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Jetzt nach Weimar! denn da erquickte man mich auch unmittelbar thätig; niemand aber that das mehr, oder vielmehr: niemand that das so ächt human, ganz[117] würdig, vertraulich und meiner Weise sich bequemend, als der Mann, den Tausende dazu gar nicht fähig glauben, weil Tausende über ihn urtheilen, ohne ihn nahe zu kennen – Goethen mein' ich ..... Ich hatte Goethen einige Tage vor meiner Reise geschrieben – nichts, als ich komme mit Frau und Kindern – ich will mich erholen – lassen Sie mich was Gutes vom Theater und, kann es sein, etwas von Ihren Kunstsachen sehen, womit ich jenen Zweck am Schönsten zu erreichen gedenke .....

Als ich den ersten Morgen [den 6. December] zu ihm kam, arrangirte er mit ebensoviel Feinheit und Vertrauen, als selbst mit Sorge gegen Frau und Kinder unsre Zeit im Ganzen für unsern Aufenthalt. Die Residenzer... gleich zu stimmen, gab er uns den zweiten Tag ein schönes und leckeres Mahl, dem aber niemand beiwohnen sollte, als die wir wünschten; und deren waren wenige. Dann ward das Theater geordnet: ich wünschte freilich den »Tasso« oder die »Iphigenia«, aber die vielen Russen in Weimar und auch die meisten der Preußen, die vom Erfurter Belagerungscorps zum Schauspiel herüberkamen, haben dazu nicht Ruhe, nicht Bildung, nicht Geschmack; auch sind jene Werke eben jetzt wirklich nicht an der Zeit und nur für die, die allenfalls stundenlang darüber hinaus können. So wurde denn außer manchem schönen Musikalischen vornehmlich »Götz von Berlichingen«, in zwei Abende vertheilt, aufgetischt, und so, daß ich nie vollendetere [118] theatralische Darstellungen gesehen habe. (Goethe ließ die Hauptpersonen erst kommen, wohnte den Proben lenkend und anfeuernd bei etc.)... Die neue Goethesche Umarbeitung von »Romeo und Julie« war auch angesetzt und eingerichtet, wurde aber leider durch einen unglücklichen Zufall unmöglich gemacht. Damit wir übrigens alles recht bequem und vortheilhaft sähen, überließ Goethe uns seine Loge und kam dahin selbst nur, uns zuweilen zu besuchen.

Noch schöner und von allem Scheinen entfernter war folgendes. Schon jenen ersten Morgen that er mir den Vorschlag: »Dies Zimmer lasse ich jeden Morgen und dann den Tag über für Sie heizen; niemand darf sonst hinein. Jeden Morgen sorge ich dafür, daß Sie wenigstens auf einige Stunden angenehme Beschäftigungen mit Kunstsachen vorbereitet finden. Kommen Sie nun, oder kommen Sie nicht – wie es eben Ihre Stimmung will. Kommen Sie – mein Diener wird mir's sagen, und kann ich, so komme auch ich; wir beschäftigen uns gemeinschaftlich, sprechen darüber etc. Kann ich nicht, so werden Sie mich entschuldigen.« – Und das hielt er pünktlich und fehlte nicht einen einzigen Tag; ich aber mußte deren drei wegbleiben, und auch das war ihm nicht befremdlich. Handzeichnungen guter, alter und neuer Meister waren es vornehmlich, womit wir uns unterhielten und worüber wir zuweilen wacker stritten. (Auch hier sahe ich: was weiß der Mann nicht alles! und wie weiß er, was andern [119] wohl auch bekannt, durch Weitausgreifen und Zusammenstellen des Entfernten neu und lehrreicher und schön anregend zu machen!) – Übrigens gab er uns noch vor dem Abschiede ein großes, herrliches musikalisches Fest in seinem Hause, wo ich auch mehrere ganz neu von ihm gedichtete unvergleichliche Stücke, die nicht gedruckt sind und jetzt nicht gedruckt werden sollen, kennen lernte.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Gespräche. 1813. 1813, zwischen 5. und 21. December.: Mit Friedrich Rochlitz und dessen Familie. a.. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-A55B-4