An
des (Königl.)Königlichen StaatsCanzlers Herrn
Fürsten von Hardenberg
Durchlaucht
hier.
Gnädigster und höchstgebietender Herr
StaatsCanzler!
Euer Durchlaucht werden vielleicht davon Kenntniß zu
nehmen geruht haben, daß im verwichenen Sommer
auf Befehl des damals bestandenen hohen Polizey-
Ministerii meine sämtlichen Papiere in Beschlag genom-
men worden sind, ich selbst aber am Tage darauf, als
der Theilnahme an staatsgefährlichen und aufrühreri-
schen Unernehmungen verdächtig, zur gefänglichen
Haft gebracht worden bin. Als einen besonders gün-
stigen Umstand, wofür ich mich dennden1 mit der Unter-
suchung gegen mich beauftragt gewesenen Herrn
Commissarien und den dieselben leitenden hohen Behör-
den, noch heute zu Dank verpflichtet fühle, muß ich es
betrachten, daß in einer so wichtigen und rücksichtlich der
gleichzeitig verhafteten und auch in der That mehr oder
weniger schuldig befundenen Personen, verwickelten
Sache meine Angelegenheit bereits nach Verlauf von
nicht ganz sieben Wochen, so weit ins Klare gebracht
worden war, daß ich, in Gemäßheit einer Verfü-
gung des hohen Ministerii des Innern als der
Theilnahme an jener verbrecherischen Handlungen
oder der Mitwißerschaft um solche, nicht schuldig
befunden, meiner Haft entlaßen wurde und seitdem
auch mit allem weitern, sowohl polizeylichen als ge-
richtlichen Anspruch verschont geblieben bin. - Wäh-
rend ich somit auf der einen Seite mich des Ausfalls
der gegen mich verhängten Untersuchung, besonders
in der Beziehung zu erfreuen habe, daß ich darauf
[1v]rechnen zu können glaube, in den Augen der hohen und höch-
sten Behörde des Staats, den ich als mein Vaterland liebe
und zu lieben nicht aufhören werde, nicht ferner als zu jenen
in feindseliger und gehässiger Richtung gegen den Staat und
seine Anordnungen begriffenen Menschenklasse gehörig,
zu erscheinen, - so hat es sich doch auf der andern Seite so gefügt,
daß die Folgen des, allerdings nicht ohne Grund gegen mich
entstandenen Verdachts, noch bis auf den heutigen Tag auf
eine so harte Weise auf mir lasten, daß ich mich dadurch
schmerzlicher gedrükt und im weitern Fortschreiten auf der
von mir betretenen wißenschaftlichen Laufbahn entschiedener
gehemmt fühle, als solches selbst bey Verhängung einer sehr
harten directen Strafe hätte geschehen können. Während es
nemlich, wie man mich versichert, vor meiner Verhaftung im ver-
wichenen Sommer, die ausgesprochene Absicht des HE: StaatsMinis-
ters von Altenstein Excellenz war, mich gegen eine meine Subsistenz
sichernde Remuneration, bey der philosophischen Facultät der
hiesigen Universität, und in specie für die philosophischen Vorlesun-
gen des Herrn Prof: Hegel als Repetenten anzustellen, oder,
insofern das Repetenten-Institut in der für dasselbe anfäng-
lich beabsichtigten weitern Ausdehnung nicht zweckmäßig be-
funden würde, bey Euer Durchlaucht ausnahmsweise zur An-
stellung in Vorschlag zu bringen - so ist, seitdem jene Untersu-
chung gegen mich völlig stattgefunden hat, nicht allein diese erfreuliche
Aussicht für mich völlig verschwunden, sondern es ist mir auch, was
das schmerzlichste für mich ist, eröffnet worden, daß die
weitere Verfolgung der academischen Laufnahn innerhalb
des preußischen Staats mir nicht könne gestattet werden.
