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An Johann Heinrich Meyer

1) Sie erhalten, werthester Freund, Thouretische Zeichnungen, sie haben von der Feuchtigkeit gelitten. Haben Sie doch daher die Güte zu sorgen daß sie [59] gut aufgezogen werden, besprechen Sie ihre Ausführbarkeit mit dem Quadrator, zeigen solche dem Herrn Geh. Rath Voigt und wenn es Gelegenheit gäbe Durchl. dem Herzog.

2) Arbeit für den Bildhauer weiß ich auch gerade nicht. Die Zeichnung der Säulenfüße ins Audienzzimmer befindet sich mit auf den Blättern wo die Details dieses Zimmer angegeben sind, die noch entweder in Ihren Händen, oder wenigstens in unserm Hause sind. Wollten Sie solche einmal ansehen? Das übrige wird von Gips; es ist aber die Frage ob man nicht wohl thut diese Füße, wegen des zu befürchtenden Verstoßens, von Holz machen zu lassen. Wollten Sie diese Sache einmal mit dem Baumeister, dem Bildhauer und Quadrator besprechen, so würde sie dadurch der Entscheidung näher kommen.

3) Vielleicht könnten Sie in dieser Zwischenzeit dem Bildhauer das bewußte Rähmchen in Arbeit geben. Nur ist zu bemerken daß das Maß das ich Ihnen hinterließ das Bildchen im Lichten ist. Ich weiß nicht ob Sie sich erinnern daß es meine Intention war das Bildchen von vorn in den Rahm zu passen, damit man nichts von dem Feld verlöre, das ohnedem eng genug ist. Der Rahm müßte also nicht durchschnitten seyn, sondern eine Wand haben.

4) Schillers Absicht ist ernstlich das Gedicht der Freundin an unseres gewöhnlichen Almanachs Stelle herauszugeben, nur wünscht er einen Kosten Überschlag [60] wie hoch sich allenfalls die Kupfer belaufen könnten, um mit Cotta zu tractiren; denn bis jetzt weiß der Verleger noch nichts davon, wird sich es aber wohl gefallen lassen. Was Ihre Zeichnungen dazu betrifft, so möcht ich sagen: machen Sie was die Zeit erlaubt. Eine cyklische Reihe wäre wohl möglich und artig, und da die Kunstwerkchen zu dem Gedicht bestimmt sind, so kann man die Forderung der Selbstständigkeit nicht an sie machen. Man verlangt von solchen accessorischen Werken daß sie demjenigen gut motivirt erscheinen der die Fabel weiß oder sie erfährt. Auch sey es Ihnen ganz frey gestellt blos in mahlerischer Hinsicht günstige Gegenstände, aus den Episoden, zu wählen, wie sie es allenfalls mit unserer Freundin berathen und zum Entschluß bringen.

Sagen Sie ihr einstweilen voraus, daß ich mich mit denen vereinige welche besonders die beyden letzten Gesänge für allerliebst halten. Den vorhergehenden fehlt wenig, um jenen gleich zu werden.

Das Motiv: der schlafend scheinenden Schwester die geheimen Verhältnisse vorerzählen zu lassen, möchte nicht wohl passiren und ich fordre die Dichterin einstweilen vorläufig auf, ihre Erfindungskraft über diesen Punct noch einmal anzurufen.

Diese Woche will ich noch in vollem Fleiße hier ausleben, wahrscheinlich wird der erste Gesang fertig und, wenn es mir möglich ist, fange ich gleich den[61] zweyten an, damit ja kein Stillstand eintrete; denn die Arbeit fängt schon an eine ungeheure Breite zu zeigen wozu, ohne anhaltenden Fleiß das Leben wohl nicht hinreichen möchte. Da schon vier Gesänge ziemlich motivirt vor mir liegen so bedarf es nur der Geduld der einzelnen Ausführung, indem diese Arbeit ihre Stimmung selbst mit sich führt und erzeugt. Leben Sie wohl fleißig und vergnügt.

Mit der Leipziger Expedition sollen Sie nicht weiter gequält seyn.

Wahrscheinlich kommen wir Mittwochs den 10. April nach Weimar, wo ich mich freue Ihnen meine Helden und Götter vorzustellen.

Jena am 1. April 1799.

G.


Durch einen günstigen Zufall habe ich die Flaxmannischen Kupfer sämmtlich gesehen und begreife recht wie er der Abgott der Dilettanten seyn kann, da seine Verdienste durchaus faßlich sind und man, um seine Mängel einzusehen und zu beurtheilen, schon mehr Kenntniß besitzen muß. Ich hätte recht sehr gewünscht diese Sammlung mit Ihnen durchzugehen, indessen habe ich sie, so gut mir möglich seyn wollte, beleuchtet und mir geschwinde manches zur Erinnerung notirt.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1799. An Johann Heinrich Meyer. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-9AB3-2