das (Königl.)Königliche Ministerium
der Geistlichen- Unterrichts- und
Medicinal-Angelegenheiten.
Durch ein hohes Rescript des (Königl.)Königlichen Mi-
nisteriums vom 1 (Nov.)November (vor.)vorigen Jahrs ist mir
gnädigst aufgetragen worden, gegen das
Ende des Monats März des (lauff.)lauffenden Jahrs, über
die, der hohen Anordnung desselben zu Folge,
von dem Dr. von Henning im verflossenen
Wintersemester über meine beyden Vorle-
sungen abgehaltenen Repetitionen,
Bericht zu erstatten, welchem gnädigen
Auftrage ich hiemit, nach soeben gemachten
Schlusse der Vorlesungen zu entsprechen
bemüht bin.
Ich kann hienach dem Dr. v. Henning das
Zeugniß meinerseits ertheilen, daß er
mit pflichtmässiger Pünktlichkeit, und wie
ich mich selbst überzeugt habe durch den Be-
such dieser Vorlesungen, mit vollkommener
Durchdringung der Materie, sowie mit Klar-
heit und Besonnenheit des Vortrags diese
Repetitionen abgehalten hat; von Seiten
der Zuhörer habe ich gleichfalls theilneh-
mendes Interesse, Fleiß und Aufmerksam-
keit wahrnehmen können. An die vortra-
genden Stunden, deren zwey er wöchentlich
auf jede meiner Vorlesungen, wie bisher,
gewendet hat, hat er ferner Conversato-
rien angeknüpft, mit der zweckmässigen,
eine grössere Zeitaufopferung erfordern-
den Einrichtung, daß er die Antheilnehmen-
den in mehrern Parthien von 4 oder 5 Studi-
renden theilte, und jeder wöchentlich beson-
dere Stunden der Unterhaltung widme-
te. Diese Thätigkeit, wie sie der hohen In-
tention des (Königl.)Königlichen Ministeriums, den
Anfängern das Verständniß der philoso-
[13v]phischen Wissenschaften zu erleichtern,
sich ganz entsprechend zeigen wird, möch-
te auch darum um so verdienstlicher er-
scheinen können, da Dr. von Henning als Pri-
vatdocent im verflossenen Semester zugleich
ein Privat- und ein öffentliches Collegium
gelesen hat.
Ich darf auch die gegründete Erwar-
tung aussprechen, daß derselbe1 die von dem (Kön.)Königlichen
Ministerium, in dem hohen Rescript, den
Lections-Katalog der Universität be-
treffend, für das bevorstehende Seme-
ster angeordnete Fortsetzung dieser Re-
petitionen mit gleichem Eiffer und mit
gleicher Wirksamkeit betreiben werde.
Ich kann dieser dem Studium der Philoso-
phie von dem (Königl.)Königlichen Ministerium ertheilten
Ermunterungen, deren er so sehr bedarf, nicht
anders als mit der ehrerbietigsten Aner-
kennung begegnen, und ich darf hinzufügen,
daß Dr. von Henning in dem von (Königl.)Königlichen
Ministerium ihm geschenkten Zutrauen und
der2 mit seinem Auftrage huldreichst ver-
knüpften Unterstützung die gnädigen
Gesinnungen Hochdesselben mit danker-
füllter Verehrung erkennt.
