1826 (?), 28. August.
Mit Wilhelmine und Marie Melos
An einem Geburtstage Goethes befand sich Frau Melos mit ihrem fünfjährigen Töchterchen unter den vielen Gratulanten. Sobald Goethe sie bemerkte, schritt er auf sie zu, reichte dem Kinde die Hand und sagte: [113] ›Nun, Marie 1! willst Du mir auch gratuliren?‹ »Ja, Excellenz!« sagte Frau Melos; »und Marie hat auch ein Gedicht gelernt, das sie Ihnen später vorsagen will.« – ›Ei, das muß ich sogleich hören!‹ sprach er und führte die kleine Marie in ein, von der vornehmen Gesellschaft freigebliebenes Nebenzimmer, setzte sich und nahm sie auf seinen Schooß. ›Jetzt sag mir einmal her, was Du gelernt hast.‹ – Marie begann: »Ufm Bergli Bin i gesässe« – ›Ha de Vögle‹, half Goethe ein. – »Ha de Vögle Zugeschaut,« fuhr Marie fort. – ›Hänt gesunge, Hänt gesprunge‹ half Goethe wieder ein, und so ging er mit ihr das ganze Liedchen bis zu Ende durch, führte die Kleine dann zur Mutter zurück und wendete sich seinen andern Besuchern zu. Am Nachmittage schickte er an Marie einen Teller Früchte und Confect von der Geburtstagstafel.
1 Nicht Ida, wie die Quelle angiebt, sondern deren jüngere Schwester, wie Frau Ida Freiligrath geb. Melos mir mitzutheilen die Güte hatte.