1776, April.
Mit Christoph Martin Wieland
Dieser Tage stritten Goethe und ich mit einem enthusiastischen Anbeter des Griechischen Homer über das Silbenmaß, das Sie zu Ihrer Übersetzung gewählt haben. Er bestand darauf, der Hexameter würde besser gewesen sein; wir, Sie hätten Recht gehabt, den Jamben vorzuziehen. Wir sind gewiß, daß es unnöthig wäre, Ihnen die Gründe pro und contra zu sagen: ohne mindesten Zweifel haben Sie das alles längst erwogen und durchgedacht. Aber vielleicht möcht' es doch von einigem Nutzen sein, wenn Sie etwan Ihre Gründe für den jambischen Vers (nisi quid obstat) in einem kleinen Sendschreiben an Goethen oder mich im Merkur bekannt machten. Wir behaupten, Homers Versification verliere in jeder Übersetzung nothwendig, würde aber im deutschen Hexameter weit mehr verlieren, als im jambischen Vers, der unsrer Meinung nach das ächte, alte, natürliche, heroische Metrum unsrer Sprache ist.
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