Besinnen mit einem Faustschlag das Fenster zertrüummert, oder wäre zur Thüre eingefahren, wie eine Ländersau in einen Bohnenplätz, hätte den Rechtsfreund beim Kabis gefaßt und Babi, die Speisewirthin, unter den Ofen geschlagen. Aber es ist kurios, wie das Couragi des Menschen ein Fundament haben muß. Fehlt das Fundament, so ist kein Couragi da, und wenn man es mit der Laterne suchte. Aber auch mit dem Fundament ist man wunderlig z'weg,[280]bald ist's da, bald ist's nicht da, bald ist's rund und bald viereckicht, bald tief im Boden, bald hoch vorauf,daß man riskirt, die Nase am Himmel oben einzustüpfen. Und das ist z'kuriosist, daß man nicht merkt,daß es zum Gugger ist, bis man es brauchen will.Dann ist man oft v'rflümeret uübel z'weg, akkurat wie ein Wächter, der geschlafen hatte, erwacht, Schelme sieht in der Nähe, ruft: werda! nach dem Spieß greift,mit dem er sonst die Schelme traktirt. Aber der Spieß ist weg, die Schelme ihm auf dem Leib, da ist's auch aus mit Wächtern, mit Couragi, mit allem, und der Wächter ist hell nichts mehr, von wegen weil er keinen Spieß mehr hat. Wir meinen nicht, daß Eisi der Muth ganz entfallen war, aber er war nicht mehr der alte rechtschaffene, er wackelte. Es war nicht mehr in unbestrittener Herrschaft, man hatte ihm heute zu viel aus dem Haufe getragen, es werweisete wie Napoleon in der berühmten Schlacht vor Moskau, als derselbe den Pfnüsel hatte. Endlich hob es den Fuß, es wußte nicht, ob zum Klopfen an der Thüre, um den Freund hinauszukriegen, oder zum feindseligen Einbruch in die Holdseligkeit drinnen. Da hing auf einmal etwas schwer an ihm, daß es fast einen Gir ausgelassen hätte vor Schrecken, in seinem Zorn waren seine Sinne stille gestanden. Da wimmerte es neben ihm: „o Muetti, o Muetti, chum doch d'r tusig Gottswille hey, ih ha so länge Zyti nah d'r, ha hüt nüt d'r choönne säge, üjetz sött ih nieder, u d'r nüt g'seit u nüt mit dir betet ha!Chum doch recht hey, enangere nah.“ „Gang afe, ih chum de nache, und warum laufst m'r nah“, schmähte Eisi.„Mutter, ih darf nit eleyni, sagte Anne Liseli, denn das war es, es het mih duecht, wo d'r nah bi, ih g'sey Neuere hinger d'r, u jetz g'seh nih dä ungereinist nüt meh.“ Da schrak Eisi noch einmal zusammen, es sah rasch um, sah aber Niemand; „es wird doch öppe, so Gott will, nicht Steffen sein“, dachte es. So komm, du Chäre, sagte es, hob rasch das Mädchen auf den Arm und schoß auf einem Umweg mit ihm zu seiner Hinterthüre hinein.[]
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Kinderwägeli.Wie Eisi diese Nacht verlebte, wissen wir nicht, aber am folgenden Tage sah man es weniger, und wenn man es sah, so mahnte es einen an eine stumme dunkle Wolke, von der man nicht wußte, habe sie im Sinne zu donnern, zu hageln, zu regnen, zu schneien, oder streiche sie nur so für ihre Kurzweil am Himmel herum.Uebrigens was versteigert wurde, betraf Eisi weniger.Der Bysluft ging heute minder räß, des Gerichtschreibers Füße mochten das draußen sein besser erleiden, die rechten Leute schienen da zu sein, daher gings hauptsächlich an den Keller und was in Tenn, Schopf und ums Haus herum war.
Der Keller in einem Wirthshause ist die geheimnißvolle, wunderbare Zauberhöhle, wo die Geister hausen,von denen man auch selten weiß, woher sie kommen und wohin sie zuletzt fahren, ob in Schweine oder sonst wohin. Wer an einem solchen Keller vorbeigeht, wird selten ermangeln, einen neugierigen Blick ihm zuzuwerfen. Wen äber der Wirth hinunterkommen heißt in seine geheime Zauberwerchstatt, der steigt mit einem Klupf ihm nach, hebt hoch die Beine auf, stellt satt sie wieder ab, stellt sich an der Thüre, steht endlich im Gewölbe still, feierlich istss ihm zu Muth, feierlich spricht er, und wenn er versuchen muß, was in den Fässern ist, so hebt er anders das Glas, trinkt anders,fhut alles feierlich. Es ist ihm, wenn er nur ganz wieder draußen wäre, und doch pressirt es ihm nicht,es ist ihm immer, als sollte er noch auf was besseres warten, als halte ihn Jemand. Und wenn er endlich muß, die Treppe wieder sieht, da spürt er die wunderliche Zaubergewalt, die Stufen sind alle um einen guten Fuß höher geworden, und viel, viel haben seine Beine gekurzet, gäb wie er sie hebt, seine Schritte sind immer zu kurz, an allen Tritten stößt er sich und stolpert. Und wenn er endlich oben ist, mit dem Kopf [282] voran, hui, wie er da luegen möchte und doch nicht recht kann, wie das glitzert und flimmert, es ist als hätte der liebe Gott die Welt ganz neu angestrichen,die alte Sonne neu angeblasen, daß noch einmal so hell sie scheint. Er glaube, er sei verhext, sagt er, und es wird sein, macht er doch Aeugelein, so kleine wunderliche, und kömmt er ja da direkt aus einer Zauberküche. Was da unten für Hexenwerk getrieben wird.Wenn die Welt es wüßte, sie würde nicht mehr glauben, es gebe keine Hexenmeister mehr, da ist die alte schwarze Kunst noch in voller Blüthe, wo eine Sache verwandelt wird in eine andere, weißer Wein in rothen z. B., wo aus Nichts Neuenburger gemacht wird, ja wo mancher Wirth die wunderbare Kunst täglich übt,guten Wein in schlechten zu verwandeln, Alchimie treibt,Gold in D verwandelt, gute Geister zu bösen macht.Doch empören sich zuweilen die Geister gegen den Meister, dann gehen sie jämmerlich mit ihm um in der Hexenküche. Das hat jener Wirth erfahren, als er vor einem großen Schießet Wein machte. Wie manchen Tag lag der im Bette, wie brannte es ihn am Leibe,und wie seelenangst war es ihm, die Geister brächten ihm sein Hexen aus.
Ein solcher Keller, doch nicht von den größten einer,stand sperangel weit offen, und ungeheißen konnte hinunter wer dä wollte. Und doch gingen nicht alle hinunter, Weiber blieben oben stehn. Eine sagte, sie dürfe nicht hinunter, sie förcht dKrote grusam und dWirthe,säg me, heyge dere geng i de Kellere. „Oeppis dumms e sagte eine andere, warum wette die Krote im Keller ha?“ „Mih het m'r g'seit, si bruche se für e Wy z'lütere. Wenn er trüb werd, su thüye site Krot oder zwo is Faß, de werd er wieder schön luter.“ „Schwyg doch, du Uflath, sagte die andere. Pfi Tüfel, du chöntisch eym d'r Wy für syr Lebtig erleide, aber selb wird notti nit sy.“ „Wenn ih se ume nit muß g'seh, sagte die Erste, su macht's m'r nuüt. Abchust gäbs e keni u we me geng wüßt, was me esse muß, su möcht me zl'letzt gar nüt meh, u müßt Hungers sterbe.“ „Schwyg mör [233]jetz, sagte die Zweite, es krüselet m'r scho wege dym G'redt. Aber Wunger nähms mih doch de, ob de würklich dere Krote drin wäre, chum m'r wey gah gugge,ume unger Thüre, dert cha me de scho merke, ob derer Thirer drinne sy oder nit, un isch doch sicher, daß si eym nit uf dSSchuh gumpe.“ „Mih nimmts nüt Wunger,chum m'r wey e weni im Hus ume stürme un erlese,was no öppe da isch, im Keller ist notti nüt für ihs.“„Göhl, was d'bist, z'steigere nit, aber zv'rsuche; wer da niede isch, überchunt, vo wege m'r g'sehts nit glle a d'r Nasea, ob si biete wey oder nit. Oeppe e Theile wohl.“„Jä so, wenn selb isch, su chume ih o, aber ume z'vorderist, antwortete die andere, wo me wohl g'seht,was me uf de Füße het.“ Unten waren wohl viele Leute, aber mit dem Bieten gings nicht stark. Man fchien der Sache gar nicht zu trauen, denn man fing immer wieder von vornen an zu versuchen. „Pfi Tüfel,was het dä für e Chust, sagte einer, dä steicht ja fry vor Gräueligi, däscha me ja nimme für Essig bruche.“„Gieb, lah luege“, sagte ein anderer, hing seine Nase übers Glas, schwenkte den Mund, trank endlich einen wackern Schluck nach, schüttelte sich, als ob ers Fieber hätte und sagte endlich: „ih glaube nit, daß das gräuelet kasbeleti.“ („Wird g'wüß vo nere todte Krot sy, sagte unter der Thüre eine zu der andern, es nähmt mih doch vorflümeret Wunger, was das für e Chust wär?“„Einel mih nit“, sagte die andere, schüttelte sich auch als ob sie das Fieber hätte, ging indessen auch einen Schritt näher.) „Warum nicht gar, sagte ein Dritter, der das Glas neu füllen ließ es isch e v'rfluchte G'stauch, aber das chunt vo rücheligem Schafuschlig, wo am Theri isch, es git nüt e wustere Chust as das, aber das weiß no menge Wirth nit, b'sungerbar vo de neue nit. Das sy m'r donnstigs Löhle, es isch mänge, er meint was er syg, u chaüft ech Biremost mit Chriesi gefärbt für Taveller, und wenn ihm d'r Weltsch agebti, d'Wytrübel wüchse by neh uf de Nußbäumeè, er glaubtis, my armi Thüri.“ „He, sagte einer, das ist einem neuen
[284]Wirthli zu verzeihen, aber daß ein alter Wirth nicht weiß, was das für e Chust isch, selb isch e Schang.“v„Weißts de öppe du?“ „Ja selb weiß ih, das isch abg'stangene Näftebacher, wo im Aargau niede gemacht wird, däschunt eym so wunderlig i d'Nase.“
Da das Niemand glauben wollte, so mußte man begreiflich wieder hingerfür mit dem Versuchen. Was die unter der Kellerthüre für lange, lange Hälse machten, um inne zu werden, wie abgestandener Näftebacher rieche. Sie vergaßen Füße und Kröten, rückten näher und näher, bis sie endlich auch zum Glück gelangten,das Glas zu erwischen. „Ja wäger, sagte die eine, abg'stangne Näftebacher wird das sy u nüt angers.“ „Hest du de scho Näftebacher g'ha,“ fragte die Zweite. „Nei,sagte die Erstere, aber mengist daycht ha nih, der abstange Räftebacher muß grad so sy, wie dä isch. V'rwr o.“ Das that die, trank sittig einen Schluck, „nei,aber au“, sagte sie, trank noch einen, „e b'sungerbari Chust isch das“, setzte noch einnial an, trank aus, sagte dann: „nei, abg'stangne Näftebacher traue ih nit, daß es syg. Tüfel, ih weiß was es sh wird, e abg'stangni Krot oder zwo werde im Fäßli sy, mi wird sev'rgesse ha drin!“ So werweisete man und handlich ging das Bieten nicht. Am besten war der Wein allerdings nicht,doch so schlecht als man ihn machte, war er auch nicht,abgestandener Näftenbacher war keiner da und abgestandene Kröten hatten auch in keinem Fasse sich gefünden.Da es aber im Deutschen umgekehrt ist wie im Weltschen, im Deutschen män geborne Milchmäuler hat, im Weltschen geborne Weinmäuler, im Weltschen jedes Kind einen Weinrichter vorstellen kann, rechtskundig in diesem Fach geboren wird, im Deutschen für rechtskundig genommen wird, wer Wein von Weintrübeln von Bätziwasser unterscheiden kann (überhaupt nimmt mans mit dem rechtskundig sövli spitz nit), so wirkte das Ausführen des Weines sehr hemmend auf das Bieten. Wo das Wissen aufhört, fängt das Glauben an, und sehr denkwürdig ist, daß zumeist die, welche am meisten über den Glauben schimpfen, durch und durch und in den [] 283 gemeinsten Dingen nur im Glauben leben, eben weil sie gar nichts wissen. Dieser Glaube ist aber ein sehr beweglicher, weil er auf nichts Festem und Bleibendem ruht, sondern auf den Urtheilen der Majorität um ihn herum, auf der Tagesmeinung. Die Meisten, welche hier im Keller waren, gehörten zu diesen Gläubigen;die öffentliche Meinung, der Kellerglaube, ward durch einige Wissende bestimmt, welche das Verdammungsurtheil über die Weine aussprachen. Nun schauderte es die Gläubigen ordentlich darob, um keinen Preis hätten sie darauf geboten, aus Furcht, ihn zhalb ztheuer zu haben, und am Ende ihn nicht einmal brauchen zu lönnen. Es war ein lang Märten, daß doch endlich Jemand bieten möchte; endlich ließ sich der eine, der andere, nicht der Gläubigen, sondern der Wissenden,bewegen, ein Bot zu thun, so gleichsam nur d'r Gottswille/ vergaß aber nie hinzuzusetzen, „er isch viel zthür,viel zthür, ih weiß wohl, grad euch, Hr. G'richtschryber, zG'falle, daß d'r us dem Keller use chömet, süst thät ihs my Sex nit. Ih weiß emel nit, wie nih ne bruche will, ih mischle ne no mit gutem 40er Yvorner,u will de luege, ob ih ne für zübe Wy bruche cha,ih hätt im Sinn dä Summer Neuis lah zbaue. Aber die näh m'r ne nit, die Maurer u Zimmermanne werde neue o afe meisterlosig, de muß ihs mit de Aargauer Schiffzieher probire, ü sufe m'r ne die nit, su suft m'r ne ke Hung.“
So entschuldigte sich ein Wirth oder Weingraämpler nach dem andern, und einer nöthlicher als der andere.Da ging ein alter Bauer kopfschüttelnd aus dem Keller und brummte: „die cheu afe rede, as we si neh für nüt wette, weder für neh i nehs B'schüttloch zthue, fürs lah v'rlechne, u we d'Erndt chunt, su cheu m'r de,was si um 3 Batze oder 2 chaufe, chum für 5, un 6 Batze gah ume näh. Ih chenne die afe, ih weiß's.U jetz, wo z'Sach ume Pris z'ha wär, darf Niemere druf biete, mi laht die mache, as ob si alleini zRecht d'rzu hätte u de werde si dFaß o grad d'rzu welle, u o um nüt, ih chenne die Kunde.“[286]Um den Weinverkauf fümmerte sich Eisi nicht, da seine Hoffnung auf das Dableiben so mächtig erschüttert war, frug es Wein und Faß wenig nach. Erst als man aus dem Keller wieder herauf war und ein Kinderwägeli weg schriß, zeigte es sich. Es war ein schönes Wägeli, eigentlich ein Chaischen, hatte einige Dublonen gekostet. Es war mit dem Chaischen eigends zugegangen, Eisi hatte daheim in seiner väterlichen Einsamkeit von einem Kinderwägeli gar nichts gewußt.Erst hatte man die Kinder in einer Wiege liegen, auch in einem Korbe, wie es sich eben traf; sobald re die Beine regen konnten, setzte man sie auf den Boden hin, hier konnten sie sich tummeln, auf dem Bauche, auf dem Rücken, auf allen Vieren, soviel sie wollten, während dem Kochen nahm wohl die Mutter eins auf den Arm;wenn er grasete, so setzte der Vater zuweilen eins auf die Bähre und des Sonntags trug wohl eine Jungfer oder manchmal die Mutter das eine oder das andere ein wenig herum. Aber ein Wägeli appart für die Kinder zu haben, daran hatte keine Seele je gedacht.Nicht weit von der Gnepfi, im Heidenloch, wohnte rine Frau Doktorin, die hatte ein Kinderwägeli, und noch dazu ein angestrichenes, inwendig roth ünd auswendig himmelblau, und Kissen darin und gar mit Federn dran. Das erste Mal, als Eisi es sah, schlug es die Hände über dem Kopf zusammen, rief alle im Hause zusammen, sie sollten doch kommen und luegen,was das für es Fuhrwerk sei, a d'r Diechsle e Jümpfere u drinn es King. Solche Bedürfnisse begreifen sich jedoch schnell. Als Eisi ein Kind bekam, war es bereits zur Ueberzeugung gelangt, daß ein Kinderwägeli ein unentbehrlich Stück sei, aber einen solchen Karren wie d'Doktere, die Blättere, hätte, wollte es nicht, sondern gleich was rechts, was man einmal hätte, das hätte man. Steffen meinte, sie wollten eins machen lassen beim Wagner, er mach b'sungerbar brave Arbeit,und wenn man es ihm recht befehle, so werde er etwas hoffärtigs auch können. Aber Eisi hatte gehört,daß d'Doktere ihres aus der Stadt hätte, darum sagte [287] es, so eine Mistbänne möge es nicht, lieber gar nichts,es wolle seins auch aus der Stadt, und enangere nah un de wüßt er wohl, wie d'r Wagner e Lyri und e Dreyßi syg, we me e Sach nit b'stell by nihm, gäb me üf d'r Welt syg, su überchöm me se nit, gäb me g'storbe syg. Steffe hatte so weit nichts darwider, es war zu der Zeit, wo man die Geldstücki noch nicht aus den Ecken zusammenkratzen mußte.
Eist fuhr zur Stadt, wir wissen wirklich nicht, ob auf Bern oder Solothurn. Begreiflich war die Wirthin, wo es einstellte, ebenfalls seine Freundin. „Emel es Undeckts chauf nit, sagte die. G'heyt Neuis oben ache un ufs King, su schlahts d'rs ztodt, gäb es syg im Wägeli oder nit, hergege isch es deckt, su machts nüt, z'glyche isch's, wenn z'Wägeli umleert, ist's nit deckt, süung'heyt z'King use u cha de trole, es weiß ke Seel wie wyt, ebesomähr über es Port us, i ne teufe Grabe ache oder gar is Wasser; hergege wes deckt isch,su muß es warte, es mah welle oder nit welle. B'sungerbar chumlig aber isch's wegem Schatte u wege d'r Sunne, we die schynt, su chä me decke u für mache,de cha zKingte halbe Tag schlafe, d'Fleuge mache nüt,d'r Luft macht nüt, u z'Sunne erst nit, hergege hesch es undeckts, su leu d'r die Kingemeitschi, du weißt wie die Täsche afe sy, ame Ort zWägeli stah g d'r Sunne,v'rklappere si u mit eme schöne King sy si furtg'fahre,un e Möhr, e Uflath bringe si d'r hey, daß des längs Stück nümme aluege mast. Nei es v'rdeckts chauf, e paar Neuthaler meh chost's, aber es treyts meh as ab.Ih chume mit, ih ha neue ame Ort eys g'seh, es het m'r b'sungerbar wohlg'falle.“ Die beiden gingen nun mit einander und fanden das Chaisli. Es gefiel Eisi auch, die andern Wägeli, welche da waren, sah es gar nicht an. Es frug um den Preis. Der Sattler sagte es sei ihm leid, aber so eben sei eine vornehme Frau da gewesen, er glaube es sei die Frau Schultheißin gewesen, oder gar d'Frau von einem Gesandten, die habe es besehen und gesagt, sie werde Nachmittags mit dem Herr wieder kommen, so durfe er es nicht fort[288] geben, sie würden sonst denken, was er für einer sei.„Mein Geld wird doch wohl so gut sein als das Geld von so einer Frau, sei ich Schultheßi oder nit Schultheßi,“ meinte Eisi. Darwider hätte er nichts, sagte der Sattler, und ihr Geld wäre ihm lieb genug; aber Brauch seys, was im Handel liege, nicht weiter zu verkaufen, und sellig Herrschafte, von welchen doch eigentlich der Verdienst komme, mache man nicht muthwillig böse. Selb wär g'späßig, ob die alleine zu verdienen gäbten, seiner Gattig Leute brauchten auch Sachen und dann zahlten sie auch, er brauche keinen Conto zu schicken und 7 Jahr nach der Bezahlung zu laufen,das Geld hätte es auf der Hand. Kurz und gut das Wägeli g'fall ihm und es wells, er söll säge was es choste söll. Es sei ja noch die Frage, ob die Madame wieder komme, und komme sie, so könne er sagen, als er nicht daheim gewesen, hätte seine Frau es verkauft.Baar Geld und der Grund, daß die Madame doch vielleicht nicht wieder komme, denn er hätte es schon mehr äls einmal erlebt, daß eine Madame gesagt, sie wolle den Herrn schicken oder mitbringen, aber der Herr war nie erschienen, weder mit noch ohne Madame,leuchteten ihm ein, er that zwar nöthlich, machte aber doch endlich den Preis und zwar einen braven. Aber Eisi stieß sich nicht daran, kaufte und zahlte das Chaischen und brachte im Triumph es heim, mochte nicht warten, bis es dasselbe dem donnstigs Büntel, der Doktere, unter die Nase herumgezogen hatte.d'Schultheßi heygs welle, so heyg si no keys g'seh,heyg si Fein u z'erft heyg d'r Sattler schier nit welle,äber wohl, dem heygs es du g'seit, u du heyg er si du g'leyt u heyg er selber müße säge, es heyg so schöns Geld as z'Schultheßi u de bruch me de no nüt z'warte! Mi soötts nit glaube, aber doch sygs, a de fürnehmste Orte müß me mengist zechemal heusche,eh meh einist zahlt werd. So heyg er g'seit, d'r Sattler, u wes meh öppis mangli, su sölls ume cho,heyg er g'seit, sygs Tag oder Nacht, u was es well müß es ha; er wüß wen er z'ästimire heyg u wer ihm [] 289 lieb syg, heyg er g'seit. Aber es well usbiete, ob me es selligs Kingewägeli g'sehy z'Lang uf, z'Lang ab.Schmöcke chön dä donstigs Büntel d'Doktere jetz dra,bis si d'Nase voll g'nue heyg.
