✍Im Fortgange der Finger-
bewegung setzt sich diese
Figur vom Einfachen zum Man-
nigfaltigen immer mehr zu-
sammen und erfüllt das
ganze Gesichtsfeld (Fig. 1. 2. 3. 4.)
ibid. p.
12.[S.
121 Im Allgemeinen unter-
scheide ich in der ganzen Figur
primäre Gestalten und secun-
däre; jene bilden den Grund
des Ganzen, diese das Auf-
getragene.
Die primären Gestalten sind
größere und kleinere Viereck-
chen (Fig. 2.) abwechselnd licht
und schatticht, die den größten
Theil des Gesichtsfeldes gleich
einem {Schachbrete} überziehen.
An den Gränzlinien des
Viereckchen bilden sich längere
und kürzere etwas lichtere
Zikzaklinien, die bald da bald
dort entstehen und wieder
vergehen. Abwärts vom Mit-
telpunkte, der sich übrigens
durch ein dunkles Tüpfchen
mit lichtem Scheine auszeichnet,
ist bei mir eine Strecke größerer
Sechsecke sichtbar, deren Gränz-
[20v]linien grau, Inhaltsflächen weiß
sind. Vom Mittelflecke links
nach unten bilden sich an den
Viereckchen feine, lichte an ein-
andergesetze Halbkreislinien,
deren Reihen die Richtung im-
merfort abändern, man könnte
sie einem Baumschlage oder
einer vielblättrigen Rose ver-
gleichen.
p.
14.[S.
142 Um diese Figur unver-
mischt mit der secundären
und gleichsam in abstracto zu
bekommen, richte man das offene
Auge gegen eine lichte Fläche,
z. B. gegen den gleichmäßig
überzogenen Himmel oder gegen
eine große weiße Wand,
und fahre vor demselben mit
den gestreckten etwas von
einander gespreizten AugenFingern3 hin und her. Weniger
deutlich erscheint sie bei ge-
schlossenen Augen im Sonnen-
lichte; hier spielenwo4 die secun-
dären Figuren die [Hauptrolle]
spielen.5
Wenn auf dem
Scheines6
15[S.
157 Das Würfelfeld erscheint
ziemlich deutlich wenn auf
der Scheibe eines Schwung-
rades weiße und schwarze
Segmente in beliebiger
Zahl mit einander abwechseln.
Je enger sie sind, desto
weniger schnell braucht die
Scheibe gedreht zu werden.
Die allgemeine Bedingung
ist also ein schneller Wechsel
von Licht und Dunkelheit in
der Gesichtssphäre; je greller
diese miteinander abwech-
seln, desto lebhafter die Er-
scheinung.
Die secundären Figuren
erscheinen bey offenem Auge
undeutlich, dagegen desto
deutlicher bey geschlossenem
im Sonnenscheine, wo hin-
wiederum die primären
zurücktreten. Ich unterscheide
zwey Hauptmodificationen
der secundären: ein Schnecken-
Rechteck und einen Acht-Strahl.
[21v](Das Phänomen und die Art
es hervorzubringen wird
näher beschrieben und mit
Figuren erläutert.)
[S. 22. Ferner muß ich erwähnen,
daß die beschriebenen Figuren,
vorzüglich die Viereckchen von
den meisten Individuen mit
denen ich den Versuch machte,
so weit eine unvollkommene
Mittheilung durch Worte
ohne Zeichnung möglich war,
bemerkt wurde.
Sie kämen also nicht blos
einzelnen Individuen unter
durchaus speciellen organischen
Verhältnissen zu, sondern
wären in allgemeinen Be-
dingungen des Organismus
oder gar in den aller Materie
zukommenden physischen Gesetzen
gegründet.
(5)8
✍II.
p.
22.9Die Druckfigur des Auges.
