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An Christian Friedrich Schnauß?
Frascati, den 1. October 1787.
Nun kann man endlich, nach überstandener Sommerhitze, wieder Athem holen! Ich habe mich aus dem tiefen Rom auf die heitern Gebirge gemacht, und hier, bester Herr Collega, sollen Sie auch sogleich ein Briefchen haben mit dem besten Dank für Ihr fortdauerndes Andenken! Zwar ist auch hier nicht gut Brief schreiben, man mag gerne den ganzen Tag skizziren und zeichnen und hat Morgends und Abends so viel zu thun, die Blätter in Ordnung zu bringen, die Contoure zu laviren oder mit der Feder zu umreißen, man pfuscht auch wohl einmal mit Farben und so geht die Zeit hin, eben als wenn es so sein müßte.
Die Zeit der Villeggiatur ist nun da und Alles macht sich aus Rom heraus, was nur irgend kann und weiß. Mädchen, Weiber, Bücher, Gemälde und alle Arten von Hausrath sind jetzt wohlfeiler zu haben, weil Alles Geld braucht. Man lebt und macht sich lustig, um alsdann bis zum Carneval wieder eingezogen zu bleiben. Rom hab ich diese Zeit her, soviel möglich war, genutzt. Die zwei Sommermonate durfte man kaum aus dem Hause; ich habe indeß an meinen Schriften gearbeitet; vier Bände werden ihre Aufwartung gemacht haben, die [264] übrigen sollen folgen. Die Hauptstadt der Welt ist übrigens still genug. Eben setzt sich der Obelisk in Bewegung, der auf Trinita del monte soll aufgerichtet werden; er lag bisher bei St.-Giovanni in Laterano. Der große, aber sehr beschädigte Obelisk, der noch im Campo Marzo liegt, soll, sagt man, auch aufgerichtet werden. Es ist zwar nicht der größte (der bei St.-Giovanni in Laterano steht und der an der Porta del Popolo sind höher), aber mir kommen die Hieroglyphen viel einfacher und besser gearbeitet vor. Auch ist es ein recht altes Monument; er ward dem Sesostris zu Ehren errichtet und nachher dem August gewidmet. Er stand im Marsfelde als Sonnenzeiger der großen Sonnenuhr und liegt jetzt in einem Hofe, zerbrochen, an einer Seite durch den Brand beschädigt und auf Römische Art besudelt.
Daß ich jede Gelegenheit ergreife, die besten Sachen wieder und wieder zu sehen, können Sie leicht denken. Je mehr man sie sieht, desto mehr wird man an ihnen gewahr und desto mehr möchte man sie sehen.
Und was machen denn Sie, bester Herr Collega? Sie sind fleißig, beschäftigt und tragen die Last des Staates. Unser gnädigster Herr ist wahrscheinlich wieder zurück; ich hoffe, er wird wohl und vergnügt sein. Er hat mir auf eine gar edle Weise meinen Urlaub verlängert. Ich bin überzeugt, daß auch Sie und meine andern Herren Collegen diese Stunden und Tage gönnen, die man nur einmal in seinem [265] Leben genießen kann. Ich werde meinen Aufenthalt hier so zu nutzen suchen, daß ich, mir und Andern zur Freude bereichert zurückkehre. Es vergeht kein Tag, an dem ich nicht eine neue Kenntniß erwerbe oder irgend eine Fähigkeit ausbilde.
Behalten Sie mich in freundschaftlichen Andenken und seien Sie versichert, daß ich mich Ihrer oft zur guten Stunde erinnre, auch Sie nur gar zu oft an diesen und jenen Platz wünsche, damit Sie mancher schönen Aussicht, manches unbeschreiblich reizenden Anblicks, und wär' es nur auf kurze Zeit, genießen könnten. Denn man hat gar keine Idee, wie schön das Land ist, und wir sind den Landschaftsmalern viel schuldig, daß sie uns ein Bild davon über die Alpen schicken.
Leben Sie recht wohl, empfehlen mich den werthen Ihrigen und allen guten Freunden und gedenken
Ew. Hochwohlgeborenen
gehorsamsten Dieners und treuen Freundes Goethe.