So hatte mit dem Chaischen Eisi sich gebrüstet.Das waren selige Tage gewesen, als es breit auf der Straße stund und der Magd, die mit dem Chaischen spazieren fuhr, nachsah und denken konnte, jetz werde si bi zDokters vorby fahre, jetz schmöck du Büntel, bis d'Nase voll hesch!
Jeßt stund das Chaischen auch vor dem Hause,aber wie? Es hatte das Sonntagskleid ausgezogen, es war vernachlässigt, verliederlicht worden, dem Uebrigen gleich, Niemand hatte es gebüͤrstet, Niemand gesalbet,Niemand geplätzet, und doch gefiel es den Weibern, vo wege dem Verdeck, b'sungerbar. Was das Komods sei,man glaub's nicht, sagten sie. Möglich auch, daß sie dachten, wenn sie jetzt ihre Kinder in kleinen Chaischen herumzögen, so sei das eine gute Vorbedeutung, daß dieselben spaäͤter in großen fahren könnten, es heiße ja im Sprüchwort, jung gewohnt, alt gethan. Die guten Weiber brauchen die Sprüchwörter zuweilen wie der Teufel die Bibel, es gibt zwei andere Sprüchwörter auch, an die dachten wahrscheinlich die guten Weiber nicht: jung ryte, alt z'guß laufe; jung Herre, alt Bettler! Es stand nicht die glänzendste Weiberschaar dabei, die wo krüschelten mit Fünfunddreyßigern, glitzerten wie Pfyfolter und rauschten wie ein Wasserfall, wenn sie ein Glied bewegten. Es waren Bäckerweiber, Lebküchlere,Gürtlere, Schuhmachere, Kappekrämere und Brodirere,welche ihre Augen darauf gerichtet hatten nund zu bieten begannen. Es drehte Eisi fast das Herz im Leibe um,daß dere Züg das Chaisli haben sollte, welches es der A da mach es nieders Tschudi d'Flangge u fähnli des ume wie e Narr, so chöms sy Seel nit gut, mih chöns.de g'seh. Wenn es no es King hätt, wo's bruche chönt, sy Seel wängti es d'r letzt Krüzer dra, gäb es es selligs Kingewägeli sellige halbbatzige Wohr i dHäng [290]ließ. Eine Lebküchlere war so glücklich das vornehme Ding zu erhalten, welches das Schicksal manches armen Pferdes theilte, das aus einem Staatsroß zu einem Kacheler erniedrigt wurde, zumeist deswegen, weil es nicht mehr auf soliden Beinen stand. Solide Beine sind eine Hauptsache und gut in alle Spiel, was nicht auf solchen Beinen steht, das geht z'Bode, und begreiflich, je auf höhern Beinen etwas steht, desto härter geyts auf die Nase, wenn's z'Bode geht. Daran dachte die gute Lebküchlere nicht, als sie freudevoll mit dem Chaischen dahin fuhr und in ihrem Herzen dachte:wie werden die doch luegen daheim, u wie wird zLandjägers Frau taubi werde? Mir a, werd si, es g'scheht ere recht, schmöck si jetz selber, das Laschi, was si angere geng möcht z'schmöcke gäh, wenn' me wett d'Nase zuche ha. Aber die ist no lang nit fürnehmer as anger Lüt, z'Conträri. Was doch o e selligi Frau sinne, sagte Eisi, es chöns nit bigryfe. Wenn es ume e Lebküchlere wär, es wurd si schäme bis i Bode ache, ume es Kingewägeli z'ha, v'rschwyge de es selligs, wo a re AVV cho. Aber d'Welt werd grusam schlechti, es syg afe nüt meh d'rby z'sy, u Wunger nähmts eym nit, wes scho bal us wär mit ere.
Wie Eisi an der Herrenstube hängt und wie Vabi, die Speisewirthin, darüber stolpert und die Treppe ab fällt.Da es allgemach Abend ward, dem Gerichtschreiber kalt um die Füße und die Honoratioren pressirten nach Haus, so ließ man sich zu guter Letzt noch ins Haus und machte sich an Eisi's Herrenstube, wo die schönsten Möbeln waren, das schönste Bett, gar es b'sungerbar es fürnehms Bett, die Betttücher eine halbe Elle länger als die andern Betttücher, nur eine halbe Elle zu kurz und längten noch zu beiden Seiten etwas [294] weniges vor ume. Auch forderte die Magd, wenn sie das Bett machen sollte, immer appart d'Lylache fürs Herrebett. Auch die Decke zeichnete sich rühmlichst aus,sie ging wirklich bis ganz zu unterst an die Bettstatt und kounle sogar auf der hinteren Seite was wenigs unter die Matratze gebracht werden, ohne daß die vordere Seite allzufehr beeinttächtigt wurde, was im Winler nicht unangenehm ist. Am Bett waren Umhänge,verflümeret schöne, besonders wenn im Sommer die Fliegen nicht zu handlich gewesen waren. Ein Nachtsͤschli war da, b'sungerbar es komods, es hatte vier Beine, von denen nur eins kürzer als die andern war,was ein sehr angenehm und kurzweiligs Gnappen gab,wenn man daran kam. Es war fast wie eine verständige Person, welche Laut gibt, sobald man sie berührt.Dann war ein viereckigt Guggeli in dem Nachttischli,wo das bekannte Geschirr Räum fand, und daneben noch fogar ein Paar Pantoffeln, heimelige Dinger, als neu' haue Eisi se getragen, fingen dann die Hinterstück zu fehlen an, so beizte es sie den Herren ins Nachtlischli. Die waren dann grusam froh, wenn sie dieselben fanden; erst jetzt seies ihnen so recht heimelig,man treffs niene so a, sagten sie dann. Z'oberist war dann gar noch ein Schublädli, wo sie die Sackuhr in Sicherdeit bringen konnten und noch den Geldseckel,was b'sungerbar komod sei, von wege, was in einem Schublädli sei, das wische man doch nicht so leicht ung'sinnet abe un a Bode, u wenn es Uhreglas broche syg, su sygs es unkomods Nachetrage. Dann kam gar noch ein Ruhbett, eine Komode, Portraits, b'sunerbar schöne. Wenn man sie recht betrachtet vor dem Schlafengehen, so waren sie im Stande, sie kamen einem voör im Traume. Von den Umhängen an den Fenstern, an welchen vor 10 Jahren dBettmacherin die heuesten Parifer Knöpfe angebrächt hatte, wollen wir nicht einmal reden. Ach, an diese Herrenstube knüpfte sich so manche schöne Erinnerung, an sie knüpfte sich am vollständigsten das Andenken an die untergegangene Herrlichkeit. Ach, als Eisi diese Herrenstube hatte, als [] 292 endlich die Bettmacherin den Knopf an den letzten Nähtlig machte, als Eisi mit dem Nachttischli kam und die Beitmacherin zu Rathe zog, wie man es am besten Yweg stelle, als diese nach sinnigem Bedenken ihren Rath abgegeben, als endlich alles fix und fertig war,als die ghern welche die innigsten Freundinnen geworden waren, das große Werk betrachteten, mit eingestützten Armen, da verstummte Eisi, die Herrlichkeit drückte ihm fast das Herz ab, mit der einen Hand wischte es die Augen aus, mit der andern fuhr es in den Kittelsack, wo damals Fünfunddreyßiger genug waren. Bekanntlich verstummt eine Bettmacherin nicht so leicht, nur in höchst seltenen Fällen kann ihr so was ariviren. Darum sprach diese nach einigen Augenblicken seliger Anschauung: „Ja, ja, Fräu Wirthin, ihr könnt mir glauben oder nicht, aber eine solche Stube, ganz nach der neusten Mode, ist's z'Land auf z'Land ab nicht, geht wohin ihr wollt, eine solche findet ihr nicht.“ Eisi ertrug die Freude kaum, es stützte die eine Hand aufs Nächitischli, welches gestellt war wie die Bettmacherin angerathen, z'Schublädli vorne.„Aber ihr braucht mir nicht zu glauben, fuhr die Bettmacherin fort, lueget de, was d'Lüt säge, glaubet m'rs,Herrschafte werde cho, wyt her, wenn me weiß, wie me hie loschirt ist. zEsse ist bi wytem nimme dHauptsach, z'gZimmer sys, loschire ist d'Hauptsache. Die fürnehmste Reisete, wo de Krämere nachfahre, werde welle by nech über Nacht sy und niene anders.“ Eisi ertrug die Fülle der Wonne kaum mehr, es ergriff ihns wie mit Himmelsgewalt. „Ja, ja, sagte es, z'Sach g'fallt mir, die Angere cheu jetz nache luege. Aber chömit, m'r wey eys gah näͤh vom Mehbessere, z'luege het m'r es ganz troches Mul g'macht.“ „E aber nei,Frau Wirthi, was denket d'r d, so zur Unzyt, u de no vom Mehbessere. Nei aber, denket o, ih müßt mih ja schäme bis i Bode abe, Frau Wirthi, wenns d'Lüt vrnehmte, daß ih eine g'no hät, u de no am Morge.“„Abah, sagte Eist, was gheye nech d'Lüt. U we“ d'r se förchtet, su machets wie angeri mal, machet, daß [] 293 süs nit v'rnehme.“ „Hi, hi, Frau Wirthi, was denket d'r, d'r vexiret, d'r syt e recht e Bösi, nei aber,mache wie anderi mal, daß si's nit v'rnehme, was d'r doch für e Bösi syt, es g'sechs ech Niemere a.“ Indessen trippelte sie doch glücklich hinter Eist drein, dem Mehbessere zu, und als sie die nicht eben helle Treppe hinunter gingen, schob sie ängstlich die Fußspitzen vorwärts, während sie vorsichtig das dünne Röckchen von Hinten in Sicherheit brachte. Ach und was für herrluiche Tage nun Eisi verlebte, als es eine Herrenstube hatte, als es ihm so recht ins Bewußtsein stieg, was das sagen wolle, eine Herrenstube, daß dadurch ihr Haus dem Inwendigen, dem Geiste nach erst jetzt zu einem rechten Gasthof geworden, als es mit innigster Burgerlust an dem Gedanken sich weiden konnte, was die Großgringe i de Städte, wo ihre Hüsleni Hotäll leue schelte, für e Täubi ha werde, wenn si v'rnaäͤhmte,si heyge jetz o ne Herrestube un e welligi. Es sei aber auch begreiflich, daß das se taub mach, es müßte nit Wirthe sy, vo wege das werde ne v'rflucht schade. Und unter welchem Bangen und Verlangen das gute Eist den ersten Herrn erwartete! Einem Mädchen, das auf den ersten Kilter hofft, kann es nicht zitterliger zu Muthe sein. Endlich kam er, schnaubend hielt das Roß vor dem Gasthof. Abend war's, eben recht spät zur Einkehr, zum übernachten. Unglücklicherweise war es kein galanter Weinwelisch, kein schmucker Frankfurter, es war ein kleiner hiesiger Basler, trocken wie DDDVD halbreifer Holzapfel. Eist kannte ihn, hatte ihm eben Kaffesäcke abgekauft, halb v'rgebe, wie es zu sagen pflegte. Eist hielt ihn darum für einen b'sunderbar guten Freund, sprang ihm entgegen, fing ihn auf, ehe er mit etwas g'stabeligen Beinen sich aus seiner Kalesche gewunden. „Syt Gottwilche, Herr Thürligyger,dir syt gar seltsam bi nihs, ha g'meint, dir heyget ihs ganz v'rgeße.“ „Gute nObig, Frau Wirthi, sagle Herr Thürligyger. Stallgnecht, hend m'r sorg zum Pferd,rybits ab.“ „Was foll ich ihm für Haber gäh“, fragte [294] der Stallknecht. „Ih kume de, u will bifehle.“ „Ihr weyt doch über Nacht blybe“, fragte Eisti mit bebendem Herzen. „Händ si m'r aune reinlig Bett?“ „Ihr werdets vernoh ha, mi wird echs b'richtet ha?“ „Wais nüt, ist ne d'r Ma g'storbe?“ „Vexirit nit, nei, d'r wüßets. G'seit wird me nechs ha, es redt ja alles d'rvo?“ „Waiß nit e Wörtli“, sagte Herr Thürligyger nach seiner kurzen Manier. „E aber nei, sagte Eisi,d'r vexiret. D'r werdets g'hört ha, daß m'r ihs jetz o recht yg'richtet hey für Herrschafte, und werdet ihs d'r Erst' well d'Ehr gönne.“ „So, händ d'r lah baue?Kai Wörtli hätt m'r e Mensch g'sait, es hätt m'r si grad so gäh, hit byneh z'blybe, z'Pferd ist mied und mir ist's au so kaibemäßig.“ „Ih will euch zSach ufe trage, sagte Eisi, weyt d'r grad o cho luege, wie nih ech loschire cha und ob zSach ech aständig syg?“ „Nur e gut Bett, sagte Herr Thürligyger, un e warm G'halt,so bin ih z'friede.“ Eisi ging voran und öffnete mit Anstand und Pathos die Thüre. „Weyt d'r yche spaziere, Herr Thürligyger“, hatte es gesagt. Der kam herangestopfet, streckte die Nase im Zimmer herum und sagte: „en artig Zimmerli“ und stürchelte neben Eifi durch, wieder hinaus. „Soll ich eure Sachen da abstellen, g'fallts euch?“ „En artig Zimmerli, aber zeige st m'r die andere au, ich will ihne scho sage, wo ih blaibe will.“ „V'rzieht, Herr Thürligyger, das ist se,d'Herrestube, wo. nih g'meint ha, wo m'r ganz neu hey lah mache, und wo d'Bettmachere a d'Umhäng nüt angers macht het as Pariser Knöpf.“ „So, das Zimmerli händ si loh yrichte, und wege dem macht si so ne kaibe Lärm. So ne Zimmerli findt me ja i d'r g'mainste Knaipe.“ Potz Himmelsapperment, wie stach Herr Thürligyger in ein Wespennest. Von dem Zeitpunkt an, verkaufte er auf der Gnepfi keine Kaffesäcke mehr und wenn er vorbei fuhr, sagte Eisi jedesmal,dä ist albetz o zuche cho, aber dem ha nihs v'rtriebe,so ne uv'rschamte gits öppe uf d'r Welt nit e Zweute,aber wohl dä het d'Nase jetz dert ume, wenn er dure fahrt. Das ist mir doch auch der dümmst Möff vo d'r
[298]Welt. Wo nih ihm d'Herrestube zeige, meint dä Möff,es sei en arti Zimmerli, ih söll ihm jetz die angere o zeige, er möcht uslese. Ja wolle uslese, e Sellige. Es duecht mih, dä hät nit sölle as Uslese sinne, wenn all Lüt uslese wette, dä hätt ke Frau übercho. U de wird dä Narr g'meint ha, sellig Herrestube heyg me zDotzete u wär e sellige froh, wenn er all Monet einist i ere sellige Stube chönt übernacht sy. Ja taube het mi dä Thürligyger g'macht, aber dem ha nihs du htribe, sell Abe het er alles abräntet müße freße, u nache ha nih ihm ke Bohne meh abg'no un hät er se v'rgebe gäh,keni hät ih g'no, u wenn er hundertmal wär cho chäre,e sellige Löhi hät ih nit emal meh ag'luegt. Da sind aber dann andere gekommen, die haben die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen und konnten sich nicht genug verwundern, ein solches Zimmer anzutreffen.Ihrer Lebtag, haben sie gesagt, hätten sie nie geglaubt,daß man solche Zimmer auf dem Lande finden würde,vo wege i de größte Hotälls, i de Städte hätt me se nit. Da koönnte man hundert Stung hie ume und hundert Stung dert ume, so truf mes niene a. Un ih ha nehs müße glaube, vo wege si sy du all uf d'r glyche Red cho, ume dä Löhl het si welle groß mache ü d'r Schyn ha, wie er si g'wahnet syg. So redete Eisi lange von seiner Herrenstube und hatte große Freude nicht nur daran, sondern auch darin. Dahin zog man sich gar oft zurück, wenn man ein vertraut Wort mit einem Gummi reden wollte, da war so oft ein heimelig Parteili gemacht worden, von dem nicht alle Leute wissen sollten, da hatte es so oft gehört, wie keine Wirthin sei, wie es, das Land auf, das Land ab, und wie es schoöͤne Arme hätte, Auge wie nes Spyri u Zähng, däß es eym duech, wes müß sy, daß me sött g'freße werde, su sött es die mache, vo wege die chönte eym nit weh thue, so wyß u glatt u lieblig guggete die füre, grad wie jungi lustigi Meitscheni us eme, ne Mayegarte. Man denke, wie wohl das Alles Eist machte, wie tausend Erinnerungen sich knüpften an all diese Dinge, daß auch ihre Herrlichkeit vergangen, der [296]Glanz dahin war, das Nachttischli auf drei Beinen hoppete, nur noch ein Pantoffel vorhanden war mit einem großen Loch an der Sohle. Und jetzt sollte all das Theure fort, mit all Erinnerungen die daran klebten, die gleichsam als Fliegenflecken denselben einpunktirt waren. Waren aber nicht die Herren alle, die darin logirt waren, auch fortgezogen, ließ keiner mehr sich blicken, und war's nicht recht, daß all das Geräthe ihnen nachwandelte mit all dem Fliegengepunkte, ihnen unerwartet wieder vor Augen auftäuche, unerwartet an fremden Orten, wie einzelne Stunden auftauchen nach Verlauf von Jahren, Stunden die man längst vergessen, die unbeachtet dem Gewissen eingeäzt waren in kleinen Punkten, welche Punkte plotzlich durch unsichtbare Kraft aufflammen, Brandmalen gleich, Fäckeln,welche der Teufel anbrennt, wenn er einer Seele in die Hölle zünden will. Jetzt, als gesteigert werden sollte, waren ein Dutzend Hände, die betasteten, kritisirten, wenigstens ein halbes Dutzend Nasen, die sich rümpften, so streng sie mochten, während die Augen die Lüsternheit nach diesem, nach jenem, nicht bergen konnten. Es waren zumeist Wirthinen, die ihre neuen Gasthöfe, Speisekneipen, Pintenlöcher elegant herrichten und was für die Herren z'weg richten wollten, wenn auch nicht ein ganzes und förmlich Herrenzimmer, doch wenigstens ein Nachttischli, etwas von Pantoffeln, vielleicht ein Ruhbett, oder gar eine Kommode mit drei Schubladen, von denen eine nicht aufging, die andere nicht zu, die dritte halb offen unbeweglich saß. Unter ihnen bewegte sich mit vielen Geberden die Spei sewirthin. Sie hatte die Spiegelangst überwunden und wollte jetzt auch mit hinter die Herrenstube, deren Herrlichkeit, von Hörensagen bloß mit ihr bekannt, sie längst bitter beneidet hatte. Da sie jetzt die Herren hatte, so war es für sie eine Art von Pflicht, ihnen ihre alte Stube nachzuzügeln. Jede rühmte, wie sie mit vornehmen Uebernächtlern geplagt sei, mit Herrschaften,dem Tüfel ebe und nur fürchte, was da fei, sei ihnen nicht vornehm genug. Anfangs wollte das Eisi wieder [297] sehr schwer werden, aber wieder fast wie beim Spiegel und doch nicht ganz, überwand die Bosheit den Zorn.Es regte sich in ihm das Hoffen, wenn die donstigs Täsche nur alle von der Sache kaufen würden und damit das Unglück ins Haus trügen, über nichts kommen würden wie es, alle es erfahren müßten, wie es einem gehe. Wenn man den andern wünsche, was man selbsten hatte, so werde das wohl keine Sünde sein, dachte es. Und wie die Herren luegen werden,wenn auf einmal hier, dort, ihnen unter die Nase stehe,was sie hier gesehen. Wunger nähmts ihns doch, was sie dabei dächten und ob das Gewissen sich nicht rühre bei ihnen und des Nachts ihnen vorkäme, wie schlecht sie es ihm gemacht, wie lieb und werth es gewesen zu einer Zeit, und wie sie es jetzt verließen, wo es doch Freunde am nöthigsten hätte. Aber so sygs, so lan me z'gäh heyg, syg me lieb u werth, u we me an öppis möcht, su chenn eym niemere meh, u niene sött me meh sy. He nu so de, so wüunsch es, daß es de angere o so gang, si wüße de o, wie's eym syg. So ten zu und wenn eine der Wirthinnen etwas zugeschlagen kriegte, so lächelte es. So recht, grad das schickt sich für dich, das wird öppe schön stah i dym Loch,grad wie e Suntighut uf eme Besestiel oder e Hochzytrock are Säumelchtere. Das verwand es nicht, wenn die Leute immerzu boten und dazu so streng sie mochten, die Sache ausführten und nicht satt werden konnten zu werweisen, ob die Sache nicht zu schlecht sei für sie und ihre Herren. Ganz besonders erbitterte ihns das Aufblasen der Speisewirthin, die gräßlich renomirte, daß man hätte glauben sollen, das Hotel des Berges in Genf sei eine verlassene Waldbruderhütte gegen ihre Wirthschaft.