[22r][S. 22.10 Wenn ich das geschlossene
Auge mit, in eine Prise zusam-
mengeneigten, Fingerspitzen
nächst um die Cornea ge-
linde und gleichmäßig drücke,
so erscheint zuerst in der
übrigens finstern Gesichts-
sphäre ein schwach däm-
mernder breiter Ring in
der Mitte, der immer
sichtbarer wird, und aus
keinenkleinen11, mehr oder weniger
lichten und dunklen Vier-
ecken besteht (Fig. 5) deren
Reihen schief von unten
links nach oben rechts lau-
fen. Der äußere Um-
riß des Ringes nähert
sich einer aufrechtstehen-
den Raute.
p. 49. Die experimentale Kunst in
so ferne sie subjective Phäno-
mene zum Gegenstande hat,
ist noch in ihrer Kindheit,
und es gelten hier indeß
nur die Regeln, die auch
sonst in der Therapie, die
übrigens auf gleichen We-
gen wandelt, gegeben wer-
den, nämlich mit den gering-
sten Graden anzufangen,
gehörig auszusetzen, die
Folgen zu beobachten, und
nur allmählig fortzuschrei-
ten, bis zu dem Puncte,
wo die Erscheinung nicht
mehr weiter sich entwickelt,
oder wo überhaupt die
Gränze aller Empfindung
ist und Bewußtlosigkeit
einzutreten droht, oder wo
die Höhe der Empfindung den
erprobten Spielraum der
Ausdauer übersteigen will.1
IV.
Die galvanische Lichterschein-
ung.
p. 50. Ermuthigt durch die eben
vorgetragenen Beobachtungen,
traute ich mir die Vorübung
zu, auch in dem galvanischen
Lichtscheine irgend eine bestimm-
te Configuration zu bemerken,
p. 53. Die Erscheinung zeigt also
nicht blos einen Lichtgegensatz
im Verhältniß zu der gal-
vanischen Säule, sondern
innerhalb des Auges selbst
steht die Eintritts Stelle des
Gesichtsnerven, mit dem Puncte
der Augenachse, und noch einem
anderen unter dem Bogen
nach außen im Gegensatze.
V{
p[S12. 57. Wandelnde Nebelstreifen.
Wenn ich die Finsterniß
des gegen alles äußere Licht
wohlverwahrten Auges fixi-
re, so beginnen bald früher
bald später schwach aufdäm-
mernde zarte Dunstgebilde
darin sich zu bewegen; an-
fangs unstät und formlos,
bis sie sich nach und nach be-
stimmter ausbilden.
p[S13. 59. 1) in der Mitte einen schwa-
chen Schein, (Fig. 17) der in
einer Centripetalbeweg-
ung begriffen, bald ver-
schwindet.
[14 (desg)desgleichen. Um diesen herum ist ein
schwarzer Ring nach außen
mit mattem Lichte begränzt,
dieser bewegt sich eben so
gegen die Mitte zu, und er-
setzt bald die Stelle jenes
Scheines als ein schwarzer
runder Fleck; schon hat sich
[24v]p[S15. 60. um diesen wieder ein lich-
ter Ring gebildet, der mit
einem finstern Walle
umgeben ist, der wieder
einen schwachen Schimmer
zur äußeren Begränzung
hat.
So folgen sich dunkle
und lichte Ringe von aussen
nach innen und werden
vom Mittelpuncte ver-
schlungen.
2) Ein andermal kömmt
das Licht von oben als ein
breiter horizontaler
Lichtstreifen, (Fig. 18) der,
wie er gegen den Mittel-
punct kömmt, die Enden
herabbeugt, und nun nach
unten, zu einer einzigen
Lichtmasse sich vereinigt
die sich nun wieder gegen
den Mittelpunct bewegt,
und in ihm verschwindet;
ein ähnlicher aber schwar-
zer Streifen folgt dem
vorigen gleichen Weges
[25r]nach und verschwindet
eben so; dasselbe gilt
wieder von seinem lichten
Nachfolger u. s. f.
p[S16. 61. 3) Diesem Falle analog
sind andere, wo die lichten
und dunklen Bänder ent-
weder von unten hinauf,
oder von den Seiten
schräg und quer über sich
bewegen.
4) Eine andere Form
dieser Erscheinung be-
steht aus zwey vom Mit-
telpuncte ausgehenden
nach entgegengesetzten
Richtungen gekrümmten
Bändern, die sich im
Kreise drehen.
p[S17. 62. Die beschriebenen Figuren
gehören meinem rechten
Auge zu, weil mein linkes
etwas schwachsüchtigschwachsichtig18 diese
zarten Erscheinungen
nicht bemerken würde.
VI.
