1829, 15. April.


Mit Johann Peter Eckermann

Wir sprachen über Leute, die, ohne eigentliches Talent, zur Productivität gerufen werden, und über andere, die über Dinge schreiben, die sie nicht verstehen.

»Das Verführerische für junge Leute,« sagte Goethe, »ist dieses. Wir leben in einer Zeit, wo so viele Cultur verbreitet ist, daß sie sich gleichsam der Atmosphäre mitgetheilt hat, worin ein junger Mensch athmet. Poetische und philosophische Gedanken leben und regen sich in ihm, mit der Lust seiner Umgebung hat er sie eingesogen, aber er denkt, sie wären sein Eigenthum, und so spricht er sie als das Seinige aus. Nachdem er aber der Zeit wiedergegeben hat, was er von ihr empfangen, ist er arm. Er gleicht einer Quelle, die von zugetragenem Wasser eine Weile gesprudelt hat, und die aufhört zu rieseln, sobald der erborgte Vorrath erschöpft ist.«

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Gespräche. 1829. 1829, 15. April. Mit Johann Peter Eckermann. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-A004-E