Sie mühte sich sehr ab um das Beit, nit daß sie nicht viel bessere hätte, aber ihre Herre heyge wunderlig Gringe u liebtes, so unger emene G'flauder z'ligge,wo me nit wüß, heyg me neuis uf ihm oder heyg me nüt. Als die Speifewirthin endlich die meisten ihrer [298]Wünsche erfüllt sah, von wegen so an einer Steigerung kann man viel zwängen, wenn man das Geld nicht schont, nahm sie einen Arm voll Sachen, Vollet,Hauptkissen u. s. w. und sagte: mit dem wolle sie afe gah u z'angere de lah reyche, mi söll er e doch e chly d'rzu luege, und drückte sich mühsam durch die Thüre und durch die Gänge. Plötzlich ertönte draußen ein gewaltig Gepolter, darauf ein jämmerlich Geschrei daß alles hochauffuhr und der Thüre zustürzte, bis an den Weibel, der kaltblütig meinte, sie sollten doch nicht Mühe haben, das werd das Erdbeben sein, von dem er gesagt, das gehe gleich vorbei, sie sollten nur ruhig sein und brav bieien Er predigte tauben Ohren, wenn was rumpelt, wenn was brüllet, wenn einer zur Thüre läuft, so geräth alles in Bewegung, namentlich Weiber,und alles läuft dem Orte zu, wo der Lärm herkömmt.Da kann ein Weibel lange predigen, besonders wenn das Geschrei immer wehlicher wird. Draußen war es dunkel, unten, von der Treppe her, ertönte das Geschrei. Die Leute drängten sich, wenig fehlte, es wäre gegangen wie ehemals, wenn die Russen eine Festung stürmten. Man redet ihnen nach, sie hätten sich nicht die Mühe genommen, Materie mitzunehmen, um die Gräben auszufüllen, sondern die Hintern hätten die Vordern gedrängt, in den Graben gestürzt, bis er zum ebenen Weg geworden, dann seien sie darüber weg der Festung zu. Wer noch lebendig gewesen, hätte nachher wieder auferstehen können. Wenn nicht ein handfester, dreizentneriger Käshändler den Fluß mit Macht gestaucht hätte, so wäre das Wesen drunten, das so jämmerlich schrie, kaum mehr auferstanden, der dreizentnerige Käshändler und was Alles noch nachgekommen, wäre doch wohl zu schwer gewesen Babi, der Speisewirthin, denn die fand man unten, als man mit Bedacht die Sache untersuchte. Unten lag sie, wie der Held auf seinem Schilde, auf Vollet und Hauptkissen,und schrie dazu grad use wie eine dreizentnerige, welche der Metzger am Messer hat. Als man sich um sie bemühte, stöhnte sie: „leut mih sy, ih bi todt, todt, u [299] dBey sy abenangere u d'r Gring ist ab. Leut mih sy,d'r tusig Gottswille, leut mih sy, o myni Bey, myni Bey, wäre die ume nit abenangere, P'angere miech no nüt.“ So wimmerte sie, so weberte sie, daß die Leute sie fast nicht anfassen durften, von einer Bähre sprachen, von der Matratze, die noch droben sei, aber die Stege war so gepfropft voll, daß Niemand hinauf konnte, sie zu holen. Endlich faßte der Käshändler einen Entschluß und sagte, da liegen bleiben, könne sie nicht, etwas müsse gehen, u wyt sygs nit bis hey.Somit griff er der Quasi-Todten unter die Arme, gäb wie Babi schrie, hob es auf und sagte: es foll probire z'stah, aber Vabi sank alsobald unter wehlichem Geschrei zusammen. Su cha me das angers mache, sagte ruhig der Käshändler, und wollte es auf seine Arme nehmen wie ein klein Kind. Wer aber erst mit den gebrochenen Beinen munter zappelte, wie ein Kälblein,bem man die Beine binden will, dann ab den Armen huschte wie Ketzer, und auf den Beinen bolzgradauf stund, das war Babi, die Speisewirthin. Sie lasse sich nicht da fortschleifen wie ein Unvernünftigs, sagte sie, sie hätte das Recht dazubleiben, so lange sie wolle,und so gut als die andern, und bleiben wolle sie, bis der Landjäger die donstigs More g'no heyg, wo seye zStege abg'schosse heyg u das syg Niemere angers as die v'rlumpeti Her, die heyg se welle töde un ere e Schutz gäh zStäge ab, daß si ache g'fahre syg wie us ere Kanunne, mit em Gring vorah, daß si d'r Hals abenangere g'macht heyg u nit ume einist, sondern zwure. So heulte Babi unten an der Stäge, bis endlich der Gerichtschreiber sich durcharbeitete um den Handel in Augenschein zu nehmen und allfällig das Nöthige vorzukehren. Ehe er den Augenschein eingenommen,war seine Ueberzeugung schon gemacht und sein Vorsatz fest, die Gelegenheit nicht vorbei zu lassen, Eisi zu zeigen, was es auf sich habe, eine Standesperson, wie er eine war, zu beleidigen. Er begehrte mörderlich auf und frug, ob man dann da in einer Mörderhöhle sei?Er schrie nach Eist, nach der Verbrecherin. Nach lan[300]gem Schreien und Suchen erschien die endlich oben an der Stege und frug, was me mit ere well. Sie solle nicht meinen, daß sie ihre Grobheit und ihren Zorn ungestraft an Unschuldigen auslassen könne, man werd es ihr zeigen was das könne und gut müsse sie sein für allen Schaden. „Was für Schade?“ frug Eisi trotzig.„Ih wett no frage, antwortete der Gerichtschreiber proßig Sit wenn ist's Manier, daß me d'Lüt zStege abschießtẽ „Was, soll ih Neuer zSiäge abg'schoße ha, redt das Neuer ?“ „Ja, das habt ihr, sagie der Gerichtschreiber,da die arme Frau habt ihr die Stege herabgestoßen, sie ist schwer verwundet, vielleicht auf den TodrWes ist, so g'schehts er e recht, was het die Taäsche da zu thue g'ha, aber wer's redt, ih heyg se ache g'schoße,dä lügts wie ne d Schelm, syg er, wer er well.“„Also heyt d'r gehört, lüge ih wie ne Schelm, b'sinnet ech dra“, sagte der Gerichtschteiber. „Vermahnit ume,sagte Eisi, ich will ech de säge, was ich g'seit ha, dit syt de no lang geng z'dumm für mih yche zsprenge.“„Also die Frau hateuch die Stege abgeworfen, Frau Speisewirthin, ihr habt sie gesehen“, sragte der Gerichtschreiber ableukend? „Ja, die grad, die het mit abeg'schoße. G'seh han se nit, si isch hinger dry cho,aber g'spürt han se, daß es die isch u ke angeri.“ Da lachten einige und Eist batsch drauf und sagkte: „Heyt d'r's g'hört, u sinnit o dra, was die g'seit het u daß ey Sturm isch wie d'r angere, d'r G'richtschryber us Babi.“ Somit stieg Eist gravitätisch die Stufen wieder hinauf, welche es im Zorn hinuntergekommen war,neben dem Weibel vorbei, weicher mu Licht hinunter kam, da es oben wegen Mangel an Leuten nichts zu steigern war. Er weul cho zündte u d'r Schade suche,un ne dä a so warm schätze, mi breychs am besie,wahret me ne no g'sech, sagte er, hinger dry, wenn et de scho g'heylet syg, müß mes de bloß ang'fähr mache u de gäbs gern zdispidire, sagte der Weibel, trat herzu und zündete um Babi, die Speisewirthin, herum.Babi stund da mit verpläreten Augen, fast als ob es geschwollen wäre im Gesicht, aber der Gring war nicht [501]ab, der Hals grad auf, auf den Beinen stund es, Blut sah man keins, und erst als der Weibel sagte, er finde nichts für z'schatzige, es sei denn me hau's uf un lueg ob's innefer fehl, aber am Brülle a duech es neh, es sött no alles am rechte Ort sy, Babi böse ward und selbst suchen half, fand es sich, daß einige brave Plätze an beiden Händen, welche es unter den Bettstücken gehabt, die es vor sich her getragen und auf die es mit dem übrigen Körper gefallen war, ab waren. „He nu,sagte der Gerichtschreiber, das ist geng gut g'nue füre v'rfluchte Gunte.“ Ja, ja, sagte der Weibel, er heyg scho klyner Plätze g'seh, si syge tusig Pfung werth gsi.Es chöm d'rby geng bloß uf zwo klyn Sache a, daß me wüß, wem me d'r Gunte adressire chön, daß er neh a näh müß, u de daß er Geld heyg für neh z'zahle.Leider, für Babi nämlich, fand die rechte Adresse sich nicht. Die Speisewirthin hätte später gerne gesagt, sie geholfen hätte. Eisi behauptete steif und fest, die Speisewirthin sei betrunken gewesen und über ihre eigenen Beine gefallen, wer in der Stube gewesen, solle sagen,ob sie nicht gethan wie ein Narr, daß alle Leute gesagt, sie sei voll. Die Neutralen sagten, wahrscheinlich sei's, daß sie in der Dunkelheit die Treppe nicht gesehen, besonders da sie Bettstücke vor sich hergetragen und mit dem Hause nicht wohl bekannt gewesen, was übrigens ohne diese Umstände den nüchternsten Menschen begegnen könne. Viele wollten Eisi noch in der Stube gesehen haben, als das Gebrüll losging, Niemand aber aussagen, daß er Eisi die Speisewirthin hatte stoßen sehen, und viele meinten, am besten sei's, man lasse zSach ligge, wie si ligg. Eist heyg sy Theil u we diesere o neuis uf dNase worde syg, su sygs er e recht g'scheh, da syg ume schad, was nebe dure gang. Ob das Babi's eigener Mann auch gefunden, vielleicht gar gedacht, wenn si d'r Hals zwüre broche hätt, su hätt er si nit z'todt pläret, wissen wir nicht. Bloß haben wir gehört, daß er schlechten Trost für seine Frau hatte. „Wärist daheim blybe, hatte er ihr gesagt,[302] ih ha d'r's no g'wehrt; es angers Mal weißt de, ob de furt gheye sotsch, we de daheime all Häng voll zthue hesch. U wed no einisch so laufst u si schieße di wieder dStege ab, su chum m'r nit cho pläre, sust legge d'r o no uf, bis es mih duecht, es sött für einist güt sy. Ih ha d'r's scho mängist g'seyt, du lahst nit nah,bis es d'r geyt wie diesere. Du bisch d'r giych Narr,weder daß ih de öppe nit viel erwybet ha.“ „EUflath bisch, weisch, un e wüstere Hung gits nit, weisch,sagte Babi, und hatte Muth gehabt ihm hinter die Augen. Glücklicherweise hatte es nicht Zeit dazu, hungerige Gäste brachten eine glückliche Unterbrechung in die beginnende eheliche Schlächt.
Wie die Nachzügler sich glücklich machen und Eisi den Schweis austreiben.Die Hauptsache war versteigert und wie es Eist war beim Zusehen, wie ein Stück nach dem andern dahingetragen wurde und verschwand, kann man sich vorstellen. Doch die Pürzlete der Speisewirthin, an welcher Eisi wirklich nicht unschuldig war, hatte es erfrischt, es brachte eine gute Nacht zu. Als es hell erwachte, dachte es nicht, daß der dritte Tag der peinlichste werden sollte. Das Werthvollste war fort und mit diesem verschwanden auch die glänzenden Ersteigerer und Ersteigerinnen; aber wenn die Geier weiier fliegen, so stellen sich die Würmer ein. In bitterem Zorne hatte es die gesehen, welchen es früher gleich stand, oder über die Meisten sich erhaben glaubte, welche ihns jetzt nicht mehr kannten, oder höchstens im Vorbeigehen mit einem verächtlichen Gruße es beehrten.Heute waren diese alle nicht mehr da, sie waren verschwunden wie die Störche verschwinden, alle den gleichen Abend und Eist athmete frei auf, es meinte, jetzt sei die Sache vorbei. Aber Eisi kannte die Sache nicht,Erfahrung alleine bringt hier Wissenschaft. Schon die Tage vorher hatte man Weiber herumstehen sehen in [3053]dünnen Kleidern, die Hände unter den Scheuben, mit gierigen Augen, aber sie stunden meist im äußern Ringe,nur hier und da schlichen sie sich näher, beguckten, detasteten einzelne Stücke mit verwunderten Mienen, aber DDDDüber ihre Finanzen. Heute kamen sie auch, einzeln erst, gleich schüchternen Krähen auf einem späten Kornacker. Wie von diesen Krähen bald eine, bald die andere wegfliegt, wenn sie sich sicher sieht, einige Trompetenstöße durch die Lüfte schickt, dann bald mit vielen wiederkömmt, bis von allen Seiten es schwarz daher kommt, es Krähen zu schneien scheint, so auch hier.Wie die dünnen mageren Weibchen davon beinelten,dann wieder kamen, mit der Mutter, mit ihren Eltern,mit einer Tochter, mit einer Nachbarsfrau, das hätte man an selben Tage sehen können. Die guten Weibchen hätten von den Herrlichkeiten auch gerne was gehabt, aber die glänzenden Weiber, die theuern Stücke waren ihnen im Wege, aber darob wuchs ihr Durst nach denselben, und je länger je mehr kam es ihnen vor, als ob man alles verschenke ums halbe Geld. Heute waren die hoffärtigen Weiber verschwunden und zu versteigern stunden Dinge da, ach herrliche, prächtige, d. h. ganz ihren Kräften und Wünschen angemessene: Gespaltene Kacheli mit schönen Blumen, Kaffekannen, welche ehedem dreibeinig gewesen waren, in des Lebens Schlacht aber einige Beine verloren hatten,ungestielete Pfänni, sonst noch ganz schöne, Potträli,wo den einen das Glas fehlte, andern der Rahmen,andern wo beides hatten, leider aber das Kunststück darin nicht mehr war, Spiegel, kleine, schöne, an denen gar nichts fehlte als das Quecksilber hinter dem Glase, Werkzeuge, treffliche aller Art, B'fchüttbücki,herrliche, denen nichts als der Boden fehlte, dreizinkige Gabeln, an denen nicht mehr als drei Zinken fehlten,eine prächtige Kaffemühle, welcher leider der Hals abgedreht und verloren gegangen war, Heurechen, an welchen nur das Haupt fehlte, dann Lein- und Bettzeug aller Art, im schönsten Zustande, mit und ohne
[304]Löcher, mit und ohne Federn, g'saumet und ung'saumet, kurz es waren da Herrlichkeiten, die nicht zu beschreiben sind, alle dem Finanzzustande des Publikums angemessen. Es war also kein Wundet, daß das Gedränge groß war, wie es ja auch bei den 6 Kreuzer Krämern groß ist, das Gedränge,von sechskreuzerigem Publikum. Je geringer ein Gegenstand im Preise steht,desto größer wird die Zahl der Zahlungsfähigen, der Konkurrenten, wie bekanntlich die Kühheimetli nicht viel theuerer sind als die großen Höfe, weil es viel mehr Leute gibt welche 100 Kronen zweg bringen, als solche, welche 100,000 Pfund besitzen. Und wie das fluthete und strönte, Haus auf, Haus ab, durch alle Stuben und wie das steigerte! Wer gibt mehr als drei Kreuzer um den Blasbalg, ganz gut noch, wenn man die Löcher verschoppet. Tiefe Stille. Der Blasbalg geht von Hand zu Hand, Augen beginnen zu glänzen, die Herzen schlagen lauter, die Erkenntniß dammert immer klarer: ach, wer so einen Blasbalg hätte, könnte zMaul sparen! Ach, und wer weiß, ob nicht auch irgend eine bereits bestandene Seele seufzte:ach, mir fehlie schon lange was. ich wußte nicht was,ach, ist's ächt e Blasbalg. ach, wenn ihs g'wüß wüßt,5z Krüzer reute mih nit. Endlich kommt aus tiefem Hintergrund bebend der Ruf: 4, wes si muß. Vier Krüzer sy bote, ruft der Weibel, wer git meh als 4 Krüzer, vier zum Ersten, zum Zweiten, zum vier zum Da sprengte die Sehnsucht den Riegel; 5, kam es noch viel lebender aus der Ecke, wo die bestandene Seele weilte. 5 zum Dritten, tönte laut des Weibels weitschallende Stnme; ach, und sie hatte ihn den Blasbalg, sie legte ihn auf den Arm, sie ging mit ihm füßen Hoffens voll. Schele Blicke folgten ihr ünd manch höses Wort ward von den Lippen nur halb verdrückt.Eine Tellerkrätze ruft der Weibel, ganz wie neu, wenn man neue Stangeli hineinmacht, wer gibt mehr als b Kreuzer. Ach, wer doch eine Tellerkrätze hätte, denkt eine junge Frau, welche zwei Teller hatte und gestern eins davon zerbrochen. Sie hofft, wenn man so eine [] 308 Kräze hätte, so sei brechen nicht mehr möglich. Eine andere denkt, es werde nicht gesagt sein, daß das eine Tellerkräze bleiben müsse, wenn man sie schon so ausrufe, wenn man es recht fürnähm, so könnte man vielleicht eine Hühnerkrätze daraus machen. Eine dritte hat noch andere Gedanken und PBieten geht wieder an, wird grusam hitzig und um 3 ganze Kreüzer wird die Tellerkrätze, die nur noch in einer Ecke zusammenhängt, hinaufgetrieben und um 9 Kreuzer versteigert,und glücklich geht die Besitzerin von dannen, werweisend, ob sie die Tellerkrätze in einer Hühnerkrätze umschaffen, oder Tellerkrätze wolle bleiben lassen, oder ob es nicht möglich wäre, sie einzurichten, daß man sie für beides brauchen könnte, abwechselnd. So ging's scharf her und immer hitziger, denn der Gerichtschreiber pressirte, die kreuzerige Einnahme machte ihm Langeweile. Er wollte ganze Grümpelhaufen en gros verkaufen, aber potz, das duldete das Publikum ihm nicht,es ließ sich nicht in seinen Rechten verkürzen. Der Weibel wollte nachhelfen mit pressiren, aber jemehr er pressirte, desto hitziger ward das Publikum, desto mehr Leute schien seine Hitze herbeizuziehen, es war als ob es nie mehr gut zu steigern wäre, als gerade heute, ja,als ob man sichere Nachricht hätte, daß vor dem jüngsten Tage keine Steigerung mehr statt haben werde.Unter den Händen dieser Menge verschwand der Grümpel, wie Schnee schwindet in der Sonne, wie Gras schwindet und Kraut, wo die Heuschrecken sich niedergelassen. Als der Grümpel zu dünnen begann, wards dem Publikum Angst, es zerstreute sich dürchs Haus,wie Ameisen sondiren, wo was für sie sei, wie sie in Tiralleurs sich auflöäsen um zu suchen, und in Haufen sich concentriren, wenn sie gefunden. Denn es raubte das Publikum nicht, sackte nicht ein, es war da um zu steigern, suchte Gegenstaäͤnde um zu ersteigern, riß alles Mobiliar zusammen, ramisirte zusammen in der der Küche, alte Pfannenstiele, alte Besen, halb verbrannte G'hüderschaufeln, Ofenzieher, Steinkraten ohne Handhebe, die Nägel aus den Wänden, ge Fenster
[2]306 stängli, kurz alles was nicht niet- und nagelfest war.Sie schossen auf Eisi's bereits ersteigerte Sachen, rissen sie von neuem in die Steigerung, mit größter Mühe sonnle es eine feiner schönen Taffen retten, die ein hoffärtig Meitschi bereits in Ausruf gebracht hatte. Sie rissen die Riegeln aus den Schäften, die Böcke unter den Tischen weg, sie hanthierten wie die Ameisen in Indien, welche, einmal in ein Haus gebrochen, es nicht derlassen, so lange noch etwas zu beißen und zu fressen darin ist, so lange noch ein Span Holz zum Zernagen ist, so iange noch ein Geräthe vorhanden ist, das nicht aus Stein gemacht ist.
