[15r]
Hochwohlgeborner
Hochzuverehrender Herr Geheimer Rath!

Da ich Ew Exzellenz mit meinem Schreiben zugleich einige der mir aufgetragenen
Arbeiten zu übersenden wünschte, so habe ich bisher immer verschoben zu
schreiben; besonders da ich auch von dem König. Preuß. Ministerio des Unterrichts
zu Berlin den Auftrag erhalten habe, alle Arbeit welche ich in Bezug auf die
Harmonie der Farben für Hochdasselbe zu machen habe, erst an Ew Exzellenz
zu senden, mit der Bitte dieselben dann weiter an das Hohe Ministerium zu
Berlin befördern und die dafür ausgelegten Porto-Unkosten durch PostVorschuß
gefällig[s]t einziehen zu lassen. Ich habe dahero die ersten Arbeiten welche ich
in dieser Beziehung in Italien gemacht, als die Aldobrandinische Hochzeit, und
2 Kopien nach den Soffitten des Pietro da Cortonaim Pallast Pitti zu Florenz, wie
auch 9 Kupferstiche von Herr[n] Gmelin, welche für Ew Exzellenz bestimmt sind
und eine Kopie der Hauptfiguren aus der Aldobrandinischen Hochzeit
[15v]welche Sr: Exzellenz der Herr StaatsMinister von Altenstein besonders ver-
langt hat, alles in einer {wohlverwarthen} Küste den 27 vorigen Monaths von hier
über Nürnberg nach Weimar an Ew Exzellenz abgesand. Zwar habe ich in
Florenz noch 2 Kopien nach Titian klein mit Oehlfarben gemacht da sich aber die-
selben nicht gut packen liessen, und ich auch gern etwas zu Vorzeigen bei mir
haben will so habe ich dieselben noch zurück behalten, sonst habe ich keine Kopien
nach Venezianischen Meistern gemacht, besonders da ich wehrend meines Auf-
enthalts in Venedig, Padua und Florenz Gelegenheit hatte, {mehrer} Portraits
zu mahlen, und so das Studiren nach diesen Meister[n] mit dem der Natur zu
verbinden. Was die Kopie der Aldobrandinischen Hochzeit anbelangt, so
habe ich nicht allein durch eine möglichst treue Nachahmung der Farben, als
auch genaue Nachahmung des verschiedenen1 Farben Auftrags, das Original wie es jetzt
ist nachzuahmen gesucht, und deßwegen auch mit Wasserfarben gemahlt
obschon es mit vielen Schwierigkeiten verbunden war da das Bild so groß ist,
und das Original im Vatican in einer ungünstigen Beleuchtung steht, allein
ich glaubte auf diese Art der Behandlung des Originals näher zu kommen, und
sowohl die {klahren} und leicht behandelten Stellen welche mir noch ganz erhalten scheinen
[16r]als auch die hart und {schwehr} gemahlten, welche mir spätere Ausbesserungen
scheinen besser nachahmen zu können, was mir auch nach dem Urtheil derer die
die Kopie mit dem Originale verglichen ziemlich gelungen sein soll.

Ende dieses Monaths werde ich nach Neapel reisen, um dort die mir ebenfals
aufgetragenen Kopien nach den herkulanischen Gemälden zu machen, und wenn
mir die nachgesuchte Verlängerung meines Urlaubs, wofür sich Sr Exzellenz der
Herr {te} Herr Geheime StaatsRath {Nieburh} besonders verwendet be-
willigt wird, so denke ich auch nach Sicilien zu gehen, um dort auser den archi-
tectoni
schen Studien auch mehrere landschaftliche zu machen, deren ich hier schon
einige mit Beifall gemacht habe, und wovon ich einen Versuch mit der zweiten
Sendung an Ew: Exzellenz mitzuschicken gedenke, da es mir dißmahl nicht
möglich war. Sollten Ew Exzellenz die Gnade haben mich einer Antwort zu
würdigen, so bitte ich solche an die Preüß. Gesandschaft in Rom oder Neapel
zu adressiren. Indem ich mich Ew Exzellenz fernerer Wohlgewogenheit unterthänigst
empfehle, bitte ich noch, mich dero Herrn Sohne und dessen F[r]au Gemahlin wie auch dem
Herrn Hofrath Meyer und allen mir wohlwollenden Freunden bestens zu empfehlen.

Der ich in tiefster Verehrung verharre
Ew Exzellenzganz unterthäniger Diener
Joseph Raabe
verschiedenen]
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TextGrid Repository (2022). Goethes Farbenlehre in Berlin. Repositorium. 10. Juni 1820. Raabe an Goethe. Z_1820-06-10_l.xml. Wirkungsgeschichte von Goethes Werk „Zur Farbenlehre“ in Berlin 1810-1832. Niedersächsische Staats- und Universitätsbibliothek. https://hdl.handle.net/21.T11991/0000-001C-119B-0