1801, 1. März (?)


Mit Heinrich Schmidt

Ich beschloß, mich dem Theater zu widmen, jedoch nicht, ohne vorher den Rath einsichtsvoller Männer darüber erforscht zu haben. Wie konnte ich aber in Weimar über die Wahl dieser Männer anstehen! Lebte nicht Schiller da und hatte er mich nicht freundlich aufgenommen? An ihn wandte ich mich und wagte es, ihn um seine Meinung zu bitten. Der sorgsam bescheidene Mann wollte es nicht allein auf sich nehmen und versprach, mit Goethe darüber zu sprechen. .... Bald darauf erhielt ich auch wirklich eine Einladung, zu Schiller zu kommen. Es war eines Sonntags Nachmittags um 5 Uhr. Auch Goethe kam. Ich las einiges vor: einen Monolog und einige Scenen aus »Leben und Tod König Johanns« von Shakespeare. Goethe sprach sich dann weitläufig und, was noch mehr, mit augenscheinlicher innerer Anregung über den Schritt aus, sich dem Theater zu widmen, und wandte dann das Ausgesprochene auf mich an. Wenn er auch, meinte er, hier Verständniß des Dichters, entsprechende Äußerlichkeit, gutes Organ zugeben wolle, so könne er doch zwei Besorgnisse nicht umgehen, nämlich daß mich, wenn ich jetzt so unvorbereitet in die Welt träte, das Leben selbst in seine magischen Kreise und somit von [215] der Neigung und Liebe zum nachgespiegelten hinwegziehen würde, und doch würde ich der Nachhülfe dieser Neigung und Liebe noch sehr bedürfen, um auf dem Wege zum Ziele zu beharren, da er mir dadurch sehr erschwert werden würde, daß mir Nachahmungstrieb und Nachahmungsgabe, worauf jetzt noch die Schauspielkunst hauptsächlich mit begründet sei, gänzlich abzugehen scheine. Er verbreitete sich noch umständlicher darüber und verließ uns hierauf, um zu den Frauen, wie er sagte, in das anstoßende Zimmer hinüberzugehen. Während dessen war der höchst liebens- und verehrungswürdige Schiller treulich und angelegentlich bemüht, mir noch näher zu erklären, was Goethe gemeint und geäußert hatte, doch ohne sich irgend einen Zusatz zu erlauben.

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Als Goethe zurückgekommen, ertheilte er mir für den Fall, daß ich nun noch bei meinem Vorsatz beharren wollte, die höchst willkommene Erlaubniß, zweimal die Woche zu ihm zu kommen und mit ihm eine auswendig gelernte Rolle durchzugehen.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Gespräche. 1801. 1801, 1. März (?) Mit Heinrich Schmidt. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-A027-F