Endlich / als es Abend geworden war, da verrann die Menge, verschwanden Schreiber und Weibel, öd und leer war das Haus, drinnen waren bloß noch Eisi mit feinen Kindern, mit zwei Betten, zwei Stabellen,einem Tischlein, seinem schönen Geschirr und wenig anderm, erst aus Verblendung, dann aus Trotz, hatte es ums Nothwendigste sich nicht bekümmert. Da war es nun alleine mit seinen Kindern. Auch der, Vogt hatte, da er nichts Vernünftiges mit ihm reden konnte,es verlassen. In angestammler Kaltblütigkeit hatte er gedacht, die müsse man mürben lassen, wenn die nichts mehr zu essen hätte und nicht wüßte, wo hinein, so komme die schon zum Kehrumthürli, und werd dann selbst kommen und es sagen, jetzt helf rede nüt. Die Kinder weinten und wimmerten, wollten von der MutHunger, fragten, wo sie jetzt schlafen sollten, so viel jhrer und nur zwei Betten!
Es war ein trostloser Anblick, die unglückliche Familie im ausgeweideten Hause, jammernd die Kinder,mit starrem Blick die Mutter, und wer hinter dem Blick die freveln Gedanken. hätte lesen können, der wäre erschrocken.
[307]Alte Leute haben altväterische Gedanken,die jungen Leuten wohl kommen.Wie es doch so wunderbar geht. Während an einem Orte Wildbes sich regt in einer Seele, steigt weit ab davon mildes, weiches Sinnen auf, Gottes Liebe bereitet in einer frommen Seele den Balsam, der eine kranke, wilde Seele heilen soll oder heilen möchte.
In dunkler aber freundlicher Stube spann eine alte Frau Kuder mit emsiger Hand. Sonst hatte sie weichen seidenen Flachs gesponnen, aber als ihr Gesicht schwach geworden, ließ sie den Flachs, er war ihr viel zu lieb, um ihn schlecht zu spinnen. Jetzt spann sie Kuder, hatte auch diesen nun lieb gewonnen und ging mit ihm um mit mütterlicher Sorgfalt und Zärtlichkeit.Am Tisch ihr gegenüber hatte ein alter Mann gelesen in einem großen Buche, das vor ihm noch offen auf dem Tische lag, jetzt nahm er die Brille ab, lehnte sich an die Wand und sagte nach einigem Sinnen: „Los Mutter, hätt d'r Neuis z'säge, möcht lose, was du d'rzu siegisch.“ „Was hesch, Aetti, s sagte die Alte freundlich und setzte mit Spinnen ab. „Du weisch,ih bi Steffe uf d'r Gnepfi d'r Götti g'st, u bi Götti vo eym vo syne Kinge. Oeppe apparti wohl für mih isch er nie g'st, selb isch wahr. Wenn er Geld nöthig g'ha het, su wär, ih gut g'nne g'si, aber öppe es Wörtli zur Sach hätte ih de nie sölle säge, u ha nihs notti g'seit, su hey si's zürnt ammer, daß es es Elend g'si isch. U hät er welle lose, su wär viellycht mängs an FDün er hets müße büße, u jetz müße d'King no drunter lyde. Das cha mih plage, es duecht mih, das syg nit recht, u jetz chönt me viellycht helfe, u we me chönt,su wett ihs thue u alles angere v'rgesse ha. Es chunt eym o chumlig, we Gott eym v'rgit, u eym si wieder animmt, we me si wieder by nihm zuche laht. Viellycht cha me no jetz nüt mache, d'r Vogt het m'r g'seit,es syg es Elend, aber e Gring heyg die Frau, Nagel[308] u wie früsche Anke d'rgege, aber es war um s e z'thüe, un allweg bi nih geng d'r Götti.“„He ja, sagte das Mütterli, es het mih d duecht, aber emel einist ha nih nüt möge säge, ih ha nit g'wüßt,sinnisch no dra oder nit wie wüst si d'rs g'macht hey,u da ha di nit möge plage. Aber es isch m'r wie dir.Wofür hey m'r z'Sach? Mit näh cheu m'r se nit,King hey m'r keni, u was me bi Lebzyte thut, weiß me doch de o wie's ag'wengt isch, u für zv'rgrabe git Gott ja Niemere nüt. U we me neuis v'rheiße het,su wär's geng brav, we mes o hielt.“ „Ih ha däicht,sagte der Mann, du werdisch nüt d'rwider ha zhelfe.Aber es isch es angers, u das wird dir z'wider sy,wie mir. Si hey ke Bhusig, si hey aller Welt fast nüt,dFrau het kolderet bis z'letsch, wo's zspät g'si isch. U da weiß ih's fast nit angers z'mache, als se füre Ufethalt, bis me het chöne luege, si alli 'same z'näh u z'bringe. Platzg hey m'r u z'Esse.“ Die Alte faltete die Hände im Schooße, seufzte nicht, aber einen Seufzer sah man ihr an und sagte: „Machs, weds meinst.Cha d'r nüt d'rwider ha, z'esse hey m'r, u Platzg o.“„Ih ha wohl g'wüßt, daß de nüt d'rwider hesch, sagte der Alte, z'Herz für z'helfe, hescht, wie öppe nit bäld Eini. Aber es het di hert wie mih, daß es dä Weg muß g'hulfe sy, m'r weys e nangere bikenne. Ih haä däicht, es syg dir wie mir, drum hets mih hert g'häa,d'rvo azfah, will ih d'r Götti bi u v'rwandt u du di mynetwege lyde sottsch.“ „O Aetti, söttisch mih doch afe chenne, sövli lang, daß m'r afe binangere sy, bal füfzg Jahr.“ „Ebe deretwege, will ih weiß, daß nie Ney isch,we d'r Neuis amuthe, isch's m'r z'wider, vo Neuis z'rede, wo ih wohl weiß, daß es di hert het wie mih.M'r hey keni King, sy gern rühyig, un hey gern allcs am glyche Ort, und öppe nit mengs Wort wird lüter Predt zJahr us un y as z'anger, un jetz die Frau u die King, wo d'Frau us em Hüssli isch ü d'King nůt vo Folge wüße unke Sach cheü lyde, wo grad uf isch,selb wird notti ih's schwer ha u fast meh weder g'nue v'rwerche gäh.“ „Ha nüt d'rwider, Aetti, sagte das []L
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Muetti, aber seu m'r ume thue, was m'r gern wey, u nit o was ihs hert het, üme das wo ring geyt u lustig u nit o das, wo ihs duecht, m't möge nit u wo m'r müße dar gäh, was m'r recht lieb hey uf d'r Welt? Deppe am Geld hange m'r nit, es paar Batze schüche m'r nit, u sövli viel koste wird es nit, aber 'a d'Ruh sy m'r g'wahnet, es rühyigs Lebe, a dem hange m'r meh as am Geld, das isch, was ihs öppe vo dr Welt am liebste isch, dir u mir, ih weiß das wohl.Aber seu m'r deretwege zrugstah, we Noth a Ma isch,u nit öppe bloß d'r Muthwille, da Neuis zmache, vo dem d'Lüt b'richte. Het üse Heiland nit o d'r Kelch ustrunke, we scho d'r Trank drinn bitter g'st isch, us neh hert g'ha het, u d'r Aberham het ja sys Sühnli o welle dar gäh, wes Gottes Wille g'st wär. M'r hey keni King, u weisch wie hert ihs das g'ha het mängisch, u jetz wo m'r Neuis a Kinge thue chönte, sötte m'r zful sy d'rzu, u gut ha ihs lieber sy, as Müy ha um Gotteswillen? Ja, ih weiß, es wird mih mängs dure u mängs dueche, es sött nit sy un es sött angers zmache sy, un es wird m'r mängisch bis i alle ant füre cho. Aber da cheu m'r de ja erfahre, ob m'r die rechte Liebi hey, die si nit laht v'rbittere u die nit das Ihre sucht. U wer weiß ob m'r nit cheu Neuis thue für dEuigkeit u nit ume öppe für e Lyb mit Spyß u Trank. U wär das mügli, denk Aetti, wie schön das wär, wes de muß g'storbe sy u lang geyt das doch nümme!“
„Du bisch geng zbessere u wirschs blybe“, sagte der Alte. „Schwyg m'r vo selligen, Aetii, sagte das Mutterli, selb ist nit, aber we me enangere hilft im Geistlige wie im Lyblige, su bringt me Neuis z'weg, u zSchwächere isch geng zguraschirtere, will es weiß, daß es si uf zstärchere v'rlah cha, will es erfahre het, was selb zv'rbringe im Stang isch. Es isch e Zyt gisi, ih ha m'r o nüt trauet u g'weberet, gäb wie liecht Neuis vor m'r g'si isch, aber du ha nih erfahre, daß wo du witt u hilfst, zsach geyt, drum ha nih gute Muth u will mih lyde. Was es de nützt, un ob ih's zSach [] 310 g'rathet, selb ist en angeri Sach, da geyts de, wie Gott will.“
„Los, wed wüßtisch, wie hert mih zSach achäm,du redtisch nit so, sagte der Aetti. U no vori, wo nih vo d'r Sach ag'fange ha, hets mih geng duecht, wed di ume wehrtisch u nei siegisch, su wär's m'r aghulfe.Ih hät doch de d'r Wille zeigt, chönt mih v'rantworte,u vbruchti doch zSach nit z'mache. Es isch m'r scho mängisch so gange, u du hest de grad ja g'seit, daß ih fry erschrocke bi. Ih weiß wohl, was das für e Stimm im m'r isch, wo dä Weg chunt, das isch der alt Adam, dä no geng si rührt, u du bisch's de, wo ihm ufs Mul trappet, daß er schwyge muß.“
„Jäslue, Aetti, sagte das Mutterli, ih ha a mir selber erfahre, wie hert es eym selber het, eh me Neuis guts füre bringt, was me da alles z'überwinge het, eh mes ume uf d'r Zunge het, u chunt de no Neuer u wehrt, u wotts nit thüe, jä su isch me mängisch selber froh, wied g'seit hesch, u mengisch meint me, mi müß schwyge, d'm liebe Friede z'iieb. U hundertmal ha nihs gehört, wie me g'seit het, ih hätt welle helfe, hätt's gern tha, aber d'r Ma het nit welle, d'gFrau het wüst iha, d'King heys nit welle thue. Jä dä Weg, we mes selber nit am liebste thuet, u de no Alli wehre, statt astrenge, was chas de da Guts gäh i d'r Welt? U da we du e gute Gidanke hesch, sött ih dä gah ztodtschlah? Da freuts mih, we du ne mit m'r theilst, we nih d'r darf helfe, ne zpflanze i d's Lebe, un ihm darf abwarte, da wird er de ja o halb myne u was er für Frucht treyt, darf ih mit d'r theile un üse Herrgott wird m'r o einist öppis d'rvo zu myne Schätze thue.“
„U fry viel, sagte der Aetti. So isch z'Lebe süß,wo eys dä Weg d'm angere hilft u keys d'm angere sy Schleiftrog isch, sy bös Geist, wo nüt dohle mah,was z'angere Gut fürebringt, wo's alli mal Stryt git,u wo me ZGute verstecke muß mit Angst und Zittere,wie die größte Suünde. Es isch mängi Frau, si meints viellycht nit bös, aber si het d'ir Geist, dem nüt recht isch, was öpper anger füre bringt, un ume was ihr [] 314 zSinn chunt isch recht un gut, u dere mah d'r Ma saäge, was er will, su g'het si si drüber u wott nüt d'rvo, da isch si nüt zu'rwungere, we nihm nit ume zGute v'rleidet, sondern zrede o. Ih ha mänge Kamrad g'ha, si sy all ungerm Herd, si sy anger Bursche g'si as ih, un ih ha denkt, das gäh rechte Manne, u nüt si sy worde, z'säme g'schrumpfet, wie e nOepfel,wo me ne uryf ab em Baum nimmt, u wer z3Sach chent het, het müße säge, d'Fraue heyge se so g'macht u ke Wachsthum im Gute lah uf cho.“
„Drum, Mütterli, hesch du doch geng a allem d'r besser Theil, hest's wie e Hebamme, wo d'rzu luegt,daß d'King am Lebe blybe u fürechöme. Su will ih morn früh fahre, gäb öppis ung'schickts geyt, u will se bringe i Gotts Name, de chame luege, wies geyt,u geyts bös, he nu, su cha me de öppis angers fürnäh. Wed Noth da isch, su wird d'r Rath o cho.“
Wenn so ein alter, frommer Götti was Frommes vor hat, so hat sein Leib keine Ruhe, höchstens liegt er ein wenig ab, höchstens schlunet er einige Minuten,aber schlafen kann er nicht. Er füttert das Roß, er trappet ums Haus, er sitzt im Stalle, er legt und zieht z'weg, was er braucht. Ebenso wenig hat sein Mutierli Ruhe, und wenn es sich auch zu Bette legt, so hört es doch die Uhr vierteln, hört des Aetti's Trappen vom fernsten Ecken her. Ehe man sich versieht,sprezelt das Feuer in der Küche; zum guten währschaften Frühstück nimmt das Mutterli sich gerne. Zeit, hurschet nicht so in der Geschwinde die Sachen hir, sondern macht alles wenigstens doppelt so gut als an andern Tagen. Wie es bei vielen Leuten geht, daß sie früh satteln und spät reiten, immer eine Stunde oder zwei später fortkommen als sie gewollt, geht es bei einem alten trauten Paare umgekehrt. Zumeist ist alles eine Stunde früher z'weg, als man es sich vorgenommen, so ein altes treues Paar weiß, es hat keine Zeit mehr zu verlieren, was es thun will, muß es bald thun, drum ist es auch in allen guten Dingen immer zweg vor der Zeit. Noch war der junge Tag nicht [512]am Himmel, als der alte Götti sein Wäͤgeli bestieg,fromm b'segnet von seinem Mutterli, das im Dachtraufe stand, so lange es das Rollen der Räder hören konnte.Der alte Götli liebte junge Rosse, und das machte seinem Mutterli oft Angst. Aber er hatte für junge Rosse eben die rechte Sanftmuth, welche zusammengesetzt ist aus Ernst und Milde, aus Liebe und Kraft.Sie tanzten wohl vor dem Wägeli her, stutzten zuweilen, aber scheuten nie, der Fuhrmann erschreckte sie nie,gab Mahnungen zu rechter Zeit und wenn Trotz oder Wildheit sich zeigen wollten, so zeigte sich eine Kraft,welche Meister über die Unart ward. Das wußte das Müiterli eigentlich wohl, aber wo findet sich ein rechtes Mutterli ohne Angst um den Aetti, und diese Angst wird inniger mit dem zunehmenden Fahren, denn waäs sollte das arme Mutterli auf Erden ohne den Aetti?
Wie ein altväterischer Götti aufgeklärt handelt.Dem dämmernden Morgen entgegen fuhr in stiller Morgenandacht der Götti. Dunkel 'sei es auf Erden ohne Sonne, dachte er, kein Licht häite die Erde, und ohne Licht sei kein Leben, vor dem Lichte sei das Chaos gewesen, ein grauses, wildes Gemische, ohne Ordnung,ohne Entfalten; mit dem dämmernden Lichte hätte das Söndern begonnen auf die rechte Stelle, ins rechte Maaß sei alles gekommen, das Gleichgewicht sei entstanden und in feste Bahn sei die Erde getreten, und auf dieser Bahn, halte der Zug der aufgegangenen Sonne sie fest, wie sehr ihr auch zu entfliehen strebten die Kräfte, die im Dunkel walten.
Dunkel aber sei es auch im Herzen der Menschen,dachte er, ohne eigenes Licht der Mensch, und ohne Licht kein geregeltes Leben in ihm, ein Chaos widerstrebender Kräfte, ein Streit der Elemente ein gegenseitig zerstören, kein Maaß, keine Ordnung, kein Gleichgewicht. Erst wenn es dämmere vom Himmei [513] her, komme Ordnung ins Gewühle, die Kraäfte treten an ihre Stelle, kämpften sich nicht gegenseitig nieder,vereinigten sich zu Entfaltung eines Lebens und es richte sehnsuchtsvoll das Auge nach oben sich, woher es dämmere, immer heller, harre in sehnsuchtsvollem Warten der Sonne, des Lebens, erschaue in ihr wie in einem Spiegel das Leben, zu dessen Wiederschein das eigene Leben werden solle, empfange von ihr Licht und Kraft zu diesem neuen Leben. Es werden die widerstrebenden Kräfte gebunden und in fester Bahn walle der Mensch durch dieses Pilgerleben, durch eine geheimnißvolle Kraft an die Sonne gefesselt. Er ging in seiner Andacht die drei Stufen wieder, über die er geschritten war, gedachte der Zeit, da es noch dunkel war in ihm,nur dunkel das Feuer sinnlicher Lust glühte im Streite mit Furcht, Eigennutz und Eitelkeit, wie dann die Dämmerung begonnen mit der Unterweisung, die Sonne aber erst ihm aufgegangen, als er mit einem treuen Mädchen die christliche Ehe begonnen und zugleich ein neues Leben in Klarheit und Wahrheit, das sich immer schöner gestaltete, als ein reuer Wiederschein des Lebens, das da alleine ein reines und unbeflecktes gewesen auf Erden, eine wahre Himmelsblume hier 'in der öden Zeit. So sann und dachte der Götti, und als die Sonne über die Berge stieg, zog er sein Käpplein ab und betete innig die Sonne an, welche ihm im Herzen aufgegangen war. Der Götti war ein schlichter Bauersmann, aber er las viel und dachte tief, er war des Abends daheim und lief auch am Sonntage nicht herum, er war kein aufgeklärter Halbschoppenmänn, der nichts denkt, nur räsonnirt, nichts liest, höchstens eine Zeitung, der nirgends sitzen kann als im Wirthshause und am Sonntage nirgends ein festes Bleiben hat,sondern unstät und flüchtig, fast wie Kain, herumitren muß, von einem Pintli ins andere, von einer Speifewirthschaft in die andere.
Als die Sonne hell über die Landschaft schien, da stieg des Götti's Sinn aus den lichten Höhen nieder,die Kleeäcker traten ihm ins Auge, die Haberfelder, die [37]weiten Kartoffelplätzen, prächtige Bäume und verwahrlosete; alles das säh er unwillkürlich, doch selten kam ein Gegenstand, an den er nicht einen höhern Gedanken knüpfte, aus dem ihm nicht ein ernst Urtheil zufloß. Wer solche Augen hat und solchen Sinn, der reifet schnell, fliegt auf seinen Gedanken, ist am Ziele,er weiß nicht wie.
So war auch unser Götti auf der Gnepfi, er wußte nicht wie. Oede wär's ums Haus, als er aufnhr;stille blieb es, wie ausgestorben, niemand zeigte sich, in den Ställen war nichts lebendiges, in der Gaststube Niemand, nicht einmal eine Fliege, die privilegirten Gäͤste einer Gaststube, die nichts bezahlen, sich nichts befehlen lassen und doch über Alles herfahren, rührte sich; in der Küche war kein Feuer, keine Maus höͤrte män chäfle hinter irgend einem verbotenen Schmaus.
Da ward es dem Göͤtti Angst, was das zu bedeuten hätte, alles offen und doch nirgends was lebendiges. Sind sie fort, oder was ist das, dachte er, und allerlei unheimliches fuhr ihm durch den Sinn.
