1778, Mai (?).
Am Hofe zu Dessau
In früheren Zeiten besuchte Goethe in seines fürstlichen Freundes Gefolge Wörlitz oft auf mehrere Wochen. Einst an einem heiteren Sommernachmittage gesellte [49] man sich unter der Vorhalle des Schlosses zusammen. Die Fürstin war mit einer Stickerei beschäftigt, der Fürst las etwas vor, Goethe zeichnete, und ein Hofcavalier überließ ohne Zwang und Sorge sich indeß der behaglichen Verführung des Nichtsthuns. Da zog ein Bienenschwarm vorüber. Goethe sagte: »Die Menschen, an denen ein Bienenschwarm vorüberzieht, treiben nach einem alten Volksglauben dasjenige, was gerade im Augenblicke des Ansummens von ihnen mit Vorliebe getrieben wurde, noch sehr oft und sehr lange. Die Fürstin wird noch viel und noch recht köstlich sticken, der Fürst wird noch unzähligemal interessante Sachen vorlesen, ich selbst werde gewiß unaufhörlich im Zeichnen fortmachen, und Sie, mein Herr Kammerherr, werden bis ins Unendliche faullenzen.«
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