Lichterscheinung im ver-
dunkelten Gesichtsfelde mei-
nes rechten Auges, bey ver-
mehrter Thätigkeit des
linken.
[26r]p[S19. 63. Wenn ich bey hellem Tage
eine viertel bis halbe Stunde
im Freyen stark gegangen
bin, und ich trete plötzlich in
einen finsteren oder we-
nigstens stark verdun-
kelten Raum, so wallt
und flackert im Gesichts-
felde ein mattes Licht gleich
der auf einer horizontalen
Fläche verlöschenden Flam-
me von ausgegossenem
Weingeiste, oder gleich einer
im Finstern schwach flim-
mernden mit Phosphor be-
strichenen Stelle. Bey schär-
ferer Betrachtung bemerke
ich, daß der flackernde Nebel
aus unzählbaren, äußerst
kleinen unregelmäßigen
[26v]lichten Pünktchen besteht,
die sich in verschiedenen
krummen Linien unter
einander bewegen, sich
bald da bald dort anhäu-
fen, unbestimmt begränz-
te Flecke bilden, die sich
wieder zertheilen um
sich anderwärts zu ver-
sammeln; jeder bewegte
Punct läßt eine lichte
Spur seiner Bewegung
hinter sich, welche Spuren
sich mannigfaltig durch-
scheinend Netze und Stern-
chen bilden; so wimmelt
es eine große Strecke im
Innern des Gesichtsfeldes
und hindert das deutliche
Sehen. Am ähnlichsten die-
ser Erscheinung ist das
GewimmerGewimmel20 der sogenannten
Sonnenstäubchen.
VII.
Aufspringende Lichtpünct-
chen beym Anschauen einer
hellen Fläche. Von selbst
entstehende Lichtflecke im
Gesichtsfelde.
[27r]p[S21. 67. Wenn ich auf eine große
etwas blendende Fläche starr
hinsehe (z. B. auf den
{gleichmäsig} mit Wolken
überzogenen Himmel,
oder nahe in eine Ker-
zenflamme,) so springen
in einigen Secunden wie-
derholt in der Mitte des
Gesichtsfeldes lichte Puncte
auf, die, ohne ihre Stelle
geändert zu haben, schnell
wieder verschwinden und
schwarze Puncte zurücklassen
die eben so schnell wieder
vergehen.
p. 69. Aehnliche Puncte, jedoch grö-
ßer und leuchtender, werden
manchmal beym gewöhnlichen
Sehen, selbst im Finstern,
[27v]einzeln gleich Meteoren
sichtbar, verschwinden plötz-
lich und lassen einen Fleck
zurück der vor einem
weissen Grunde gelblich
erscheint und das deut-
liche Sehen hindert.
VIII.
Die Eintrittsstelle des
Sehnerven.
[28r]Mariottes Versuch über
das Verschwinden einzelner
Bilder an dem der Eintritts-
stelle des Sehnerven ent-
sprechenden Orte des
Gesichtsfeldes, ist hinläng-
lich bekannt und von Ber-
noulli und Euler mit ma-
thematischer Präcision
erörtert. Ich habe ihn
oftmals wiederholt
und mich dadurch erst im
innern Sehraume des
Auges orientirt. Ich muß
ihn in Erinnerung bringen,
weil ich mich an mehreren
Stellen auf ihn beziehe.
Sehr bequem kann man
den Versuch auf folgen-
de Weise wiederholen.
IX.
Verschwinden der Objecte
außerhalb der Eintrittstelle
des Gesichtsnerven.
[29r][29v]X.
Die Eintrittsstelle des Gesichts-
nerven als feuriger
Kreis sichtbar.
[30r]p 79 Wenn ich das Auge wohl
bedecke und es schnell und
kräftig gegen den äussern
Augenwinkel drehe, so er-
scheint im finstern Gesichts-
felde seitwärts nach au-
ßen ein großer leuchten-
der Ring. (Fig. 21.) Sein
Licht ist im beständigen Flim-
mern begriffen, so wie
sein innerer Raum sich
wechselsweise verringertver-engert22 und erweitert
wie das schwer zu halten-
de Auge immerfort nach
innen abweicht und
schwanckt.
p. 81. Sein Licht leite ich ab von
der plötzlichen Zerrung des
Gesichtsnerven, die vorzüglich
bey der Wendung nach außen
statt finden muß, da sein Ein-
[30v]tritt an der entgegenge-
setzten Seite sich befindet.