Er schritt durchs Haus, öffnete eine Thüre nach der andern, keine war verschlossen, immer unheimlicher ward es ihm, er ging immer hastiger, und wenn er bei einer Thüre war, so öffnete er sie doch immer zagender. Endlich quoll ihm beim Oeffnen einer Thüre heiße Luft entgegen und als er zum Sehen kam, sah er zwei Betten voll Kinder und in die Fensterecke gelehnt Eisi schnarchend mit offenem Munde; neben ihm das Kööpflein auf dem Tische, das kleine Mädchen.
„Guten Tag gäb ech Gott allesame“, sagte der Götti bewegt. Da führen Kindsköpfe auf aus den XX starrten mit noch dunkeln Augen den Mann an; Eisi schnellte es ebenfalls zusammen, aber es war nicht recht bei sich, mußte erst fein Bewußtsein mühsam suchen,ehe es sich in Zeit und Lage finden konnte, den Götti,den es nicht viel gesehen, erkannte es erst nicht. „Was soll das sein, was heyt d'r welle, was da isch, isch alles mys“, sagte es. „Lue recht, Base, du chennst mi de, sagte der Goöͤtti. Ih bi da mit Roß u Wägeli, u [318]will ech cho reyche, ih ha Platzg u zEße u ha däycht,es syg d'r viellycht aständig, es Wyltschi rühig z'sy,bis di oppe b'sinnt hest, was de afah wellist, u sygist bas bi V'rwandte as bi frömde Lüte, du u dyni Kin allisame.“ „E Göttima syt dir's, sagte Eist, ha emel nit chent.“ Das sei sich nicht zu verwundern,sagte der Alte, sie hätten öppe einander nicht alle Tage gesehen, er hoffe sie lernten einander fürohin besser erkennen, denn wie gesagt, er sei da sie abzuholen.
Es hätte nicht im Sinne fort, sagte Eisi, ume todt bringe man es hier weg, hier wolle es leben und sterben. Es wäre anständiger für ihn gewesen, wenn er früher daran gesinnet, daß er der Götti sei, und wenn er ihm jetzt noch helfen wolle, he nu so de, su söll er mache, daß es hier Wirthin bleiben könne, es sei noch alles früh genug, wenn er ume e chly si zuche lah well.
Der gute Götti erschrak, als er diese Verblendung wahrnahm und zugleich die Noth, in welcher die Familie war. Was das für eine Auferstehung war, für ein Geschrei und Zank, eist nach Kleidern, dann nach Essen und Trinken, wie schmutzig alle aussahen, wie seltsam Eisi hoffärtig angethan, aber mit wirrem Haar und unsauber über und über. Es kam dem guten Mann schwer übers Herz, als er dieses sah, als er der Morgen gedachte, die solche Auferstehungen in sein stilles Hauswesen bringen würden.
Er sah, daß er in diesem Geschrei und bis die Kinder gespiesen und getränkt seien, zu keinem vernünftigen Worte kommen werde, sagte Eisi, es solle zMorgen machen, unterdessen wolle er das Roß versorgen.Befehlen gehe ring, sagte Eisi, aber z'Morge z'mäche mit Nichts, selb sei eine Kunst, dKing chönes ihm nicht kücheln. Es sei ihm leid, sagte der Götti, er hätte das nicht gewußt, es solle das ihm nicht für übel nehmen,dem Mangel werde wohl abjuhelfen sein, und gab ein ꝛ Münze, damit Eisi das Nöthige holen lassen önnte.
Draußen spannte der Götti seinen Kohli aus, führte [316] ihn in den Stall und konnte ihn anbinden, denn eine Halfter hatte er, wie gewöhnlich, bei sich, sowie auch den Haber, und beides kam ihm wohl, und doch hatte er nicht, was er mangelte. Kein Hälmchen Heu sah er, ja nicht einmal ein Schübeli Stroh fand er, die Krippe auszuwischen, da war eine Oede, wie er sie noch nie in einem Stalle gesehen hatte, keine Maus hätte den kleinsten Bissen mehr gefunden. Der Götti war ein Mann, der selten in Verlegenheit kam, der in seiner gelassenen Ruhe immer den besten Ausweg fand und allezeit das Gehörige vorzukehren wußte. Er nahm den Kohli an die Hand und ging mit ihm dem Nachbarhause zu und nicht der Speisewirthschaft, frug dort in seiner freundlich ernsten Weise um Herberge für seinen Kohli, welche ihm eben so freundlich bewilligt und alsobald der Kohli ihm abgenommen ward.Als er zurückging, den im Stall gelassenen Haber zu holen, fand er die ältesten Buben in der Krippe beschäftigt, Seigel aus dem Bahren zu brechen, dMutter hätte kein Holz zum feuern, sagten sie, sie hätten niene kes meh g'wüßt, da syge ne die Seigel zSinn cho, die syge dür u brönte schön. „Nit, nit, sagte der Götti,chömit d'r müßet Holz ha“, und ging kopfschüttelnd mit ihnen dem Nachbarshause zu. Diese kuraschirte Selbsthülfe gefiel ihm eben nicht sonderlich, doch dachte er, die wüße si zhelfe, we me dene Meister cha werde,su gits Neuis usne. Im Nachbarhause bat er um Holz mit dem Anerbieten es zu zahlen. „Späß das,fagte der Bauer, es wär si d'r werth wege es paar Schytere! Näht da e nyedere en Arfel.“ „Het dMutter Kaffe“, fragte die Bäurin, welche sonst Eisi haßte wie Gift, aber durch das eigenthümliche Wesen des Göttis bezwungen war und gerne auch etwas Gutes thun wollte. Es gibt nämlich Leute, in deren Gegenwart jeder alles Bösen sich schämt, das Beste herauskehrt,was er in sich hat, und unwillkürlich das Möglichste thut, um ihnen wohlgefällig zu sein. Es ist etwas Zauberisches in ihrem Wesen, aber eben dicht sind solche Leute nicht in der Welt.
[347]„d'Mutter het welle lah Pulver reyche, aber kes übercho, jetz sött si no röste, aber mir meu nit warte“,antwortete der ältere Knabe, „u für z'röste het si ke Pfanne“, meinte der jüngere. „Su chum, ih will d'er gäh“, sagte die Bäurin und brachte ihm in einem Papiersack eine brave Portion. Der Götti redete mit dem Bauer ein vertraut Wort, welches ihn ins Klare setzte.Der Bauer versprach, dem neuen Besitzer Bescheid zu machen, daß er sobald als möglich da sei, und als der Götti glaubte, das z'Morge könnte z'weg sein, wußte er vollkommen woran er war.
Eisi machte über dem Essen ein sauer, gespannt Gesicht, während der Goöͤtti mit den Kindern zu reden versuchte, aber eben nicht erfreuliche Antworten bekam,außer von dem kleinen Meyeli, das alsbald gar freundlich und zutäppisch gegen ihn ward.
Als die Kinder das Feld geräumt hatten, sagte er:„Los, Base, du chunst jetz mit m'r, ih däich du miechist süfeli zweg.“ Da begann Eisi das alte Lied, lebigs bring mes nit da weg, u we mes zwänge well,suschön me luege, was me mach, es well de a nüt zSchuld sy. Man sieht, Eifi hatte es mit der Welt akurat so, wie unsere Radikalen mit der Tagsatzung.Wenn diese der Tagsatzung das widersinnigste, bundes widrigste Zeug zumuthen mit schrecklichen Geberden und knakerenden Phrasen, und die Tagsatzung erkennt es nicht, schiebt es von der Hand, so erheben sie ein gräßlich Gebrüll über die Ohnmacht der Tagsatzung und machen sie verantwortlich in Zeit und Ewigkrit über das Unglück, welches aus ihrer Ohnmacht entstehen werde. Das ist eine neue Logik das, Jemand Ohnmacht vorwerfen, wenn er nicht nachgaggen will Alles was fremde Schlingel oder durch fremde Schlingel inspirirte Hohlköpfe vorsagen. Das ist eine Ünverschämtheit sondergleichen, Jemand verantwortlich machen für unglückliche Folgen, welche nicht aus einer gesehlichen,abschlägigen Aniwort entstehen, sondern aus dem bubenhaften Trotze, der an kein Gesetz sich kehrt, aus der verfluchten Lehre, daß in staatlichen Verhältnissen kein []Recht gelte. Eben so meinte es Eisi, was aber einem dummen Weibe so übel nicht zu nehmen ist als Professoren u der Gattig Züg. Darum fuhr es den Götti mit solch schwernöthigen Drohungen an. Der Götti aber erschrak nicht, wußte von volitischem Schlotter nichts, er sagte gelassen: „Nit, nit, Base, lue ih wott di nit erzürne, aber es v'rnünftigs Wort möcht ih mit d'r rede, du hest V'rstang, ih weißs, u wed m'r lose witt, su hest mih grad bigriffe, u wirst g'seh, daß ihs gut mit dir meine.“
Nun setzte er ihm auscinander, wie man ihns zum besten gehalten mit dem Akkomodiren, wie das beim Stand der Dinge unmöglich gewesen, man es nur habe ausbeuten wollen und zum Besten haben. Was es nun unter solchen Leuten, die es so mit ihm meinten, wolle,da komme es sein Lebtag nie auf einen grünen Zweig,alles red' ihm z'böst, alles sei auf ihm, d'Lüt dürften nicht einmal bei ihm einkehren, wenn sie schon wollten,und komme Jemand, so lache man ihn aus, und zum zweiten Mal sehe es ihn nicht mehr. So das Gespött von allen Leuten sein und alle Tage tiefer hineinkommen und z'letzt doch mit Schimpf und Schand fortmüssen, das werde es nicht wollen. Dann solle es denken, wie es ihm wäre auf die Länge in dem geplünderten Hause und wie ungern es es hätte, wenn es alle Augenblicke sagen müßte, das ha nih nimme,das ist no nit da, alies ungereinist cha me nit aschaffe.Vo wege bis me so i nes Wirthshus yche ume z'nöthigist heyg, chost's Geld, un es söll denke, wie ja allerwelts nichts mehr da sei, nicht einmal ein Schübeli Stroh, die Krippe auszuräumen. Das solle es aus dem Sinn schlagen und mit ihm kommen in allen Ehren, mit Roß und Wägeli sei er da, es brauche nicht zu zügeln, wie die Mäuse bei Nacht und Nebel,und seine Sachen wolle er selbst abholen, die Leute sollten sehen, daß es doch noch Jemanden sei, und Leute seien, die seiner sich annähmten. Bei ihm könnte es machen, was es wolle, bös haben solle es nicht.Er wolle nicht sagen, daß es immer da bleiben solle,[319]es könne mit Zeit und Weil etwas wieder anfangen,wenn es Lust dazu hätte. Aber Solches wolle überdacht sein, z'pressire hätte schon manchen ins Unglück gebracht. Das könnte es bei ihm in aller Ruhe, und wenn er sehe, daß es etwas Rechtes an der Hand hätte, dann wolle er ihm gerne helfen, warum nicht,dann könne es z'weg cho, wie noch nie, es sei noch iung und hätte doch viel erfahren, und wenn es das zNutze machen wolle, so sei es im Stande, allen denen Leuten, die jetzt seiner spotteten, als eine rechte Frau unter die Augen zu treten; es sei nur daran gelegen,wie es jetzt es anfange. Es hätte so oft Leuten gehorcht, die ihm übel, äber zu ihrem Vortheil gerathen,es solle doch jetzt auch einmal Jemand Gehör geben,der es gut mit ihm meine und appart seinen Vortheil nicht dabei hätte.
Eisi hatte manche Einrede gethan, hatte zu weinen begonnen, hatte zu sich selbst gesagt: z'beste wirds sy,ih gang, was wett ih dä Weg hie, äber warte si de ume, we nih wieder z'weg bi, dene will ihs de zeige,zweuspännig fahre ih de dene unger d'r Nase ume!Doch die letzte Bemerkung des Götti, daß es doch dene glauben solle, die appart nichts von ihrem Rathé hätfen, verdarb beinahe Alles wieder. Jä so, flüsterte der böse, in jedem Menschen wohnende Feind ihm zu, jäso, ist das däweg. Sie werde alt sy ü nüt ineh möge,u da werde m'r neh sölle gah zSach mache ohne Lohn um blaui Milch oder gar Kasmilch u gah bös ha, u si de no welle die gute Lütleni sy, wo ihs d'r Goits,wille hey, so wirds ssy. Warum syeg er sust, si wette ke Nutze vo nihs u v'rspruch si grad daä weg? Aber o hä, Eisit isch nit dumm, gah d'r Ofewüsch sy, so i nes alts Hüsli, nebe us, zu wunderlige Lütlene, selb de nadisch no nit, für selb bi nih de nadisch no listig gnue.So begann es wieder aufzubegehren und mit der dinen Hand zurückzunehmen, was es mit der andern gegeben hatte. Auf dem Lande zu arbeiten, sei es nicht mehr gewohnt, und sich dann jeden Bissen Brot vorhalten zu lassen, wäre ihm nicht anständig, an selbes könnte [320]AxI bruch me ihm nit säge; aber öppere zSchade, selb begehrs o nit z'y. Der Götti begriff gleich, daß er sich n'einem Wort verfehlt hätte, aber daß Abbitten bei mißtrauischen Leuten die Sache nur schlimmer mache,das wußteé er ebenfalls. Es sei ihm leid, sagte der Götti, zwängen könne er es nicht, er sei nicht sein leiblicher Vater, aber Vater an ihm und seinen Kindern, so weit es ihm möglich gewesen, hätte er sein wollen.“ D'rnebe bruchte es wegen dem Arbeiten nicht Kummer zu haben. Er und sein Mütterli seien schon lange nicht mehr handlig mit der Arbeit, haätten Leute angestellt, die machten die Sache. Und wegen Brot sei das so, er hätte, was sie gegessen fremden Leuten nie vorgehalten, und bei den Verwandten wolle er jetzt keinen neuen Brauch anfangen. D'rnebe wie g'seit,wie es well, aber düecht häts neh, es chäm mit, ume für einstwyle, bis es neuis bessers wüß, d'rnebe heyg es de geng d'Wehli z'gah, welle Tag es well. Diese Redweise drehte Eisi's Sinn wieder, doch ehe es zur enischeidenden Antwort kam, stöffelete an seinem Stecken der neue Besitzer herbei und sagte: er heyg welle cho luege was es gebe, er heyg v'rno es syg Neuere da.Der arme Stöffeler kam zu unglücklicher Stunde,denn wahrscheinlich hatte ihm sein Lebtag noch Niemand so wüft gesägt, als Eisi jetzt losbrach. Ein rechter Männ halte sein Wort, aber auf einen Schelmen solle sich Niemand verlassen, so begann es seine Rede.So eine zschäderende, bündige, hat noch nie ein franzöfischer Redner gehalten, vicl weniger ein franzosischer Affe, d. h. einer der nach französischen Mustern redet,wie z. B. Berner Schneider nach Pariser Mustern schneidern. Indessen das Mannli, wie schwächlich sein Korper schien, hatte doch eine zähe Seele, es erschrak nicht, so wenig als ein ächter Minister Louis Philipps erschrickt, die ganz andere Majestäten sind, als neurepüblikanische Majestäten, die auf ihren Sesseln erzittern, gäb wie leicht ein Fensterladen vom herrschenden Windé etwas hart zugeschlagen wird. Er ließ Eisi eine [321]Weile zschädern, dann sagte er: Er habe fragen wollen, wann es ihm anständig sei das Haus zu räumen,jetzt aber befehle er ihm alsobald sich fort zu machen.Wenn es morgen um diese Zeit noch darin sei, so wolle er ihm unsauber hinaushelfen. Er solle machen was er könne, antwortete Eisi, ein solch Kudermannli fürchte es noch lange nicht, er solle gleich jetzt probiren wenn er dörf, er brauche ja nicht zu warten bis Morgen. Schon früher hatte der Götti einfallen wollen,da er aber nicht schreien wollte, was in solchen Fällen nicht sonderlich besänftigend wirkt, so war er nicht dazu gekommen, jetzt sagte er: „Es braucht sich da keine Gewalt und bis morgen brauchts allerdinge nicht zu warten. Ich bin eben da mit Roß und Wägeli, um sie abzuholen, nur ihre Sachen kann ich nicht gleich mitnehmen, und hätte dich fragen wollen, ob wir sie hier lassen könnten bis morgen 'oder übermorgen. Da die Sach aber so ist, so kann ich sie da ins Nachbarhaus hinüberschaffen, sie werden nichts darwider haben. gern ysäme, selb notti nit.“ Für selb solle er öppe“ nit Chummer ha, öppe so syg me de notti hie nit, u daß die Stürme mit ihm furt well, heyg er nit g'wüßt, u so wüst z'säge bruch de e selligi ihm nit; er hält de meh über seye ziklage, weder sisßüber ihn. „Su säg de du, du kuderigs Mannli du, säg de was hesch z'tlage du .“ „Nit, nit, sagte der Götti, zangge wey mör nit. Aber duecht häts mih, öppe brav's wärs gsi, we nit alles uf der Frau gsi wär, uf ere Wittwe, u se hät bigehrt hingers Liecht z'führe, se füre Narre z'ha,u d'rnebe ere abzstehle, bis si ume e letzte Chrützer isch,selb hät mih duecht, wär öppe nit ungattlich gsi, gege so nes arms v'rlaßes Wybervolch.“
„He los, sagte das Mannli, wed m'r lose wettisch u du hättisch mir die rechti Gattig d'rzu, su wett ih d'r säge, wie zöach wär. Füre Narre ha nih se nie g'ha, aber für e Narre isch si g'ha worde, selb isch wahr. Aber het Neuer ere das welle säge, un ere dNase drufstoße, su het si ihm wüst g'seit in glaubt,[322]un isch für g'fahre im alte G'stürm. Da han se lah mache es isch m'r gsi, ih mög m'r nit lah wüst säge für nüt u wieder nüt, zöach werd si de vo nihm selber gäh u se b'richte wos dure muß. So isch zSach,u dran isch st selber zschuld, u we si, seyt, ih heyg er neuis vyrsproche, fu het sis nit v'rstange oder sust lätz g'seit. Aber wenn e Frau alles zwänge wott u der Gring voll Hochmuth het, sfu hört V'rstang und B'richte uf.“ „Was seist“, fragte Eisi, das sich einem Kinde zugekehrt hatte. „Nüt Bös, sagte der Götti, er meint bloß, wenn er dir hät welle de recht B'richt gäh,fu hättisch ihm nit gelost. Aber chum los Neuis“, setzte er hinzu, als Eisi von vornen anfangen wollte. Wiederftrebend gehorchte Eisi. „Los m'r jetz u folg m'r, da chast nimme sy, eley lah darf di, nit, er ließ di use chue u was wettisch mache u denk was si änefert für eFreud drüber hätte. Drum pack styf zsäme, was grad näh wottsch, z'anger thue ihs Stübli wod Bett sy u b'schließ, morn wull ih de alles zsame reyche, so daß du wyler ke Müh meh mit ha sotsch. Aber folg m'r jetz, gang u mach wie nihs g'seit ha, lue ih mein es wäger nit bös mit d'r, u wegem Werche förcht di nit.“O wegem selbe ha nih mih de nüt zförchte, o jere,es isch de nit öppe, daß ih nüt g'macht heyg, wenn angerẽe g'macht hätte, was ih, öppe so wyt wärs nadisch nit cho.“ „Ih weiß, sagte der Götti, u zwyfle nit dra, aber mach jetz, foig m'ir, es b'langet mih, bis ih da furt cha, es wohlet m'r erst, wenn m'r ufg'hocket sy u fahre cheu.“ Eisi brummelte, aber der Göiti ließ sich nicht mehr ein, machte mit dem Mannli die Sache noch aus, daß er Eisi's Sachen da lassen könne bis morndrist und hinderte ihn, daß er mit Eisi nicht mehr zusammen kam. Eist war mit dem Zusammentragen bald fertig; länger ging es mit dem Zusammenjagen der Kinder“ Mäinte man, man hätte sie alle, husch wußte man die Halben schon nicht mehr, es war fast,als follte man eine Kompagnie Flöhe unter eine Wanne fammeln. Großes Geschick dazu hatte Eisit ebenfalls 0 [323]
Kindern abzuschaben gewesen wäre. Es duechte dem Götti, er sollte helfen und mit jedem appart zum Brunnen; indessen schwieg er, Eist wollte er nicht wieder hinterstellig machen. Als er sie endlich auf dem Wägeli hatte, den ganzen Karsumpel, so erlebte er einen ihm noch nie vorgekommenen Spektakel.
Unter einem Fenster stand die Speisewirthin, um sie mehrere Kinder; als der Götti vorüberfuhr und grüßen wollte, sah er zu seinem großen Ersiaunen, daß Wirthin und Kinder aus Leibeskräften ihre Zungen herausstreckten und gränneten nach Vermögen, und äls er rückwärts blickte, sah er Eist und dessen Kinder ebenfalls mit herausgestreckten Zungen und grännend,wo möͤglich noch ärger als die andern. Das war der Abschied, welchen zwei Familien, die Jahrelang Nachbaren gewesen, von einander nahmen. Der Götti konnte ihn nicht vergessen.
