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An August von Goethe

Obgleich Ottilie das Wenige, was von uns zu melden ist, schon wird mitgetheilt haben und ich also nur wiederholen werde, so möcht es doch freundlich seyn, wenn ich dir, bey dieser Gelegenheit, versichere: daß deine Tagebücher aus Mailand höchst löblich [110] sind, wie du am eigenen Behagen daran fühlen mußt. Den Menschen und den Sachen gerade in die Augen zu sehen und sich dabey auszusprechen wie einem eben zu Muthe ist, dieses bleibt das Rechte, mehr soll und kann man nicht thun.

Unser Fürst ist in's Karlsbad, die Fürstin nach Warschau, der Prinz durch's Voigtland in's Erzgebirg; von welcher Tour mir Soret die anmuthigsten Briefe schrieb. Diese beiden werden nach Jena ziehn, die Herrschaften nach Dornburg, von daher Jena und die Anstalten besuchen, wo meine Sorge ist sie anständig zu empfangen, welches bey Lenzens völlig geistig leiblichem Zurücktreten, in Betracht des mineralogischen Kabinetts, einige Schwierigkeit hat; demohngeachtet aber geleistet werden soll.

Ich war diese Tage drüben und habe das kleine Quartier im Erker sehr anmuthig gefunden. Daneben ist die Terasse glücklich und galant-wissenschaftlich angelegt; es wird gesorgt daß alles in diesen Wochen völlig zu Stande komme. Am Übrigen ist nichts auszusetzen.

Die 7. Lieferungen meiner Werke ist angekommen die 8te fortgesendet. Die Augsburger versprechen mit der Octavausgabe schnell nachzurücken. Und so hätten wir dieses weitaussehende Werk denn auch noch zu Stande gebracht.

Den 23. Juni, als am Tage vor Johannis war, mir unwissend, das fünfzigste Jahr voll, gerechnet [111] von meinem Eintritt in die Freymaurer Brüderschaft; sie haben diesen Tag gar anmuthig und vorläufig geehrt, durch ein großes wohlbebuchstabtes Pergament, durch ein Gedicht und freundliche Meldung. Am Johannistage war Tafelloge, der Saal von Coudray auf eine eigene geschmackvolle Weise decorirt; Ottilien führte man heute hinein und sie belobte die Anlage sehr.

Sodann ist Holtei gekommen, mit einer allerliebsten jungen Frau, geht als Regisseur nach Darmstadt, wo der Leipziger Hofrath Küstner, als einmal dem Theaterteufel Verschriebener, die Direction übernommen hat.

Nun ich auf den letzten Augenblick gekommen bin brauch ich wohl auch nicht zu erwähnen, daß die beiden Bürschchen gleichfalls ausgetreten sind; der eine nach Frankenhausen, der andere nach Dessau, und ich kann versichern daß ich die Gegenwart ihrer Arten und Unarten jeden Augenblick vermisse.

Wenn Eckermann, bey soviel Lockung und Verführung, noch beysammen und ein rückwärts blickender Mensch geblieben ist, so sag ihm: Die Walpurgisnacht sey völlig abgeschlossen, und wegen des fernerhin und weiter Nöthigen sey die beste Hoffnung.

Dein letzter Brief enthält den Abschied aus Mailand; wir werden nun bald etwas von euren Wanderungen durch die Lombardey hören.

Eins aber hab ich aber doch noch zu bemerken. Die Anforderung von eigenen Handschriften vermehren sich immer, und wird mir immer unmöglicher sie zu[112] befriedigen. Daher hab ich mich entschlossen dergleichen mit lithographischer Dinte zu schreiben, da sie sich denn gar wohl vermehren lassen; dergleichen erhältst du hoffentlich in Rom, da sie denn immer noch brauchbar seyn werden.

Nun wüßt ich nichts als das Allerneuste, daß so eben der zweyte Bogen der Metamorphose der Pflanzen mit Freund Sorets Übersetzung zu revidiren ist. Möge dir dagegen in freyer Luft und schöner merkwürdiger Gegend eine angenehme Stunde beschieden seyn.

Wie von je, so fortan,

Weimar den 25. Juni 1830

J. W. v. Goethe.

Nachmittags um 4 Uhr.

Sonntag den 27. Juni 30. Um einen Tag weiter kann ich dir berichten: daß heute die Feyer zu Gedächtniß der Übergabe der augsburgischen Confession ganz anständig begangen worden. Da weder ich noch du zu Anführung unseres Departements gegenwärtig waren, so fand man es schicklich, die darunter begriffenen Personen gleich hinter dem Ministerio und der Staatskanzley eintreten zu lassen, wobey denn also Hofrath Meyer und Professor Riemer den Reihen führten. Alles Übrige verlief ganz löblich. Zu diesem Feste kamen denn auch deine venetianischen Tageshefte bis zum 16. Juni glücklich an, so wie alle vorhergehenden, zu deren Inhalt wir dir und uns Glück wünschen. Hiemit sodann auch allen guten Geistern befohlen.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1830. An August von Goethe. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-9CE6-D