Entoptischer Apparat, nach Berlin zu senden.
[39]- I. Gestell. Dieses wird bey'm Experimentiren so gerichtet, daß der Stab dem Beobachter rechter Hand bleibt und der Boden, wie der Pfeil ausweis't, nicht gegen die Sonnenseite, sondern irgend eine klare Himmelsgegend gekehrt sey. Man thut überhaupt wohl, besonders wenn man andere unterrichten und überzeugen will, wo möglich bey reinem Himmel zu experimentiren.
- II. Mittelstück. Mit messingnem viereckten Rahmen, bestimmt um die Glasplatten und anderen entoptischen Körper darauf zu legen. Man schiebt es in den gespaltnen Stab und schraubt es an. Auf dem Rahmen liegt ein Glasplättchen mit Pappeeinfassung, damit die kleineren Tafeln und Körper nicht durchfallen. Experimentirt man mit größeren, so wird es herunter genommen.
- III. Oberes Stück mit Messingblech und Schraube; über dem Vorhergehenden einzuschieben und anzuschrauben.
- IV. Oberer Spiegel, wird in gedachte Schraube eingeschraubt.
- V. Unterer Spiegel, wird genau auf das bezeichnete Quadrat, das der Pfeil durchschneidet, gegen das Himmelslicht aufgestellt. An demselben mußte [40] unten ein Keil angeschraubt werden, um dem Spiegel vorn etwas höhere Richtung zu geben, daß das Hmmelslicht oder jedes beliebige Bild, zum oberen Spiegel durch den messingenen Rahmen gelangen könne.
- VI. Entoptische Platten, viereckt, an der Zahl vier. Diese werden nach und nach zwischen den Spiegeln, auf der Scheibe Nr. II über einander gelegt, damit man das Wachsthum der Figuren beobachten könne. NB. Mit diesen Täfelchen läßt sich der erste einfachste Grundversuch, Seite 130, V, gar glücklich darstellen, wenn man kurz vor oder kurz nach Sonnenuntergang experimentirt.
- VII. Entoptische Plättchen, dreyeckt, an der Zahl drey; zeigen einzeln und zusammen das Phänomen deutlich.
- VIII. Dergleichen, rund, an der Zahl drey. Nicht ganz deutliches Phänomen.
- IX. Ein formloses desgleichen, deshalb sehr interessant, weil sich die Erscheinung nach der unregelmäßigen Gestalt der Glasplatte richtet.
- X. Größerer, aus Platten zusammengesetzter Cubus, nicht gut gerathen, zu düster, zeigt aber doch bey klarem Himmel die Erscheinung ganz erträglich, besonders kann man bey'm schwarzen Kreuz die Entstehung desselben aus zwey von den Ecken her zusammen rückenden halben Monden recht gut gewahr werden.
- XI. Kleinster Cubus, die Erscheinung auf das schönste zeigend. Da er einigermaßen parallelipedisch ist, so giebt er, je nach dem man ihn auflegt, etwas veränderte Gestalten. Wenn man ihn auf den schwarzen Spiegel legt, und gegen die drey Himmelsgegenden (der Sonne gegenüber und zu beiden Seiten) hinhält, kann man den zweyten gesteigerten Versuch, VI. p. 131, auf das überzeugendste anstellen.
- XII. Glimmerplättchen, in eine Charte eingerahmt, an der langen Seite des Sechsecks identisch mit der Erscheinung, an den kurzen Seiten sie umkehrend und zugleich färbend.
- XIII. Dergleichen, aber nicht so rein und deutlich. Eine durchgeschnittene Charte liegt bey, damit Sie das Seite 150 empfohlene Verfahren selbst anstellen können.
- XIV. Trinkglas, dessen Rand zur Versinnlichung aller Wirkung der Trübe hinreicht.
- a) Man fasse solches am Henkel und halte es gegen den klaren Himmel; so wird der Rand hochgelb erscheinen.
- b) Man senke es herunter, so daß es zwar noch beleuchtet sey, aber der dunkle Grund der Fensterbrüstung durchscheine; so wird man Grün sehen.
- c) Man kehre dem Licht den Rücken und halte das Glas gegen den schwarzen Grund; so erscheint ein Himmelblau.
- d) Bringt man es vor einen hellgrauen Grund; so erscheint ein leichtes Violett.
- XV. Baumartig schimmerndes Metall, als nächstes Analogon der entoptischen Erscheinung. (Damast ist nicht beygelegt, da er überall zu haben.)
- XVI. Messingschraube zu dem Spannungsversuch nach Brewster, mit dem nöthigen Plättchen.
In der Pappe befinden sich:
- a) Die Tafeln zur Farbenlehre; wenn Sie solche auf Pappe ziehen lassen, so haben Sie dieselben bey der Demonstration immer zur Hand.
- b) Colorirte Zeichnungen, den zweifelhaften prismatischen Fall aufklärend.
- c) Verschiedene flache Zubehörungen des Apparats.
In der Schachtel finden sich die kleineren Theile des Apparats.
Alles ist mit Nummern vorliegender Beschreibung numerirt.
