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An Sulpiz Boisserée
Die Heidelberger Kunstfreunde schauten zufällig Abends in der Dämmerung auf das van Eyckische Mittelbild. Die rothen Gewänder des Joseph und der Könige erschienen ihnen ganz dunkelschwärzlich, das blaue Gewand der Maria hingegen zu ihrem großen Erstaunen hell-weißlich, gleichsam als wäre die Farbe davon abgerieben. Sie holten Licht, und siehe, gleich stellte sich das alte Verhältniß der Farben wieder her, ohne daß irgend am Firniß oder sonst etwas verändert gewesen wäre.
Hierüber läßt sich, der echten Farbenlehre gemäß, folgende Auskunft geben. Jene Bilder sind auf [198] weißen Grund gemalt und die Lasuren, der große Vortheil der Ölmalerey, einsichtig technisch durchaus angewendet. Die Hauptmaxime worauf alle diese Vortheile beruhen ist, daß die Farbe als ein dunkles einen hellen Grund hinter oder unter sich haben muß, der sie erst zur Erscheinung bringt. Nun ist diese rothe Farbe der Gewänder, (wer weiß wie oft,) über den hellen Grund gezogen, bis der Purpur seine völlige Kraft und Sättigung erlangt hatte. Daher wird ein helles Licht erfordert und durch diese Farbenlagen hindurch bis auf den weißen Grund zu bringen und von dorther die Kraft des Rothen dergestalt zu beleben, daß es dem Auge in seiner Specification erscheine. Dagegen mußte die Dämmerung jenes Rothschwarz aussehen, weil nur das allgemeine, die Dunkelheit und Düsternheit der Farbe dem Auge fühlbar wird, das Umgekehrte aber fand sich bey'm Blau. Dem Gewande der Maria liegt nämlich gleichfalls ein reines Weiß zum Grunde, über welches nur ein leiser Hauch von Blau gezogen ist, das am Tage als die schönste Färbung erscheint. In der Dämmerung aber verschwindet das Minimum des specificirten Blau: es wird zu einem Grau und das unterliegende Weiß gewinnt seine Kraft. So erscheint das Gewand, gewiß aber nur an den hellsten Theilen, weißlich und wie alles Weiß in der Dämmrung graulich.
s. m.
G.
[199] Jena d. 29. July 1817.
Beykommendes liegt wie Sie sehen schon eine Weile und sollte eigentlich nur Beylage seyn. Heute aber soll es, da die Schleuse einer Expedition geöffnet wird, auch mit durchgehen und wenn es auch nichts weiter als sich selbst brächte.
Zuvörderst also, daß mein Heft von 12 Bogen, wovon ein Theil schon in Hegels Händen seyn muß, fertig ist um auszufliegen, aber nicht fertig dem inneren Sinne und der Behandlung nach, als wo wir niemals fertig zu werden hoffen. Ferner ist der zweyte Band der Italiänischen Reise gleichfalls zu Ende gedruckt und der unselige Wandernde sieht so eben die Campagna felice mit dem Rücken an. Gar vieles ist vorbereitet und schematisirt und das alles hab' ich unter guter jüngerer Gehülfschaft in vier Monaten zu Stande gebracht.
Was aber folgt daraus, als daß ich, zwar nicht müde, aber doch nicht reiselustig bin. Aber eben jetzt, weil so manches geschehen, seh' ich wie unendlich viel zu thun ist. Vielleicht wäre es gescheidter gewesen diese alten Knaule in's Feuer zu werfen, neue zu zwirnen und noch einmal mit Lust in's bewegte Leben hinein zu gehen. Es sollte aber such nicht seyn und ob ich gleich ziemlich in alles finde, was sich ergiebt, so verwünsch ich doch manchmal wieder den Fahr-Dilettanten, der uns auf dem Wege zu ihnen umwarf. Es ist unglaublich was [200] ein solcher Zufall eine Lebensthätigkeit und folglich eine Lebensgeschichte verrückt.
Nun leben Sie recht wohl da ich durch die ausgesprochenen Betrachtung genugsam andeute, daß mich die Aufforderung ihres letzten Briefs ungeduldig, ja beynah unglücklich macht.
Möge Ihnen alles so wohl ergehen, als ich aufrichtig an dem was Sie betrifft und berührt herzlichen Antheil nehme.
Jena d. 29. July 1817.
G.