Nach einer mündlichen Mittheilung des Regierungs-Bevollmäch-
tigten an hieseiger Universität, Herrn (Geh.)Geheimen OberRegie-
rungsRath Schultz, beruft diese von Seiten des Hohen Ministerii
des öffentlichen Unterrichts rücksichtlich meiner getroffenen Be-
stimmung, zunächst auf einer amtlich abgegebenen, gutachtlichen
[2r]Aeußerung des HErrn Ministers des Innern Excellenz, welche
dahin geht, daß ich der Theilnahme an gesezwidrigen Verbindun-
gen und Unternehmungen zwar nicht schuldig befunden worden
sey, daß sich im Laufe der Untersuchung indeßen immer so
viel ergeben habe, daß ich rücksichtlich der Art meines frühe-
ren Benehmens und meiner Gesinnung, mich nicht dazu eigne,
beim öffentlichen Unterricht beschäftigt zu werden. - Hier-
mit stimmt auch der Innhalt einer von des vorerwähnten Herrn
Staats Ministers Excellenz unterm 9n (Decbr:)December (v. J.)vorigen Jahres, auf mein Gesuch
um Ertheilung eines Zeugnißes über den Ausfall der ge-
gen mich stattgefundenen Untersuchung, erlassene Verfü-
gung, im Wesentlichen überein. -
Ich habe nun zwar, in der stillen Hoffnung, daß der üble
Eindruck den meine Persönlichkeit und dasjenige, was von mir
zur Sprache gebracht worden ist, erregt hat, durch ein nicht
nur streng gesezliches, ruhiges, und zu keinerley Beschwerde
Anlaß gebendes, sondern auch außerdem meinen Verhält-
nißen entsprechendes, angemessenes Betragen, mit der
Zeit sich wieder verlieren werde, bisher vor wie nach
meinen Studien mit Eifer obgelegen, und außerdem durch
privatim, jedoch mit Vorwißen und Zustimmung des Herrn
RegierungsBevollmächtigten, nunmehr im 3n Semester fort-
gesetzte, unentgeldliche Repetitorien über die Vorlesungen
des Herrn Profeßor Hegel meinen guten Willen, an der
wißenschaftlichen Ausbildung der hiesigen Studirenden nach
meinen geringen Kräften nützlichen Antheil zu nehmen, mich
bemüht, - gleichfals bleibt es mir dabey immervon der
größten Wichtigkeit, nunmehr durch einen Ausspruch der
höchsten Behörde, die mir dis jetzt verschloßene Aussicht,
für mich wieder eröffnet zu sehen, demnächst im prußi-
schen Staate, den ich der Gesinnung nach nie verlaßen
kann und für den ich, wenn der Fall einträte, wie schon
{Einmal} mit Freuden nochmals die Waffen tragen würde,
dem Berufe eines academischen Lehrers mich widmen zu dürfen.
Ich erlaube mir deshalb an Euer Durchlaucht vertrauensvoll
in meiner Bedrängniß mich zu wenden, nicht in der Absicht
über erlittenes Unrecht oder auch nur über unbillge Härte ir-
gend einer hohen Behörde Klage zu führen, welches dem wah-
ren Sachverhältniß nicht entsprechend und in jeder Hinsicht un-
angemessen seyn würde, sondern um von Höchstdenselben das
offene und ungeheuchelte Bekenntniß abzulegen, daß ich mich
selbst udn mein früheres Benehmen, als einzige Ursache des
Ungemachs das mich betroffen, und dessen Folgen noch auf
mir lasten, betrachte und damit die ausdrückliche und unter-
thänigste Erklärung zu verbinden, daß ich durch mancherley un-
besonnene, und unangemeßene Reden, zumal während mei-
nes früheren Aufenthalts in Erfurth, - sowie auch durch den
Umgang mit Personen, die auf den der als ihr Genosse er-
scheint, ein übles Licht zu werfen geeignet sind, allerdings mir
die wohlbegründete Unzufriedenheit der höchsten Staatsbe-
hörden zugezogen und zu dem gegen mich entstandenen Ver-
dacht genugsam Veranlaßung gegeben haben mag. - Ob und
wieviel ich durch jene frühere, Unzufriedenheit mit der
Gegenwart verrathenden und leidenschaftlichen Reden, wirk-
lich geschadet, darüber dürfte der Natur der Sache nach,
nicht mit Bestimmtheit zu entscheiden seyn, und ich will mich in
dieser Hinsicht weder anklagen noch vertheidigen, so viel
dürfte indeß, wie ich mich beim ruhigen Nachdenken und
durch die Betrachtung deßen, was geschehen ist, belehrt,
