1779, 22. December.


Mit August Wilhelm Iffland

Den 21. kamen Goethe und der Herzog von Weimar hier [in Mannheim] an. Sie sahen »Die Ehescheuen«. Den 22. war Goethe zu Ehren freier Eingang für jedermann und »Clavigo«. Er ließ um 4 Uhr vor der Komödie mich zu sich bitten. »Liegt Ihnen etwas daran« – so sagte er – »so versichere ich Ihnen meine ganze Bewunderung. Mit so viel Wahrheit und Delicatesse sah ich seit Ekhof nicht spielen. Folgen sie meinem Rath: spielen Sie entweder oder: immer das Äußerste, das niedrigst Komische und höchste Tragische. Es ist ein odieuser Kerl, der einmal Zeug zu was Außerordentlichem hat, und bleibt im Mittel, Uff!« – und dabei spannte er jede Nerve – »hinauf! hinauf! oder ganz im Drecke. Bei Gott! ich wundere mich, daß Sie so jung sind und Resignation genug haben, Alte zu spielen. Wenn ich vierzehn Tage dabliebe wollte ich Ihretwegen den ›Eid‹ von Corneille umarbeiten, so gefallen Sie mir. Adieu! Ich empfehle Ihnen den ›Carlos‹.« – Ich sprach ihn den Tag nach »Clavigo« bei Herrn von Dalberg, und er war mit meinem Carlos sehr zufrieden. Ein bischen zu geschwinde wäre ich gewesen, meinte er. Den 23. sahe [61] er den Baron Abslut in den »Nebenbuhlern« von mir. Nach der Vorstellung kam der Herzog und Goethe auf das Theater; der Herzog sagte mir sowie Goethe viel Schönes. »Gehen Sie stracks fort auf Ihrer Bahn; Sie sind den Beifall werth, den Sie überall erhalten müssen. Adieu! Adieu!« Hier gab er mir die Hand. »Leben Sie glücklich! Denken Sie zuweilen an Goethe: er hat Sie lieb.« – Daß ich mir vor Freude hätte einen Rausch trinken mögen, kannst Du denken. Goethe, Goethe sagte mir das! – Eine Anekdote! Es war eine Seitenthür auf dem Theater, durch die der Herzog und sein Gefolge vom Theater ging. Goethe – als ob er mechanisch überall Original wäre, ging schnell hinein und kam eher wie der Herzog. In der Art, mit der er es that, steckte das Sonderbare ..... Goethe hat einen Adlerblick, der nicht zu ertragen ist. Wenn er die Augenbrauen in die Höhe zieht ist's, als ginge der Hirnknochen mit.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Gespräche. 1779. 1779, 22. December. Mit August Wilhelm Iffland. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-A32A-4