Diese Zerrung erregt in
der Substanz des Nerven
elektrische Gegensätze, und
mit ihnen Lichtentwicklungen,
die entweder durch einen
größeren oder kleineren
Theil der Netzhaut sich
verbreiten, oder blos auf
den Rand der Eintritts-
stelle des Nerven beschränkt
sind, und dort wo sie ent-
stehen auch empfunden wer-
den.
Wenn diese mehrmal
erwähnte Ansicht von
elektrischen Entladungen
innerhalb der Nerven-
substanz, und ihrer Sichtbar-
keit wahr ist, so wäre
damit ein Blick gethan
in das Innere der sich
im Raume verbreitenden
Electricität. Denn es liegt
in der Natur des Gesichts-
[31r][sinnes] daß, was wir mit dem
anderen nur mühsam von
Stelle zu Stelle zu messen
im Stande sind, und durch
diesen mit einem Schlage
in seiner ganzen Gleich-
seitigkeitzeitigkeit23 gegeben wird.
XI. Der Lichtschein an der Ein-
trittsstelle des Gesichts-
nerven.
[32r]p. 84. Es scheint, daß die Chorioi-
dea nicht um der Lichtem-
pfindung willen da sey,
sondern um das im Durch-
sichtigen, selbst in der
Nervenhaut ins Unbestimm-
te sich verstrahlende Licht
zu beschränken, und hie-
mit die Bilder erst mög-
lich zu machen. Wo diese
fehlt, dort wird wohl
Lichtempfindung statt haben,
nie aber sich ein Bild ge-
stalten. Um diesen
Gegenstand näher zu
erforschen, nahm ich
einen brennenden Wachs-
stock um die Flamme so
klein als möglich zu haben,
und brachte diese mit
ausgestreckter Hand,
in den der Eintrittsstelle
[32v]des Gesichtsnerven ent-
sprechenden Ort des Gesichts-
feldes. Die Flamme ver-
schwand sogleich und inan24
ihrer Stelle ward ein
schöner rother Nimbus
zu sehen. Dieser Nimbus
ist vollkommen gleich-
förmig, sobald man
aber die Lichtflammen
nur etwas seitwärts
oder aufwärts nach
aussen verrückt, so
entsteht sogleich an
der entgegengesetzten Seite
eine schwarze Lücke in
ihm, die sich {barabolisch}
aufwärts, abwärts
[oder] seitwärts aus-
breitet, und an ihren
Rändern mit dem Scheine
der Flamme begränzt
ist. Führe ich die Flamme
in einem kleinen Kreise
herum, so bewegt sich
[33r]eben so gegen ihr über
jene Schattenlücke mit
ihren Lichtgränzen
herum.
p. 86. Der rothe Nimbus ist
dadurch begränztbedingt25, daß
das ins Innere des Ner-
venmarkes eindringende
Licht in ihm als einem
halbdurchsichtigen Mittel
getrübt würdewird26. Auf
gleiche Weise erscheint
ein Licht roth, wenn
es durch Porzellän oder
durch mehrfache Perga-
mentblättchen gesehen
wird.
XII.
Die Lichthöfe.
[34r]p. 87. Die subjectiven Höfe um Licht-
flammen, und um andere stark
beleuchtete Bilder auf dunk-
lem Grunde, so auch das Brei-
terwerden des lichten Bil-
des selbst, wäre ich geneigt
an obigen Nimbus zunächst
anzureihen. Ich betrachte
die Nervenhaut als ein trü-
bes Mittel dessen Trübheit
durch die Discontinuität
der Markkügelchen bedingt
ist, welche, obwohl einzeln
durchsichtig, dennoch durch
die vielfache Reflexion an
ihren Oberflächen die In-
tension des durchgehenden
Lichtes schwächen, seine Qua-
lität ändern daß es farbig
wird, und seine Richtung
vielfach ableiten, so daß
nach denselben Gesetzen wie
außerhalb des Organismus,
in einem vor einem Lichte
[34v]schwebenden Dunste oder in
p. 88. einem weißen Glase bald
ein lichter Schein allein, bald
mit farbigen Rändern er-
scheint, nur mit dem Un-
terschiede, daß in der Netz-
haut alle Modificationen
des Lichtes eben dort wo
sie entstehen auch empfun-
den werden.