So schied Eisi von dem Orte, wo es den bedeutsamsten Theil seines Lebens zugebracht, wo sein Sinn zum Werk sich entfaltet, wo sein Werk seinen Namen gemacht, seinen Werth vor den Menschen bestimmt, ihn eingegraben in der Geschichte, d. h. in der Gedächtnißtafel auf der Gnepfi, welche aber keine eherne ist und IVwelcher ein Name den andern oben abstößt, höchstens das Großkind den Großvater noch duldet, und bloß,wenn es ihn noch erlebt, mit eigenen Augen ihn gesehen hat. Ha, wer auf der Gnepfi lebt, der hat ein kurz Gedächtniß.
Geistern.Leer stund nun das Haus, harrte eines neuen Einzügers, unter der Thüre weilte der Hausgeist, sah,wer kommen wollte. Man betrachtet so ein Haus als ein todt Wesen, ohne Einfluß auf die Welt aüßer ihm,ohne Einfluß auf seine Bewohner. Wer es beziehen [324] will, betrachtet das Dach vielleicht, Keller und Grümpelgemächer, wie die Thüren schließen und wie es gelegen ob gegen die Sonne odet an einer Straße. Höchstens wenn etwa eine Großmutter in einer Familie lebt,frägt diese halblaut, daß es die Jüngern nicht hören sollen: oder ist's öppe ung'hürig? Ung'hürig sollen,wie man unter der Hand sich sagt, gar viele Häuser im Lande sein, unruhige Geister sollen wohnen da, unwirscher die einen, hatmloser die andern. Und wenn man sagt im Lande, so meint man damit nicht etwa das Land, im Gegensatz zu den Städten. Wer in Städten es dahin gebrächt hat, mit Glättere, oder Schneiderinnen, oder Töchtern aus dem Mittelalter ein vertraut Wörtlein zu reden, der erstaunt über die Zahl der ung'hürigen Häuser in den Städten und der Menge der Geisterarten, die auf die verschiedenste Weise sich künden sollen. Der harmloseste ist doch wohl der, welcher Haselnüsse aufdoppelet auf einem Treppentritt;schalkhafter sind schon die, welche den Mädchen an der Decke zupfen, oder gar an der großen Zehe; dann kommen die, welche mit Ketten rässeln, Trepp auf,Trepp ab, als blasse Todtengesichter, vor die Ofen schleichen, am prasselnden Feuer sich wärmen, oder gar zu Lebendigen ins warme Bett, feucht und eisig sich legen an des Schlafenden warme Seite. Am ärgften sind jedenfalls die, welche einem über Nacht den Hals umdrehen, daß am Morgen blitzblau das Gesicht im Nacken steht, und die Zunge eine Elle lang über die Brust hinunterhängt. Solche Geister sollen zahllose Häuser unheimlich machen und so geheim als möglich hält es jeder, in dessen eigenem Hause ein solcher Geist spuken soll./ Doch diese Geister allzumal meinen wir nicht, wenn wir von den Hausgeistern sprechen. Wunderbar ist's, wie es Häuser gibt, in welchen beständig Streit ist, Häuser wo immer was Ungebührliches betrieben wird, andere, wo Jeder siech wird, andere, in denen alle zu Grunde gehen, alle weiche in einer Reihe von Jahren einziehen, ja Häuser, wo Geschlecht um Geschlecht, die Familien an schlechter Kinderzucht sich [328]aufreiben. Ist in solchen Häusern wohl ein besonderer Hausgeist, der in die Einziehenden fährt und sie verdehrt, jeder Geist seine Besessenen auf seine Weise?Wir wissen es nicht, aber wunderbar ist jedenfalls die Thatsache. Wer in ein Haus einzieht, sollte jedenfalls fragen, durch welche Umstände es leer geworden, welches Leben da erloschen oder ausgezogen sei, und wenn er von einem bösen Ende gehört , mu aller Macht vor dem bösen Geiste sich zu wahren, ja ihn zu vertreiben suchen. Bekannt aber ist, daß Macht über die Geister nur Geister haben, daß böse Geister nur durch gute begwältigt werden können, daß aber auch ausgejagte höse Geister mit Verstärkung wiederkommen und einbrechen, wenn nicht der guůte Geist im Hause bleibt und treue Wache hält Tag und Nacht. Solch gute Hausgeister gibi's ebenfalls. Wohlbekannt sind nicht bloß Häuser, in welchen so lange man weiß die gleiche Familie wohnte in Zucht und Frömmigkeit, in Ansehen und Wohlstand, sondern auch folche, welche, wenn auch die Familie wechselt, doch in gleichem Geiste fort und fort bewohnt werden, gegen welche zusteuert, wer in Noth und Bedrängniß ist, wer eines Almosens bedürftig ist, oder einer freundiichen Hülfe, eines guten Rathes,eines milden Trostes. Es scheint diesen Häusern angethan, zu sein, Freistätten der Bedürftigen Ju fein, Zufluchtsörter der Bedrängten.
So stund leer das Wirthshaus auf der Gnepfi und unter der Thüre desselben lauerte der alte Geist, paßte auf einen neuen Einzüger. Einer wird gekommen feinob der Geist ihn unterthan machte, oder ob derselbe einen neuen Geist mitbrachte, der stärker als der alte war, wir wissen es nicht.
Jedenfalls zügelte mit Eist der alte Geist nicht aus,solche Geister haben es wie die Katzen, sie zügeln nicht,sie müssen ausgetrieben werden, sonst bleiben sie dem Hause getreu. Was fragen die Katzen den Menschen nach, Mauselöcher sind ihnen die Häuptsache.
Eist mit seinen Kindern zog grannend aus, Mühe hatten sie die Zungen wieder ans rechte Ort zu bringen,[] 326 hatten allerdings vom Geiste des verlassenen Hauses so viel eingesogen, daß ihre Seelen davon besessen waren,das war das Einzige was sie davon brachten aus dem alten Hause, mitnehmen können, vorgeschlagen hatten in einer Reihe von Jahren.
Eisi und seine Kinder zügelten akkurat aus ihrer Wirthschaft, wie tausende zügein aus dieser Welt, alles haben sie dahinten gelassen, nichts bei fich als eine vom bösen Geiste besessene Seele, eine Seele, angesteckt mit Lust und Neid der Welt, hungernd und dürstend nach dem, was man eben nicht hat und zu was man eben nicht kommen wird. Freilich wer auf diese Weise zügell aus der Welt, mit dem ist's fertig, denn dahin,wo er kömmt, da ist eben der Geist auf seinem Throne,der ihn hienieden durch seine Diener locken, in Besitz nehmen, seiner Besitzung zu jagen ließ, einem gewaltigen Seeräuberkönig gleich, der seine Räuberschiffe aussendet über alle Meere, zu locken oder zu begwältigen alle Schiffenden, sie zu schleppen auf sein verborgen Eiland in ewige Sklaverei, aus der kein Entrinnen ist,ein Morgen nach dem andern kömmt ohne Ende und mit jedem neuen Morgen die alte Sklaverei.
Eisis Auszug glich dem letzten wohl, doch war er es nicht, es war nicht sein letzter Auszug, und nicht dem ewigen bösen Geiste, aus dessen Hause kein entrinnen ist, wo das Elend nie veraltet, sondern gleich jung, gleich unbeschreiblich immer bleibet, zog es zu.Es zog bloß in ein ander Haus, dort war fieilich auch ein Geist, ein mächtiger Hausgeist, aber es war kein böser, sondern ein guter. Schon mehr als 100 Jahre halte er in dem Hause gewohnt, und eine mächtige Herrschaft führte er. Wer über des Hauses Schwelle käm, der mußte sich ihm entweder unterwerfen, oder er hielt es nicht aus, er mußte weichen. Nicht daß der Hausgeist Gewalt brauchte, Peitsche oder Ruthe, Hunger oder Durst, oder harte Arbeit, er war ein sanfter,mildthätiger Geist, der nie fluchte, selten harte Worte gab, selten Jemand trieb zu schnellerer Arbeit, aber wer böse blieb und Böses liebte, hielt es in dessen Nähe [327]nicht aus, vs duldete ihn nicht, eine wunderbare Kraft trieb ihn aus, die gleiche Kraft, die den Teufel nicht duldet in der Nähe Gottes, die gleiche Kraft, welche in den drei heiligen Namen lieget, der kein böser Geist Stand halten soll.
Diesen Hausgeist sah Eist nicht unter der Hausthüre, aber es empfand ihn bald; schwer, fast als ob er das Doggeli wäre, legte er sich ihm aufs Herz. Der Götti üund sein Mütterli nahmen Eisi und seine Kinder auf ganz wie Visite, meinten nicht gleich von Anfang sie haben zu wollen, wie sie sein sollten; solch rasche Uebergänge von einer Luft in die andere, thun selten gut, vermittelt ja auch unser Herrgott Sommer und Winter durch Frühling und Herbst mit einander.Der Alten Lebensweise blieb die gleiche; der Götti regierte das Land, das Mutterli das Haus, und zwar nicht mit dem Munde bloß, sondern auch mit der Hand.Sie waren bei Allem, meinten jedoch nicht mehr, daß sie das Schwerste noch immer thun müßten mit selbsteigener Hand, aber sie wußten das doch so zu machen,däß es schien, als machten sie noch immer alles mit selbsteigener Hand. Als die neue Familie einzog, änderte die Haushaltung sich nicht, nur wurde mehr als noch einmäl so viel gekocht als früher, aber durch die gleichen Hände. Und doch war der Himmel über dem Hause ganz anders und nicht bloß der Himmel, sondern das ganze Haus schien anders auszufehen. Es war wie wenn in stilles klares Wasser eine fremdartige Substanz geworfen worden, es bewegte sich die Masse,Bläschen stiegen auf, es begann leise zu brodeln, getrübt war das Wasser, und was da werden solle, ob eins das andere ausstoßen, ob beide sich mischen, ob das Feuer die Masse verzehren werde, entschieden war es nicht. Man denke es sich aber wie es anders wird,wenn in ein stilles kinderlofes Haus, ein Rudel wilde zuchtlose Kinder einbricht, die nicht arbeiten können,nicht lernen mögen, die weder was von Gehorsam wissen, noch was von Respekt, die alles erlaubt glauben und gegen Jedermann, was sie zu vollbringen [328] vermögen, zudem aber wie alle wilden ungebundenen Kräfte, in beständigem Kriege unter sich. Da war kein Gesicht, das nicht Zeichen von brüderlichen oder schwesterlichen Klauen zur Schau getragen hätte. Doch waren dieses nicht die einzigen Zeichen ihres Kriegszustandes in welchem sie lebten.
Im Hause lebte eine schöne schwarze Katze, ein gewaltiger Maudi, auch ein Hund war da, ein stattlicher Blaß. Beide lebten in süßem Frieden mit einander,fraßen aus einer Schüssel und während der Blaß unter dem Ofen schnarchte, schnurrte der Maudi auf dem Ofen. Wenn sie ums Haus spazirten, flog keine Taube auf, ging kein Huhn aus dem Wege, ja selbst die Spatzen schienen den Maudi nicht zu fürchten, fetzten sich auf den Rand der Schüssel aus welcher er fraß.Es war der Weltfriede hier, von dem der Prophet geträumt, den er aber nicht erlebt hatte. Die wilden Jungen aber kannten keinen Frieden, und gegen jedes Thier, das in ihren Bereich kam, begannen sie den Krieg, vertilgten was sie konnten und quälten, was sie nicht vertilgen konnten.
In ihrer alten Heimat hatten sie es dahin gebracht,daß kein Thier ihnen wartete, als etwa Hunde mit vorgewiesenen Zähnen. Als sie hier in den Frieden hineinfielen, wie vor Jahrhunderten die Hunnen in die stillen Schweizerthäler, als sie die Thiere mit Händen greifen, fast Salz streuen konnten auf die Schwänze der Spatzen, hui, was das für eine Bürgerlust war.Doch dauerte diese Freude nicht lange, wie keine dieser Art. Gutmüthig hatte anfänglich der Maudi einige Späße aufgenommen, als ihm aber die Späße zu arg wurden, war er der Erste, der zur Selbstvertheidigung schritt und seiner Krallen sich bediente; ihm ahmte der Blaß nach, doch biß er nicht zu, er klemmte nur nach,die Tauben flogen auf, die Hühner zottelten ängstlich ins Korn, die Spatzen setzten sich auf die Bäume und verschrieen die bösen Buben so weit sie konnten. Und was das dem Mutterli ins Herz schnitt, als der Maudi nicht mehr mit dem vollen Bewußtsein eines lieben [] 329 Hausgenossen herumspazirte und seinen gewohnten Platz einnahm, so oft es ihm beliebte, sondern wild ward,zwischen den Beinen durchschoß, sich selten blicken ließ,mit dem Blaß ein geheim Bündniß zu haben schien,und allemal erst knurrte und die Haare aufstellte, ehe er dem Mutterli flattirte. Es war gerade, als ob er erst mit ihm branzen, ihm Vorwürfe machen wolle,daß es wilde Kinder habe kommen lassen in ihren stillen Frieden. Abwehren half nicht das Mindeste, die Kinder hatten gar keine Ohren für Befehle und Mahnungen, sie thaten nicht bloß als hörten sie nichts, sondern sie hörten wirklich nichts, wenn der Götli oder die Gotte sagten: E ih wett nit, lue er chönt di byße, er chrebleti wäger, lue wed süferli thuest, und neh Haber streust, die Tube chöme u näh d'rs us d'r Hang Füür diese Sprache hatten sie wirklich keine Ohren. Der Göͤtti versuchte sie allmählig an Arbeit zu gewöhnen,rief hier eins, es solle ihm helfen, oder dort eines,rühmte ihns, verehrte bei gutem Anlasse dem einen ein Lämmchen, dem andern ein Paar Tauben, aber das Ding half nichts. Sie hatten die Thiere nur um sie zu plagen. Das Lämmchen, das er dem ältesten Buben verehrt hatte, hätte es fast mit dem Leben gebüßt.Erst plagte es der neue Herr, jagte es den ganzen Tag herum, wollte es drässiren wie einen jungen Metzgerhund. Ließ es endlich dieser in Ruhe, so quälie es ein jüngerer Bub, weil er nicht hinter den stärkeren Bruder durfte, so prügelte er dessen Lamm und mißhandelte es. Zeit und Ordnung hatten sie keine, schleppten alles hervor, ließen alles liegen, wo es sie ankam,strichen herum, so weit es ihnen gefiel, kamen heim,wann es ihnen gefiel, um die Essenszeit kümmerten sie sich nicht im mindesten. Wenn sie äber heim kamen,so wollten sie essen, jedermann sollte alles liegen lassen um sie zu bedienen, und was man ihnen gab, war nicht recht, sie befahlen dieß, jenes, wollten Fleisch statt Brot, Wein statt Milch, und Erdäpfel fräßen sie keine,die syge für dSäu, meinte eins der Kinder. Das Mütterli meinte anfangs, man müsse Geduld haben un [330]zppe geng luege, daß si zfriede syge, gab her, was es halte, aber in die Länge ging es nicht so. Es begann zuzusprechen und zu trösten, sie sollten nur nehmen heute,morgen wolle es sehen, daß es ihnen was hätte, welches ihnen anständiger sei. Aber das war ihnen vielleicht auch wieder nicht anständig. Sie brachen in den Keller ein, in den Kuchischaft, sie nahmen selbst wo fie dazu kommen konnten. Sie leckten im Keller die Nidel ab der Milch, sie waren scharf über dem Käse.Die Eier schwanden und von den Aepfeln, die immer gespart wurden bis man neue hatte, war bald keiner mehr zu sehen. Unerhört war Solches im Hause und was nie geschehen war in selbigem, das mußte jetzt geschehen, wenn auch mit großem Leid und Weh, es mußte auch über Tag der Schlüssel am Keller abgenommen werden. Fast wie Feinde war ihnen die junge Brut ins Haus gefallen. Und doch war EKisi ihnen vielleicht noch peinlicher, denn es war eine Figur, die gar nicht zum Hause paßte, und wer es auch nur sah,dem wars, als stolpere er über einen Stein, oder es fei ihm was im Wege und er müsse hinten um. Es war da wie eine Dame, fast wie eine Engeländerin,rührte nichts an, paßte aber wohl auf, ungebührliche Zumuthungen von der Hand zu weisen. Von wegen feiner Bildüng und als Weltfrau sah es die alten Leutchen tief unter sich und verachtete sie sehr. Dümmere Leute als die, gebe es nicht, sagte es, was leben sei,wüßten sie gar nicht. Gäb es in die Länge hier leben wollte, hänkte es sich lieber. Es wartete immer auf ungerechte Zumuthungen, oder harte Behandlung der Kinder, wohl denen wolle es zeigen, wer sie sei, und daß es nicht da sei, ihr Schuhwisch zu sein. Aber es halte keine Gelegenheit, das zu zeigen, Niemand muthete ihm was zu, Niemand gab seinen Kindern ein hart Wort. Das machte ihns so recht bös, und hatte es keine Gelegenheit, das so recht zu erzeigen. Zudem waren die Kinder ihm lästig. Im Wirthshaus hatte es sie selten gesehen, hier waren sie ihm, wie es klagte,beständig unter den Fuüßen, hatte keine Ruhe vor ihnen,[331] ihm waren sie am meisten lästig und wer ihnen die meisten bösen Worte gab, aber nicht wenn sie was böses machten, oder Streit hatten, sondern bloß wenn sie ihm lästig waren, das war Eisi. Die Langeweile ist ein unwirscher Gast, läßt Niemand Ruhe; da Niemand ihm was zumuthete, so ward es böse, kehrte seine Gedanken und machte den alten Leuten es zum Vorwurf,daß sie es nicht etwas machen hießen. Sie wollten es mit Längizyti ztodtschlah, sagte es, oder machen, daß es dest eher gehe. Aber wenn es einmal eine Lismete z'weg schriß, oder was zum Schnurpfen und die Mutter ihm sagte: „wed öppe Fade witt oder Züg für zplätze oder sust neuis zmache, fu sägs ume, du mußt ha. Es isch nit, daß m'r meine, daß du dene Kinge söllisch Kleider z'wegmache, m'r hey d'r Schnyder scho heiße cho, aber wed neuis für di mache wottsch, su mußt ha was de wottsch.“ Es heyg, was es nöthig heyg, sagte dann Eisit. Es konnte die Alte Kraut rüsten sehen oder so was machen, es saß dabei, aber rührte keine Hand an. Hie und da konnte es dem Knecht grasen helfen,um zu zeigen, daß es auch noch rechen könne, trotz einer. Der rühmte es begreiflich, ums rühmen hatte Eist immer viel gethan und jetzt kam es so selten dazu.Auch in der Küche hätte es sich nicht ungerne sehen lassen, wußte viel zu erzählen von allerlei Plättleni,welche es seinen Gästen vorgesetzt, und wie sie immer gerühmt, besser als bei ihm, esse man nirgends. „He ja, sagte dann die Mutter, üser eim weiß vo selligem nut, es guts Kaffe un es Schnäfeli lings Brot, isch öppe z'best, was m'r hey, un ih bigehre nüt bessers.Aber wes di öppe duecht, du möchtisch neuis, su machs ume, nimm was d'bruchst, we m'rs hi.“ Aber Eisi ließ sich nicht herab dazu. zG'schirr zu selligem fehl,sagte es, u de i re frömdi Kuchi mach es nüt. Es heyg nit Freud i re Kuchi neuis z'mache, wo's nit Meister syg.
So stund es im Hause unheimlich und wild, die alten Leute waren gedrückt, seufzten wohl, wenn sie einander ansahen, aber reuig waren sie nicht und klagen [332] thaten sie auch nicht, kein böses Wort entrann ihrem Munde. Der Hausgeist schien geflohen zu sein bei dem neuen Einzuge, wie man es den Bergmännlein nachredet, daß sie fliehen, wenn wilde fremde Menschen in ein Haus kommen, welches sie bewohnt hatten Aber so ein Hausgeist flieht nicht, wenn die ersten Bewohner ihn nicht verstoßen, sondern bei ihm ausharren in Geduld und Sanftmuth, das Neue wird begwältigt oder es entweicht.
