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Meine Farbentheorie hat noch keine, wenigstens keine lautgewordene Sensation gemacht, - wie der Stein im Sumpf keine Ringe: doch bin ich guter Dinge: denn das Aechte und Wahre schafft sich zuletzt immer Recht und Platz. Auch sehe ich doch schon jetzt wie dieser spitze Keil meiner Theorie der breiteren Masse Ihrer Farbenlehre die Bahn bricht, im Stillen gewiß sehr wirkt und allmählig Alles umstimmt, obgleich für jetzt man sich noch schämt Ihnen zuzurufen: pater, peccavimus! - Da hat z. B. die Leipziger Lit: Zeitg, welche im August 1815 so dummfrech, frevlerisch und vermessen über Ihr Werk in letzter Instanz den Stab brach, am 14ten Juli 1817, meine Sache vornehmend, ein Meisterstück in der einlenkenden Manier geliefert. Der Kerl windet sich, wie ein Wurm; weil er merkt wie es enden muß: er gesteht allmäh-[42]lig ein, ich hätte ganz und gar Recht in allen Stücken: nur meint er, Newton könne dabei doch noch bestehn, und redet noch immer, wiewohl ganz kleinlaut, von homogenen Lichtern: am Ende sagt er, daß wenn es auch gar noch dahin käme, daß auch Sie zuletzt Recht behielten, so hätten dann die Newtonianer sich damit zu trösten, daß sie doch bei allen Debatten immer fein höflich gewesen, wir aber sackgrob. Ein sauberes refugium bei einer faulen und schändlich geführten Sache! - Einliegend finden Sie das Werk eines von mir gemachten Proselyten, Ficinus Professor der Chemie an der hiesigen medizinischen Akademie: es ist der Artikel Farbe zum Wörterbuch der Physiologie und Medizin von [Pierer], im noch nicht erschienenen 3ten Band. Sie werden die Satisfaktion haben, auf diesen Bogen meine Theorie verbunden mit Ihrer Farbenlehre, die dadurch apriori demonstriert und begründet wird, als anerkannte Wahrheit vorgetragen zu sehn, und dahinter unsern Sir Isaak auf dem Armsünderstühlchen. Vielleicht ist dies das erste eigentliche Lehrbuch, was Ihre Lehre aufnimmt: aber die erste Festung eines zu erobernden Landes, die der Feind räumt und unsre Truppen besetzen, freut ungemein. Ich dächte meine Avant-garde von leichten Husaren verdiente eine Belobung, obgleich sie in Ihren physikalischen Heften keine erhalten hat. Inzwischen ergötzt sich meine kleine Eitelkeit nur daran, daß ich vorerst auf diesen, hoffentlich noch auf vielen Bogen, ein Plätzchen neben Ihnen habe auf dem Sitz, auf welchem fast anderthalb Jahrhunderte Sir Isaak so gar breit und bequem saß und sich adoriren ließ von der weiten Welt

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TextGrid Repository (2022). Goethes Farbenlehre in Berlin. Repositorium. 23. Juni 1818. Schopenhauer an Goethe. Z_1818-06-23_k.xml. Wirkungsgeschichte von Goethes Werk „Zur Farbenlehre“ in Berlin 1810-1832. Niedersächsische Staats- und Universitätsbibliothek. https://hdl.handle.net/21.T11991/0000-001C-0E6E-9