Daß übrigens ähnliche Höfe
auch durch Trübung der übrigen
Medien des Auges entstehen
können versteht sich von
selbst.
(Hier ist wohl billig dessen
zu gedenken, was Goethe
in den Entwurf der Farbenlehre
in der ersten Abtheilung über
physiologische Farben über-
haupt, besonders aber § 392327.
(u. f.)und folgende vom gesunden [Auge]
§. 12912128. u. s. w. umständlich an-
gezeigt hat.)2
XIII.
Die Aderfigur des Auges.
[35r]p[S29. 89. Die oben erwähnten Lichthöfe
dienen mir, um im Inneren
des Auges eine Figur zu
entdecken die ich ihrer Con-
formation wegen Ader-
figur nenne.
p[S30. 91. Ihrer Conformation nach
muß ich sie für das Bild
der Centralvene halten,
obwohl ich bis jetzt auf keine
Weise in ihr eine Blutbe-
wegung bemerken konnte.
(Hier ist folgende Erfahrung
einzuschalten. Ich lag fieber-
haft leicht afficirt in einem
{dammernden} Zimmer, nahe
an einer grünlichen Wand ge-
gen sie gekehrt und bemerkte
ganz deutlich in einem Kreise
heller als die übrige Fläche
ein dunkeleresdunkleres31 Geflechte
welches ich vergleichen möchte
einem sceletirten Apfel von
[35v]Fleisch entblöst mit übrig ge-
bliebenen festen Fasern wie
sie der Naturforscher in
den Spiritus aufhebt um in32
die innere Bildung der Früchte
vor Augen zu bringen. Das
Geflechte schien mir röthlich
welches ich für die geforderte
Farbe der grünen Wand hielt;
diese Erscheinung dauerte
lange und wiederholte sich
nach einigen Tagen[.]
S. 103. Das Blendungsgebild
verhält sich gegen das äußere
Licht wie ein trübes Mittel was
aber in gehöriger Finsterniß
selbst leuchtend ist.
(Durch das Beyspiel des
geistreichen Verfaßers auf-
geregt gedenken wir einer
freylich weitliegenden Analogie.
Wir finden den Kindern Isra-
el in der Wüste bey Tage eine
Wolke, und bey Nacht eine Feu-
ersäule erscheinen und glau-
ben hier ein trübes Mittel
zu sehen dessen Phosphores-
cenz zu bemerken das Tages-
licht nicht erlaubt)
XV.
Trübe Streifen beym Anschau-
en Paralleler Linien.
[36r]p. 112. Schon seit geraumer Zeit
bemerkte ich, wenn ich ein
genau angeführtes {Paralel-
linienfeld} in einem Kupfer-
stiche fixirte, ein {unbestim-
tes} Flimmern darin, und
wenn ich das Blatt vor oder
rückwärts oder um einen
Mittelpunct hin und her
bewegte so wurde Strei-
fenweise das Sehen getrübt,
und die einzelnen Linien
ununterscheidbar, und zwar
waren bey horizontalen
Linien die Streifen eben-
falls horizontal aber et-
was {unregelmäsig}, bey
senkrechten senkrecht, bey
consentrischenconzentrischen33 Kreislinien
liefen sie als schattigtigteschattigte34
Segmente je nach dem das Auge
oder das Blatt bewegt
wurde im Kreise hin und her.
pag. 11735 Der objective Grund sind
[36v]wohl die einander über-
pag. 118 greifenden Lichtkegel hinter
dem Brennpuncte der Kry-
stalllinse. Auch ist zu bemerken,
daß die hier vorkommenden
Nebenbilder eine gleiche Eigen-
schaft wie die BlendungsbilderBlendbilder36
haben, indem sie das mit Weis
bedeckte Schwarze bläulich
das mit Schwarz bedeckte
Weise gelblich erscheinen
lassen. Eben so brachten
gelbe und blaue Streifen
durch Deckung der Nebenbilder
Violett und Grün hervor.
Es ist also die Stelle der
Netzhaut wo ein Nebenbild
sich malt und37 noch immer
zugänglich für äußere
Gegenstände, nur mit ver-
änderter Empfindlichkeit.