In einem Rudel wilder Kinder sind die kleinsten und schwächsten am bedaurungswürdigsten, sie müssen am meisten leiden, wie in keiner wilden Heerde die Kranken und Kleinen zertreten werden im Gedränge.Sonst ist es die Mutter, welche die Kleinsten schützt,oder der Vater, daher es so oft heißt, die Jüngsten hätten am meisten Recht, besäßen die beste Liebe, der ihnen so nothwendige Schutz wird nicht begriffen. Bei Eisi war es aber umgekehrt, es fragte überhaupt Niemand viel nach, auch seinen Kindern nicht, und begreiflich denen, welche es am meisten belästigten, am wenigsten. Wenn die Kleinern weinend bei ihm Schud suchen wollten, so hieß es sie Brüllhüng, hieß sie schweigen auf der Stelle, wenn sie nicht zum Gring wollten,daß sie dann wüßten, was sie zu brüllen hätten. Zudem hatte es auf unser armes, kleines Mädchen einen Zahn und durfte es doch nicht recht zeigen, es war ihm unheimlich bei ihm, es erschrak ällemäl, wenn dasselbe sich ihm nahte, besonders wenn Eisi alleine war.Das Kleine konnte nicht vom Aetti schweigen, immer fing es von ihm an und so oft bat es: „Mutter, wey m'r nit für e Aetti bete. Vielliecht wär's g'nue, aber denk o, wes nit g'nue wär, u mir hätte d'r Wyi gha,us doch nit tha, denk o Muetti. Wotsch afah. Müetti bet doch!“ Und gäb wie ungern, so mußte Eifi doch zuweilen beten, ein gewisses Grauen ließ es ihm nicht zu, das Beten allemal abzuschlagen, aber allemäl, wenn es gebetet hatte, so stund ihm der kalte Schweiß auf der Stirne. Darum liebte es das Madchen nicht und doch war es das einzige seiner Kinder, welches sich zu [335] ihm drängte, trotz Schnauzen und Müpfen, sich an Eisi hing und bat: o Mutter, häb mih o lieb, denn das arme Kind war eins von denen, welchen Lieben und Leben eins ist. „Schwyg doch mit dym Kähr u stürm m'r nit geng zglyche“, war Eist's gewöhnliche Antwort. Dieses Mädchen fühlte natürlich schnell die Herzen heraus, in denen Liebe war für so ein klein lieb Mädchen. Nicht mancher Tag war vergangen, so hing es unzertrennlich an der alten Mutter, wär ihre kleine Dienerin, hatte sie zu seiner Vertrauten gemacht,gefragt, ob sie wohl mit ihm für den Aetti beten wolle,zMuectti thuys so ungern. Das hatte der alten Frau ihr Herz unbegreiflich bewegt, thränend hatte sie mit der Kleinen gebetet und that es fürder alle Tage, und das Kind war ihr so lieb, daß sie ihrem Mann oft sagte, sie glaub emel, si vorsüng si drob.
Etwas Aehnliches geschah mit Benzli, dem jüngsten Knaben und dem Götti. Seit des Vaters Tode war Benzli so recht Niemanden gewesen. Früher hatte, wie erzählt worden, der Vater seiner sich angenommen, seither hätte er nirgends sein sollen. Die ältern Geschwister haiten es wie die Söhne Jakobs mit ihrem Bruder Joseph, und wenn er zur Mutter sich flüchten wollte,so balgete die und sagte, er sei d'r wüstist Brülli wo's gäb, er syg ere i Gotts Name geng ume unger de Füße, er söll si zu de angere gheyee nangere nah, sust mach, si ihm dHose ache un er müß dRuthe ha. Der Götti konnte ihn noch nicht, wie die andern, zum Arbeiten locken, welches sie aber auch flohen, als ob man ihnen Schwefel unter die Nase hielte. Aber wenn Bruder und Schwestern ihn plagten und er weinend und schreiend ihnen nachlief, so lockte ihn der Götti auch, sagte: komm du zu mir, und bald führte er ihn zum Roß und bald nahm er ihn auf den Wagen, oder auf die Bähre, ließ ihn reiten, machte ihm eine Geisel,lehrte ihn Thieren Vrot und Haber geben, mit Liebe nicht zur Neckerei, um sie dann besser plagen zu können. Beim Götti war Benzli sicher, hatte kurze Zyti,ja er konnte ihm zuweilen ein Werchholz tragen, eiwas [354] halten, und dann sagte der Goötti: Lue Mutter, was ih da für es Knechtli ha, u wie er m'r scho helfe cha.Ja, zuweilen lehrte der Götti mit ihm, und sagte ihm,wenn er fleißig sei, könne er a Exame u überchöm de schön Batze, ünd wenn er dem Pfarrer recht aufsagen könne, so kaufe er ihm noch ein Buch mit goldenen Thieren darauf. Mit dem Kinde ging eine sonderbare Veränderung vor. Es war, als ob an einer dürren Halde plötzlich ein Quell zu Tage gebrochen sei, mit fettem süßen Wasser, und die Halde wässere leise rieselnd an ihrer Seite nieder, oder als wenn die Sonne aufgebrochen waäre über einen kalten gefrorenen Acker und Tag um Tag ihn küsse mit ihren lieblichsten Strahlen. Benzli war des Götti's kleiner Schatten. Es weckte ihn am Morgen, wenn der Götti aufstund, es war als ob eine sympathetische Kraft ihm den Schlaf verscheuchte, war aber der Götti fort, schlief er nicht ein, bis der Goöͤtti wieder heim war, es mochte so spät werden, als es wollte. War der Götti nicht daheim,so schloß er sich an seine Schwester, stund unter dem Schutze der guten Frau, unter seinen andern Geschwistern waäͤre es ihm übel ergangen, sie hätten an einem Tage nachholen wollen, was sie während 20 Tagen ihm angethan hätten. Ließen die beiden kleinsten Geschwister sich von ihren Schutzgöttern weg, so ergriffen die andern rasch die Gelegenheit, sie zu quaälen und zu plagen, daß sie weinen mußten. Wenn sie nun weinend unter die schützenden Flügel sich flüchteten, so begehrten die andern auf und klagten: da sehe man wieder die Plärhüng, we me die ume alueg, su brüllte si grad use u v'rchlagte si bi de Alte, kläfelete, kläpperlete alles ume, un si welle se nimme byn ne dohle u we si no meh chäme, su schlähye si ne alli Bey abenangere, daß es si de o d'r werth z'brülle syg. Die kleinen Kinder, so wie sie an Götti und Gotte gefesselt wurden, die Liebe in ihren Herzchen erblühte, das Bewußtsein mit inniger Kraft erwacht war, daß sie wieder Reuere seien, hatten innige Freundschaft mit den Thieren geschlossen, trugen die Früchte der erhaltenen [3583]Liebe auf sie über. Was an ihnen gethan ward, wollten sie auch andern Geschöpfen anthun. Um so heftiger verfolgten die ältern Kinder die harmlosen Thiere, in ihnen wollten sie den Kleinen wehe thun, was sie diesen nicht wohl thun durften, das mußten die unschuldigen Thiere abthun. So geht es oft im Großen in der Welt, wie es hier im Kleinen geschah, nur daß dann die Bubenhaftigkeit ins Große geht, während sie hier nur im Kleinen sich äußerte, daß man das Vaterland prügelt, um Vaterlandsfreunden wehe zu thun,daß man, trotz Treue und Eid, das Vaterland aufs Spiel setzt, in der Hoffnung, persönliche Feinde könnten in diesem Spiel das Leben verlieren. Diese Bubenhaftigkeit, welche dieses verruchte Spiel treibt, geht aber nicht bloß ins Große, sie geht ins Grausenhafte.
Die lieben Kleinen hatte der Hausgeist ergriffen,sie waren dessen lieblichste Ebenbilder, sie waren der Alten herzlichste Freude, und wer gesehen hätte, wie lieb die Augen glänzten, mit welchen die Gotte ihrer Kleinen nachsah, und wie mild das Auge des Götti erglühte, wenn er mit seinem lieben Büben sprach, der hätte gesehen, wie die Liebe, die im Herzen sprudelt,in den Augen erglüht. Solche Frende hatten die Alten noch nie genossen, auch durch ihre Herzen floß ein frischer Lebensstorm. Die Kinder waren ihre Sternlein,und wie ehedem die Schiffer nach des Himmels Sternbildern, richteten die Alten nach diesen Gebilden Gottes ihren Tageslauf, und wenn sie nicht sichtbar waren, so war es ihnen wie den Schiffenden, wenn Wolken die leitenden Sterne verhüllten. Und neben dieser Freude brannte doch ein großes Leid in ihrem Herzen, ihr Herz war fast, wie die Juden meinen daß es sei, wenn Himmel und Hölle aneinanderstoßen, Freude und Leid wohnten dicht beisammen.
Sie sahen das Treiben der andern Kinder, sahen wie keine Liebe fruchtete, wie jede Beschränkung ihrer angewohnten Lebensweise durch Strenge erzwungen werden mußte, wie aber zwischen den Kindern der Neid eine immer tiefere Kluft grub, wie da kein Friede her[336]zustellen sei. Zur Hülfe rührte Eisi keinen Finger,wenn die Kinder ihm nur nicht nahe kamen, so war es zufrieden, und wenn sie sonst was schlimmes trieben, so sagte es, dKing syge so, es müß geng öppis Uwatligs gah, d'rnebe chön me das nit ändere. Daneben ward es aber auch nicht eiferfüchtig, wie manche Mutter es geworden wäre, über die Liebe, welche die jüngsten Kinder den Alten zuwendeten. Die King plagten sie doch, sagte es, aber es mög nehs gönne, si syge selber zschuld dra, warum gebte si si sövli mit ne ab, u möge si mit neh g'mühe. Aber mi müß se ume lah mache, es werd neh scho no erlcide. D'rnebe mög es es o de Kinge gönne, si heyge emel einist dest besset d'rby, u zbös ha, werd neh scho wieder cho, un allweg früh g'nue, u de werds neh de dest ung'wahnter vorcho. Aber es g'schech neh de recht, si heyge de ihri gut Sach o g'ha, u die angere nit.
Wie die altväterischen Geister Meister werden und auf harten Tag ein schöner Abend kommt.Der Götti war nicht der Mann, welcher einer Sache,die im wachsenden Schaden lag, unthätig zusah, oder den Gltauben hatte, wenn unser Herrgott es anders haben wolle, so werde er es schon anders machen. Er hatte den Glauben, unser Herrgott mache, was wir nicht machen könnten; was wir machen könnten, wozu er uns die Kräfte gegeben, das überließe er uns ganz und gar und rühre keinen Finger dafür. So habe unser Herrgott die Erde geschaffen und die Sonne dazu,ließe regnen und gebe den Thau, von wegen, daran könnte der Mensch nichts machen, weder mit seiner Kunst noch mit seiner Weisheit, er habe die Samkörner alle gemacht, dieweil er wohl gewußt, daß weder ein Schreiner noch ein Drechsler oder gar ein Chemiker, ja gar kein Hexenmeister je eins derselben werde [337] machen können, welches da Leben gewinne in der Erde Schoos, in Regen und Sonnenschein. Aber bauen die Erde, säen den Samen, das müßten wir, müßten die Erde lockeren, daß Sonne und Regen in sie dringen könnten, müßten den Samen bergen unter die Erde vor der Vögel Gier, müßten säubern die Saat, daß unter Dornen und Disteln sie nicht ersticke. Das wußte der Götti, auf sein Wissen waär sein Glaube gebaut und nach seinem Glauben handelte er, und dieses geschah in drei Tempo: erst überlegte er reiflich, dann besprach er es mit seinem Mutterli weislich und mit Kraft unb Ernst führte er es aus schließlich. In einer günstigen Stunde, welche sich ihm jetzt nicht alle Tage gab, wo kein fremdes Ohr in der Rähe war, sagte er zu seinem Mutterli: „Los, ih möcht Neuis mu d'r rede, es drückt mih Neuis, u länger chas nit so gah.“ „Weiß scho, was de säge witt, fägte das Mutterli, es het mih o scho lang drückt, aber red' ume, vielliecht hey m'r zglyche g'sinnet.“ „Sieh, sagte der Götti, jeßt erst weiß ich, warum der liebe Gott den Menschen ein Kind nach dem andern gibt und nicht alle anf einmal. Wenn so ein halb oder ein ganz Dutzend auf einmal kämen,wie sollte ihnen der arme Mensch, der ja mit sich selbst oft mehr als genug zu thun hat, ihrer Meistet per den, sie einverleiben können in den rechten Geist, in die gute Ordnung, alle mit einander und eines wie das andere. Da würden sie ihm wahrscheinlich Meister oder würden allmälig zusammenwachsen und gegen ihn Partei machen. Kömmt aber so styf eins nach dem andern, so hat man Zeit, eins nach dem andern dem Hause einzuurben, einzugewöhnen, und wenn man es recht anfängt, so wächst eins nach dem andern heran als ein Freund, welcher hilft, als ein kleiner Vorgänger dem jüngern, so als ein kleiner Mittler zwischen den Alten und den Jungen. Sieh, da ist's, wo pir gefehlt haben und wo geändert sein muß. Den ganzen Karsumpel haben wir zusammen ins Haus genommen und werden begreiflich seiner jetzt nicht Meister, sondern 2 [338]fast cher derselbe uns. Das junge Volk hat einen anhern Geist im Leibe als wir, derselbe sollte ausgejagt fein mit Schlegel und Weggen, und statt dessen stärkt sich ein Geist am Geiste des andern, welcher dasselbe in seinem Leibe hat, und wir fechten weder mit Schlegel noch mit Weggen.“
„Ich muß bekennen, das kann ich nicht. Das könnte ich wohl, ein Kind züchtigen zuweilen bei groben Fehletn, und zwar, wenn ich einmal müßte, so würde ich es so züchtigen, zur Zucht ziehen, daß es wüßte, wie ich es meinte. Aber wenn ich mit diesem Rudel verfahren sollte, wie er es verdiente und wie es sein müßte, wenn derselbe zur Besserung kommen sollte, so müßte ich den ganzen Tag nichts als abschlagen, drein schlagen, als ob ich im Verding Wedelen hacken thäte,und den ganzen Tag wäre ums Haus herum ein Geschrei, wie bei einem Schweinmetzger, und selb mag ich nicht, selb stünd ich nicht aus, lieber wollte ich noch nach Amerika. So aber, wie gesagt, kann man es nicht gehen lassen, alle Tage wird das Uebel größer, das Heilen schwerer. Durch unsere lieben Zwei vermögen ir auf die andern nichts, denn sie werden von ihnen gehaßt; aber eben darum werden sie dieselben zum Bösen verleiten, sie zu verderben suchen, wie sie können lind mögen. Darum, was meinst, habe ich gedacht die Aeltern müßten fort, je eher je lieber, und zwar auseinander, eins hie hin, eins dort hin, ein jedes in eine eigene Haushaltung, an der es nichts abbringt, sondern D00 unterziehen muß, wo sie keine Bande mehr machen können.“ „Du meinst doch nicht auf die Gemeinde, wo sie verdinget werden“,fragte das Mutterli.
Was denkst, sagte der Mann, das waäͤr ja eine Schände für die Familie und eine Sünde für uns.Aermeren Leuten, welche zinsen müssen und die eigenen Kinder schwer durchbringen, noch die Last aufbürden,fellige Leuten, wo ihre Sache verthan haben, noch ihre Kinder erziehen zu müssen, so lange Verwandte da sind,welche dieses unbeschwert vermögen, selb ist nicht recht.[339]Wenn Niemand was thun will, so habe ich gedacht,thun wir es. Eigene Kinder haben wir keine genug haben wir und wenn wir das Uebrige während unsern Lebzeiten zum Nutzen anwenden, so wirds wohl unserm Herrgott recht sein und unsere Erben werden wenig dagegen haben können. Und der Gemeinde möchte ich sie deretwegen nicht aufladen, du weißt wohl warum Das geht nur so ang'fährt zu, und zu wem ein Kind kömmt, darnach frägt man so viel nicht, wenn's nur Jemand will und nicht viel dafür begehrt. Da denk ich, müssen wiederum die Verwandten selbst den Verstand brauchen. Ich hätte das so g'sinnet. Ich weiß einige Verwandte, wo das eine und das andere gut aufgehoben wäre und welche die Kinder brauchen könnten; mit diesen will ich keden und was es Zuschuß mangelt, dafür wollen wir Niemand plagen, das geht unter uns. Habe ich die Sache richtig, so rede ich mit dem Vogt, der wird nicht viel darwider haben, er thut ja, als wenn er gar nicht auf der Welt wäre, ist noch nie da gewesen, seit sie hier sind.“
„Es isch m'r fry, as ob m'r e Stey ab em Herz fiele, sagte das Mutterli. Aber un Eisi, was wird Kiß säge, wenn die King furt sölle. Das thut de wüst u seyt, zSach heyg ihs g'reut u mir syge wüst Lüt.“
„Häb nit Chummer, Mutter, sagte der Götti. Es ist traurig, aber du siehst es so gut als ich, wie viel es den Kindern nachfrägt und wie es sie, am weitesten von ihm, am liebsten hat. Unrecht möchte ich Niemand thun, aber ich sage es nur zu dir, und recht wär's mir, wenn's nicht wär. Merkst nicht, wie es anfängt sich aufzupützerlen, und bald hat es hier was zu thun, bald dort, bald hat es noch Geld einzuziehen,bald etwas nachzufragen, ein Vorwand um den andern. Hier ist's ihm erleidet, es möchte was anders anstellen, und dazu kömmt eine Wittwe der Art am liebsten durch einen Mann. Und wie es solche Wittwen anstellen, weißt du wohl, sie machen ihr Vermögen so groß als möglich, und wenn sie Kinder haben,so reden sie von denselben so wenig als möglich. Ja,[340]ist's nicht schon oft geschehen, daß Kinder aus erster Ehe erst nach der zweiten Hochzeit zum Vorschein gekommen sind, zu großem Erstaunen. Wenn Eisi auf dem Weg ist, wie ich fürchte, so wird ihm das Vertheilen der Kinder sehr lieb sein, es köͤmmt ihm um so weniger aus, wie viele es hat; wenigstens die Halben kann es einstweilen im Verborgenen behalten und kömmt so desto leichter zu einem Mann.“
„Eh aber schäm di, sagte die alte Frau; daß de sövli bös sygisch, hät ih doch afe nit glaubt. Nei aber so wirds doch öppe keini mache?“
„Eh Muiter, du weißt ja, wenn's nicht wär, ich würde es nicht erdichten. Besinne dich, wie es die uud die und die und die gemacht haben, es wär ja ein ganz Register voll, wenn ich es aufsagen wollte,ich würde nicht fertig. Solche Weiber wie Eisi sehen kein ander Heil als im Heirathen. Sind sie in schlechte Umstände gekommen, so wissen sie von Aenderung ihrer selbst nichts, daran haben sie keinen Gedanken, oder versuch es, rede Eisi von seiner Besserung. Ein Mann ist ihr Heiland, eine neue Ehe ist ihnen, was dem Christen die Wiedergeburt; nach einer solchen trachten sie von ganzer Seele und allen Kräften und sonst nach nichts.“
„E aber Aetti, so han di doch wäger no nie g'hört,söpli bös bisch doch sust neue nit, u redst sövli schlecht vo de Lüte.“
„Du hast recht, Mutter, sagte der Alte, und man sollte nicht, aber was wahr ist, ist wahr und es gibt Zeiten, wo man es sagen muß, wo es einem übers Herz kömmt, daß man es nicht mehr verdrücken kann.Ich habe fast gar nicht mehr gewußt, was es heißt zornig werden, und habe mich oft sehr verwundert, wie verständige Leute es doch so werden könnten. Aber der liebe Gott hat es mir wieder begreiflich gemacht.Wenn die Kinder in allem sind und kein Rufen hören,kein Bitten achten, Alles verderben, so will es mir wohl manchmal das Haar aufstellen. Aber viel zorniger, daß es mich dünkt, ich könne es nicht verwinden,[341] daß ich neben aus muß, werde ich, wenn ich sehe,wie Eisi den Kindern nicht nur nichts nachfrägt, sondern sogar, während es die Wilden ungemahnt alles Mögliche machen läßt, die lieben Kleinen, wenn sie ihm flattiren möchten, anfährt, des ume schießt, daß es einem dünkt, sie sollten an einer Wand kleben bleiben. Es ist mir allemal, als ob man mir das Herz mit einem Garbenknebel umdrehe. Und hast du schon gesehen, daß Eisi sieht wenn sie ungewaschen sind, daß es sich ihrer Kleider achtet, daß es deswegen einen Finger stärker rührt, wenn ihnen die Hudeln über die Schuhe hängen. Das macht mich zornig, daß ich in meinen alten Tagen von vornen anfangen muß, an mir selbst zu werchen.“
Der Götti war nicht bloß mit dem lieben Gott gut bekannt, sondern auch mit den Menschen, sein Urtheil über Eisi hatte seinen guten Grund, wie er sagte, so war es.
