geehrtes Schreiben vom 21sten
dieses Monats ist mir erst am 29sten zugekommen. Sehr
gerne ersehe ich, daß die Fakultät meine Habilitation
gestattet, und erkenne mit besonderm Dank die
zugestandene Aufnahme meiner Vorlesungen in den
Lektionskatalog. Ich werde mich, Ihrer Instruktion
gemäß, Mitte März in Berlin einfinden.
Inzwischen ist es mir sehr leid, daß Ewr
Wohlgeb. meine Bitte, um die nähere Bestimmung
der mir noch obliegenden Leistungen, nicht erfüllt
haben; da es mir keineswegs, wie Sie glauben,
gleichgültig seyn kann, solche jetzt, oder erst bei
meiner Ankunft zu erfahren. Wenn man eine
Vorlesung und eine Lateinische Rede zu Andrer und
eigener Befriedigung halten soll; so ist es, zumal
wenn man zum ersten Male in seinem Leben vor
einer Versammlung zu reden hat, nöthig, solche vorher
schriftlich aufgesetzt und hinlänglich durchgedacht zu haben.
Hier hätte ich jetzt dazu die schönste Muße. Hingegen
in Berlin, in den bedrängten ersten Tagen nach
der Ankunft, im Gasthofe, ohne Bücher, zerstreut
durch die Neuheit der Umgebung, abgehalten
durch zu machende Besuche, durch Logisuchen
und die erste nothwendige persönliche Einrichtung,
muß es außerordentlich schwer halten, die nöthige
äußere und innere Ruhe zu jenen Arbeiten
zu finden, und was ich in solcher Bedrängniß
hervorbrächte, könnte nie der Maßstab
seyn von dem was ich vermag. Noch früher aber
als Mitte März nach Berlin zu kommen, bin ich
nicht im Stande. Da ich nun nicht glaube, daß
Ewr Wohlgeb. mir meine Obliegenheiten zu
erschweren gesonnen sind; so sage ich, obgleich
ich einsehe, daß die Angabe jener Bestimmungen
Ihnen die Bemühung der Rücksprache mit denjenigen,
von welchen solche ausgehen, und auch eines zweiten
Briefes an mich zumuthet, dennoch die Hoffnung,
daß die Billigkeit meiner Bitte Sie bewegen
wird, mir noch mit ganz wenigen Worten anzuzeigen,
über welchen Gegenstand jene Vorlesung seyn
soll, oder ob ich denselben, was ich weit vorzöge,
selbst wählen darf, sodann auch, welche Form
und Inhalt die Lateinische Rede haben muß.
Ich würde darin einen außerordentlichen Beweis
Ihrer Güte und Gefälligkeit mit dem
aufrichtigsten Dank erkennen.
In jedem Fall werde ich Mitte März
die Ehre haben, Ihnen persönlich aufzuwarten,
verharre inzwischen mit der vollkommensten
Hochachtung
ergebener Diener
d. 31 Janr1820.
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- TextGrid Repository (2022). Goethes Farbenlehre in Berlin. Repositorium. 31. Januar 1820. Schopenhauer an Böckh. Z_1820-01-31_k.xml. Wirkungsgeschichte von Goethes Werk „Zur Farbenlehre“ in Berlin 1810-1832. Niedersächsische Staats- und Universitätsbibliothek. https://hdl.handle.net/21.T11991/0000-001C-1121-9