genugsam überzeugt haben, außer Zweifel bleiben, daß
durch dergleichen wüstes und unverständiges Gerede, zu-
mal wenn es unter der Jugend zur (allgem:)allgemeinen Sitte wird,
allerdings sehr viel geschadet werden kann und in der
That auch geschadet worden ist. - Ich sehe desfals wohl
ein, daß es dem Staate und seinen höchsten Behörden
[3r]auf alle Weise darum zu thun seyn muß, jener, hin und
wieder durch unbesonnene Lehrer noch genährten, ver-
derblichen Richtung der Jugend entschiedenen Einhalt zu
thun, und daß zumal solche, die das Geschäft eines öffentli-
chen Lehrers sich zu ihrem Lebenslauf erwählt haben, nicht
darauf rechnen dürfen von Seiten des Staats hiebey
eine Unterstützung oder auch nur die Erlaubniß zu
erhalten, jenem wichtigen Beruf durch öffentliche Thä-
tigkeit sich zu widmen, bevor sie sich nicht auf eine un-
zweideutige und genügende Weise über die Reinheit ih-
res Wandels, wie ihrer Gesinnung ausgewiesen haben. -
In sofern da wo durch das frühere Benehmen und die frü-
hern Aeußerungen eines, noch in seiner Ausbildung
begriffenen, jungen Mannes, in der vorgedachten Be-
ziehung gerechte Bedenken gegen ihn entstanden sind,
das offene und unumwundene Eingeständniß begange-
ner Fehler, das erste Erforderniß seyn dürfte um ihm
Verzeihung angedeihen zu laßen, und ihm die weitere
Verfolgung der erwählten Laufbahn zu getsatten, so
darf ich mir vielleicht schmeicheln, durch das obige einfache
Bekenntniß, jener Erforderniß bey euer Durchlaucht
genügt zu haben und damit die unterthänigste Versiche-
rung verbinden, daß ich, weit entfernt eigensinnig auf
einem frühern Standpunct höchst mangelhafter Einsicht
zu verharren, mich vielmehr auf das eifrigste bemüht
habe mir eine beßere Erkenntniß zu erwerben und,
nicht sowohl durch äußere Noth gedrängt, als vielmehr
durch stilles und anhaltendes Studium, durch den fortge-
setzten Besuch jener philosophischen Vorlesungen in de-
nen eine andere Lehre als die eines HE. Fries und sei-lb/>ner Gesietsverwandten vorgetragen wird, so wie
auch endlich durch die persönliche Zurechtweisung von mir
[3v]hochverehrter Männer belehrt, bereits zu gediegenerer und
mit dem Interesse und den Principien des Staats und der
Öffentlichen Ordnung durchaus übereinstimmender Ueber-
zeugung und wißenschaftlicher Erkennntiß gelangt zu
seyn hoffen darf.
Unter solchen Umständen und in der freudigen Hoffnung,
daß nachdem die Gerechtigkeit und eine väterliche Zucht
an mir geübt worden, nunmehr auch der Milde, zu der
Euer Durchlaucht sich ja nicht minder so vielfältig geneigt
und bereit erweisen haben, in Beziehung auf mich, Raum wer-
de gegeben werden, wage ich es Höchstdenselben, un-
terthänigste Bitte vorzutragen:
Höchstgeneigtest dem hohen Ministerio des öffentlichen
Unterrichts p die Eröffnung zugehen zu laßen, daß
kein weiteres Bedenken obwalte, mich, in sofern ich
wißenschaftlich qualificirt befunden werde, zu
seiner Zeit versuchsweise und auf Widerruf beim
öffentlichen Unterricht in der akademischen Lauf-
bahn zu beschäftigen - mich selbst aber, von dem
was Höchstdieselben zu beschließen geruhen wer-
den: zu meiner Beruhigung, demnächst gnä-
digst in Kenntniß zu setzen.
Gesuches vertrauensvoll entgegensehend, verharre ich
ehrfurchtsvoll
Euer Durchlaucht
unterthänigster
Wilhelmstr. (N.)Nummer 71.
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- Niedersächsische Staats- und Universitätsbibliothek
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- TextGrid Repository (2022). Goethes Farbenlehre in Berlin. Repositorium. 30. Mai 1820. von Henning an Hardenberg (Abschrift). Z_1820-05-30_k.xml. Wirkungsgeschichte von Goethes Werk „Zur Farbenlehre“ in Berlin 1810-1832. Niedersächsische Staats- und Universitätsbibliothek. https://hdl.handle.net/21.T11991/0000-001C-117B-5