Zunächst hieher gehört
wohl auch folgende Erschein-
ung. Wenn man einen Kamm
mit seinen Zähnen nahe am
Auge haltend gegen eine
zu Caput XV.
pag. 118. hellweise Fläche sieht so er-
scheinen zwischen den einzel-
nen schwach sichtbaren Zähnen
sehr feine mit ihnen paralell-laufendeparallel-laufende38 schwarze und weisse
p. 119. Linien, man mag die Zähne
in welche Lage immer brin-
gen. Hier mag wohl ein
ähnlicher objectiver Grund
statt finden, nur daß hier
die Lichtkegel wegen der
Nähe des Gegenstandes
noch vor dem Brennpuncte
auf die Netzhaut fallen
und einander mehrfach
übergreifen. Uebrigens
läßt sich vermuthen daß
die Schichten der Krystall-
linse in beyden Phänome-
nen Einfluß haben.
XVI.
Zigzagförmiges Gewimmel
nach Anschauung von
Parallellinien.
[39r]p. 119. Wenn ich auf einem Kupfer-
stiche kräftig gezeichnete
Parallellinien fünfzehn
bis zwanzig Secunden starr
ansehe, und dann das Auge
schließe, so erscheint an
p. 120 deren Stelle ein Gewimmel
von unbestimmten lichten
und schattigen Zigzaglinien,
die in senkrechter Richtung
gegen die früher {angestar-
ten} Linien wogenförmig
durch einander laufen. Die-
ses Gewimmel dauert et-
was kürzer als das erste
hinsehen, wird allmählig ru-
higer und gleichmäsig grau,
bis endlich die Blendungsbil-
der der schwarzen und
weisen Striche sich zeigen.
Sind die schwarzen Linien
[39v]dünn und die weisen Inter-
valle weit auseinander;
so erscheinen die Blendungs-
bilder bey Schließung der
Augen sogleich, ohne dieses
Gewimmel.
Die schwarzen Streifen
müssen nahe und von glei-
chen Breiten mit den weissen
Intervallen seyn. Uebri-
gens versteht es sich daß
dasselbe erscheint, wenn
man das Auge, statt es
zu schliessen gegen was
immer für einen entwe-
der gleichförmig weisen
oder sonst gefärbten Grund
hinwendet. Bis jetzt ist
mirs noch auf keine Weise
gelungen dieses Phänomen
abzuleiten; obwohl ich nicht
zweifle daß es nur eine
Modification der Blendungs-
bilder ist. Eine Hauptbe-
[40r]dingung dabey ist daß die
Linien an einander sehr
nahe stehen. Dieser Um-
stand dürfte wohl am ehe-
sten zur Lösung des Pro-
blems leiten. Wahrschein-
lich ist es mir daß sich
dieses Gewimmel auch
den Licht und Schattenwech-
sel zwischen den Blendungs-
bildern und ihren Scheinen
reduziren lasse.
XVII.
Verwandlung {paraleller}
gerader Linien in
wellenförmige.
[41r]p. 122. Noch bemerkt man beim
angestrengten Anschauen
der Parallellinien auf
dem Kupferstiche ein
Flimmern in denselben
welches näher betrachtet
in einem theilweisen
Aneinandernähern und
Entfernen derselben
besteht, so daß die
Linien wellenförmig
erscheinen.
Das Wesen dieser
Erscheinung liegt zum
Theile in der Perspecti-
ve, zum Theil in den
Blendungsbildern.
XVIII.
Willkürliche Bewegung
der Pupille.
[42r]p. 123. Bisher hat man die Be-
wegungen der Pupille, au-
ßer einzelnen Ausnahmen,
für unwillkührlich gehal-
ten. Mir ist es gelungen
dieselben auf folgende
bestimmte Weise der
Willkühr zu unterord-
nen.