Indem das mehrjährige Verhältniß,
welches mir das hohe Ministerium zu
dem Dr. von Henning gegeben, mich in den
Stand gesetzt hat, andererseits die Wir-
kung zu beobachten, welche eine solche Gele-
genheit der Ausbildung und Einleitung
in das Docentengeschäft, wie die repetito-
rischen Vorträge sind, auf den Dr. von Hen-
ning selbst gehabt habe, so halte ich es für
meine Pflicht, in diesem meinem gehorsa-
[14r]men Berichte diese Seite nicht unbe-
rührt zu lassen. Ich erlaube mir hierü-
ber anzuführen, daß ich aus dem besagten
Verhältnisse die Überzeugung geschöpft habe,
daß es3 wohl keine zweckmässigere Veran-
staltung geben können, junge talentvolle
Männer, im philosophischen Fache vornem-
lich, zu Docenten zu bilden, als die repe-
titorischen Vorträge. Zu dieser Überzeu-
gung führte mich vornemlich die Be-
trachtung, daß solche Repetitionen den-
jenigen, der sie abhält, nöthigen, die Wissen-
schaft in ihrem Zusammenhange und Detail
durchzuarbeiten, ihm nicht gestatten, bey
dem bloß Allgemeinen, und in sogenann-
ten eigenen, zunächst unreiffen Vorstel-
lungen und Meynungen fest stehen zu
bleiben, - was bey der Philosophie ein so häuf-
figes Übel zu seyn pflegt, sondern ihn
vielmehr die Gründlichkeit und Freyheit
des Gedankens auf dem einzig rechten Wege,
nemlich mit der Bekanntschafft und dem Er-
gründen dessen, den Anfang zu machen, was
bereits geleistet ist, gewinnen lassen.
So ist es auch, um noch diese andere Wirkung
anzuführen, beynahe eine solche Veranstal-
tung allein, welche es einem Mitgliede der
Facultät möglich macht, an das (Königl.)Königliche Mi-
nisterium im vorkommenden Falle, ein nicht
bloß auf unbestimmter Vorstellung beruhendes,
sondern ein motivirtes Gutachten abzugeben4 über einen der vorhandenen Privatdocenten ab-
zugeben.
Von Dr. von Henning darf ich hier das
Urtheil niederlegen, daß derselbe über
das räsonnirende Denken in der Philosophie,
mit welchem es so leicht ist, sich die Meynung
und den Nahmen eines Philosophen zu erwerben,
hinauszukommen und zum speculativen
[14v]Philosophiren durchgedrungen ist, und daß
derselbe die besondern Wissenschaften dieses
Fachs in ihrem speciellen Inhalt und Zusammen-
hang durchgearbeitet hat. Dass er auch die
Kenntnisse empirischer Wissenschaften,
welche das bestimmtere Material für das Phi-
losphiren lieffern, besitze, zeigt derselbe
durch die Ankündigung von Vorlesungen
über die Farbenlehre für das bevorstehende
Semester. Die Klarheit, Besonnenheit und Be-
stimmtheit seines Vortrags habe ich oben er-
wähnt; ich glaube auch nicht unberührt lassen
zu dürfen, daß ich meiner Seits, in ihm einen
durchaus rechtlichen Charakter und gegen
die Allerhöchste Königl. Regierung und
die Gesetze, ehrerbietige und durch das Man-
nesalter, in welches er getreten, gereiffte
Gesinnungen und Grundsätze erkannt habe.
Ich erlaube mir nach allem diesen, gegen
das Königl. Ministerium die Ueberzeugung
auszusprechen, dass Dr. von Henning, der gnä-
digsten Berücksichtigung Hochdesselben für
einen Lehrstuhl der Philosophie auf einer
Königlichen Universität würdig wäre.
Eines hohen Königlichen Ministeriums gehorsamer gez. Hegel, Profesor p.o. der Philosophie, auf hiesi- ger Universität
- Holder of rights
- Niedersächsische Staats- und Universitätsbibliothek
- Citation Suggestion for this Object
- TextGrid Repository (2022). Goethes Farbenlehre in Berlin. Repositorium. 30. März 1822. Hegel an Kultusministerium. Z_1822-03-30_l.xml. Wirkungsgeschichte von Goethes Werk „Zur Farbenlehre“ in Berlin 1810-1832. Niedersächsische Staats- und Universitätsbibliothek. https://hdl.handle.net/21.T11991/0000-001C-172C-8