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An Herders Kinderund Friedrich Constantin von Stein

Rom, den 30. Juni 1787.

St. Petersfest war nun wieder eine rechte Gelegenheit, Euch zu mir zu wünschen. Laßt Euch nur von den Eltern erzählen, was ich von der Erleuchtung schreibe und was sonst irgend in einem Buche davon steht. Wo man auch in der Nacht in der Stadt auf eine Höhe kam, sah man das feurige Feenschloß am Horizonte stehen, und man wünschte sich mehr Augen zu haben, um es recht sehen zu können. Wenn ich komme, will ich es Euch recht lebhaft beschreiben. Nun ist Alles still in dem großen Rom, und es ist jetzt recht Zeit zum Studiren. Ich lerne gar Manches, was ich Euch wieder lehren werde, seyd indessen hübsch fleißig, denn es kommt Einem heute oder morgen zu Gute, wenn man Etwas gelernt hat. Seit acht Tagen ist eine große Hitze auf einmal eingefallen, so daß man des Tages gar nicht ausgehen mag. Die Nächte sind auch sehr warm, und da es eben Vollmond ist, sehr schön und reizend. Das Volk ist die ganze Nacht auf den Straßen, besonders die Festtagsnächte, und singt und spielt auf der Zitter und jauchzt, und kein Mensch mag zu Hause und zu Bette.

Ich lebe ganz still für mich, und werde, da Herr Tischbein nach Neapel geht, einen großen kühlen Saal [234] bewohnen, fleißig in demselben zeichnen und schreiben, und an Euch denken.

Lebt wohl, ich kann heut nicht mehr schreiben, und will also mit Eurer kurzen Entschuldigung schließen, womit Ihr Eure kurzen Briefchen zu endigen pflegt.

G.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1787. An Herders Kinderund Friedrich Constantin von Stein. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-994E-E