p. 124. Ich beobachtete, daß, wenn
ich durch ein Doppelfenster
sehend, den Blick auf zwey
Körnchen in der Glas-
masse die in gerader
Linie hinter einander
standen, wechselsweise
heftete jedesmal ein
Körnchen um das andere
undeutlich wurde, das
Entferntere beym Sehen
auf das nähere, das
{nahere} beym Sehen auf
das entferntere. Um
[42v]dabey die Bewegungen
des Auges zu beobachten
nahm ich eine Glasscheibe
mit einem Körnchen
und hielt sie vor einem
Spiegel, in dem ich ebenfalls
eine Stelle mit einem
Puncte bezeichnete. Rückte
ich nun das Körnchen,
den Punct und das Bild
der Pupille im Spiegel
in eine gerade Linie
hinter einander, jedoch
so daß jeder für sich
sichtbar blieb, und blickte
von einem zum andern,
so erweiterte sich die
Pupille beym Sehen des
Entfernteren, und ver-
engerte sich beym Sehen
des Näheren.
p. 125. Nachdem ich diese Beweg-
ungen lange wiederholt
hatte, versuchte ich sie
ohne Zwischenobjecte
[43r]hervorzubringen und
es gelang mir vollkommen,
so daß ich nun auch ohne
bestimmten Gegenstand
ins Leere hinsehend
diese Bewegungen her-
vorbringen kann.
XIX.
Fleck in der Mitte des Ge-
sichtsfeldes beym ange-
strengten [^Nahsehen].
[44r]p. 125. Wenn ich vor einer hellwei-
sen Fläche das Auge zum
[Nahsehen] einrichte so wie
wenn ich in die nächst mög-
liche Nähe sehen wollte
so erscheint mir in der
Mitte des Gesichtsfeldes
ein weiser durchsichtiger
Kreis mit einer bräun-
lichen halbdurchsichtigen
unbestimmt begränzten
Umgebung.
XX.
Sichtbarkeit des Blutum-
laufes im Auge.
[45r]p. 127. In dem dunklen Flecke
zu beiden Seiten des wei-
sen Kreises (Fig. 25) sah
ich zwey gerade senkrechte
lichte Linien in denen Reihen
Blutkügelchen sich beweg-
ten und zwar zuin39 der
zur Linken aufwärts,
{abwarts} in der zur
Rechten. Erst dadurch auf-
merksam gemacht konnte
ich auch sonst ohne oder
bey nur schwachem
Drucke die laufenden Kü-
gelchen bemerken.
XXI.
Fliegende Mücken.
[46r]p. 128. Wenn man bey aufge-
reitztem Gefäßsysteme
(entweder durch heftige
Leibesbewegung oder
sonst durch eine fieber-
hafte Affection) gegen
eine hellweise Flache
starr hinsieht (z. B. gegen
einen gleichmäsig über-
zogenen Himmel oder
gegen ein Schneefeld)
so erscheinen in der Ge-
sichtssphäre viele einzel-
ne hellweise Puncte
(Fig. 28.) die plötzlich, gleich
Sternschnuppen an irgend
einem Orte erscheinen,
sich in verschiedenen krum-
men und graden Linien,
schnell fortbewegen und
früher oder später wie-
der verschwinden. Wenn
man gegen eine begränzte
[46v]lichte Fläche schaut z. B.
gegen ein Fenster, so
bemerkt man daß ein
jeder Punct an der von
der Mitte des Sehfeldes
abgekehrten Seite ein
eben so kleines Schatten-
feld nachzieht.
p. 129. Zwischen den kleineren
bemerke ich auch einzelne
größere die nicht leicht
bemerkbar und wie ver-
waschen sind und sich
langsamer bewegen.
XXII.
Krummliniger Strahlen-
kreis.
[47r]p. 132. Wenn ich die Hornhaut
mittelst des Augenliedes
stark [gerieben] habe,
und dann an einer Seite
des Augapfels drucke, so
erscheint jedesmal nach
[plötzlich] aufgehobe-
nem Drucke in der Mitte
des Gesichtsfeldes ein
kleiner lichter Kreis, (Fig. 26)
und ausserhalb diesem
einzelne Bündel von {pa-
ralellen} grauen und wei-
sen wellenförmigen Stri-
chen bald auf dieser bald
auf einer andern Seite
je nachdem die Stelle des
Druckes am Augapfel ver-
ändert wird. Endlich bey
länger fortgesetzten Drucke
zeigt sich die Gesammtheit
der Bündel als ein Strah-
lenkreis, der rechts von
{paralellen} senkrechten
[47v]Linien begränzt wird
(Fig. 26.).
p. 133. Weil sie durch Reibung der
Hornhaut bedingt ist, so glau-
be ich daß ihr Sitz in der
Hornhaut selbst sey, in
welcher durch den Druck
und die Reibung ein ver-
ändertes Cohäsionsver-
hältniss hervorgebracht
würde, welches theilwei-
se Abänderung in der
Lichtleitung folglich auch
verschiedene Durchsichtig-
keit einzelner Stellen
zur Folge hätte.
p. 133 Nach diesem Versuche ist
das Sehen in jeder Ent-
fernung auf mehrere
Minuten getrübt.
