1822, 6. August Abends.
Mit Joseph Sebastian Grüner
Compositeur Tomaschek befand sich auf Besuch bei dem Advocaten Frank in Eger. Nach vorgängiger Rücksprache mit mir, beehrte Goethe ihn mit einem Besuche. Tomaschek sang einige Lieder Goethes, die er in Musik gesetzt hatte, namentlich den Erlkönig, die Müllerin, und andere, und begleitete sich dazu auf dem Pianoforte. Goethe empfahl sich unter Beifallsbezeigung.
Zu Hause sprach dann Goethe viel von musikalischen Compositionen, besonders von jenen Zelters, seines ältesten Freundes, wie er ihn nannte. Diesen sollten Sie kennen, sagte er, ich wünschte mir eine solche Laune. Ich muß Ihnen doch etwas von ihm vorlesen.
Nun las Goethe einen Brief Zelters vor, worin erzählt war, wie er einen tüchtigen Compositeur in Sachsen... [Peter Mortimer] besuchte, den er in den armseligsten Umständen traf; dann folgte eine Schilderung des Besuches Zelters in Herrnhut. Wenn [186] auch der Brief weniger witzig, weniger mit drolligen Ein fällen versehen gewesen wäre, so hätte schon das bloße Vorlesen Goethes dafür einnehmen und einen angenehmen Eindruck hervorbringen müssen; denn er konnte sich dabei so ganz in die Stimmung seines Freundes versetzen und demgemäß die Stimme moduliren; kurz er hatte einen vortrefflichen, mir noch niemals vorgekommenen Vortrag.
Lächelnd fragte er: »Nun, was sagen Sie dazu?«
Ich antwortete, daß der Brief verdiente, in Druck zu erscheinen.
»Wir wollen sehen,« sagte Goethe, »es müßte natürlich vieles cassirt werden.« Dann sprach er über Tomaschek's Verdienste und lobte dessen kunstreiche Compositionen, »doch,« fügte er hinzu, »wünschte ich ihm mehr Gemüthliches; der Eingang zum ›Erlkönig‹ will mich nicht ansprechen.«
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