Eisi war es, wie es sagte, meineidig erleidet in der Einöde. Die Leute wären nicht bös, aber dumm und altvaäͤterisch. Da sollte es immer gehen wie in einer Versammlig, un obe druf sötts de no all Sunde zChile.ZEßse heyg es, u werche chöns, was 'swell, u daß es alles eleyni mache müß, mein es nit. Aber wo nehs trappi, syge ihm dKing unger de Füße, furt well me se nit lah u doch sött e st niene sy, gäb wie eys neuery trapp, ume öppe is Gras oder is Werch, su pfyff d'r Alt u heiß se use; un ihm wärs, we si ume dänne chäme. So sy besti Zyt da ab d'r Welt zuYbringe, selb wells de nadisch nit, es well öppis angers ästelle, so bald es si ihm schick, un ihm Eine Yweg lauf, wo nehs glaub, es machs gut. Es gugg ihm neue afe neuis, drei heygs i d'r Rispi u vo dene dreie werd wohl eine d'r recht sy. Wo nehs es am beste g'säch z'mache, da b'sinn es si de nimme lang.
Der eine war ein Märitkrämer, d. h. einer der daheim einen Laden hatte, jedoch auf Jahrmärkten und zu Bern alle Dienstage feil hatte. Er hatte ein schönes Chaischen mit einem langen langen Hinterstück, in wel[342] chem, wie in der Arche Noahs, alles Mögliche Platz atte.
Der Zweite war ein Wirth, der hatte eine schöne Wirthschaft und handelte nebenbei noch etwas weniges um Käs.
Der Dritte war ein Herr, d. h. ehemals war er ein Handwerker gewesen, jetzt war er ein Stück von einem Schreiber, hatte ein Pöstlein dazu, und handelte um allerlei, um Kanarivögeli und um Bohnenstecken,um Aargauer Bauele und, um Luzerner Schnitz, um Zürikerze, um Baselleckerli, um Bernerseife und Aele Senf, kurz allerlei gut Sachen.
Alle drei waren Wittlige und Partie, besser nützte nichts, meinte Eisi, an jedem Orte hätie es es wie der Vogel im Hirse und alle drei hingersinneti si, wenn es si nit nähm, si thuye mit ihm, so heyg es fry no nie nüt gse, sövli narrochtig u v'rliebt.
Der Krämer gefiel ihm b'sungerbar wohl, es Chaisli und all Woche z'Märit u z'Sache im Lade alli selber,besser wüßt es es nit z'mache. Weder z'feil ha im Winter syg ihm öppe nit am aständigiste u de daheim Schwebelhölzli u Bäredreck zkrüzerewys zv'rchaufe, chönt ihm doch viellycht welle erleide.
Besser g'fall ihm sWirthe, selb chon me begryfe,un es glaub schier, es well d'r Wirth näh. Weder er syg gar e dicke u es heyg g'meint, wenn's no einist manne well, su wells de e dünnere, e dicke häts neue afe g'ha. U de heyg er zweu Meitleni, se mager gelb Gränne u de nüsti hoffärtig, daß me fast nit luüege dörf. Allweg, wes neh nähm, su müße ihm die üs em Hus, u well er ihm das nit v'rspreche, su nähms neh nit, druf chön er zelle, es heyg selber Kings meh as g'nue.
U de mit diesem, mit em Herr, wüͤß es erst nit,wies es mache well. Ey Weg'g'fall er ihm v'rflümeret u d'r anger Weg nit e Tüfel. Am mingste mache müßt es da. Pflanze bruch me nüt, zSach chauf me uf em Märit, es chönt sy Zyt bruche, wie es well,daheim sy oder nit, chont a Bäull (Bällh) u i d'Ku[343]medie, wenn syg, u spaziere mit ihm, hie us u dert us, öppe i d'Nächi, die beste Händel hätts. D'rnebe g'fall er ihm doch neue nüt, er heyg so ne längi Nase uü schnupf de no d'r ganz Tag, daß er fast steych wie nes Mistloch, u chöm mängisch so hüdelig daher, daß me glaubti, er syg e Spittler oder e alle oberkeitlige Kostgänger, u me si synere schäme müß. Aber öppe nit wege de Armuth chöm er e so, sondern will ihm niemere zur Sach lueg u se öppe i Ehre heyg. Mit z'Gast ha u z'krame hehg es de öppe d'r meist V'rstang.
Solche Hoffnungen und Bemerkungen detaillirte Eisi begreiflich weder dem Götti noch der Gotte, so packte es seiner bekannten Freundin aus, bei welcher man es sehr oft sah, die große Gefälligkeit für ihns hatte und viele Gelegenheiten ihm verschaffte.
Eisi's Läuf und Gängen nachzugehen, wollen wir uns aber hüten, sie gingen so in die Kreuz und in die Quere, daß es uns ginge, als wären wir in einen Irrgarten gerathen, in welchem man sein Lebenlang laufen kann und doch keinen Ausgang findet.
Wir wollen unsern geneigten Lesern bloß noch sagen, daß auch der Götti seine Läuf und Gänge hatte,jedenfalls würdigere, ob sie zu befferem Ziele führen werden, ist Gott' bekannt. Er hatte mit seiner Mutter,wie er die Frau zu nennen pflegte, Bekannte und Verwandte durchgemustert, die Thüren bezeichnet, an welche er für Aufnahme von diesem oder jenem Kinde anklopfen wollte. Sie hatten die Sache nicht bloß so oberflächlich genommen, sondern für jedes der Kinder,je nachdem sie es kannten, ein appart Haus ausgelesen und an diese Häuser zu klopfen, war der Götti ausgegangen und hatte dazu manchen Tag verbraucht. Er wär nicht unzufrieden mit dem, was er ausgerichtet hatte, er sagte seiner Mutter: „Es ist schön und doch iraurig! Traurig ist's, wie so eine Mutter ganz erkalten kann für ihre Kinder, daß sie ihr nichts als eine Last sind, sich um sie nicht bekümmert, von ihnen wegftellt, so bald sie kann und so, daß sie dieselben verläugnet, so daß sie später nicht einmal zu ihr dürfen.[]344.
Daß kömmt aber daher, daß kein christlicher Sinn in einer solchen Mutter ist, daß sie nichts anderes weiß,als Gott und den Nächsten zu hassen, daß sie ihr eigener Götz ist und Gut ha ihr Himmel. Hast gesehen,daß Eifi je ein Buch genommen hätte? hast gesehen,wie es allemal ein Gesicht gemacht hat, wenn wit es gefragt, ob es mit uns z'Predi well? Zum Nachtmal ist es gar nie gegangen und ein guter Zuspruch zu seinen Kindern ist nie aus seinem Munde gekommen.Unser Herrgott hat die Ehe eingesetzt und Kinder sind des Höchsten Gab, wer aber den Herrgott nicht mehr ästimirt und sich für das Höchste hält, der ästimirt die Ehe nicht für heilig, sie ist ihm nur gut fürs Fleisch und die Kinder achtet es für eine Last, die es abwirft bei der ersten Gelegenheit. Je weniger christlich die Eltern werden, desto heilloser versündigen sie sich an ihren Kindern, desto übler geht es den Gemeinden,welchen die armen Würmer, welcher Niemand sich erbarmen will, vorab liederliche Wittweiber und schlärmige Wittwer nicht, zugeschoben werden. Das ist tiaurig, traurig ist diese unchristliche Verlaäͤugnung der heiligsten und schönsten Pflichten. Aber schoön'ist's daß es andere Leute gibt, welche noch der Kinder sich erbarmen und ein Einsehen haben in ihre Noth. daß bei ungerathenen Eltern, denn die mißrathen fast noch mehr als die Kinder, andere Leute einstehen müffen,Verstand haben müssen und Muth, solcher Kinder sich anzunehmen, gäb wie ungern man es auch thut, von wegen der Verantwortung und dem Undank.“ Somit gab er Bericht, wie er an wenigen Orten abgewiesen worden sei, und zwar noch ungern, weil die Umstände es nicht gestattet hätten. Die meisten hätten sich freilich bekümmert über die Pflicht, so ungerathene Kinder ins Geleise zu bringen, aber mit dem Lohn sei er bald einig gewesen. Wenn man mit den Kleidern etwas nachhelfe, so daß man nicht Geld aus dem Sack noch dazu thun müsse, so seien sie vorerst zufrieden. Er thue sonst viel und daß er alles thue, fei nicht billig.Es müsse jeder was thun, oöͤppe was ihm zieh mög []348. und gäb sie gäbten es hier oder an einem andern Orte.Aber daß es gut komme, wollten sie nicht gut sein;King, wo si nüt g'wahnet heyge, Ffolge u z'werche,angers drässire, selb syg e strubi Sach. „Was meinst,frägte die Mutter, ist's mügli? Es wär doch schrööckeli gut!“ „M'r weys hoffe, sagte der Götti, doch für zewiß möcht ich es nicht nehmen. Eins ist das best.Sie können Niemand klagen und nicht fortlaufen, weil sie nicht wüßten wohin als hieher, und da wissen wir was wir zu thun haben.“ „Die arme King, sagte die Mutter, chönne mih doch neue afe dure, daß si vo nangere müße und es weiß Gott, ob si enangere wieder giseh. U duret es se ächt nit hie furt, ih muß säge, wenn eys pläreti, ih chönts fast nit furt lah,wenn ih scho wußt, daß es sy Nutze wär. Un Eisi,hesch ihms öppe scho g'seit, u was hets g'seit?“ „Nein, sagte der Götti, was sinnest, daß ich mit ihm rede eher als mit dir, aber morgen muß es geschehen,wenn es nicht etwa ausreutert, ehe es sich schickt.Solche Sachen darf man nicht anstehen lassen, sie müssen ab Brett, je eher je lieber. Aber habe nicht Kummer, zSach ist ihm recht, wenn es vielleicht schon einige Trümpfe laufen läßt, so des allgemeinen Brauches wegen.“ Und der Götti hatte recht.
Am Morgen schickte Gott gleich eine gute Gelegenheit. Die Kinder bissen und kratzten sich untereinander,es war ein allgemein Gebrüll und Eisi, das geputzt ausreutern wollte, kriegte Blut an sein schönstes Mänteli. Was das aufbegehrte! Da meinte der Götti:zsäme thüe die nit gut, was meinst, we me se e Stung vo ne nangere thät? Ihm wär's z'rechte, sagte Eisi,es wett es g'schäch no hüt. Selb syg nit wohl mügli,sagte der Götti, aber er well luege, öppis müß gäh,so chön mes nit wohl lah gah.
Die Kinder hatten auch nicht viel gegen die Entfernung, obgleich der Götti das Mittel, ihnen den Mund mit schönen Verheißungen recht süß zu machen,nicht anwandie. Mit solchem möge er nichts zu thun haben, sagte er. Man wisse nicht, was für Schaden [346]man damit anzurichten im Stande sei. Aber die Kinder hatten es wie die Israeliten. Wie diese in der Wüste nach den Fleischtöpfen Egyptens zurück sich sehnten, so die Kinder sich ins verlassene Haus, in die Welt zurück, wo das Leben größere Abwechslung gehabt, ihre Sinnlichkeit abwechselndere Nahrung gefunden hatte. Daß sie neue Kleider bekommen sollten,Hemder, Schuhe u. s. w., beschäftigte sie ebenfalls so,daß sie ans Scheiden nicht dachten. Zudem hat der Leser wohl bemerkt, daß die Gemüthsweise dieser Kinder nicht innige Zuneigungen zuließ, an Personen hingen sie nicht, doch von Personen verlangten sie viel,wie lieb ihnen auch die Gabe war, der Geber konnte ihrethalben gehen wohin er wollte. So ging eins nach dem andern an seine Bestimmung ab, ohne daß es mit Schmerz sich losriß, daher entstund durch dieses Scheiden nicht bloß keine Lücke, sondern es war, als wenn etwas unheimliches, störendes gewichen, als wenn nach sauerm Bysluf nur noch ein leiser milder Hauch durch die Blätter säusle. Ob es gelingen wird, die Kinder der Bahn zu entreißen, auf welche sie unwillkürlich durch die Eltern geführt worden waren und ihre Gemüther christlich umzugestalten, das weiß Gott.Was in der Mächt der Menschen liegt, das that der Götti und wird es ferner thun. Einen solchen Götti sollten viele Kinder haben, und allweg jede Waisenbehörde zu Stadt und Land den Sinn dieses Götti.Eines Abends saßen Götti, Gotte und die zwei Kleinsten vor dem Hause, es war Herbst, aber warm schien die untergehende Sonne, Obst hing an den Bäumen, hier und da hörte man einen Apfel zur Erde fallen uünd Jägerohren hätten das Gekäfel von Eichhörnchen gehört, die hinten im Baumgarten auf einem Birnbaum saßen und durch die süße Frucht sich gemüthlich zu den schwarzen Kernen bissen. Bloß der Blaß schien etwas davon zu merken. Vor der B'setze lag er im Grase, stund aber auf von Zeit zu Zeit,ging bedächtig einige Schritte dem Baumgarten zu,horchte auf, gab einige Laute von sich, kehrte dann [347] wieder und legte bedechti sich nieder. Auf der Kellerlehne saß der Maudi, schnurrte vergnügt, wenn aber der Blaß aufstund, so schwieg er und sah mitleidig nach dem dummen Blaß. Auf der B'setzi hielten Abendproinenade, gravitätisch und staatsmäßig, die Tauben,während oben unterm Dache sehnsüchtig ein Tauber girrte, umsonst jedoch, denn die Täschen unten stellten sich, als merkten sie das Girren nicht, als kümmerten sie sich um keinen Tauber. Die Täschleni, spazierten sie doch um des Taubers willen so kokett, drehten so graciös die Köpfchen zur Seite und trippelten dann wieder so zierlich hin und her, akkurat wie Töchter auf der Promenade.
Auf dem Bänkli saß der Götti und rauchte sein Pfeifchen, neben ihm saß der Bube und versuchte mit stumpfem Messerchen sich eine Pfeife zu schnitzen. Da saß auch die Gotte, rüstete späte Bohnen, denn dießmal war der Himmel Weibern und Mädchen günstig,noch hatte kein Reif Bohnen und Dahlien verblüht.Vot der Gotte auf kleinem Blöcklein saß das Mädchen, half der Gotte, hatte große Frende daran, wenn es einen großen ganzen Faden ab einer langen Bohne ziehen konnte und zeigte ihn dann dem Götti.
Aus dem Hause kam Eisi schön geputzt, ein Säckli in der Hand. „Wottsch no furt, sövli spät“, sagte die Gotte? Es hätte noch eine Verrichtung, sagte es, und wenn es nicht früh heim käme, so sollten sie seinetwegen nicht im Kummer sein; so sagte es und dahin ging es. Es ging so eine Mutter von den Kindern weg um das Hochzeit anzugeben mit einem neuen Männe, abzuschütteln die alte Last, ein neu Glück zu gründen, ein neu Leben zu beginnen, voll Jubel und Freude. Den Herrn hatte es erwählet, die andern scheinen eben nicht hitzig gewesen zu sein, nicht pressirt zu haben. Dem Glücke, eine Herrenfrau zu werden und mit ihrem Föösel in der Stadt zu leben, konnte Eist nicht widerstehen, nur daß wüßte es noch nicht recht, ob es sich städtisch wolle kleiden lassen, oder im Kiitel bleiben, sagte es. Den Schritt that es, ohne [348]dem Götti und der Gotte was zu sagen. Es hatte dem Herrn so viel vorgelogen, daß es so stark als möglich pressirte, von wegen es gibt allenthaiben böse Leute, die einem zböst reden, d. h. die Lügen an den Tag bringen. Während aber Eist so handlich gelogen,glaubte es doch alles, was der Herr seinerseits ihm vorlog, nach dem Sprüchwort, was man gerne glaubt,das glaubt man leicht.
Der Götti und die Gotte sahen Eisi betrübt nach,dann warfen sie einander einen langen Blick der Verständniß zu. Man braucht einem nicht Alles zu sagen und man weiß es doch. Ueber seine Angelegenheüen redete Eist mit den alten Leuten nicht, es hielt sich für viel zu hoch, herausgewachsen über ihren Horigont,sich für eine Tochter einer Zeit, welche die Auten nicht begriffen, es gehörte der modernen Bildung an. Die Alten aber hatten vernommen, was Eisi trieb und womit es umging und hatten lange Rath gepflogen, ob sie die Rede versuchen wollten oder nicht Sie waren einig geworden, sich in die Sache nicht zu mischen,wenn Eisi nicht davon anfange. Ihren Rath woilten sie nicht aufdringen, zudem kannten sie Eist gut genug um zu wissen, daß es keinen von ihnen annehmen vielleicht gar noch zum Gegentheil angetrieben werden werde. Sie waren nicht der Meinung, daß man in Allweg rathen solle, helfs oder helfs nit, nach dem lateinischen Sprüchwort: animam meam salvavi, d. h.damit man sagen könne: i Gotts Name, g'seit hätt ihs, aber uf mih g'loßt het me nit, jetzt mach es, was es well, aber cho klage solls m'r de o nit, selber tha,selber ha, heißt's de!
Sie hatten immer bereite Hände zum Geben, aber einen sehr bedächtigen Mund zum Rathen. Der Götti hatte dem Vogt einen Wink gegeben, was dieser daraus gemacht, wissen wir nicht.
Aber betrübt sahen sie der Mutter nach, die so leichtfertig den Gang ging, der sie von ihrem eigenen Fleisch und Blute weg in neue Verhältnisse, vielleicht in neues Elend, vielleicht in größeres Elend füͤhrte.
[349]Die Kinder ahndeten nichts, das Fortgehen der Mutter beschäftigte sie auch nicht; die Mutter hatte es dahin gebracht, daß die Kinder das Gehen und Kommen der Mutter kaum beachteten.
Sie setzten ihre Arbeit fort, bald mußte die Gotte die Pfeife bewundern, bald der Götti einen langen,langen Faden, und wenn sie es thaten, so hatten ihre Augen nie inniger über den Kindern geglänzt. J
Die Sonne war untergegangen, die Arbeit fertig geworden, am westlichen Hinmel glänzte, fast noch im Abendrothe, des Mondes junge Sichel, Planeten begannen zu flimmern, aus des Himmels unendlichem Grunde trat schüchtern ein Sternlein nach dem andern hervor, es war ein stiller schöner Gottes Abend, hie und da fiel ein Apfel, auf dem Birnbaum hörte man Eichhörne, aber in seinem Häuschen ruhte der laß.
Es ruhten die Messerchen der Kinder, an den Götti lehnte halb schlafend sich der Bube, des Mädchens Hände lagen in der Gotte Hände.
„Wey m'r öppe is Bett?“ frug sanft die Gotte.„Wie d'witt, sagte das Mädchen, aber wette m'r nit z'ersch no ume Aetti bete, d'r lieb Gott g'hörts villicht noch besser hie uße as dinne?“
„He ja, liebs Meiteli, bet,“ sagte die Gotte. „Was soll ih bete, frug das Meiteli, zUnser Vater oder der Glaube.“ „Was d'witt, sagte die Gotte, aber probir us d'r selber, wied scho es paar Mal probirt hesch.D'r Götti hilft de o, üs Brüderli.“
„Gotte ih schüche mih, sagte das Kind. Oder wottsch du o helfe?“ „Allweg“, sagte die Gotte.
Da faltete das Mädchen die Hände und betete leise über der Gotte Schoos: „O himmlischer Vater, mach'doch d'r Aetti selig u zMuetti u dGotte o u d'r Götti o un üs allisame. Ame.“
Da gabs ein heller Schein, man wußte nicht wars fernes Wetterleuchten, war's ein klein Meteor. Erschrocken frugen die Kinder, „was isch, was isch, wots donnere ?“[730]„Glaub nit, sagte der Götti. Es wird ech d'r lieb Gott blickt ha, daß er ech well selig machen un allisame, wenn d'r fromm blybet u geng betet.“
„O Gotte isch das ächt?“ fragte das Mädchen.
„Glaubs Kind, sagte die Gotte, u blyb es guts Meiteli, su fehlts nit.“
„Gotte, ih wott,“ antwortete das Mädchen, „un ih o“, sagte der Bube.p veit gäb, daß es so syg, antwortete der Götti,u so blyb.“Gut Nacht mit enangere! [] []
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- TextGrid Repository (2023). Swiss German ELTeC Novel Corpus (ELTeC-gsw). Der Geltstag, oder Die Wirtschaft nach der neuen Mode: ELTeC Ausgabe. Der Geltstag, oder Die Wirtschaft nach der neuen Mode: ELTeC Ausgabe. European Literary Text Collection (ELTeC). ELTeC conversion. https://hdl.handle.net/21.T11991/0000-001D-472C-1