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An Franz von Elsholtz

Die Hofdame

Lustspiel in fünf Acten.

Dieses Stück, in guten Alexandrinern geschrieben, hat mir viel Vergnügen gemacht. Die Absicht des Verfassers möchte seyn, das Lächerliche des Gefühls darzustellen. Nun ist das Gefühl an sich niemals [130] lächerlich, kann es auch nicht werden, als indem es seiner Würde, die in dem dauernder Gemüthlichen beruht, zu vergessen das Unglück hat. Dieß begegnet ihm, wenn es dem Leichtsinn, der Flatterhaftigkeit sich hingibt.

In unserem Drama spielen sechs Personen, die durch schwankende Neigungen sich in Lagen versetzt finden, die allerdings für komisch gelten dürfen; wobey jedoch, da alles unter edlen Menschen erhöhten Standes vorgeht, weder das Sittliche noch das Schickliche im allgemeinen Sinne verletzt wird. Das Stück ist gut componirt, die Charaktere entschieden gezeichnet; die sechs Personen verwirren sich genugsam durcheinander und die Auflösung beruhigt das hie und da besorgte moralische Gefühl.

Noch deutlicher zu machen, wovon hier die Rede ist, sey mir vergönnt der Mitschuldigen zu erwähnen.

Verbrechen können an und vor sich nicht lächerlich seyn, sie müßten denn etwas von ihrer Eigenschaft verlieren und dieß geschieht, wenn sie durch Noth oder Leidenschaft gleichsam gezwungen verübt werden. In diesem Falle nun sind die vier Personen des gedachten Stücks. Was sie thun sind eigentlich nur Vergehen; der Buffo entschuldigt sein Verbrechen durch das Recht des Wiedervergeltens und somit wäre nichts daran auszusetzen; auch ist es in der deutschen Literatur geschätzt. So oft es jedoch seit funfzig Jahren auf dem [131] Theater hervortauchte, hat es sich niemals eines günstigen Erfolges zu erfreuen gehabt, wie der auf dem Königstädter Theater ganz neuerlich gewagte Versuch abermals ausweiset. Dieses kommt jedoch daher weil das Verbrechen immer Apprehension hervorbringt, und der Genuß am Lächerlichen durch etwas beygemischtes Bängliches gestört wird. In gleichem Sinne ist das neue Stück aus heterogenen Elementen bestehend anzusehen: das Gefühlserregende, Gemüthliche will man in der Darstellung nicht herabsteigen sehen und wenn man sich gleich tagtäglich Liebeswechsel erlaubt, so möchte man da droben gern was Besseres gewahr werden; besonders ist dieß Art der Deutschen, worüber viel zu sagen wäre.

Nur soviel: das Widerspenstige eines solchen Stoffes muß durch Verstand und Anmuth bezwungen wer den und dieß ist dem Dichter meist gelungen. Auch an der Ökonomie des Stücks finde nichts auszusetzen, nichts an der Scenenfolge; demohngeachtet kann es nicht als fertig betrachtet werden. Entschließt sich der Verfasser an dem ersten Acte viel, an den übrigen wenig zu thun, so werde ich, wie mir nur einiger Raum gegeben ist, meine Gedanken umständlich darüber eröffnen.

Weimar den 16. November 1845.

Goethe. [132]

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1825. An Franz von Elsholtz. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-99E8-3