XXIII.
p. 134. Pulsirende Figur.
[48r]Wenn ich gelaufen bin
oder sonst heftige Körper-
bewegungen gemacht habe,
so daß das Gefäßsystem
stark erregt wird, und der
Puls im ganzen Leibe
fühlbar ist, so erscheinen
mir, wenn ich gegen den
lichten Himmel sehe grau
und weiß schattirte grup-
penweis gelagerte in ein-
ander verfließende Ku-
geln (Fig. 27.) zweye an
der rechten Seite des
Gesichtsfeldes eine Reihe
an der unteren, dreye
an der linken die mit jedem
Pulsschlage sichtbar werden
und wieder verschwinden. Noch deutlicher werden
sie40
p. 135. Dasselbe geschieht bey an-
gestrengten Husten. Nebst
diesen ist um den Mittelpunct
[48v]ein großer bey weißem
Grunde an seinem Rande
schwach grau schattirter
Kreis zu sehen der rechts
an einen Bogen eines an-
deren Kreises gränzt.
An der Peripherie dieses
Kreises erscheinen jene
pulsirenden Kugeln.
p. 135. Ich halte jenen Kreis für
die erscheinende Krystall-
linse, bey welcher die
mehr gegen die Peripherie
einfallenden Strahlen we-
gen {starkerer} Reflexion
in ihrer Intention geschwächt
werden (daher die graue
Schattirung; indeß [das] von der
Seite einfallende Licht
weniger gebrochen einen
lichten Kreis bildet.
p. 136. Die pulsirenden Gefäßbil-
der halte ich für die Er-
scheinung der sich an der
hinteren Wand der Kry-
stallkapsel verbreitenden
Centralarterie.
XXIV.
Die feurigen Ringe.
[49r]p. 136. Die feurigen Ringe welche
beym Seitendrucke des Auges
an den äußeren Gränzen
der Gesichtssphäre erschei-
nen haben Eichel ( (Collect.)Collectanea
(soc. med.)societatis medicae havniensis 1774)
und Elliot ( (Beobacht.)Beobachtungen u.
(Vers. ub. d.)Versuche über die Sinne) beobach-
tet und beschrieben und
ersterer schöne Folgerun-
gen für die Theorie des
p. 137. Sehens daraus gezogen.
Ich fand es nöthig sie zum
Objecte einer näheren
Betrachtung zu machen
um ihr Verhältniß zu
den übrigen Phänomenen
auszumitteln.
1) Wenn ich das Auge zum
Nahesehen spannte so brach-
te die leiseste Berührung
schon die Ringe hervor
indeß dieselbe beym Ferne-
sehen beträchtlich verstärkt
[49v]werden mußte. Dieser Um-
stand und die Erscheinung
des bräunlichen Flecks beim
Nahesehen so wie beym
Drucke des Augapfels be-
weisen hinlänglich daß das
Auge während der Thätig-
keit des Nahesehens con-
trahirt beym Fernesehen
erschlafft werde. Zu der-
selben Bemerkung kam
Home (Reils Arch. II. Bd.)
bey seinen Messungen der
Convexität der Hornhaut
beym Ferne- und Nahe-
sehen, wo das {Unstätte}
bey letzterem eine Mus-
kelanstrengung andeutete
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- TextGrid Repository (2022). Goethes Farbenlehre in Berlin. Repositorium. M 72 (1820): Im Fortgange der Fingerbewegung. M_072_1820.xml. Wirkungsgeschichte von Goethes Werk „Zur Farbenlehre“ in Berlin 1810-1832. Niedersächsische Staats- und Universitätsbibliothek. https://hdl.handle.net/21.T11991/0000-001C-0B96-D