Man bittet bey'm Auspacken vorsichtig zu Werke zu gehen, damit die Nummern nicht verwechselt werden.
Die mit Roth vorgestrichenen Nummern muß mir nach gemachtem Gebrauch zurück erbitten.
[43]Sehr schöne Beyspiele von aufgeschmolzener Trübe finden sich unter den alten Glasfenstern. Herr von Nagler besitzt gewiß unter seinen Fragmenten deren manche, womit er Ihnen vielleicht zu Hülfe kommt.
Auch können Sie wegen dieses Einschmelzens vielleicht die tüchtigen Künstler der Porcellanfabrik interessiren, denen dergleichen wahrscheinlich schon bekannt geworden.
Hiermit will ich dießmal schließen und Sie ersuchen, mir von weiteren Fortschritten Nachricht zu geben.
Sonntag den 19. ejusdem geht der Kasten wohlgepackt mit der fahrenden Post ab.
✍Um mich kürzlich über ihre ge-
färbte Liniarzeichnung auszusprechen,
send ich sie zurück und füge eine
andere hinzu. Alles kommt dar-
auf an daß der Refraction
ein Hinderniss entgegen gesetzt
werde, damit an dessen Rande die
Farben erscheinen; bey dem Falle
mit unserm gewöhnlichen Prisma
kommt es darauf an, wo man
das Hinderniß anbringt. Auf
Ihrer Zeichnung ist m.n. die
Oeffnung des Fensterladens, das
Bild dieser Oeffnung langt also
auf dem Prisma A.B.C. in
o.p. an. Von diesem Bilde geht
aber nichts ungebrochen durch,
sondern es wird mit allen sei-
nen Rändern in die Höhe ge-
hoben, deswegen die Linie p.s.
statt der Linie p.r. und die Linie
o.t. statt o.q. für die Grund-
linien des in die Höhe gehobenen
Bildes anzusehen sind, denn we-
der durch die Brechung noch nach
der Brechung kann kein ge-
färbtes Licht nach r. und q. ge-
langen. Nun aber haben Sie
ganz recht daß gleich bey den
Punkten o. (u.)und p. die Farbener-
scheinung eintritt, nur müssen
die Farbensäume innerhalb
[1v] des Mittels viel schmäler und
über den Linien p.s. und o.t.
gemalt werden, die sich alsdann
bey Austritt abermals auf-
wärts brechen, und stärker
verbreitern, bis sie sich zum
Grünen übereinander schieben.
Es würde also ganz richtig
seyn, wenn Sie auf Ihrer
Zeichnung, die Farbensäume
über die horizontalen Linien
o.t. (u.)und p.s. schmal colorirten,
anstatt daß sie jetzt allzubreit
drunter stehen. Zeichnen und illu-
miniren Sie nur ein solches
Bild, so kann ich darüber
nochmals meine Gedanken sa-
gen. Ich habe diese innerhalb
des Mittels anfangende Farben-
erscheinung als ein Minimum
auf meinen Tafeln weggelas-
sen, weil es die Liniarzeichnung
sowohl als das illuminiren
sehr complizirt und beschwerlich
machte. Aus dem Vortrage
selbst aber geht es hervor
und ich lobe Sie daß Sie die-
sen Punct zur Sprache brin-
gen.
Nun aber füg ich eine andere
Zeichnung bey um die Sache
vollkommen ins Klare zu bringen.
[2r]
Gesetzt ein Prisma stünde in
freyer Luft der Sonne aus-
gesetzt, so würde die ganze
Lichtmasse ungehindert und farb-
los durchgehen, ausser etwa
bey den Randhindernissen
C. (u)und B. brächte man aber
ein Hinderniß, wie hier in
t. und s. hinter dem Prisma
an, so würden sogleich bey'm
Austritt die Farbensäume
erscheinen, ohne daß inner-
halb des Prismas die gering-
ste Farbe sich hervorgetan
hätte.
Beyde Phänomene No. 1. und
2. sind recht gut durchs gro-
ße Waßerprisma darzustellen
wo sich das Hinderniß unmittel-
bar aussen an den Glastafeln
entweder auf der Vorder- oder
Hinterseite anbringen läßt, da
man denn jedesmal unmittelbar
hinter demselben die Entsteh-
ung der Farbensäume schauen
und nachweisen kann.
Ich erinnere mich nicht genau,
kann auch gegenwärtig nicht
nachsehen, indessen müßte dies
Verhältniß in meiner Farben-
lehre deutlich ausgesprochen seyn.
- Holder of rights
- Niedersächsische Staats- und Universitätsbibliothek
- Citation Suggestion for this Object
- TextGrid Repository (2022). Goethes Farbenlehre in Berlin. Repositorium. 16. Mai 1822. Goethe an von Henning. Z_1822-05-16_c.xml. Wirkungsgeschichte von Goethes Werk „Zur Farbenlehre“ in Berlin 1810-1832. Niedersächsische Staats- und Universitätsbibliothek. https://hdl.handle.net/21.T11991/0000-001C-179E-7