b.

1809, 31. Mai.


Den Mittwoch... um zwölf ließ uns – denk Dir wie artig! – der große Prophet zu einem Spaziergange in den Botanischen Garten abholen. Er trug einen sehr schönen schwarzen Rock und an selbigem das russische Ordensband im Knopfloche. Hugo hatte einige Tage vor unserer Abreise in der Rechtsgeschichte [55] gesagt, die Tiber in Rom sei nicht größer, als die Leine bei Göttingen; das wäre also noch kleiner, als die Schwentine bei Rasdorf. Goethe aber, den ich fragte, versicherte zu meiner Freude, sie sei wie die Spree bei Berlin, und nun will Hugo ihm im Collegio Ehrenerklärung und Abbitte thun. Dann rühmte er die Fichte'schen Reden an die Deutsche Nation und besonders ihren wunderschönen Stil und sagte von den Deutschen: Brennholz sei recht brav eingeheizt in dieser Zeit, aber es fehle an einem tüchtigen zusammenhaltenden Ofen. Dann sprach er über das Weimarische Theater ...., beklagte uns, daß ein so schlechtes Stück in Weimar sei, (v. Holbein's Fridolin oder Der Gang nach dem Eisenhammer) an dem man höchstens im Winter wegen der gut gelungenen Schmelzöfen Gefallen finden könne und rieth uns, lieber die Jenaer Gegend zu durchstreifen. Das Rührungsmittel der Kinder in den »Hussiten vor Naumburg« [von Kotzebue] nannte er eine moralische Zwiebel pp .... Die Tieck'sche Büste von Goethe... ist keineswegs idealisirt, sondern Goethe jetzt eher noch schöner, indem sein Gesicht schmaler geworden ist und die göttlichen – nicht schwarzen, wie ich vorhin schrieb, sondern braunen – Augen nicht einmal der Pinsel darstellen kann.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Gespräche. 1809. 1809, 30. und 31. Mai.: Mit Friedrich Kohlrausch,Wolf Graf Baudissin und Gustav Hugo. b.. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-A265-6